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1902
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DEUTSCHE
BAUZEITUNG.
ORGAN DES
VERBANDES DEUTSCHER ARCHITEKTEN- UND
INGENIEUR.VEREINE.
REDAKTEURE: ALBERT HOFMANN UND FRITZ EISELEN.
SECHSUNDDREISSIGSTER JAHRGANG.
1902.
BERLIN.
VERLAG DEUTSCHE BAUZEITUNG, G. m. b. H.
Inhalts-Verzeichniss, Orts- und Sachregister
zum XXXVI. Jahrgang 1902 der „Deutschen Bauzeitung“.
(Den mit * bezeichneten Aufsätzen sind Abbildungen beigefügt.)
Seite
Abendbesuch im Kunstge-
weibe-Museum in Berlin
548, 584
Abort, Neuerung an Klosets,
Weslfalia frostfrei . . . 168
Abwasser-Reinigung durch
das biolog. Klärverfahren 171
durch Rieselung . . 432
— Prüfungsanstalt für Abw.-
Beseitigung und Wasser-
versorgung 505
— Verein für Wasserver-
sorgung und Abw.-R. . . 212
Acetylen-Gasanstalten. Ver-
werthuDg der Kalkrück-
stände 53a
Aeschach - Hoyren , prot.
Kirche lai'''
Afrika. DerWasserbauinden
deutsch-afrikan. Schutzge-
bieten 178
— Usambarabahn in Deutsch-
Ostafrika 586
— Marmoriager in Deutsch-
Südwest-A 560
Akademie s. Hochschulen.
Aluminothermie, Das Gold-
schmidt’sche Verfahreu
in der 319
Ammersee. Landhaus Curry-
Reute in Riederau . . 609'*'
Anemometer-Windfahne
von bpengler .... 340*
Anliegerbeiträge .... 240
Anstellung der Reg.-Bmstr.
der preuss. Staatsbauver-
waltung 78, 93
Anstriche, desinfizirende
Wand-A 186
— Kautschukbutter . . . 223
— derEisenbrückebeiHorch-
heim 303
— von Füllofen-Mänteln und
Heizkörpern 316
Arabien. Khalifenschloss
Amra in der Wüste . . 337
Arbeitsamt, studentisches 391
Arbeitsstelle, Weg zur . . 336
Architekten. Hirth’s Rede
über Urheberrecht ... 30
“ Gebühren der A. und Inge-
nieure als gerichtl. Sach-
verständige ... 70, 132
— Gewerbesteuer-Pflichtigkeit
224, 264
— DipIomprüfungand.Techn.
Hochschule in Berlin . . 391
— -Verein zu Berlin, Lebens-
Erinnerungen aus dem . 259
Architektur auf der Grossen
Berliner Kunstausstellung ii,
40, 120, 253, 273
— auf der Industrie- u. Ge-
werbe-Ausst. in Düsseldorf
9Xj 92
— Das erzieherischeEIement
in der A 226, 242
Assuan. DerNil-Staudamm 650’*-
Augsburg. Das Rathhaus
329*, 469^^
— Bücher-Besprechungen . 422
— Die Fuggerkapelle . . 441'^
— XXXI.Abgeordneten-Ver-
sammlung des Verbandes 459
— ZurWanderversammlung 413'’'
— Die XV.Wanderversamm-
lung des Verbandes . 457*
— — Der äussere Verlauf 465*
— — Die Besichtigungen 473^'
— — Die Vorträge 470, 476,
481, 487
(Baul,Entwicklung)499'",5io
Ausbesserung schadhafter
Metall- bezw. Wellblech-
Dächer 224
Ausgrabungen in Baalbeck 127
— am Dome zu Magdeburg 130
Ausrüstung für die zweck-
mässige Durchführung von
Studienreisen .... 254*
Seite
Ausstellungen d. Verbandes
Österreich. Kunstgewerbe-
Museen 315
— Berlin. Architektur u.
Kunst des Innenraumes auf
der grossen Kunst- A. ii, 40,
120, 253, 273
— — Verein für Kunstge-
werbe .... 584, 599
— Cbarlottenb. Schwarz-
Weiss-A. Amelang . . . 608
— Darmstadt, Künstler-
Kolonie . . 28, 354*, 306*,
630*, 638"
— Dresden. Deutsche
Städte-A. 144, 328, 367, 527
— Düsseldorf. Industrie-
u. Kunst-A.
Der Kunstpalast 141*', 156
Geschichte und An-
ordnung . 163’'', 169, 618
— — Konstruktion u. Ein-
richtung einig. A.-Bauten
245*, 278*, 306*, 313-!’
— — Die Architektur der
Bauten 374'''>377^’, 382*, 389^''
— — A. künstlerischer Gas-
Beleuchtungs-Gegeust. 156
— — Die Architektur-A. . 91,
92, 410
— — Kunstbistor. A. 510, 517
A. der Beton- u. 2em.- •
Industrie 421*, 435’*', 447'’’,
468*, 470
— Hannover. A. für land-
wirthschaftl. Bauwesen . 619
— Leipzig. A. des Kunst-
gewerbe-Museums . . . 567
— Lond on.Intern. Feuer-A. 496
— München. StändigeAus-
stellungs-Bauten . . .391
— — Kunstgewerbe -A. für
1904 . . . 108, 126, 355
— Nur n berg, bayer. Landes-
Industrie-A. 1906 . . . 248
— Turin. A. für moderne
dekorative Kunst 124*, 248,
262^', 298*, 474*, 594'i=
— Wien. Ausstellung der
„Secession" .... 317*
Austrocknung von Neu-
bauten, Absaugevorrichtung
für brennende Kokskörbe
von Leo 47°"'
Auszeichnungen an Künstler
116, 224, 431, 579
— anFirmeo des Baugewerb. 351
— an Techniker (Herzberg) 624
— siehe auch Ehrenbezeugungen.
Automobil siehe Selbstfahrer.
Baalbeck, Ausgrabungen . 127
Badeanstalt. DasMüller’sche
Volksbad in München 445*,
453*, 458*, 518
Baden. Bahnbauten im Gross-
herzogthum 272
— Neuorganisation des Hoch-
bauwesens . . . 543, 630
Bagger beim Hafenbau in
Kiautschou 147
— Sauge-B. und Schwemm-
apparate 602'^
Bahi^öfe, Aufhalten von
Bahnzügen in Endbahnh. 10'^
— der elektr. Hoch- u. Unter-
grundbahn in Berlin . 265*,
273*, ^if'} 285*
Bahnhofs-Anlagen in Karls-
ruhe 20i’^-, 209*, 263, 294, 324
— Umbau des Haupt-B. in
Stuttgart .... 170, 220
— Die neuen B.-Anlagen in
Wiesbaden 83
Bankhaus der Disconto-Ge-
selischaft in Berlin 485’^, 564*
Basalte, Sonnenbrand der . 186
Bastei in derSädis.Schweiz.
Bergaufzug .... 658*
Seite
Baubeamte. Etatm. Anstellg.
derReg.-Bmstr. der preuss.
Staatsbau-Verwaitg. 78, 93
— Zur Pensiouir. der B. 81,587
— pensionirte, und beeidigte
höhere Bautechniker
(Schwerin) 543
— Gehalts- und Anstellungs-
Gesetz der Baumeister im
hamburg. Staatsdienste . 558
— Stellung der bayer. Staats-
bahn-Ingen 191
Baudenkmäler. Abbruch des
Hauses die „Heydeckerei"
in Magdeburg .... 323
— Das Haus des Baumeisters
in Rothenburg o. T. . 433*
— Zur Erhaltung der Krypta
des Wiperti-Klosters 240, 25a
— Das Khalifenschloss Amra
in der arabischen Wüste 337
— UntergangderZecca(Münz-
geb.) in Venedig . . . 642
Bauernhaus-Ausschuss, Be-
richt • 599
— Das B. im Deutsch. Reiche
usw 654, 658
Bauforderungen. Reichsge-
setz betr. die Sicherung
der B 14, 19, 8o
— Verjährung der B. . . . 642
Baugewerbe. Auszeichnun-
gen an Firmen des . . 351
Baugewerkschul - Dir., Er-
nennung zu Gewerbe-
Schulräthen 315
— Neue Aufnahme-Bestim-
mungen der kgl. preuss. B. 340
— in D.-Krone, Kurse für
Meliorat.-Techniker . . 315
— in Erfurt, Tiefbau-Abth. . 431
— in Nienburg a. W. , Tief-
bau-Abth 567
Baugrund 168
Baukonstruktion. Ulrich’s
Doppel-Panzerglasung . 39
— Verschiebbares Oberlicht
über dem Kassenhofe des
Bankgeb. der Disconto-
Ges. in Berlin . . . 564*
— Luxfer-Prismen u. deren
Anwendungim Bauwesen 374'''
— Billige Schalungsdächer 530*
— Drabtkiesleiste für Holz-
zement-Dächer von Nebe-
ling 6to*
— Die Eggert-Decke 611*, 635
— Holz-Fachwerkbogen von
Stephan 195*
— Fussboden in Kirchen 568*
— Mack’sFeuerschutz-Mant. 534*
— Hohlsteinwand v. Donath 479*
— RahmenwändevonGlasur-
steinen 49i*
— Automatische Schiebethür
von Merkelbach . . . 248*
— Mauerzierankerv. Schulze-
Köln 432*
— Eisenbetonbau inHamburg 287
— Betoneisen-Pfahlrost vom
Neubau des Amtsgerichtes
Wedding . . . 582, 647*
— Abhaltung von Schwitz-
wasser 7a, 120
Baukünstler, Hirth’s Rede
über Ulheberrecht ... 30
Baukunst. Eine charakte-
ristische Eigenschaft der
neueren 190, 202
— im Konzert der Künste . 263
Baumaterialien. Untersuchung
der Abnutzung durch Sand-
strahlgebläse 55
— Das Goldschmidt’sche Ver-
fahren in der Alumino-
thermie 319
— Normalformat oder Kloster-
format, Handstrich- oder
Maschinensteine . . 55, 104
— Kalksandsteine . . . . ii
Seile
Baumaterialien. Der Wa-
benziegel von Kühn 71, 247*
— Korkstein im Wohnhaus-
bau 187
— SantorLnerde (Mörtel) . . 439
— italienischer Marmor . . 96
— Steinplastikum, Putzmater. 120
Baupacht- und Grundrenten-
verhältnisse in England
606, 610
Baupolizei. Anbaufähige
Strasse 480
Bausteine, Sonnenbrand der
Basalte 186
— Dübelsteine von Niedern-
dodeleben . . 240, 276, 304
Bauverträge in Hamburg 90,468
Bauwerke. Mittelalterliche
B. aus der Mark • • • 95
Bayern. Techn. vorgebildete
Verwaltungs-Beamte . . 168
— Stellung der Staatsbahn-
Ingen 191
— Verkehrs-Ministerium . 260,
291, 600
— Landwivthschaftl. Bau-
wesen 463
— Neuregelung des kultur-
techn. Dienstes .... 578
— Volkswirthschaftl. Preis-
fragen 368
— Wildbachverbauung im
Hochgebirge . . 500'’’, 510
Beamte. Techn. vorgebildete
Verwaltungs-B. . iö8, 231
Bebauungsplan für ein gr.
Gelände bei Elberfeld . 27*
— der kgl. Domäne Dahlem 13t
— Die Stadterweiterung zu
Diedenhofen .... 305'*’
— Die Stuttgarter Stadter-
weiterung . . 86*, 97*, 109
Bebauung. Welche Mittel
besitzt eine Stadtverwal-
tung, die B. einer Strasse
usw. nach bestimmten
Vorschriften zu ermög-
lichen 160
Beelitz. Heilstätten-Anlage,
Fernheizwerk . . 132, 134
Beleuchtung. Effektbogen-
lampen mit farbigem Licht
von S. & H 156
— elektrische B. und Kosten
derselben . . . 182, 192
— Elektr. Beleuchtung von
Zeichensälen .... 496*
— Stromerzeugungfürelektr.
Haus-B 633*
— von Landkirchen . . . 516
— Luxfer-Prismen undderen
Anwendungim Bauwesen 374*
Bergautzug nach der Bastei.
in der Sachs. Schweiz 658*
Bergbau. Die Kohlenfelder
des preuss. Staates . . 303
Berlin. Die 228 Millionen-
Anleihe der Stadt zu bau-
lichen Zwecken . . .621
— Die Architektur auf der
Kunst-Ausstellung ii, 40, 120,
253, 273
— Ausstellung des Ver. für
Kunstgewerbe 584, 599
— Besuch d. österreichischen
Fachgenossen 263, 298, 303
— Denkmal f.ErnstDircksen 534
— Die elektr. Hoch- u. Unter-
grundbahn (Hochbauten) 70,
265*, 273*, 277*, 285*
— — Die statische Berech-
nung des Normal-
viaduktes .... 370*
— Der Strassenb.-Verkehr . 429
— Städt. Schnellverkehrs-
Pläne 563
— Schwebebahn-Projektsög, 634
— Untertunnelung der Str.
Unter den Linden . . . 119
— Die Strassenbrücken . 173*
252410
III
Seite
B erlin. TechnischeHoch-
schule. Ehrendottoren 56
— — ’ Diplomprüfung . . . 391
— Lebens-Erinnerungen aus
dem Architekten-Ver. . 259
— Neubauten. Die Um-
wandlung und die Neu-
bauten d.Zoolog.Gartens T37'*^,
149*, 161*, 169’', 175'“, i8c*,
509*) 545*. 549*
— — Geschäftshaus Gebr.
Simon 625*
Wohnhaus Henning 353*
— — Wohnhaus Müller . 421*
Baokgebäude der Dis-
conto-Ges. 485*. 5^4*
Das Palais Staudt
649*. 657*
— Ueberwachungs-Anst. für
elektr. Anlagen .... 64
— Kehrmaschinen .... 291
— Verein für Unfallverletzte 324
— Vorträge des Kunstgew.-
‘Museums 518
— Abendbesuch im Kunst-
gewerbe-Museum . 548, 584
Besprengen chaussirt. Strass.
mit Rohpetroleum . . . 143
Besuch, der Österreich. Fach-
genossen inBerlin263,298, 303
Beton-Prüfungs-Maschinen 322*
— -Bauten auf der Düssel-
dorfer Ausstell. 421*, 435‘*',447’'-
— -Brücken bei den Niagara-
Fällen 337*
Betoneisen - Pfahlrost vom
Neubau des Amtsger.
Wedding . . . 582, 647'*'
Böckmann,Wilh.,Geh.Brth
in Berlin zum 70. Geburts-
tage ... 42, 63, 557’^ (t)
Bootshaus der Mannheimer
Rudergesellschaft . . 557*
Boston. Neues vonderHüch-
u. Untergrundbahn . . 310
Bozen. Zollhaus bei der
Talferbrücke .... 566*
Brandenburg, Konservator
der Kunstdenkmäler . . 31
Bremen. Erweiterungsbauten
des Wasserwerks . . . 366
— Die geplanten Binnen-
schiffahrts-Anlagen . 554*
Brückenbau. Beton-Brücken
421*, 435-*=, 447«
— Beitrag zum Steinbrücken-
bau 7*
— Die Slrassenbr. Berlins 173'''
— DieRheinbrückebelHorch-
beim 302
— Umbau d. Eisenbahnbrücke
über den Rhein bei Mainz 359
— Um- oder Neubau der
Augustusbrücke in Dres-
den 637*
— Die neue Strassenbr. in
Luxemburg 521*, 533’’', 537^*^
— Gewölbte Brücken bei
den Niagara-Fällen . 337’"
Brunnen in Augsburg 413''’, 457'”
Budapest. Verband für Mate-
rialprüfungen der Technik 339
Bücherschau. Architek-
tonische Rundschau . 636
— Adressbuch der Zement-
fabriken Deutschlands . 636
— Augsbu rg in kunstgesch.,
baulicher und hygienisch.
Beziehung 422
— Das Bauernhaus im
deutschen Reiche, in Oester-
reich-Ungarn u. der Schweiz
599. 654, 658
— Baukunde des Architekt.
Bd. I, I : Aufbau der Ge-
bäude 615*
— BerlinsStrassenbrückeni73‘-’'
— Berlin. Kalender 1903 535
— Der Rothe Adler, Bran-
denburg. Kalender 1903 . 535
— BrockhausKonversations-
Lexikon . . , 135, 224, 404
— Danzig, Giebelbauten und
Portale 7g, 92
- Deutsch.BaukalendersSo
- Förster, Geschichte der
Dresden. Augustus-Brücke637*
— Führer zum Ausflug nach
Landsberg u. Füssen usw. 444
— Gurlitt, Geschichte der
Kunst 614
Die WestthOime des
Meissner Domes . 357*
Seite
Bücherschau. Haarmann,
Die Kritik des Eisenbahn-
gleises 566
— Haupt, Zur Baugeschichte
des Heidelberger Schlosses
346, 4S4.*, 442
— Hochbau-Lexikon . 667
— Holz, Wasserkraft-Ver-
hältnisse in Skandinavien
und im Alpengebiete . . 86
— „Hütte“: Des Ingenieurs
Taschenbuch 630
— Inhalts-Verzeichniss vom
Centralblatt der Bauver-
waltung 1891 — rgoo . . 667
— Jänecke, Die Entwicklung
der Akanthusranke im franz.
Rokoko 471
— Jahr, Anleitung zum Ent-
werfen und zur stat. Be-
rechnung für gemauerte
Fabrikscbornsteine ... 79
— Karlsruhe, Der städt.
Rheinhafen 483
— Koch, Grossherzog Ernst
Ludwig und die Ausstellung
der Künstler- Kolonie in
Darmstadt 1901 254’’-, 306'“,
630'-’', 638''’
— Kossmann, Die Bedachung .
am Heidelberger Otto-
Heinrichsbau vor 1689 . 343
— Krell, Altrömische Hei-
■ Zungen 106
— Martersteig, Jahrbuch
der bildenden Kunst . . 427
— Müller-Breslau, Die
graphische Statik der Bau-
konstniktionen Bd. I . . 195
— Der Neubau des Bayer.
National-Museum s in
München . . . 637*, 666
— Neubauten der Stadt
Berlin 404
— Nuss bäum, Leitfaden der
Hygiene 572
— Oesterreich. Beiträge
zur Hydrographie O. . . go
— Ornament igo2v. Bürck 506
— Peters, Magdeburg und
.seine Denkmäler 105*, 117'*'
— Riehl, Die Kunst an der
Brennerstrasse .... 453
— V. Salisch. Forstästhetik 29t
— Stoy. Tabellen zur Be-
rechnung liölzernerTräger 668
— Stuttgart, Stadterweite-
rung .... 86'*', 97'^’, 109
— Sympher. Wasserwirlh-
schaftl. Vorarbeiten . . 87
— von Tein. Untersuchun-
gen der Hochwasser-Ver-
hältnisse im deutschen
Rheingebiet 87
— Tolkmit. Leitfaden für
das Entwerfen und die Be-
rechnunggewölbterBrück. 63c
— Die Umschau . . . . 79
— Veitmeyer. Leuchtfeuer
und Leuchtapparate . . gi
— Wall6. Eduard Knoblauch 187
— Wasserversorgung u.
Abwässer - Beseitigung,
Mittheilungen aus der
Prüfungsanstalt .... 505
— Wildt. Prakt. Beispiele
aus der darstellenden
Geometrie 188
— Zeitschrift für Mathe-
matik und Physik . . . 187
— Zillicb, Statik für Bau-
gewerkschulen u. Bauge-
werksmstr 79
— Zimmermann. Ueber
Raumfachwerke . . 325'“
Bücherverzeichnisse. 92, 135,
188, 224, 292, 404, 484, 508,
535. 631, 636, 668
Bürgermeister, Brth. Stahl
in Friedberg i. Hessen . 648
Bürgersteig - Anlagekosten
und Wegebaupflicbt . . 368
Burg bei Magdeburg, Kanali-
sation und Wasserver-
sorgung der Stadt . . . 609
Charlottenburg.Dienstwohn-
geb. für d. komm. General
des 111. Armeekorps . . 402
— Hochschulen f. die bilden-
den Künste und für Musik 561*,
569*, 573*, 581*
Seite
Charlottenburg. Schwarz-
Weiss- Aussteil. Amelang 608
— Vereinshaus „Motiv“ . . 624
China. Thätigkeit der deut-
schen Eisenbahntruppen
I90o''i9or 194
Chronik. 31, 80, 135, 180, 232,
264, 304. 324, 353, 376, 379,
392, 400, 428, 431, 453, 464,
484, 516, 528, 536, 556, 567,
580, 592, 600, 612, 656
Dächer, billige Schalungsd. 530’*^
— Drahtkiesleiste für Holz-
zement-D. von Nebeling 610*
— Oberlicht über d. Kassen-
hofe des Bankgebäudes d.
Disconto-Ges. in Berlin 564-'’
Dachziegel, gedämpfte . . 340
Dahlem, Bebauungsplan der
kgl. Domäne 131
Darmstadt. Ausstellung der
Künstler-Kolonie 28, 254*,
306*, 630*, 638*
Decken, Eggert-D. 611*, 635
— Koenen’sche Voutenplat-
ten, schallsicher . 72, lao
— Einsturz einer solchen in
Hamburg 130
— Feuersicherh.v.Balkon-D. r68
— feuersichere Holzbalken-
D. von Esch .... 367^'
— in Beton auf der Ausstell.
in Düsseldorf . . . 450*
Deichschutz 267*
Denkmal für Ernst Dirck-
sen in Berlin 534
— Wettbewerb um das Bis-
marck-D. für Hamburg 33*,
41*, 45* 5r, 53*, 57. 64, 72
Desinfektion. Desinfiz. Wand-
anstriche j86
Deuben, Glashüttenwerke
Adlerhütte 456
Dt. Krone, Kurse für Meliorat.-
Techniker an der Bauge-
werkschule 3C5
Deutschland. Entwicklung
der Elektrizitäts-Werke . 71
— Die Geburtsstätte der Re-
naissance in D. . . . 441*
Dichtung von Muffenrohren
von Beinhauer . 506*, 624
Diedenhofen. Die Stadter-
weiterung 305*
Dom zu Meissen ir, 131, 225^’’,
356*, 367, 450
— HeizungdesMagdeburg.D. 247
Dresden. Deutsche Städte-
ausstellung 144, 328, 367, 527
— Zur Frage des Um- oder
Neubaues der Augustus-
Biücke 637''-
— Fernheizwerk .... 132
— Techn. Hochschule, Ehren-
doktoren 224
— Jakobikirche 63
— Johannstädt. Krankenhaus-
Anlage 63, 134
— Gottfr. Semper über öffent-
liche Gebäude .... 335
Druckluft-Betriebsmittel bei
Kleinbahnen und städt.
Strassenbahnen 206*, 218''',
221*, 228*, 249’'“
Dübelsteln von Niederadode-
leben .... 240, 276, 304
Dünenbau auf der Kurischen
Nehrung 198
Düsseldorf. Industrie- u.
Gewerbe - Ausstell.
Der Kunstpalast 141*, 156
— — Geschichte und An-
ordnung r63-'-, 169, 618
- — Konstruktion u. Einrich-
tung einiger A. -Bauten
245’*', 278^^', 306-'’, 313*
— — Die Architektur der
Bauten 374*i377*, 382*1389*
— — DieArchitektur-Ausst. gr,
92, 410
— — Die „Kunsthistor. Aus-
stellung“ . . . 510, S17
— — Beton- und Zement-
fabrikanten-A. 421'-", 435''^,
447, 468*, 470
— — Ausst, künstler. Gas-
beleucht.-Gegenstände 156
— Die neue Rheinwerft . . 144
— IX. internat. Schiffahrts-
Kongress 195.3-13,358,363,623
Duisburg, ev. Kirche . . 497*
Ehrenbezeugungen an Künst-
ler und Techniker 16, 44, 63,
180, 187, 263, 376, 560, 642
— Ernennung deutscher K.
zu Mitgl. der franz. Ehren-
legion .... 16, 40, 56
— Ehrendoktoren der Techn.
Hochschule in Berlin . . 56
— Festfeier zu Ehren der
kgl. Brthe. Kayser & v. Grosz-
heim in Berlin .... 610
Einsturz des Campanile von
San Marco in Venedig 372-'=
Eisen-Mauerzieranker . 432*
Eisenbeton-Bau Röper &
Staacke in Hamburg . . 287
— -Pfahlrost vom Neubau
d. Amtsger.Wedding 582, 647*
Eisenbahnen.Gesetzentwurf
betr. die Erweiterung der
Staats-E. und Bau von
Kleinbahnen 96
— im Grossherzogth. Baden 27a
Vorarbeiten und Landes-
karten 489, 494
— Die Usambarabahn in
Deutsch-Ostafrika . , . 586
— Thätigkeit der deutschen
E.-Truppen in China
1900/1901 194
— Druckluft -Betriebsmittel
bei Kleinbahnen u. städt.
Strassenbahnen 3o6'^ 2i8-'-,
221*, ,228*, 249*
— Elektr. Versuchsbetrieb
auf der Wannseebahn . 412
— Elektr. Schnell- u. Voll-
bahnen m. hochgespanntem
Drehstrom als Antrieb 103’'^
113*, 119, 122*, 246
— Schnellverkehr u. Dampf-
Lokomotive 143
— Elektrischer Betrieb der
Schweizer-E 567
— Die elektr. Hoch- u. Un-
tergrundbahn in Berlin 70,
265*, 273^', 277’*=, 283*
— — Die statische Berech-
nung des Nornial-
viaduktes ders. . . 370’”
— Städt. Schnellverkehrs-
Pläne in Berlin .... 563
— Schwebebahn - Projekt f.
Berlin 569, 634
— Stadt- u. Vorortbahnen in
Hamburg 179
— Neues von der Hoch- u.
UntergrundbahninBoston 310
— Die elektr. Stadtbahn von
Paris 593
— Aufhalten von Bahnzügen
io Endbabnhöfen . . . lo'’-
— Der Eisenb.-Lootse . . 73
— elektr. Streckenblockung
und Deckung von Zügen 505
— Zugschranken nach dem
System Röckl . . . 627*
Elbe. Vertiefung des Fahr-
wassers der Unter-E. . 406
Elberfeld. Bebauungsplan
für ein grösseres Gelände 27*
— Schwebebahn .... 70
Elektrizitäts-Gesellschaften
und die Wasserstrassen in
Oesterreich 463
Elektrizitäts - Werke in
Deutschland 71
— in Karlsruhe i. B. 201'^, 215'*'
— Dasstädt.E.-W.in Worms 197*
Elektrotechnik.Effektbogen-
lampe mit färb. Licht von
S. & H 156
— Kostend, elektr. Beleucht. 192
— Elektr. Beleuchtung von
Zeichensälen .... 496*
— StromerzeugUDgfürelektr.
Hausbeleuchtung . . 633'’-
— Anwendung des elektr.
Starkstroms im Hochbau 182
— Ueberwachungs-Anst. f.
elektr. Anlagen in Berlin 64
— Elektr. Schnell- u. Voll-
bahnen mit hochgespann-
tem Drehstrom als An-
trieb 103*, 113'*“, 119, 122*, 246
— Elektr.Versuchsbetriebauf
der Wannseebahn . . . 412
— Elektr. Betrieb der Schwei-
zerischen Eisenbahnen . 567
— Die elektr. Stadtb. v, Paris 593
England. Die Baupacht- und
die Grundrenten-Verhält-
nisse 606, 610
IV
Seite
Entwässerung von Gebäuden
usw., Unrathfänger mit Ge-
ruchverschlussv. Weithas 3t ’-
Erfurt. Tiefbauabth. an der
Baugewerkschule . . . 431
Essen. Stadttheater . . 160*
Etat. Das Bauwesen im
preuss. Staatshaushalt 38, 50
Fahrradwege in Ortschaften 142
Farbe. Desinfizirende Wand-
anstriche 186
Felsengräber von Petra . 290
Fenster. Doppelfenster von
Walchner 272
Fensterrecht, bezw. gemein-
schaftliche Mauern 108, 156,
180, 240, 480, 528, 536
Festfeier zu Ehren der kgl.
Brthe. Kayser & v. Grosz-
heim in Berlin . . . .610
Festbauten. Halle d. Sänger-
bundesfestes in Graz . . 376
Feuchtigkeit in einem Spinn-
saale 340
Feuersicherheit der Balken-
decken in Wohn- u. Ge-
schäftshäusern .... 168
— Mack’s Feuerschutz-Man-
tel 534*
Fischsterben in Flussläufen 531
Fllnsberg. Villa Pintsch . 85*
Flussbau - Laboratorium in
Karlsruhe 665
Forstästhetik 291
Frankfurt a.M. Stadttheater 159*
— Das Umlegungsgesetz . 401
Frankreich, Nord.-, Akadein.
Studienreise nach ps''-, 106
Franzlus. Joh. Ludw., Ob.-
Baudir. in Bremen zum
70. Geburtstage . . . .114
Franz.-Buchholz, Herren-
haus Gravenstein ... 6'^
Freiburg i. Br. Der Wett-
bewerb um Entwürfe für
ein neues Kollegiengeb.
der Universität 523''', 529'^,
539*, 567
Friedberg i. H. Wiederher-
stellung der Stadlkirche
233’", 241'’=
Friedhöfe, neue, in München
293*, 301*, 341*, 361*
Fussboden. Ahorn-F. . 179*
— in Kirchen 568
— -Heizung im kgl. National-
Museum in München . öss'’’
Gallerien, moderne, in Wien
und Prag 515
Gas. Verbrennungs - Kraft-
maschinen 566
Gebühren der Arch. u. Ing.
als gerichtl. Sachverstän-
dige .... 70, 132, 536
— -Ordnung für die Arb. des
GartenkOnstlers .... 412
— — für Landmesser in
Preussen 427
• für Vorentwürfe im Heiz.-
543
534
und Lüftungsfaclie
-- Honorarnorm für Arch
in Paris
Geläute der Sacre Coeur-
Kirche in Paris .... 636
Gera. Fürstl. Theater . 158*
Gerichts - Neubauten in
Magdeburg 198
Gerüste, leichte, für grosse
Höhen 135
Geschäftshaus Gebr. Simon
in Berlin 625*
Gesetzgebung. Reichsgesetz
betr. Sicherung der Bau-
forderungen . . . . 14, 19
— Das Umlegungs-G. für
Frankfurt a. M 401
Gesundheitsschutz in öffentl.
Lokalen 159
Gesundheitswesen. Sanitäre
Anlagen und Einrichtungen
der „Bayer. Metallindustrie
Tobias Förster & Co." in
München 351
Gewächshäuser, Schalten-
rollen für 116
Glashüttenwerke Adlerhütte
in Deuben 456
Glaskonstruktion, Ulrich’s
Doppcl-Panzerglasung . 39
Glaskonstruktion. Luxfer-
Prismen u. deren Anwen-
dung im Bauwesen . . 374'”
Glasmalereien von Riess in
Dessau 220
— und Kunstverglasungen
von Schiein in Zittau . . 496
— Atelier von Prof. Linne-
mann in Frankfurt a. M. 592
Glasmosaiken von Ravenna 30
Gleise, eiserne, auf Land-
strassen 268--'
Glockenthurm in Venedig,
Einsturz .... - 372*
Grabkammern im Felsen
bei Petra 290
Graz. Halle des Sänger-
bundesfestes 376
Grundbau. Betoneis.-Pfahl-
rost vom Neubau des
Amtsger. Wedding 582, 647''’
Hafen- Anlagen. Die neue
Rheinwerft in Düsseldorf 144
— Die geplanten Binnen-
schiffahrts-Anlagen in
Bremen _ 554*
— -Anlagen und -Bauten in
Karlsruhe 209’--, 213*, 284
— Umgestaltung des Ro-
stocker Hafengebietes . 211
— Die geplante Erweiterung
des Hafens in Ruhrort 236'’-
— Winterhafen in der Freu-
denau bei Wien . . . 579
— in Kiautschou .... 147
Hamburg. Eisenbetonbau
von Röper & Staacke . 287
— Ueber Bauverträge 90, 468
— Einsturz einer Koenen’schen
Voutendecke u. Umsturz
eines Schornsteins . . . 130
— Wettbewerb um das Bis-
marck-Denkmal 33’*“, 41’^', 45’*',
51. 53*, 57, 64, 72
— -- Feste u. Ausflüge des' Äixb.-
und Ing.-Ver. igor . . . 154
— Gehalts- und Anstellungs-
gesetz der Baumeister . 558
— Kirchen in Wandsbeck u.
Hammerbrook . . 69^', 90
— Fassaden - Entwürfe für
Dr. Albrecht .... 570'=
— Heine-Asyl, Kuhstall, Haus
Jäüisch , Tuberkulosen-
Heilstätte 183
— Stadt- und Vorortbahn . 179
— Die Alster und ihre Zu-
flüsse 182
— Schiffahrts - Schleuse bei
Tiefstack 558
— Vertiefung des Fahrwassers
der Unterelbe .... 406
— Versenkung v. Sieldükern 634
— Wasserwerk in Rothen-
burgsort 336
Handelsregister. Verpflich-
tung zur Eintragung 248, 388
Hannover. Ausstellung für
landwirthschafil.Bauwesen 619
Harz. Thalsperren am . . 223
Hebemaschinen, Vortrag
von Prof. Kämmerer . . 328
Heidelberg. Wiederher-
stellung des Schlosses I*, II,
16, ij\ 23, 25% 40, 54. 65’’^,
99, 131, 342, 434*, 442
— Kommission von Sach-
verständigen 187, 200, 212
Heizung. Fernheizwerke von
Dresden u. Beelitz . . . 132
— elektr. H. einer Küche . 182
— Gasheiz, für Kirchen . . 656
— des Magdeburger Domes 247
— Zur Kirchen-H., mangeln-
der Zug im Schornstein
580, 620
— Dauerbrand -Kamin -Ofen
von Stauss 90'’-
— Kachel-Oefen der Fabrik
„Saxonia“ in Meissen . 463
— Strebel’s Original-Gegen-
stroni-Gliederkessel . . 8i‘’-
— AltrömLsche Heizungen . to6
— Fussboden-H. im kgl. Na-
tional-Museumin München 635’''
— Verbandsrobr derDtschn.
Zentralheiz. - Industriellen 79
— Absaugevorrichtung für
brennende Kokskörbe von
Leo 470*
Heizkörper, Anstriche von 316
Heizungs- u. Lüftungsfach.
Honorirung von Vorent-
würfen 543
Hilden. Rathhaus . . . 5:7*
Hochschulen für die bilden-
den Künste und für Musik
in Charlottenburg 561*, 569*,
573*. 581*
Hochschulen, techn. Be-
suche an deutschen . . 666
— Kurse über. Bau- u. Woh-
nungs-Hygiene . 96, 199, 212
— B erlin , Diplomprüfung . 391
— — Ehrendoktoren ... 56
— Dresden, Ehrendoktoren 224
Wasserbautechn. Ver-
suche 303
— Karlsruhe, Fliissbau-
Laboratorium 665
— München. Arch, Streiter,
Doz. für- Kunstgeschichte 376
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einer T. H 200
— Wien. Die ei'sten Dr.-
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Raummangel .... 160
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Horchheim, Rheinbrücke . 302
Hygiene, Kurse über Bau-
u. Wohnungs-H. an den
techn. Hochschulen g6, 199,212
Industrie. lubiläums-Stiftung
der deutschen Ind. . 52, 367
Ingenieure. Ehrenbezeugun-
gen an 560
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Sachverständige . 70, 132
Innsbruck. Kunsthistor. Kon-
gress 148
Italien. Der freie Zutritt zu
den öffentl. Kunstanstalten 543
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GubbiO|Nationaleigenthuni 548
Jacobsthal, Joh. Ed., Geh.
Reg.-Rath und Prof, f . 12,
>8*, 34, 45
— Denkmal in der Techn.
Hochschule in Berlin . . 360
— Ausstellung seines künst-
lerischen Nachlasses . . 388
Jena. Volksheim der Zeiss-
Stiftung 59z
Jubiläum. 70. Geburtstag des
Geh. Brth. Wilh. Böckmann
in Berlin 4®, 63
— 70. Geburtstag von Job.
L. Franzins in Bremen . 114
— Zum 70. Geburtstag von
Ob. -Brth. L. Gerber . . 607
— 70. Geburtstag von Geh.
Reg -Rath Launhardt in
Hannover 195
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Büsscber & Hoffmann in
Eberswalde 579
Jubiläums-Stiftung derdtscho.
Industrie .... 52, 367
Kali-Bergwerk Jessenitz . 280
Kalksandstein ix
Kanal, Der Königsberger
Seekanal 59'’’
— Der Panama-K 400
Kanalisation von Paris i5o-^’,i66'®
— und Wasserversorgung der
Stadt Burg bei Magdeburg 609
— Versenkung von Sieldükern
in Hamburg 634
— Abwasserreinigung durch
das biolog. Klärverfahren 771
— desgl. durch Rieselung . 432
— Dichtungen von Muffen-
rohren von Beinhauer 506*, 624
— Unrathfänger mit Geruch-
verschluss von Weiüias 31'’'
— Sinkkasten-Eimer 292, 380
Kapelle, Grabk. der Fugger
in Augsburg .... 441'''
Karlsruhe i. B. Allgem. Ver-
sorgungsanstalt .... 73*
— Neue Verkehrsanlagen;
Bahnanlagen 20i’’', 209*, 263,
294, 324
— Elektrizitätswerk 201“', 275’"
Karlsruhe i. B. Flussbaii-
Laboratorium a.der T echn.
Hochschule 665
— Hafenbauten 209*, 2x3-'', 284
Kassel. Rathhaus-Wettbew. 381*,
393*, 401*. 405*. 415*, 429*
Katalog der Korksteinfabrik
V. Grünzweig & Hartmann 666
kautschukbutter, undurch-
lässiger Anstrich . . . 223
Kayser & v. Groszheim, kgl.
Brthe., Festfeier in Berlin 610
Kehrmaschinen, in Berlin . 29 t
Kiautschou, Hafenbau . . 147
Kirchenbauten. Prot. K. in
Aeschach-Hoyren . . 13 1*
— Jakobi-K. in Dresden . . 63
— ev. K. mit Pfarrhaus für
Duisburg 497'’-
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Stadt-K. in Friedberg i. H.
233*, 241*
— inHammerbrooku.Wands-
beck-Hamburg . . 69’”, 90
— kath. Westminster-Kathe-
drale in London . . 145'’'
Kläranlage. Abwasser-Rei-
nigung durch das biolog.
Klärverfahren . . . .171
Klosets, Neuerungen an,
Westfalia frostfrei . . . 168
Köln a. Rh. Stadttheater 585*,
601*, 6rt
Königsberg i. Pr. Der See-
kanal 59'^
Kohlenfelder des preuss.
Staates 303
Kokskörbe. Absaugevor-
richtung für brennende K.
von Leo 47°*
Kongress, kunsthistor., in
Innsbruck 148
— IX. Internat. Schiffahrts-
K. in Düsseldorf 195, 343,
358, 363
Konservator der Kunstdenk-
mäler der Prov. Branden-
burg 3 t
Korkstein im Wohnhausbau 187
— Katalog der Fabrik von
Grünzweig & Hartmann 666
Korkteppich 240
Kosten der elektr. Beleuch-
tung 192
Krankenhaus - Anlage in
Johannstadt-Dresden 63, 134
— Die Heilstätten - Anlage
bei Beelitz . . . 133, 134
— Das Rhein. Diakonissen-
haus in Kreuznach . 129’'^
Krankenräume, ständ., in
Miethwohnungen . . . 156
Kreuznach. Das Rhein.
Diakonissenhaus . . 12g'’-
Kündigungsfrist der Tech-
niker ii6j 264
Künstler, Auszeichnungen
an . . 116, 224, 43t, 579
Künstler-Kolonie-Ausstellung
in Darmstadt 28, 254.*, 306^’,
630^^=, 638’®
Künstler u. Techniker, Ehren-
bezeugungen 16, 44, 63, 180,
187, 263
Kunstakademie. Hochschulen
für die bildenden Künste
und für Musik in Char-
lottenburg 56 569 573'^', 58 L*
Kunstdenkmäler, Form der
Verzeichnisse in den preuss.
Provinzen 426
— Die alten K. auf dem Ka-
tholikentag in Mannheim 534
— Der herzogl. Palast in
Gubbio, Nationaleigenth. 548
Kunstpflege, staatliche in
Oesterreich . . . 186, 286
Landesanstalt für Gewässer-
kunde in Preussen . 263, 290
Landeskarten u. Eisenbahn-
Vorarbeiten . . . 489, 494
Landtagsgebäudein München 35 c
Landwirthschaftl. Bauwesen
in Bayern 463
Landwirthschaftl. Bauten 290
Launhardt, Geh. Reg.-Rath
in Hannover, zum 70. Ge-
burtstage 195
Leipzig. Ausstellung des
Kunstgewerbe-Museums . 567
— Techn.als besold.Stadtrih. 186
V
Seite
Seite
Seite
Leipzig. Billige Wohnungen
im Erbbaurecht .... i86
Levy, Ludwig, Arch , techn.
Ref. für Bauwesen im Minist,
des Inneren in Baden . . 40
Lichtpaus - Apparat „Sim-
plex" von Martz . . 323*
Linoleum-Korkteppich . . 240
London. Reiseindrücke über go
— katholische Westminster-
Kathedrale .... 145'^
— Internat. Feuerausstellg. 496
Loschwitz bei Dresden,
Viilen 505*
Lültung in öffenü. Lokalen 159
Luxemburg. Die neue Strassen-
brücke . . 521*, 533-*, 537*
Magdeburg. Schulbauten . 107
— Ausgrabungen am Dome 130
— Heizung des Domes . . 247
— Die Heydeckerei . . . 324
— Justizneubauten .... 198
Mainz. Umbau der Eisen-
bahnbrücke über d. Rhein 359
Malerei, plastische von Schudt 44
— Augsburger Fassaden-M. 470
Mannheim. Bootshaus der
Rudergesellschaft . . 557'’'
Marmor, italienischer . . 96
— -Lager in Deutsch-Süd-
west-Afrika 560
— -Zement 264
Mauern. Gemeinschaft!. . 420
Mauerzieranker V. Schulze-
Köln 432*
Meissen, Ausbau des Domes ii,
131, 225*, 356*, 367, 450
Meliorations - Techniker,
Kurse für, an der Bauge-
werkschule in Dt.-Krone 315
Ministerium der öffentl. Arb.
in Preussen,' Wechsel im 333
Mörtelmischer , Bauart
Steinbruck-Schmelzer 591*
Mosaiken, alte und neue . 239
München. Arch. Streiter,
Doz. für Kunstgeschichte
an der techn. Hochschule 376
— Ständige Ausstellungs-
bauten 3gx
-- Kunstgewerbe -Ausstellg.
für 1904 . . 108, 126, 355
— DasMüller’scheVolksbad445*,
453^, 458’^ 518
— Die neuen Friedhöfe 29s"'',
301^*=, 341% 36r'^
— Fussbodenheizung im kgl,
Nationalmuseum . . 635*
— neues Landtagsgeb. . .351
— Landhaus Schmidt bei . 13*
— Schloss Schwaneck im
Isarthal .... 613'*, 621-’'
— Wohnhaus Stroblberger
io Thalkirchen . . . i8g'''
— Reisebericht über M. 77, 89
— Verein für Volkskunst u.
Volkskunde . . . 558, 619
Münster zu Strassburg i. E. 481
Museum. Abeudbesuch im
Kunstgewerbe-M. in Berlin
548, 584
Musterbuch für Treppen
und Gitter von Fritzsche
in Leipzig .... 519, 534
Niagara - Fälle , Gewölbte
Brücken 337'''
Niederschläge, feuchte, an
Küchenwänden .... 464
Nienburg a.W. Baugewerk-
schule, Tiefbau-Abth. . 567
Nil-Standamm bei Assuan 650*
Normalformat, Feststellung
des sogen. Klosterform.
55, 104
Nürnberg, bayer. Landes-
Industrie-Ausstellg. 1906 248
— Errichtung einer techn.
Hochschule 200
— Umbau der Synagoge . 556
Oberlicht, verschiebbares,
über dem Hauptkassen-
hofe des Bankgeb. der
Disconto-Ges. in Berlin 564'’“
Oesterreich. Die staatliche
Kuustpflege . . . 186, 286
— Ausstell, des Verbandes
öst. Kunstgewerbe-Museen 315
Seite
Oesterreich. Die Wasser-
strassen und die ö»terr.
Elektrizitäls-Ges. . . . 463
Oefen. Strebel’s Original-
Gegenstrom-Gliederkessel 81.*
— Dauerbrand-Kamin-O.von
Stauss go'-
Kachel -O. der Fabrik
„Saxonia" in Meissen . . 463
— Anstrich von Füllofen-
Mänteln 31Ö
Orgeln im Dom zu Frank-
furt a. M. und in der Lteb-
frauenkirche zu Trier 553'^
Ozon zur Trinkwasser-Rei-
nigung 467
Palais Staudt in Berlin 649*, 657’’'
Panama-Kanal 400
Paris. Die Kanalisation 150*, 166*
— Honorarnorm für Arch. 534
— Die elektr. Stadtbahn . 593
— Geläute der Sacre Coeur-
Kirche 636
Pensionlrung der ' Bau-
beamten . . . . 8r, 587
Peters, Geh. Brth. in Dresden 2 19
Petra. Felsengräber . . . 290
Petroleum. Besprengen chauss.
Strassen mit Roh-P. . . 143
Photographien, sprechende 144
Prag. Moderne Gallerie . .515
Preisbewerbungen.
— zur Handhabung der Wett-
bewerbe 580
— Konkurrenzwesen ira Kunst-
gewerbe 304
— Altenburg i. S., Skat-
brunnen 43t, 636
— Amsterdam. „Ehrenpreis-
frage“ der Ges. zur Be-
förderung der Baukunst ^
— Astrachan. Elektr.Zen-
trale und Beleuchtung . 220
— Barcelona. Spanische
Archäologie 392
— Basel. Rheinbrücke . 24, 56
— Bautzen. Fassaden-Ent-
würfe 388
— Berlin. Vorrichtung zum
Messen des Winddrucks 12
— — Elektr. Schiffszug auf
dem Teltow. Kanal . 31,
56, 340
Vorspann-Maschine mit
Spiritus - Motor, Aus-
schreiben des preuss.
Minist 168
Stipend.der L. Boisson-
net-Stiftung . . 428, 619
Titelblatt zu dem Werke
„Das Bauernhaus“ 471,484
— — Plakat des Verlages
d. „ModernenReklame“648
— - für die Mitgl. des
Arch.-Ver. Ueberdach.
der Treppen-Auf- und
Abgänge für elektr.
Untergrundbahnen . 600
— — — Schinkel -Preisauf-
gaben . . II, 16, 128
für die Mitglied, der
Vereinig. B. Arch.
Umgestaltung des Aus-
stellungsgeb. 31,84,92,108
Bogenlicht-Kandelaber 264,
284, 351
— ~ für die Mitgl. des Ver.
Motiv, zur Ausschm.
des Motivhauses . . 52
— — Bebauung von Park
Witzleben für d. Mitgl.
des Deutsch. Techn.
Verbandes . . 336, 352
Grosser Staatspreis d.
Akademie 519
Ausschr. d. Ver. dtsch.
Eisenb. -Verwaltungen 187
— — Ausschr. d. Ver. dtsch.
Verblendstein-u.Terra-
kotten-Fabrikanten 212,
220, 452, 492
— — Preis der Schlichting-
Stiftung ..... 135
— — Preisausschreiben des
Ver. d. Maschin. -Ingen. 144
Ausschr. der Grossen
B. Strassenbahn, Ge-
schwindigkeitsmesser 444
— Bern. Denkmal zur Er-
innerung an die Gründung
des Weltpost-Vereins 172, 600
Preisbewerbungen.
— Bieiefeld. Synagoge . 284
— Bremen. Gymnasium u.
Realvoilanstalt .... 120
— — Krematorium 263, 338,
4^. 320
— Bremerhaven, Sparkasse 7C
— Breslau. Konzerthaus ,. 248
— — Bismarck-Bruoiien . 642
— Brünn. General - Regu-
lirungsplan . 96, 104, 108
— Budapest. Kais. Elisa-
beth-Denkmal . . . 44, 96
— — Kossuth-Mausoleum . 187
— Chemnitz. Bismarck-
thurm . . . 404, 536, 560
— Christiania. Anlagen
zur Ausnutzung des Was-
serfalles Halfredsfos . . 31
— Danzig. Fassaden-Ent-
würfe . . . 220, 260, 556
— — Landes-Versicherungs-
anstalt .... 376, 572
— Dortmund. Theater . 336
— Dresden. Relsestipen-
dium der kgl. Akademie
der Künste 187
— “ Umgestaltungdeslnne-
ren der Annenkirche 572
— — Kapelle der Ehrlich-
Stiftung 6i2
— -- Rathhaus . . t6, 3t, 62
Schutzvorrichtung für
den elektr. Strassen-
bahnbetrieb .... 300
— Dresden-S tries en. ev.
Kirche mit Gemeindehaus 224,
492, 496, 504
— Düsseldorf. Deutsch-
nation, Kunstausstellung 536
— Duisburg-Neudorf.
ev. Kirche . . . .'368, 497'^
— D urban (Natal). Rathhaus 584
— Eberswalde. Rathhaus 360,
376, 612, 619
— Emden. Töchterschule
mit Lehrerinnen-Seminar 608
— England. Sanatorium für
Tuberkulose 56, 71, 427
--Essen a. Rh. Töchter-
schule mit Seminar 360, 376,
619, 648
— Fr ankf urt a. M. evangel.
Kirche 200
— — höh. Mädchenschule . 619
— Freiburg i. Br. Stadt-
theater 16, 64
— Kollegienhaus der Uni-
versität 71, 84, 412, 496,515,
520, 523-^=, 529=*=, 539’*4 556, 560,
567, 608
— Friedbergi. H. Krieger-
Denkmal 284
-- Garmisch , Ausschr. zur
Förderung des Blumen-
schmuckes der Wohn-
häuser 232
— Giessen. Mädchenschule 135
— Godesberg a. Rh. ev.
Gemeindehaus . . 24, 224
-- Gothenburg i. Schw.
Bebauungsplan .... 16
— Hamborn, Rathhaus 92, 96,
108, izo, 135
— Hamburg, Verwaltungs-
geb, der Lagerhaus- Ges.
16, 200
— — Bismarck-Denkmal 16, 33”',
41^ 45*. 5L 53‘*', 56, 57.
64, 72, 79, 84, 104
für dieMitglied. des
Arch.- u. Ing.-Ver.
Musterblätter für Dach-
deckungen .... 287
— — Fassaden-Entwürfe 570'“
— Hannover. Bismarck-
Säule 128
— Honnef. Stiflsgeb. 148, 180,
200, 404, 420, 43c, 452, 472
— Italien. Ausschreibeoum
den Preis Galileo Ferraris 304
— Kassel. Rathhaus 260, 336,
376, 381*, 393. 393*, 400, 40i''4
405*, 4 ‘5* 420, 429’^ 43'
— — Ständehaus . . 368, 619
— Kempten. Brunnen-Denk-
mal '. 232
— Kiel. Lazareth-Anl. 600, 612
— Koblenz. Volksbank . 128
— Köln , für die Mitgl. d es
Arch.- u. Ing.-Ver. für
Niederrhein, Gymnasium
in Steele 12
Preisbewerbungen.
— Königsberg i. Pr. Mu-
seum 528
— Koethen. Hospitalgeb. 24
— Kolberg. Quellwasser-
leitung ii6, 128, 340, 440,480
— — Kreishaus 284, 300, 403
— Laibach. Sparkasse . . 187
— Lauban. Restaurations-
Geb 336, 451
— Leipzig. Volksheilstälte
in Sorg 196
Bucheinband - Decken
für Fritzsche . . 484, 612
— Lobenstein. HansKud-
lich- Aussichtswarte . .116
— St. Louis. Wahrzeichen
der Weltausstellung . . 420
— — Uebertragung elektr.
Energie ohne Draht-
leitung 528
— Lübeck. St. Johannis-
Jungfrauen-Kloster . . 516
— Mainz. Pflegerinnenheim 1 16,
128, 336
— Meissen. Realschule mit
Progymnasium . . 648, 656
— Metz. Bahnhofsbautensir, 316
— München. Gestaltung der
Kunstgewerbe-Ausstellg. 3 1 1
— — Bebauung des Ruffini-
Bazares 496
— — Zentral-Postgeb. . . 528
— — Kochherdanlagen für
Mannschaftsküchen . 336
für die Mitglied, des
b aye risch en Arch. -
u. Ing.-Ver., Präpa-
randenschule inLands-
berg 12
Krankenhaus in Pasing 44
— — Kath. Kirche in Winds-
heim 240
Häusergr. in Erding . 240
Sparkassengeb. in Kauf-
beuren 352
— — Schulgeb. für Wiseth 420
Progymnasium in Forch-
heim . . . 567, 642, 648
Glasfachschule in Zwie-
sel 567
— Münster am Stein. Ev.
Kirche 472, 492
— Münster i, W. Prov.-
Museum . . . . 24, 71, 648
— Nienburg a. W. Rath-
haus 252, 260. 276, 428, 452
— Nürnberg. Plakat der
Firma Joh. Faber . . . 648
— O bersch öne weide.
Rathhaus .... 655, 668
— Patras (Griechenland).
Kathedrale St. Andree
567. 371
- St. Petersburg. Haus-
fassade Besser .... 200
. — Zwei feste Brücken . 560
- Pforzheim. Hallen-
schwimmbad 168, 212, 496,
5'3. 535. 579
- Philadelphia. Mc.
Kinley-Denkmal 444. 655
- Plauen i. V. Stadtpark 636
- Prag. Krematorium . , 668
- Recklinghausen. Kreis-
haus 515, 528
• Reichenhall. Brunnen-
denkmal 292
- Remscheid. Kirche und
Pfarrhaus 324
- Saarbrücken. Kran-
kenhaus 264, 300, 504, 508
- Santa-Cruz auf Tene-
riffa. Bebauungsplan . . 584
- Schluckenau. Spar-
kassengeb. . . . 148, 340
- Schmalkalden. Rath-
haus 160
- Siegen. Festhalle 224,
264, 276
- Sinziga.Rh. Fussboden-
muster für die Mosaik- u.
Thonwaarenfabrik 504, 624
- Stettin. Bugenhagen-
Kirche . . . 3:1, 316, 624
- Teplitz. Realschule 135,
276, 338
— Teseben. Volksschulhaus
264, 508
— Thorn. Kirche u. Pfarr-
haus 135
-- Tr oppau. Schmetterhaus 52
Kudlich-Warte . , . 352
VI
Reite
Preisbewerbungen.
— Turin. Preisvertheilung
auf der I. internat. Aus-
steHung für moderne de-
korative Kunst . . 520, 528
— Wien. Architekten. Aus-
gestaltung des Brigitta-
platzes 592
Brahms-Denkmal 79, 520
Kais. Franz Josefs-
Stadtmuseum . . . 315
— — Kais. Elisabeth-Denkm. 519
— — Bronze-Plakette . . 180
katli. Pfarrkirche . . 212
Ausschr. des österr.
log.- u. Arch.-Vereins:
Auf welcheW eise kann
die Feuchtigkeit von
Mauern behoben wer-
den? usw 451
— Wiesbaden. Landes-
haus . . 200, 400, 412, 656
— Wurzen.Entw.f Smyrna-
Teppiche 431
— Zweibrücken. Brunnen-
Denkmal 292
— Zürich. Kunstbaus . . 635
Preisfragen, volkswirth.
schafthebe, in Bayern . . 368
Preussen. Ersatz der staatl.
Bauführerprüfung durch
das Diplom-Examen und
Uebergangs-Bestiuimung.
für die Zulassung zur Dok-
tor-Promotion .... 608
— Neue Aufnahme-Bestim-
mungen für die kgl. Bau-
gewerkschulen .... 340
— Ernennung von Bauge-
werkschul - Dir. zu Ge-
werbe-Schulräthen . . 315
— Das Bauwesen im Staats-
haushalt 381 50
— Gesetzentw. betr. Erweite-
rung der Staatseisenbahn,
und Bau von Kleinbahnen 96
— Der Wechsel im Minist,
der öffentl. Arb. . . . 333
— Etalm. Anstellung der Reg.-
Bmstr. der Staatsbauver-
waltung 78, 93
— I.andesanstaltf. Gewässer-
kunde . . . . . 263, 290
— Die Kohlenfelder des
Staates 303
— Gesundheitsschutz in öff-
entlichen Lokalen . . . 159
— Form der Verzeichnisse
der Kunstdenkmäler . . 426
Promotion. Die ersten Dr.-
Pr. an der techn. Hoch-
schule in Wien .... 116
— Ersatz der staatl. Bauführ.
Prüfung in Preussen durch
das Diplom-Examen und
Uebergangs-Bestimmungen
für die Zulassung zur
Doktor-Pr 608
Prüfung. Diplom - Pr. für
Architekten an der Techn.
Hochschule in Berlin . . 391
-- von Materialien durch
Sandstrahlgebläse • • • 55
— Belastung von Zement-
rohren mit verstärkter
Wandung I57*
— von Portland-Zement nach
den „Normen“ . . . 590*
— Beton-Pr.-Maschinen- . 322--'
Prüfungs-Anstalt für Wasser-
versorgung u. Abwässer-
Beseitigung 505
Putzmaterial Steinplastikum 120
Quedlinburg, Wiperti-Krypta
240, 252
Radfahrwege in Ortschaften 142
Rathhaus in Augsburg 329*, 469“’-
— in Hilden 517’''
— -Wettbewerb in Kassel 381*,
393*. 401*, 405*, 415*, 429*
Raumfachwerke , Berech-
nungsarten von Zitnmer-
mann 325*
Ravenna, Glasmosaiten . 30
Rechenbildkunde d’Ocagne’s
und ihre Bedeutung für
den Bauingenieur . . . 596
Rechentafel von Pröll . . 107
Rechenstab von Beghin . 134
Seit?
Reisen. Winke für die zweck-
mässige Durchführung von
Studien R 254
— Die österreichischen Fach-
genossen in Berlin . . 263,
298, 303
Reisebericht über München
und Oberbayern . . 77, 89
— über London 90
— Akademische Studienreise
nach Nord-Frankreich 93''', 106
— über die Felsengräber bei
Petra 290
— über die römische Cam-
pagna 439
Reklame-Schilder an land-
schaftl. bevorzugten Stell. 63
Renaissance, Die Geburts-
stätte der R. in Deutsch-
land 441*
Rohre. Verbandsrohr der
dtschn. Zentralheiz.-Indu-
striellen 79
— Zementrohre mitvevstärk-
ter Wandung .... 157*
— Dichtung von Muffen-
rohren von Beinhauer 506’*', 624
Rostock. Umgestaltung des
Hafengebietes . . . .an
Rothenburg o. T. Das Haus
des Baumeisters . . 433'^
Rücksendung von Zeug-
nissen usw. bei Stellen-
gesuchen T34
Ruhrort. Die geplante Er-
weiterung des Hafens a36”’-
Santorinerde 439
Schallsicherheit v.Koenen’s
Voutenplatten . . 72, 120
SchattenrolIenfürGewächs-
häuser 116
Schiedsrichter-Verfahren . 656
Schiffahrt. Der Königsber-
ger Seekanal 59*
— Die geplanten Binnen-
schiffahrts - Anlagen in
Bremen ....... 554
— Die AUter und ihre Zu-
flüsse 182
— Vertiefung des Fahrvvass.
der Unterelbe .... 406
— Die Wasserstrassen und
die österreichischen Elek-
trizitäls-Gesellschafien . 463
— Der Panama-Kanal . . 400
— Saugebaggeru. Schwemni-
apparate 602*
Schiffahrts-KongressinDüs-
seldorf I95,'343i 35®. 363, <==3
Schinkel- (Jahres-) Fest des
Arch.-Ver. in Berlin . . 146
— -Preisaufgaben 11, 16, 128
Schleusen von Hotopp im
Elb-Trave-Kanal ... 30
— Schiffahrts-Schl. bei Tief-
stack-Hamburg .... 598
Schloss. Wiederherstellung
des Heidelberger Schl, i*, xi,
16, 17*, 23, 25*, 40, 54. 65*,
99> 13 1, 342, 434‘^ 442
— — Kommission von Sach-
verständigen 187, 200, 212
— Scbwaneck im Isarthal bei
München . . . 613*, 621*
— Schwarzenberg in Frank-
ken 515
— Das Khahfenschioss Amra
in der arabischen Wüste 337
Schmick, Reg. -Bmstr. in
Frankfurt a. M. z. vortr.
Rath im hess. Min. der
Finanzen berufen . . . 180
Schneeschutzwehren . . 464
Schornstein, Winddruck-
Berechnung n6
— Neue Bestimmungen für
die Berechnung der Stand-
festigkeit 395
— -Umsturz in Hamburg . 130
— Zug im Sch. und seine
Anordnung 620
Schulbauten in Magdeburg . 107
— Das Reform - Gymnasium
in Weinheim .... 481*
Schwarzenberg in Franken.
Wiederherstellung des
Schlosses 513
Schwebebahn in Elberfeld 70
— ■ -Projekt für Berlin . 569, 634
— -Bergaufzug nach d. Bastei
in der Sachs. Schweiz .658*
.Seite
Schweinfurt a. M. Der
Grundablass der Wehr-
anlage 645*
Schweissverfahren. Das
Goldschmidt’sche Verfah-
ren in d. Aluminothermie 319
Schweiz. Elektr. Betrieb
der Eisenbahnen . . . 567
Schwerin i. Meckl. Pen-
sionirte Baubeamte u. be-
eidigte höhere Bautechn. 543
Schwitzwasser, Abhaltung
von 72, 120, 136
Selbstfahrwesen .... 426
Semper, Gottfr., über öffent-
liche Gebäude .... 325
Simplon-Tunnel, mit Rück-
blicken auf die Bauge-
schiclite d. älteren Alpen-
Tunnel 331*, 346*, 349’*=,
386^=, 389*, 398=*=, 415* 518
Sinkkasten der Strassen-
kanalisation . . . 292, 380
Sonnenbrand der Basalte . x86
Speyer. Neue Hochbauten 282
Sportanlagen. Bestrebgn.
zur Pflege des Körper-
wohlstandes u. deren Ein-
fluss auf d. Baukunst 117=*=
— Bootshaus d. Mannheimer
Rudergesellschaft . . 557*
Städtebilder, bedrohte 526, 634
Staffelei von Th. Hofmann 258*
Stallgebäude, Kuhstall in
Hohenbüchen 183
— Neues Thor-, Wohn- und
Stallgebäude im Zoolog.
Garten in Berlin . . . 509=''
Statistik. DerStrassenbahn-
Verkehr in Berlin . . . 429
Stauanlagen-Berechtigung . 440
— Der Grundablass d.Wehr-
aolagein Schweinfurt a. M. 645''*’
— Nil-Staudamm bei Assuan 650=*=
Staukurven-Berechng. 514*, 635
667.
Steinplastikum, Putzmater. 120
Steuer, Gewerbest.-Pflicbtig-
keit der Architekten 224. 264
Stiftung der deutschen In-
dustrie 52, 367
— Carl Zeiss Stift, in Jena,
VolJvsheim 592
Stil, byzantinischer. . . . ii
Stipendium d.L.Boissonnet-
Stiftung 428, 619
Strassburg i. E. Was schul-
den wir dem Münster? . 481
Strasse, anbaufähige . . . 480
Strassenbahn - Verkehr in
Berlin 429
Strassenbau. Kiesdecke auf
Faschinen 172
— Eiserne Gleise auf Land-
strassen 268*
— Beitrag zu den Sti’.-Lasten
von den Anliegern 304, 368
Strassen - Reinigung. Die
Berliner Kehrmaschine . 291
— Sinkkasten 292
Stuttgart. Stadterweiterung 86’*',
91% 109
— Umbau des Hauptbahn-
hofes 170, 220
— Zur Theaterfrage . . . 282
Submission, s. Verdingung.
Synagoge, Umbau, in Nürn-
berg 556
Tapeten. Salubra und Tekko 506
Techniker. Ehrenbezeugun-
gen an . . 16, 376, 624, 642
— als besoldete Stadträthe 186
— als Büi'germeister . . . 648
— Ernennung deutscher T.
zu Mitgl. der franz. Ehren-
legion 16, 40, 56
— Kündigungsfrist der 116, 264
— VersicheruDgspflicht der 232
Telegraphie, drahtlose, nach
Marconi, Slaby und Braun
238, 634
Thalsperren am Harz . . 223
Theaterbauten Seelings . 158’*=
— Stadttheater in Köln 585’*=,
601*, 611
— -frage Stuttgarts . . . 282
TheoretischeUntersuchun-
gen. Die statisch bestimm-
ten mehrtheiligen Streben-
Fachwerke 74
Seile
TheoretlscheUntersuchun-
gen. Bestimmungder Auf-
lagcrplatten eines Frei-
trägers 322^, 367
— Die statische Berechnung
des Normalviaduktes der
Berliner elektr. Hochbahn 370'*=
— Ueber Staukurven Be-
rechnung . . 514*, 635, 667
— Bestimmung von Flächen-
inhalten, Schwerpunkten,
statischen, Zentrifugal- u.
Trägheits-Momenten mit-
tels des Projektirbogens 581*
V. Thielen, Wechsel im
preuss. Ministerium der
öffentl. Arb 333
Thür. Automat. Schiebeth.
von Merkelbach . . . 248*
Thurm. Ausbau der Thürme
des Meissner Domes ir, 131,
225*, 356*, 367, 450
Tirol. Die Kunst an der
Brennerstrasse .... 453
Titel. Stadlbauratfas-T. in
den Städten 464
— Das Recht zur Führung
des T. Baugewerksmstr.,
bezw. M.- od. Z.-Mstr., 643, 668
Todtenschau u. Nekrologe.
— Bargum, L. C, Bau-
polizeiinsp. in Hamburg . 388
— Beutley, John Francis,
Arch. in London . . 145*
— Bernatz, Peter, Stadt-
baurath in Würzburg . . 64
— Bö ckmann, Wilh., Geh.
Brth. in Berlin 556, 557'*=, 647
— Bokelberg, Stadtorth.
in Hannover 84
— Dalou, Jules, Bildhauer
in Paris 208
— von Hänel, Ad., Baudir.
u. Prof, in Stuttgart . . 79
— Hase, Conr. Wilh-, Geh.
Reg.-Rath in Hannover
172, 261=*'
— Heyden, Ad., Geh. Brth.
in Berlin 311
— Dr. Hobrecht, James,
Geh. Brth. in Berlin 480, 48r,
„ ^ «3* ®47
— Hopp mann, Ed., Arch.
in Hamburg 666
— Jacobsthal, Joh. Ed.,
Geh. Reg.-Rth. u. Prof, in
Berlin 12, 18*, 34. 45, 360, 388
— Jolas, Karl, Ob.-lng. io
Ludwigshafen a. Rh. . . 444
— Kraus, Frz. Xaver in
Freiburg i, Br 12
— Krupp, Fr. Alfr. in Essen 6ri
— Linnemann , Alexander,
Prof, io Frankf. a. M. 506, 552'''
— Mairich, Hugo, Ing. in
Gotha 400
— Muentz, Eugen, Prof, in
Paris
— v.PresseI,Wüh.,Eisenb--
Ing. in Konstantinopel . s
— V. Sauter, Karl, Baudir.
in Stuttgart
— Spitta, Max, Geh. Ob.-
Brth. in Berlin .
— Steindl, Emerich, Prof,
in Budapest 5
— vonStorck, Jos. Hofrath
in Wien
— Streckert,WiIh.,WirkI.
Geh. Ob. -Brth. in Berlin 208
— Virchow, Rud. in Berlin 479
— Voigtei, lüch., Geh. Reg.-
Rath, Dombmstr. in Köln 534
— Westendarp, George,
Ing. in Hamburg . . . 287
Tunnel. Der Simplon-T., mit
Rückblicken auf die Bau-
gescbichte der > älteren
Alpen-T. 331*, 346*, 349*, 386*,
389* 398*, 415*, 518
Turin. Ausstellung für mo-
derne dekorative Kunst 124*,
248, 262*, 298*, 474*, 594*
Umsturz eines Schornsteins
in Hamburg 130
Unfallverletzte, Berliner
Verein für 324
Unrathfänger mit Geruch-
verscbluss von Weithas 31=*=
Urheberrecht. Rede von
Georg Hirth in München 30
VII
571
403
648
172
Seite
Venedig. Einsturz des Cam- Verelns-Mitthellungen.
panüe V. San Marco 369’^, 372 — Dresden. Sachs. Ing.-
■ — Untergang der Zecca un.d Arch,.-Ver. 274, 350, 455
(Münzgeb.) 642 — Düsseldorf. Arch.- u.
VerantwortlichkeitfürMän- Ing.-Ver 184, 607
gel in der Ausführung .72 — — Ver. D. Ing. 220, 323, 327
Verbrenmings-Krafimascbi- -- Frankfurt a. M. Ärch.-
nen 566 u, Ing.-Ver. . . . 30, 566
Verdingungs-Bestinimung . 300 — Hamburg. Arch.- u. Ing.-
— - Aenderungs-Vorschläge . 392 Ver. 28, 69'’4 77, 89, 106, 130,
Verein. Ocsterreicliischer 147, 154, 179, 182, 238, 287,
ingenieur- u. Architekten- 303, 310, 336, 339, 439, 468,
Verein in Berlin . . ' . 263 570’’', 593, 598, 623, 634, 666
— für Volkskunst und Volks- — Karlsruhe. Bad. Ardi.-
kunde in München 558, 619 u. Ing.-Ver 664
Vereinshaus „Motiv“ in Char- — Köln a. Rh. Arch.- u.
lottenburg 624 Ing.-V. für Niederrhein u.
Vereins-Mittheilungen. Westfalen .... 302, 390
— Verb an d deutscher Arch.- — Magdeburg. Arch.- u.
u. Ing.-Ver. Eingabe an Ing.-Ver. 30, 107, T30, 198,
den Reichstag betr, Ein- 223, 247, 323
Stellung von Mitteln zur — Mecklenburg. Arch.-u.
Erhaltung des Strassbur- Ing.-Ver. , . 43, 211, 280
ger Münsters 105 München. Arch.- u. Ing. -
— — Denkschrift betr. die Ver 15, 30, 260
Stellung der Stadt. Bau- Ver für öffentl. Ge-
beamten 301 sundheitspflegc 187, 440
— — Eingaben an die Mini- — Nürnberg. Mittelfränk,
sterien betr. Doktor- Arch.- u. lug, -Ver. . . 351,
Promotion 53, 544, 632 556, 618
— — verschiedene Bekannt- — Pfalz. Kreisgesell-
inachungen 65, 92, 329’^4 schaft des bayer. Arch.-
350. 3Ö9, 44U 534 u, Ing.-Ver 282
XV.Wanderversaimnl. — Weimar. Dtsche. Gesell-
inAugsburg4i3'^,457”',465’'', schaft für Volksbäder . 200
470, 473'*', 481, 487, 499‘'45io — Wiesbaden. Arch.- u.
— — XXXI. Abgeordneten- Ing.-Ver 83, 171
Versammlung . . . 459 Verjährung von Bauforde-
— Berlin, Arch.-Ver. 11,23,55, rungen 642
70, 127, 131,198,259,272,595 Versicherungspflicht der
Schinkel-(Jahres-)Fest 146 Techniker 292
— - — Vereinigung B. Arch. 94, VerwaltungS-Geb. Allgem.
132, 158, 239, 302, 597 Versorgungs - Anstalt in
V. f. Eiseilbahnkunde 70, Karlsruhe i. B 73'-‘
119, 143, 194, 246, 426, 505, Villa s, Wohnhaus.
566, 634 Vilsbiburg in Bayern, altes
-- — Deutscher Beton-V. . 78 Städtebild bedroht . . - 526
— — V. D. Porti. -Zement- Vorträge im Kuiislgewerbe-
Fabrikanten .... 90 Museum in Berlin . . . 518
-- — V. d. Verblendstein- u.
Terrakotten-Fabrik. . 90
D. Ver. für Thon-, Ze-
ment- und Kalk-Indu- Waarenhaus Gebr. Simon
strie 108 in Berlin 625’’-
— — Ver. für Wasserver- Wände sich selbst tragend,
sorgung und Abwässer- solide usw. ... 80, 120
reinigung 212 — Hohlstcinwand v. Donath 479'^
— Bremen. Arch.- u. Ing.- — Raliraenwände v. Glasur-
Ver 78, 366 steinen 49'^"'
— Budapest. Verband für — Niederschläge, feuchte, an
Materialprüfungen der Küchenwänden .... 464
Technik 339 Wasser. Reinigung v. eisen-
— Darmstadt. Mittelrhein. haltigem 368
Arch.- u. Ing.-Ver. . . . 237 -- Trinkw. -Reinigung durch
— Dresden. Arch.-V. 62, 131, Ozon 467
182, 290 — Zuführg. z. ein. Villa 632, 656
Seite Seite
Wasserbau. Ursache und Wohlfahrtsspflege. Arbei-
Wirkgn. d. Hochwasser- ter-Wohlf. -Einrichtungen
katastrophe 1895 ... 15 d. Laodes-Versicherungs-
— in d. deutsch-afrikanischen anstalteii 515
Schutzgebieten .... 178 — Car! Zeiss -Stiftungin Jena,
— Ueber Deichschutz . 267* Volksheim ...... 592
— Wasscrbautechnisch. Ver- — Die Heilstätten - Anlage
suche an d. Techn. Hoch- bei Beelitz , , . . . . 132, 134
.schule in Dresden . , . 303 — Das Rhein. -Diakonissen-
— Wildbach-Verbauungen im haus in Kreuznach . 129'''
bayer. Hochgebirge 510 Wohnhaus-Bauten v. Arch.
■— Staukurven-Berechnung 514'''. Kallmorgen i. Hamburg . 70
635, 667 — Henning in Berlin W. . 353'*'
— Der Grundablass d. Wehr- — Müller in Berlin . . . 421*
anlage inSchweinfurta.M. 645''- — Palais Staudt in Berlin 649''',
— Nil-Staudamm bei Assuan 650'^^ 657*
Wasserrecht-Benutzung. . 440 — Gravenstein für Erz. Buch-
Wasserversorgung ohne holz ' . 6’’-
Kanalisation 412 — Dienstwohngebäude des
-- und Abwässcr-Beseitigg., komm. Generals vom III.
Prüfungsanstalt . . 212, 505 Armeekorps i. Charlotten-
— und Kanalisation d. Stadt bürg 402
Burg bei Magdeburg . . 609 — der Künstler-Kolonie in
Wasserwerk in Bremen . 336 .Darmstadt 254* 306'*^ 628* 638*
— in Rothenburgsort - Ham- — in Loschwitz b. Dresden 5o5"^'
bürg 336 — Pintsch in Flinsberg . 85*
Wehranlage in Schwein- — Schmidt bei München . . 13*
furt a. M 645* — Curry-Reute in Riederau 609'“
Weinheim i. B. Das Reform- — Stroblberger in Thal -
Gymnasium .... 481’^ kirchen . . . . . . 189'*'
Wellblech - Dächer, Aus- — Glade in Dt. -Wilmersdorf 59'*'
bcsserung schadhafter . 224 Wohnungen, billige, im Erb-
Wiederherstellung desHei- baurecht in Leipzig . . 186
delberger Schlosses Wohnungsfrage. Stellung
II, 16, 17^', 23, 25*, 40, 54. der Arch.- und Ing. zur 476
65*, 99) 13t, 342, 434*1 442 Worms. Das städt. Elek-
— Kommission von Sachver- trizitätswerk ....
ständigen . . 187, 200, 212
— der Stadtkirche in Fried-
berg i. H. . . . 233^4 24i‘*=
— des Schlosses Schwarzen- Zeichnen. Lichtpaus-Appa-
berg in Franken . . . 515 rat „Simplex" von Martz 233*
Wien. Erhaltung des Riesen- Zement, Marmor-Z. . . . 264
thores von St. Stephan 96 — Prüfung von Portland -Z.
— Ausstellung der Secession nach den „Normen“ . 590”'
317* Zementrohre mit verstärk-
— Moderne Gallerie . . . 515 ter Wandung .... i57*
— Die ersten Dr.-Proraotio- Zeugnisse, Rücksendutig bei
nen an der techn. Hoch- Stellengesuchen .... 134
schule 116 — über Beschäftigung . ■ 220
— Raummangel an derselben 160 Ziegel, Klosterformat, Fest-
— Winterhafen an der Freu- Stellung eines Normal-
denau 579 formats 55, 104
Wiesbaden. Die neuen — Der Wabenziegel v. Kühn
Bahnhofs-Anlagen ... 83 71, 347*
Dt.-Wilmersdorf, Landhaus Zollhaus bei der Taifer-
Glade 59 brücke in Bozen . . 566*
Winddruck, f. Schornsteine u6 Zoologischer Garten in
Windfahne, Anemometer- ,v. Berlin und seine Ncu-
Spengler 340* bauten 137*, 149*, 161*, 169*,
Wisby auf Gotland, Erhal- I75** 181*, 509*, 545'*'. 549'*'
tung des Städtebildes 526, 634 Zürich, Arch. Lüthi, als Dir.
Wohlfahrtspflege. Bestre- der Kunstgewerbescbule
bungenz.Pflege d.Körper- berufen 96
Wohlstandes u. deren Ein- Zwischenraumsrecht . . . 188
fluss auf die Baukunst 1 10*, r 1 7*
Besondere Bildbeilagen.
1 Plerrenhaus Gravenstein für Frz. Buchholz
2 Das Bismarck-Denkmal für Hamburg von Schaudt und Lederer
3 Landhaus Glade in Dt.-Wilmersdorf bei Berlin
4 Villa Pintsch in Flinsberg in Schlesien
5 Entwurf zu einer „Kolonie zur Leibeserziehung" von Architekt Werle
6 Das Verwaltungsgebäude und der Haupteingang des Zoologischen Gartens in Berlin ....
7 Das neue Straussenhaus im Zoologischen Garten in Berlin
8 Villa Stroblberger in Thalkirchen bei München
9 Gebäude der Hafenanlagen in Karlsruhe i. B
10 Die Wiederherstellung der Stadtkiiche in Friedbeig in Hessen
11 Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin
12 Die Kuppelhalle der I. internationalen Ausstellung für dekorative Kunst in Turin
13 Ausstellung der „Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs, Secession“ in Wien . .
14 Die Halle für Trauer-Versammlungen im Nördlichen Friedhof in München
15 Die Hauptindustriehalle aut der Düsseldorfer Ausstellung
16 Der Wettbewerb um den Bau eines Ralbhauses in Kassel
17 Wohnhaus Müller, Bellevue-Strasse 13 in Berlin
18 Das Müller’sche Volksbad in München
19 I. internationale Ausstellung für moderne dekorative Kunst in Turin
30, Das Bankgebäude der Disconto-Gesellschalt in Berlin
21 Neues Thor-, Wohn- und Stallgebäude im Zoologischen Garten in Berlin
33 Entwürfe für ein neues Koliegiengebäude der Universität Freiburg i. Br
33 Die neue Strassenbrücke über das Thal der Petrus.se in Luxemburg
24 Die kgl. akademischen Hochschulen für die bildenden Künste und lür Musik in Charlottenburg
25 Das neue Stadttheater in Köln a. Rh
26 Schloss Schwaneck im Isarthal bei München
27 Villa in Rosen der Künstler-Kolonie in Darinstadt
s8 Das Bayerische National-Museum in München
29 Das Palais Staudt in Berlin, Regentenstr. i und Thiergartenstr, 9, Diele
30 desgl. Musiksaal
VIII
Ieutsche
I XXXVI JAHR-
^BERLIN ^
Die Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses, insbes. des Otto Heinrichs-Baues.*)
Von Fritz Seitz, Architekt in Heidelberg.
bandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine
^ ^
I AUZEITUNG.
GANG. * * N2.-I/2. *
) DEN 4- JAN. igo2. *
im Jahre i886 vorgelegt. Vgl.Dtsche.Bztg., Jahrg. i886,
No. 71. Ein zur Veröffentlichung geeigneter Theil der
Arbeiten wurde unter dem Titel „Das Heidelberger
Schloss“ von J. Ko ch und F. Seitz bei Bergsträsser in
Darrastadt herausgegeben). Während dersiebenjährigen
Zeit der Thätigkeit des Schloss-Baubureaus ist im Jahre
1884 eine einzige Veröffentlichung von Durm im „Cen-
tralbl. d. Bauverw.“ erschienen, welche zu der Haupt-
frage, was mit dem Schloss geschehen soll, Stellung
nahm. Eine endgiltigeBeant wortung derFrage, ob wieder
aufzubauen oder nur zu unterhalten sei, vertagtDurm be-
|s sind jetzt 20 Jahre her, dass der Verfasser
in der „Deutschen Bauzeitung“ den baulichen
} Zustand des Heidelberger Schlosses zu be-
schreibenversuchte (vgl. Jahrg. 1882 No. 1 ff.).
•' Inzwischen ist vonseiten der grossherzoglich
badischen Regierung mancherlei für die Erhaltung des
Schlosses geschehen, und neuerdings sind von dem
Finanzminister einerKommission von Sachverständigen
und Freunden des Baudenkmals so weitgehende Vor-
schläge für dessen Wiederherstellung zur ßeurtheilung
unterbreitetworden, dass man wohl sagen kann, jetzt ist
der kritische Augenblick gekommen, wo über das Schick-
sal desSchlosses aufjahrzehnte
hinaus entschieden wird. Nach-
dem nunmehr durcliVeröffent-
lichung des Protokolles der
Koraraissions-Berathungen v.
15. Okt. 1901 für sachliche Er-
örterungenin einem Fachblatte
die Grundlage gegebenist, wird
es den Fachgenossen ange-
nehm sein, in nachfolgenden
Zeilen Näheres über den
Stand der Angelegenheit zu
erfahren. Zunächst ist es
nöthig, die Unternehmungen,
welche in den verflossenen
20 Jahren dem Schlosse zu
Lieb und zu Leid geschahen,
in ihrer Zeitfolge und ihren
Ergebnissen aufzuzählen.
Im Jahre 1883 beschloss die
grossherzogl. Regierung, vor
allem das Material zur Beur-
theilung des baulichen Zu-
standes des Schlosses zu be-
schaffen. Zu diesem Zwecke
wurde in Heidelberg ein Bau-
bureau errichtet mit zwei Ar-
chitekten, dem Bauinsp. Koch
und dem Verfasser als Vor-
ständen, welches die Aufgabe
hatte, das Schloss in allenThei-
len aufzunehraen, zu zeichnen
und zu beschreiben. In Karls-
ruhe wurde zurUeberwachung
der Arbeiten des Schloss-Bau-
bureaus eine Bau-Kommission
gebildet, der unter anderen
die Arebitektenßaudir. Helbing, Öb.-Brth. Prof. Lang greiflicher Weise bis nach Vollendung der Arbeiten des
und Brth, Prof. Durra angehörten. Die einzelnen Schloss-Baubureaus, sprichtaberseineAnsichtdahinaus,
Bauten wurden eingerüstet, abgezeichnet und die Be- dass die falsche Sentimentalität für die Romantik der
Schädigungen in den Zeichnungen vermerkt und be- RuincgegenüberderunerbittlichenThatsache,dass
schrieben; die Fundamente und der Baugrund wurden BäumeundEpheudasSteinwerkzerstören,nichtbestehen
möglichst ge^au untersucht. Ein Mitglied der Bau- könne, unddassimEinzelnenohneregelrechteUeber-
'tJUTl
lS
P-r •' -l /{
kommission, Prof. Dr. Schmidt in Heidelberg, be-
urtheilte den Baugrund vom geologischen Standpunkte
aus, (Ira Einzelnen wurden die Arbeiten und die leiten-
den Grundsätze, nach welchen die Untersuchungen vor-
genommen wurden, derWander-Versammlung des Ver-
*) Anmerkung der Redaktion. Für Leser, welche der
Frage der Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses bisher
ferner gestanden haben, sei ei-wähnt, dass Hr. Arch. Fritz Seitz
in Heidelberg zu der kleinen Gruppe von Architekten — zu der
Gruppe Durm, Koch, Schäfer, Seitz — gehört, welche durch die
eingehendsten und sorgfältigsten Untersuchungen am Schlosse über
den thatsächlichen baulichen Zustand desselben in erster Linie
unterrichtet sind. —
dachung der Otto Heinrichs-Bau auf die Dauer
nicht zu halten sei. Nach Abschluss der Vorar-
beiten erhielten die grossh. Baudirektion, der Geologe
Prof. Dr.Schmidt für den Baugrund, der Bildhauer Heer
für die Figuren und die Vorstände des Schloss-Bau-
bureaus, Bauinsp. Koch und der Verfasser, den Auftrag,
getrennte Gutachten abzugeben darüber: „Was hat zu
geschehen, um das Heidelberger Schloss vor weiterem
Verfall zu schützen und vornehmlich in seinen künst-
lerisch werthvollen Theilen möglichst lange zu er-
halten?“ Der Zeitfolge nach zuerst gaben die Vor-
stände des Schloss-Baubureaus ihr Gutachten ab.
Sehen wir zunächst zu, welcher Art die gefähr-
lichen Beschädigungen sind, und beschränken wir uns
dabei auf den Otto Heinrichs-Bau, dessen Wiederher-
stellung in erster Linie infrage steht, so finden wir,
dass hauptsächlich die Einflüsse von Regen, Frost
und Hitze den allmählichen aber sicheren Untergang
der Ruinen veranlassen. Die reiche Hoffassade is*-
im Erdgeschoss bei 1,15® Stärke 6,7% im i. Ober
geschoss bei 0,93™ Stärke etwa 5® und im. 2. Ober
geschoss bei 0,84“ Stärke gleichfalls etwa 5™ hoch. Un-
gefähr die I-Iälfte der Fassade ist bis auf Erdgeschoss-
höhe durch eine durch den ganzen Bau gehende Quer
mauer und zwei etwa halb hindurchgehende massive
Zwischenmauern abgesteift. Die zwei Obergeschosse
stehen mit über 10“ Höhe frei, die nördliche Hälfte hat
bei etwa 12,5” Länge auf die ganze Höhe von rd. 17"^
keinen Querverband und keine Stütze. Gerade in der
Mitte ihrer Längsausdehnung (vergl. Abbildg. i bei A)
hat die nördliche Hälfte der Mauer eine wahrscheinlich
von dem Einsturz des Daches herrührende Ausbauchung.
Das Maass der Ausbauchung war zurzeit der Auf
nahmen nicht bedenklich, doch ist das Gefüge der
Mauerpfeiler im oberen Stockwerk gelockert, und die
Fugen nach aussen sind geöffnet. Kleinere Bewe-
gungen der Mauer haben immer stattgefunden, denn
man musste im vorigen Jahrhundert die Gewölbe ein-
schiagen, weil man ihren Schub auf die Mauern be-
merkt hatte, Das Material der Mauer ist rother Neckar -
buntsandstein. Die Figuren und ein Theil der Orna-
mente sind aus Keupersandstein gefertigt. Ganz er-
hebliche Theile der Fassaden-Architektur sind in Ver-
witterung begriffen. So z. B. sind der reiche Tri-
glyphenfries und die darunter liegenden Verdachun
gen der Fenster im Erdgeschoss zumtheil fast gänz-
lich zerstört. Die Stockgurten sind auf der Oberfläche
aufgelagert und vielfach ausser jeder Form. An
diesen Stellen läuft das Wasser, anstatt abzutropfen,
auf die darunter liegenden Fassadenflächen und zer-
stört auch diese. Ganz deutlich zeigt sich die grössere
Einwirkung der Witterung da, wo kein Dach ist: beim
Otto Heinrichs-Bau an der nördlichen Hälfte und beim
Friedrichs-Bau an den freigestandenen Giebeln, und hier
wieder besonders an der Nordseite, welche die Rück-
seite dem Wetter zuwandte; dort musste ein Giebel
fast ganz neu ersetzt werden.
Es bedarf vor dem Forum der Sachverständigen
keines Beweises, dass ein Dach über dem Gebäude
die Mauer auf der einen Seite den Einflüssen des
Regens und der Sonne entzieht, dass der Schluss der
Fenster den Frost von der inneren Fläche der Mauer-
pfeiler abhält, und dass durch Einziehen von Zwischen-
decken und Zwischenmauern die ursprüngliche Ver-
ankerung der 4 Umfassungsmauern in einfachster Weise
wieder hergestellt werden kann. Die, |Verankerung
beugt einem jedenfalls nicht unmöglichen plötzlichen
Einsturz der Hoffassade bei aussergewöhnlichem
Sturm vor, und die Erfahrung an anderen Orten der
Schlossruine spricht dafür, dass der Verwitterungs-
prozess am Aeusseren durch Abschluss der Athmo-
sphärilien von dem Inneren verlangsamt wird. Für
die Vorstände des Schlossbaubüreaus gab es daher
keinen Zweifel, dass konstruktiver Ausbau und Be-
dachung am besten geeignet seien, die künstlerisch
werthvollen Architekturtheile am längsten zu erhalten.
Es war nur festzustellen, ob die Mauer imstande sei,
die Daclilast zu tragen. Diese Frage konnte bejaht
werden. Die verwitterten Architekturglieder müssten
vorher neu ersetzt, die oberen Theile der Hoffassade
und die Pfeiler an der Stelle, wo die Ausbauchung
sich befindet, müssten abgetragen und wieder auf-
gebaut werden. Die auf diese Weise wieder in einen
guten baulichen Zustand versetzte Mauer könnte,
wenn sie noch durch Decken mit den übrigen Mauern
verbunden wäre, die Dachlast tragen, denn die Fun-
damente der Süd-, Ost- und Westwand sind gut, die
der Nordwand leicht zu festigen. Selbstverständlich
konnte ein stilgemässer vollständiger Innenausbau,
weil derselbe nicht mehr leistet, als ein lediglich
konstruktiver, für dieVorstände des Schloss-Baubüreaus
2
zunächst nicht inbetracht kommen. Hier spricht eine
andere Erwägung das letzte Wort, nämlich die Sorge
um die Beschaffung der Geldmittel.
Als unumgänglich nothwendig, wenn man einen
theilweisen Aufbau (Bedachung und Querverbände)
nicht ausführen wolle, wird die Ableitung des Regen-
wassers, die Abdeckung der Mauerkronen und der Vor-
sprünge mit harten Sandsteindeckeln, die Auswechse-
lung der beschädigten Hausteine und die Beseitigung
beginnenderVerwitterung durchFührungen empfohlen.
Ausdrücklich betonten die Gutachten, dass
wenn man nur das unumgänglich Nothwendige
ausführe, das gesteckte Ziel der längsten Er-
haltung nicht erreicht werden wird.
Das für die Baudirektion von Durm erstattete Gut-
achten fürchtet für den romantischen Zauber, es will
das Schloss als Ruine belassen und nur die Figuren
erneuern oder ergänzen. Prof. Schmidt empfiehlt die
sachgemässe Wasserableitung zur Sicherung des Bau-
grundes, Prof. Heer den Neuersatz, bezw. dieErgänzung
der Figuren. —
Im Jahre 1891 wurde von der grossh. Regierung
eine Kommission berufen, welche folgende Beschlüsse
fasste:
1. Eine vollständige oder theilweise Wiederher-
her[stellung des Schlosses kommt nicht inbetracht.
2. Die vorzunehraenden Arbeiten müssen bis in
die kleinsten Theile auf Erhaltung des Bestehenden
gerichtet sein.
Erneuerungen sollen erst dann vorgenommen
werden, wenn das Bestehende vollständig oder schon
soweit zerstört ist, dass eine Ausbesserung ausge-
schlossen erscheint. Dieser Satz betrifft nicht nur das
rein Bauliche, sondern auch den künstlerischen Theil
der Ruine, sowohl Ornamente wie figürliche Dar-
stellungen.
3. Als erstes Erforderniss ist zur Erhaltung der
Bauwerke eine sachgemässe Abführung der Grund-
und Tagwasser zu bezeichnen.
4. Dieser Maassregel würde sich eine Sicherung
aller Mauertheile gegen Witterungscinflüsse durch ent-
sprechende Ausfugungen, Abdeckungen, Versteifungen
u. dergl. anzuschliessen haben.
5. Es empfiehlt sich, den plastischen Schmuck
des Schlosses in den wesentlichen Theilen jetzt schon
abzuformen, damit bei eintretender völliger Zerstörung
der Originale zuverlässige Vorbilder für die Erneuerung
vorhanden sind.
Die übrigen Thesen haben mit der Erhaltung
der Bauten nichts zu thun. —
Eines geht aus den Thesen klar hervor: Grund-
sätzlich ist jeder Wiederaufbau ausgeschlossen; warum,
wird nicht gesagt. Den allmählichen gänzlichen
Verfall der einzelnen Theile sieht die Kom-
mission voraus, wie alle Fachleute vor ihr.
Wenn aber die Vorstände des Schloss-Baubureaus von
den beschädigten Theilen auch die entfernen und
neu ersetzen wollen, die eine Gefahr für die Nachbar-
schaft bedeuten, so will die Kommission immer erst
dann ersetzen, wenn ein Stück vollständig zerstört
ist. Man denke sich an der Fassade hunderte von
Hausteinen, die zürn erheblichen Theile in ganz
verschiedenen Verwitterungsstadien sich befinden, und
man sieht ein, dass die Arbeiten, wenn man den
Kommissions -Beschlüssen folgt, nimmer aufhören.
Die Entwässerungsarbeiten wurden ausgeführt. Die
Thesen 2 und 5 stiessen bei der Ausführung alsbald
auf Schwierigkeiten. Man musste die Figuren in
Stein nachbilden, weil der Umweg über eine Gipsform
viel theurer geworden wäre „und ausserdem den Be-
stand der Figuren infrage gestellt haben würde“. Die
n Stein nachgebildeten alten P'iguren sollten wieder in
die Nischen gestellt werden; man kam aber auch davon
ab, weil man befürchtete, sie würden dabei zugrunde
gehen. So stehen jetzt die neuen Figuren in den
Nischen und die alten im Trockenen anstatt der aufzu-
bewahrenden Gipsmodelle, Der Zwang vernünftig be-
urtheiiter Thatsachen führte aber bald noch weiter.
Man überzeugte sich, dass die neuen Figuren, denen
No. 1/2.
über den konservativen Vorsatz weit hinausgehend,
auch die fehlenden Hände, ja sogar wie bei Fried-
rich II. der ganze Oberkörper neu anmodellirt worden
waren, doch nicht an eine Fassade gestellt werden
konnten, durch deren abfallende Stücke neue Zerstö-
rungen drohten. So kamen auch die Gegner jedes
energischen Eingriffes zu der Wiederherstellung der
Architekturtheile ah der Fassade des Friedrichsbaues,
Im Spätjahr 1894 wurde wieder eine Kommission
berufen, welche unter Durms Vorsitz beschloss, es solle
der Regierung die Wiederherstellung des Friedrichs-
Baues mit neuer, bedeutend erhöhter Bedachung und
mitErsatz der beschädigten Architekturtheile empfohlen
werden. Kleine mechanische Schäden (Schüsse u. dergl.)
sollten belassen werden, um der Fassade das Alter-
thümliche möglichst zu bewahren. Der Ausbau des
Inneren hat mit der Erhaltung des Vorhandenen nichts
zu tbun; er geht darüber hinaus und ist hier nicht
zu besprechen. Jetzt wird von den Gegnern der
Wiederherstellung behauptet, es sei zuviel geschehen,
der bauleitende Architekt, Prof. C. Schäfer in Karlsruhe,
habe zu viele Steine ausgewechseltD- Der Verfasser ist
der Meinung, dass dies im Grossen und Ganzen nicht
Abbildg. 2.
zutrifft. Schäfer musste den Bau in einen solchen Zu-
stand versetzen, dass die noch unbeschädigten Theile
der Fassade den Fährlichkeitcn der Witterung, welche
durch benachbarte beschädigte Steine hervorgerufen
oder doch vergrössert wurden, nicht mehr unterlagen;
er musste alle Architekturglieder neu ersetzen, die nicht
mehr am gesunden Stein (durch Führungen u. dergl.)
ergänzt werden konnten, oder er durfte entsprechend
dem 189t er Kommissions-Beschluss nur die gänzlich
zerstörten Steine ersetzen. So wie er es machte, haben
wir jetzt nur gesunde Steine, neue und alte, im anderen
Falle hätten wir gesunde neue und mehr oder minder
zerstörte alte Steine an den Fassaden. Die Erneuerung
hätte alsbald wieder zu beginnen und hörte nie auf.
Wir wollen versuchen dies an einem Beispiel noch
deutlicher zu machen. In Abbildung 3 sei i. ein zu
dreiviertel und 2. ein zur Hälfte zerstörtes Gurt- bezw.
Hierzu lässt sich ein merkwürdiges Gegenstück erzählen.
Nicht' alle Figuren am Friedrichs- und Otto-Heinrichs-Bau waren
baufällig. Einzelne waren noch sehr gut erhalten und weder von
dem begutachtenden Bildhauer, noch von den Vorständen des
früheren Schloss-Baubüreaus als ersatzbedürftig bezeichnet worden.
Trotzdem wurden ganz gegen die Beschlüsse der 1891 er Kom-
mission alle alten Figuren durch neue ersetzt, aber nicht durch
Schäfer, sondern von denjenigen, welchen die Ausführung jener
Beschlüsse anvertraut war.
4. Januar 1902.
Friesstück, während 3. ein noch ganz gesundes
Architravstuck sei. Hätte man nun i. belassen bis
zur vollständigen Zerstörung, so wäre bei seinem
Neuersatz 2. bis zu '’U zerstört gewesen, bei 3. aber
hätte wegen der inzwischen sehr ungünstigen Schutz-
formen. von I. und 2. die Verwitterung bereits begon-
nen. Nach wenigen Jahren wären auch 2. und 3. zum
Ersatz reif gewesen. Man hätte also in einer Anzahl
von Jahren 3 neue Steinstücke. Schäfer hat nun i.
und 2. alsbald ersetzt; i. war verloren, 2. dagegen konnte
in halb verwittertem Zustand herausgenommen und
aufbewahrt werden. 3. wurde der gefährlichen Nach-
barschaft entzogen und ist so gut wie ein neuer
Stein. So haben wir jetzt zwei neue und einen
gesunden alten Stein und ausserdem einen halb ver-
witterten Stein an sicherem Ort. Dieses Recheii-
exempel spricht doch eine klare Sprache
gegenüber den Ruinenfreunden ; der Verlust ist
auf ihrer Seite. Ganz ähnlich, in mannichfaltiger
Abwechselung, Hegen die Verhältnisse am Otto-FIein-
richs-Bau.
Der bauleitende Architekt Schäfer ist während
seiner Thätigkeit zu derselben Ansicht gekommen,
wie die Vorstände des früheren Schioss-Bau-
bureaus, nämlich, dass der Otto Heinrichs-Bau,
insbesondere die Fassade, am längsten durch
Bedachung, durch Querverspannung und Er-
neuerung der in Verwitterung begriffenen Hau-
steine zu retten sei. Er hat im Auftrag der gross-
herzoglichen Regierung Pläne und Kostenvoran-
schläge ausgearbeitet, sowohl für diesen Bau, als
auch Tür den „gläsernen Saalbau“. Diese Pläne
wurden am 15. Okt. 1901 wiederum einer Kom-
mission zur Begutachtung vorgelegt. In der
Kommission waren, die Ansichten getheilt. Auf
der einen Seite standen die Kunsthistoriker
Thode-Heidelberg und v. Oechelhäuser-
Karlsruhe, und die Architekten Prof. v. Seidl-
München, sowie Ob'Brth. Kircher-Karlsruhe;
diese wollten von einem Wiederaufbau nichts
wissen. Für den Wiederaufbau waren, abge-
sehen von dem Planfertiger Schäfer, die Archi-
tekten Geh. Ob.-Brth. Hofmann-Darmstadt,
Dombaumstr. Reg.- u. Brth. Tornow-Metz und
die beiden Vorstände des früheren Schloss-Bau-
bureaus, Brth. Koch und der Verfasser. Die
Vertreter des grossh. Finanzministeriums, der
Stadt Heidelberg und des Schlossvereins hiel-
ten sich neutral. Die Tagesarbeit wurde durch
den leitenden Finanzminister in 3 Theile zer-
legt: in I. die grundsätzliche Frage des Wieder-
aufbaues, 2. die Form der Bedachung, 3. den
Aufbau des gläsernen Saalbaues.
Wir wollen nun in derselben Ordnung über
die Berathungen berichten. Auf dem äussersten Stand-
punkt im Sinne der 1891 er Kommission stehen die
Kunsthistoriker Thode und v. Oechelhäuser. Thode
will lieber das Bauwerk, wenn auch nur für kürzere Zeit,
vollständig unberührt haben, als einen für lange Zeit
berechneten veränderten Bau. v. Oechelhäuser ist der
Meinung, dass wenn die Mauern noch ein Dach tragen
könnten, sie auch sonst zu erhalten seien. Das Schloss
verliere durch die Wiederherstellung an Schönheit,
und die Pietät verlange, dass kein Stein am Otto
Heinrichs-Bau berührt werde, bei dem sich dies nicht
als unbedingt nöthig erweise. Die Anbringung eines
Daches sei zu verwerfen, denn jedes Dach, auch das
Schutzdach, verändere den jetzigen Eindruck. Die
Architekten seien Schwarzseher und wie die Aerzte
geneigt, jeden kleinen Fehler zu übertreiben, v. Seidl
und Kircher äussern sich auch ablehnend; v. Seidl
giebt jedoch zu, dass wenn man darauf abhebe, den
Bau für alle Zukunft zu erhalten, man ihn überdachen
müsse und auch um Brandmauern und ähnliches nicht
herumkomme. Das Dach und sonstige Konstruktionen
müssten jedoch durchaus den Charakter eines Schutz-
mittels und überall untergeordnete Tendenz haben. ’
Jedes Haus sei in fortgesetztem Verfall, erhaltende
Arbeiten müssten diesen Verfall soweit als möglich
3
4
No. t/2.
Herrenhaus Gravenstein für Französisch-Buchholz bei Berlin. Architekt: Heim. A. Krause in Berlin,
verhindern. Dies könne durch fortgesetztes Flicken drohen. Am Otto Heinrichs-Bau habe er gegenüber den
oder auf einmal radikal geschehen. Der Otto Heinrichs- Lothungen des früheren Schloss-Baubureaus ein grössc-
Bau könne in seinem gegenwärtigen Zustande durch res Uebersteheri der Hauptfassade feststellen können.
Flicken erhalten werden, weil seine Steine doch nicht Die Ruinenfreunde haben auf mehrfache Auffor-
zu Grunde gehen*)- Kircher schliesst sich v. Seidl derung in der Versammlung kein anderes Mittel zu
an; er glaubt, dass die Fassade durch die Mittel der nennen gewusst, um die Fassade zu erhalten, als
modernen Technik erhalten werden könnte, und nennt Zement und Klammern. Späterhin wurden — und
als solche Zementabdeckungen und Verklammerungen, zwar sachlich, wie wir mit Dank anerkennen — durch
Auf der anderen Seite stellt Hofmann den Aufbau Dr. Warth in Karlsruhe einige Maassregeln zur Ver-
als dringend nöthig dar, weil in unserem Klima mit hütung des Zerfalles besprochen (Bad. Landes -Ztg.
Flickwerk nichts gethan sei. {Giebt dabei Beispiele No. 562). Er will die verwitterten Theile instand
von alten hessischen Bauten.) Ihm seien keine Mittel setzen; wie er das machen will, sagt er nicht, wir
zur Erhaltung der in Verwitterung begriffenen Steine müssen deshalb auf das von uns oben Gesagte ver-
bekannt. Die als Koulisse freistehende Fassade be- weisen, Die Gefahren, welche der Fassade durch den
komme* durch Dach, Quermauern und Decken neuen 3 Stockwerk hohen freien Stand an sich und durch
Halt. Tornow ist der Ansicht, dass wenn der Bau die Ausbauchung drohen, will er durch „strebepfeiler-
nocli länger als 3 — 4 Jahrzehnte , halten soll, er ein artige Hochführung der Quermauern“ beseitigen. , An
Dach bekommen müsse. Koch und Seitz vertreten der Stelle,, wo die Ausbauchung ist, befand sich nie
ihren oben schon näher dargelegten Standpunkt, eine Quermauer, dieselbe müsste mitten durch den
Zement sei ein untaugliches Material zu vorliegendem grossen Saal erst neu angelegt werden. Die Vor-
Zweck, von den Steinen sei jetzt schon etwa Va ganz Schläge zur Abdeckung der Mauern sind ungefähr
erheblich verwittert, nach jedem Winter fielen eine dieselben, die von den Vorständen des Schloss-Bau-
ganze Menge kleiner Bautrümmer, durch den Frost bureaus als unumgänglich nöthig bezeichnet wurden,
gelöst, zu Boden. Koch ist ausserdem der Meinung, wenn man die Bedachung nicht wolle. Als
dass wenn man jetzt die Bereitwilligkeit der Regie- Schutzmittel für die Innenflächen der Mauern giebt
rung nicht benutze, dieselbe vielleicht später nicht Dr.WarthVerputz, gegebenenfalls nach demKeim’schen
mehr in dem Maasse vorhanden sei. Verfahren an. Wir glauben nicht, dass der Verputz
Schäfer sucht an dem Beispiel des KlostersWalken- an den alten Mauern lange hält und verneinen, dass
j'ied nachzuweisen, wie freistehende Mauern durch er in demselben Maasse Regen und Frost abhält, wie
pendelnde Bewegung und die destruktiven Einflüsse eine Bedachung und wie der Fensterschluss. Dass
der Witterung allmählich sich neigen und einzufallen die Fassaden an den unbedachten Theilen viel schneller
lelzleve ist ottenbav ein Irrihum, die Sorge besteht eben ^uch an der Aussepläche zu Grunde gehen, haben
hauptsächlich darin, dassdieSteinedui'chVerwitterungzugnjndegehen. Wir scbon oben nachgewiesen. — (Schluss folgt)
Herrenhaus Gravenstein für Französisch-Buchholz bei Berlin.
Architekten: Herrn. A. Krause in Berlin. (Hierzu eine Bildbeilage und die Abbildungen auf Seite 4. und 7,)
n dem Berliner Vororte Französisch -Buch- müse-Gartengedacht, rechtsvonderKutscher-Wohnung
holz, in geringer Entfernung von der Haupt-, die Wagenräume und der Stallhof. Im Hintergründe
Stadt nördlich gelegen, hat der Rittergutsbe- sollte sich das Herrenhaus erheben, an dasselbe links
sitzer Hr, Gravenstein einen über grossen anschliessend das Wirthschaftsgebäude. Für den Garten
Besitz,der mit einer Front von
etwa 132“ an die Dorfstrasse grenzt und
im übrigen aus einem mit einem präch-
tigen alten Baumbestand bewachsenen
Flinterland besteht. Es war nun die Ab-
sicht des Besitzers, in der Nähe von
Berlin einen, standesgemässen Landsitz
zu haben, von welchem aus die Haupt-
stadt leicht mit dem Wagen zu erreichen
wäre. Zu dieseni Zwecke sollte mit einem
Aufwandc von etwa loo ooo M. an der
Dorfstrasse ein Herrenhaus für die Be-
dürfnisse der Familie errichtet werden,
welchem sich Wirthschafts - Gebäude,
Stallungen, Gärtnerei mit Gärtner-Woh-
nungen usw. mit besonderer Bausurame
anschliessen sollten. Mit der Plangestal-
tung wurde Hr. Arch. Herrn. A. Krause
in Berlin betraut. Wie er sich der inter-
essanten Aufgabe entledigt hat, zeigen
die Beilage und die Darstellungen S. 4 u, 7.
Der gesammte Besitz hat ungefähr eine
r-förmige Gestalt. Der Architekt schlug
nun vor, den an die Dorfstrasse grenzen-
den Theil des Besitzes, welcher die Ge-
bäude zu tragen hat, ira Sinne italie-nisch-
französischer Gartenanlagen des XVIII.
Jahrhunderts umzugestalten, wie es der
Lageplan zeigt, und in. dieser architek-
tonischen Anordnung des Gartens den
Gebäuden eine entsprechende Stellung
derart zu geben, dass vor dem Herren-
hause, eingeschlossen . von diesem und
den Wohnhäusern des Gärtners und des
Kutschers, ein geräumiger und, repräsen-
tativer Vorgarten liegen bleiben sollte.
Hinter der Gärtner- Wohnung war der Ge-
6
No. 1/2.
waren Laubengäiige und eine Reihe von Kleinarclii- risse zeigen seine Eintheiliing. Mehr als cs Worte
tekturen gedacht. Das Herrenhaus sollte, obwohl im sagen können, mögen die Abbildungen für die meister-
inneren dieBedürfnisse der feineren städtischen Lebens- hafte Auffassung der Aufgabe sprechen. Die Diele
haltung befriedigend, gleichwohl im Aeusseren den namentlich ist ein Kabinettstück grosser dekorativer
ländlichen Charakter nicht verleugnen. Die Grund- Gestaltung. — — H. —
Ein Beitrag zum Steinbrückenbau, b
Von Reg.-Bnistr. Probst in Mannheim.
nlässlich der Bearbeitung des Entwurfes „Freie Bahn C"
beim Wettbewerb um Entwürfe zu einer zweiten
Neckarbrücke in Mannheim'^) kam der Verfasser auf
Fragen und Ergebnisse, welche einen weiteren Leserkreis,
insbesondere Freunde und Förderer des Steinbrückenbaues,
interessiren und sie womöglich zu
weiterer Mitarbeit und Studium veran-
lassen dürften. Will man grosse
Weiten in Stein überbrücken, so ist
erstes Erfordemiss, jede unnütze Be-
lastung des Gewölbes zu vermeiden,
bezw. den Gewölbeaufbau thunlichst
leicht zu gestalten. Da die im Ge-
wölbescheitel befindlichen Lasten den
grössten Einfluss auf den hlorizontal-
schub ausüben, so ist hier ganz beson-
ders auf möglichste Entlastung hinzu-
wirken. Eine nachtheilige Einwirkung
der bewegten Lasten auf das Gewölbe
durch Erschütterung ist nicht zu be-
fürchten, da sie gegenüber den Eigen-
lasten der Brücke und den auftreten-
den inneren Kräften kaum inbetracht
kommen. Bei dem oben erwähnten
Entwürfe beträgt z. B. der Horizontal-
schub für Eigenlast allein auf i “ Ge-
wölbeliefe 471 1, welchem eine grösste
Einzellast von nur 8 ^ — Raddruck
einer 25 ‘ schweren Dampfwalze —
gegenübersteht. Inwieweit hierbei
obiger Forderung nachgekommen wur-
de, möge aus nachstehender Tabelle 1
ersehen werden. In den Spalten 3a
bis 5 a sind die jeweilig auf Gewölbe,
Pfeiler und Fahrbahn — letztere unter
Einschluss von Gehweg und Brüstung
— entfallenden Einzellasten einer La-
melle, in Spalte 6 a deren Gesammtlast
angegeben — je für die halbe Brücken-
breite. In den entsprechenden Spalten
b ist der prozentuale Antheil der Ein-
zellasten an der Gesammtlast zu er-
sehen (vergl. hierzu die Abb. 1—3).
Aus der Tabelle ist zu entnehmen,
dass beim Scheitel die Gewölbelast
aller Lasten beträgt, während im Durch-
schnitt für die ganze Brücke dieselbe
etwa die Pfeilerlast V20
Fahrbahnlast den Rest mit V5 aller
Lasten, oder also der Gewölbeaufbau
nur V3 der Gewölbelast ausmacht.
Bei der bekannten Donaubrücke bei
Munderkingen entfällt auf den Aufbau
1^20 aller Lasten, d. h. der Aufbau ist
% mal so schwer als das Gewölbe
selbst. Unter Annahme gleichmässiger
Vertheilung berechnet sich das Eigen-
gewicht dieser 50 ™ weit gespannten
Brücke zu 6,40 t, dagegen für den Ent-
wurf „Freie Bahn C“ bei 113“ Weite
zu nur 3*3), und für den Entwurf
„Freie Bahn B" bei derselben Weite
— jedoch in Eisen — zu 0,93 * für i q®
Fahrbahngrundfläche. Trotz leichtester Konstruktion ist also
die Steinbrücke noch immer mehr als 3 mal so schwer
als die Eisenbrücke. Selbst die Fahrbahntafel des Stein-
bogens ist bei 0,7 t/q® Gewicht noch um 40% schwerer,
als die des Eisenbogens mit 0,5 t/q® unter Einrechnung von
1) Anmerkung: der Redaktion. Da %vir dem Steini>au an der
rechten Stelle stets das Wort geredet haben, so wollen wir die vorstehen-
den, jedenfalls sehr interessanten Mittheilungen unseren Lesern nicht vor-
eothalten, wenu wir auch die Forderungen des Verfassers stellenweise
fflr zu weit gehend halten mClsscn. —
2) Vgl. D. Bztg. 1901 No. 44; desgl. Centralbl. d. Bauverwltg. 1901, No. 54.
ä) Interessant ist, dass nach der Formel eine gleichmflssig
Quer-, Läng.s- und Windträgern. Der Spannungswechsel
bei voll- und unbelasteter Brücke ist demnach bei der
Steinbrttcke weit kleiner, als bei der Eisenbrücke, was für
die Dauer eine.s Bauwerkes von grossem Einfluss ist.
Wenn nun aber bei grossen IBrücken die Gewölbelast
Arcliitekt: fierm. A. Krause in Berlin.
3/^ und mehr aller Eigenlast beträgt, demnach auch ^|^ aller
Eigengewichtskräfte durch die Gewölbelast erzeugt wer-
den, so ist klar, dass mit einer Vergrösserung der Gewölbe-
stärke eine nur geringe Abnahme der Eigengewichts-Bean-
spruchungen erreicht wird. Es empfiehlt sich vielmehr,
zum Gewölbe nur besten Baustoff zu verwenden und
dessen zulässige Beanspruchung auch voll auszunutzen,
worüber später noch mehr gesagt werden wird.
Will man wissen, welche Weiten unter Aenderung
f
des Pfeilverhältnisses ' bei völlig gleicher Gewölb-, Fahr-
bahn- und Pfeilerstärke, sowie gleicher Material - Inan-
spruchnahme wie bei dem Entwurf der Neckarbrücke
hätten überbrückt werden können, so ergiebt sich dies
aus der Forderung, dass der Horizontals<niub und damit
4. Januar 1902.
7
T a b e 1 1 e i.
I 1 2 i
3 1
4
5
Fahrl
6
Lamelle
No.
3
Gewölbe |
a ' b
t ! o/n
Pfeiler
a h
! ^
1 Gesamt
1
5
b
I
j 79,0
83 '
17
94,7
100
61,4
84 1
—
16
100
m
4,0
! 63,6
81
—
—
1 14,8
78,4
100
3,0
i 49,4
78
"0,9
I
13,7
64,0
100
3,0
50,6
76 '
"■■1,7 ,
3
14,1
21
66,4
100
2
22
68,4
100
76 1
0,6 1
I
16,3
lOO
3,0
54-8
1,0 i
I
16.3
72,1
TOO
3,0
55,2
76 .
1,8 i
3
15,5
72,5
100
A.
3,0
54,4
75
2,5
3
15,7
22
72,6
100
3,0
54,4 :
74
3,4
' 4
15,9
22
73,7
100
3,0
72
4,3
6
16,0
22
73,8 ;
100
16,2
22
74,3 1
100
XIV
6,6 1
16,3
22
100
49,4
67
7,8
16,4
22
73,6 I
100
65
' 16,6
22
100
XVII
3,5
5,57 ■
6,
10,7
13
16,8
20
83,2
1 100
I-XVII
938,3 :
74,3
57,2
4,5
263,6
[ a..o
3259,1
lOo
Gewicht der Längswäade.
Übersehen, dass zwar das Fahrbahngewicht bei allen Brücken
dasselbe (im Falle von Strassenbrücken), dagegen das des
Gewölbes infolge grösserer oder geringerer, von der Spann-
weite abhängigen Bruchfugenstärke etwas verschieden sein
wird gegenüber dem der Betrachtung zugrunde gelegten
Fall der Neckarbrücke. Insbesondere wird dies aber für
den die Fahrbahnlast auf den Gewölberücken übertragen-
den Konstruktionstheil zutreffen. Schon aus Tabelle i
Spalte 4 ist zu ersehen, dass in der Nähe der Kämpfer
die Tragpfeilerlasten bereits i/s der ganzen Lamellenlast
betragen. Es ist jedoch festzuhalten', dass diese Lasten
nur in Kämpfernähe grössere Beträge annehmen, woselbst
ihr Einfluss auf den Horizontalschub nur noch sehr gering
ist. Durch möglichst leichte Ausbildung, grösseren Ab-
stand dieser nur senkrechteLasfen übertragendenKonstruk-
tionen (Ausbildung als Monierwände, Monierröhrensäulen,
mit Lochsteinen gemauerte, innen hohle Pfeiler, leichte
weitgespannte Gewölbe usw.) lässt sich deren Gewicht in
annehmbaren Grenzen halten. Wenn daher auch die Er-
gebnisse der Tabelle 2 für die oberen und unteren Werthe
nur als rohe Näherungswerthe angesehen werden dürfen,
so sind sie uns doch ein Fingerzeig, dass bei verfüg-
auch annähernd die Gewölbekräfte gleich sein sollen, dass
O ^2 Q Jß'
also H = \-r = ■ Vv:;- = konstant sei.
0[ o t
Da wir annähernd q = Q setzen können, so erhalten
wir aus obiger Gleichgewichts-Bedingung
Für die Neckarbrücke ist Z> = 112 «1 und F = 9,10
woraus sich ergiebt
I = 1378 . (-(^j und
Unter Annahme beliebiger Werthe für das Verhältniss
(4)
erhalten wir für l und f die aus Tabelle 2 ersicht-
lichen Werthe, welche zur besseren Veranschaulichung
in Abbildg. 4 im gleichen Maasstab dargestellt sind. Aus
denselben ist zu ersehen, dass für gleichmässig vertheilte
Last ein Halbkreisgewölbe von 690 Spannweite den-
selben Horizontalschub erzeugt, also bei gleicher Material-
Inanspruchnahme dieselbe Scheitelstärke bedingt, wie eine
Flachbrücke von nur 27,5 “ Spannweite und 0,55 «n Pfeil-
höhe, dass also inbezug hierauf beide Brücken gleich be-
deutend, gleich kühn sind^). Nun ist allerdings nicht zu
9 Die Bedeutung einer Brücke ist also weniger nach dem Absolut-
f
werti der Spannweite oder der Pfeilhöbe oder nach dem Verhältniss - - zu be-
messen, als nach dem Scheitelhalbmesser oder dem Werth Letzterer
barer Bauhöhe selbst die grössten Spannweiten
in Stein überbrückt werden können.
Denn wir haben ja bisher unseren Betrachtungen nur
eine Gewölbescheitelstärke von i “ zugrunde gelegt, wäh-
rend bei sehr grossen Weiten auch grössere Gewölbe-
stärken infrage kämen. Die Rüstkosten wachsen aller-
dings ganz bedeutend mit zunehmender Gewölbestärke
Tabelle 2.
f
l ■
l
f
Bemerkungen
50
27,5
\
1 0,55
^5
55
2,20
15
12,3
92
6,10
9,ro
Neckarbrücke. Entwurf „Freie
Bahn C“
-JÖ"
138
13,80
~1~5
183
24,40 1
1
275
55,00 i
690
345,00
Halbkreisgewölbe
berechnet .sich beispielsweise für die 64 m weite neuerbaute Eisenbahn-
brücke bei Kappel im Schwarzwald zu 256, für die 50 m weite Donau-
brücke bei Munderkingen zu 500 und für die rrsm weite Hauptöffnung
des Neckarbrücken-Entwurfes zu 1378.
No. 1/2.
und es wäre deshalb bei grosser Rüstungshöhe über Thal- sagende graphische Verfahren durch die genauere, ana-
sohle zu erwägen, ob eine Ausführung, wie Abbildg, 5 es lytische Berechnung zu ersetzen. Hierin, wie auch im
zeigt nicht besser und billiger wäre. Auf einer schwachen, Verständniss der Stein- und Mörtelmaterialien, deren Her-
cm starken Schaalung, welche ihrerseits auf frei vor- Stellung, Verwendung und Verarbeitung auf dem Bauplatze
gebauten in etwa 2 ® Axabstand erstellten leichten Bogen- hat die Schule mehr als bisher zu leisten und nachzuhelfen,
trägem auflie°t wird zunächst ein Hilfsgewölbe ausKIinkern Stein ist und bleibt der erste Baustoff des Technikers. Es
so stark ausgeführt dass es sein Eigengewicht und das ist daher nur berechtigt, wenn uns die Herstellung, Ver-
des Hauptgewölbes ohne Aufbau bei 3— 4facher Sicherheit Wendung und Berechnung im Steinbau ebenso eingehend
zu tragen vermag Das Bogengerüst wird sodann soweit gelehrt werden wie im Eisenbau. Wie für die Maschinen-
ab^^elassen dass sich das Hilfsgewölbe auf die Fundamente Ingenieure jetzt überall Laboratorien an den Hochschulen
des Hauptgewölbes stützt. Wird an einzelnen Stellen das gefordert und eingerichtet werden, ebenso noihwendig sind
Hilfsgewölbe mit dem Bogengerüst schon bei der Her- solche für die Bauingenieure. Schon an der Hochschule
Stellung verbunden so werden die infolge ungleichmässiger muss der Studirende mit den Eigenschaften und Unter-
Belastung während der Bauausführung auftretenden Bie- suchungen der wichtigsten Baustoffe durch, eigene Uebun-
gunss-Momente vom Untergerüst aufgenommen, so dass gen und Versuche völlig vertraut und so unser Fach-
eine i-U/ofache Steinstärke des Hilfsgewölbes im allge- Studium auf einer gesunden Grundlage aufgebaut werden,
meinen genügen dürfte falls bei 4— sooi^g Festigkeit des Zur weiteren Förderung des Steinbrückenbaues wäre
Wölbmateriales Beanspruchungen bis 150 H zugelassen es zu wünschen, dass gemeinsam von den zuständigen Be-
werden Ein erheblicher Theil der Kosten für das Hilfs- hörden des Reiches — vielleicht im Anschluss an eine best
gewölbe wird so durch Ersparnisse an der um 2/g schwäche- eingerichtete Material-Prüfungsanstalt — eine Ingenieur- .
ren Schaalung gedeckt, während die Kosten für Erstellung Abtheilung ins Leben gerufen würde, welcher neben sach-
der leichten eisernen oder hölzernen Bogenrüstung sehr gemässer Anordnung und Ausführung der Material- und
massige sind. Durch wiederholte Verwendung der letzte- Konstruktions-Prüfungen die Sammlung, Sichtung und Ver-
ren bei Ausführung des Hauptgewölbes in einzelnen Rippen arbeitung der in den verschiedensten Fachzeitschriften der
werden die Rüstkosten noch mehr herabgemindert. Man Welt sich zerstreut vorfindenden wichtigen Baumittheilun-
erreicht durch diese Art der Herstellung — statt Ausführung gen, Abänderungs -Vorschläge, Beschreibungen neuer Ent-
in einzelnen übereinander ge- j
lagerten Ringen, wobei der un-
tere stets als Stütze des oberen
während dessen Herstellung
dient — , dass der ganze Ge-
wölbequerschnitt an der Kräfte-
übertragung theilnimmt, wäh-
rend anderenfalls die obersten
Ringschichten erst dann zurWir-
kung kommen, wenn die unteren
bereits überbeansprucht sind.
Da es im technischen wie
wirthschaftlichen Interesse liegt,
die Festigkeit desWölbmateriales
voll auszunutzen, so setzt dies
voraus, dass wir dessen Festig-
keit, insbesondere im vermauer-
ten Zustande, so wie das Ma-
terial auf der Baustelle ver-
wendet wird, auch zuverlässig
kennen. Zu diesem Zwecke
kann es uns nicht genügen, die
Festigkeit eigens hergerichtetcr
kleiner Steinwürfel zu kennen,
sondern wir sollten grössere
Mauerwerkskörper von minde-
stens I Querschnitt prüfen
können, wozu hydraulische
Pressen von 5 — 10 000 t Druck
erforderlich wären. 5) Mit diesen
könnte man vielleicht auch Ver-
suche über Druckvertheilung in
einem Mauerwerkskörper bei
zentralem und exzentrischem
Druck — in und ausser dem mittleren Fugendrittel — würfe und Erfindungen usw. dieses Litteraturgebietes ob-
anstellen, um Klarheit über die Druckvertheilung, bezw, liegen würde. Im Benehmen mit den Staats- und städd-
über die auftretenden Zugspannungen zu erhalten, was sehen Behörden der Einzelstaaten und des Auslandes, des-
für die Gewölbe -Abmessung, für Anlage von Stütz- gleichen mit den Brückenbau-Unternehmungen, wären um-
mauern, Pfeilerfundamenten usw. von Wichtigkeit ist. Die fassende Erhebungen über Dauer, Bau- und Unterhaltungs-
Kosten einer solchen Druckmaschine, selbst wenn sie sich kosten der Stein-, Holz- und Eisenbrücken anzustellen, um
einschliesslich der für die ganze Einrichtung auf einige künftighin auf zuverlässigerer Grundlage als bisher den
hunderttausend Mark belaufen sollten, werden in kitrzer Zeit
durch Ersparnisse infolge weitestgehender Material-Aus-
nutzung gedeckt werden. ß)
Wird die Brückenkonstruktion durch Einfügung von
Gelenken statisch bestimmt und dadurch eine zuverlässige
Berechnung möglich gemacht, so kann man sich, wie beim
Eisen, mit 4— sfacher Sicherheit begnügen und demnach
bei einer Mindestdruckfestigkeit der aus besten Stein- und
Mörtelmaterialien hergestellten Mauerwerkskörper von
500—1000 kg/qcm mit der grösst berechneten Beanspruchung
ruhig auf 100 — 2ook?/qccn gehen. Die Berechnung ist natür-
lich für die ungünstigsten Belastungsfälle durchzuführen
und es ist das bei so grossen Krümmungs- Halbmessern ver-
5) Anmerkung der Redaktion. Vergl. hierzu die Mittheilungen
auf S. 43, Tahrg. igor der Dtschn. Bzt».
q Nach einer Beschreibung in No. 74 d. Centralbl. d. Bauverwaltg.
1901 weist die im Jahre jgoo erbaute Eiseabahnbrücke über die Gutach
bei Kappel im Schwarzwald bei 64 m Lichtweite und 16 m Pfeilhöhe eine
Gewölbstärke von am ini Scheitel und 2,8 m im Kämpfer auf. Durch volle
Ausnutzung der Festigkeit des Bausteines hätten die Gewölbestärken, und
damit auch die sehr hohen Rüst- und gesammten Baukosten, wahrscheinlich
erheblich vermindert und so an diesem einen Bauwerke schon grosse
Summen erspart werden können.
4. Januar 1902.
gesammten für Bau, Unterhaltung und Amortisation er-
forderlichen Kostenaufwand feststelien und so im Zweifels-
falle sicheren Entscheid über das zu wählende Baumaterial
treffen zu können.
Was nun die erstmaligen Baukosten grosser Stein-
brücken betrifft, so hat schon der Neckarbrückeii-Wett-
bewerb gezeigt, dass sie — selbst bei ungünstigsten
Gründungs- und Höhenverhältnissen — nicht höher kom- Behörden sich über die Anregungen und Vorschläge dieses
men, als die Baukosten für eine Eisenbrücke’^), unter günsti- Artikels äussern, verständigen und sie in dieser oder jener
geren Verhältnissen und bei gleicher Bausicherheit der Weise zur Ausführung bringen würden. Man könnte dann
Steinbau dem Eisenbau also selbst bezüglich der erstmaligen die begründete Hoffnung hegen, dass dem Steinbrücken-
bau wieder der Platz zurückerobert würde, auf welchen
er Dank seiner vielen Vorzüge berechtigten Anspruch hat.
Vielleicht ist es dem neuen Jahrhundert Vorbehalten, durch
weiteren Ausbau und stetige Vervollkommnung den Ge-
wölbebau auf gleiche Stufe mit dem so hochentwickelten
Eisenbrückenbau zu bringen.
Zum Schlüsse möge beistehende Abbildg. 6 zeigen,
wie in eigenartiger Weise etwa breite, tief eingeschnittene
Gebirgsthäler in Stein überbrückt werden könnten. Es
ist angenommen, dass das Thal bei der Höhenlage der
Fahrbahn nicht in einer Spannung überbruckt werden
kann. Die beiden Bögen stemmen sich einerseits gegen
das Thalgehänge und andererseits unter Vermittelung eines
Zwischenpfeilers gegen den Scheitel des durch diese kon-
zenirirte Belastung entstehenden Spitzbogengewölbes. Der
Aufbau des Mitteipfeilers von Thalsohle ab käme zufolge
der wechselnden Belastungen und der dadurch bedingten
grossen Schaftstärke und der grossen Höhe sehr theuer
und böte weniger Standsicherheit für die beiden Gewölbe,
wie das vorgesehene, den Mittelpfeiler stützende Spitz-
Baukosten überlegen sein dürfte, von den weiteren Vorzügen bogengewölbe. Dieses würde, wie früher beschrieben, mit
(grössere Dauer, geringere Unterhaltungsarbeiten, monu- fliegender Rüstung und mit Hilfsgewölbe erstellt werden
mentale Erscheinung) ganz abgesehen. können, um sodann als Stütze für die Rüstungen der
Es wäre zu wünschen, dass die Interessenten und beiden oberen Gewölbe zu dienen. —
Ueber das Aufhalten von Bahnzügen in Endbahnhöfen.
Hachdem am 6. Dez. vor. J. in der Bahnhofshalle zu
Frankfurt a. M. ein ankommender Bahnzug, der nicht
rechtzeitig zum Stehen gebracht werden konnte, den
Prellbock umgestossen, den Querbahnsteig durchschnitten,
dann die starke Hallenwand durchbrochen hat und noch
in den Wartesaal vorgedrungen ist, ein Unfall, der sich
ähnlich im Pariser Bahnhofe Montparnasse vor einigen
Jahren ereignete, verlohnt es sich, einmal wieder über
die Mittel nachzudenken, welche geeignet sind, solchen
d. h. der zurückhaltende Druck des Bremskolbens des
Puffers müsste mehr als 8-fach so gross sein als das Zug-
gewicht, was kein Wagen aushalten könnte. Es ist daher
ein grosses Glück für die Zugsinsassen gewesen, dass der
Prellbock weggefegt wurde, dass auch Bahnsteigbelag und
Umfassungsmauer nachgaben, denn sonst wären die Reisen-
den wie das Zugpersonal schlimmer davon gekommen.
Will man einen fahrenden Eisenbahnzug aufhalten, so
muss dies auf einem möglichst langen Wege allmählich
Unfällen vorzubeugen. Man wird sich nicht damit be-
gnügen können, aufs neue den Lokomotivführern einzu-
schärfen, dass sie nicht zu schnell in stumpf endende Gleise
hineinfahren, denn eine abermalige Einschärfung wird eben-
sowenig zur gänzlichen Verhütung führen, wie sie es bis-
her gethan hat. Aber auch die vorhandenen Sicherheits-
Maassnahmen, wie die Bedeckung einer Schienenlänge
mit einer. Sandschicht und die Aufstellung von Prellböcken,
obwohl sie, wie namentlich die hj'draulischen Prellböcke,
den ernsten Willen verrathen, einen nicht rechtzeitig an-
gehaltenen Zug zum Stillstand zu bringen, können nicht
genügende Widerstandsarbeit leisten. Erfahrungen liegen
vor, dass sie zerstört wurden oder dass sie durch die bei
schneller Fahrt des Zuges unvermeidliche Steigerung ihres
Widerstandes ein Aufsteigen der Wagen, wie z. B. in
Berlin am i6. Nov. 1897 vorgekommen, herbeiführen. Was
würde aber aus den Insassen des Schnellzuges in Frank-
furt geworden sein, wenn ein hydraulischer Prellbock vor-
handen gewesen wäre und vollkommen Widerstand ge-
leistet hätte? Dann hätte günstigsten Falles, abgesehen
von der geringen Arbeit der Wagenpuff er, die Geschwindig-
keit des Zuges vielleicht ü = 2o“ in der Sekunde auf
einem Wege von 5 = 2,5 vernichtet werden müssen.
Wir wollen daher annehmen, dass der Druck gleich mit
vollem Betrage einsetze, dann erhalten wir als nothwen-
dige Verlangsamung G für die Sekunde, da
= Gl=~= =8om
’ - 2S 2.2,5
oder, da die Erdbeschleunigung g = q,8i ist, ein Ver-
hältniss von (r 80 ^
T = ^ =
Die Kosten für „Freie Bahn B und C“ waien gleich, trotzdem die
Rustkosten für die Steinbrilcke wegen der durch die Schiffahrt bedingten
zahlreichen Eisenrüstträger sehr hohe waren.
10
geschehen. Zu diesem Aufhalten taugt das seit 10 Jahren
bekannte, von mir vorgeschlagene Sandgleis und es ist
daher ein solches in der Halle des Hauptbahnhofes zu
Dresden nach mehrmals vorgekommenem Umbruch eines
— nicht hydraulischen — Prellbockes angelegt worden.
Dieses Sandgleis nimmt irgend welchen nützlichen Raum
nicht ein, denn neben ihm, in nur 129 Abstand, liegt
das Fahrgleis, welches unverkürzt regelmässig benutzt wird,
während das Sandgleis völlig bedeckt und unsichtbar ist.
Nach reiflicher Ueberlegung ist die Einrichtung so ge-
troffen, dass die in das Sandgleis leitende Weiche, die wegen
der stattfindenden Rangirbewegungen geschlossen ist, für
jeden Zug kurz vor dessen Ankunft geöffnet wird, also
offen steht und erst umgestellt werden muss, um denselben
auf das Fahrgleis zu leiten. Diese Umstellung wird durch
einen besonders Beauftragten — Portier — erst dann
vorgenommen, wenn durch Pfeifen seitens des Lokomotiv-
führers die gänzliche Gefahrlosigkeit des Einlasses signa-
lisirt worden ist. Das Sandgleis ist 60 lang, kommt also
in seiner Wirkung bei etwa i/i2bis i/io passivem Wider-
stande der Sandschicht einem ebenso langen, um 5“» an-
steigenden Gleise gleich. Wiegt die Zuglänge auf 60 ^
etwa: Lokomotive und Tender 70t, 2 grosse Personen-
wagen 60 1 = 130 die im Durchschnitt auf 2,5 gehoben
werden, so ist die vernichtete Arbeit 325 tm oder zufällig
ungefähr so gross, wie der vorgesehene Arbeitswiderstand
eines hydrauüschen Prellbockes (Uhland, Konstrukteur
1898 S. 14).
Nachdem die Frankfurter Erfahrung aufs neue ergeben
hat, dass man auch auf die Vernichtung von Schnellzugs-
Geschwindigkeiten sich gefasst machen möchte, wird es
sich empfehlen, die Sandgleise länger herzustellen. Rechnet
man, ohne den Prellböcken einen Rest der Arbeitsver-
nichtung zu überlassen, auf 20 Geschwindigkeit, so muss
No. 1/2.
der Sandweg bei 1/12 bis i/io passivem Widerstande oder
etwa = 0,9™ Verlangsamung in der Sekunde, eine Länge
V,oKor, 0-2 or>2
Dies wäre der Schwerpunktsweg und es käme deshalb
noch ein Theil bis höchstens zur Hälite der Zuglänge hinzu.
Da das Sandgleis keinerlei Einschränkung der Benutzbarkeit
des Fahrgleises ei'fordert, so ist es unter allen Umständen
ausführbar, und es giebt kaum einen Grund, aus welchem
man dergleichen Gleise nicht anlegen sollte. Mehr als alle
Vorschriften und Signale kann zur Verhütung der Wieder-
kehr des Frankfurter Unglücks das Sandgleis beitragen.
Im „Centralbl. der Bauverw.“ 1896 S. 482 hat Hr. Geh.
Brth. Sarre das Sandgleis für die Vorbeugung von Un-
fällen auf Kopfgleisen und zwar unter Vorschlag einer
selbstthätigen Stellvorrichtung empfohlen, ist aber wegen
der Schwierigkeit der Herstellung einer solchen Stellvor-
richtung nicht durchgedrungen; ich sollte denken, auch
wenn man von aller Selbstthätigkeit Abstand nimmt, so
lässt sich gegen die Einrichtung kaum etwas einwenden.
Das Schlimmste, was passiren könnte, wäre, dass einmal
ein Zug, auch wenn keine Gefahr bestünde, irrthümlicher
Weise zum Anhalten gebracht würde, ein Fall, dem man
wenigstens ebenso gut Vorbeugen kann, wie dem Durch-
gehen, nur mit dem Vortheile, dass daraus ein grosser
Schaden nicht entstehen würde. Wenn in Glasers Annalen
vom I. März 1899 Hr. Ing. Krahmann die Anwendung
von Sandgleisen in Kopfstationen bemängelt, so geht er
von der irrigen Ansicht aus , dass dafür eine grössere
Gleislänge dem Verkehr entzogen werden müsste, während
man im. Gegentheil durch eine Sandgleisanlage, wie ich
sie Vorschläge, sogar noch die kurzen Sandbedeckungen
der Stumpfgleisenden sparen und so für den Verkehr be-
nutzbar erhalten könnte,
Dass in Frankfurt Niemand ums Leben gekommen
ist, oder dass, wie Hr. Krahmann zur Vertheidigung der
hydraulischen Prellböcke betont, nur Führer und Heizer
bei dem Unglücke am 16. November 1897 zu Tode
kamen, dürfte den Werth, ja die Nothwendigkeit der
Einführung einer Sicherung ausser der durch Prellböcke
gebotenen wohl kaum abschwächen können. Die zur
thunlichsten Raumersparung in Dresden getroffene An-
ordnung des Sandgleises, bei welcher die Fahrschienen
mit zum Schutze gegen Entgleisung dienen, ist vor-
stehend im Querschnitt gezeichnet. Zu bemerken bleibt
nur noch, dass vor dem Eingänge zur Sandweiche, zum
Festhalten der Zunge und zur Verhütung der Umstellung
während des Passirens des Zuges eine — Jüdelsche —
Druckschiene eingelegt ist. —
Dresden, im Dezember 1901. Kopeke.
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten-Verein zu Berlin. Vortragsabend mit Damen
amii.Nov.i90i,anwes.324Pers., Vors. Hr. Beer. An diesem
Abend hielt Hr. Franz Goerke, Direktor der Ges. Urania,
einen fesselnden, von trefflichen und mit feinem künst-
lerischen Gefühl aufgenommenen Lichtbildern begleiteten
Vortrag „Malerische Wand erungen durch die Mark“,
welcher der zahlreichen, den grossen Saal des Architekten-
hauses dicht füllenden Zuhörerschaft einen hervorragenden
Genuss bereitete. —
Vers. V. 25. Nov. 1901. Vors. Hr. Beer, bezw.Hr. Hoss-
feld, anwes. 78 Mitgl.
Nach Mittheilungen des Vorsitzenden hat der Verein
durch den Tod wiederum eine Anzahl von Mitgliedern
verloren. Es sind dies die Hrn. Brth. A. Ritzel in Neu-
stadt O.'S.. Bauinsp. C. Miiow in Saarbrücken. Brth.
Zekeli und Geh. Brth. Bluth in Berlin. Das Andenken
der Verstorbenen wird durch den Vorsitzenden in warm
empfundenen Worten der Erinnerung, durch die Ver-
sammlung durch Erheben von den Sitzen geehrt.
Es folgte sodann die Verlesung des Programmes der
neuen Schinkel- Preisaufgaben durch die Hrn. Reimer,
Roloff und Mellin. Als Aufgabe für Architekten ist der
Entwurf zu einem Künstlerheim in Rom, für Wasser-
bauer der Entwurf zu einer Schwebefähre über den
Kaiser Wilhelm-Kanal bei Brunsbüttel, für den Eisen-
bahnbau ein Entwurf zum Umbau der Bahnanlagen
bei Elm (Strecke Bebra-Frankfurt a. M) unter Beseitigung
der jetzt vorhandenen Spitzkehre gewählt.
Es knüpft sich dann an die Mittheilung des Hrn. Hoss-
feld, dass in diesem Jahre eingegangen sind: 16 Ent-
würfe für den Hochbau, 4 für den Wasserbau und 5 für
den Eisenbahnbau, was als ein Rückschritt gegen früher
anzusehen ist, die Bemerkung, dass die Aufgaben wohl
zu gross seien, nachdem der Umfang der Baumeister-
Arbeiten wiederum herabgesetzt worden ist; jedenfalls
müsse darauf Rücksicht genommen werden.
Zu längeren Erörterungen Veranlassung gaben Aus-
führungen des Arch. Hrn. Sixt über Kalksandsteine
einer in Neuhammer an der Queiss gelegenen Fabrik, und
über eine neue Ausführung von Brunnen zur Wasser-
gewinnung mit grossen durchlochten Steinen dieser Art,
welche auch das seitliche Wasser über der Sohle des
Brunnens aufzunehmen gestatten. Redner verbreitet sich
zunächst über die Herstellung der Steine, die bei einer
Zusammensetzung von i Theil Kalk auf 10 Theile Sand
unter der Einwirkung von Hochdruckdampf erfolgt. Die
betr. Fabrik stellt auch Stücke in Werksteinform her, mit
kieselsäurehaltigen Farben gefärbt, glasirte Flächen usw.
An der Debatte betheiligen sich die Hrn. Blankenstein,
Dümmler, Hacker, Marggraff, wobei namentlich die
Frage der Feuerbeständigkeit erörtert wird, über die ver-
schiedene Meinung herrscht.
Sodann hielt Hr. Hasak einen interessanten, von
schönen Lichtbildern begleiteten Vortrag über das Thema:
„Ist es gerechtfertigt, den byzantinischen Stil
den Byzantinern zuzuschreiben?“ Redner kommt
durch Vergleich zwischen den Bauten dieses Stiles in
Ravenna und den im Orient befindlichen Bauten, sowie
durch Studium der Quellen zu dem Schlüsse, dass es un-
gerechtfertigt sei, den Ursprung dieses Stils im Orient zu
suchen, die Ausbildung auf griechische Meister zurückzu-
führen. Im Gegentheil lassen die Namen der in den
Quellen genannten Meister auf germanischen, longobar-
dischen, gothischen Einfluss schliessen. Die scharfsinnigen
Betrachtungen des Redners wurden von den Zuhörern mit
Interesse verfolgt.
Unter 2 Fragen, welche sich im Briefkasten befanden,
war diejenige von Interesse, ob es den Kreisen gestattet
sei, den Titel „Kreisbaurath“ zu verleihen. An der
Besprechung betheiligten sich die Hrn. Hossfeld, Blan-
kenstein und Walle, welche übereinstimmend der An-
sicht waren, dass die Gemeinden nur solche Titel ver-
leihen könnten, welche eine bestimmte Amtsthätigkeit aus-
drückten. Als Beispiel wurde der kürzlich entschiedene
Fall angeführt, dass es dem Magistrat von Berlin durch
die AuLichtsbehörde nicht gestattet wurde, den Magistrats-
assessoren den Titel Magistratsrath zu geben. —
Fr. E.
Vermischtes.
Zur Frage der Fortsetzung der Wiederherstellungs-
Arbeiten am Heidelberger Schloss wird durch die Ber-
liner Tagesblätter neuerdings eine Kundgebung verbreitet,
unter welcher sich eine Reihe hochangesehener Namen
von Vertretern der Baukunst befinden. Dieser Umstand
zwingt uns, eingehender auf sie zurückzukommen; das
kann aber erst geschehen, wenn der an der Spitze
unserer heutigen Nummer beginnende Aufsatz des Hrn.
Architekten Fritz Seitz in Heidelberg, des ehemaligen
Mitvorstandes des Schloss-Baubüreaus dorten, vollständig
vorliegt, denn er giebt dasjenige Material, ohne dessen
Kenntniss die so bedeutungsvolle Frage nicht mit der
strengen Sachlichkeit beurtheilt werden kann, die ihr
zukommt. —
Architektur und Kunst des Innenraumes auf der Grossen
Berliner Kunst-Ausstellung 1902. Wie im vergangenen Jahre,
so soll auch in diesem Jahre auf der am 3. Mai zu er-
öffnenden und bis zum 28. Sept. dauernden Grossen Ber-
liner Kunst-Ausstellung am Lehrter Bahnhof eine um-
fassende Betheiligung der Architektur und der
Kunst des Innenraumes stattfinden. Dafür stehen die
gleichen Räume zur Verfügung, wie das vergangene Jahr.
Die Einsendung der Kunstwerke muss zwischen dem
15. März und 3. April erfolgen. Besondere Einla-
dungen ergehen diesmal nicht. Die Anmeldung
der einzuUefernden Werke muss bis spätestens 10. März
erfolgt sein. Um für die Innenräume, die sich in ihrer
Ausdehnung ungefähr an die Maasse 4:6® halten können
und für welche in der Hauptsache Oberlicht, Seitenlicht
dagegen nur ausnahmsweise zur Verfügung steht, mög-
lichst bald die Raumanordnung treffen zu können, sind
Skizzen mit Angabe der ungefähren Raumanordnung noch
vor dem genannten Zeitpunkte, am besten umgehend,
einzusenden. Sämmtliche Zusendungen sind zu richten
an „die Geschäftsleitung der Grossen Berliner Kunst-Aus-
stellung“, Landes-Ausstellungs-Gebäude am Lehrter Bahn-
hof, Berlin NW. —
Ueber den Ausbau des Domes in Meissen ist in den
jüngsten Tagen entschieden worden. Zur Erlangung von
Entwürfen für die Thurmaufbauten erging an die Hrn.
4. Januar 1901.
II
Reg.- u. Brth. Tornow-Metz, Geh. Brth. Steinbrecht-
Marienburg, Ob.-Brth. Schäfer in Karlsruhe, Prof, Gabr.
von Seidl in München und Arch. Linnemann in Frank-
furt a. M. eine entsprechende Aufforderung, welcher die
Hrn. Linnemann, Schäfer und v. Seidl durch Vorlage von
Entwürfen auch entsprachen. Steinbrecht und Tornow
- mussten ablehnen. Linnemann gab eine gthürmige Lösung
(s. Jahrg. 1898 No. 60). Die beiden übrigen Architekten
eine zweithürmige. Die Wahl fiel in der Hauptversamm-
lung des Dombauvereins mit 50 gegen 4 Stimmen auf
den Entwurf des Hrn. Ob.-Brth. Prof. K. Schäfer in
Karlsruhe. Der vorberathenden Sachver.ständigen-Kom-
mission gehörten an die Hrn. Ob.-Hfbrth. Dünger, Hfrth.
C. Gurlitt, Brth. Schmidt, Prof. Seitler, Geh. Brth.
Temper und Geh. Brth. Wallo t, sämmtiieh in Dresden. —
Todtenschau.
Franz Xaver Kraus -j-. In St. Remo starb am 29. Dez.
1901 an einer Magenblutung der grossh. bad. Geh. Plofrath
Prof. Franz Xaver Kraus in Freiburg i. ßr. Mit Kraus
ist einer der fruchtbarsten und bekanntesten deutschen
Kunsthistoriker aus diesem Leben geschieden. Am 18. Sept.
1840 in Trier geboren, erreichte der Verstorbene ein Alter
von etwas über 6r Jahren, ein verhältnissmässig geringes
Alter für das reiche Lebenswerk, welches er hinterlassen.
Kraus studirte in Freiburg und Bonn Theologie und Philo-
logie und legte bei einem längeren Studienaufenthalte in
Paris die Grundlage zu seinen archäologischen Studien,
die er in der Folge als ausserordentlicher Professor der
Archäologie der christlichen Kunst an der Universität
Strassburg bethätigte. Sechs Jahre lehrte er hier, um
1878 nach Freiburg i. Br. zu gehen, wo er sich bis zu
seinem vorzeitigen Ende einer hervorragenden Lehrthätig-
keit und einer reichen schriftstellerischen Bethätigung
widmete. Von seinen kunstarchäologischen Werken und
anderen Schriften seien u. a. genannt: „Die christliche
Kunst in ihren frühesten Anfängen“ (Leipzig 1872); „Ueber
das Studium der Kunstwissenschaft au den deutschen
Hochschulen“ (Strassburg 1874), „Kunst und Alterthum in
Elsass-Lothringen“ (Strassburg 1876— 92); „Synchronistische
Tabellen zur christlichen Kunstgeschichte“ (Freiburg 1880);
„Realencyclopädie der christlichen Alterthüraer“ (Freiburg
1882—1886). Hervorragenden Antheil hatte Kraus an der
Herausgabe der „Kunstdenkmäler des Grossherzogthums
Baden“, dem grossen badischen Inventarisationswerke;
wiederholte Studien betrafen die frühromanischen Bau-
werke auf der Insel Reichenau im Bodensee. Als ein Er-
gebniss dieser Studien ist das Werk: „Die Wandgemälde
der St. Georgskirche zu Oberzell auf der Insel Reichenau“
(Freiburg 1884) zu betrachten; fernerhin gab er noch „die
Wandgemälde von San Angelo in Formis“ (Freiburg, 1893)
heraus. Ein umfangreiches Werk über „die Geschichte
der christlichen Kunst“ ist nicht bis zur Vollendung ge-
diehen. Von dem Werke liegen 2 stattliche, reich und
vornehm illustrirte Bände vor. Das Werk zeugt, wie auch
seine übrigen Schriften, von einem gereifteren Verständ-
niss für die Werke der bildenden Kunst, als es bei den
.Berufsgenossen des Verstorbenen gemeinhin gefunden
werden kann. Insbesondere auch der Architektur stand
Kraus mit mehr Verständniss gegenüber, wie viele andere
Vertreter der christlichen Archäologie. In seinen kunst-
schriftstellerischen Arbeiten verband er mit einem univer-
sellen Wissen ein feines, reifes Kunsturtheil. Die freiere
Richtung innerhalb der katholischen Kirche, zu welcher er
sich zählte, kommt in seiner Kunstkritik zu sympathischem
Ausdruck. So entbehren seine Werke, wenn sie auch die
LebensstellungihresUrhebersnichtganzverleugnenkönnen,
doch der einseitigen Parteinahme und werden in dieser
Vereinigung liberaler Anschauung mit tiefem und um-
fassendem Wissen zu werthvollen Bestandtheilen des
deutschen Besitzes an Kunstlitteratur. —
Preisbewerbungen.
Ein Preisausschreiben zur Erlangung einer Vorrichtung
zum Messen des Winddruckes erlässt der kgl. preuss. Hr.
Minister der öffentlichen Arbeiten für Personen des In-
und Auslandes mit Frist zum i. April 1903. Es gelangen
3 Preise von 5000, 3000 und 2000 M. zur Vertheilung; ausser-
dem erhält derjenige Bewerber, dessen Vorrichtung nach
längerer Beobachtung für den Gebrauch zu staatlichen
Zwecken am meisten geeignet befunden wird, einen wei-
teren Preis von 3000 M. Dem Preisgerichte gehören an
die Hrn. Hauptmann der Luftschifferabtheilung Bartsch
von Sigsfeld in Schöneberg, Ob -Ing. Böcking in Düssel-
dorf, Ziv.-lng. Brth. R. Gramer in Berlin, Assist, der
Deutschen Seewarte in Hamburg Dr. von Hasenkamp,
Geh. Reg.-Rath Jäger in Berlin, Ziv.-lng. R. Kohfahl in
Hamburg, Mar.-Ob.-Brth. Kretschmer in Berlin, Geh.
Reg.-Rath Prof. Müller-Breslau in Grunewald, Wasser-
werk-Dir. Schmetzer in Frankfurt a. 0,, Geh. Ob.-Brth.
Dr. Zimmerraann in Berlin und ein im Einverständniss
mit der Deutschen GeselLchaft für Mechanik und Optik
zu bestimmender Vertreter der Feinmechanik. Der Druck-
rae.sser muss so eingerichtet sein, dass er gestattet, die
Grösse der Mittelkraft des Winddruckes auf Flächen und
Körper einschliesslich der etwa vorhandenen Saugwirkung
auf der Leeseite so zu bestimmen, dass die Beobachtungs-
Ergebnisse für statische Berechnungen verwendbar sind.
Die Aufzeichnung muss selbstthätig so erfolgen, dass eine
ununterbrochene bildliche Darstellung des zeitlichen Ver-
laufes der Winddrucke gewonnen wird. Die Bewerbung
kann durch Druckmesser selbst oder durch betriebsfähige
Modelle mit Anschluss ergänzender Zeichnungen und Be-
rechnungen erfolgen. Patentrechte für die Entwürfe sind
voi\,d6r Einsendung an das Preisgericht zu sichern. —
Wettbewerb betr. Entwürfe für eine Präparandenschule
in Landsberg. Im Aufträge des Magistrates der Stadt
Landsberg eröffnete der Münchener Arch.- u. Ing.-Verein
unter seinen Mitgliedern einen Wettbewerb zur Erlangung
von Plänen für eine Präparandenschule daselbst. Von
den it Bearbeitungen, welche durchweg sehr gute Lei-
stungen darstellen, wurde dem Entwurf mit dem Kenn-
zeichen „T.'2 12" (Arch, C. Jäger) der I. Preis, demjenigen
mit dem Kennwort „Süddeutsch“ (Arch. Gebr. Rank) der
II. Pr., der Arbeit mit dem Kennzeichen „99“ (Arch. Rosen-
stock) der ILI. Pr. zuerkannt.
Das Ergebniss dieses Wettbewerbes ist ein ganz un-
erwartet erfreuliches. Es wäre nur zu wünschen, dass
der Arch. u. Ing.-Verein durch Zuwendung ähnlicher Auf-
gaben grösseren und kleineren Umfanges in seinem Stre-
ben, auf dem Wege des Wettbewerbes der Allgemeinheit
zu nützen, recht fleissig unterstützt würde. —
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwurfskizzen
für ein Gymnasium mit Turnhalle und Direktorwohnung
der Stadt Steele, unter den Mitgliedern des Architekten-
und Ingenieur-Vereins für Niederrhein und Westfalen aus-
geschrieben, wurde am 30. Dezbr. v. J. vom Preisgericht
dahin entschieden, dass der I. Preis von 1800 M. dem
Arch, Otto Müller, der II. Preis von 1200 M. dem Arch.
Constantin Wille, der III. Preis von 800 M. den Reg.-
Baumeistern Bohrer u. Kleefisch, alle in Köln, zuge-
sprochen wurde. —
Inhalt; Die Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses, insbes.
des Otto Heinrichs-Baues. — Herrenhaus Gravenstein für Französisch-Buch-
holz bei Berlin. — Ein Beitrag zum SteiubrOckenbau. — Ueber das Auf-
Iialien von Balinzügen in Kndbahnhöfen. — Mittheilungen aus Vereinen. —
Vermischtes. — Todtenschau. — ITeisbewerbungeu.
Hierzu eine Bildbeilage: Herrenhaus Gravenstein für
Französisch-Buchholz bei Berlin.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veranwortl. Albert Hofmaiin, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
Johann Eduard Jacobsthal f.
An der Wende des Jahres, am Nachmittag des Neujahrstages, entschlief nach langem, schwerem
Leiden der 'Professor an der Technischen Hochschule zu Berlin, Geheimer Regierungsrath Johann
Eduard Jacobsthal, im Alter von wenig mehr als 62 Jahren. Mit ihm ist einer der feinsinnigsten
Vertreter der nachschinkelschen Schule dahingegangen, ein Architekt, dessen fruchtbares und her-
vorragendes Wirken als Lehrer und Bauküiistler sich mehr in der Stille des Lehrsaales und des
Ateliers als in der Oeffentlichkeit vollzog. Wir werden dem reichen Lebenswerke des Verstor-
benen, dem eine unbegrenzte Verehrung seiner zahlreichen Freunde und Schüler ins Grab folgt,
eine eingehendere Betrachtung widmen. —
12
No. 1/2.
ERRENHAUS GRAVENSTEIN FÜR
FRANZÖSISCH-BUCHHOLZ BEI
BERLIN * ANSICHT DER DIELE *
ARCHITEKT: HERM. A. KRAUSE
IN BERLIN ********
= DEUTSCHE BAUZEITUNG =
XXXVI. JAHRGANG 1902 N2.- 1-2 *
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 3. Berlin, den 8. Januar 1902.
Landhaus Schmidt bei München.
Avch.: Mart. Dülfer in Mfinchen.
mas auf einem Hügel am Unken Isarufer liegende wird, die aus anderen Gebäudearten auf uns überkommen
Landhaus Schmidt bei München, zu dessen An- sind und in der Wohnlichkeit eine Rolle nicht spielen,
sichten und Grundrissen wir nur wenig zur Er- Thürme und hochgelegene Aussichtsterrassen, die dem
läuterung hinzuzufügen haben, kann als ein interessantes Festungsbau und der Anlage grosser adeliger Herrensitze
Beispiel für das Bestreben der Münchener Architektur entnommen sind, können beim modernen Landhause wohl
gelten , die werthvollen Eigenschaften des Bauernhauses, entbehrt werden, denn die Bewohner des Hauses wollen
seine Farbenfreudigkeit, seine Wahrheit im Aufbau usw. die Schönheiten einer Gegend im täglichen Verkehr mit
auf das städtische Landhaus zu übertragen. Zu dieser der Natur und ohne Mühe gemessen, und nur in örtlichen
Wahrheit gehört es unter anderem auch, dass bei dem Ausnahmefällen sind Anordnungen zu treffen, welche den
modernen Landhause auf alle die Bildungen verzichtet Naturgenuss trennen von der behaglichen Wohnlichkeit.
13
Der durch die freie Lage des Landhauses ermöglichte
Naturgenuss bedingt Form und Lage der Fenster, beide
richten sich somit nach den örtlichen Bedingungen des
Hauses, und beide sind so zu wählen, dass sie aus der
Landschaft möglichst günstige Bilder ausschneiden.
In der äusseren Erscheinung zeigt das Landhaus
Schmidt den Fachwerkbau in Verbindung mit dem Putz-
bau, beide in malerischer Weise und mit ungebrochenen
Farben behandelt, welche der Einfluss des Wetters abzu-
stimmen berufen ist, wenn die Patina der Jahre die ur-
sprüngliche Grundfarbe in eine Skala von Untertönen zer-
legt hat. Der Verputz ist durch verschiedenartige Flächen-
behandlung zu lebendiger Wirkung gebracht, das Dach
ist mit rothen Bieberschwänzen gedeckt, das Holzwerk
ist schwarzbraun getheert, die Fenster sind weiss gehalten,
die Thüren bestehen aus geöltem Eichenholz. Die reichen
Gitter sind kornblumenblau gestrichen, durch Vergoldung
aufgehöht und durch grüne und rothe Lasuren abgestimmt.
Grün sind auch die Dachrinnen und die Abdeckungen der
Giebelmauer. Das Dach springt weit vor, es soll das Haus
und die offenen Sitzplätze schützen. Je einfacher seine Gei-
stalt, desto besser schützt es gegen den Einfluss der
Witterung. Es soll die Möglichkeit gewähren, auch dann
im Freien zu sitzen, wenn die Witterung einen Aufenthalt
im Garten nicht erlaubt.
Zu erwähnen wäre, dass auf Wunsch des Bauherrn
durch Zumauern der Oeffnung an der Diele bei a das Haus
zu einem Zweifamilienhause, Erdgeschoss und Unterge-
schoss für die eine, Ober- und Dachgeschoss für die andere
Familie, gemacht werden kann.
Haus Schmidt kostete 58000 M. oder 22 M. für i cbm
umbauten Raumes, gemessen von der Kellersohle bis zur
Kehlbalkenhöhe. —
lieber den neuen Entwurf eines Reichsgesetzes betreffend die Sicherung der Bauforderungen.
Von R. Goldschni:
■ nter dem 5. Mai 1898 hatte der Verfasser Gelegenheit,
in der Dtschn. Bztg. über den von einer Kommission
des kgl. preuss. Staats-Ministeriums ausgearbeiteten
Entwurf zu einem Reichsgesetz betr. die Sicherung der
Bauforderungen kritisch zu berichten. Die vielfachen Ein-
wände, die gegen den Entwurf erhoben wurden, haben
zur Folge gehabt, dass sich die Kommission noch einmal
mit demselben Stoff zu beschäftigen hatte. Das Ergeb-
niss ist der jetzige, in 2 verschiedenen Vorschlägen vor-
liegende Entwurf, der nunmehr wiederum den bethei-
ligten Kreisen zur Begutachtung zugestellt ist. Eine amt-
liche Ausgabe des Entwurfes mit den Begründungen ist
in R. von Deckers Verlag erschienen.
Das von dem kgl. Justiz-Ministerium beobachtete Ver-
fahren,' auch den geänderten Gesetzentwurf der öffent-
lichen Erörterung zu übergeben, verdient besonderen Dank
und Aberkennung.- Es wäre erwünscht, wenn andere Be-
hördeij sich hieran ein Beispiel nehmen und auch ihrerseits
bei ähnlichen wichtigen Entwürfen dieselbe Rücksicht auf
die Betheiligten üben wollten. Die neuen Entwürfe zeugen
von fleissiger und geschickter Weiterarbeit, alle Einwände
gegen den ersten Entwurf sind erwogen und bis zu einem
gewissen Grade berücksichtigt worden; man hat die Em-
pfindung, dass das Gesetz für den Schutz der Bauhand-
werker das Erreichbare leisten würde. -Trotzdem ist zu
wünschen, dass der Schutz der Flandwerker in anderer
Weise erreicht werden möge als durch dieses Gesetz, denn
seinen Vortheilen für die Bauhandwerker stehen schwere
Nachtheile für den Bauherrn, den Geldgeber und den aus-
übenden Architekten gegenüber. Es kann daher nur an-
gerathen werden, dass sich die Architektenschaft frühzeitig
genug mit dem Entwürfe beschäftigen und gegen denselben
Stellung nehmen möge, damit sie nicht, wenn er Gesetz
geworden, durch seine Unzuträglichkeiten unangenehm
überrascht werde.
Ist es nicht möglich, für diejenigen Elemente, die mit
der nöthigenSachkenntniss und den entsprechenden Mitteln
bauen, und deren Zahl doch immer noch bei weitem die
Mehrheit bildet, aus den Zwangsbestimmungen des Ge-
setzes herauszukommen, sei es nach dem früherenVorschlage
des Verfassers durch eine hinreichende, wirklich geleistete
Anzahlung auf die erkaufte Baustelle, sei es durch Stellung
von Sicherheiten, so erscheint der Entwurf unannehmbar.
Zunächst, sei der Inhalt des Gesetzes wiedergegeben:
Durch landesherrliche Verordnung kann angeordnet wer-
den, dass für einzelne Gemeinden im Falle der Errichtung
eines Neubaues ein Bauvermerk in das Grundbuchbiatt
des bezüglichen Grundstückes eingetragen werde. Dieser
Bauvermerk sichert die Stelle, an der später nach Fertig-
stellung des Baues eine Bauhypothek für die Handwerker
eingetragen werden kann. Der Bauvermerk und mit ihm
die genannte Hypothek haben stets den Rang hinter dem
von der Behörde abgeschätzten Werth der Baustelle. Sind
auf der Baustelle bereits Hypotheken in grösserer Höhe
als dieser abgeschätzte Baustellenwerth vorhanden, so
muss von dem Bauherrn der Unterschied zwischen diesen
und dem Baustellenwerth in baar oder in mündelsicheren
Papieren zur etwaigen späteren Vertheilung an die Bau-
gläubiger hinterlegt werden. Hierdurch ist vorgebeugt,
dass letztere durch zu hohe Voreintragungen zu kurz
kommen können. Zu bemerken ist, dass im Gegensatz
14
dt, Reg.-Baumeister.
ZU dem früheren Entwurf dieses Gesetz also nicht nur für
eigentliche Neubaubezirke, sondern stets für ganze Ge-
meinden, z. B. für ganz Berlin Geltung erlangen wird.
Neubau im Sinne des Gesetzes ist jedes zu Wohn-
oder gewerblichen Zwecken bestimmte Gebäude, das auf
einer Baustelle errichtet wird, welche zurzeit der Erthei-
lung der Bauerlaubniss unbebaut oder nur mit Gebäuden
geringer Art besetzt ist. Es sind hiernach also alle Um-
bauten und Neubauten an Stellen, an welchen ein älteres
Gebäude durch ein neues ersetzt werden soll, von dem
Gesetze ausgeschlossen. Begeht man jedoch die Unvor-
sichtigkeit, den alten Bau vor Ertheilung der Bauerlaubniss
abzureissen, so fällt der Neubau trotzdem unter dasselbe.
Im übrigen soll die Polizei das Recht haben, den Umfang
der Baustelle nachzuprüfen, und 2. B. eine Aussonderung
der Baustelle zu verlangen, um dort einen Neubau im
Sinne des Gesetzes zu schaffen, wo auf grösseren, schon
mit einem oder mehreren Gebäuden besetzten Grund-
stücken noch weitere erbaut werden sollen. Diese der
Polizei eingeräumte Machtvollkommenheit erscheint viel zu
weit gehend. Die Gefahr, dass ein Grundstückspekulant,
um seine Käufer aus dem Banne des Gesetzes herauszu-
bringen, die einzelnen verkauften Parzellen nicht zu selbst-
ständigen Grundstücken macht und die Käufer auf dem
ungetrennten Gelände bauen lässt, erscheint wegen der
daraus entstehenden schwierigen Eigenthums- und Be-
leihungsverhältnisse als ganz ausgeschlossen. Gewiss
kommt etwas ähnliches in dem Falle vor, dass Bausteilen-
verkäufer die verkauften Grundstücke erst dann im Grund-
buche auf ein besonderes Blatt abschreiben lassen und
sie dem Käufer auflassen, wenn der Bau schon von dem-
selben bis zu einer gewissen Flöhe getrieben ist. Aber
das ist denn doch ganz etwas anderes. Hier ist das Grund-
stück schon einerseits durch den Kaufvertrag, andererseits
durch die der Polizei, eingereichten, von einem Landmesser
beglaubigten Pläne festgelegt, und die Polizei kann bereits
heute aufgrund der Bestimmungen der Bauordnungen vor
Ertheilung der Bauerlaubniss verlangen, dass die Baustelle
auch im Grundbuche als selbständiges Grundstück hinge-
stellt werde. Ist diese Machtvollkommenheit der Polizei
also nicht nöthig, um eine Umgehung des Gesetzes zu ver-
hindern, so ist sie ihr auch nicht zuzugestehen, weil ihre
Anwendung unter Umständen zu einer unmittelbaren Bau-
behinderung werden kann. Will z. B. der Besitzer eines
grösseren, bereits bebauten Grundstückes noch ein weiteres
selbständiges Haus der besseren Ausnutzung wegen auf
demselben bauen, so kann die Polizei verlangen, selbst
wenn es sich nur um ein Hintergebäude handelt, dass für
den Bau, damit er unter das Gesetz falle, das erforderliche
Bauland von dem Hauptgrundstücke abgezweigt werde.
Erheben hiergegen aber die Hypothekengläubiger Ein-
spruch, und ein Recht, dieselben zu zwingen, hat der Be-
sitzer nicht, so muss der Bau eben unterbleiben.
Ein weiterer Paragraph des Entwurfes bestimmt, dass
die Bauerlaubniss von der Baupolizeibehörde nur ertheilt
werden kann, wenn der Bauvermerk bereits eingetragen
ist. Man hat also, bevor man die Bauerlaubniss erhält,
erst von einer besonderen Behörde den Grundstellenwerth
einschätzen zu lassen, dann hat man aufgrund dieser Ab-
schätzung die Eintragung des Bauvermerkes zu beantragen,
gegebenenfalls eine Sicherheit zu stellen. Hat das Gericht
No. 3.
die Eintragung verfügt und hat die Polizei davon Kennt-
niss erlangt, so steht der Ertheilung des Bauscheines nichts
mehr entgegen. Hier dürfte die Frage wohl nicht so un-
berechtigt erscheinen, wieviel länger noch als heute wird
später auf die Erledigung eines Baugesuches zu warten
sein, da man noch mit 2 Behörden mehr zu thun hat,
als schon jetzt? Ist die Bauerlaubniss ertheilt, so hat der
Eigenthümer vor Beginn des Baues dem Grundbuche eine
Erklärung einzureichen, aus welcher ersichtlich sind:
1. Die Personen der nach § 6 als Baugläubiger anzu-
sehenden Unternehmer des Bauwerkes oder einzelner
Theile desselben;
2. Der Betrag der jedem Unternehmer zu zahlenden
Vergütung;
3. Die Fristen, in denen die Vergütung zu zahlen ist.
Werden die Verträge mit den Unternehmern abge-
ändert, so hat der Bauherr unverzüglich eine Erklärung
beim Gericht einzureichen, welcher die in Absatz i vor-
gesehenen Angaben enthält oder berichtigt.
Zu welchen Umständlichkeiten diese Bestimmung
führen kann, zeigt das folgende Beispiel: Habe ich nach-
träglich mich entschlossen, in einem Neubau statt einer
Stuckdecke eine Plolzdecke anzunehmen, so muss ich so-
fort dem Gerichte anmelden, dass der Stukkateur nunmehr
300 M. weniger zu fordern hat, der Tischler 1000 M. da-
für mehr, ähnlich wenn ich statt eines hölzernen Abwasch-
tisches einen solchen aus Marmor verwende usw.
Nach dem Gesetze steht ferner Jedermann das Recht
zu, Einsicht von den Verträgen und Verabredungen für
den Bau auf dem Grundbuchamte zu nehmen, ausserdem
kann jeder am Bau beschäftigte Unternehmer die An-
sprüche des anderen bestreiten, falls „die vereinbarte
Vergütung die übliche Vergütung offenbar in erheblichem
Maasse übersteigt".
Wie wir oben gesehen haben, soll der Bauvermerk
im Grundbuche nur die Stellung festlegen, an welcher
später die Bauhypothek zu Gunsten der Handwerker ein-
getragen werden kann. Ein unwiderrufliches Recht an
dieser Bauhypothek steht jedem an dem Bau beschäftigt
gewesenen Handwerker in Höhe seiner Forderung zu, vor-
ausgesetzt, dass er die letztere binnen einer Frist von 3 Mo-
naten, nachdem die Baupolizei im Reichsanzeiger die er-
folgte Gebrauchsabnahme veröffentlicht hat, anmeidet. Da
die Veröffentlichung spätestens einen Monat nach der Ge-
brauchsabnahme erfolgen soll, hat man imganzen ziemlich
4 Monate zu warten, bevor man wieder frei über sein
Grundstück verfügen und eine Regulirung der Hypotheken
vornehmen kann. Haben Handwerker während dieser
Frist Anmeldungen aufgrund von Bauforderungen bewirkt,
so wird diesen nach Ablauf der Frist eine gemeinschaft-
liche Hypothek mit gleichen Rechten als Sicherheits-PIypo-
thek eingetragen. Will der Eigenthümer die Eintragung
der Bauhypothek vermeiden, damit ihm die Möglichkeit ge-
geben wird, eine feste Hypothek an geeigneter Stelle auf-
zunehmen, so muss er entweder die Handwerker befrie-
digen, oder wenn er die Forderungen ohne weiteres nicht
anerkennen kann, eine entsprechend hohe Kaution stellen,
damit die Anmeldungen im Grundbuche gelöscht werden.
— Die Anmeldefrist von .imganzen 4 Monaten, die sich
in Wirklichkeit immer wohl auf 6 Monate dadurch ver-
längern dürfte, dass die meisten geldgebenden Anstalten
nicht im Laufe des Vierteljahres, sondern nur am Anfang
eines solchen Geld flüssig machen können, ist viel zu lang.
Dieselbe müsste unbedingt auf einen Monat herabgesetzt
werden, wie ich schon in meinem vorigen Aufsatz vor-
geschlagen habe. Diese lange Frist führt zu einer Be-
nachtheiligung der Bauherren wie der Handwerker. Da
sich unter dem neuen Gesetze Gelder auf Hypotheken,
mit Ausnahme der eine Sonderstellung geniessenden Bau-
gelder, während der Bauzeit schwer aufnehmen lassen,
so werden die Handwerker meistens und zwar gerade
bei den für sie günstigen Bauten den grössten Theil
ihres Geldes erst nach der Aufnahme der endgiltigen
Hypothek, d. h. ein halbes Jahr , nach Fertigstellung des
Baues erhalten. Sie bekommen also ihre in den Bau ge-
steckten Gelder ein halbes Jahr später wieder zur Ver-
fügung und verlieren dazu das halbe Jahr die Zinsen.
Wir kommen im Weiteren zur Stellung des Baugeldes
dem Bauvermerk gegenüber. Nimmt JemandBaugeider auf,
so kann die für dieselben haftende Hypothek nur vorerst
hinter demBauvermerk eingetragen werden. Jedoch muss
dieser dem Betrage der jedesmaligen Zahlungen, welche
von den Baugeldern zur Tilgung von Bauforderungen ge-
macht werden, den Vorrang geben, so dass diese Beträge
schliesslich insgesammt vor der Bauhypothek stehen wer-
den. Hierbei ist stets vorausgesetzt, dass die einzelnen
Baugelderraten auch wirklich nur zur Tilgung von Bau-
forderungen für den fraglichen Bau verwandt worden
sind. Gegen letztere Forderung war seinerzeit der Ein-
wand erhoben worden, dass die Banken fernerhin kaum
noch Baugelder geben könnten, da ihnen die Kontrolle
über die Verwendung derselben kaum möglich wäre. Unter-
liessen sie aber eine solche, so blieben sie in steter Ge-
fahr, die bevorzugte Stelle im Grundbuche und damit die
nöthigen sicheren Unterlagen zu verlieren. Um diesem
Uebeistande vorzubeugen, hat nun der Entwurf einen, wie
mir scheint, sehr bemerkenswerthen Vorschlag gemacht.
Zur Vermittelung der von dem Baugeldgeber zu leisten-
den Zahlungen kann auf seinen Antrag ein Treuhänder
für den Bau bestellt werden. Dieser Treuhänder, der auch
durch eine Behörde ersetzt werden kann, ertheilt die An-
weisung auf die Rate nur, wenn er sich überzeugt hat,
dass dieselbe zur Deckung von Bauforderungen verwandt
wird. Da alle in dieser Weise durch den Treuhänder an-
gewiesenen Zahlungen den Vorrang vor der Bauhypothek
unbestreitbar erlangen, können die Baugeldgeber in alter
Weise ohne Gefahr die Zahlungen leisten. Dadurch, dass
die Ratenzahlungen nunmehr genau kontrollirt werden
und stets nur zur Tilgung von Bauschulden verwandt
werden können, wird die Häufigkeit der Zwangsversteige-
rung unfertiger Bauten wesentlich seltener werden. Das
dürfte wieder zur Folge haben, dass das Baugeld billiger
werden kann, da ein guter Theil des damit verbundenen
Risikos fortfällt. — (Schluss folgt.)
Mittheilungen aus Vereinen.
Münchener Arch.- und Ing.-Verein. Die diesjährigeVor-
tragsreihe eröffnete am 21. Nov. 1901 Hr. Prof. Paul Pfann
mit der Vorführung einer grossen Anzahl von Lichtbildern
ländlicher Bauten aus Tirol, sowie einer Reihe von Aqua-
rellen, welche mit bekannter Pfann’scher Sicherheit mit
wenigen Farben hingesetzt, durch die Frische der Dar-
stellung und die malerische Auffassung der Motive über-
raschten. Angesichts dieser trefflichen Darstellungen ent-
wickelte sich nach Schluss der Vorführung eine lebhafte
Besprechung über das fortschreitende Verschwinden der
Bauhandwerkskunst auf dem Lande, mit besonderem Be-
zug auf die nähere Umgebung Münchens.
Von allen Rednern wurde festgestellt, dass neben
dem Verschwinden des künstlerischen Empfindens bei
den ländlichen Baugewerksmeistern undHandwerkern auch
vielfach das geringe Kunstverständniss der Gemeindevor-
stände und Pfarrherren die Ursache bildet, dass deshalb
auf dem Lande höchst selten architektonisch bemerkens-
werthe Bauten entstehen, und die noch vorhandenen Reste
einer früheren Kunstepoche immer mehr verschwinden.
Vielfach üben auch die Behörden durch Festsetzung von
Baulinien einen Zwang auf die malerische Entwicklung
unserer Dörfer und Städte aus. Durch die Pierausgabe
des Werkes „Das Bauernhaus“ ist hierin schon ein be-
deutsamer Schritt zur Besserung geschehen. Dieses Werk
muss auch zur Kenntniss der Landbevölkerung gebracht
werden, damit sie darauf aufmerksam wird, welche Kunst-
schätze ihre Dörfer und Städte bergen.
8. Januar 1902.
Auch durch Aufschlussertheilung und Bearbeitung von
wichtigen Fragen auf dem Wege von Wettbewerben kann
den Landgemeinden durch den Architekten- Verein Hilfe
und Unterstützung gebracht werden. —
Am 28. Nov. berichtete Hr. kgl. Oberbauinsp. Marg-
graff vor einem sehr zahlreich erschienenen Zuhörer-
kreis über die Plochwasserkatastrophe i8q9, ihre
Ursachen, Wirkungen und Lehren. Anhand eines
mit vieler Mühe gesammelten Zeichnungen-, Tabellen- und
Photographien-Materials schilderte er die Verheerungen
und Schäden, sowie die nunmehr mit grossen Kosten ge-
troffenen Maassnahmen, um der Wiederkehr einer ähn-
lichen Katastrophe nach Möglichkeit vorzubeugen.
Ein besonders übersichtliches Bild entwarf Redner
von den grossartigen Aufwendungen, welche seitens des
Staates, und in kleinerem Maasstabe seitens der Stadt
München, gemacht wurden, um den von der Katastrophe
betroffenen Gemeinden und Privaten helfend zur Seite zu
stehen. Die Gesammt-Aufwendungen übersteigen bereits
den Betrag von 20 Mill. M.
Die hieraus zu folgernden Lehren gaben den Behör-
den Veranlassung, durch Gründung von Uferschutz-Ge-
nossenschaften, durch Gesetzentwürfe gegen unrationelle
Abforstung der Gebirgswaidungen, hauptsächlich aber
durch Herstellung 6— 8 mal grösserer Fluss-Querschnitte bei
Brückenbauten Sorge zu tragen, dass in Zukunft ähnliche
Unfälle vermieden werden.
Der ausserordentlich fleissig durchgearbeitete Vortrag
fand die ungetheilte Zustimmung der Anwesenden. —
35
Vermischtes.
Zur Frage der Fortführung der Wiederherstellungs-
Arbeiten am Heidelberger Schloss. Die Seite ii erwähnte
Erklärung hat den folgenden Wortlaut:
„Die Unterzeichneten Architekten ei’klären sich hiermit
grundsätzlich gegen den Wiederaufbau weiterer Theile des
Heidelberger Schlosses. Nach ihrer Ansicht wird auch
die in Aussicht genommene Wiederherstellung des Otto
Heinrichs-Baues das Bild vernichten, welches seit Jahr-
hunderten durch seine unvergleichliche Schönheit das
deutsche Volk begeistert hat und ein Besitz der ganzen
gebildeten Welt geworden ist. — Die Unterzeichneten er-
achten es als eine Pflicht der deutschen Architekten, die
Ruine des Heidelberger Schlosses lediglich gegen den
Verfall zu schützen, ohne den gegenwärtigen Gesammt-
ein druck zu verändern“.
Berlin, den 29. Dezember 1901.
Eggert. Gessner. Geyer. Graef. Grisebach. L. Hoffmann.
V. d. Hude. Ihne, Kieschke. Kröger. March. Messel.
Reinhardt. Reuters. 0. Riethn Roensch. Schaede.
Schmieden. Schwächten. Sehring. Siedle. Süssenguth.
Tiede. Vollmer.
Ernennung deutscher Künstler und Techniker zu Mit-
gliedern der französischen Ehrenlegion. Aus Anlass der
Pariser Weltausstellung sind eine Reihe von deutschen
Künstlern und Technikern zu Mitgliedern der französischen
Ehrenlegion ernannt worden. Wir geben die in unser Ar-
beitsgebiet fallenden Namen nach den Tageszeitungen und
ohne Gewähr für Vollständigkeit der Aufzählung wieder.
Zu Offizieren des Ordens der Ehrenlegion wurden ernannt :
Prof. Friedr. v. Thiersch, Prof. Gabr. v. Seidl und
Prof. Em. Seidl in München. Zu Rittern wurden er-
nannt die Hrn. Ing. Eug. Hartmann-Frankfurt a. M., Prof.
O. Rieth-Berlin, Brth. Rieppel-Nürnberg, Arch. Br.
Möhring-Berlin, Brth. Herzberg-Berlin, Ing. F eueiTein-
Berlin, Ing. Haueisen-Ludwigshafen. —
Ehrenbezeugungen an Techniker. Das Ehrenmitglied
der kgl. bayer. Akademie der bildenden Künste in Mün-
chen, Arch. Prof. Georg Hauberrisser, erhielt den Ver-
dienstorden der Bayerischen Krone und damit den per-
sönlichen Adel. —
Preisbewerbungen.
Schinkelwettbewerb 1903 des Berliner Arch.-Vereins.
Für die Bewerbung um den Schinkelpreis des Jahres 1903
sind für die Mitglieder des Berliner Arch.-Vereins folgende
Aufgaben gestellt.
a) Auf dem Gebiete der Architektur: Entwurf
zu einem deutschen Künstlerheim in Rom. Der-
selbe soll auf einem in der nächsten Nähe Roms belegenen
Gartengrundstück von 200/250 ® Grundfläche, das in seiner
Längsrichtung etwa 30® ansteigt, erbaut werden und einer-
seits deutschen Künstlern, die längere Zeit zu Studien in
Rom verweilen. Wohn- und Arbeitsräume gewähren, ande-
rerseits die Fest-, Gesellschafts- und Ausstellungsräume der
deutschen Künstlerschaft aufnehmen.
b) Auf dem Gebiete des Wasserbaues: Entwurf
zu einer Schwebefähre über den Kaiser Wilhelm-
Kanal in der Nähe der Brunsbütteler Schleuse als Ersatz
für die vorhandenen, nicht mehr ausreichenden Einrich-
tungen daselbst. Die Fähre soll zur Beförderung von
Personen, Last- und Eisenbahn -Wagen dienen. Im Zu-
sammenhänge mit der Anlage soll eine theilweise Umge-
staltung bezw. Erweiterung der vorhandenen Löscheinrich-
tungen am Binnenhafen vorgenommen werden.
c) Auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues: Ent-
wurf zur Beseitigung der Spitzkehre in der Bahn-
linie Bebra-Frankfurt a. M, bei Elm. Bei der Lösung
der Aufgabe ist nicht nur die technische, sondern auch
die wirthschaftliche Seite sowohl hinsichtlich der Kosten
des Baues, wie des Betriebes bei der Begründung der
gewählten Linienführung zu berücksichtigen.
Alle Arbeiten sind, mit einem Kennwort versehen,
bis zum 20. November 1902 im Architekten-Hause, abzu-
liefern. Bewerber müssen sich spätestens bis 31. März
1902 zur Aufnahme in den Verein gemeldet haben. —
Ein zweiter, allgemeiner Wettbewerb für deutsche
Architekten zur Erlangung von Entwürfen für ein neues
Dresdener Rathhaus soll, wie wir aus zuverlässiger Quelle
erfahren, ausgeschrieben werden. Wir begrüssen diese
Nachricht mit aufrichtiger Freude und hoffen, dass sie
sich bestätigt. —
Engerer Wettbewerb Stadttheater Freiburg i. Br. Auf-
grund der von der Theater-Baukommission vorgenorame-
nen Prüfung der eingelangten 22 Vorentwürfe für den
Neubau des Stadttheaters beschloss der Stadtrath, dem
16
Antrag der Kommission entsprechend, vorbehaltlich der
Zustimmung des Bürger- Ausschusses: a) den Entwurf des
Archit. Hrn. Heinrich Seeling in Berlin als Unterl’age für
den endgiltigen Plan anzunehmen und die Ausarbeitung
des letzteren dem genannten Architekten zu übertragen;
b) abgesehen von der Erwerbung der Entwürfe der zum
Wettbewerb eingeladenen Architekten Heilmann &
Littmann und Martin Dülfer in München sollen aus
der Zahl der freiwilligen Bewerber noch folgende Ent-
würfe angekauft werden: i. von Arch. R. Krausz in
Wien, 2. von Arch. W. Hentschel in Berlin, 3. von
Prof. Ratzel in Karlsruhe, 4. vom Verfasser des Ent
Wurfes mit dem Motto „Meinem Liebling gewidmet!“. Die
Vorentwürfe sollen zur Besichtigung im kleinen Rathsaal
ausgestellt werden für die Allgemeinheit vom ii. bis mit
25. d. Mts., jeweils von 10 Uhr Vorm, bis 4 Uhr Nachm. —
Zum Wettbewerb der Stadt Gothenburg in Schweden,
betr. den Entwurf für den Bebauungsplan eines Theiles
der Stadt (vgl. No. 100, jhrg. 1901) erhalten wir noch die
Mittheilung, dass angekauft worden sind: zum Preise von
je 1000 Kr. die Arbeiten der Hrn. Arch, Valfrid Karlson
in Boras, Bertel Jung & Oscar Bomanson in Helsingfors,
Siegfr. Sitte in Wien; zum Preise von je 300 Kr. die
Entwürfe des Hrn. Ing. Carl. O. Aquist in Gothenburg
und der Hrn. Leut. Helge G. Torulf und Arch. Ernst
T. Torulf in Stockholm. —
Wettbewerb Verwaltungsgebäude der Hamburger Frei-
hafen-Lagerhaus-Gesellschaft. Das mit einem Kostenauf-
wande von 350000 M. zu errichtende Gebäude ist ein
Eckgebäude „Bei St. Annen“. Dasselbe soll im Keller-
geschoss Archivräume, ein Frühstückszimmer der Beamten,
Garderoben usw., im Erdgeschoss Räume für Direktor,
Inspektor, für das Betriebsbüreau usw., im I. Obergeschoss
einen Sitzungssaal mit Nebenräumen, Direktorzimmer,
Direktionsbüreaus usw., im II. Obergeschoss Räume für
den Maschineninspektor, für Konstrukteure, Architekten,
für Konferenzen, Korrespondenzen und Rechnungswesen
usw., im III. Ober- und im Dachgeschoss Wohnungen ent-
halten. Das Aeussere soll sich in würdiger Weise den
bereits im nördlichen Freihafengebiet errichteten Gebäude
der Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft harmo-
nisch anschliessen; für die Architekturtheile sind Sandstein
und Granit, für die Flächen Backstein zu verwenden. Mit
Anerkennung verdient hervorgehoben zu werden, dass
die Absicht besteht, dem Verfasser des nach dem
Urtheil des Preisgerichtes hierfür empfehlens-
werthesten Entwurfes die Ausführung zu über-
tragen. Indessen bleibt die Entscheidung Merüber der
Gesellschaft Vorbehalten. Wir zweifeln nicht, dass der
Wettbewerb eine starke Betheiligung findet. —
In dem Wettbewerb betr. Entwürfe für ein Bismarck-
Denkmal in Hamburg erhielt den I. Preis von 10000 M.
die Arbeit der Hrn. Bildh. Hugo Lederer und Arch.
Emil Schaudt in Berlin. Je ein II. Preis wurde zuer-
kannt den Entwürfen der Hrn. Bildh. Beyerer & Arch.
Rank in München, Arch. William Müller in Berlin und
Bildhauer Prof. Hundrieser in Berlin. Durch einen
ni. Preis wurden ausgezeichnet die Entwürfe der Hrn.
Arch. Schmidt in Berlin, Bildhauer Prof. Behrens in
Breslau und Arch. Prof. O. Rieth in Berlin. Je einen
IV. Preis erhielten die Bildhauer Norbert Pfretzschner,
Peterich, Hartmann und Scharff. Vier Entwürfe
wurden zum Ankauf empfohlen. Das Ergebniss wird als
ein sehr erfreuliches bezeichnet und es scheint, dass die
Baukunst daran lebhaften Antheil hat. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. D. W. in Charlottenburg. Wir müsse« Sie
bitten, sich mit einem Brutnienmacher in Verbindung zu setzen,
was wir auch thun müssten. Ihre Anfrage entbehrt zudem des
allgemeinen Interesses- —
Hrn. C. G. in Dresden. Wir haben leider keine Kenntniss
über die Bewährung des „Grundin- Anstriches“ als Ersatz von
Leinölfirniss. Vielleicht erhalten wir aus dem Leserkreise Mit-
theilungen darüber. —
Anfragen an den Leserkreis.
Bei der Neueinrichtung eines Kolonialwaaren - Geschäftes ist
beabsichtigt, sämmtliche Flüssigkeiten, wie Oele, Essig, Speiseöle
usw. im Kellergeschoss unter und im I. Obergeschoss über dein
Verkaufslokal in einem Raume aufzubewahren und von dort aus
mittels Fall- oder Druckleitung nach dem betr. Zapfort zu führen.
Wer fertigt derartige Leitungen nebst feuer- und explosionssichercn
Gefässen als Spezialität an und wo sind in Süd- oder Mitteldeutschland
derartige Einrichtungen ausgeführt? — FL W. in Heiibronn.
Inhalt: Landhaus Schmidt bei München. — lieber den neuen Entwurf
eines Reichsgesefzes betreffend die Sicherung der Banforderungen. —
Mittlieilungen aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Brief-
und Fragekasten,
Verlag der Deutschen Bauzeituug, G. m, b. H., Berlin. Für die Redaktion
veranwortl. Albert Hofmanii, Berlin. Druck von Willi. Greve, Berlin.
No 3.
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
>!« BERLIN ❖
2t
AUZEITUNG.
GANG. * * N2: 4. >:•
*
Die Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses, insbes. des Otto Heinrichs-Baues.
(Fortsetzung statt Schluss.) Hierzu die Abbildungen auf Seite 20 uud ai.
he wir uns der Frage über die Dachform
des Otto Heinrichs-Baues selbst zuwenden,
wollen wir einige Bemerkungen allgemeiner
Art vorausschicken. Esistdiesumsonöthiger,
als schon vorVcröffentlichungdes sachlichen
muss sich zu dem zwar harten, aber klaren Ausspruch
Thode's: „lieber auf kurzeZeit unberührt, als
auf längere Zeit verändert“, aufschwingen.
Noch vor 30 Jahren hatte das Schloss ein völlig
anderes Aussehen als heute. Damals war die ganze
Materials sich in Tagesblättern ein unerquicklicher Gebäudegruppe in eine überall wuchernde Vegetation
Streit für und gegen die Wiederherstellung des Otto eingebettet. Im Inneren der dachlosen Gebäude wuchs
Heinrichs-Baues entwnckelt hat, der geeignet ist, den hohes Strauchwerk, im Schlosshofe w-ar der Friedrichs-
eigentlichen Kern der
Sache zu verdecken.
Man muss hier daran
erinnern, dass schon
seit mehr als 30 Jahren
immer und immer wie-
der, von Berufenen und
Unberufenen, darauf hin-
gew'iesen wurde, dass
die Schlossbauten all-
mählich zugrundegehen,
und dass etwas ge-
schehen müsse, wenn
man insbesondere die
künstlerisch werthvollcn
Thcile erhalten wolle.
Niemand hätte daran
gedacht, in den Bestand
derRuinen einzugreifen,
wenn es nicht nöthig
gewesen wäre. Bei dem
badischen Finanz -Mi-
nister ist cs sicher nicht
die Freude am Bauen,
die Freude an der Wie-
derherstellung an sich,
die ihn zum Oeffnen des
Geldbeutels veranlasst
hat, und man wird nicht
fehlgehen , wenn man
annimmt, dass er gern
sein Geld zu anderen
Staatszwecken verwen-
det, wenn ihm nachge-
wiesen wird, dass seine
Sorge um das Schloss
unbegründet gewesen
ist; diesen Nachweis
können die Gegner des
Aufbaues aber nicht
bringen. Die Freunde
der Wiederherstellung
und insbesondere die
Vorstände des früheren
Schloss-Baubüreaus.die,
wie hier ausdrücklich
hervorgehoben werden
soll, persönlich gar nichts mit den Wiederher-
stellungs-Arbeiten zu thun haben, nehmen für
sich in Anspruch, dass sie für die Reize, welche das
Alter und das Ueberlassen an die Natur auf die
Bauwerke hervorbringt, durchaus empfänglich sind.
Ganz gern unterschreibt der Verfasser den Satz
Dehio’s: „Dass Alter auch alt erscheinen soll, mit allen
Johann Eduard Jacobsthal
bau durch einen mäch-
tigen Lindenbaum halb
verdeckt; die Pflaste-
rung aus grossen un-
regelmässigen Steinen
mit Grasw'uchs in den
Fugen gab einen male-
rischen Vordergrund.
Die Wandflächen des
Otto Heinrichs - Baues
waren mit Epheu über-
sponnen, aus dem die
Nischenfiguren wie neu-
gierige Zuschauer her-
vorlugten, und auf den
Gurten und Vorsprün-
gen blühte wilder Gold-
lack wie auf der Burg
zu Bracciano. Aus den
Wasserspeiern am Frie-
drichsbau und an den
Thürmen schossen bei
Regen Wetter ra ächtige
Wasserstrahlen in die
Tiefe, Heute ist das
Bild ganz verändert.
Keine Spur von Grün
wächst heute mehr in
den Wohngebäuden,
schwarzer Asphaltboden
bedeckt alle horizon-
talen Flächen, Einfall-
schächte und Schlamm-
sammler mit gusseiser-
nen Deckeln unter-
brechen seine nützliche
Scheusslichkeit. Ver-
schwunden sind die
herrlichen Durchsichten
im Erdgeschoss des
Otto Heinrichs-Baues;
die halbverwitterten
Thürgestelle sind ge-
blieben und sind be-
deckt mit einem nur
die Zweckmässigkeit
betonenden Zinkdach.
Schwarze Abfallrohre iheilen die Wände, die Fugen
sind auszementirt, die Mauerkronen abgedeckt; der
Schlosshof ist schön gepflastert und die wenigen noch
vorhandenen Sträucher und Bäume werden ängstlich
unter der Scheere gehalten, damit sie den Ruinen nicht
zu Leibe kommen. Alles das war nothwendi^,
aber von malerischen Ansichten im Sinne der Einheit
Spuren des Erlebten und wären es Runzeln und Wun- von Natur und Bauwerk ist keine Spur mehr vorhanden,
den, ist psychologisch tief begründetes Verlangen“ ; Wenn Dehio weiter schreibt „der ästhetischeWerth des
nur 'muss man alsdann auch gar nichts thun, um Schlosses liegt nicht in erster Linie in dieser oder
mit künstlichen Mitteln das fortschreitende Altern jener Einzelheit, er liegt in dem unvergleichlichen, über
und den unvermeidlichen Tod zu verhindern; man Alles, was man blos mit architektonischen Mitteln er-
17
vcicten konnte, weit hinausgehenden Stirainungsakkord was sie konnten, und zwat am Otto Heinrichs-
des oanzen , so muss man doch sagen, der künstle- Bau, nicht an den Festungswerken. Der Verfasser
rische Stimmungsakkord ist längst vorüber, braucht kein Reizmittel für sein deutsches Einigkeits-
Das altersgraue und doch so lebendige“ der Ruine ist gefühl, aber er hätte seine grösste Freude daran wenn
künstliches Alter und künst- ’
liches Leben, dem man alsbald
unter die Schminke sieht, und
was dem Schlosshof heute
noch seinen Zauber verleiht,
ist nur die unverwüstliche
Schönheit der Architektur, die
zu erhalten das Ziel der
Freunde des Wiederaufbaues
ist. Dagegen gesteht der Ver-
fasser gerne zu, dass er ge-
wissen Empfindungen, die
mancher aus geschichtlichen
Erinnerungen schöpft, keine
tiefere Theilnahme entgegen-
bringen kann. Gurlitt z. B.
fühlt in seinem ersten Artikel
gegen die Wiederherstellung
in schön vorgetragener patrio-
tischer Rede, dass uns die
Ruine als Mahnung wirken
soll, „als gellender Aufruf zur
Einigkeit“. Der Verfasser ist
in der üblen Lage, hinter die
Kulissen gesehen zu haben,
oder vielmehr in Bauakten und
sonstige Schriftstücke , die
sich in pfälzischer Zeit mit
dem Schloss und seinem
Schicksal beschäftigen. Dort
hat er gefunden, dass im 30-
jährigen Kriege das Schloss
Noth gelitten hat, dass die
Franzosen die Festungswerke
gesprengt und die übrigen
Bauten schwer beschädigt
haben; aber auch, dass nur
materielles Elend der Regie-
rung und der Bürger die Wie-
derherstellung in ursprüng-
lichem Glanze verhinderte,
dass allmählich das Interesse
der Pfalzgrafen an ihrem
Stammschloss erlosch, und
dass endlich leider die Deut-
schen selbst, und darunter
die Heidelberger Studen-
ten, „welche in der Kreuz-
woche in Prozession aufs
Schloss zogen“, demolirten
Das Heidelberger Schloss nach den in Stuttgart aufgefundenen Zeichnungen,
Zur Erinnerung an Eduard Jacobsthal.
(Hierzu die Abbildung auf Seite 17.)
mas neue Jahr hat für uns mit einem herben Verluste
begonnen, dessen Schwere in nichts dadurch ge-
mildert wird, dsss man ihn seit geraumer Zeit vor-
aussehen konnte. Trauernd steht mit seiner Familie und
seinen näheren Freunden die deutsche Fachgenossenschaft
an dem frischen Grabe Eduard Jacobsthals. Denn wenn
das Lebenswerk des Verstorbenen, der jedes öffentliche
Hervortreten mit zarter Schetr vermied, "auch scheinbar
in der Stille sich abgespielt hat, so haftet die Erinnerung
an sein segensreiches Walten doch in den Herzen aller
der Tausenden, die seit einem Menschenalter als Schüler
ihm nahe getreten sind. Und was er neben dieser seiner
Lehrthätigkeit als schaffender Baukünstler geleistet hat,
ist so umfangreich und trägt so unverkennbar das Gepräge
einer einheitlichen, mit dem Ernst innigster Ueberzeugung
nach den höchsten Zielen strebenden Persönlichkeit, dass
es sich Achtung und dankbare Anerkennung auch bei
denen erringen musste, die jene Ziele auf einem anderen
Wege erreichen wollen.
Für die Deutsche Bauzeiiung hat Jacobsthals Tod noch
eine besondere schmerzliche Bedeutung. Denn wie er zu
gren Begründern zählte, so hat er seit 35 Jahren in treuer
Hin^be an ihren Schicksalen theilgenommen, hat er uns
mit Rath und That jederzeit willig zurseite gestanden, hat
18
er mit uns gewirkt und geschafft bis ans Ende seiner Tage.
Doch neben der Klage um den uns Entrissenen wird in
unserem Herzen das Gefühl freudigen Stolzes laut, dass
er der Unsere gewesen ist. — --
Johann Eduard Jacobsthal ist am 17. .September
1839 zu Stargard in Westpreussen als Sohn eines Kauf-
mannes geboren worden. Seine Schulbildung erhielt er
auf dem Gymnasium zu Danzig, wo er im Herbst 1856,
also im Alter von kaum 17 Jahren, die Abiturienten-Prü-
fung bestand. Dass er schon als Schüler eine nicht ge-
ringe Fertigkeit im Zeichnen sich erworben hatte, ist wahr-
scheinlich und ebenso ist anzunehmen, dass auf seinen
Entschluss, sich dem Baufach zu widmen, die künstle-
rischen Eindrücke von Einfluss gewesen sind, die er von
den herrlichen Bau- und Kunstdenkmalen der alten Hanse-
sta.dt empfangen hatte. Mit fast schwärmerischer Zu-
neigung hing er auch später an diesen mit den Erinnerungen
seiner Jugend verwebten Werken, die er auf jeder Reise
nach seiner Ileimath wiederzusehen bedacht war, und es
steht mir noch lebhaft das freudige Behagen im Gedächt-
niss, mit dem er bei meinem ersten Besuche Danzigs sie
mir vorführte. Geringere Nahrung für seine künstlerischen
Neigungen fand er dagegen bei seinem ersten Eintritt in
den gewählten Beruf; denn dieser führte ihn zunächst als
Baueleven in das Büreau des damals als Kreisbaumeister
zu Neustadt i. W.-Pr. angestellten Ingenieurs^E. H. Hoff-
No. 4.
er vor dem wiedererstandenen Schloss sagen könnte :
„Dank unserer durch Einigkeit gefundenen Kraft und
unserem Wohlstand, dank der Theilnahme unseres
Grossherzogs und seiner Regierung, konnten wir die
Spuren deutscher Zerrissenheit, fremder Bedrückung
und Zerstörungswuth beseitigen“. —
Wenn man zu der Ansicht gekommen ist, der
Otto Heinrichs-Bau müsse wieder ein Dach erhalten,
so hat man für dessen allgemeine Gestaltung zwei
verschiedene, durch Zeichnungen aus früherer Zeit be-
glaubigte Formen zu beachten. Die eine, aus der Zeit
vor dem 30-jährigen Krieg, zeigt einen Doppelgiebel;
nach dem Krieg, wann, ist nicht mehr genau festzu-
stellen — es scheint als ob die Notiz in den Bauakten,
die von der Renovirung des „gegen den (Hof) zu ein- ■
gefallenen halben Giebels“ spricht, sich noch auf die-
alte Form bezöge — , liess Karl Ludwig zwei getrennte
Zwerghäuser, ähnlich wie die am Friedrichs, -Bau, er-
lichten, und man wird nicht fehl, gehen, wenn man
annimmt, dass die Geldnoth zu dieser zweiten schwäch-
lichen Bildung führte.
Der Verfasser hat zum ersten Mal (Deutsche Bau-
zeitung 1882) auf die Merkwürdigkeit des Doppelgiebels
in der Merian'schen Zeichnung aufmerksam gemacht
(vergl. Mitth. des Schlossvereins Bd. 1, Heft 2—4). An
sich misstrauisch gegen solche Abbildungen, hätte er
der Sache weiter kein Gewicht beigelegt, wenn nicht
durch Zangemeister eine Anzahl älterer Zeichnungen
gefunden und veröffentlicht worden wären (Mitth. des
Schlossvereins Bd. I), die jeden Zweifel an der ur-
sprünglichen Dachforra beseitigt haben (siehe die Ab-
bildungen S. 18). Die Thatsache, dass über der
Fassade sich ein grosser Doppelgiebel erhob, der
sich nach der Ostseite in zwei neben einander stehende
Giebel theilte, konnte nicht mehr übersehen werden.
Aus diesen Erwägungen entstand des Verfassers
Zeichnung in dem Schlosswerke von Koch und Seitz,
und, den nämlichen Anhaltspunkten folgend, Schäfers
Entwurf (Abbildg. S. 21). (Die Architekten, welche
sich für die Dachform interessiren, mögen nach den
Anhaltspunkten der älteren Zeichnung über die Fassade
den Doppelgiebel aufzeichnen, und sie werden alsbald
zu der Ueberzeugung kommen, dass eine andere • Ge-
samratform garnicht gefunden werden kann). Schon
früher hatten feinfühlige Beobachter das mächtige, auf
einer Freitreppe aufgebaute Portal mit seinem giebel-
artigen Abschluss als eine Störung empfunden. Der
Verfasser, und später Durm, konnten jedoch den tech-
nischen Zusammenhang des Portals mit der Fassade
feststellen. Die schweren Verdachungen der Fenster
der oberen Stockwerke wirken inmitten des sonst so
diskreten Reliefs der Fassade viel zu stark und wur-
den gewöhnlich als deutsche Rohheit gegenüber
italienischer Feinfühligkeit angesehen. Diese berech-
tigten Ausstellungen werden hinfällig, wenn der Doppel-
giebel über die Fassade gezeichnet wird. Die Masse
des Portals wird gemildert und seine Form durch
die ähnlich aufsteigenden Giebelumrisse erklärt; die
Fensterverdachungen wirken als angenehme Accente.
Der Doppelgiebel ist durchaus einleuchtend und er-
gänzt die Fassade richtig, diese wirkt als Gesaramt-
fonn mit einem Worte selbstverständlich; die Ruine
daneben gesehen, erscheint, als wäre sie eben zerstört,
und man empfindet mit tiefem Bedauern die verlorene
architektonische Einheit.
In der Konferenz vom 15. Oktober v. J. waren
alle Mitglieder von der gelungenen künstlerischen
Lösung des Doppelgiebels an sich überzeugt; Aus-
stellungen im Einzelnen machten nur v. Oechelhäuser
und Kirchcr. Aber als nothwendiges Ergebniss der
Dachform wurden die Giebel von Thode, von v. Seidl
und, wenn der Verfasser richtig verstand, von Kircher
nicht anerkannt. Schäfer gab zu, dass sein Entwurf
noch kein endgiltiger sein solle, und dass er sich Ab-
änderungen im Einzelnen Vorbehalte. Der Verfasser
stellte den Antrag, es möge, vor der Ausführung ein
Modell der ganzen inbetracht kommenden Gebäude-
gruppe gemacht werden. — (Schluss folgt)
Ueber den neuen Entwurf eines Reichsgesetzes betreffend die Sicherung der Bauforderungen.
(Schluss.)
mie sonstigen Bestimmungen des Gesetzes zum Schutze
der Bauforderungen betreffen die Stellung der Bau-
hypothek bei der Subhastation und unter dem Erb-
baurecht usw. Sie sind für uns weniger von Bedeutung.
Dagegen ist über die schon früher erwähnte zweite Form
des Gesetz-Entwurfes noch einiges zu sagen. Die Variante
ist entstanden, wie in der Vorrede zum Gesetz gesagt wird,
weil die Kommission sich über einige wichtige Be-
stimmungen des Entwurfes nicht einigen konnte. Es handelt
sich da wesentlich um zwei Punkte. Beide beziehen rieh
auf eine Erweiterung des Kreises der durch das Gesetz
zu schützenden Personen. Der erste betrifft die Frage,
mann, des bekannten Verfechters eines „rationellen Stein-
baues“ nach der Hagerischen Theorie. Hier bildete die
Berechnung parabolischer Bögen den Haupttheil seiner
Beschäftigung. Immerhin ist vielleicht auch die bei Hoff-
mann verbrachte Zeit für die Entwicklung des jungen
Baueleven nicht ganz umsonst gewesen. Bei aller Ein-
seitigkeit war die originelle Persönlichkeit seines Lehrers
doch imstande, manche Anregung zu. gewähren, vor allem
aber die seinem Wesen eigenthümliche Richtung auf das
Ideale zu unterstützen.
Im Oktober 1857 bezog Jacobsthal die Berliner Bau-
akademie und hier war es, wo ich bald darauf zuerst seine
Bekanntschaft machte; Zwar nicht auf der Bauakademie
und im Kolleg — denn im Unterricht des ersten Kursus
waren die verschiedenen Semester streng von einander
geschieden — , wohl aber im „Motiv", das in jenen Jahren
wohl die Mehrzahl der strebsamen Elemente unter den
Studirenden unserer Alma Mater vereinigte. So wie er
damals sich gab, ist er im Wesentlichen auch für alle
Folgezeit geblieben: eine sinnig-stille, in sich gekehrte
Natur, ernst und doch der Fröhlichkeit nicht abhold, seines
Werthes sich bewusst und niemals sich wegwerfend, aber
dabei tief bescheiden, selbstlos und allezeit hilfsbereit. Wie
seine erste fachliche Entwicklung sich gestaltete, ist mir
aus dem oben angegebenen Grunde unbekannt geblieben;
als wir 8 Jahre später nähere Freunde wurden, war er
schon ein Fertiger. Doch weiss ich, dass er infolge seiner
II. Januar 1902.
ob ausser den Bauhandwerkern auch noch die Bauliefe-
ranten unter den Schutz des Gesetzes zu stellen sind. Der
erste Entwurf sagt hierzu „nein“, der zweite „ja“. Da die
dem ersten Entwurf beigegebene Begründung sehr be-
zeichnend ist, sei sie hier im Auszuge angeführt:
„Haben die Lieferanten auch Antheil an der Bauhypo-
ihek, so muss diese naturgemäss bis zum vollen Werthe
des Grundstückes anwachsen. Den Bauhandwerkern sei
aber mit einer Hypothek nicht gedient, die nur dann zu
ihrer Befriedigung führen könne, wenn der volle Werth
des bebauten Grundstückes bei der Versteigerung geboten
werde. Erfahrungsmässig werde bei der Subhastation
künstlerischen Begabung und seines Fleisses bald unter
seinen Studiengenossen hervorragte und dass er schon
damals Anschluss an denjenigen unserer Lehrer gewann,
der es unter aEen einzig oder doch am besten verstand,
die jungen Geister anzuziehen und anzuregen — an Fried-
rich Adler, der kurz vorher als Hilfslehrer F. v. Arnims
im Kolleg für Entwerfen seine akademische Laufbahn be-
gonnen hatte. Zu Karl Boetticher, den er später er-
setzen sollte, ist Jacobsthal dagegen — wohl infolge seiner
bescheidenen Zurückhaltung — weder damals noch später
in nähere persönliche Beziehungen getreten. Es hinderte
dies freilich nicht, dass er — wie so viele andere mit
heissem Bemühen nach dem Geheimniss der Kunst strebende
und eines anderen Weges unkundige junge Berliner Ar-
chitekten — einem eifrigen Studium der Boetticher’schen
„Tektonik der Hellenen“ sich ergab. Sie ist, wie noch
später zu erwähnen sein wird, für die von ihm einge-
schlagene künstlerische Richtung von entscheidendem Ein-
fluss gewesen.
Nicht unerwähnt darf unter seinen damaligen Lehrern
auch der Maler Prof. Eduard Biermann bleiben, der
an der Bauakademie das Fach des Landschaftszeichnens
und Aquarellirens vertrat. Jacobsthal, der bald zu den
Lieblingsschülern des Meisters gehörte und diesem bis zu
dessen Tode verbunden blieb, hat ihm neben mannig-
fachen Anregungen, unter welchen er den Hinweis auf
(Fortsetzung auf Seite 22-)
9
niemals ein dem vollen Werthe des GrundsiQckes ent-
sprechender Erlös erzielt. Schliesse man dagegen die
Lieferanten, deren Forderungen 25—35% auszumachen
pflegen, aus, so werde dieselbe für die Bauhandwerker
um so werthvoller. Andere Mitglieder der Kommission
waren dagegen der Meinung, dass die Aufnahme der
Lieferanten in den Kreis der Baugläubiger geboten sei,
Diese Aufnahme werde nicht nur durch die Billigkeit ge-
die Lieferanten aber ausgeschlossen, so ist es unbillig und
bringt andere wirthschaftliche Nachtheile. Mich dünkt,
das kommt fast einer Verurtheilung des Gesetzes gleich.
Im übrigen ist der Wortlaut auch des ersten Entwurfes
so wenig bestimmt gefasst, dass er die Lieferanten unter
Umständen nicht ausschliesst. Durch die Hinterthür, dass
einzelne Handwerker die Lieferung des Materiales mit
übernehmen, wie z. B. der Maurermeister die Lieferung
Ilolfront des gläsernen Saalbaues und Schnitt durch den Otta Heinrichs-Bau. 1:300.
Gläserner Saal bau. Erdgeschoss.
Hohes Erdgeschoss, i : 500,
Otto Heinrichs-Bau.
Die Wiederherstellung des Heidelberger
Schlosses.
Nach dem Entwurf von Ob.-Brth. Prof.
K, Schäfer in Karlsruhe.
fordert, sondern auch aus wirthschaftlichen Gründen, weil
der Entwurf sonst den Lieferanten die Möglichkeit nehme,
auf den Kredit des Gebäudes zu liefern und hierdurch
zur Folge ^ben werde, dass die Unternehmung von
Bauten zu einem Monopol des Grossbetriebes werde.“
Also: Sollen die Lieferanten zu den Baugläubigern
gehören, so ist das Gesetz ein Schlag ins Wasser, werden
der Steine und des Mörtels, können sie doch alle hinein-
kornmen. Will man dieselben grundsätzlich ausschliessen,
so ist eine andere Fassung von Nöthen. Diese wird am
zweckmässigsten dadurch erreicht, dass man die Materi-
alien getrennt anführt, deren Lieferung keinen Anspruch
auf die Bauhypothek geben soll, wie z. B. Mauer- und
Werksteine aller Art, Mörtel und dessen Bestandtheile,
No. 4.
20
Die Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses. Das Heidelberger Si-hloss nach dem Gemälde von Jacob Focquier.
II. Januar 1902.
21
gewahte, unbearbeitete, eiserne Träger und Bauhölzer
für^Balkenlagen und Zimmerkonstruktionen.
Der andere Punkt, in dem sich der zweite Entwurf
von dem ersten unterscheidet, ist die Einführung der so-
genannten Nachmänner in den Kreis derer, die Ansprüche
an die Bauh3'pothek haben sollen. Naclimänner nennt das
Gesetz diejenigen Handwerksmeister, welche nicht un-
mittelbar für den Bauherrn gearbeitet haben, sondern
nur mittelbar. Jemand hat z. B. einen Bau im Ganzen
übernommen. Dieser giebt die Maurerarbeiten an einen
bezüglichen Meister weiter. Letzterer überträgt die Erd-
arbeiten an einen Schachtmeister, der sich wiederum für
Fortschaffung der Erdmassen einen Fuhrherrn verpflichtet.
Der Maurermeister bis herab zum Fuhrherrn bilden für
diesen Fall die Nachmänner. Alle diese sollen nun das
Recht haben, genau wie der unmittelbar beschäftigte
Generalunternehmer (der Vormann), natürlich nur im
Verhältniss des auf sie fallenden Anspruches, Anmeldungen
zur Bauhypothek zu machen und damit die Regulirung
der Hypotheken dem Bauherrn zu erschweren, beziehent-
lich ihn zu zwingen, bis zur Feststellung des Anspruches
den Betrag als Kaution zu hinterlegen.
Man kann sich auch ohne besondere Erläuterungen
denken, welche Schwierigkeiten aus dieser Bestimmung
dem ganzen Baubetrieb erwachsen. Allerdings soll der
Nachraann im allgemeinen nur Anspruch auf die noch
nicht an den Vormann geleisteten Beträge haben, doch
giebt es hiervon zwei Ausnahmen. Erstens in dem Falle,
in welchem der Nachmann seine Forderungen an den
Bauherrn angemeldet hat, bevor der Vormann Zahlung
erhalten und zweitens, wenn die eingangs besprochene,
vor Baubeginn an das Grundbuchamt zu machende Er-
klärung über Höhe und Fälligkeit der an den Bauunter-
nehmer zu machenden Zahlungen unterblieben oder nur
mangelhaft ergänzt war. Konnte der Nachmann aus den
beim Gerichte niedergelegten Materialien nicht genau er-
sehen, wann und in welcher Höhe die Zahlungen an den
Vormann fällig wurden, so bleibt der Bauherr dem Nach-
manne gegenüber unter allen Umständen haftbar. Es
kann Vorkommen, dass er gewisse Beträge doppelt zahlen
muss, wenn von Seiten der Bauleitung irgend ein Ver-
sehen oder Vergessen bei den Anzeigen zum Grundbuche
vorgekommen ist. Wird die Berücksichtigiing der Nach-
männer Gesetz, so ersieht man aus Obigem, welche Fülle
•von Verantwortung der ausführende Architekt neu zu über-
nehmen hat. In ganz eigenihümliche Verhältnisse geräth
aber fernerhin ein Architekt, der einen Bau in General-
Entreprise auszuführen hat. Der Bauherr wird alsdann
verlangen müssen, dass alle Anweisungen an ihn wie bei
den Baugeldempfängern durch den Treuhänder gehen,
d. h. der Architekt muss sich der Kontrolle unterziehen,
dass er alle erhaltenen Beträge sofort zur Tilgung von
Bauforderungen verwendet hat.' Sonst hat der Bauherr
keine Sicherheit, dass ihm nicht das Grundbuchblatt seines
Grundstückes mit Eintragungen von Bauforderungen aller
Art belastet werde, was der Architekt nach Lage des Ge-
setzes mit dem besten Willen nicht verhindern kann. —
Nachdem die Gesetzentwürfe vorstehend in grossen
Zügen behandelt wurden, dürfte wohl mancher Leser mit
dem Verfasser der Ansicht geworden sein, dass dieselben
grosse Unzuträglichkeiten für unseren Stand zurfolge haben
würden. Nur wenn, wie schon des öfteren wiederholt,
für die anständigen Elemente Mittel und Wege geschaffen
werden, um aus der Bevormundung des Gesetzes herau.s-
zukommen, ist es für diejenigen Elemente, für die es ur-
sprünglich bestimmt war, gewisse Aenderiingen voraus-
gesetzt, denkbar. Da nun aber nach der den Entwürfen
beigegebenen Begründung wenig Neigung besteht, Aus-
nahmen zuzulassen, so sei es gestattet, hier einen Vor-
schlag zu machen, der fast ohne jede gesetzliche
Neuerung denselben Zweck erreicht und die Miss-
bräuche aus dem Baugewerbe ausmerzt, ohne dabei das
gesunde Baugeschäft irgend wesentlich zu treffen.
Anlass zu dem Gesetzentwürfe haben bekanntlich die-
jenigen zweifelhaften Baustellenkäufer gegeben, die ohne
eigene Mittel und Kredit eine Baustelle erkauften und das
leicht zu erreichende Baugeld für sich und zu anderen
Zwecken verwendeten, als für die es bestimmt war. Die
Lage der heutigen Gesetz-Bestimmungen machte es mög-
lich, dass hierbei der Baustellen-Verkäufer wenig, dagegen
der Bauhandwerker alles verlieren konnte. Wohl kommt
es auch vor, dass Handwerker bei Bauten Verluste haben,
die von gut situirten Bauherren unternommen werden,
das sind dann aber unglückliche Zufälle, die in jedem Be-
rufszweige eintreten können und gegen die keine besondere
Gesetzgebung nöthig ist. Abhilfe heischt nur der erstge-
nannte FalL Ist also zuzugeben, dass nur die Bauherren,
die mit fremden Baugeldern bauen, unter strengere Kon-
trolle zu stellen sind, so giebt cs ein auch im Entwurf
bereits angedeutetes Mittel, das ohne den Aufwand des
ganzen schwierigen Gesetzes dasselbe Ziel erreicht. Ich
meine die zwangsweise Einführung der Treuhän-
der für diesen Zweck. Müssen sämmtliche Zahlungs-
Anweisungen auf die ßaugelder die Bestätigung des Treu-
händers haben, die derselbe erst geben kann, wenn er der
Ueberzeugung ist, dass mit denselben Bauforderun-
gen getilgt werden, so ist der grösste Theil der Schädi-
gungen der Bauhandwerker behoben. Zu dieser zwangs-
weisen Einführung des Treuhänders bedarf es nur ge-
ringer gesetzlicher Vorschriften. Da die meisten Baugelder
von den Hypothekenbanken gegeben werden, die einer
staatlichen Aufsicht unterliegen, genügt vielleicht dazu eine
einfache Verfügung der Behörde. Für sonstige private
Baugeldgeber ist ein Gesetzes-Paragraph mit demTnhäTte zu
schaffen, dass diejenigen, die ihr Geld dem Bauherrn geben,
ohne sich darum zu kümmern, ob Bauforderungen davon
getilgt werden oder nicht, für den möglichen Ausfall den
Handwerkern gegenüber haftbar werden.
Ist der Treuhänder als gesetzmässiger Faktor einge-
führt, so erhalten die Bauunternehmer zweifellos das ganze
Baugeld, das sind 65-70% der ganzen Baukosten. Da-
bei ist festziihalten, dass, damit kein Unternehmer oder
Lieferant zu kurz komme, die Forderung jedes Einzelnen
nur ira Verhältniss genannter 65— 70 % aus den Baugeldern
beglichen werden darf.
Ist man nun damit noch nicht zufrieden, dass die
Unternehmer diesen Prozentsatz ihrer Forderungen un-
bestritten erhalten, so giebt es noch ein weiteres Mittel,
die Nothwendigkeit strengster Gewissenhaftigkeit in der
Zeichnung aller architektonischen Einzelheiten gern her-
vorhob, insbesondere seine glänzende Aquarell-Technik
zu danken. Er hat die letztere bis zu seinem Lebensende
mit grosser Liebe gepflegt, —
Nach glänzend bestandener Bauführer-Prüfung, die
ihm, wenn ich nicht irre, ein Reisestipendium eintrug,
ging Jacobsthal gegen Ende des Jahres 1859 nach seiner
Heimathprovinz zurück, um dort der vorgeschriebenen
zweijährigen „Praxis“ sich zu widmen. Es war jedenfalls
als eine Auszeichnung zu betrachten, dass ihm die Aus-
führung eines von Stüler entworfenen Kirchenbaues der
in gothischen Backsteinformen gestalteten katholischen
Kirche zu Wielkalonka übertragen wurde. Ob er nach
diesem, von ihm mit vieler Liebe durchgeführten Werke
noch andere Bauten geleitet hat, bevor er in den zweiten
Kursus des akademischen Studiums an der Bauakademie
cintrat, ist mir eben so wenig bekannt, wie ich — in jener
Zeit von Berlin entfernt — Näheres darüber anzugeben
weiss, wie sich für ihn der Verlauf der nächsten dort
zugebrächten Jahre gestaltete, Dass er an dem Unterricht
.Stracks im Entwerfen theilnahm, steht allerdings ebenso
fest, wie dass seine Beziehungen zu Prof. Adler, der
mittlerweile den Vortrag über Geschichte der Baukunst
und den Unterricht in der mittelalterlichen Baukunst über-
nommen hatte, noch engere wurden. Nicht sicher bin ich
dagegen, ob er eine Zeit lang auch dem Atelier Stülers
angehört hat, oder ob es lediglich dessen Werke waren,
die auf seine künstlerische Fortentwicklung einwirkten.
Unterbrochen wurde diese zweite akademische Lehrzeit
durch eine längere Studienreise, die den jungen Archi-
tekten nach Süd- und West-Deutschland, Frankreich und
Italien führte, sowie durch die Betheiligung Jacobsthals
an dem i, J. 1863 von der Kunstakademie ausgeschriebenen
Wettbewerb um den grossen Staatspreis, für den als Auf-
gabe der Entwurf eines Theaters gestellt war. Die von
ihm gelieferte, in hohem Grade anerkennenswerthe Ar-
beit, in welcher namentlich der äussere Aufbau des
Theaters eine sehr bezeichnende, in den Massen fein ab-
gewogene Lösung gefunden hatte, vermochte allerdings
nicht den Preis zu erringen, sondern musste hinter dem
Entwürfe Hubert Stiers zurückstehen; sie wurde ihrem
Verfasser indessen als Baumeister-Arbeit angerechnet.
Doch nicht nur auf akademische Aufgaben und Studien
erstreckte sich schon damals das künstlerische Schaffen
Jacobsthals, sondern es hatte sich sein Ansehen bereits so
weit gesteigert, dass ihm mehrfach der Auftrag zutheil
wurde, auch Entwürfe zu wirklichen Bauausführungen zu
liefern. Eine dieser Arbeiten, der i. J. 3865 aufgestellte
(jedoch nicht verwirklichte) Entwurf zu einer Wohnhaus-
Fassade für Berlin ist von uns im Jhrg, 1870 d. Bl. (S. 29)
veröffentlicht worden. Auch die Mehrzahl der kleineren
Entwürfe zu Landhäusern, Kapellen, Denkmälern usw.,'
von denen Jacobsihal eine Sammlung zur internationalen
Münchener Kunstausstellung von 1869 eingesandt hatte
und die m. W. theilweise im Architektonischen Skizzen-
buche veröffentlicht sind, dürfte wirklichen Aufträgen
entstammen, während andere vielleicht durch die Monats-
denselben zu erhöhen. Die Baupolizei brauchte nur Sollte das nicht auch den weitgehendsten Ansprüchen,
vor Ertheilung jeder Bauerlaubniss die Stellung einer die ein Unternehmer an die Sicherheit seiner Forderungen
Kaution, von z. B. lo % der Baukosten, zu verlangen, die stellen kann, genügen? Meiner Ansicht nach dürfte er
den Bauunternehmern, falls ihre Forderungen in gewisser diese Art der Sicherung unweigerlich der Sicherung in
Zeit nicht beglichen sind, zur Verfügung stände; dann ganzer Höhe durch den papiernen Schein einer ßau-
wären ihnen gar 75--8o^/(, der Forderungen gesichert, hypolhek vorziehen. — G.
Zur Frage der Fortführung der Wiederherstellungs-Arbeiten am Heidelberger Schloss.
fH^ylu dieser Frage hat nunmehr auch der Berliner
\W^ Architekten-Verein in seiner Sitzung vom 6. Jan.
d. J. Stellung genommen. Es lag der Wortlaut eines
Beschlusses vor, den Hr. Geh. Brth. Blankenstein dem
Verein zur Annahme empfahl, etwa dahingehend, dass
der Ausbau des Otto Heinrichs-Baues nicht nur eine tech-
nische Nothwendigkeit sei, um diesen auf längere Dauer zu
erhalten, sondern auch aus nationalen Gründen geboten
erscheine, um die Erinnerung an eine Zeit deutscher Er-
niedrigung auszulöschen.
Der Vorsitzende, Hr. Geh. Brth. Hossfeld, leitete die
Verhandlungen durch eine kurze sachliche Darstellung ein,
die sich auf den jüngst erschienenen Bericht über die
letzte Schlossbau-Konferenz stützte, und charakterisirte die
Stellungnahme der einzelnen Mitglieder derselben. (Wir
verweisen in dieser Flinsicht auf den gleichzeitig erscheinen-
den Artikel von Seitz). Darüber seien sich alle einig,
dass das Schloss erhalten werden solle. Nur über das
Wie werde gestritten. Da dies aber eine vorwiegend
technische Frage ist, so sei der Architekten-Verein be-
rufen, auch seine Stimme in dieser Frage zu erheben.
Gegen den Ausbau des Otto Heinrichs-Baues sprachen
sodann die Hrn. Geh. Brth. Kieschke, Geh. Ob.-Brth.
Prof. Adler, Brth. Graef und Hofrth. Prof. Dr. Cornelius
Gurlitt aus Dresden als Gast. Ersterer vertritt die An-
schauung, der Verein könne nicht beschliessen, dass die
Erhaltung im jetzigen Zustande unmöglich sei, denn es
hätten doch zwei angesehene technische Mitglieder in der
Schlossbau-Konferenz den gegentheiligen Standpunkt ver-
treten. Er schlägt die Annahme der Resolution vor, die
von 24 Mitgliedern der Vereinigung Berliner Architekten
und des Arch.-Vereins bereits veröffentlicht sei. (Vergl,
den Abdruck in No. 3.) Hr. Adler hält ebenfalls eine
Erhaltung der Ruinen für möglich und bezieht sich
dabei auf die Ausführungen von Ob.-Brth. Prof. Dr.
Warth in Karlsruhe. Er verweist dann auf die von ihm
bereits in einem längeren Artikel in der National-Ztg. ver-
öffentlichten Momente allgemeiner Natur, die gegen einen
Ausbau sprächen, und wendete sich schliesslich gegen eine
Restaurirung des Otto Heinrichs-Baues vom Standpunkte
des Kunsthistorikers und Aesthetikers. Da Unterlagen nicht
vorhanden seien, aus denen mit voller Sicherheit die Ge-
stalt des Baues vor der Zerstörung festgestellt werden
könne, so solle man schon aus diesem Grunde auf eine
Wiederherstellung verzichten. Auch wolle die Stadt
Heidelberg, ihr Bürgermeister an der Spitze, eine
solche nicht. Hr. Graef vertritt ebenfalls den Stand-
punkt, dass man nicht über das Warth’sche Gutachten
hinweggehen könne, und beantragt Abstimmung über die
schon von Hrn. Kieschke erwähnte Resolution. Hr.
Gurlitt warnt vor einer Restaurirung, mit der der ur-
sprüngliche Reiz des alten Bauwerkes, die Eigenart der
alten Arbeit unrettbar verloren gin^e und führt als Beispiel
die Restaurirung des Zwingers in Dresden an , wo das
Charakteristische, Interessante ganz verwischt sei. Man
solle alles genau aufnehmen, abformen und nur solche
Steine erneuern, die ganz zerstört seien. So werde jetzt
auf seine Veranlassung bei dem einzigen noch nicht re-
staurirten Theile des Zwingers, dem sog. Nymphenbad,
verfahren. Auch beim Heidelberger Schloss solle man
so Vorgehen und werde dann die Ruine noch lange Zeit
in ihrem ursprünglichen Reiz erhalten.
Die Hrn. Hossfeld, Blankenstein und Brth. Böck-
mann sprechen für den Ausbau. Ersterer stellt zunächst
die Behauptung richtig, dass der Bürgermeister von Heidel-
berg sich gegen den Ausbau des Otto Heinrichs-Baues
ausgesprochen habe. Er habe zwar im Prinzip einen
solchen nicht gewünscht, aber betont, dass er dem Aus-
bau dann zustimmen würde, wenn die Techniker einen
solchen für unbedingt nöthig halten würden. FIr. Blanken-
stein vertritt die Fassung seines Antrages, bekämpft den
Adler’schen Standpunkt, dass man das Schloss nicht
restauriren dürfe, weil man vielleicht Fehler machen
könnte, denn dann müsse man das Restauriren überhaupt
und an jeder Stelle aufgeben, während Redner ja selbst
alte Bauten hergestellt habe. Die vorhandenen Unter-
lagen seien ausserdem ausreichend, um sich ein Bild
des früheren Zustandes zu machen. Schliesslich führt er
als Beispiel für den Verfall eines nicht überdachten Bau-
werkes den Part h enon an, der zufällig fast ebenso lange in
Trümmern liege, wie das Heidelberger Schloss, nachdem
er vorher mit Ueberdachung zwei Jahrtausende lang
widerstanden habe. Jetzt sei man in Verlegenheit, wie
man ihn erhalten solle. Mit kleinen Mitteln könne man das
Heidelberger Schloss vielleicht noch erhalten, aber wie
lange noch?
Hr. Böckmann beleuchtete die Frage eingehend vom
technischen Standpunkte aus, indem er zunächst die ver-
schiedenen Mittel durchging, mit welchen die Ruine in
ihrem jetzigen Zustande erhalten werden solle, also Be-
seitigung der Vegetation, Abdeckung der Mauern, der
Fenstersohlbänke, Aussteifung usw. Was bliebe da noch
von dem früheren Reiz? Aber alles das würde nicht ein-
mal für längere Zeit nützen. Ja selbst wenn die Mauern
der Schlossruine mit ganz neuem Material von Grund aus
aufgeführt würden, könne man nicht für die Haltbarkeit
einer solchen völlig freistehenden Fassade aufkommen.
Denn wenn ein solches Mauerwerk von Schnee und Regen
durchnässt, noch dem Frost ausgesetzt würde, müsste der
Ruin in verhältnissmässig kurzer Zeit eintreten. So lange
Wettbewerbe des Architektenvereins veranlasst worden
waren, in den er frühe schon eingetreten war. Alle
diese Entwürfe, die zumtheil in antiken, zumtheil in mittel-
alterlichen, meist dem Backsteinbau angepassten Formen
gehalten sind, zeigen bereits eine völlig entwickelte Indi-
vidualität: ausgeprägten Sinn für schöne Verhältnisse und
eine, durch die schlichte Ausgestaltung der Einzelheiten
bedingte, für einen jungen Künstler ungewöhnliche monu-
mentale Haltung. Ob und welche derselben zur Aus-
führung gelangt sind, entzieht sich meiner Kenntniss.
Einen wichtigen Umschwung für Jacobsthal, der für
die äussere Lebensstellung und die Richtung seiner weiteren
künstlerischeuThätigkeitentscheidend werden sollte, brachte
das Jahr 1867. Nachdem er 1866 auch die Baumeister-
Prüfung abgelegt und 1866,67 iri der städtischen Bauver-
waltung gearbeitet hatte, war er Anfang 1867 bei der
Berliner kgl. Ministerial-Baukommission eingetreten, um —
unter dem damaligen Bauinsp. Blankenstein — zunächst
den Erweiterungs- und Umbau des alten Hauses der Ab-
geordneten am Dönhoffsplatz auszuführen. Die bald darauf,
auf Anregung und unter dem Schutze der Kronprinzessin
Victoria erfolgte Gründung des Deutschen Gewerbe-
Museums berief unter die Lehrkräfte dieser neuen An-
stalt auch Jacobsthal, der schon im Mai 1866 eine Stelle
als Hilfslehrer im Unterricht für Ornamentzeichnen an
der Bauakademie übernommen hatte. Waren diese Lehr-
Aufträge zunächst und noch auf einige Jahre hinaus auch
nur Nebenämter, so hatte der Künstler mit Antritt der-
selben doch den Boden beschritten, dem er fortan den
Haupttheil seiner Kraft widmen und auf dem er die segens-
reichste Wirksamkeit entfalten sollte. Welche Erfolge er
gleich nach Beginn seiner Lehrthätigkeit auf diesem Felde
zu erzielen wusste und welche Würdigung diesen zutheil
wurde, beweist wohl am besten die Thatsache, dass man
ein Jahr später, als Baumeister Kölscher, der Leiter der
sogen. Kompositions-Klasse am Deutschen Gewerbe-Mu-
seum, seiner Thätigkeit durch einen plötzlichen Tod ent-
rissen wurde, Jacobsthal zu seinem Nachfolger bestimmte.
Auch an dieser bedeutungsvolleren Stelle hat Jacobs-
thal mit Hingebung und gutem Erfolge seines Amtes ge-
waltet, bis er 1872 vor die Entscheidung gestellt wurde,
ob er dieses ihm nur von einer Privat - Gesellschaft
verliehene Amt (das Deutsche Gewerbe Museum ist erst
später als Kunstgewerbe-Museum in die Staatsverwaltung
übergegangen) aufgeben, oder auf den Eintritt in den
Staatsdienst verzichten solle. Er entschied sich — wohl
nicht ohne dass ihm schon damals Aussichten auf seine
spätere Stellung gemacht worden waren — für das erstere
und wurde unter Verleihung des Titels als Landbaumeister
zunächst als technischer Hilfsarbeiter in die Ministerial-
Baukommission, bald darauf aber in das technische Bureau
des Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche
Arbeiten berufen, während er seine Hilfslehrer-Stelle an
der Bauakademie nach wie vor beibehielt und auch
1870—76 Lehrer an der Kunstschule blieb. Etwa 2 Jahre
ist Jacobsthal an der Zentralstelle der preussischen Staats-
Bauverwaltung thätig gewesen und hat während dieser
Zeit an zahlreichen Entwürfen mitgearbeitet, zu denen die
II. Januar 1902.
23
man keinen Kitt erfunden habe, um Hausteine so aneinander
zu befestigen, dass die abwechselnde Einwirkung von
Durchfeuchtung und Frost denselben nicht trennt, könne
man kein Mauerwerk aufführen, welches diesen Elementen
auf die Dauer widersteht. Auch Zement ist ein solcher
Kitt nicht, da die Ausdehnungs-Koeffizienten von Zement
und Sandstein nicht ganz übereinstimmen. Man könne
dies an freistehenden Bauwerken, Grabdenkmälern, Frei-
treppen aller Art beobachten,- die schon nach kürzerer
Zeit trotz sorgfältiger Herstellung der Ausbesserung be-
dürfen. Dagegen sei eine aus Quadern hergestellte Fassade
deshalb haltbarer, weil sie der Durchfeuchtung nur von
einer Seite in geringerem Maasse ausgesetzt, von der
inneren ausserdem durch die Wärme des Flauses gegen
Durchfrieren geschützt sei. Redner legt dann die Fassung
einer Resolution vor, die lediglich die technische Seite
der Frage berühre, da man von dem Architekten-Verein
in erster Linie nach dieser Seite hin ein Gutachten er-
warte, und da die Gefühlsfrage in den Tagesblättern schon
genügend erörtert sei. Nachdem Hr. Blankenstein sich
bereit erklärt hat, seinen Antrag unter Weglassung der
allgemeinen Momente mit dem Böckmann’schen zu ver-
schmelzen, wird zur Abstimmung geschritten und die nach-
stehende Resolution mit 115 gegen 27 Stimmen angenommen :
„Der Architekten-Verein zu Berlin hat sich in seiner
Sitzung am 6. Januar d. J. mit der Frage der Wiederher-
stellung des Heidelberger Schlosses beschäftigt und erklärt :
Die Bautechnik hat keine Mittel, die freistehenden
Umfassungsmauern des Otto Heinrichs-Baues in ihrem
jetzigen Zustande zu erhalten. Wollte man durch Aus-
besserungen, Verstrebung und Verankerung der Ruine
noch eine gewisse Lebensfrist sichern, so würde ohne
Zweifel der Reiz des Bauwerkes verloren gehen. Den
Otto Heinrichs -Bau gegen weiteren Verfall zu sichern,
kann nur durch gründlichen Schutz gegen die Einwirkung
der Feuchtigkeit, des Frostes und des Sturmes geschehen.
Nur durch Bedachung und Ausbau des Schlosses wird
der Zweck erreicht.
Der Architekten-Verein spricht daher die Hoffnung
aus, dass die badische Regierung, unbeirrt durch alle
Widersprüche, die Wiederherstellungsarbeiten fortsetzen
und zu einem glücklichen Ende führen möge". —
Preisbewerbungen.
Preisbewerbung zur Erlangung von Entwürfen für ein
evangelisches Gemeindehaus in Godesberg. Das Preisaus-
schreiben, welchem wir auf S. 568 v. J. unsere Empfehlung
leider versagen mussten, ist nunmehr in anderer Form
erlassen. Es handelt sich um die Errichtung eines Ge-
bäudes für Konfirmanden-Unterricht, Versammlungen der
Jünglings-, Männer- und Frauenvereine, Festlichkeiten usw.
Das Gebäude soll aus einem Hauptgebäude mit anschliessen-
dem Saalbau bestehen, letzterer für 600 Personen. Stil
und Material sind den Bewerbern überlassen, doch sollen
vollständige Putzfassaden vermieden werden. Die Zeich-
nungen sind 1:500 und 1:200 verlangt. Die Ausstattung
ist so zu halten, dass mit einem Einheitspreise von 15 M.
für das Vorderhaus und 12 M. für den Saalbau das Aus-
kommen gefunden wird. Termin ist der i. April 1902.
Es gelangen 3 Preise von 750, 500 und 250 M. zur Ver-
theilung; es kann auch der I. Preis getheilt verliehen wer-
den. Ein Ankauf nicht preisgekrönter Entwürfe für je 150 M.
ist Vorbehalten. Ueber die Ausführung sind die Entschiies-
sungen der Gemeinde Vorbehalten. Dem Preisgerichte ge-
hören als technische Beurtheiler andieHrn. Prof. Dr. Karl
Huppertz, kgl. Reg.-Bmstr. in Bonn, Arch. Eberhard in
Köln und Kommunal-Bmstr. Georg Dress in Godesberg.
Im Wettbewerb für den Neubau der mittleren Rhein
brücke in Basel, vergl. Dtsch, Bztg. S. 328 Jhrg. 3901, so-
wie die Vorbemerkung auf S. 644, hat den I. Preis von
7000 Fres. der Entwurf einer Steinbröcke erhalten. Ver-
fasser dieser Arbeit mit dem Kennwort „Granit II" sind
die Firma Alb. Buss & Cie., die Ing. J. Rosshändlerf
und J. Mast, sämmtlich in Basel, sowie die Arch. Prof.
Fr. V. Thiersch In München und E. Faesch in Basel.
Den II. Preis von 6000 Fres. erhielt der Entwurf „Rhein"
mit eisernem Ueberbau auf Steinpfeilern, Verf. Prof.
Zschokke in Aarau, Basler Baugesellschaft!, Arch.
A. Visscher, Gute Hoffnungshütte, Prof. Krohn.
Drei III. Preise zu je 4000 Fres. wurden den Entwürfen
durch den politischen Aufschwung des Staates gesteigerte
Bauthätigkeit Veranlassung gab, Es darf wohl angenommen
werden, dass der künstlerische Theil dieser Entwürfe in
den meisten Fällen sein geistiges Eigenthum war, wenn
er auch mehrfach wenig geneigt war, sich dieses Eigen-
thums zu rühmen, nachdem der von anderer Hand, ohne
seine Mitwirkung zur Ausführung gebrachte Entwurf ein
ihm fremdes Gesicht bekommen hatte. Er hat in dieser
Beziehung — damals wie auch später — trübe Erfahrungen
gemacht und es waren wohl diese, die ihn in einem 1881
geschriebenen Nekrologe auf Martin Gropius zu der folgen-
den Aeusserung geführt haben:
„Mit harter Arbeit begann er seine Laufbahn und
bis zum letzten Augenblick ermüdete er nicht, wenn auch
in der letzten Zeit der Umstand ihm manche schwere
Stunde bereitete, dass einzelne Bauten, zu denen er
mühevolle und oft durchgearbeitete Entwürfe geliefert
hatte, ohne seine weitere Mitwirkung zur Durchführung
gebracht wurden. Allerdings das härteste Geschick in
der Laufbahn eines Architekten, namentlich wenn — wie
bei fast allen Bauten der Neuzeit ~ die hoch entwickelten
Ansprüche an die Ausführung des Bauwerks nach allen
Richtungen bis zum letzten Augenblicke des Baues dem
Architekten Probleme zur künstlerischen Lösung stellten,
die im Entwurf allein nicht gelöst werden konnten."
Von den Entwürfen, an denen Jacobsthal damals be-
theiligt war, weiss ich nur die zu den Bankgebäuden
24
mit den Kennworten „Stein und Eisen", „Porta Helvetiae,
Stein 2“ und „St. Jakob I“ zuerkannt. Die beiden letzt-
genannten Entwürfe sind in Stein bezw. Stein und Beton
gedacht, Als Verfasser ergaben sich in der Reihenfolge
der Kennworte: Masch.-Fabrik Esslingen, Ob.-Ing.
Brth. Kübler, Arch. Brthe. Eisenlohr & Weigle in
Stuttgart, Bauunternehmung C. Baresel; Ph. Holzmann
& Cie., Dir. Lauter und Ritter in Frankfurt a. M., Arch.
E. la Roche in Basel; Prof. Zschokke in Aarau, Basler
Baugesellschaft, Ing. E. Travlos, Arch. A. Visscher,
P. Huber & Sturm. Die mit den Entwürfen einge-
reichten Angebote für die Uebernahme der Ausführung
stellten sich auf 2678420, 2036132, 2783750, 2720000,
2164496 Fres. Die Entwürfe sind vom ii. bis einschl.
26. Januar in Basel im Gewerbe-Museum ausgestellt. —
Wettbewerb Hospitalgebäude usw. Koethen. Unter 27
rechtzeitig und i verspätet eingegangenen Entwürfen er-
rang den I. Preis von 2000 M. der Entwurf „Anhalt" der
Hrn. Kraaz & Becker in Berlin-Schöneberg; den II. Preis
von 1000 M. der Entwurf „Ein Vorschlag" des Hrn. C.
Kujath in Charlottenburg. Die III. Preise von je 500 M.
fielen an die Entwürfe der Hrn. Otto Kuhlmann in Char-
lottenburgundan die gern einsame Arbeit der Firn H. Heinz e
in Hannover, in Verbindung mit den Hrn. C Mohr und C.
Krause in Charlottenburg. Sämmtliche Entwürfe sind bis
20. Jan. d. J. im Rathhause in Koethen öffentlich ausgestellt.
Wettbewerb Provinzial Museum zu Münster. Zu die-
sem Wettbewerb sind 35 Entwürfe eingegangen. Leider
kann das Preisgericht wegen Behinderung einiger Mit-
tglieder erst am 31. Jan. zusammentreten. —
Inhalt: Die Wiederherstellung; des Heidelberg;er Schlosses, insbes.
des Otto Heinrichs - Baues (Fortsetzung). — Zur ErinneruDg an Johann
Eduard Jacobsthal. — Ueber den neuen Entwurf eines Reichsgesetzes be-
treffend die Sicherung der Bauforderungen (Schluss). — Zur Frage der
Fortführung der Wiederherstellungs-Aj'beiten am Heidelberger Schloss. —
Preisbewerbungeil.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veranwortl. Albert Hofniann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
für Hannover, Kassel und Köln, zu der Blindenanstalt in
Steglitz, zu dem Regierungs- und Justizgebäude in Kassel
und dem Gerichts -Gebäude in Posen mit Bestimmtheit
zu nennen; die letzteren beiden hat er in Gemeinschaft
mit Him. Oberbaudir. Herrmann, die erstgenannten in
Gemeinschaft mit Hrn. Geh. Ober-Brth. Giersberg be-
arbeitet. Doch hat er unter Hrn. Geh. Ober-Brth. Salzen-
berg auch an der Aufstellung verschiedener, meist wohl
kleinerer Kirchen - Entwürfe theilgenommen. Für die
städtische Banverwaltung Berlins hat er die Entwürfe
zum Humboldt-Gymnasium und zur Neugestaltung der
Friedrichs-Brücke geliefert. Unmöglich ist es nicht, dass
noch andere Entwürfe zu Staaisbauten schon aus jener
Zeit stammen. Von 1871 — 72 nahm J. unter Strack am
Bau der Siegessäule theil.
Seine endgiltige Gestalt erhielt der Lebensgang Jacobs-
thals, als Professor Karl Boetticher, der den Schwerpunkt
seiner Thäügkeit schon längst in seine Steilung als Direktor
der Skulpturen- Abiheilung des Alten Museums verlegt hatte,
aus dem Lehrkörper der Bauakademie ausgeschieden war
und es vollzog sich wie ein selbstverständliches Ereigniss,
dass Jacobsthal zu seinem Nachfolger berufen wurde. Unter
Niederlegung seines Amtes bei der Staats-Bauverwaltung
trat dieser, 1881 zum Professor ernannt, das Lehramt für
Ornamentik an der Bauakademie an, dem sich ein Jahr
später noch das gleiche Lehramt an der Gewerbe- Akademie
zugesellte. — (Schluss folgt.)
No. 4.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 5. Berlin, den 15. Januar 1902.
Die Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses, insbes. des Otto Heinrichs-Baues.
(Schluss.)
fer Verfasser könnte seine Besprechungen nemlich die vier Seulen oder Pfeiler ira grossen Saal unnd
mit den Worten des Finanzministers, dass der Stuben, sanibt das Wapen ob der Einfahrth des Thors
für die endgiltige Lösung nur inbetracht hawen unnd verfertigen lassen, damit man werben kan und
komme, was einmal gewesen sei, scnliessen,
wenn es nicht im Interesse der Sache gälte,
Irrthümer, die in der Versammlung zum Ausdruck
kamen und in späteren Streitschriften energisch fest-
gehalten wurden, zu berichtigen. Nämlich die Kunst-
historiker, welche sich als Gegner des Schäfer’schen
Entwurfes bekannt haben (v. Oechclhäuser, Rosen-
berg, Thode, Dehio, Gurlitt), versuchen, denselben zu
Fall zu bringen, indem sie behaupten, es stehe wissen-
die Notturfft erfordert.
Item die zwey grösser Bilder in beiden Gestellen,
und dann die sechs Bilder ob den Gestellen, iedes von
fünff Schuhen gehawen werden solle.
Item Alexander Bildthawer solle auch funff grosser
Leowen hawen unnd fertigen, vermög Anzeig und Visirunge.
Item sechs railhesamen Thürgestell, so inwendig in
den Baw kommen, alles vermög einer ieder Visirung, so
darüber ufgericht.
Item sieben mittelmessige Thürgestell, alles vermÖg
schaftlich fest, dass die Fassade ursprünglich mit unnd inhalter darüber gestelter Visirung.
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Ostfront nach dem Entwurf von Ob.-Brth. Prof. K. Schäfer in Karlsruhe. 1:300.
einem horizontalen Abschluss geplant gewesen und
nur durch Hinzutreten Colins die deutsche Giebel-
form zum Nachtheil des Gebäudes ausgeführt worden
sei; wir könnten eigentlich froh sein, dass wir die
Ruine jetzt mit wagrechtem Abschluss wieder hätten.
Einer der Historiker, v. Oechclhäuser, will dies aus
dem Vertrage mit Colins herauslesen und ist auch
überzeugt, dass die Architektur der Fassade in un-
mittelbarem Zusammenhänge mit den Bauten der Früh-
Renaissance in Oberitalien steht.
Den Vertrag, welcher in Gegenwart der kurfürstl.
Hofbmstr. Caspar Fischer und Jacob Leyder abge-
schlossen worden ist, lasse ich hier in seinen sach-
lichen Theilen folgen:
. . . haben verdingt dem erbarn Alexander Colins von
der Stadt Mechel Bildthawer, alles gehawen Steinwercks,
so zu diesem newen Hofbaw vollent gehörig, zu hawen, . . .
Erstlichen. Item soll gemalter Alexander Bildthawer
zum fürderlichsten unnd zum eheisten die ftinff Stück,
Item das Thürgestell, so Anthonj Bildthawer ange-
fangen hat, soll gemelter Alexander vollendt aussmachen.
Item die zwey Camin, eins in meines Gnädigsten Herrn
Cammer, das anäer im grossen Saale.
Nota. An seinem vorigen Geding sein noch viertzehen
Bilder vermög Visirung zu hawen, Soll er dickgemelter
Alexander ietz inn seinem Costen hawen und vor iedes Bildt
XXViiJ fl. Daneben Xiiij Fenster-Posten vor iedes V fl. zu
hawen, Ihme dissmals auch eingeleibt, solches zu befürdern.
Man kann aus dem Vertrage für die Fassade nur
entnehmen, dass Colins das Wappen über dem Ein-
gänge, 14 Fensterpfosten und 14 Bilder, wenn man
diese durchaus für die Nischenfiguren halten will, nach
Zeichnungen auszuführen übernahm. Heute sind au der
Fassade 16 Nischenfiguren, 4 grössere und 2 kleinere
Figuren an dem Portal, 28 Fensterpfosten und noch
in demselben Material wie die Figuren die Seiten-
reliefs und die Bekrönung des Portals. Welche unter
diesen die von Colins übernommenen Skulpturen sind,
ist nicht zu sehen. Doch schien es noch keinem Sach-
verständigen zweifelhaft, dass alle aus hellem Stein
gefertigten Bildwerke aus derselben Hand sind. „Wer
aber das Wappen, die figürlichen Reliefs und die Frei-
figuren gemacht hat, hat sicher auch die Bekrönung
gefertigt.“ (Durm a. a. O.) Dagegen behaupten die
Gegner, das Cartouchen werk sei später hinzugekommen,
und weil mit den 14 Figuren die 16 vorhandenen nicht
erschöpft sind, sollen auch die obersten -2 zugefügt
sein. Am Bau selbst ist festzustellen, dass die Mittel-
figur über dem Portal sammt ihrer Nische in die Höhe
gerückt ist, dass sie mit ihrer Flinte zur Hälfte auf
der vorher versetzten Bekrönung steht, und dass
sämmtliche Figuren, auch die beiden oberen, auf der
Rückseite roh und der Nischenform angepasst sind.
Ohne jeden Zwang könnte man annehmen, dass einer
der beiden Baumeister, welche den Vertragsabschluss
bezeugt haben, der Planfertiger war, nach dessen
Visirungen Colins arbeitete; man könnte auch aus der
Uebereinstimmung säraratlicher Skulpturen schliessen,
dass Colins oder sein Vorgänger, der in derselben Art
gearbeitet hat (flämisch), das Wesentliche an der Fassade
machten; dazu würden auch die Fenster im Erdgeschoss
passen. Aus dem Vertrage aber auf irgend eine Form
des Baues einen Schluss zu ziehen, geht wirklich nicht
an; es steht davon keine Silbe in dem Vertrage.
Lübke macht in seiner Geschichte der deutschen
Renaissance eine Bemerkung, welche besagt, dass ein
Antonius von Theodor am Portal des Piastenschlosscs
zu Brieg gearbeitet habe. Es wird nun behauptet,
die Architektur dort stimme mit derjenigen am Otto
Heinrichs-Bau überein, und jener Antoni könne ganz
gut der Anthonj-Bildthawer sein, der unterlassen hat,,
das im Vertrage mit Colins genannte Thürgestell fertig
zu machen. Sehen wir zu, wie es sich damit in Wahr-
heit verhält. Folgende Aufzeichnungen sind die ein-
zigen, die der Verfasser über Antoni von Theodor
erhalten konnte:
Im cod. dipl. Siles IX Urkdn. der Stadt Brieg, ed.
Grünhagen, findet sich auf S. 21 1 unter No. 1557 fol-
gende Notiz: 1547 ohne Tag. Brieg. Der Bürger-
meister Simon Rogithan lässt die Schule auf dem
Pfarrkirchhofe neubauen und der folgende Bürgerm.
Pet. Horrle sie 1548 vollenden durch 2 Walen (Wälsche)
Meister Jacob Bawor u. Antoni v. Theodor. Brieger
Stadtbuch II 39.
In Schönwalder Ortsnachr. von Brieg II 64 wird
an die Bemerkung, es seien damals wälsche Baumeister
in Brieg thätig gewesen, folgendes angeschlossen:
„Meister Jakob Bawor od Bafor, ein Wale, welcher
das Gymnasium baute, u. Meister Antoni v. Theodor,
welcher 1547 mit Bafor zusammen die Stadtschule
um ein Stockwerk erhöhte“.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass beiden Angaben
eine und dieselbe Quelle, jenes zweite Brieger Stadt-
buch, zugrunde liegt, und es scheint auch, dass über
jenen Antoni di Th. nur eben diese Stelle handelt und
seiner gedenkt*).
Dr. Luchs schreibt in seinem Aufsatz „Bildende
Künstler in Schlesien“ i. d. Zeitschr. für Gesch. und
Alterth. Schlesiens V. S. 15 ff., indem er als Quelle
Schönwalder Ortsnachrichten angiebt: „Nachdem er
(Jacob Bahr s. oben) 1547 die Stadtschule in Brieg
mit Meister Antoni v. Theodor gebaut, wird das
Schlossportal gebaut“; weiterhin S. 17 erfahren wir
durch einen Schutzbrief des Herzogs, dass Bahr am
Schloss gebaut hat. Luchs sagt also nirgends, dass
Antoni am Schloss gebaut habe, er sagt nicht ein-
mal, an welchem Ort Bahr (richtig Bawor) am Schloss
thätig war.
Dr, Wernike schreibt in Schlesiens Vorzeit 1878;
Die italienischenArchitekten in Brieg: „1544 begann der
Herzog den Umbau des Piastenschlosscs .... viel-
leicht arbeiteten von .1544 daran .... die Welschen
Antoni von Theodor und Jakob Bavor, welche unter
Bürgermeister P. Hörle die Stadtschule .... vollenden“.
Diese Notizen verdanke ich der Freundliclikeit des Hrn.
Geh. Archivraths Prof. Dr. Grünhagen in Breslau durch die
gütige Verniittlung des Hrn, Kollegen Carl Grosse daselbst.
Lübke II, S. 186 sagt: „Mit Meister Antonius
V. Theodor erbaute er (Bawor) zugleich die Stadt-
schule und vollendet 1553 das imposante Portal des
Schlosses“. (Bezieht sich auf Dr. Luchs s. o.). Lübke
verwandelt also das Mögliche zum Sicheren.
Weiter ist aus den angeführten Quellen ersicht-
lich, dass die urkundlich nachgewiesenen Italiener in
Brieg Maurer und keine Steinmetzen waren (Wernike
S. 308). Die Steinmetzen des Portals seien Deutsche
gewesen, weil überall auf den Skulpturen Steinmetz-
zeichen seien (ebenda S. 310 und von demselben
1896 S. 135). „Jakob Bawor, Baumeister und Maurer“
übernimmt „die Giebel aufs beste und zierlichste zu
machen“ (nämlich am Rathhaus; S. 269). Endlich ar-
beitet 1568 ein Meister Casper, und zwar ein Deutscher,
auch in italienischer Manier am Schloss (Luchs Schl.-
Vorz. 1872 S. 149).
Aus diesen kurzen Bemerkungen, die zu prüfen und
zu vervollständigen der Architekt dem Historiker über-
lassen muss, geht hervor, dass Antoni v. Theodor’s
Thätigkeit am dortigen Schlossbau nicht nachgewiesen
ist; ferner war derselbe nicht Bildhauer sondern Maurer,
kann also der „Antonj Bildthawer“ nicht sein. Es geht
aber auch daraus hervor, dass der Italiener Bawor
dort seine italienische Kunstgewohnheit dem deutschen
Verlangen nach Giebelaufbauten unterordnete, und
dass der Baumeister Casper, ein Deutscher, in ita-
lienischer Art baute. Die Historiker wollen nament-
lich die Ornamentik am Portal des Otto Heinrichs-
Baues dem „Antonj Bildthawer“ zuschreiben. Thatsache
ist, dass die betreffenden Werksteine ebenfalls Stein-
metzzeichen tragen, und dass auch sie von deutschen
Steinmetzen gemacht wurden. So wenig man aus den
wenigen annähernd ähnlichen Einzelheiten des Portals
am Piastenschloss zu Brieg auf eine Beziehung zum
Otto Heinrichs-Bau schliessen darf, so wenig sind die
Steigerung Lübke’s und die ungeprüfte Uebernahme
seiiier Aussage vonseiten der Schlosshistoriker und deren
phantasievolle Ueberfragung auf den „Antonj- Bildt-
hawer“ für andere als geduldig Gläubige annehmbar.
Die weitereBehauptung,dieArchitektur derFassade
des Otto Heinrichs-Baues stehe mit der oberitalienischcn
Renaissance in unmittelbarem Zusammenhänge, und
zwar, wie die Historiker wollen, in dem Sinne, dass da-
durch der horizontale Abschluss bedingt sei,
ist durchaus unrichtig. Es weiss jeder, dass die deutsche
Renaissance in ähnlicher Beziehung zu der italienischen
Renaissance steht, wie diese zur römischen Antike.
Hier wie dort ist nicht plötzHch ein neuer Baustil
entstanden, für den aufmerksamen Beobachter ist die
Kontinuität der Forracnentwicklung nirgends unter-
brochen, Die Renaissance war nichts weniger als
eine Wiedergeburt der Antike; es bleiben vielmehr
alle wesentlichen Bauformen, wie sie sich in der vor-
hergegangenen Gothik aus Lebensgewohnheiten und
örtlichen Verhältnissen gestaltet hatten — der Grund-
riss und die Komposition der Fassade — , erhalten;
das steile Dach und der der Schauseite zugewandte
Giebel sind deutsche Art. Die überlieferten Bauforraen
wurden zunächst mit antikisirenden Einzelheiten aus-
gestattet, die sich namentlich durch Kleintheilung und
Reliefbehandlung dem herrschenden Formgefühl an-
passten. Das Raum- und Flächengefühl in Italien war
schon zurzeit, als noch gothisch gebaut wurde, ein
ganz anderes, als in Deutschland und ist es auch
während der Herrschaft der Renaissance geblieben.
Deutsche Steinmetzen haben nach unserer eigenen
Wahrnehmung ihre Zeichen in den alten Theil des
Domes zu Piacenza eingemeisselt, ein Deutscher hat
die Franziskaner -Kirche in Assisi gebaut, aber in
beiden Fällen mussten sich die Deutschen den ita-
lienischen Formgewohnheiten fügen. Der Italiener
Bawor musste umgekehrt in Brieg zierKche Giebel
bauen.
An einen italienischen Architekten aus der Mitte
des XVI. Jahrh. ist schon gar nicht zu denken. Man
überlege, dass in Venedig schon die Biblioteca gebaut
war; Serlio’s Buch war schon erschienen; die Lehren
Alberti's waren durch die antiquarischen Kenntnisse
No, 5
26
längst verdrängt. Man vergleiche auch den Gesainrat-
aufbau und die Em2elformen des im Jahre 1536 durch
einen eigens aus Italien berufenen Architekten gebauten
Belvedere in Prag mit dem Otto Heinrichs-Bau, so
wird man die ganz andere Tonart leicht erkennen.
Mit Lübke kann man einverstanden sein, dass die
Formen unseres Baues an diejenigen gewisser Back-
steinbauten in Oberitalien erinnern. Die Eigenthüm-
üchkeit des Backsteinmaterials bedingt geringe Aus-
ladungen und ein eigenartiges Relief der Architektur-
glieder, die Behandlung des Ornaments, namentlich
dort, wo der Schmuck in den wie Bruchstein versetzten
Backstein eingemeisselt war, hat eine kleine Aehnlich-
keit mit dem Ornament in dem Buntsandstein des
Otto Heinrichs-Baues.
Uebereinstimmungim Gegenständlichen kann an den
deutschen und italienischen Bauten vielfach festgestellt
werden. So finden sich Kaiserköpfe in Medaillons an
vielen Orten; ganz ähnlich denen am Otto Heinrichs-Bau
sind die an der Capella Colleoni zu Bergamo, schon
weniger ähnlich die an demSockelderCertosabei Pavia.
Mit Ornament geschmückte Pilasterfüllungen sind an
den Häusern zu Mailand, Piacenza, Ferrara, Bologna
und a. O. dutzendweise zu zählen. Den Triglyphen-
fries zeigen mehrere Paläste zu Bologna (Pal. Ranuzzi
u. a.), ähnliche Fensterbekrönungen der Dom zu Como
usw. Aber nicht der dargestellte Gegenstand, son-
dern die künstlerische Behandlung giebt die Stilform,
nicht der Text, sondern die Töne machen die Musik.
Thode hat das Rathhaus, die sogenannte Loggia zu
Brescia, Oechelhäuser gar die Certosa bei Pavia als
vorbildliche Beispiele in Italien genannt. Die Archi-
tekten kennen diese Bauten, wir glauben aber nicht,
dass es einen giebt, der die behauptete Aehnlichkeit
zuzugeben geneigt ist. Das Rathhaus in Brescia hat
unten eine offene Halle und darüber ein stattliches
Obergeschoss, welches ursprünglich mit einer Kuppel
gekrönt war, das Ganze in den ausg'ereiften Formen
des Cinquecento. Die Fassade der Karthäuserkirche
ist „das erste Dekorationsstück Italiens“, dessen Zier-
formen mit jener Weichheit, Biegsamkeit und Zier-
lichkeit, mit jener Vollendung und Leichtigkeit in
Marmor gemeisselt sind, die den Vorzug und die
Schwäche der italienischen Renaissance aus jener
Zeit ausmachen; dagegen am Otto Heinrichs-Bau —
ich rede jetzt nicht von Colins Werk — die durch-
aus naive Verwendung italienischen Zierraths aus
einer dort längst entschwundenen Kunstepoche in
deutschem Sinne, unbekümmert um tektonische Ge-
setzmässigkeit, fern von jedem technischen Raffine-
ment, von deutschen Steinmetzen in ehrlichem Neckar-
sandstein ausgeführt, aber gerade wegen seiner Naive-
tät von ewig neuem Reiz. , Man könnte mit demselben
Recht eine Landschaft von Claude Lorrain mit einer
solchen von einem Niederländer vergleichen. Der
Verfasser hat den Otto Heinrichs-Bau gezeichnet, er
hat vorher und nachher zum öfteren die oberitalieni-
schen Bauten, die in Städten und Orten zwischen
Turin und Udine, zwischen Venedig und Rimini, zwi-
schen Mailand und Florenz und zwischen Genua und
Livorno liegen, gesehen, nirgends hat er ein Gebäude
mit der Gesammt-Komposition des Otto Heinrichs-
Baues, nirgends solche Pilaster und Fensterbildungcii,
wie am Erdgeschoss, nirgends solch’ kleine Wand-
flächen, solche enggedrängte Fenster gesehen. Die
schwer profilirten Bedachungen, die von dem Archi-
trav weit überlagerten dünnen Gewändbildungen der
Fenster in den (Obergeschossen sind in Italien einfach
undenkbar. Dagegen könnte man manchen urdeut-
schen Bau einem italienischen Vorbild nähern, wenn
man ihm seine charakteristischen Giebel nähme.
Die Gegner der Wiederherstellung wollen sich
das gewohnte Bild des Schlosses erhalten, dabei
verkennen sie nicht, dass die Ruinen ohne künstliche
Schutzmaassregeln weiter zerfallen. Weder in den
Konferenzen, noch in späteren gedruckten Erörte-
rungen konnte ein Mittel namhaft gemacht werden,
mit dem man die Verwitterung der Steine aufhalten
könnte, auch die „moderne“ Technik kennt kein
solches Mittel. Zur längeren Erhaltung der Substanz
der Ruinen wurden in der Konferenz von 1901 Zement
und Klammern vorgeschlagen, spätere sachliche Be-
sprechungen nannten noch Verputz nach Keimschera
Verfahren und Strebepfeiler. Alle übrigen Vorschläge
gingen nicht über die schon von den Vorständen
des Schloss-Baubureaus vorgeschlagenen, aber auch
als unzureichend für das gesteckte Ziel der längsten
Erhaltung bezeichneten Maassregeln hinaus. Die von
der grossherz. Regierung ehrlich unternommene Aus-
führung der 1891 er Beschlüsse, zu denen sich die
Gegner bekennen, führte durch den Zwang der That-
sachen zum Ausbau des Friedrichsbaues. Sie führten
aber auch dazu, die Ruinen ihres malerischen Reizes,
soweit er nicht in der schönen Architektur besteht,
zu entkleiden, sie in ein Scheinbild künstlichen Alters
zu verwandeln. Zu dem Rüstzeug der Gegner gehört
auch die Behauptung, der bauleitende Architekt
Schäfer habe am Friedrichsbau zuviel gethan, wo
und wie dies geschehen ist, hat keiner clargelegt.
Die Freunde der Wiederherstellung wollen einen
radikalen Neuersatz aller beschädigten Theile, und
sie wollen den gesundeten Mauern denjenigen Schutz
schaffen, den die Baukunst für ein Gebäude normaler
Weise kennt. Den technischen Schutz — die Dächer
und den konstruktiven inneren Ausbau — wollen sie
in derselben Art, wie das anfänglich geschehen war,
formen. Den Nachweis, dass dieses Verfahren die
noch gesunde Substanz der Bauwerke am längsten
erhält, glaubt der Verfasser erbracht zu haben. Die
Befürchtung, dass die erneuerten Bauwerke inmitten
der Ruinen schlecht aussähen, ist hinfällig, weil die
Regierung geneigt ist, eventuell das ganze Schloss
aufzubauen.
Um ein künstlerisch empfindendes Auge zu be-
friedigen, giebt es nur zwei Wege: Entweder man
lässt die Ruine, wie Thode ganz richtig sagt,
auf kürzere Zeit unberührt, man thut dem Wir-
ken der Natur nirgends Einhalt, mit einem
Wort, man lässt die Ruine allmählich zer-
fallen, oder man muss sich dazu verstehen,
das Schloss in alter Pracht und alter Herr-
lichkeit wieder aufzubauen. —
Heidelberg, im Dezember 1901. Fr. Seitz.
Bebauungsplan für ein grösseres Gelände bei Elberfeld.
Von Stadtbauinspektor Voss, Elberfeld.
(Hierzu die Abbildungen auf Seite 29.)
Büdlich von dem Weichbilde der Stadt Elberfeld er-
hebt sich zwischen der Kronenberger Strasse, dem
Ostersiepener Thal und der Jägerhofstrasse ein Ge-
lände, welches auf Verlangen eines Theiles der Grund-
eigenthümer für die Bebauung aufgeschlossen werden soll.
Die Höhenlage dieses Geländes bewegt sich zwischen den
Ordinaten 185 und 336 “ über N. N. Die Fläche weist also
Höhenunterschiede von 150“ auf. Das Gebiet, welches
eine Grösse von über 50 ha besitzt, zeigt eine wellige Ober-
fläche, die ihre grösste Höhe an der Jägerhofstrasse er-
reicht und sowohl nach der Kronenberger Strasse, als
auch nach dem Ostersiepener Thal hin stark abfällt. —
Der von den Hauptbetheiligten der Grundeigenthümer
15. Januar 1902.
zuerst zur Genehmigung eingereichte Entwurf hatte den
Mangel, dass die Strassenzüge von geraden Linien ge-
bildet wurden, welche der Gelände-Gestaltung keine Rech-
nung trugen. Ausserdem fehlte es auch an charakteristischen
Strassenzügen, und es war kein Werth gelegt worden auf
die sachgemässe Ausgestaltung der Längen-Nivellements.
Es ist nicht zu verkennen, dass die Aufstellung zweck-
mässiger Strassenpläne in dem Elberfelder stark durch-
schnittenen Gelände mit ausserordentlichenSchwierigkeiten
verbunden ist. Umsomehr wurde es daher für erforder-
lich gehalten, den Entwurf vollständig neu zu bearbeiten,
wobei den vorerwähnten Gesichtspunkten in möglichst
sorgfältiger Weise Rechnung getragen wurde.
27
Zunächst sei erwähnt, dass die Jägerhofstrasse bereits
ausgebaut ist und dass die Anlagen, die die Bezeichnung
„Friedenshain“ führen, bereits vorhanden sind. Auch der
Spielplatz der Ober-Realschule war schon vor der Auf-
stellung dieses Strassennetzes angelegt.
Das neu aufgestellte Sirassennetz enthält nun eine
Hauptstrasse, welche vom Punkte C des Lageplans (Ab-
bildg. 2) bis zum Punkte A, dem Sandplatz, sich erstreckt.
Die Strasse erhält Fluchtlinien im Abstande von 15 m und
besondere, um 6,5 m hinter den Strassenfluchtlinien zurück-
liegende Baufluchtlinien zur Herstellung von Vorgärten,
so dass zwischen den Gebäuden also eine Breite von 28 ^
vorhanden ist. Die Einschränkung der eigentlichenStrassen-
breite auf 15 m empfiehlt sich aus Rücksicht auf die Ge-
ländegestaltung. Vom Punkte C aus erhält die Strasse zu-
nächst ein Gefälle von 1:36, welches allmählich in ein
solches von rd. i : 17 übergeführt wird. Die Strasse um-
fährt mit immer flacher werdendem Gefälle bis i : 150 die
Mulde des Ostersiepener Thaies und steigt darauf in dem-
selben Verhältniss an der anderen Seite des Thaies in die
Höhe; sie durchbricht einen kleinen Rücken in einem Ein-
schnitt und fällt dann i : 18 bis zum Sandplatz. Die Führung
ist so gewählt, dass die Erdarbeiten möglichst gering sind.
Ausser dieser Hauptstrasse sind noch zwei Haupt-
Verkehrsstrassen vorgesehen, und zwar die Strassen F-E
und G-D. Beide Strassen erhalten eine Breite von je 13 m
und beiderseitige 5 m breite Vorgärten. Für diese Strassen
sind über die Jägerhofstrasse einerseits und die Kronen-
berger Strasse andererseits hinaus bereits Fortsetzungen
vorgesehen, welche das in Rede stehende Strassennetz
mit anderen zukünftigen Bebauungs-Schwerpunkten in
Verbindung bringen.
Von diesen Strassen steigt die mit D-G bczeichnete
zunächst schwach, dann allmählich steiler an; sie über-
schreitet dann den Höhenrücken in einem sanften Bogen
und fällt schliesslich mit einem Gefälle von rd. i : 17 bis
zur Kronenberger Strasse. Die Führung dieser Strasse
ist so gewählt, dass letztere im Grundriss einen Bogen
bildet, durch welchen die Wölbungen im Höhenplan dem
Auge möglichst verdeckt werden. Dieselbe Regel ist auch
bei den übrigen Strassen nach Möglichkeit beachtet worden.
Die Strasse E F senkt sich ständig mit wechselndem
Gefälle bis zur Kronenberger Strasse.
Besonders zu erwähnen ist noch die im Ostersiepener
Thal vorgesehene Strasse, welche mit einer Steigung von
1 : 12, d. h. der steilsten in dem Strassennetz vorkoraraen-
den Steigung, die Kronenberger Strasse mit der zuerst
erwähnten Hauptstrasse verbindet. Diese Strasse erhält
eine Breite von 15 und 3111 breite Vorgärten.
Die übrigen Strassen sind Auftheilungs-Strassen, bei
denen aber auch nach Möglichkeit darauf Rücksicht ge-
nommen worden ist, dass sich durchgehende Verbindungen
ergeben. Für sie sind Breiten von 12 und 10 vorge-
sehen und beiderseitige Vorgärten von je 5 m.
Südlich vom mittleren Theile der Hauptstrasse soll
eine dreieckige Schmuckanlage von ii 000 q® Flächeninhalt
angelegt werden, für welche die Hauptbetheiligten in an-
erkennenswerther Weise bereis die erforderliche Fläche
zur Verfügung gestellt haben. Die hier inbetracht kom-
mende Fläche zeigt Höhenunterschiede bis zu 22
Ungefähr im gleichen Abstande dieser Anlage von
der bereits vorhandenen Anlage „Friedenshain“ ist auf
der anderen Seite des Ostersiepener Thaies in der Nähe
des Sandplatzes eine weitere Anlage in Aussicht genom-
men worden.
Da, wo die Hauptstrasse die Ostersiepener Thalmulde
umfährt, verbietet der grosse Unterschied in der Höhen-
lage zwischen dieser Strasse und der Jägerhof-Strasse die
Herstellung von Verbindungs-Strassen. Damit aber doch
Fussgängern Gelegenheit gegeben wird, ohne zu grosse
Umwege von der einen Strasse zur anderen kommen zu
können, so sind Geländestreifen der Bebauung vorent-
halten worden, welche geschlängelte Fusswege mit einge-
legten Stufen erhalten sollen. Die neben diesen Wegen
liegenden freien Flächen können bepflanzt werden. Zur
freundlichen Ausbildung der Strassenzüge soll ferner noch
durch Herstellung von Baumreihen an geeigneten Strassen
beigetragen werden.
Ueber die Art der Bebauung sind besondere Vor-
schriften bisher noch nicht erlassen worden. Es ist unter
den Betheiligten Neigung vorhanden, durchweg die land-
hausmässige Bebauung zur Ausführung zu bringen, und
zwar wird beabsichtigt, Einfamilienhäuser in einer solchen
Ausstattung herzustellen, dass es auch dem Minderbe
güterten ermöglicht ist, ein solches Einzelhaus zu einem
massigen Preise zu miethen, oder auch zu einem nicht zu
hohen Kaufpreise zu erwerben.
Im Hinblick auf die Schwierigkeit, welche das Ent-
werfen eines zweckentsprechenden Strassennetzes in dem
Elberfelder Gelände verursacht, ist auch der bewährte
Rath des Geh. Brths. Stübben in Köln eingeholt worden,
welcher dem vom Elberfelder Stadtbauamte ausgearbeite-
ten Plane zustimmte und einige Anregungen gab, die bei der
weiteren Bearbeitung Beachtung gefunden haben. —
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- und Ing.-Verein zu Hamburg. Berichtigung.
Das Manuskript des Berichtes über die Versammlung vom
4. Okt. 1901 enthielt einige Angaben, die der Berichtigung
bedürfen. Nicht Hr. Wolff, sondern Hr. Bauinsp. Wulff
hielt den Vortrag über das Bergedorfer Schloss.
Ferner ist die am Schlüsse des Berichtes erwähnte
Wiederherstellung des Landherren-Zimmers nicht nach
Zeichnungen des Malers Schwindrazheim erfolgt; vielmehr
sind die Entwürfe des Zimmers und seiner Ausstattung
sämmtlich aus dem Büreau des Hrn. Vortragenden her-
vorgegangen, während Hr. Schwindrazheim nur die Zeich-
nungen zu den Intarsien des Mobiliars und der Täfelungen
geliefert hat. —
Vers, am i. Nov. 1901. Vors. Hr. Zimmermann,
anw. 96 Pers. Aufg. als Mitgl. Bmstr. Wilh. Hecker, Ing.
Jesso Ohrt.
Nach Erledigung innerer Vereins-Angelegenheiten er-
stattet Hr. H. Olshausen Bericht über die diesjährige
Abgeordneten-Versammlung des Verbandes in Königsberg.
Redner, welcher zum ersten Male als Abgeordneter der
Versammlung beiwohnte, hat die günstigsten Eindrücke
empfangen über die Art, wie dort in sachlicher, würdiger
Form die Interessen unseres Faches vertreten wurden.
Auch über die liebenswürdige Aufnahme durch die ost-
preussischen Kollegen äussert derselbe sich mit warmer
Anerkennung.
Es folgt eine Reihe von Mittheilungen über Eindrücke
beim Besuche der „Ausstellung der Künstlerkolonie
in Darmstadt“. Hr. Groothoff, erläutert zunächst die
praktische Unterlage des Unternehmens. Der junge Gross-
herzog Ernst Ludwig von Hessen, erfüllt von dem Wunsche,
das Kunstgewerbe in seinem Lande zu heben, zog sieben
junge Künstler, die Maler Behrens, Bürck, Christiansen,
den Architekten Olbrich, die Bildhauer Habich und Bosselt
und den Kunstgewerbler Huber heran, stellte bedeutende
Mittel zur Verfügung und gründete'^die Künstlerkolonie
auf der schön gelegenen MathitdenhÖhe bei Darrastadt.
Er selbst Hess aus eigenen Mitteln das Ernst-Ludwighaus
mit 7 Ateliers für die 7 Künstler erbauen, stellte die
letzteren in den Dienst des hessischen Kunstgewerbes,
ohne ihre weitere Thätigkeit nach aussen zu beschränken,
und verhalf vieren dieser Künstler zu einem eigenen Haus-
bau; die drei anderen erhielten Wohnungen im Ernst-
Ludwighaus. Ausser diesen Künstlerwohnungen sind vier
weitere Villen auf dem Gelände erbaut, und diese 8 Wohn-
häuser mit ihrer vollständigen, bis ins Kleinste von den
Künstlern selbst geschaffenen inneren Einrichtung bilden
den I-Iauptgegenstand der Ausstellung.
Redner giebt sodann eine eingehende Schilderung der
Häuser mit ihrer überraschend reichen, eigenartigen, aber
theilweise auch absonderlichen und übertriebenen Aus-
stattung. Er fasst sein Urtheil über die vielumstrittenen
Leistungen als ein günstiges zusammen. Er habe viel
Anregung empfangen, er sei nicht blind gegen die zutage
getretenen Auswüchse, aber ebensowenig blind gegen das
ehrliche Streben und die geradezu aufopfernde Thätigkeit,
mit welcher die Sieben für ihre Ideen und ihre Aus-
stellung gearbeitet haben.
Hr. Löwengard bezeichnet es als einen Fehler, dass
die Darmstädter durch die Reklame so lange vorher die
Erwartungen auf das Höchste gespannt hätten; dadurch
sei vielfach Enttäuschung entstanden. Er habe zwar auch
manche Anregung gefunden; allein dass mit dieser Aus-
stellung eine neue Aera der Kunst anbrechen würde,
konnte wohl niemand erwarten, ebensowenig, dass die-
selbe uns die „Moderne“ erst zeigen sollte. Denn die
Kunstformen seien nichts anderes, als die sonstige „Mo-
derne“, die man überall hat entstehen sehen, und die nicht
plötzHch aus dem Boden springt, sondern wie alle neue
Kunst sich allmählich entwickelt.
Redner geht auf die Betrachtung mancher Einzelheiten
ein und erörtert namentlich die architektonischen Leistun-
gen Olbrich’s, die insofern dem Ganzen ihr Gepräge ver-
liehen haben, als von ihm ausser sämmtlichen übrigen
Ausstellungsbauten sieben der acht Wohnhäuser herrühren.
Letztere haben dadurch, besonders im Grundrisse, etwas
Einförmiges erhalten; im Inneren sei die Ausstattung über-
all viel zu reich und stehe nicht im Verhältniss zur Grösse
No. 5.
28
der Räume und zur Lebensführung der Insassen. In dieser
Hinsicht seien die Dachkammern das beste, deren Ein-
richtung allein in einem bürgerlichen Hause denkbar sei.
Zum Schlüsse betont Redner, dass die sieben Künstler
meist talentvoll seien, dass ihre Behauptung, von der alten
Kunst nichts gelernt zu haben, aber nicht zutreffe — so
wenig wie bei den übrigen Modernen. Von dem erst
Kunst", wie die Künstler ihre Schöpfung in stolzem Kraft-
gefühl bezeichnet haben, von der humoristischen Seite,
wozu die vielfachen Absonderlichkeiten sowohl in den
architektonischen Leistungen, als in der Ausschmückung
der Räume, der Gestaltung der Möbel usw. ein dankbares
Feld bieten. Zum Schlüsse giebt Redner Mittheilungen
aus einer von den Künstlern selbst verfassten Parodie auf
23jährigen Bildhauer Habich dürfe man noch Grosses er-
warten; er habe kein geringeres Vorbild als Michel Angelo,
den er eifrig studirt habe, seine grossen Figuren am Ernst-
Ludwighause seien vortrefflich.
Als dritter behandelt Hr.Faulwass er nach Erläuterung
seines vortrefflichen, in grossem Maasstabe dargestellten
Grundplanes der Gesammtanlage das „Dokument deutscher
15. Januar 1902.
ihre eigene Schöpfung, welche darin als „Ueberdokument
deutscher Kunst" mit einem „Ueberhauptkataloge" be-
zeichnet wird.
Der letzte Redner, Hr, Grell, bedauert, im Interesse
einer Besprechung den Vorrednern keine Opposition
machen zu können, da er die gleichen Eindrücke erhalten
habe. Er betont auch die Uebertreibung und Ueberladung
29
der inneren Ausstattung; man müsse unterscheiden i: wischen
dem Schönen fürs Auge und dem Schönen für den täg-
lichen Bedarf. Ein Haus mit lauter in höchster Raffinirtheit
eingerichteten Zimmern sei nicht gut zu bewohnen, denn
es setze voraus, dass alle übrigen Lebensgenüsse ebenso
raffinirt seien. Es sei aber dem Menschen nicht möglich,
fortwährend Kaviar zu essen, süsse Musik zu hören und
feinsten Duft zu athmen. Redner geht noch des Weiteren
auf einzelne charakteristische Besonderheiten ein und
schliesst mit der Bemerkung, dass man beim Verlassen
der Ausstellung trotz aller Fehler das Bewusstsein hatte,
dass dieselbe nicht von Stümpern, sondern von wirklichen
Künstlern geschaffen sei.
In seinem Ausdruck des Dankes an die Redner hebt
der Vorsitzende hervor, wie dieselben in schätzenswerther
Weise gegenüber dem vielfach phrasenhaften Gerede der
Kunstkritiker den interessanten Gegenstand im Sinne ernster
erfahrener Sachverständiger beleuchtet haben. — jyjo
Arch.- u. Ing.-Vereln zu Magdeburg. Sitzung am 27. Nov.
1901. Vors. Hr. Reg.- u. Brth. Mackenthun. Es hält Hr.
Brth. Claussen einen Vortrag über die Hotopp’schen
Schleusen des Elbe-Travekanals. Er giebt zunächst
ein allgemeines Bild über Geschichte, Länge, Verkehr
und Kosten des im Jahre 1900 eröffneten Kanals, bespricht
dabei das Gebiet, welches derselbe durchläuft, und den
Stecknitzkanal, in welchen derselbe mündet, und beschreibt
die Zweckbestimmung des letzteren, der bereits im Jahre
1336 gebaut ist, aber wegen seines geringen Querschnittes
kaum mehr als den Namen eines Grabens verdiente. Er
geht über zur Erklärung der epochemachenden Erfindung
der Hotopp’schen Schleuse und erläutert durch Tafel-
skizzen und Zeichnungen die Schleuse, deren Kammern,
die Wirkung des Wassereinlasses, die Anwendung eines
als Saugheber wirkenden Röhrensystems und den als Saug-
glocke wirkenden eingemauerten Kessel. Die grossen
Vortheile, die diese Sdileusenanlage anderen gegenüber
hat, liegen nach den Ausführungen des Redners in der tadel-
losen Funktion der einzelnen Apparate, der schnellen Füllung
und Leerung der Kammern, in dem vollkommen ruhigen
Heben und Senken der Schiffe in der Kammer und schliess-
lich in der ausserordentlich einfachen Bedienung, die durch
eine einzige Person vom Wärterhause aus bewirkt wird.
Nachdem noch Angaben über die Grössenverhältnisse der
Gesammtanlage, Anzahl der Schleusen, Baukosten und
Rentabilität gegeben, sowie Vergleiche mit anderen An-
lagen gezogen waren, sprach der Vortragende den Wunsch
aus, dass diese Schleusen-Erfindung bei der Entwurfs-Bear-
beitung des zukünftigen Mittellandkanals Würdigung finden
möge. Auf die Veröffentlichung der patentirten Hotopp’-
schen Erfindung in der „Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure“ wies der Redner besonders hin. Eine allge-
meine Besprechung und lebhafter Dank der Versammlung
schlossen sich dem Vortrage an.
Hr. Branddir. Stolz besprach seine im verflossenen
Sommer gefertigten und im Saale aufgehängten Nafurauf-,
nahmen in Oel- und Aquarell-Ausführungen aus' Danzig.
Stimmungsvolle Architekturbilder, Landschaften, Staffagen
usw. in meisterhafter Durchführung erfreuten die An-
wesenden und brachten dem Meister Dank und. Aner-,
kennung. — Xh.
Münchener Arch.- u. Ing.-Verein. lieber die „Glas-
mosaiken von Ravenna“ sprach in der Wochenver-
sammlung vom 5. Dez. 1901 Hr. Arch. und Kunstmaler Th.
Rauecker. Nach einer geschichtlichen Einleitung über
die musivische Kunst überhaupt erläuterte der Vortragende
an Fland zahlreicher Lichtbilder und Aquarelle die ravenna-
tische Mosaikkunst. Besonderes Interesse. bot seine Schilde-
rung der Mosaiken des Mausoleums der Galla Placidia, der
um das Jahr 425 n. Chr. erbauten angeblichen Grabstätte
jener Regentin, des Battisterio San Giovanni in fonte, der
bekannten Friese der Basilika Sant Apollinare nuovo, so-
wie des berühmten Chores von San Vitale, alles Werke
aus dem 5. und 6. Jahrhundert, welche mit wahrschein-
licher Zuziehung griechischer Mosailckünstler entstanden
sind. Die dargestellten Lichtbilder gaben leider nur die
zeichnerisch hochinteressanten Kompositionen, nicht aber
die hauptsächlich den hohen Kunstwerth begründenden
Farben wieder. Das Kolorit all’ dieser Flächendekorationen
ist ein stimmungsvolles und in der Gesammtwirkung vor-
treffliches, dass der Beschauer darüber ganz die Mangel-
haftigkeit der zeichnerischen Darstellung vergisst. Die
Technik der damaligen Künstler, welche die Ausschmückung
eines solchen Raumes als Lebenswerk betrachten mussten,
war gegen die heutige eine ungleich einfache, da die Farb-
steinchen, vorgezeichneten Konturen entsprechend, in den
frischen Kalkmörtel eingedrückt wurden. Dass Porträt-
Aehnlichkeit dabei nur selten erreicht wurde, ist natürlich.
— In der anschliessenden Besprechung des Vortrages,
an der sich sehr lebhaft die Firn. Prof. v. Schmidt und Prof.
Ho che der, sowie Hr. Solerti betheiligten, trat besonders
das Verlangen hervor, dass zu der oben geschilderten
Technik im Interesse einer originelleren Zeichnung zurück-
gekehrt werden möge.
Nach den fachmännischen Ausführungen des Hrn.
Solerti scheitere dies jedoch hauptsächlich daran, dass
einerseits die Zeit zur Durchführung zeitraubender Arbei-
ten fehlt, andererseits heute die Mosaikkunst nicht mehr
als Flächendekoration für Innenräume, sondern vielmehr
als Ersatz für die in unserem Klima unbeständige Fresko-
malerei zur Ausschmückung der Fassaden Anwendung finde.
Zum Schlüsse erklärte sich Hr. Solerti bereit, in einem
Vortrag auf das vorher Gesagte näher einzugehen. —
Hr. Ob.-Brth. Stemp el eröffnete die Versammlung am
12. Dez. 190 t unter Hinweis auf die beherzigenswerthen
Zeilen, welche Dr. Gg. Hirth .in der „Jugend“ Th. Fischer
ganz besonders, aber der Architektenschaft im Allgemeinen
widmete. Wir veröffentlichen die Ausführungen auszugs-
weise an anderer Stelle.
Der hierauf folgende Vortrag des Hrn. Ing. M. Finkei-
stein über Eisenbetonbau System Hennebique
brachte so viel Neues über das in Frankreich, England,
Italien und in letzter Zeit auch in Mitteldeutschland ver-
breitete Bausystem, dass der Abend zu den interessantesten
der letzten Zeit gezählt werden darf.
An Hand einer grossen Zahl von Lichtbildern ausge-
führter und in Ausführung begriffener Bauten und Kon-
struktionszeichnungen gab Vortragender in freier Rede
ein Bild von der unbeschränkten Anwendbarkeit des
Systems auf alle Arten von Hoch- und Tiefbauten, wie
Fabrikbauten, Waaren- und Geschäftshäuser, Banken, Ge-
treidespeicher, dann Böschungsmauern, Piloten, Wasser-
leitungen, Hochreservoire usw. Eine sehr ausgedehnte
Anwendung fand das System bei den Bauten der Pariser
Weltausstellung (etwa 3000000 M.), woselbst besonders
die rasche, ungehinderte Herstellung grosse Vortheile bot.
Die anschliessende Besprechung, an der sich die Hrn.
Ing. Strecker und Arch. Könyves betheiligten, brachte
noch recht interessante Erläuterungen.
Hr. Stempel sprach zum Schluss dem Vortragenden
den Dank des Vereins aus mit dem Wunsche, dass sich
das System, welches eigentlich der Praxis entsprungen,
durch Theorie unterstützt, sich immer weiter ausbildete,
auch in München ausgedehnte Anwendung finden möge. —
Frankfurter Arch.- und Ing.-Verein. Der Vorstand für
das Vereinsjahr 1901/2 ist wie folgt zusammengesetzt:
Vors. Arch. L. Neher, Stellv. Arch. Frz. von Floven,
Schriftf. Reg.-Bmstr. R. Schmick, Säckelmeister Arch.
Ferd. Abs, Bibliothekar Arch. With. Müller, Vorträge
und Referate Arch. A. Lüthi, Ing. Otto Luck, Festordner
Arch. E; Lemme, Arch. Th. Martin. —
Vermischtes.
Aus einer ungehaltenen Rede von Georg Hirth in
München. „Noch niemals hat es eine Zeit gegeben, in wel-
cher das geistige und namentlich das künstlerische Eigen-
thum so persönhch und individuell verherrlicht worden
wäre, wie heute. Jeder Zeitungsreporter darf seinenUeber-
nachtoffenbarungen die Zügelseines unsterblichen Namens
hinzufügen, und wenn ein junges Volk tanzt, oder ältere
Flerren und Damen mit Musik soupiren, dann kündet uns
das „Programm“ sorglich die weltberühmten Namen Strauss,
Waldteufel oder — Waldmann. Ueberall, wohin wir
blicken, selbst an den kleinsten und unscheinbarsten Er-,
Zeugnissen des Kunstgewerbes finden wir die Spuren
des gravitätisch einherschreitenden Urheberrechts. Nur
an den Kirchen, Palästen, Museen, Rathhäusern, Kasernen,
Theatern, Schulhäusern, Villen, Brücken, Brunnen usw.
finden wir davon nichts. Warum? Nicht etwa, weil es
diesen allerstärksten Dokumenten des öffentlichen Geistes
an Kunst gebricht, sondern weil es seit uralten Zeiten
so Sitte ist und weil unsere heutigen Künstler-Baumeister
nicht das erforderliche Selbstbewusstsein entfalten, um
sich das beizulegen, was sonst jeder Schlossergeselle thun
darf, nämlich sein Werk zu signieren. Ich betrachte das
als einen grossen Fehler. Es handelt sich um die moderne
Hochburg geistiger Arbeit und Freiheit. Man berufe sich
nicht auf die Urkunde im Grundstein, die erst wieder zu
Tage kommt, wenn der Bau zerstört wird; sie könnte
uns Lebenden nur nützen, wenn wir mit Röntgenbiicken
bewaffnet wären. Was würden unsere „Kunstmaler“
dazu sagen, wenn sie ihre Namen in einem verschlossenen
Kouvert auf der Rückseite ihrer Bilder anheften müssten?
Wie viel mehr würden unsere Architekten als Künstler
nicht nur dem grossen Pirblikum, sondern namentlich
auch ihren Auftraggebern, den Fürsten, den Magistraten
No. 5.
30
und privaten Bauherren iraponiren, wenn sie ihr Urheber-
recht breit und stark und weithin sichtbar, wenn auch
künstlerisch-geschmackvoll an der Hauptfassade — nicht
etwa in einem verlorenen Winkel des Treppenhauses! —
hervorheben wollten. Wie viel alt- und neudeutscher
Humor Hesse sich dabei entfalten! Und welches Leben
würde die Baugeschichte unserer Städte gewinnen, wie
viel mehr würde man sich infolge der Betonung des
persönlich-künstlerischen Momentes auch für das Unter-
scheidende, das Spezifische und Individuelle in der Bau-
kunst interessiren. Darum rufe ich den verehrten Künstlern
von der Bauhütte zu: Wer ein Haus baut an der Strassen,
muss die Leute reden lassen, — denn das ist ihr gutes
Recht; aber verfallet nicht in die ärmliche Bescheidenheit
unserer alten deutschen Meister, die an Kirchen und auf
herrlichen Altarbildern wohl die Namen und Gesichter
der Stifter anbrachten, aber von ihrer eigenen, tausend-
mal interessanteren Person uns keine Kunde gaben!
Indem Ihr Euer k;ünstlerisches Urheberrecht an Euren
Werken öffentlich zum Ausdruck bringet, wahret Ihr
Eure höchsten Güter! Dann wird man auch sehen, wess
Geistes Kinder Ihr seid, und ein Jeder wird sich die
grösste Mühe geben , dem deutschen Namen Ehre zu
machen. Bauet immerhin gut deutsch, von Innen nach
.A-ussen, versenket meinetwegen die Geschichte Eurer
Sorgen in den Grundstein zur Erbauung späterer Archäo-
logen, aber vergesset draussen nicht Euer gutes Recht,
das Zeichen des Stolzes der ganzen Bauhütte!" —
(Jugend.)
Unrathfänger mit Geruchverschluss D. R. G. M. No. 157989
von C. F. Weithas Nachf. in Leipzig-Lindenau. Der in
beistehender Abbildung zur Darstellung gebrachte Un-
rathfänger mit Geruchverschluss für Strassen- und Plof-
Sinkkasten, der von
oben genannterFir-
ma seit einiger Zeit
in den Handel ge-
bracht wird, ver-
meidet in seiner
Konstruktion dieje-
nigen Uebelstände,
welche die bisher
üblichen . Wasser-
Verschlüsse, Sy-
phons, Bogenrohre,
mehr oder weni-
ger zeigen, nämlich
leichte Verstopf bar-
keit durch Ver-
unreinigungen und
Frost , erschwerte
Reinhaltung usw. Der Unrathfänger
besteht aus einem oben offenen, mit
Füssen versehenen Hohlzylinder mit
rostartigem Boden, dessen Wandung
- , . äuf'2/3 des Umfanges ebenfalls durch-
upundnss. bohrt ist. Der nicht durchlochte
Manteltheil bildet zusammen mit dem umgelegten Rande und
den senkrechten Rippen, welche Theile dicht in den Sink-
schacht passen, sowie mit dem Wasser den Geruch Verschluss
der Abflussleitung bei a. Da sich alle Sinkstoffe aber in
dem leicht herausnehmbaren Zylinder sammeln, so ist eine
Verstopfung ausgeschlossen, eine Reinigung sehr einfach.
Der Verschluss, von dem einige Hundert schon länger im
Gebrauch stehen, besitzt also praktische Vorzüge, die ihm
eine Anwendung in weiterem Umfange versprechen. —
Ansiclit
In der Stellung des Provinzialkonservators der Kunst-
denkmäler der Provinz Brandenburg ist ein bedeutungs-
voller Wechsel eingetreten. Der bisherige Konservator,
Hr. Geh. Brth. Bluth, hochverdient um die Denkmalpflege
in der Provinz Brandenburg, ist kürzlich gestorben und an
seiner Stelle Hr. kgl. Landbauinsp. Georg Büt tn er in Steglitz
zum Provinzial-Konservator ernannt worden. Büttner, der
im Jahre 1858 in Krofoschin geboren w'urde, war bei den
Wiederherstellungsarbeiten am Dome zu Erfurt beschäftigt
und hat auch ausserdem reiche Gelegenheit gesucht und
gefunden, die Fürsorge für die werthvolien alten Denk-
mäler zu pflegen. —
Preisbewerbungen.
Ein Preisausschreiben um Entwürfe für eiektr. Schiffs-
zug auf dem Teltow-Kanal erlässt die Kanal-Bauverwaltung
mit Frist z. i. Mai d. J. Es sind 3 Preise von 5000, 3000
und 2000 M. ausgesetzt, ausserdem stehen 2000 M. zum
etwaigen Ankauf weiterer Entwürfe zur Verfügung. Preis-
richter sind die Hrn. Ob.-Baudir, v. Doemming, Geh. Brth.
Germelmann, kgl. Brth. Havestadt, General-Sekr. d.
15. Januar 1902.
Verb- deutsch. Elektrotechniker Kapp, Geh. Ob. -Brth.
Wiehert, Reg.- u, Brth. Wittfeld, säramtlich in Berlin,
und Hr. Geh. Brth. Teubert in Potsdam. Bedingungen
(ohne Plananlagen) kostenlos von der Kanal-Verwaltung,
Wilmersdorf, Berlinerstr. 157. —
Wettbewerb Umgestaltung des Ausstellungs-Gebäudes
zu Berlin. Zu Preisrichtern sind in diesem, auf die Mit-
glieder der Vereinigung Berliner Architekten beschränkten
Wettbewerbe gewählt: i. seitens der kgl. Akad. der Künste:
Prof. Hans Hermann, Prof. Hans Meyer; 2. seitens des
Vereins Berliner Künstler: Prof. Max Koch, Prof. E.
Herter; 3. seitens der Vereinigung: Brth. v. d. Hude,
Arch. R, Wolffenstein, Prof. H. Solf. —
Zweiter Wettbewerb Rathhaus Dresden. Unserer bez.
Nachricht in No. 3 können wir heute hinzufügen, dass aus-
schlaggebend für den neuen Wettbewerb die Einschrän-
kung des Bauplatzes für das neue Rathhaus gewesen ist.
Die Ueberbrückung der Gewandhaus-Strasse unterbleibt
und der zwischen Gewandhaus- und Ringstrasse Hegende
Theil des Bauplatzes soll als freier Platz vor dem Rath-
hause liegen bleiben. Das Rathhaus würde demnach in
seiner Ausdehnung verringert und damit auch die Bau-
summe ermässigt werden. Gleichwohl bliebe die Aufgabe
noch eine solche von höchstem Interesse. —
Im Wettbewerb um den Entwurf zu den Anlagen zur
Ausnutzung des Wasserfalles Halfredsfos am Flusse Glom-
men bei Christiania ist der I. Preis der Arbeit mit dem
Kennwort „Norjes Fremtid" des Hrn. Prof. Holz, Aachen,
unter Mitwirkung der Hrn. Reg.-Bfhr. Escher u. Diplom-
;-Ing. Köhler in Aachen, sowie Baugewerkssch. -Lehrer
Sohlberg in Christiania zugefallen. Es handelt sich um
die Ausnutzung des rd. 38 km von der Stadt entfernten
Falles, dem 20000 P. S. abgewonnen werden sollen. Die
Kraftübertragung nach Christiania findet auf elektrischem
Wege statt. —
Chronik.
Die Kirche des Franziskaner-Klosters in Karlowitz b.
Breslau wurde am 15. Nov. dem Gottesdienste übergeben. Der
Rau zeigt eine dreisebiffige gewölbte basil. Anordnung ohne Kreuz-
sehiff; das Mittelschiff ist 13,5 m breit, 25111 hoch, das 15 m lange
Priesterchor ist mit dem Klostergebäiide verbunden. Der mächtige,
breite, etwa 33 m hohe Giebel mit dreitheiligem Portalvorbau ist von
Treppenthünnchen flankirt. Gleich dem Klostergebäiide ist die
Kirche in Backsteinbau ausgeführt. Entwurf und Bauleitung lagen in
den Händen des Arch. L. Schneider in Oppeln. Die Entwürfe
für die reiche Innenausstattung .sind von einem Klosterbruder ge-
fertigt woi'den. Die Baukosten ohne Inneneinrichtung belaufen sich
auf rd. 200000 M. Das .Schiff fasst etwa 2500 Kirchenbesucher. —
Eine Wiederherstellung des Schlosses und des Parkes
von Versailles ist durch die französische Regierung seit 2 Jahren
in Angriff genommen und wird fortgesetzt. Zu diesem Zwecke
sind für das nächste Jahr 260000 Fres. bewilligt. Die Wiederher-
stellungsarbeiten erstrecken sich auf die Schiossfassaden, auf l'rianon,
auf die Orangerie, auf das Bacchus-Becken, auf das „Parterre du
midP', auf den „Garten des Königs" usw. —
Die Franziskaner-Kirche in Salzburg, ein im Wesentlichen
aus dem XIII. Jahrhundert stammender Bau mit gothischen Theilen
und barocken Zuthaten, wurde nach einer Wiederherstellung durch
Brth. J. W e s s i k e n , eines Schülers Schmidt’s, dem Gottesdienste
wieder übergeben. —
Ein neues Theater in Wien ist für den Bezirk Landstrasse
geplant. Mit dem Bau des hinter dem Hauptzollamte zu errichten-
den Hauses soll bereits im kommenden Frühjahre begonnen werden.
Ein neues Gebäude für das Kriegsministerium in Wien
ist mit einem Aufwande von 15 Mül. Kr. am Stubenring geplant.
Als Baustelle ist der Platz zwischen dem Oesterreichischen Museum
für Kunst uud Industrie und dem Donaukanal in Aussicht ge-
nommen. Der Entwurf ist lin Kriegsministerium selbst ausgearbeitet
worden. Der österr. Ing.- und Arch.-Vereio hatte gebeten, ihn
zum Gegenstände eines MIgemeinen Wettbewerbes zu machen. —
Ein neues städtisches Krankenhaus in Karlsruhe ist auf
einem westlichen Waldgelände mit einem Aufwande von 3,5 Mill. M.
bei einem Belag von 500 Betten geplant. —
Die Errichtung eines Monumental-Brunnens auf dem
Residenzplatze in Passau aus Anlass der 1903 stattfindenden
Jahrhundertfeier der Einverleibung des Fürslbisthums Passau zur
Krone Bayerns ist beschlossen worden. —
Eine neue evang. Kirche in Bocholt, nach dem Entwurf
des Firn. Arch. Otter in Wesel mit einem Kostenaufwand von
rd. 160000 M. (ohne Glocken, Kanzel, Orgel) errichtet, wurde am
15. Nov. d. J. eingeweilit. —
Die Vollendung der Fassade von Santa Maria in Venedig,
der an der Riva dei Schiavoni gelegenen Kirche mit den Meister-
werken des Moretto und des Tiepolo, ist durch ein der Stadt
Venedig zugefallenes Legat von 2 Mill. Lire gesichert. Man denkt
an einen Wettbewerb. —
Die Feuersgefahr des Louvre und des Schlosses in Ver-
sailles, verursacht bei ersterem durch die in dem Gebäude ent-
haltenen zahlreichen Wohnungen, bei letzterem ausserdem durch
den Mangel einer geeigneten Wasserleitung, ist Gegenstand der Er-
wägungen der bez. französischen Behörden, ~
Ein neues Wiener Theater soll mit einem Kostcuaufwande
von 1200000 Kr. für den Bau im Bezirk Meidling errichtet und ini
Verlaufe eines Jahres fertig gestellt werden. —
31
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Garn.-Bauinsp. Krebs in Berlin ist
als techn. Hilfsarb. zur Int. des Gardekorps und der Garn.-Rauinsp.
Ku hs c in Bonn wird z. i. April nach Bitsch versetzt. — Garn -Bau-
iiisp. Seemann in Berlin scheidet z. 1.4. aus der Garn.-Bauverwltg.
Der char. Brth, Müller bei d. Int. des XII. (r. k. sächs.)
. Armee-Korps ist z. Int.- u. Brth. und der Reg.-Bmstr. B a r t h o 1 d
in Zittau ist z. Garn.-Bauinsp. ernannt.
Den Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. bei der Reichseisenb. Stöc kickt
XI. Kriesche in Strassburg i. E., Lawaczeck in Saargennind
und Drum in Colmar ist der Char. als Brih. mit dem persönl.
Range eines Rathes IV. Kl. verliehen.
Bayern. Versetzt sind: Die Ob.-Bauinsp. Fahr in Würzburg
nach Ochsenfurt, als Vorst, der Eisenb.-Bausektion , Fries in
Bamberg nach Aschaffenburg, Wagner in Nürnberg nach Bam-
berg, der Dir. -Ass. Haselbeck in München zur Eisenb.-Betr.-
Dir. Nürnberg und der Eisenb.-Ass. Wörner in München zur
Gen. -Dir. der Staatseisenb.
Bez.-Ing. Theuern er in Weiden ist in Ruhestand getreten.
Hamburg. Die lug. B u n n i e s und G r a n 2 i n sind zu
Bmstrn. der Baudeput., Sekt. f. Strom- u. Hafenbau, ernannt,
Preussen. Dem Int- u. Brth. a. D Geh. Brth. Bandke in
Strassburg i, E. ist der Rothe Adler-Orden III. Kl. mit der Schleife
dem Dir. der Mechan.-Techn. Versuchsanst. in Charlottenbiirg Geh.
Reg.-Rath Prof. Martens der Rothe Adler-Orden IV. KL, dem
Prof, an der Techn. Hochschule in Hannover, Geh. Reg.-Rath
Barkhausen der königl. Kronen-Orden IlL Kl. und dem etatm.
Prof, an der Techn. Hochschule in Berlin Strack ist der Char.
. als Geh. Reg.-Rath verliehen.
Den Reg.- u. Brthn. Brandt in Hannover und Winde in
Minden ist die Erlaubniss zur Annahme und Anlegung des ihnen
verlieh. Ehrenkreuzes III. Kl. des fürstl. schaumburg-lippischen
Hausordens ertheilt.
Der Geh. Brth, u. vortr. Rath im Min. der öff. Arb. Hoff-
mann ist z. Geh. Ob.-Bvth. ernannt
Den Kr.-Bauinsp. Gruhl in Osterode, Kruse in Siegen,
L ü r i g in Aachen, P r i e s s und Ochs in Magdeburg, S c h ö cl r e 3'
in Saarbrücken, Wosch in Wiesbaden, Harms in Magdeburg,
S c h u 1 1 e s s in Karthaus , Prof. Baske in Potsdam, Walther
in Schweidnitz, Killing in Leobschütz, Heinz e in Stendal,
Wiehert in Insterburg, Abesser in Wittenberg, Elkisch in
Delitzsch, D o e h 1 e r t in Stralsund , Bergmann in Rastenbnrg,
M e 1 1 k e in Aniswalde, Hohenberg in Friedeberg und Stock
in Rüdesheira, — den Landbauinsp. K ö r b e r in Berlin, W en d o r ff
in Königsberg i. Pr,, Molz in Trier, Fr. S c h u 1 1 z e, Eh r h ar d t
und de Bruyn in Berlin, — den Rauinsp. Reissbrodt in
Berlin, Lehmann in Rixdorf und Hiller in Berlin, — den
Wasser-Bauinsp. Graevell in Posen, Unger in Danzig, Stelkens
in Rubprt, Kopplin in Stade, Harnisch in Marienburg, Voss
in Tapiau, Ehlers in Krossen a. O., Richter in Lüneburg,
Roloff in Berlin, Rössler in Koblenz, Schulz in Fürsten
walde, Twiehaus in Magdeburg, Schnack in Hirscliberg,
Taut in Marienwerder, Kersjes in Tilsit, Nizze in Plön,
Bindemann in Berlin und Off ermann in Buenos-Aires, —
den Hafen-Bauinsp. Müsset in Memel und Nakonz in Pillaii
dem Masch.-Insp, Rudolph in Bredow ist der Char. als Brth.
mit dem persönl. Range der Räthe IV. Kl. verliehen.
Den Gew.-Insp, Toruier in Inowraziaw, Rinne b erg in
Guben u. Kn oll in M.-Gladbach ist der Char. als Gew. -Rath
mit dem pers. Range der Räthe IV. Kl., Brth. Poetsch, Assist,
an der Techn. Hochschule- Berlin, das Prädikat Prof, verliehen.
Die Reg.-Bfhr. Heinr. S c h w e i c h c 1 aus Wildeshausen, Rieh.
Rössing aus Hannover und Aifr. L 0 e b e 1 1 aus Berlin (Wasser-
u. Strassenbfeh.) — Emil Haupt aus Kosten, Joh. Cleve aus
Elberfeld u. Rieh. Pie hl aus Quittainen (Eisenbfeh.), — Friedr,
Engelhardt aus Berlin u. Paul Ehrhardt aus Soest (Masch.-
Bfch.) sind zu Reg. -Bmstrn. ernannt.
Den Rcg.-Bmstrn. Jul. Rolffs in Chai-lottenburg, Ernst
Bocrschmann in Halensee und Wilh. Goette in Berlin ist
die nachges. Entlassung aus d. Dienste d. allgem. Bauvorwalt, ertheilt.
Sachsen. Der Geh. Brth. u. vortr. Rath Temper in Dresden
ist in den Ruhestand getreten und erhielt das Komtliurkreuz II. Kl.
des Albrechts-Ordens. — ■ Den Brthn. Baumann in Bautzen und
T r a u t m a n 11 in Dresden ist das Ritterkreuz I. Kl. vom Albreclils-
Orden verliehen.
Der Ob.-Brth. Prof. Dr. Ulbricht bei der Gen.-Dir. der
Staatseisenb. ist z. Geh, Brth. u, techn. vortr-. Rath und der Ein.- u.
Brth. Reichelt bei der Plochb.-Verwaltg, zum techn. Hilfsarb.
im Fin.-Minist. ernannt.
Dem Brth. Schmidt in Dresden I ist der Tit. u. Rang eiires
Fin.- u, Brths. in Gruppe i dev IV. Kl. der Hofrangordnung ver-
liehen, und ist derselbe den techn. Räthen des Fin.-Minist. zur
Unterstützung und Vertretung beigegeben.
Dem Brth. Gläser in Plauen ist das Landbauamt I in Dresden
übertragen und der Landbauinsp. Heinpel in Leipzig ist z. Brth.
u. Vorst, des Laadbauamts Plauen i. V. ernannt. — Dem Land-
bauinsp. Gel brich in Chemnitz ist der Tit. u. Rang eines Brths.
in Gruppe 14 der IV. KI. der Hofrangordnung verliehen. — Der
Reg.-Bmstr. U h 1 i g in Dresden ist z Landbauinsp. ernannt.
Der Reg.-Bmstr. Lautensack in Chemnitz ist auf s. Ansuchen
aus dem Staatsdienste entlassen.
Die Reg.-Bfhr. Dettelbach in Leipzig, Gretzschcl in
Lengenfeld, Hempel in Burgstädt, Hennig in Weissenberg,
P a h I i s c h in Mylau und Michauck in Chemnitz sind zu Reg.-
Bmstrn. bei den Staatseisenb, ernannt.
Ob.-Brth. Pfeiffer, Mitgl. d. Gen.-Dir. d. St.-E.-B. ist gestorben.
Württemberg. Der Masch-Insp. Kassier io Heilbronn ist
auf die Stelle eines Vorst, der Eisenb.-Werkst.-Insp, Aalen ver-
setzt. Der Reg.-Bmstr. Ru pp in Süssen ist z. Abth.-Ing. b. dem
bauteclin. Bür. der Gen.-Dir. der Staatseisenb. beförderl.
Dem Brth. Findeisen bei der Minist. -Abth. für das Hoch-
bauwesen ist das Ritterkreuz I. Kl. des Friedrichsordens verliehen.
Der Telegr.-Insp,, tit. Brth. Wagner in Stuttgart ist in den
Ruhestand versetzt und ist demselben der Titel u. Rang eines Ob.-
Brths. verliehen. — Der Reg.-Bmstr. F i s c h e r in Ulni ist z. etatm.
Reg.-Bmstr. im Fin.-Depart. ernannt.
Der Brth. Dr. C. Schick in Jerusalem ist gestorben.
Brief- und Fragekasten.
Anmerkung der Redaktion. Die Anfragen für unseren Brief-
und Fragekasten häufen sich in der letzten Zeit in einer solchen
Weise, dass die Beantwortung derselben bei dem bescheidenen
Raum, den wir dieser nur zur Verfügung stellen können, sich gegen
unseren Willen vielfach verzögert. Wir sehen uns daher zu der
Bemerkung genöthigt, dass wir künftig nur die Anfragen von all-
gemeinem Interesse berücksichtigen können, welchen d e r
Nachweis des Bezuges unseres Blattes beigefügt ist.
Wenig Aussicht auf Beantwortung haben ausserdem die Anfragen,
deren Erledigung auf dem Wege der Anzeige möglich ist. Grund-
sätzlich sollte der Briefkasten nur dann in Anspruch genommen
werden, wenn andere Wege versagen. —
Hrn. Arch. Herrn. Sch. in St. J. Ihrer Sachdarstellung ist
zu entnehmen, dass Sie die Preisausschreibungen für den Besteller
des Werkes besorgt und damit in dessen Vollmacht gehandelt
haben. Ist dem so, dann gebührten die eingegangenen Angebote
Ihrem Vollmachtgeber und nicht Ihnen. Er hat also ein Recht,
deren Herausgabe zu verlangen und würde in einem bezüglichen
Rechtsstreite obsiegen. Sollte jedoch die Fassung des Vertrages
eine andere Deutung zulassen, was nur aus seinem Wortlaute zu
beurtheilen ist, so würde selbstredend die vorstehende Antwort
nicht zutreffen, — Auch in dem zweiten Falle kann wegen fehlenden
Wortlautes des Vertrages die Antwort nur bedingt ausfallen.
Ist das Anbringen eines Schildes Ihnen nicht ausdrücklich zuge-
standen, so braucht der Besteller sein Anbringen nicht zu dulden.
Ist indess das Schild auf dem Bürgersteige ohne Verbindung mit
dem Bauwerk oder Bauzaun angebracht, so würde allerdings der
Bauherr in dessen Bestand keinen Eingriff in seine Rechte nacli-
weisen können und folgeweise nicht befugt sein, die Wegnahme
zu erwirken. Wohl aber könnte er durch Vermittelung der Polizei
sein Ziel erreichen, welche die Verengung der öffentlichen Wege
durch Bauwerke nicht gestatten soll. — K. H-e.
Hrn. Arch. C. R. in Iserl. Eine Abrede des von Ihnen
wiedergegebenen Wortlautes widerspricht weder dem gellenden
Rechte noch den guten Sitten. Vielmehr darf der Besteller eines
Werkes vollen Schadensersatz für den Ausführungsverzug fordern.
Uebersteigt sein nachweisbarer Schaden den Betrag einer verein-
barten Vertragsstrafe, so darf neben der letzteren diese Differenz
gefordert wei den (B. G. B. § 340). K. H-e.
Hrn.' Mrmstr. P. Kr. in 'Wurzen. Ein billiges Mittel wird
dem beobachteten Schaden überhaupt nicht dauernd abhelfen
können. Es wäre zunächst ein Versuch dahin zu machen, die
Ventilations-Oeffnungen so gross anzulegen und sie einander gegen-
über derart anzuordnen, dass unter den Balken ein lebhafter Zug
entsteht. Dadurch würde die Feuchtigkeit zweifellos etwas ge-
mildert werden. Will man weiter gehen und dauernde Abhilfe
schaffen, so würde nichts anderes übrig bleiben, als den Holzboden
aufzunchraen und auf den Mutterbodeu eine Betonschicht, sowie
auf diese eine Asphaltschicht aufzubringen. Das würde eine zwar
theure, aber eine voraus.sichtlkh gründliche Abhilfe sein —
Hrn. O. K. in Kattowitz. Fussböden und Decken eines
Rathhauses unterscheiden sich nicht von denen anderer Verwaltungs-
gebäude. Wir müssen Sie deshalb auf die üblichen Lehrbücher,
z. B. unsere „Baukunde des Architekten“ (Verlag „Deutsche Bau-
zeitung, G. m. b H.“, Bernburgerstr. 31) verweisen. Fragen dieser
Art ermangeln des allgemeinen Interesses und eignen sich infolge-
dessen nicht zur Beantwortung im Briefkasten. —
Hrn. Bmstr. F. H. in Neustadt. Wenn Ihnen eine Grati-
fikation vor Zeugen zugesichert ist, haben Sie allerdings einen
rechtlichen Anspruch darauf. Die Höhe derselben würde Gegen-
stand einer gutachtlichen Festsetzung vom Gericht sein müssen.
Mit nachträglichen Forderungen für Ueberstunden würden Sie da-
gegen kaum Erfolg haben. Ihre übrigen Fragen lassen sich ohne
genauere Kenntniss der mit Ihnen getroffenen besonderen Ab-
machungen nicht beantworten, bezw. würde auch hier das Urtheil
der gerichtl. Sachverständigen entscheiden. —
Hrn. Arch. P. W. in Hameln. Wiederholt haben wir an
dieser Stelle erklärt, dass bei der Anwendung der Honorarnorm
die Vorbildung des Architekten ganz gleichgiltig ist, dass es viel-
mehr nur darauf ankomnit, ob der Gehalt der Arbeit ein solcher
ist, dass die Norm zur Anwendung gelangen kann. —
Hrn. H. B. in Salzwedel. Ihre Anfrage entzieht sich unserem
Arbeitsgebiet, tragen Sie dieselbe einem chemischen Laboratorium vor.
Hrn. Bfhr. W. S. in Schwerte. Da die Abwässer in den
Kellern übelriechende Gase entwickeln, so müssen Sie den An-
schluss an den Abflusskanal von aussen suchen. —
'Hrn. Ing. L. H. in Reutlingen. Wir müssen Sie mit Ihrer
Anfrage auf den Anzeigentbeil unserer Zeitung vei-weisen. —
Anfragen an den Leserkreis.
Welche Erfahrungen liegen vor über Bodenbelag in Turn-
hallen, wenn diese unterkellert sind und nicht allein zum Turnen,
sondern auch bei Festlichkeiten als Tanzboden benutzt werden
sollen? C. D. iu Höchst a. M.
Welche Werke behandeln die Anlage von Drahtseilbahnen?
R. S. in W.
Inhalt: Die'Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses, insbes. des
Otto Heinrichs-Baues (Schluss). — Bebauuagsplau für ein grösseres Gelände
bei Elberfeld. — Mittheilungeo aus Vereinen. — Vermischtes. — Preishe-
werbungen. — Chronik. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b, H., Berlin. Für die Redaktion
veranwoitl. Albert iiofmanii, Berlin. Druck von 'Wilh. Greve, Berlin.
No. 5.
32
AUZEITUNG.
GANG. * * N9; 6. ^
. ig02. *
Die Gestalt Bismarcks nach dem Modell von Hugo Lederer.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein Bismarck-Denkmal
in Hamburg. (Hierzu eine Bildbeilage und die Abbildung auf Seite 37.)
m 30. Juli 1898 starb Fürst Otto von Bis-
marck, der Schöpfer des neuen deutschen
Reiches, sein erster Kanzler. An einem
mythischen Tage, am i. April 1815, geboren,
erreichte er das mythische Alter von 1000
Monaten. Die Weihe des Mythos umgab nicht nur
sein Ende, sie umgab schon seinen Lebensabend seit
seinem Scheiden aus dem Dienste. Denn nunmehr
wurde sein warnendes Wort zum Worte des Pro-
pheten; die Periode Bismarck’scher Staatskunst lebte
fort und lebte, so lange ihr Träger lebte. Erst nach
seinem Hinscheiden hatte das deutsche Volk das Ge-
fühl, dass nunmehr der Abschnitt deutscher Zeitge-
schichte zu Ende sei, der den gew’altigen Namen des
Bismarck'schen führt. Erst als er todt war, kam man
zu dem vollen Bewusstsein der Grösse des Verlustes.
Und nun trat allerorten das Bestreben hervor, sein
Andenken zu erhalten. Er aber, der ein anderer
deutscher Mann war, als die, welche die Geschichte
bis dahin als leuchtende Gestirne bezeichnete, er, der
der Grösste und Edelste war unter allen denen, die
dem deutschen Volke je erstanden waren, sein An-
denkenkonnte nicht in der überkommenen Art, welche
dem Andenken der anderen nur eben gerecht geworden
war, festgehalten werden. Schon in Frankfurt a. M.
sollte dem grossen Kanzler ein Denkmal Schillings
erstehen, welches seine von dem Herkömmlichen
abweichende Form auf den Ausspruch stützt, den
Bismarck 1867 that: „Setzen wir Deutschland in den
Sattel, reiten wird es schon selber“. Eine Germania
hoch zu Ross, das bereit zum Ansprung ist, Bismarck
daneben, dem Ross die Zügel lassend, das ist der
eigenartige Gedanke des Denkmales an der ehe-
maligen Grenzscheide zwischen Nord und Süd.
Eigenartiger aber noch und urwüchsiger fasste die
deutsche Studentenschaft ihren Plan. Ueberall in
deutschen Landen, wo ein kräftiges Gemeinwesen
unter dem Schutze des geeinten Vaterlandes em-
porblühen konnte; überall da, wo die Alten sich
freuen, dass der Traum ihrer Jugend so herrlich in
Erfüllung gegangen; da allenthalben, wo die Jungen
von der erstrittenen Machtstellung des Reiches den
Blick auf hohe, weltumspannende Ziele richten, da
sollen zum ewigen Gedächtniss des Kanzlers Bis-
marcksäulen errichtet werden.
Am I. April, dem Tage, an welchem Bismarck vor
beinahe neun Jahrzehnten in einem Deutschland geboren
wurde, welches wohl einen deutschen Bund bildete,
aber kein Deutsches Reich war und alles besass, nur
keine nationale Einheit, und dann an dem anderen Tage,
am 21. Juni, als dem Tage der altgermanischen Sonn-
wendfeier, für diese beiden Tage erging der Ruf der
Studentenschaft an dieDeutschenallcrOrten,sich zu ver-
einigen zu einem Feste der Freude am Reich und an
seinem Gedeihen. Vor den Denkmälern sollen sie,
wenn auch Parteiungen sie spalten, in aller Zukunft
sich erinnern, dass der Deutsche wieder ein Vaterland
besitzt, ein Vaterland, welches er mit Stolz nennen
kann, ein Vaterland, welches ihm ein einziger Mann
wiedergegeben hat. Am Abend der Gedenktage w'erden
lodernde Feuerscheine von den Spitzen der Bismarck-
säulen herab verkünden, dass der Gedanke an Bismarck
und sein Werk eine lebendige Kraft im deutschen
Volke ist, so lange die Säulen dauern. Härtester
deutscher Granit sollte für sie verwendet werden; ein
Wettbewerb wurde um ihre Form ausgeschrieben, der
wie kein anderer begeisterten Anklang fand und der
wie kein anderer grosse und deutsche Gedanken zu-
tage förderte. Mit ihm war die Uebcrlieferung in der
deutschen Denkmalkunst, die immer mehr verflachte,
wieder durch einen frischen Strom neuer Gedanken
durchbrochen. Zum zweiten Mal seit langer Zeit durch-
33
brochen, nachdem Bruno Schmitz die erste Bresche
in das gleichmüthige Herkommen gelegt und Theodor
Fischer in München seinen gewaltigen und eigen-
artigen Bismarckthurm am Starnberger See errichtet
hatte. Wilhelm Kreis in Dresden war es, welcher im
Wettbewerb der deutschen Studentenschaft mit wuch-
tiger Hand der Ueberlieferung den zweiten Streich ver-
setzte. Was er schuf, war neu, gross und dauernd,
was er gab, war würdig, der Erinnerung eines Riesen
zu dienen. Ihm folgten andere auf der betretenen Bahn,
weniger neu, weniger gross, immer aber noch grösser,
als das, was bis dahin dargeboten werden konnte.
Und die dritte Bresche in die verblassende Ueber-
lieferung hat der Hamburger Wettbewerb um Entwürfe
für ein Bismarck-Denkmal gelegt.
Am Lebensabend des Fürsten Bismarck ist die
Stadt Hamburg in engere Beziehungen zum Kanzler
getreten, in Beziehungen, welche in der Bevölkerung
die Verpflichtung reiften, sein Andenken in einer Weise
zu erhalten, die den gleichen Bestrebungen der Reichs-
hauptstadt nicht nachstände, den Bestrebungen aller
anderen Städte des Reiches aber vorangehe. Das war
auch das Gefühl de- Künstlerschaft und als daher das
zuständige Comite am 15. Juni 1901 einen allgemeinen
Wettbewerb um Entwürfe für ein Bismarck-Denkmal
in Hamburg unter den Künstlern deutscher Reichs-
angehörigkeit ausschrieb, wurde derselbe mit um so
grösserer Freude begrüsst, als das Bismarck-Denkmal
in der Reichshauptstadt nicht das verkörperte, was
das deutsche Volk in seinem ersten Kanzler sah. Ins-
besondere die Künstlerschaft blickte mit grösseren Er-
wartungen auf Hamburg und brachte ihr Vertrauen
auf die Möglichkeit, hier ein der ungewöhnlichen Be-
deutung des Staatsmannes entsprechendes Denkmal
erstehen zu sehen, in einer so reichen Beschickung
des Wettbewerbes zum Ausdruck, wie sie selten noch
dagewesen ist. Obwohl die Preise an Zahl und Höhe
erheblich geringer waren,- wie die Preise, welche bei
dem Wettbewerb um Entwürfe für das Bismarck-Denk-
mal in Berlin verliehen wurden, überstieg doch die
Anzahl der eingelieferten Arbeiten in Hamburg weit
mehr als das Doppelte die Zahl der Entwürfe für das
Berliner Denkmal. Unzweifelhaft kommt in diesem
Zahlenverhältniss auch eine Stellungnahme der deut-
schen Künstlerschaft zu der Berliner Kunstpolitik zum
Ausdruck und ebenso unzweifelhaft ist die reiche Be-
schickung des Hamburger Wettbewerbes zum nicht
geringen Theile auf das Vertrauen der deutschen
Künstlerschaft zu der Zusammensetzung des Preis-
gerichtes für diesen Wettbewerb zurückzuführen. Der.
Bestimmung des Programmes entsprechend, dass unter
Berücksichtigung einer Kostensumme für das Denk-
mal von 400 000 M. die Bewerbung sowohl durch
Zeichnungen wie durch Modelle oder durch beides
erfolgen konnte, und dass sowohl architektonische wie
bildnerische Entwürfe oder eine Verbindung beider
zum Wettbewerb gestellt werden konnten, bestand
das Preisgericht ausser drei Nichtkünstlern als Ver-
treter der Stadt Hamburg aus drei Architekten —
Martin Haller, Camillo Sitte, Paul Wallot — , zwei
Bildhauern — Robert Diez, Rudolf Maison — , und
dem Vorstande der Skulpturen-Sammlung in Dresden,
Dr. Treu, aus lauter Beurtheilern, welche im Kunst-
leben der Gegenwart eine erste Stellung einnehmen
und durch ihre künstlerische und kunstschriftstellerische
Thätigkeit erwarten Hessen, dass sie den eingelieferten
Werken mit der unbefangenen Fähigkeit gegenüber-
treten würden, der besten, eigenartigsten, der dem
ungewöhnlichen Gedanken der Aufgabe am meisten
entsprechenden Arbeit zum Siege zu verhelfen. Dieses
Vertrauen der deutschen Künstlerschaft ist glänzend
gerechtfertigt worden. Und nicht in letzter Linie ist
der reiche Erfolg des Wettbewerbes auf den Umstand
zurückzuführen, dass sich das Denkmal-Comite zwar
das Recht der freien Wahl des auszuführenden Ent-
wurfes vorbehielt, indessen gleichzeitig erklärte, dass
es den Wunsch hege, „den mit dem ersten Preise
ausgezeichneten Entwurf zur Ausführung zu
bringen.“ Wir hatten schon mehrfach Gelegenheit,
auf die Gesundung des vielfach an dem schweren
Siechthum der Anrufung der deutschen Künstlerschaft
auf dem Wege der Wettbewerbe ohne Uebernahme
der praktischen Folgerungen, die aus dem Spruche
der Preisgerichte abzuleiten sind, leidenden deutschen
Konkurrenzwesens, auf die Gesundung, wie sie nament-
lich von Hamburg aus mit besonderem Nachdruck
vertreten wird, hinzuweisen. Den Künstlerkreisen
Hamburgs und insbesondere den dortigen Ver-
tretern der Architektur gebührt für die andauern-
den Bemühungen, der Künstlerschaft die durch harten
Kampf wohlerworbenen Rechte praktisch zu sichern,
der wärmste Dank der deutschen Fachgenossenschaft,
und mit Freuden kann an dem inrede stehenden Wett-
bewerb der schöne künstlerische Erfolg für diese Be-
strebungen festgestellt werden. Dem Vernehmen nach
sind bereits Verhandlungen mit den Verfassern des
Zur Erinnerung an Eduard Jacobsthal.
(Fortsetzung statt Schluss.)]
eit dem vollständigen Uebertritt Jacobsthals zum Lehr-
fach*) hat sich sein Leben in verhältnissmässig so
einfachen Formen und in so ruhigem Gleichraaass
abgespielt, dass es kaum erforderlich sein dürfte, die ein-
zelnen Ereignisse desselben in geordneter Zeitfolge anzu-
führen. Als Bau- und Gewerbe- Akademie zur Tech-
nischen Hochschule vereinigt wurden, trat er in den
Lehrkörper der neuen Anstalt über, an deren Entwicklung
er nicht nur durch den an ihr ertheilten Unterricht, son-
dern auch durch seine niemals versagende, thätige Mit-
wirkung an den organisatorischen Arbeiten der Verwaltung
eifrigen und erfolgreichen Antheil genommen hat. Wieder-
holt ist er Vorsteher der Abtheüung für Architektur und
i. J. 1889/90 Rektor der Hochschule gewesen; im Frühjahr
*) Durch einen Druckfehler ist auf S. 24 als der Zeitpunkt dieses
Uebertrittes das Jahr 1881 angegeben -worden. In Wirklichkeit fällt die
Berufung Jacobsüials zum ordentlichen Lehrer an der Bauakademie in den
November 1873, seine Ernennung zum Professor in den Januar 1874, seine
Berufung an die Gewerbe-Akademie in das Jahr 1876.
Durch die Zuschrift eines Lesers, der im Herbst 1856 auf dem Danziger
Gymnasium die Afaiturienten-Prüfung bestanden hat, des Hrn. Dir. Swiderski
in Dresden, wird noch die Mitthellung berichtigt, dass Jacobsthal seine
Schulbildung auf dieser Anstalt empfangen habe. Ich habe die bezgl.
Angabe einem mir zur Verfügung gestellten Auszuge aus den Personal-
Akten des Verstorbenen entnommen, obwohl ich selbst mich zu erinnern
glaubte, von ihm gelegentlich gehört zu haben, dass er auf einer Realschule
ausgebildet worden sei. Es ist die letztere, durch jene Zuschrift wohl
unzweifelhaft festgestellte Thatsache namentlich insofern von, Interesse, als
sie beweist, dass Jacobsthal seinen Entschluss, sich dem Baufach zu widmen,
erst unmittelbar vor seinem Abgänge von der Schule gefasst haben kann.
Denn die im März 1855 inkraft getretene Vorschrift, nach welcher die Zu-
lassung zur Bauakademie fortan auf Abiturienten der Gymnasien beschränkt
werden sollte, kann frühestens zu Anfang d. J. 1856 aufgehoben worden
sein, nachdem sie mittlerweile Gegenstand eindringlicher Beschwerden im
Landtage gewesen war.
1894 wurde ihm der Charakter als Geheimer Regierungs-
Rath verliehen. — An den Prüfungen der angehenden
Staats-Baubeamten war er als Mitglied des Technischen
Prüfungsamtes von 1876—1879, und als Mitglied des Tech-
nischen Ober - Prüfungsamtes von 1880 — 1884 betheiligt.
Als i. J. 1880 die Akademie des Bauwesens begründet
wurde, zählte Jacobsthal zu den 7 Architekten, die neben
einer gleichen Anzahl leitender Staatsbaubeamten des Hoch-
baufaches zunächst als ordentliche Mitglieder in dieselbe
berufen wurden; er hat ihr seither ununterbrochen ange-
hört. 1883 wurde ihm, als einem der ersten unter den
deutschen Architekten, die i. J. 1881 gestiftete Denkmünze
für Verdienste um das Bauwesen (in Silber) verliehen.
Doch nicht nur als Lehrer und in den oben genannten
Nebenämtern hat Jacobsthal dem Staat seine Dienste ge-
widmet, sondern es nahm der letztere auch noch wieder-
holt seine künstlerische Kraft in Anspruch, indem er ihm
weiterhin die Aufstellung der Entwürfe zu verschie-
denen Staatsbauten übertrug. In grossem Umfange
ist dies in den 70 er Jahren insbesondere durch die Ver-
waltung der Reichs-Eisenbahnen geschehen; Jacobsthal hat
für diese nicht nur die beiden grössten, von ihr zur Aus-
führung gebrachten neuen Bahnhofs-Empfangsgebäude zu
Metz und Strassburg (veröffentl. i. d. Jhrg. 1879 bezw. 1883
d. Dtsch. Bztg.), sondern auch eine ansehnliche Zahl kleine-
rer Stationsgebäude entworfen. Seitens der preussischen
Staats-Eisenbahn -Verwaltung wurde er zu den Entwürfen
für die Hochbauten der Berliner Stadtbahn herangezogen,
unter denen die Bahnhöfe Bellevue und Alexanderplatz
sowie die Gestaltung vieler Einzelheiten, insbesondere an
den Strassen-Uebergängen sein Werk sind; später hat er
für sie noch die Entwürfe zu der künstlerischen Aus-
gestaltung der in Eisen konstruirten grossen Halle und
zu dem Wartesaal-Gebäude des neuen Kölner Zentral-
st
No. 6
an erster Stelle ausgezeichneten Entwurfes über die
Ausführung desselben eingeleitet. Möchte über ihnen
ein günstiger Stern walten!
Das Denkmal soll auf dem vom Senate und der
Bürgerschaft von Hamburg bewilligten, in unserem
Lageplan mit Ä bezeichneten Platze des Elbparkes,
an der Grenze zwischen Hamburg und Altona, an
einer durch Lage und Form gleich ausgezeichneten
und der Bedeutung des Denkmals gerecht werdenden
Stelle errichtet werden. Der Denkmalplatz ist ein
Theil der die innere Stadt umgebenden parkartigen
Wallanlagen und bildet ein halbkreisförmiges, von
Bäumen eingefasstes Plateau auf einer Anhöhe, welche
gegen Süden, Westen und Norden eine freie, die Um-
gebung beherrschende Lage hat und nach diesen drei
Seiten stark abfällt, während sie an der vierten, der
östlichen Seite, sich mit schwächerem Gefäll an die
dichtbebaute innere Stadt anschliesst und von hier
aus wenig zu Gesicht kommt. Die vor der Anhöhe
liegende grosse Thalmulde wird von den durch den
Elbpark zum Hafen hinabführenden Fahrwegen, der
Helgoländer und der Cuxhavener Allee, durchschnitten
und von grossen Strassenzügen, wie dem Millernthor-
damm, dem Circusweg, der Strasse am Elbpark und
der Seewartenstrasse mit der Kersten-Milesbrücke um-
geben. Von jeder dieser Strassen, von welchen der
Millernthordamm die verkehrsreichste ist, wird das
Denkmal auf geringere Entfernung in die Erscheinung
treten. Unsere Abbildung giebt die Ansicht des Denk-
raalplatzes von der Helgoländer Allee aus wieder. Es
wird nun im Wettbewerbs-Programm die Hoffnung aus-
gesprochen,dass dasDenkmal aus grösserer Entfernung
von dem mit Seeschiffen belebten Fahrwasser der
Elbe zu sehen sein werde und dass Jeder, der
aus Deutschland hinausfahre auf das Weltmeer, von
ihm einen letzten Gruss, eine letzte Erinnerung an
eine grosse Heimath mitnehme, und Jeder, der vom
Weltmeere nach Deutschland heimkehre, bei seinem
ersten Betreten deutschen Bodens durch das Denkmal
an die grossen Zeiten deutschen Heldenkampfes
und an das in ihm Errungene gemahnt werde. Ob
diese Hoffnung eintritt, ob das Denkmal an der Elbe
frei oder doch zum grösseren Theil frei zu sehen ist
und somit diesem idealen Gedanken gerecht werden
kann, erscheint uns nicht ohne Weiteres sicher, denn
auf eine geringere Entfernung werden die Kersten-Miles-
Brücke und das Gebäude unterhalb der Seewarte, auf
eine grössere Entfernung dieses Gebäude, sowie das See-
Bahnhofes, zu dem Umbau des Empfangs-Gebäudes auf
Bahnhof Halle und zu den Portalen der neuen Weichsel-
und Nogatbrücken bei Dirschau und Marienburg (veröffentl.
i. Jhrg. 1894 d. Dtsch. Bztg.) geliefert. Sämmtlich Auf-
träge, die ihm mehr Freude machten, als seine frühere
Thätigkeit im Staatsbauwesen, da ihm bei der Ausführung
der betreffenden Bauten ein gewisser Einfluss zugestanden
wurde.
Von öffentlichen Bauten anderer Bestimmung, an
denen Jacobsthal in diesen späteren Jahren betheiligt
war, ist mir nur das Landgerichts- Gebäude in Dortmund
bekannt, dessen Entwurf er in Gemeinschaft mit dem
damaligen Baumeister Peltz bearbeitet hat. Das Heran-
wachsen eines jüngeren leistungsfähigen Architekten-Ge-
schlechtes auch unter den Staatsbaubearaten und die
Abkehr der leitenden Persönlichkeiten von der durch
Jacobsthal vertretenen künstlerischen Richtung mögen
es veranlasst haben, dass man auf seine weitere Hilfe
verzichtete. Ob der in den Formen des spät-mittelalter-
lichen Backsteinbaues gestaltete Entwurf zum Umbau des
Kirchthurmes in Mittenwalde, den der Künstler i. J. 1878
zur Berliner Kunstausstellung eingesandt hatte, einem
amtlichen oder einem privaten Aufträge seine Entstehung
verdankte, sei dahin gestellt. Soviel ich indessen weiss,
ist Jacobsthal, dem das Talent zum „Bauherrn-Fange“ völlig
'ibging, mit Ausnahme seiner Jugendzeit überhaupt niemals
ils Privat- Architekt thätig gewesen; ein einziges Mal nur
hat er, zu Ende der 6oer oder Anfang der 70er Jahre,
in beschränktem Wettbewerb mit mehren anderen Ar-
chitekten einen Entwurf zu einer Villa für Alfred Krupp
geliefert, der jedoch nicht zur Annahme gelangte. —
Auch dem Konkurrenzwesen, das in der Thätigkeit
so vieler gleichalteriger und jüngerer Fachgenossen den
breitesten Raum behauptete, hat Jacobsthal — abgesehen
18. Januar 1902.
mannsheim die-Erscheinung des Denkmals wahrschein-
lich beeinflussen. Ein idealer Standpunkt wäre für
dasselbe eine der Höhen unmittelbar an der Elbe, an
der Weltverkehrs-Strasse gewesen, indessen es ist auch
hier mit dem Möglichen zu rechnen, und dieses Mög-
liche wird dem grossen Zwecke immer noch in her-
vorragender Weise gerecht. In der That ist der Stand-
ort für das Denkmal ein so günstiger und wird seiner
künstlerischen Erscheinung so gerecht, wie er kaum
besser gedacht werden kann, wenn man das Unmög-
liche nicht in Rechnung zieht.
Auch diese günstige Lage und Form des Denk-
malplatzes mögen viel zu dem schönen Erfolge des
Wettbewerbes beigetragen haben. Die Anzahl der
eingereichten Entwürfe beträgt 219; neben ihnen wur-
den zwei Ideenangaben eingereicht, welche den Be-
dingungen des Preisausschreibens nicht entsprachen
und daher von der Beurtheilung ausgeschlossen wer-
den mussten. Bei einer ersten Sichtung wurden 137
Entwürfe ausgeschieden, bei einer zweiten .Sichtung
weitere 46 Arbeiten, sodass 36 Entwürfe auf der
engeren Wahl verblieben. In einer mehrfach wieder-
holten dritten Sichtung wurden von ihnen noch 17
Arbeiten zurückgestellt, sodass die folgenden 19 Ent-
würfe auf die engste Wahl kamen: „An die Elbe“,
„Eckart“, „Ich will (a)“, „Unvergänglich“, „Ein Dankes-
opfer“, „Granit“ [Variante), „O. v. B.“, „Monumentum
Hammoniae“, „An der Elbe“, „Einigkeit und Kaiser-
krone“, „Dem Riesen“, „Bismarck“ (umrändert), „Vom
Fels zum Meer“, „Heros“, „Faust II.“, „Abiit non
obiit“, „Dem Gutsherrn von Friedrichsruh“, „Ekkehart“
und „Unser Stolz“. Die Verhandlungsschrift erklärt
nun, bei Abwägung der zu vertheilenden Preise habe
sich ergeben, dass die im Preisausschreiben vorge-
sehene Anzahl von zwei II. Preisen von je 5000 M.
nur ungenügend ausreichte für die Auszeichnung der
infrage kommenden Entwürfe, und dass daher die
Vertheilung eines dritten II. Preises von 5000 M. be-
antragt und auch bewilligt wurde. Die Künstlerschaft
wird hierfür dem Preisgericht wie dem Denkmal-
Comite besonderen Dank wissen. Von dem in Aus-
sicht gestellten Ankauf von Entwürfen für je 1000 M.
wurde für 4 Arbeiten Gebrauch gemacht, sodass dem-
nach von den 19 Entwürfen der engsten Wahl 15 zur
Auszeichnung gelangen konnten und nur 4 leider ohne
Auszeichnung bleiben mussten. Es wurden nunmehr
verliehen: der I. Preis von 10000 M. dem Entwurf
„Dankesopfer“ der Hm. Bildhauer Hugo Lederer
natürlich von seiner Betheiligung als Preisrichter an m ehreren
grösseren Wettbewerben — in späteren Jahren völlig fern
gestanden, während mir aus früherer Zeit nur jene aka-
demische Konkurrenz um den grossen Staatspreis, der
Wettbewerb um das Arndt-Denkmal auf dem Rugard und
eine Anzahl von Konkurrenzen des Berliner Architekten-
Vereins bekannt sind, an denen er sich betheiligte; aus
einer der letzteren ist der reizvolle Entwurf zu einem
Kriegerdenkmal auf dem Schlachtfelde von Vionville her-
vorgegangen, der im Jahrg. 1872 d. Bl. veröffentlicht wurde.
Es war diese Zurückhaltung des Meisters jedoch keines-
wegs in einer grundsätzlichen Abneigung gegen das Kon-
kurrenzwesen begründet, sondern mehr das Ergebniss der
ihm eigenthümlichen Art künstlerischer Arbeit, bei welcher
weniger der erste „glückliche Wurf“ als die gewissenhafte
und liebevolle Ausgestaltung des in . sorgfältiger Erwägung
gereiften Grundgedankens die Hauptrolle spielte und die
deshalb naturgemäss nur langsam vonstatten ging. — Ueber
seine schöpferische Thätigkeit für das Kunstgewerbe
und die dekorative Kunst ist selbst seinen nächsten Freun-
den nur wenig bekannt geworden, doch weiss ich, dass
er des öfteren namentlich Entwürfe für Möbel, Gewebe-
Muster, Tapeten usw. geliefert hat; die Mehrzahl dieser
Arbeiten dürfte indessen einer früheren Zeit angehören.
Als dekorative Arbeiten sind der Entwurf des neuen Vor-
hanges für das kgl. Schauspielhaus in Berlin (1889), sowie
der Entwurf für die Ausgestaltung der Aula des Joachims-
thal’schen Gymnasiums in Berlin zu nennen. — In der letzten
Zeit beschäftigten ihn neben fortgesetzten Studien zur Ent-
wicklungs-Geschichte des Ornaments besonders auch solche
über die Ornamentik der orientalischen Völker, bei denen
er neben den Momenten der Form und der Farbe auch
das Moment der technischen Herstellung berücksichtigte
(Fortsetzung auf Seite 38.)
3.S
und Architekt E. Schaudt in Berlin; ein II. Preis „welche von reichem Talent und bewusstem Wollen
von 5000 M. dem Entwurf „Granit“ (Variante) der Zeugniss ablegen und die volle Würdigung und An-
Hrn. Bildhauer Ed. Beyrer jun. und Architekt Franz erkennung der Preisrichter gefunden haben.“ Die
Rank in München; ein weiterer II. Preis von Berichterstattung kann sich diesem allgemeinen Ur-
5000 M. dem Entwurf „Unser Stolz" des Hrn. Archi- theile in vollem Umfange anschliessen ; der Wettbe-
Ansicht des Denkmalplatzes und Lagcplan
des Bismarck-Denkmals in Hamburg.
tekten William Müller in Berlin, und
der dritte II. Preis von 5000 M. dem
Entwurf „Vom Fels zum Meer“ des
Hrn. Bildhauer Hans Hundrieser
in Charlottenburg. Einen III. Preis
von 2000 M. errang der Entwurf
„Faust II“ des Hrn. Architekten Wil-
helm Kreis in Dresden; einen weite-
ren III, Preis von 2000 M. der Ent-
wurf „Dem Gutsherrn von Friedrichs-
ruh“ des Hm. Architekten Prof. Otto
Rieth in Berlin; den dritten III. Preis
von 2000 M. der Entwurf „Abiit non
obiit“ der Hrn. Architekt Prof. Bruno
Schmitz und Bildhauer Prof. Chr.
Behrens in Charlottenburg bezw.
Breslau. Mit einem IV. Preise von
je 1000 M. wurden ausgezeichnet die
Entwürfe „O. v. B.“ des Hrn. Archi-
tekten Arnold Hartmann in Grune-
wald bei Berlin; „Eckart" des Hrn.
Bildhauer Paul Peterich in Berlin;
„An die Elbe" des Hrn. Bildhauer
N. Pfretzschner in Charlottenburg
und „Einigkeit und Kaiserkrone" des
Hrn. Bildhauer Cäsar Scharff in
Hamburg. Zum Ankauf für je 1000 M.
gelangten die Entwürfe „Ich will“ des
Hrn. Bildh. Hermann Hidding in
Gross-Lichterfelde ; ,, Unvergänglich“
des Hrn. Bildh. Prof. Peter Breuer
in Berlin; „Bismarck" des Hrn. Ar-
chitekten Wilhelm Kreis und des
Hrn. Bildh. Aug. Hudler in Dres-
den, und „Ekkehart“ des Hrn. Archi-
tekten Jos. Reuters in Wilmersdorf
bei Berlin.
Das Gutachten des Preisgerichtes
über die preisgekrönten und ange-
kauften Entwürfe erklärt vor Eingang
in die Einzelbeurtheilung, der inrede
stehendeWettbewerb sei „nachlnhalt undUmfang einso werb gehört zu den künstlerisch werthvollsten der
hervorragender, dass derselbe einen vollgiltigen Beweis letzten 20 Jahre und reiht sich würdig den grossen
für das Können und Wollen der deutschen Künstler" Wettbewerben an, für welche eine grosse Zeit die
erbracht habe. Ausser den preisgekrönten und ange- dankbaren Aufgaben gestellt hat. —
kauften Arbeiten seien auch viele eingereicht worden, (Fortsetzung foigt.i
36
No. 6.
i8. Januar 1902.
Das Bauwesen im preussischen Staatshaushalt für 1902.
Hach dem preussischen Etatsentwurf für 1902, welcher
am 9. d. M. dem Abgeordnetenhause zuging, belaufen
sich die gesammten Einnahmen und Ausgaben des
Staates für das Rechnungsjahr 1902 auf 2614167144 M.,
bleiben also um 34 847 462 M. hinter den Ansätzen des
Entwurfes im Vorjahre zurück. Von dieser Gesammt-
summe entfallen auf die einmaligen und ausserordentlichen
Ausgaben 146709970 M. und davon wieder auf das Bau-
wesen der verschiedenen inbetracht kommenden Ver-
waltungen rd. 138 Mül. M.j also etwa 93%. Das Verhält-
niss ist also zwar höher als im Vorjahre, aber die Gesammt-
summe der für bauliche Zwecke vorgesehenen Ausgaben
ist um rd. 42 Milk M. niedriger, als im Voranschläge für 1901.
Die Eisenbahn - Verwaltung steht naturgemäss
wieder an der Spitze der einmahgen, ausserordentüchen
Ausgaben mit 91640500 M. Der Ansatz bleibt damit um
9 246 500 M. hinter dem Voranschlag für 1901 zurück. Ent-
sprechend dem allgemeinen wirthschaftüchen Rückgang
sind die Einnahmen aus dem Ordinarium für .1902 (nament-
lich aus dem Güterverkehr) um 25081009 M. niedriger
veranschlagt, als für 1901, während anderseits die ordent-
lichen Ausgaben um 8 Mill. M. höher angesetzt werden.
Der Ueberschuss wird dadurch um mehr als 33 Mill. M.
geringer, als 1901. Von den Ausgaben des Extra-Ordi-
nariums sind wiederum 37 Mill. M. zur Vermehrung
der Betriebsmittel ausgesetzt, 2 Mill. M. zu Land-
erwerb, I Mill. M. für Dienst- und Miethswohnge-
bäude für untere Eisenbahnbeamte in den östlichen
Provinzen (letzte Rate) und 1,6 MULM, für elektrische
Sicherungsanlagen und Ausfahrts-Sign ale. Ebenfalls
dem Zweckte der Erhöhung der Betriebssicherheit dienen
2,5 Mill. M., die zur Verbesserung von Weichen und
Signalstellwerken auszugeben sind. Auf die einzelnen
Direktionsbezirke vertheilen sich dann noch 44 740 500 M.
für Bahnhofsneu- bezw. Erweiterungs- und Umbauten, Her-
stellung zweiter, stellenweise dritter und vierter Gleise usw
Den höchsten Betrag erfordert in diesem Jahre der
Direktionsbezirk Elberfeld mit 6,2 Milk, darunter allein
eine IV. Rate von 2,5 Mill. für den Bau einer Hauptwerk-
stätte bei Opladen, je i MiU. für die Bahnhöfe von
Vohwinkel und Mülheim a. Rh. Demnächst folgt
Altona mit 5,85 Milk, worin wieder 5 Mill. für die Bahn-
hofs-Neubauten in Hamburg bestimmt sind. Köln und
Essen erfordern je über 4 Mill. Im ersteren Bezirke sind
hauptsächlich weitere Raten für die Bahnhöfe in Koblenz,
Krefeld, Neuss, M.-Gladbach vorgesehen. An 5. Stelle
erst steht die Eisenbahn-Direktion Berlin mit nicht ganz
4 Milk Es handelt sich hier in erster Linie um die schon
eingeleiteten grossen Arbeiten zum Ausbau der Schlesi-
schen, der Ostbahn und der Görlitzer Bahn, Herstellung be-
sonderer Vororlgleise usw. Von den Ansätzen sind ins-
gesammt etwa t/4 ganz neue Posten, für welche die i. Raten
gefordert werden. Es handelt sich hierbei vorwiegend
um Bahnhofs-Umbauten, in 7 Fällen um Werkstätten-An-
lagen, 5 um Herstellung zweiter Gleise, 5 um Verstärkung
und Ergänzung vorhandener Brücken.
Im Etat der Eisenbahn-Verwaltung überwiegen naturge-
mässalljährlichdiefür bauliche Zwecke aufzuwendenden
dauernden Ausgaben die einmaligen um ein Vielfaches.
So sind für Unterhaltung, Erneuerung und Ergänzung
der baulichen Anlagen angesetzt rd. i7r,5Mill.M. (eutspr.
den erweiterten Anlagen (4318000 M. mehr als igor) und
rd. 145,3 Mill. M. desgk für Betriebsmittel und maschi-
nelle Anlagen (759000 M. mehr als 1901). Zur Unter-
haltung der baulichen Anlagen werden 62120 Arbeiter mit
einem Lohnaufwand von 42,9Mül.M. beschäftigt; 64,4 Mill.M.
sollen für Gleisumbauten, 21,4 Mül. M. für die Unterhaltung
des Bahnkörpers und aller sonstigen baulichen Anlagen
ausgegeben werden. Von den 145,3 fhr Betriebs-
mittel usw. sind 90,3 MUI. M. auf die gewöhnlichen Unter-
haltungsarbeiten zu rechnen, darunter 51,5 Mül. für Löhne.
55 Milk M. sind zur Beschaffung ganzer Fahrzeuge aus-
geworfen und zwar für 500 Stück Lokomotiven, 650 Per-
sonenwagen versch. Gattung, 5000 Stück Gepäckwagen. —
Die einmaligen ausserordentlichen Ausgaben der Bau-
verwaltung sind mit 13250050 M. bemessen, also nicht
weniger als 19,67 Milk M. niedriger als die im vorigen Etat
zu gleichen Zwecken angesetzten Gesammtbeträge. Es
sind alle Positionen, die sich auf die grosse wasserwirth-
schaftliche Vorlage bezogen, herausgefallen, sodass der
Verwaltung bedeutende Aufgaben durch den Etat selbst
nicht gestellt werden. Diese Summe vertheilt sich folgen-
dermaassen: Zur Regulirung der Wasserstrassen
und Förderung der Binnenschiffahrt 3655400 M.
(ausserdem im Ordinaidum für ähnliche Zwecke noch rd.
13,4 Mill. M.), für Seehäfen und Seeschiffahrts-
Verbindungen 2895500 M. (im Ordin. noch 4744383 M.),
zum Bau von Strassen, Brücken und Dienstge-
bäuden 6699150 M. (im Ordin. zur Unterhaltung usw.
848 845 M.). In der ersten dieser 3 Gruppen des Extra-
Ordinariums finden sich an neuen Posten: I. Rate von
T50 000 M. für Verbesserung der S chiff ahrtsstrass e der
(|)der von Ratibor bis Kosel und Anlage eines Hafens
bei Kosel, Gesammtsumme 330000 M., dazu 113000 M.
als Zuschuss zu dem von der Stadt zu erbauenden Sicher-
heitshafen; I. Rate von 200000 M. für Herstellung eines
Durchstiches bei Nedlitz in der Wasserstrasse Sakrow-
Paretz als dem wichtigsten Gliede der Wasserverbindung
der Oder und Spree einerseits und der Elbe anderseits.
Die jetzigen Verhältnisse bereiten dem bedeutenden Schiffs-
verkehr, 38000 Schiffe mit 3,5 Mül, t jährlich, grosse
vSchwierigkeiten, Gesammtkosten 475000 M. usw.
und vor allem das Ziel in’s Auge fasste, ob und inwieweit
aus jenen Schöpfungen einer alten Kultur Gewinn für das
künstlerische Schaffen der Gegenwart gezogen werden
könne. AlsFrüchte dieser zeitraubenden mühseligen Studien
sind seine Veröffentlichungen über das Mausoleum des
Mahmud Pascha in Konstantinopel und über die Bauten
zu Nachtschewän im Araxesthale (Jahrg. 1888 und 1899 der
Dtschn. Bauztg.) ans Licht getreten. —
Als Schriftsteller ist Jacobsthal nur wenig hervor-
getreten, obgleich er klar und anziehend zu schreiben
wusste. Die Mehrzahl dessen, was er veröffentlicht hat,
ist in der „Deutschen-Bauzeitung“ erschienen: in den ersten
Jahrgängen derselben einige Bücher-Besprechungen und
Ausstellungs-Berichte (insbesondere über die Nordische
Ausstellung in Kopenhagen 1872 und über die Kunst-
gewerbe- und Industrie Ausstellung in Dresden 1875), ferner
die Nekrologe auf Martin Gropins (1881), Hermann Spiel-
berg (1886) und Carl Elis (1890), sowie der Text zu seinen
Veröffentlichungen über das Empfangsgebäude des Bahn-
hofes Strassburg, das Mausoleum des Mahmud Pascha und
die Baudenkmale von Nachtschewän. Die letztere hat er
in einem Sonder-Abdruck als Festgabe zur hundertjährigen
Jubelfeier der Technischen Hochschule erscheinen lassen,
während er zu der Festschrift, welche die Lehrer der
Hochschule gelegentlich des Einzuges derselben in ihr
neues Haus (1884) herausgaben, einen sehr anziehenden
Beitrag über „Araceenformen in der Flora des Ornaments“
beigesteuert hatte. Auch von dieser Schrift, die i. Jhrg.
1885 d. Bk im Auszuge mitgetheilt wurde, ist später ein
Sonder-Abdruck veranstaltet worden. Sonst sind als
litterarische Arbeiten Jacobsthals noch eine im Jahre 1872
für den Verband Deutscher Arch.- u. Ing.-V. verfasste
Denkschrift über den Musterschutz, einige Festreden aus
dem Jahre seines Rektorates und einzelne kleinere Mit-
theüungen in der Zeitschrift für Ethnologie sowie in
einigen botanischen Zeitschriften zu nennen. An einer
Denkschrift „Für das Haus des deutschen Reichstages“, die
er i. J, 1874 in Gemeinschaft mit mir herausgab und in
der wir die Wahl eines anderen Bauplatzes für jenes
Haus sowie eine den eigenartigen parlamentarischen Ver-
hältnissen des Reichstages angepasste Form und Ein-
richtung des Sitzungssaales befürworteten, beschränkt sich
der Antheü Jacobsthals ira Wesentlichen auf die Archi-
tektur der zur besseren Erläuterung unserer Vorschläge
beigegebenen Entwurfs-Skizze; es ist in dieser jedoch die
künstlerische Ricutung des Verfassers zu sehr bezeichnen-
dem Ausdruck gelangt.
Wichtiger als jene litterarischen sind die rein künst-
lerischen Veröffentlichungen Jacobsthals: die als
Ergebniss seiner. Lehrthätigkeit und der für diese unter-
nommenen Studien anzusehende, bereits in 3 Auflagen
vorliegende „Grammatik der Ornamente“ (1874—77)
und die grösstentheils auf seinen eigenen Aufnahmen be-
ruhende Sammlung „Süditalienische Fliesen-Orna-
mente“ (1886). Mit der ersteren, bei Springer in Berlin
erschienenen Veröffentlichung verfolgte Jacobsthal den
Zweck, dem Zeichenunterrichte, welcher bis dahin fast
überall nur als sogenannte „praktische Uebung" betrachtet
wurde, mehr wissenschaftliche Auffassung und eine syste-
matischere Behandlung zutheil werden zu lassen. Er zer-
legte den Zeichenunterricht in 3 Abschnitte: in die dar-
stellende Geometrie, in die Darstellung der Naturkörper
und in die Lehre von den Kunstformen. Dem letzteren
Abschnitt ist die „Grammatik der Ornamente“ gewidmet,
als deren Ziel er bezeichnet, auf Grundlage von Böttichers
Forschungen „die Bildungsgesetze der hauptsächlichsten
Kunstformen, welche namentlich seit ihrem einheitlichen
Auftreten in den hellenischen Kunstwerken die allgemein
gütigen Gesetze einer Formensprache geworden sind, in
möglichst handlicher Form zur Darstellung zu bringen.“
38
No, 6.
Unter den Kosten für Seehäfen tisw. sind namentlich
die Verbesserungs-Arbeiten in Swinemünde, die Ver-
längerung der Südmole im Hafen zu Memel (II. Rate
400000 M.), die Anlage eines Fischereihafens bei Alk-
nicken (I. Rate 250000 M., Gesammtsumme 657000 M.),
sowie besonders die Arbeiten zur Erweiterung der Hafen-
anlagen in Harburg hervorzuheben-. Für letztere sind 5
neue offene Tidebecken nach Hamburger Muster vorge-
sehen, von denen zunächst 3 zu bauen sind; Kosten der-
selben einschl. Gesammtgrunderwerb 8 Mül. M., wovon der
Staat 2,5 Milk M. übernimmt, dazu etwa 6^^ Land kosten-
los hergiebt. Die übrigen Kosten trägt die Stadt, die auch
als Bauherr auftritt (I. Rate für, 1902 nur 50000 M.).
Unter den aufzuwendenden Kosten für Wegebau,
Brücken usw. erfordert den Hauptantheil ein Betrag von
3 Mill. M. zur Uebertragung staatsseitig zu unterhaltender
Wege, Brücken, Fähren an Kommunal-Verbände (seit
1897/98 dafür bereits bewilligt 27,72 Mill. M.). Von grösseren
Bruckenbauten ist der Umbau der Geestebrücke zwi-
schen Bremerhafen und Geestemünde zu nennen;
I. Rate 350000 M., Gesammtkosten, an denen auch der
Staat Bremen nebst den beiden Gemeinden und den
Werftbesitzern betheiligt sind, 630000 M.
Unter den auszuführenden Hochbauten steht das Ge-
schäftshaus beider Häuser des Landtages mit einer
XI. Rate von 600000 M. an erster Stelle. (Ges.- Kosten
12,653 Mill. M., davon bereits 10,55 bewilligt). Ein grösse-
rer Neubau ist für das Regierungs-Gebäude in Pots-
dam vorgesehen, der 2,963 Mill. M. kosten soll. Beantragt
ist eine I. Rate von i Mill. M. einschl. der Kosten des
Grunderwerbes. Für Frankfurt a. O. und Koblenz sind
weitere Raten vorgesehen, für Minden 200000 M. als
I. Rate für das Regierungs -Gebäude. Posen, Erfurt,
Hannover usw. erfordern kleinere Beträge. —
Von Interesse sind einige Angaben persönlicher Natur
aus den dauernden Ausgaben. Im Ministerium ist für die
zum I. April d. J. neu zu schaffende „Zentralstelle
für Gewässerkunde“ die Stellung eines Vortragenden
Rathes (die 27.) als Leiter der Anstalt, sowie für 2 Reg.-
und Bauräthe als Abth.-Vorsteher und 2 ständige Hilfs-
arbeiter (Bauinspektoren) nebst entsprechendem Hilfsper-
sonal vorgesehen. Ges.- Aufwand 83600 M. Im Tech-
nischen Büreau soll die Zweitheilung nach Hoch- und
Wasserbau durch Schaffung einer ständigen Stelle eines
Reg.- u. Baurathes im Wasserbau zu einer bleibenden
Einrichtung gemacht werden.
Von der Bauverwaltung ist zu erwähnen, dass die
Stellung der Strombau-Direktoren, die sich nach
Umfang und Bedeutung ihrer Thätigkeit mehr und mehr
von derjenigen eines technischen Referenten des Chefs der
Strombauverwaltung zu der eines technischen Dirigenten
erhoben hat, durch entsprechende Gehaltserhöhung und
spätere Verleihung des Charakters als Ober-Baurath mit
dem Range der Qb.-Reg.-Räthe auch äusserlich gekenn-
zeichnet werden soll.
Vorgesehen ist ferner für das Berliner Polizei-
präsidium die Schaffung einer 2. technischen Rathsstelle
für Hochbau, da der Umfang der Geschäfte und die Man-
nichfaltigkeit derselben eine solche neben dem ingenieur-
technischen Rathe erforderlich macht. Auch bei den Re-
gierungen ist die Neuschaffung einiger 2. Stellen für Reg.-
und Bauräthe, sowie die Neuanstellung einer Anzahl von
Bauinspektoren vorgesehen, letzteres allerdings auf Kosten
des Remunerations-Betrages für Reg.-Baumeister und Bau-
führer durch Absetzung der entsprechenden Summen dort.
Imganzen sind 118 Stellen für Reg.- und Bauräthe, 591 für
Bauinspektoren, 7 für Maschinenbau- bezw. Maschinen-
inspektoren im Etat aufgeführt. — (Schluss folgt.)
Vermischtes.
Ulrich’s Doppel-Panzerglasung. Eine konstruktive An-
ordnung für Glashäuser, welche die Bauanstalt C. H.
Ulrich in Charlottenburg eingefuhrt hat, bezweckt, durch
Beseitigung der Hauptfehler der alten Glaskonstruktion,
wie Durchtropfen des Regenwassers, Schwitzen der Glas-
flächen und Abtropfen, Unterhaltung des Anstriches und
des damit verbundenen Bruches und Verschmierens der
Glasfläche, lästige Hitze im Sommer und theure Heizung
im Winter usw. die mit Glas gedeckten Räume in höherem
Grade benutzbar und auch wohnlich zu machen. Mit der
Doppel-Panzerglasung glaubt die Firma Räume schaffen
zu können, die so widerstandsfähig und wohnlich sind,
wie die Räume zwischen festen Decken und Wänden.
Die im Durchschnitt nur 30101 starke Glasscheibe bietet
keinen genügenden Schutz gegen das Wetter in unseren
Daher auch die Bezeichnung „Grammatik“. In dieser fin-
den sich bereits die Ansätze für die naturwissenschaftliche
Methode, welche Jacobsthal bei seinen Ornamentstudien
immer in die erste Reihe stellte und die dann nach ihm
namentlich Meurer versuchte weiter auszubilden. Mit
Interesse wird man heute eine Stelle lesen, in welcher
Jacobsthal sich über den Ausgangspunkt seines Unter-
nehmens ausspricht: „Angesichts des sich überstürzenden
Laufs der von der Tradition losgelösten Moderichtungen
der Neuzeit, musste wiederum auf dem Boden geankert
werden, der auf diesem wie auf anderen Gebieten oft
schon den Fortschritt getragen hat, und noch immer die
Grundlage jedes derartigen Unterrichts bildet, der antiken
Kunst.“ Also schon 1874 ein sich „überstürzender Lauf“
der Dinge, „von der Tradition losgelöste Moderichtungen
der Neuzeit“!
Bei den „Süditalienischen Fliesen-Ornamenten“, die bei
Wasmuth in schönen Farbendrucken erschienen, knüpfte
er an Werke wie Fischbach’s „Südslavische Ornamente“,
Lessing’s ,, Altdeutsche Leinen-Stickereien“ und Grunow’s
„Kerbschnitt-Ornaraente“ an, um der Nachwelt gleich diesen
Veröffentlichungen die anspruchslosen Werke zu erhalten,
in welchen die alte Kunsttechnik noch weiter lebt. Hierzu
wählte er die ziemlich in sich abgeschlossene Gruppe der
heute noch im südlichen Italien fabrikmässig hergestellten
Thonfliesen zur Wandbekleidung und als Fussbodenbelag.
„Die durch eine einfache Herstellungsweise bedingte an-
spruchslose, ja flüchtige Detaildurchführung der Zeichnung,
die oft herbe Farbgebung hat sie verwandten, namentlich
älteren Bildungen gegenüber bisher nicht zur verdienten
Würdigung gelangen lassen, zumal in ihrer Fleimath Natur
Und hohe Kunst wetteifern, Sinn und Gedanken des
Menschen mit den erhabensten Eindrücken ganz zu er-
füllen. Wer achtet da der auf den Weg gestreuten Rosen?“
Jacobsthal erkannte in diesen schlichten und natürlichen
18. Januar 1902.
Zonen, die Firma verwendet deshalb 2 Glaslagen derartig,
dass die äussere Glasdeckung auf die oberen Flansche der
I-Eisen, und die innere Glasiage an den unteren Flanschen
befestigt wird. Zwischen beiden Glaslagen bildet sich ein
Hohlraum entsprechend der Höhe der Träger. Die äussere
Verglasung liegt in dichter Kittlage schuppenartig. Nach
Fertigstellung der äusseren Verglasung wird die Eisen-
konstruktion weiss gestrichen und lackirt und sogleich die
innere Verglasung angebracht. Für dieselbe können be-
liebig gefärbte Gläser verwendet werden; sie greifen eben-
falls übereinander und sind so befestigt, dass sie sich
zwecks Auswechselung zerbrochener Scheiben oder gründ-
licher Reinigung leicht abnehmen lassen. Die Längsstösse
werden mit sauber polirten Holzleisten bekleidet und alle
Fugen staubdichtwerstrichen. Die Vortheile bestehen darin,
dass: i. Glas auf Glas gedeckt wird, welches gleichen Ver-
änderungen bei Temperaturwechsei unterliegt. Das Dich-
und deshalb so wirkungsvollen Werken das Bestreben,
innerhalb der durch Zweck, Material und Technik gege-
benen Grenzen die Aufgabe „aus sich heraus“ zu lösen,
was ganz den „heutigen Anschauungen“ entspreche.
Beide Werke bedeuteten einen grossen Erfolg so-
wohl für seine Lehrbefähigung, wie auch für seine künst-
lerische Anschauungsweise. — -
Man sollte meinen, dass eine Lehrthätigkeit von dem
Umfange derjenigen, wie sie Jacobsthal ausgeübt hat, so-
wie die Beschäftigung mit den vorgenannten, meist auf-
grund eingehendster Vorstudien unternommenen und nie-
mals flüchtig hingeworfenen, sondern stets auf das sorg-
fältigste ausgestalteten künstlerischen und kunstwissen-
schaftlichen Arbeiten vollauf genügt hätten, um eine
Manneskraft in Anspruch zu nehmen. Und doch war
dies bei Jacobsthal durchaus nicht der Fall. Wie er
innerhalb der engeren Grenzen seines Faches bemüht
war, den Umfang seines Wissens ständig zu erweitern
und alle neueren Erscheinungen der Fachlitteratur, auch
wenn sie nicht unmittelbar seinen Zwecken dienten, mit
Aufmerksamkeit verfolgte, so widmete er ein reges Inter-
esse noch verschiedenen anderen Gebieten der Wissen-
schaft und versuchte es, in persönlichem Umgänge mit
den berufsmässigen Vertretern derselben Anregung und
Belehrung zu gewinnen. So gehörte er nicht nur dem Ar-
chitekten-Verein in Berlin und später noch der Vereinigung
Berliner Architekten als Mitglied an, sondern zugleich der
Archäologischen und Anthropologischen Gesellschaft, der
Gesellschaft für Erdkunde, dem Botanischen Verein u, a.
Und seine Mitgliedschaft bei allen diesen Vereinen war
keineswegs nur eine nominelle; wenn er auch nur selten
oder nie als Redner auftrat, so war er doch ein häufiger
und aufmerksamer Theilnehmer an ihren Versammlungen
und Ausflügen und wusste sich überall Achtung zu er-
werben. Vielleicht die engste Fühlung hatte er mit den
39
tungsmaterial wird daher nicht rissig, wie sonst zwischen
Eisen und Glas; 2. die dem Wetter ausgesetzte Kittfuge
zwischen den Glastafeln ist schmal und bietet diesem keine
Angriffsfläche dar; 3. die Eisenkonstruktion ist völlig mit
Glas überzogen, sie kann daher nicht rosten und braucht
nicht mehr gestrichen zu werden; 4. die Aussenfläche ist
glatt, es können keine Schnee- und Schmutzmassen an-
getrieben werden; 5. jeder durch die äussere Verglasung
dringende Tropfen wird durch die zweite Glaslage aufge-
fangen; 6. die isolirende Luftschicht zwischen den Glaslagen
verhindert ein Schwitzen der Scheiben, es kann somit auch
kein Sch weisswasser abtropfen ; 7. sie verhindert ein schnelles
Entweichen der Wärme im Winter und schützt gegen über-
mässige Hitze im Sommer. Das Glashaus wird hierdurch
wohnlich mit normalen Temperatur- und Luftverhältnissen.
Mittels eingedeckter Haken ist das äussere Glasdach überall
zugänglich; zerbrochene Scheiben können leicht ausge-
wechselt werden, auch für Schneefänge, Drahtgeflecht und
Lüftung sind Vorkehrungen getroffen. —
Architektur und Kunst des lunenraumes auf der Grossen
Berliner Kunst - Ausstellung 190a. Wie im vergangenen
Jahre, so soll auch in diesem Jahre auf der am 3. Mai
zu eröffnenden und bis zum 28. September dauernden
Grossen Berliner Kunst-Ausstellung am Lehrter Bahnhof
eine umfassende ßetheiligung der Architektur
und der Kunst des Innenraumes stattfinden. Dafür stehen
die gleichen Räume zur Verfügung, wie das vergangene
Jahr. Die Einsendung der Kunstwerke muss zwischen
dem 15. März und 3. April erfolgen. Die Anmeldung
der einzuliefernden Werke muss bis spätestens 10. März
erfolgt sein. Um für die Innenräume in beschränkter
Zahl, die sich in ihrer Ausdehnung ungefähr an die Maasse
4 halten können und für welche in der Hauptsache
Oberlicht, Seitenlicht dagegen nur ausnahmsweise zur
Verfügung steht, möglichst bald die einheitliche Raum-
anordnung treffen zu können, .sind Skizzen mit Angabe
der ungefähren Raumanordnung noch vor dem genannten
Zeitpunkte, am besten umgehend, einzusenden. Sämmt-
liche Zusendungen sind zu richten an „die Geschäfts-
leitung der Grossen Berliner Kunst-Ausstellung", Landes-
Ausstellungs-Gebäude am Lehrter Bahnhof, Berlin NW. —
Zur Frage der Fortsetzung der Wiederherstellungs-
Arbeiten am Heidelberger Schloss verbreitet die „Süd-
deutsche Reichskorrespondenz“ die Nachricht, die grossh.
badische Regierung erachte die Frage noch nicht für
spruchreif und unterlasse es daher, schon dem gegen-
wärtigen Landtage eine entsprechende Vorlage zu machen.
Da nun die badischen Stände nur alle zwei Jahre zu-
sammentreten, so würde die Entscheidung über die An-
gelegenheit zunächst bis 1904 verschoben sein. —
Zum technischen Referenten für Bausaohen im grossh.
badischen Ministerium des Inneren wurde anstelle des ver-
storbenen Ob.-Brths. Hanser der Professor an der Bau-
gewerkschule in Karlsruhe, Architekt Ludwig Levy er-
nannt. Die Wahl Levy’s, der 1854 in Landau geboren
Vertretern der Botanik, zu welcher ihn nicht nur sein
sehr entwickelter Natursinn hinzog, sondern der er auch
mannichfaltige Anregung für seine Forschungen über die
Entwicklungs-Geschichte des Ornamentes zu danken hatte.
Dass er die glückliche Ferien-Musse des Hochschul-
lehrers dazu benutzte, um seine Fachbildung auch auf
Reisen zu erweitern, liegt wohl sehr nahe. Wiederholt
noch hat er — einmal in Gemeinschaft mit Friedrich
Adler — Italien besucht, daneben die nordischen Länder,
England, die Niederlande, Belgien und Frankreich, Russ-
land, die europäische und asiatische Türkei, Griechenland
und Aegypten; zu einer Reise nach Spanien, die er zu-
sammen mit mir unternehmen wollte und auf die wir uns
schon seit Jahren gefreut hatten, ist es nicht mehr ge-
kommen. Niemals hat Jacobsthal auf seinen Reisen mit
der Hast des Touristen nur nach flüchtigen Eindrücken
gehascht; überall hat er emsig studirt und gesammelt,
insbesondere in den Museen, die seinem scharfen Auge
vielfach noch ungehobene Schätze enthüllten. Ob er
hierüber Aufzeichnungen hinterliess, ist mir unbekannt. —
Im übrigen hat er seine Jahre äusserlich in der Stille
emes deutschen Künstler- und Gelehrten-Lebens verbracht.
Seit der Verlegung der Technischen Hochschule nach
Charlottenburg war auch er nach dieser Stadt über-
gesiedelt und hatte sich dort — anfangs in einem er-
mietheten, später in einem zu eigen erworbenen Hause
der Marchstrasse — ein dem Geräusch des Verkehrs ent-
rücktes behagliches Heim geschaffen, dem der Reiz eines
kleinen, von ihm mit Liebe gepflegten und u. a. auch zur
Akanthus- Zucht benutzten Gärtchens nicht fehlte. Um
grössere Geselligkeit zu pflegen, fehlte Jacobsthal sowohl
die Zeit, wie auch vor allem die Neigung; wenn er und
wurde, an der Technischen Hochschule in Karlsruhe
studirte und nach erfolgreicher Praxis 1888 Professor an
der Baugewerkschule in Karlsruhe wurde, darf als eine
glückliche bezeichnet werden, da Levy mit den Eigen-
schaften eines feinsinnigen Künstlers die für das ihm nun-
mehr anvertraute Amt werthvollen Eigenschaften ge-
winnenden Wesens vereinigt. —
Ernennung deutscher Künstler und Techniker zu Mit-
gliedern der französischen Ehrenlegion. Zu den S. 16 ge-
nannten Namen sind noch als Offiziere des Ordens zu
nennen: Dir. Prof. K. Hoffacker in Karlsruhe und kgl.
Brth. J. Radke, Beigeordneter in Düsseldorf.
Ein Verlagsverzeichniss der Firma Seemann & Co. in
Leipzig, welches dieser Nummer beiliegt, giebt eine gute
Uebersicht über die Verlagswerke der Firma aus den Ge-
bieten der Architektur und des Kunstgewerbes und ent-
hält zugleich ansprechende Illustrationsproben. —
Personal-Nachrichten.
Preussen. Dem Reg.- u. Brth. End eil in Düsseldorf, dem
Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp, Biedermann in Berlin und b. Ueber-
tritt in den Ruhestand dem Kr.-Bauinsp. Brth. Bornmüller in
Gelnhausen ist der Rothe Adler-Orden IV. Kl., dem Reg.- u. Brth.,
Geh. Brth. T i e m a n n b. Uebertritt in den Ruhestand der kgl.
Kronen-Orden II. Kl., dem Prof, an der Techn. Hochschule in
Berlin Geh. Brth. Wo 1 f f und dem Reg.- u, Brth. H a s a k in Berlin
ist der kgl. Kronen-Orden 111. Kl. verliehen.
Dem Geh. Brth. Dr. Steinbrecht in Marienburg ist die
Annahme u. Anlegung des ihm verlieh. Ritterkreuzes I. Kl. des
königl. sächs. Albrechts-Ordens gestattet.
Akademie des Bauwesens. Die ausserord. Mitgl. Ob.-
Baudir. v. Doemming u. Geh. Ob.-Brth. Dr. Zimmermann,
Dr. Ing., Brth. v. d. Hude, Geh. Ob.-Brth. Rei mann, Geh. Admiral. -
Rath Rechtem sind zu ordentl. Mitgl., das ordentl. Mitgl. Ob.-
Baudir, Kummer z. Z. in-Montevideo und die vortr. Räthe Geh.
Ob.-Brth. W i e s n e r u. Geh. Brth. Hossfeld in Berlin sind
zu ausserordentl. Mitgl. ernannt.
Dem Garn.-Bauinsp, Holland in Berlin ist die kgl. Haus-
fideikommiss.-Bauinsp. in Berlin verliehen.
Der Bauinsp. Brth. Lehmbeck in Danzig, der Landbauinsp.
Achenbach in Frankfurt a. 0. und der Mel.-Bauinsp. Brth.
Fischer in Liegnitz sind zu Reg.- u. Brthn. ernannt. — Die Reg.-
u. Brthe. Lehmbeck u. Achenbach sind den kgl. Reg. in
Danzig bezw. Bromberg überwiesen.
Dem Reg.-Bmstr. Walther Friehe in Charlottenburg ist die
nachges. Entlass, aus dem Staatsdienste ertheilt.
Der Brth. z. D. Becker in Bremen ist gestorben.
Sachsen. Dem Hofbrth. Dünger ist der Titel eines Hof-
Ober-Brths. mit dem Range in der III. Kl. und dem Hofarch.
Frölich der Titel eines Hofbrths., mit dem Range in der IV. Kl.
der Hofrang-Ordnung verliehen.
Inhalt: Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein Bis-
marck-Denkmal in Hamburg. — Zur Erinnerung an Johann Eduard Jacobs-
thal (Fortsetzung). — Das Bauwesen im preussischen Staatshaushalt für
1902. — Vermischtes. — Personal-Nachrichten.
Hierzu eine Bildbeilage: Bismarck-Denkmal in Hamburg.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktioa
veranwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
seine ihm gleichgesinnte Gattin, die ihm seit 1867 vermählt
war, gelegentlich einen kleinerenFreundeskreis um sich ver-
sammelten, oder wenn er von Zeit zu Zeit seine ihm näher
stehenden Schüler zu einem fröhlichen Zusammensein ent-
bot, waren es für die Theilnehmer stets festliche Stunden.
Leider liess die Gesundheit Jacobsthals schon längere
Zeit zu wünschen übrig. Eine frühere schwere Er-
krankung, die ihn, — als eine Folge geistiger und körper-
licher Ueberanstrengung — gegen Ende der 70er Jahre
befallen und zu einem Winteraufenthalte an der Riviera
genöthigt hatte, hatte er anscheinend glücklich über-
wunden. Doch machten sich bei ihm allmählich mehr und
mehr Anzeichen bemerkbar, die auf die Ausbildung eines
Herzleidens schliessen Hessen. Ein Aufenthalt in Aegypten
während des Winters 1899/1900 brachte ihm vorüber-
gehende Linderung, aber nicht Heilung und schon während
des letzten Sommers hatte die Krankheit einen Höhe-
punkt erreicht, der kaum hoffen liess, dass der Kranke sich
des Ruhestandes, iu den er zu Ostern 1902 treten wollte,
noch werde erfreuen können. In schweren, nur selten
durch ruhigere Stunden und Tage unterbrochenen Qualen
hat er dann mannhaft und gefasst mit dem Tode gerungen,
bis er am Nachmittage des Neujahrstages erlöst wurde.
Am 4. Januar ist er unter dem zahlreichen Gefolge seiner
Amtsgenossen von der Hochschule, von Studirenden der
letzteren und seiner Freunde auf dem alten Luisen-
kirchhof bei Westend beigesetzt worden. Neben seiner
Wittwe hat er einen einzigen Sohn hinterlassen, der in
die akademische Laufbahn des Arztes eingetreten ist;
eine ältere Tochter, die noch als Kind gleichfalls einem
Herzleiden erlegen ist, war dem Vater im Tode voraus-
gegangen. — (Schluss folgt.)
40
No. 6.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 7. Berlin, den 22. Januar 1902.
Entwurf „Faust II" des Hrn. Architekten Wilhelm Kreis in Dresden. Ein III. Preis.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein Bismarck-Denkmal
in Hamburg. (Fortsetzung;.)
as Gutachten des Preisgerichtes, welches den über, ob die letztere Erwartung cintrifft, haben wir
künstlerischenWerth der preisgekrönten und schon weiter oben berührt; hier sei noch bemerkt, wie
angekauften Entwürfe mit bemerkenswerther erwünscht es scheine, dass an dem grossen Eintritts-
Sicherheit trifft, bemerkt von dem mit dem thor für Deutschland, Hamburg, eine riesenhafte Bis-
I. Preise ausgezeichneten Entwurf „Dankes- marck-Gestalt in ähnlichcrWcisezurMahnungundNach-
eiferung die Wacht
Opfer“, dass die Dar-
stellung Bismarcks
als „reckenhafter Ro-
landriese auf wuch-
tigem , wirkungsvoll
abgestuftem Unter-
bau“ dieser Arbeit
die einstimmige An-
erkennung des Preis-
gerichtes gewonnen
habe. Diese Auf-
fassung verkörpere
in treffender Weise
nicht nur „die sich
im Volksbewusstsein
allmählich vollziehen-
de Steigerung der
GestaltBismarcks ins
Heldenhafte“, son-
dern entspreche auch
am besten dem Auf-
stellungsorte, der ein
weither, womöglich
auch vom Hafen aus
sichtbares Standbild
erwünschterscheinen
lasse. Die Frage dar-
inneres des Entwurfes „Faust II",
halte, wie die Bar-
tholdi’sche Freiheits-
statue an dem gros-
sen Eintrittsthore für
Amerika, am Hafen
von New- York. Aus
diesen Gesichtspunk-
ten heraus wird der
Wunsch rege, die
Statue näher an der
Weltverkehrsstrasse
der Elbe und von
dieser aus möglichst
unverdeckt errichtet
zu sehen. — Das Gut-
achten verzeichnet
weiterhin mit Aner-
kennung, dass die
Schwierigkeiten, wel-
che die Tracht un-
serer Zeit in einem
Kolossalbilde berei-
ten, Umstände, die
z. B. bei dem durch
einen II. Preis ausge-
zeichneten Entwurf
4
„Granit“ durch geschickte plastische Behandlung ge-
jnildert, keineswegs aber aufgehoben sind, dass diese
Schwierigkeiten durch die mittelalterliche Rüstung ver-
mieden seien. Geringe Aenderungen in der Haltung der
Arme durch festeren Anschluss derselben an den Körper
werden empfohlen und zum Schluss gesagt, es bildeten
„der geschlossene Umriss des Ganzen und die gross ge-
dachte Umgestaltung des Denkmalplatzes weitere Vor-
züge dieses hervorragenden Entwurfes“.
Diese letztere Bemerkung veranlasst uns, auf den
gegenseitigen Antheil beider Künstler an dem Entwurf
näher einzugehen. Die allgemeine Presse hat bisher fast
immer nur von demBildhauer gesprochen und den Archi-
tekten kaum nebenher erwähnt. Nun ist es aber eine unbe-
streitbare Thatsache, dass in diesem hervorragenden
Wettbewerbe, der, was künstlerische Bedeutung anbe-
langt, zu den ersten der letzten zwanzig Jahre gehört, in
erster Linie die Baukunst den Sieg davon getragen
und damit wieder den Nachweis geführt hat, dass bei
einem Denkmal die Darstellung innerer Grösse vor-
wiegend nur durch die Kunstmittel der Baukunst zu
erreichen ist. Hr. Architekt Emil Schaudt schreibt
uns, dass „der gesammte Entwurf für das Denkmal
ohne irgend einen Einfluss von Seiten des Bildhauers“
von ihm herrühre; auch das architektonische Modell
sei ein Werk des Architekten. Von Hrn. Bildhauer
Lederer sei „nur die Figur des Roland-Bismarck“.
Wir geben diese Ausführung wieder, ohne damit das
Verdienst des Bildhauers schmälern zu wollen, denn
wenn auch der gesammte Denkmalentwurf eine so
glückliche Einheit verräth, dass er nur. aus einem
Kopfe entsprungen sein kann, so liegt zweifellos doch
auch in der ebenso glücklichen bildnerischen Einzel-
behandlung der Bismarckfigur ein hohes Verdienst,
welches den ungewöhnlichen Erfolg des Werkes mit
lierbeigeführt hat. Wenn wir recht unterrichtet sind,
so machte Hr. Schaudt, der bisher in weiteren Kreisen
nicht bekannt war, seine Studien in Stuttgart, zunächst
unter Prof. Seubert an der Kunstgewerbeschule, später
unter Neckelmann an der Technischen Hochschule;
im weiteren Verlauf seiner Ausbildung trat er dann
in den Schülerkreis Wallot’s ein. Hr. Hugo Lederer,
am i6. Nov. 1871 in Znaim geboren, ist ein Schüler
Schillings in Dresden und lebt seit einiger Zeit in Berlin.
Die Verfasser erklären in ihrem Begleitberichte,
dass es ihnen nothwendig erschienen sei, die natürliche
Form des Hügels, auf welchem das Denkmal errichtet
werden soll, zu erhalten und auf ihm das letztere
zu einer die Umgebung beherrschenden Höhe zu ent-
wickeln. Ein im Hintergründe anzulegender Eichen-
hain steigere die Umrisslinie des gesammten Denkmals
zu feierlicher Grösse. Bismarck könne nach der An-
sicht der Künstler in dieser Denkmalfrage unmöglich
als Soldat, Diplomat oder als der alte Herr von Fried-
richsruh aufgefasst werden. „Die Verkörperung einer
grossen Epoche und seiner eigenen unvergänglichen
Thaten, lebt er im Volke als deutscher Nationalheros,
als „Eiserner Kanzler“. Sein Name ist ein Helden-
name.“ Diesen Gedanken strebten die Künstler in
monumentaler Weise zu verkörpern und sie schufen
ein Denkmal „einfach und feierlich, wie es die Würde
der Aufgabe verlangte“.
Das unter diesen Gesichtspunkten geschaffene
Denkmal ist eines der eigenartigsten Werke der neue-
ren Denkmalkunst. Es hat nichts von . der Ueber-
lieferung, es weicht so sehr ab von den herkömm-
lichen Formen, dass der Beschauer gezwungen ist,
sinnend vor ihm zu verweilen und nachzudenken.
Wenn die Verfasser den Fürsten als den eisernen
Kanzler, als den erzumspannten, trotzig starkenKämpfer
für Deutschlands Einheit, wenn sie ihn in dieser Eigen-
schaft in Verbindung brachten mit der mythischen
Gestalt des Helden von Roncesvales, des Paladins
Karls des Grossen, wenn sie ihm die Gestalt der
niederdeutschen Rolandsfiguren verliehen, so ent-
sprachen sie damit einer weit verbreiteten Volks-
stimmung, einer Auffassung des Volkes, bei welchem
sich der Hüter seiner Rechte, der Kämpfer für das
Werden und Gedeihen der Städte und mit ihnen des
Reiches in den wuchtigen Riesenstandbildern ver-
körperte, welche die Märkte der norddeutschen Niede-
rungen als weithin ragende Wahrzeichen schmücken.
Insbesondere bei einem. Denkmal für die alte Hanse-
stadt Hamburg hatten diese Beziehungen volle Be-
rechtigung, weil in Hamburg Fürst Bismarck schon
bei Lebzeiten in Beziehung zu dem sagenhaften Pala-
din Karls des Grossen gebracht wurde, weil man ihn
hier schon im Jahre 1887 als den „neuen Roland des
neuen Reiches“ bezeichnete und wo seitdem und be-
sonders nach seinem Tode sein Bild in dieser Ge-
stalt fortlebte.
Es hat nun bei der kritischen Veranlagung der
Deutschen, die sich auch dem Besten und Schönsten
gegenüber äussert, nicht an Einwendungen gegen die
erwähnte Gedankenverbindung und die symbolische,
stilisirte Auffassung des Kanzler-Denkmales gefehlt.
Zum siebenzigsten Geburtstage Wilh. Böckmann’s.
I^^lm 29. Januar d. J. vollendet Baurath Wilhelm Böck-
15^^ mann in Berlin sein siebenzigstes Lebensjahr. Die
I Feier dieses Tages wird nicht im engeren Kreise
seiner Freunde und Fachgenossen sich abspielen; denn
zu gross ist die Zahl derjenigen, die, ausserhalb desselben
stehend, dem Jubilarin Anhänglichkeit und Verehrung sich
verpflichtet fühlen und ihren Antheil an dem Zoll der
Ehrungen beanspruchen, der ihm aus solchem Anlass ge-
widmet werden soll. Es wird zu diesem Zwecke vielmehr
ein Fest grösseren Stils im Zoologischen Garten stattfin-
den, das in seinen Darbietungen vermuthiich die eigen-
artigste Huldigung werden dürfte, die jemals einem Archi-
tekten zutheil geworden ist.
Aber wenn die Fachgenossenschaft bei dieser öffent-
lichen Feier auch in den Hintergrund treten sollte, so
werden ihre Gedanken an jenem Tage doch in ganz be-
sonderer Art um Wilhelm Böckmann verweilen, dem sie
für das, was er in seiner Lebensarbeit für sie gethan, auf-
richtigen Dank schuldet. Und unsere Pflicht ist es, diesen
Gedanken wenn auch nur kurze Worte zu leihen.
Es kann sich hier nicht darum handeln, ein vollstän-
diges und chronistisch getreues Lebensbild Böckmann’s zu
liefern. Und zwar um so weniger, als der Haupttheil
seiner Berufsthätigkeit, seine Arbeit innerhalb der Archi-
tekten-Firma Ende & Böckmann, mit derjenigen seines
Freundes und Genossen Hermann Ende zusamraenfällt,
die an dieser Stelle schon vor 3 Jahren — bei Gelegen-
heit von dessen 70. Geburtstage — geschildert worden ist.
Die Begründung jener Firma fällt in das Jahr 1860. Böck-
mann, der als Sohn eines hochverdienten Schulmannes zu
Elberfeld geboren ist und nach Vollendung seiner Studien
auf der Berliner Bauakademie Ende der fünfziger Jahre die
Baumeister-Prüfung bestanden hatte, ist demnach schon im
Alter von 28 Jahren in seine selbständige Wirksamkeit
eingetreten.
Wie sich diese im einzelnen gestaltet und in welchem
Verhältniss sie zu derjenigen Ende’s gestanden hat, ent-
zieht sich selbstverständlich der Kenntniss jedes Dritten.
Böckmann, der der Künstlerschaft seines Freundes noch
heute die höchste Bewunderung zollt, hat zwar an dem künst-
lerischen Verdienst der aus ihrem Atelier hervorgegan-
genen Werke niemals einen Antheil beansprucht und sich
damit zufrieden gegeben, dass die Volksstimme ihn ledig-
lich als den Vertreter des technischen und geschäftlichen
Gebietes bezeichnete. Wie indessen Ende an letzterem
keineswegs unbetheiligt blieb, so ist wohl anzunehmen, dass
Böckmann, der schon durch seinen Sieg bei dem Schinkel-
fest-Wettbewerb des Jahres 1858 seine architektonische
Befähigung dargethan hatte, auch auf die Konzeption und
die künstlerische Gestaltung der von der Firma entworfenen
und ausgeführten Bauten nicht ohne Einfluss geblieben ist.
War es ihm doch — nicht gegenüber seinem Genossen,
wohl aber gegenüber jenen Zweiflern an seiner Bethätigung
als Architekt — eine gewisse Genugthuung, dass der Sieg,
den die Firma bei dem öffentlichen Wettbewerbe i. J. 1887
um Entwürfe für das „Deutsche Haus“ in Brünn errungen
hatte, aufgrund eines von ihm angegebenen Entwurfes er-
folgte, während sein Freund Ende in Japan weilte. Jedenfalls
wäre es ungerecht, alle Ehren, die den aus ihrer gemein-
samen Thätigkeit liervorgegangeneh Werken gespendet
werden, auf diesen allein zu häufen.
Vornehmlich eine Eigenschaft hat Böckmann als Mit-
inhaber der Firma auf das unzweifelhafteste zur Geltung
gebracht: sein organisatorisches Talent, das seiner
ungewöhnlichen kaufmännischen Begabung zum mindesten
(FortsetzuDg- auf Seite 44.)
No. 7.
Die Bestimmung der unter dem Namen Roland-
säulen, auch Rulandssäulen oder Rutlandsbilder
die Märkte der Städte der norddeutschen Tiefebene
schmückenden, vielfach roh gearbeiteten, fast immer
streng und linkisch stilisirtcn steinernen Bildsäulen,
wie sie sich in Bremen, Magdeburg, Nordhausen, Halle,
Brandenburg, Perleberg, Stendal und an zahlreichen
kleineren Orten finden, und wie sie auch Berlin be-
sessen haben soll, ist, so vielseitig die Forschung an
sie herangetreten ist, noch nicht mit Sicherheit fest-
gestellt. Dass sie Zeichen der Gerichtsbarkeit waren
oder die Reichsfreiheit einer Stadt zum Ausdruck
bringen sollten, lässt sich nicht nachweisen; für wahr-
scheinlicherwird gehalten, dass sie alssichtbareZeichen
des Marktrechtes der Städte, auf deren Markt sie sich
erhoben, galten. Wie sic bei dieser Bedeutung zu
dem Namen des Helden Roland der Karlssage kommen,
ist noch weniger erforscht, wie ihre Bedeutung an
sich. Wie weit der Held aus Einhards „vita Caroli
Magni“ mit diesen Ueberresten mittelalterlichen Städte-
wesens zusammenzubringen ist, ist heute um so weniger
mehr nachzuweisen, als die Säulen thatsächlich auf
weit zurückliegende Zeiten zurückzugehen scheinen,
wofür die rohe und steife Form, die an uralte Götzen-
bilder erinnert, spricht. Diese Erinnerung in Verbin-
dung mit der Rolandssage ist es, durch welche die
Säulen ihre mythische Bedeutung erlangt haben und
durch welche sie in das moderne Denkmalwesen für
nicht alltägliche Vorwürfe eingeführt wurden.
Die wahrscheinlichere Bedeutung der Rolands-
säulen als Marktzeichen ist es nun, welche Hamburger
Gelehrtenkreise zu einemW^iderstand gegen
die Form des an erster Stelle preisgekrön-
ten Bismarck - Denkmales veranlasst hat.
Man meint, ihre Entstehung weise auf die
Zeit der sächsischen Könige und auf die
Freiheiten und Privilegien hin, welche die
Ottonen den sächsischen Städten verliehen
haben. Eine Rolandssäule verherrliche die
königlicheVerleihung des Stadtrechtes, der
eigenen Gerichtsbarkeit, der Marktgerech-
tigkeit, der städtischen Unverletzlichkeit.
In dieser Bedeutung sei die Säule kaum
ein künstlerisches Motiv für ein Bismarck-
denkmal. Auch in der Verbindung mit dem
Helden von Roncesvales sei sie für diesen
Zweck nicht verwerthbar. „Denn eine
solcheVerwerthung beruht auf einer durch-
aus künstlichen, der historischen Logik ent-
behrenden Vorstellung und sie würde, trotz
aller künstlerischen Schönheit in der Aus-
führung, auf einem dem Denken des deut-
schen Volkes zugemutheten Trugschlüsse
ihre Grundlage haben“. Wie doch die un-
ergründliche deutsche Gelehrsamkeit sich
selbst aller Genüsse berauben kann! Statt
glücklich darüber zu sein, dass eine Denk-
malform gefunden ist, in welche das Volk
seit Jahrhunderten gewöhnt war, etwas
Ausserordentliches zu legen; statt in freu-
diger Zustimmung mit dazu beizutragen,
dass die glücklich gefundene schöne, eigen-
artige, dem Denkmalinhalte gerecht wer-
dende Denkmalform vor allen Fährlichkeiten
bewahrt zur Ausführung gelange; statt
sich dieses nicht gewöhnlichen Gewinnes
unserer modernen Kunstübung mit voller
spekulationsloser Hingabe zu freuen, ver-
mag es eine allzu kritische Gelehrsam-
keit, in den entlegensten Gebieten die Be-
weise dafür zusammen zu suchen, dass der
logische Zusammenhang zwischen dem Ge-
danken der Denkmalform und der beab-
sichtigten Ehrung nicht vorhanden ist. Als
ob die Volksmassen, die am Denkmal jetzt
und nach Jahrhunderten vorüberfluthen,
sich Rechenschaft über die stilistische Rich-
tigkeitdesselbenablegten! ln gleicherweise
wie man schon im 15. und 16. Jahrhundert
die ursprüngliche Bedeutung der Roland-
säulen nicht mehr kannte, sondern in ihnen
nur Wahrzeichen aus einer glücklichen Ver-
gangenheit ehrte, wird man in der Bismarck-
säule lediglich das ehrfurchtgebietende Denkmal sehen,
welches einem Helden aus grosser Zeit in dankbarer
Gesinnung gesetzt wurde. Darum möge unbeirrt von
allen gelehrsamen Ausgrabungen der Entwurf „Dankes-
opfer“ bald Gestalt gewinnen! — (Schluss folgt)
Entwurf „Abiit non obiit“ der Hrn. Prof. Bruno Schmitz in Charlottenburg
^und Prof. Chr. Behrens in Breslau. Ein III. Preis.
Mittheilungen aus Vereinen.
Mecklenburg. Arch.- u. Ingen.-Vereln in Schwerin. Ver-
sammlung vom 12. Okt. 1901; anwes. 12 Mitgl, Vors. Hr.
Brth. Loycke. Der Schriftführer, Bauinsp. Brüssow, trug
den Bericht, der Kassenführer, Ob.-Maschinenmstr. D o d e 11,
die Rechnungsablage über das verflossene Vereinsjahr vor.
Baudir. Hübbe berichtete über den Erfolg der von ihm mit
22. Januar 1902.
dem Vorstande der grossh. Regierungs-Bibliothek wegen
Uebernahme und Verwaltung der dem Vereine gehörigen
Druckwerke geführten Verhandlungen, welche zu einem
Vertragsentwürfe geführt haben, der die endgiltige Geneh-
migung der Versammelten fand; die einheimischen wie aus-
wärtigen Mitglieder des Vereins können diese Druckwerke
fortan gleich den übrigen Büchern der Bibliothek von deren
Verwaltung unter den üblichen Bestimmungen entleihen.
43
Vom Vorstande wird der Abschluss der Verträge mit dem
„Allgemeinen deutschen Versicherungs-Verein“ in Stuttgart
wegen Versicherung von Vereins-Mitgliedern gegen Haft-
pflicht und Unfall unter Vorzugs-Bedingungen zur Kenntniss
gebracht. Nachdem Landbmstr. Dreyer Bericht über die
Verbands-Versammlung in Königsberg i. Pr. erstattet hatte,
entspann sich eine längere Erörterung über das Bismarck-
Denkmal in Hamburg. —
Am 9. Nov. tpoi gedachte die Versammlung des ver-
storbenen Mitgl. Baudir. Oppermann-Schwerin, und hörte
einen Vortrag des Hrn. Baudir. Hübbe über die „Ver-
kehrs-Erschwerungen in städtischen Strassen“,
und zwar durch Anlagen in und an den Strassen und durch
die Ungeschicklichkeit der zu Fuss, Ross und Wagen ver-
kehrenden Menschen. —
Am 14. Dez. 1901 hielt unter Hrn. Loycke’s Vorsitz
Hofbmstr. Liss einen durch eine reichhaltige Sammlung
von Photographien iUustrirten Vortrag über seine im letzten
Sommer ausgeführte Studienreise zur PariserWelt-
ausstellung und den französischen Schlössern an der
mittleren Loire (Blois, Chambord, Cheverny, Chaumont,
Amboise, Chenonceau, Azai le Rideau), sodann nach Fon-
tainebleau und nach der Stadt Rouen. —
Am II. Jan. 1902 wurden unter Hrn. Loycke’s Vorsitz
Kommissionen zur Vorbereitung der Beantwortung der
Verbandsfragen wegen der „Gebühren der Architekten
und Ingenieure als gerichtliche Sachverständige“ aus den
Hrn. Hamann, Hennemann und Dodell, und wegen
der „Stellungnahme der Techniker zur Frage der Be-
schaffung billiger Wohnungen“ aus den Hrn. Plenne-
mann, Hübbe und Wohl brück ernannt und vom Schrift-
führer Hübbe mitgetheilt, dass über die Verwendung
einzelner Druckwerke des Vereins, welche auf der Re-
gierungs-Bibliothek bereits vorhanden seien, demnächst
noch Beschluss zu fassen sein werde. — H.
Vermischtes.
Plastische Malerei. Der Kunstmaler Herrn. Schudt
aus Frankfurt a. M. hat ein Verfahren zur Herstellung
plastischer Malerei und stuckähnlich farbiger Verzierungen
erfunden, welches in allen Kulturstaaten patentirt ist. Das
Verfahren besteht darin, dass eine besondere, weiche
Masse, welche schon nach 24 Stunden zu Stein erhärtet,
ohne rissig oder spröde zu werden, angetragen wird. Zur'
Formgebung dient ein Füllmittel aus präparirter Schnur.
Die Masse hat die Eigenschaft, dass sie sich mit jeder
Unterlage, gleichviel ob Putz, Stein, Marmor, Holz, Eisen
oder insbesondere Glas unlösbar verbindet, sodass den
nach dieser Technik ausgeführten Arbeiten grosse Dauer-
haftigkeit zugesprochen wird; auch sollen Witterungsein-
einflüsse auf die Masse ohne schädliche Einwirkung sein.
Die Technik ist eine sehr einfache. Nehmen wir an, es
soll eine Zimmerdecke ornamentalen Schmuck erhalten,
die Wage hält und dem die von beiden Genossen erzielten
thatsächlichen Erfolge wohl ebenso zu danken sind, wie
dem künstlerischen Schaffen Ende’s. Wenn dieser es bei
seinem Jubiläum als das grösste Glück seines Lebens pries,
dass ihm auf seinem Wege ein Freund wie Böckmann
zurseite gestanden habe, so hat er damit sicherlich seiner
innigsten Ueberzeugung Worte geliehen. Wer mit Böck-
mann’s geschäftlicher Thätigkeit jemals in Berührung ge-
kommen ist, wird es würdigen, was dieser kraft jenes
Talentes geleistet hat; wie er mit klarem Blick jederzeit
die verwickeltsten Verhältnisse zu überschauen, wie er —
sein Ziel im Auge — günstige Bedingungen zu benutzen,
schädliche Einflüsse abzuwehren, wie er die richtigen
Kräfte an der rechten Stelle zu verwenden wusste. Eine
glänzende Probe hierfür hat er ausserhalb seines Berufes
als Architekt insbesondere als Gründer und Leiter mehrerer
Terrain-Gesellschaften, sowie noch in jüngster Zeit als
Vorstand des Zoologischen Gartens in Berlin erwiesen,
dessen glänzende Neugestaltung sein Werk ist.
Doch wieviel er auch immer durch seine Berufsthätig-
keit und die infolge derselben erlangte äussere Stellung
zur Erhöhung des Ansehens der Fachgenossenschaft mittel-
bar beigetragen haben mag, so fällt für diese an seinem
Ehrentage doch noch mehr das ins Gewicht, was er durch
sein gemeinnütziges Wirken innerhalb desFaches
gethan hat. Und seine Verdienste in dieser Beziehung sindso
gross, dass sie wohl mit denen jedes anderen hervorragenden
deutschen Architekten oder Ingenieurs sich messen können.
Niemals hat Böckmann, wie so manche Andere, den Inter-
essen seiner Fachgenossen gleichgiltig gegenüber gestanden,
auch wenn ihn diese persönlich nicht berührten. Ein
eifriges Mitglied des „Berliner Architekten-Vereins“ und Mit-
begründer der aus diesem hervorgegangenen „Vereinigung
Berliner Architekten“, hat er sich keiner Aufgabe entzogen.
so wird die Zeichnung nach dem Entwurf an Ort und
Stelle auf die glatt geputzte Decke aufgepaust. Der Aus-
führende legt nun mit der mit Masse getränkten Schnur,
der Zeichnung folgend, die Kontur und füllt die breiteren
Stellen mit Masse aus, sie mit einem Spachtel glättend.
Die Arbeit nach dieser Technik wird als schneller be-
zeichnet, als die der bisherigen Antrage-Technik, weshalb
die Ausführungen auch im Preise wesentlich niedriger
sein sollen. Aehnlich wie die Flächen der Innenräume
lassen sich dieFlächen von kunstgewerblichen Ausstattungs-
stücken behandeln. Die Technik wird unter dem Titel
„Plastische Malerei“ G. m. b. H., Bernburgerstr. 14, Berlin,
verwerthet. —
Ehrenbezeugungen an Künstler. Die kgl. Akademie
der schönen Künste in Stockholm hat Hrn. Geh. Brth,
Prof. Dr. P. Wallot in Dresden zum „membre actif de
la classe des etrangers“ ernannt. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb betr. Entwürfe für ein Kaiserin Elisabeth-
Denkmal in Budapest. Für dieses Denkmal, für welches
eine hohe Summe aufgebracht wurde, wurde unter unga-
rischen Künstlern ein Wettbewerb ausgeschrieben, der
am 22. d. M. abläuft und zu welchem die Betheiligung von
10 Künstlern erwartet wird. Da das Denkmal anstelle des
Hentzi-Denkmales in der Nachbarschaft der Ofener Königs-
burg errichtet werden wird, so lud man den Architekten
der Neubauten der Königsburg, Hausmann, ein, in das
Preisgericht einzutreten, und berief ausserdem als aus-
wärtige Preisrichter den Architekten Prof. Bruno Schmitz
in Berlin und die Bildhauer Aug. Bartholdi in Paris, so-
wie Jos. Lambeaux in Brüssel. —
Zu einem Wettbewerb betr. Entwürfe für ein Distrikts-
Krankenhaus in Pasing liefen 15 Arbeiten ein. Den I. Preis
von 600 M. errang der Entwurf „Mit Gott“ des Hrn. Josef
Sibitz in Pasing; den II. Preis von 400 M. der Entwurf
„Licht und Luft“ der Hrn. Müller&Kollmusin München.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. J. N. B. in W. Der Umstand, dass Ihr Hr. Kollege
Schweizer ist, könnte bei dem Wettbewerb zu einer formalen Be-
anstandung führen. Wenn Sie daher gemeinsam arbeiten wollen,
so wird nichts anderes übrig bleiben, als dass nur der Name des
deutschen Bewerbers genannt wird. —
Hrn. Stdtbmstr. Br. in Beuthen. Wir müssen Sie bitten,
Ihre Anfrage unmittelbar an den Patentinhaber oder an das Kais.
Patentamt in Berlin za richten. —
Inhalt: Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein Bis-
marck-Denkmal in Hamburg (Fortsetzung). — Zum siebenzigsten. Geburts-
tage Wilh. Böckmanns. — Mittheilungeii aus Vereinen. — Vermischtes. —
Preisbewerbnngen. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veranwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
die an ihn in dieser Beziehung herantrat. Wiederholt hat er
durch längere Zeit den Vorsitz des Architekten-Vereins ge-
führt. Auch an der Gründung des Verbandes deutscher Ar-
chitekten- und Ingenieur-Vereine war er in hervorragender
Weise betheiligt; er hat als erster an dessen Spitze ge-
standen und später noch mehrfach den Abgeordneten-
Versammlungen desselben angehört. Und wenn es etwas
zu erkämpfen galt, was er als Fortschritt des Faches an-
sehen zu müssen glaubte, so hat er stets in der vordersten
Reihe der Kämpfer gestanden und weder Mühe noch Opfer
gescheut, um der von ihm vertretenen Sache den Sieg
zu sichern, für den seine Mitwirkung nicht selten ent-
scheidend war. Sein offenes Herz für die akademische
Jugend des Faches hat dem „Motiv“ erst jüngst die Gründung
eines „Motivhauses“ eingetragen. —
Zuletzt, aber mit besonders warmem Danke, sei der
BetheiligungBöckmann’sanderGründungder,^ Deutschen
Bauzeitung“ gedacht. Unter den 7 Fachgenossen, die
sich im Dezember 1866 zur Herausgabe des „Wochen-
blattes, herausgegeben von Mitgliedern des Architekten-
Vereins zu Berlin“ entschlossen, war er nicht nur an
Jahren der Aelteste, sondern zugleich der Einzige, dessen
Name sich nach aussen hin schon eines gewissen An-
sehens erfreute. Dank diesem Ansehen und seinem ge-
schäftskundigen Rathe gelang es uns, schneller Boden zu
gewinnen, als wir sonst wohl hätten hoffen dürfen. Er
hat uns in den verflossenen 35 Jahren nicht nur als Mit-
arbeiter unterstützt, sondern dem Gedeihen unseres Unter-
nehmens fortdauernd sein regstes persönliches Interesse
gewidmet. Noch heute steht er als Vorsitzender an der
Spitze unserer Gesellschaft.
Möge er uns und der deutschen Fachgenossenschaft
noch lange erhalten bleiben! — p
44
No. 7.
AUZEITUNG.
GANG. ^ * NO- 8. ^
DEN 25. JAN. 1902. *
Entwurf „Unser Stolz". Architekt: William Müller in Berlin. Ein II. Preis.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein Bismarck -Denkmal
in Hamburg.
(Fortsetzung statt Schluss) Hierzu die Abbildungen in No. 9.
ie Verfasser des mit einem II. Preise gekrön-
ten Entwurfes „Granit“, die Hrn. Bildhauer
E. Beyrer jun. und Arch. Fr. Rank in
München, haben den Versuch unternommen,
das Denkmal als geschichtete Kolossal-Figur
des Kanzlers aufzufassen und diese, welche in das
Zeitkostüm gekleidet ist, so weit von dernaturalistischen
Behandlung zu entfernen, also zu stilisiren, dass die
technische Möglichkeit für das Herausarbeiten aus dem
geschichteten Stein-Aufbau gegeben ist. Der Versuch
ist interessant und fand auch die Anerkennung des Preis-
gerichtes, w'elches „die kraftvoll schlichte und charakte-
ristische Gestalt Bismarcks“ als „gut gedacht in ihrer
massigen Behandlung und Eigenart für Quaderbau“
Zur Erinnerung an Eduard Jacobsthal.
(Schluss.)
Ig^^o der äussere Verlauf eines Lebens, das nach dem
alten Psalmisten-Worte „köstlich“ gewesen ist, weil
es von rastloser Mühe und Arbeit erfüllt war und
dem es auch an köstlichen Früchten nicht gefehlt hat.
Wie verlautet, betrachtet es die Architektur- Abtheilung
der Technischen Hochschule, deren Zierde Jacobsthal war,
als ihre Ehrenpflicht, eine Ausstellung der von diesem
hinterlassenen architektonischen und kunstgewerblichen
Entwürfe und Aufnahmen, sowie der unter seiner Leitung
entstandenen Schülerarbeiten zu veranstalten. Ein Unter-
nehmen, wie es s. Z. auf Anregung des Verstorbenen dem
künstlerischen Nachlasse Hermann Spielbergs gewidmet
worden ist, das aber in diesem Falle noch grösseren Er-
folg verspricht, weil einerseits die Thätigkeit Jacobsthals
eine weit umfassendere war und weil andererseits ein
namhafter Theil seiner Arbeiten bereits von ihm selbst
auf einzelnen Kunstausstellungen vorgeführt, also in eine
für diesen Zweck geeignete Form gebracht worden ist.
Wir dürfen demnach hoffen, in dieser mit wärmstem Dank
zu begrüssenden Ausstellung ein Bild von dem Lebens-
werk des Meisters zu erhalten, das sein Streben und Kön-
nen wie seine Bedeutung für den Zeitabschnitt, dem er
angehörte, in überzeugender Weise auch denen klar machen
wird, die bisher keine Gelegenheit hatten, ihn näher ken-
nen zu lernen. Sogar denen, die ihn kannten, dürfte eine
solche Ausstellung manches Neue bringen, da nicht wenige
seiner Arbeiten bisher im Verborgenen geblieben sind.
Freilich steht für sie jenes Bild schon längst fest und kann
höchstens durch einige Züge bereichert und vervoll-
ständigt werden. —
Die Fachgenossen, welche ihren akademischen Studien
nicht auf der Berliner Hochschule obgelegen haben und
die weiteren Kreise des Volkes, soweit diese überhaupt
an künstlerischen Angelegenheiten Intere.sse nehmen, haben
in Jacobsthal zunächst nur den Architekten gesehen
und ihr Urtheil über ihn nach den von ihm ausgeführten
oder veröffentlichten Bauten sich gebildet. Bei einer
Würdigung seiner künstlerischen Persönlichkeit, wie sie
mir nunmehr obliegt, muss daher diese Seite seiner Thätig-
keit voran gestellt werden, obwohl sie keineswegs die be-
deutendere ist. Sie konnte dies schon aus dem Grunde
nicht sein, weil es ihm niemals vergönnt gewesen ist, mit
einer Aufgabe ersten Ranges betraut zu werden und der
Lösung einer solchen in voller Müsse, mit Einsetzung
seiner ganzen Kraft sich hinzugeben. Doch werden auch
seine nächsten Freunde, die gewiss geneigt sind, seinen
Leistungen die grösste Werthschätzung angedeihen zu
lassen, sich nicht verhehlen dürfen, dass ihm durch die
besondere Art seiner Begabung und die Einflüsse, die für
seine Entwicklung bestimmend gewesen sind , gewisse
Schranken gesetzt waren, welche ihm die Erreichung
45
und die Zeittracht als für diesen Zweck geschickt ver-
wendet erklärte. Nicht gleichen Beifall fand der archi-
tektonische Theil des Entwurfes.
Auf einen Gedanken, den Schinkel bei dem Grab-
denkmal für den General Scharnhorst verwendete, den
auf einem stelenartigen Pfeiler lagernden Löwen, geht
der zweite mit einem II. Preis gekrönte Entwurf, der
Entwurf „Unser Stolz“ des Hrn. Arch. William Müller
in Berlin, mit dem Unterschiede zurück, dass die
Maassverhältnisse des Pfeilers in das thurraartige ge-
steigert und derselbe in seinen unteren Theilen mit
umfangreichen architektonischen Anlagen umgeben
ist. Das Preisgericht war der Meinung, dass „die
Mächtigkeit und Einfachheit des Aufbaues, die einheit-
liche Anordnung des Grundrisses, die reizvolle, vor-
nehm empfundene Verbindung der Brunnenanlage mit
den ernsten Massen des Denkmal-Unterbaues, sowie
die maassvolle und geschickte Anwendung von Platt-
formen in verschiedenen Höhen der Denkmalsanlage“
dem Entwurf einen besonderen Werth verleihen, ein
Urtheil, dem man sich wohl anschliessen kann. Mit
gleicher Anerkennung gedenkt das Preisgericht des
Gedankens, „das grosse Werk des Reichskanzlers
durch die Gestalt eines gewaltigen Löwen zu versinn-
bildlichen“; der Verfasser fügt hinzu: „mit stolz ge-
hobenem Haupte“, den Blick auf die Lebensader Ham-
burgs, auf die Elbe gerichtet. Die Charakterisirung
des Denkmals als eines Bismarck-Denkmals erfolgt
durch das an dem oberen Thcile der Vorderseite an-
gebrachte Medaillonbild des Fürsten. Der Urheber
dieses Entwurfes, welcher sich schon bei dem Wett-
bewerb um Entwürfe zu Bismarck- Säulen der deut-
schen Studentenschaft auszeichnete, arbeitete unter
Alfr. Messel, Otto Rieth und Ludwig Hoffmann. Wir
geben seinen schönen Entwurf vorstehend wieder.
Der Vorzug des dritten, an zweiter Stelle preis-
gekrönten Entwurfes, des Entwurfes „Vom Fels zum
Meer“ des Hrn. Bildh. Hans Hundrieser in Char-
lottenburg, liegt in der trefflich modellirten Kolossal-
gestalt des Fürsten, die der Pose nicht ganz entbehrt,
diese aber nicht in einem Umfange zeigt, dass der
Ernst und die Grösse der Gestalt beeinflusst würden.
Es ist ein leidiges Schicksal, welches bei unseren
Wettbewerben immer wiederkehrt, dass Entwürfe von
besonderer Eigenart eist hinter Arbeiten zur A.ner-
kennang gelangen, welche sich von einem gewissen
überlieferten Durchschnittsgedanken nicht allzuweit
entfernen. So musste die Gruppe der drei Entwürfe,
welche durch einen dritten Preis ausgezeichnet wurden,
es sich gefallen lassen, dass sie erst hinter den Ent-
würfen „Granit“ und „Vom Fels zum Meer“, welche
in ihrer. Form keineswegs der eigenartigen Bedeu-
tung des Denkmalgedankens gerecht werden, zur Aus-
zeichnung gelangten. Es verdient die Aufmerksamkeit
auf die erkennbar wärmere Anerkennung hingewiesen
zu werden, welche die Verhandlungsschrift der letztge-
nannten Gruppe von Entwürfen zutheil werden lässt.
Von dem schönen Entwurf „Faust II“ des Hrn. Arch.
Wilhelm Kreis in Dresden, den wir S. 41 Wieder-
gaben, hatte das Preisgericht den- Eindruck gewonnen,
dass er unter den rein architektonischen Lösungen
„durch' imposante Einfachheit des Grundrisses und
feierliche "Würde des Aufbaues“ hervorrage. Jedoch
erwecke „der fast finstere Ernst des Inneren wie des
Aeusseren“ mehr den Eindruck eines Mausoleums, wie
den der vom Verfasser beabsichtigten Ruhmeshalle.
Ist der Eindruck wirklich so finster? Nach Berührung
einiger architektonischer Beanstandungen erklärt die
Verhandlungsschrift: „Im übrigen ist die gewaltige,
durch die einfachsten architektonischen Mittel erreichte
Wirkung, die Vermeidung überlieferter Form und das
Fernhalten allen rein dekorativen Beiwerkes nicht
genug zu loben“. Auch der Darstellungsweise des
Entwurfes wird mit hoher Anerkennung gedacht.
Otto Rieth unternahm in seinem interessanten,
in No. g dargestellten Entwurf „Dem Gutsherrn von
Friedrichsruh" den Versuch, einerseits der Bedeutung
des Fürsten Bismarck als Nachbar von Hamburg ge-
recht zu werden und diese Eigenschaft des Gutsherrn
im Denkmal in zurücktretender Weise anzudeuten,
den Schwerpunkt des Denkmalgedankens aber immer-
hin auf das Lebenswerk des Kanzlers zu legen. Er
gab demzufolge der Krönung des Denkmals die „Form
eines gewaltigen .Germaniahauptes, dem 2 Genien zur
Seite stehen, welche den Eichenkranz halten. Das
Lebenswerk Bismarck’s, die deutsche Kaiserkrone,, das
Ziel seiner Politik und der Stolz des deutschen Volkes,
schliesst die oberste Gruppe, ab.“ ...Das Preisgericht
anerkennt zwar die geschickte -Lösung -der Anifgabe
und rühmt namentlich den Unterbau mit den Treppen-
läufen, führt aber aus, „gegenüber dieser Auffassung
Bismarck’s als des Hamburg benachbarten Gutsherrn
von Friedrichsruh tritt jedoch der gewaltige Kanzler
und Gründer des Reiches zu sehr in den Hintergrund.“
Vielleicht hat der Künstler diese Beurtheilung seines
so interessanten Entwurfes durch die Wahl seines
der höchsten baukünstlerischen Ziele zum mindesten er-
schwerten.
In welcher Richtung das Streben Jacobsthals sich be-
wegte und welchem architektonischen Glaubensbekenntniss
er huldigte, lässt sich kaum bezeichnender ausdrücken,
als durch die Worte, mit denen er selbst s. Zt. den Ent-
wicklungsgang und die persönliche Eigenart eines seiner
ihm am nächsten stehenden künstlerischen Gesinnungs-
genossen, Hermann Spielbergs, geschildert hat (Jahrg.
1886, S. 589 d. BL):
„Sein für edle einfache Schönheit empfänglicher Sinn
wurde vor allem durch das Studium der künstlerischen
HinterlassenschaftSchinkels beeinflusst; von seinenLehrern
zog ihn am meisten Karl Boetticher an, der dem Verständ-
niss der Meisterwerke griechischer wie mittelalterlicher
Baukunst, der Vorbedingung modernen Kunstschaffens,
neue Pfade eröffnet hatte. Im engen Anschluss an ihn
und den Kreis der zu ihm stehenden Fachgenossen bildete
er sich sein künstlerisches Ideal. Den damals gewonnenen
Anschauungen, dass Konstruktion, Form und inneres Wesen
eines Bauwerkes nothwendig im Zusammenhänge stehen
müssen, und dass vornehmlich ein solcher Zusammenhang
in jenen Blütheepochen alter Kunst zur charakteristischen
Erscheinung des Gesammt- Aufbaues, zu vollkommenem Or-
ganismus der einzelnen Theile geführt hat, ist er bis zum letz-
ten Augenblicke seines Schaffens niemals untreu geworden“.
Ich irre wohl nicht in der Annahme, dass Jacobsthal
in diesen Worten nicht nur ein aus objektiver Beobachtung
gewonnenes Urtheil ausgesprochen, sondern zugleich eine
Art Selbstbekenntniss abgelegt hat. Denn namentlich der
letzte Satz hat volle Geltung auch für ihn, während seine
Entwicklung allerdings in etwas anderer Weise sich voll-
zogen hatte, als die jenes um 12 Jahre älteren Meisters.
Wie gross auch immer der Einfluss gewesen sein mag,
den das Studium der Boetticher'schen „Tektonik der
Hellenen“ auf ihn ausübte, so fand derselbe doch seine
Ergänzung in den Anregungen, die er gleichzeitig und
wenig später aus dem Semper’schen „Stil“ und dem „Dic-
tionnaire raisonne d’architecture“ Viollet-Ie-Ducs schöpfte,
und entbehrte der unmittelbaren Unterstützung, die den
älteren Schülern Boettichers durch den engeren persön-
lichen Verkehr mit diesem zutheil geworden war. So hat
sich Jacobsthal zwar zu einem überzeugten Anhänger und
Vertreter der von Schinkel begründeten und nach diesem
von Stüier geführten Berliner Architekturschule entwickelt
und als solcher mit dem um die Fahne der Tektonik ge-
schaarten Architektenkreise vielfach in Uebereinstimmung
gestanden, ohne doch zu den eigentlichen „Tektonen“ zu
gehören. Niemals hat er einem bünden Glauben an die
alleinseligmachende Kraft der hellenischen Formen ge-
huldigt und sich einer unbefangenen Würdigung der in
anderer Stilfassung geschaffenen Werke verschlossen, so-
bald die letzteren in sich logisch gestaltet und nicht aus
reiner Willkür hervorgegangen waren; nur den Schöpfun-
gen der sogen. „Moderne“, bei denen er letzteres an-
nehmen zu müssen glaubte, stand er schlechthin ablehnend
gegenüber. Wenn er in seinen eigenen Arbeiten treu an
den Ueberlieferungen der antiken, durch Schinkel zu neuem
Leben erweckten Baukunst festhielt und es verschmähte,
sein künstlerisches Schaffen den wechselnden Stilmoden
anzupassen, so leitete ihn hierbei einfach das Bewusstsein,
in jenen Ueberlieferungen das seinem innersten Wesen
am besten entsprechende Ausdrucksmittel für seine Ge-
dankenwelt zu besitzen. Sie aufzugeben, hätte für ihn
etwa das Gleiche bedeutet, wie ein Verzicht auf seine
Muttersprache.
Es ist diese ehrliche Ueberzeugungstreue des Meisters
•von allen nrtheilsfähigen Fachgenossen voll gewürdigt
No. 8
Kennwortes selbst herb eigeführt. Aus der Denkmal-
form an sich ergiebt sie sich nicht in diesem Umfange,
denn die reliefartige Wiedergabe der Gestalt Bismarcks
als Gutsherrn, etwa im Sinne des figürlichen Schmuckes
der altgriechischen Grabstelen, tritt doch erheblich zu-
rück gegen den Reichsgedanken, welcher die Denk-
malform als Ganzes beherrscht.
Ein Entwurf von hoher Eigenart, neben dem sieg-
reichen vielleicht der eigenartigste des ganzen Wett-
bewerbes, ist der Entwurf „Abiit non obiit“ der Hrn.
Prof. Bruno Schmitz in Charlottenburg und Prof.
Chr. Behrens in Breslau (S. 43). Die Ausführung
des Denkmals ist in schweren Granitquadern aus dem
Odenwald oder aus den bei Achern im Schwarzwald
gefundenen derben Granitfindlingen gedacht. „Die in
dreiviertel Ansicht aus felsartigem Mauerblock hervor-
tretende Gestalt Bismarck’s inmitten einer kreisförmi-
gen Dolmenumhegung von rohen Quadern fand in
ihrer neuen und- stimraungsvolk -schroffen Eigenart
hohes Lob“ beim Preisgericht, und nicht nur bei die-
sem allein. Wenn dasselbe' aber weiterhin erklärt,
der Entwurf erscheine „gerade wegen dieses eigen-
artigen Charakters eher für eine Gebirgslandschaft als
für eine Stadt geeignet“, so liegt hierin wohl eine
kleine Uebertreibung. In Gegensatz gebracht zu einer
Gebirgslandschaft mit ihrer natürlichen Schroffheit
und Grösse würde der Gedanke seinen Charakter und
seine Berechtigung wohl verlieren, denn gerade in
dem Gegensatz seiner „stimmungsvoll schroffen Eigen-
art“ zu einem Stadtbilde mit der Gleichmässigkeit
seiner modernen Anlagen liegt der überzeugende Ein-
druck, den der Entwurf auf den Beschauer ausübt.
Uebrigens ist der Standort für das Denkmal land-
schaftlich frei genug und hinreichend bewegt, um
das absichtliche Verlassen von überlieferten Kultur-
formen zu gunsten der urwüchsigen Kraft der Natur-
formen zu rechtfertigen,
Aus der Gruppe der vier mit IV. Preisen ausge-
zeichneten Entwürfe geben wir S. 49 den des Hrn.
Arch. Arnold Hartmann in Grunewald bei Berlin
wieder. Er zeigt einen Obelisken mit umgebendem
Steingehege, davor Bismarck als Parlamentarier. Das
Preisgericht rühmt an der Gesammtauffassung des
Entwurfes „grosse Züge und eine geschickte, klare
Anordnung der Massen“, glaubt aber andererseits das
Verhältniss der Architekturtheile zu den bildnerischen
Theilen, sowie der Statue zum Obelisken nicht so
günstig beurtheilen zu können. In den Entwürfen
worden und hat seiner Person allgemeine Achtung ein-
getragen. Geringere Anerkennung bei der Mehrheit haben
dagegen seine Werke gefunden, die als echte Kinder jener
älteren Berliner Schule zwar deren Vorzüge, aber auch
deren Mängel zeigen. Sorgfältig durchdacht bis in alle
Einzelheiten, schlicht, aber stets monumental, fein abge-
wogen in Verhältnissen und Gliederungen und — nament-
lich bei den kleineren Aufgaben — nicht selten von be-
stechender Anmuth, hätten sie ein oder einige Jahrzehnte
früher ihren Erfinder vermuthlich mit in die erste Reihe
der deutschen Architekten gestellt. Aber die Welt hat
mittlerweile mit anderen Augen sehen gelernt. Sie hat
von den Leistungen einer vorwiegend aus dem Verstände
geschöpften Kunst sich abgekehrt; sie verlangt stärkere
Anregung der Phantasie und Steigerung des malerischen
Eindrucks. Statt der kühlen Gemessenheit schulgerechter
Werke, die nothwendig zu einer gewissen Einförmigkeit
führen muss, will sie nur Schöpfungen gelten lassen, in
denen das warme Blut einer künstlerischen Persönlichkeit
pulsirt. Und dieser Wandel des Geschmacks, durch den
nachträglich selbst die von ihrer Zeit am höchsten ge-
schätzten Architekten entthront worden sind, dem man
aber sein gutes Recht unmöglich absprechen kann, ist
auch für Jacobsthal verhängnissvoll geworden; er hat es
vereitelt, dass dieser als schaffender Baukünstler die Er-
folge errungen hat, die er bei seiner hohen Veranlagung
und dem heiligen Ernst seines unermüdlichen Strebens
hätte erreichen können und müssen. Dass wohl keines
seiner . Werke darauf Anwartschaft hat, in die Annalen
der Kunstgeschichte überzugehen, ist freilich ein Schick-
sal, das er mit den meisten und selbst mit dem grössten
Theil seiner gefeiertsten. Fachgenossen gemein hat. Aber
es war bitter für ihn, dass es ihm trotz seiner vielfachen
Betheiligung an Kunstausstellungen niemals geglückt ist,
25. Januar 1902.
,, Eckart“ des Hrn. Bildhauers P. Peterich in Berlin und
,,An die Elbe“ des Hrn. Bildhauers N. Pfretzschner in
Charlottenburg sind es vorwiegend die Bismarck-Ge-
stalten, welche die Arbeiten zu einer Auszeichnung
gebracht haben und welchen die Gesammtanlage er-
heblich nachsteht. In dem Entwürfe „Einigkeit und
Kaiserkrone“ des Hrn. Bildhauer Caesar Scharff in
Hamburg, des einzigen Hamburger Künstlers, der zu
einer Auszeichnung gelangte, ist mit dem Gutachten
des Preisgerichtes „die wirkungsvolleMassenvertheilung
und die einheitlich geschlossene Gesammtstimmung
sowohl des beziehungsreichen Gesammtinhaltes der
raannichfachen Darstellungen, wie auch der stilistisch
ernsten“ Einzelheiten zu rühmen. Die architektoni-
schen Theile des Entwurfes sind in schön aufgefasstem
romanischem Stil gehalten.
Ungleich werthvoller als die Gruppe der mit einem
IV. Preise ausgezeichneten Entwürfe erscheinen uns
zwei angekaufte Arbeiten. In erster Linie der präch-
tige Entwurf „Ekkehart“ des Hrn. Arch. Jos. Reuters
in Wilmersdorf bei Berlin, zu welchem wir auf S. 37
eine Vorstudie veröffentlichten und den wir S. 48 in
Grundriss und Aufriss selbst wiedergeben. Eine Frei-
treppe führt auf einen Festplatz, von welchem man
durch einen überwölbten Haupteingang in das Innere
einer Halle gelangt, in der in einer Nische eine
Büste Bismarck’s aufgestellt gedacht ist. Das Preis-
gericht zeichnet den köstlichen Entwurf mit der Be-
merkung aus, dass ,,die schöne und . eigenartige Ge-
staltung des Aufbaues, besonders in seinem oberen
Theile“, die Gesichtspunkte waren, welche eine Em-
pfehlung zum Ankauf herbeiführten. Wir haben die
Empfindung gehabt, dass diese Anerkennung und die
Auszeichnung dieses interessanten Entwurfes lediglich
durch Ankauf etwas sparsam seien. In zweiter Linie
ist in dieser Gruppe der Entwurf ,, Bismarck“ der Hrn.
Bildh. Aug. Hudler und Arch. Wilh. Kreis in Dresden
hervorgehoben. Das Preisgericht rühmt an ihm die
architektonische Gesammtanordnung. Nach derselben
ist die Höhe des Hügels zur Anlage eines gewaltigen
Sockels benutzt, welcher mit 4,5 “ hohen Figuren be-
lebt ist, die Mythe und Geschichte des germanischen
Stammes darstellen. Rechts und links führen Frei-
treppen zu einer Plattform, auf welcher auf würfelför-
migem Sockel Bismarck’s Kolossalfigur in Marmor sitzt.
Aus der reichen Fülle der übrigen Entwürfe seien
die folgenden in aller Kürze erwähnt: „Dem Riesen“,
eine interessante geschichtete Kolossalfigur; ,,Fröh-
für seine dort vorgeführten Werke eine Auszeichnung zu
erlangen und dass es den Anstrengungen seiner Fachge-
nossen erst i. J. 1894 gelang, gegenüber den in der Ber-
liner Akademie der Künste vorwiegenden Malern und
Bildhauern seine Wahl zum MitgUede dieser Körperschaft
durchzusetzen. Er hat, wie ich aus gelegentlichen An-
deutungen von ihm schliessen konnte, unter diesem Mangel
an Anerkennung schwerer gelitten, als er zugestanden
hätte, und ich kann mich der Meinung nicht entschlagen,
dass das hierdurch hervorgerufene Gefühl der Enttäuschung
und Zurücksetzung an der melancholischen Stimmung,
die ihn während der letzten Jahrzehnte beherrschte, einen
nicht unerheblichen Antheil hatte. — -
Ueber die Bethätigung Jacobsthal’s auf den Gebieten
des Kunstgewerbes und der architektonischen De-
koration ein zusammenfassendes Urtheil sich zu bilden,
wird aus den schon früher angeführten Gründen erst mög-
lich sein, wenn es gelingen sollte, eine grössere Zahl seiner
diesen Gebieten angehörigen Arbeiten ans Licht zu ziehen;
Indessen darf man im voraus annehmen,- dass sie — auf
demselben Boden erwachsen wie seine baulichen Ent-
würfe — ein diesen durchaus verwandtes Gepräge tragen
und dem Besten ebenbürtig sind, was andere Meister der
älteren Berliner Schule in gleicher Art geleistet haben.
Als eine kleinere dekorative Arbeit von bescheidener Hal-
tung, in der -jedoch das eigenartig sinnige Talent des
Künstlers in liebenswürdiger Weise sich ausspricht, darf
vielleicht noch nachträglich der Rahmen angeführt wer-
den, den Jacobsthal zu dem am 13. März 1881 in der
Deutschen Bauzeitung veröffentlichten Bilde des Schinkel-
schen Schauspielhauses entworfen hat. —
Ihren Schwerpunkt fand, wie schon hervorgehoben
wurde, die Lebensarbeit Jacobsthals unstreitig in seinem
Wirken als Lehrer. Schöpferisch befähigt und doch
47
Ent%vurf „Ekkehart“.
Angekauft.
liehe Weihnachten",
eine bemerkenswerthe
Arbeit, die wir in No. 9
wiedergeben; »Bis-
marck s te i n", einrecht-
eckiges Steingehege mit
Freitreppe und Thurm
mit Büste, das wenige
Ornament sehr eigenar-
tig; ,, Rolandsbogen",
eine monumentale Auf-
fassung verrathend und
Bismarck in heraldischer
Umbildung zeigend ;
„Monumentum Ham-
monia^', ein strenger
ernster Bntwuri mit vor-
wiegend architektoni- Maasstab etwa 1 : 650.
scher Haltung; „Ein
Stein", ausgezeichnet durch eine interessante Fhurm-
architektur mit neogräken Anklängen und mit grund-
sätzlicher Anwendung der Farbe; ,, Ehrensäule"
(Arch. Arnold Hartmann in Grunewald), das Riesen-
bild des Kanzlers vor
einer Säule; „Seiner
Schwesterkunst“,ein
hervorragender Entwurf
den wir S. 49 wieder-
geben (Verf. Arch. Her-
mann Billing in Karls-
ruhe); „Hügelkrone",
ein kreisrundes, den Hü-
gel wie eine Krone ab-
schliessendes Steinge-
hege; „Unvergäng-
lich“, schwerer Stein-
aufbau; „Du und Dein
Werk“, eine sitzende
Bismarck - Kolossalfigur
vor einem thurmartigen
Aufbau, der in No. 9 zur
Darstellung gelangende
Entwurf zeigt Merkmale Lederer’scher Kunst; „Gode
Wind“, eine schlichte, grosse Architektur-Anlage, da-
vor die einfache Gestalt Bismarcks; „Kanzler“, ein
Entwurf von schöner, geschlossener Wirkung, vier ge-
kritisch, ausgerüstet mit dem Werkzeug eines ungewöhn-
lichen Wissens und Könnens und doch unablässig nach
neuer Erkenntniss suchend, erfüllt von tiefem Wohlwollen
für die strebende Jugend und allezeit freudig bereit, ihr
freigebig von seinem Kunstschatze zu spenden, war er
für den Beruf eines Hochschullehrers wie geschaffen und
hat auf diesem Felde die grössten Erfolge erzielt. Denn
was ihm als ausübendem Architekten ein Hinderniss ge-
worden war: der Widerspruch zwischen seinem künst-
lerischen Glaubensbekenntniss und der Zeitströmung, kam
bei dem von ihm vertretenen, von jener Strömung kaum
berührten Fach der Ornamentik um so weniger inbetracht,
als die antike Kunst wohl für immer als der beste Aus-
gangspunkt und die sicherste Grundlage jedes Kunst-
unterrichtes wird angesehen werden.
lieber die Thätigkeit eines Lehrers erhält man die
unmittelbarste Auskunft von seinen Schülern. Ich habe
mich an einen Schüler Jacobsthals aus dessen mittleren
Jahren, der mit ihm in stetem Zusammenhänge geblieben
ist, Hrn. Bauinspektor Hans Schliepmann gewandt und
von ihm eine Aeusserung über seinen Meister erbeten.
Er schreibt mir Folgendes;
„Unter der grossen Zahl der eigentlichen Schüler
Jacobsthals ist keiner, der von dem Meister anders als
in schwärmerischer Verehrung spräche. Wer seines Ver-
trauens und seiner Unterweisung gewürdigt wurde, dem
offenbarte er als Künstler, als Denker und als Mensch eine
so einzigartige, so vorbildliche Persönlichkeit, dass sein
Einfluss dem Schüler lebenslang als köstlicher Besitz
lebendig blieb. Aber freilich: nicht ohne weiteres gelangte
man zu diesen Schätzen. Jacobsthal war kein Lehrer der
Menge. Er riss nicht alle Hörer im Sturme fort und er
gab sich nicht dazu her, dem Kollegabsitzer Examenbläiter
fertigzustellen. Erwidmete sich voll immer nur denernstlich
Strebenden. Es war ihm selbstverständlich, dass sein
„Fach“ ein künstlerisches sei und dass er daher mehr als
Meister denn als Lehrer wirken müsse. Den Unzuläng-
lichen blieb er verschlossen, um dort säen zu können, wo
er eine Ernte erhoffte; „das allgemeine Unterrichtsziel zu
erreichen“, schien ihm niemals Strebenszweck. So galt
er denn den „zu vielen“, deren er sich bewusst erwehrte,
oft als schroff. Alle aber, die durch die harte Schale an
den köstlichen Kern Vordringen durften, alle haben es
bald erfahren, dass seine Art, floskellos und ohne Rück-
sicht auf persönliche Empfindlichkeiten seine Meinung aus-
zusprechen, nur der Ausfluss seines lauteren Wesens war,
seiner reinen Sachlichkeit, seiner Wahrhaftigkeit, die sich
niemals zu einer Phrase — auch künstlerisch nicht — be-
quemen konnte, seiner unbeirrbaren Kritik und seines
Vertrauens, dass jeder die Dinge so nehmen müsse wie
er, der in seiner grenzenlosen Selbstlosigkeit immer nur
an die Sache dachte, dem alle persönliche Eitelkeit oder
Empfindlichkeit weltenfern lag. Daraus entsprang denn
auch, dass er selbst für sachliche Einwände stets das
offenste Ohr hatte, dass er auf jede fruchtversprechende
(ForUetzuQg auf Seite 50.)
48
No. 8.
Entwurf „Seiner Schwesterkunst“. Architekt: Hermann Billing in Karlsruhe.
Entwurf „O. v. B." Architekt: Arnold Hartmann in Grunewald bei Berlin. Ein IV. Preis.
Entwurf „Roland“.
25. Januar 1902.
49
kuppelte romanische Säulen mit bekrönender Ritterfigur,
davor die Gestalt des Kanzlers; „Parsifal“, strenger
Thurmaufbau ohne äussere Charakterisirung; „Heil dir
Gewaltiger“, pyramidenartiger Aufbau mit Krone;
„Befreiung“, rechteckiges Steingehege mitThurm und
Büste; „Largo“, strenger Thurmbau mit Möglichkeit
zur Entfaltung bildnerischen Schmuckes; „Menhir“,
schlichte, grosse Nischen-Architektur mit dem Bronze-
standbild des Fürsten; „Kerndeutsch und echt“,
gross" gedachte Bogen- Architektur; „Roland“, inter-
essanter Steinkörper aus Findlingen, davor der Kanzler
in Kupfer oder Bronze (S. 49); „Eiserne Faust“, ausge-
zeichnet durch ein köstliches Sechsgespann aus Löwen,
mit der Figur der Germania; „Ehrenbürger“, ein
strenger Obelisken- Aufbau, davor die Figur Bismarcks;
„Roland“, ein schwerer dorischer Rundbau; „Eine
Vision“, ein ernster Thurmbau mit St. Michael;
„Thaten sind Saaten“, ein schöner, offener Thurra-
bau, vielleicht etwas zu viel gegliedert; „Hünenmal“,
ein strenger Obelisk, usw. — (Schluss folgt.)
Das Bauwesen im preussischen Staatshaushalt für 1902.
(Schluss.)
as Kultusministerium verlangt für seine baulichen
Aufgaben eine Gesammtsumme von rd. 14,2 Mill. M.,
bleibt damit also um fast ii Mill. hinter dem Vorjahre
zurück. Es liegt dies daran, dass die ausserordentliche Bei-
hilfe von, 13 Mill M., die 1901 an nicht leistungsfähige Schul-
verbände für den Bau von Volksschulen bewilligt wurde,
in diesem Jahre nur einen Nachtrag von 3 Mill, M. er-
halten hat. Im übrigen vertheilen sich die bewilligten
Mittel folgendermaassen: Neubau des Geschäftshauses
des Ministeriums [Gesammtsumme 1270000 M.) II. Rate
mit 450000 M., Universitäten 2769197 M., dazu aus
Anleihemitteln für den botanischen Garten in Dahlem
483125 M., höhere Lehranstalten 926205 M., Ele-
mentarschulen (einschl der schon erwähnten 3 Mill. M.)
4494314 M., Kunst- und wissenschaftliche Zwecke
946^0 M., technische Hochschulen 2418760 M.,
Medizinalwesen 423 000 M. und dazu aus Anleihemitteln
für die Charitebauten i 258 400 M.
Von den Mitteln für höhere Lehranstalten sind grössere
Summen bestimmt für Gymnasial-Neubauten in Gum-
binnen,, Posen, Spanciau und Trarbach. Von
der Gesammtsumme für Elementarschulwesen entfallen
I277314 M. auf Neu- und Erweiterungsbauten vonSemi-
naren, desgl. 217 000 M. auf Dienstwohnungen für Schul-
inspektoren, beides hauptsächlich für die östlichen Pro-
vinzen. Von den Universitäten ist Berlin mit Ein-
schluss der Summe für Dahlem mit 972 325 M.. am reichsten
bedacht. Hervorzuheben ist eine I. Rate von 230000 M.
für das polyklmische Institut für innere Medizin,
eine .letzte Rate von 218000 M. für den Umbau des
alten chemischen Instituts zu anderen Zwecken.
Demnächst folgt Greifswald mit 534000 M., darunter eine
I. Rate, für eine Irrenklinik mit 200000 M. (Gesammtkosten
322 600 .M.). Bedeutende Beträge sind auch wieder für
Kiel äusgeworfen in Höhe von 525327 M.,, darunter
I. Raten von. 100000 bzw. 150000 M. für Frauenklinik
und chirurgische Klinik (Gesammtsumme 590000 M.).
Die Universität Halle a. S. beansprucht 379060, Göt-
tingen 287500, Bonn 212 210, Marburg 1^300, Bres-
lau 128200, Königsberg 41 100 und Münster 7000 M.
Von den technischen Hochschulen soll Berlin
989900 M., darunter 700000 M. als II. Rate für den Neu-
bau der mechanisch- und chemisch-technischen Versuchs-
anstalt erhalten, Hannover 37 240 M., Aachen 44 600 M.
Für die Bauten der Hochschule in Danzig sind weitere
1247000 M. .ausgeworfen, darunter eine IV. Rate von
900000 M. für den Neubau des Hauptgebäudes und
150000 M, als I. Rate für ein chemisches Institut,
Unter den Ausgaben für Kunstzwecke ist eine letzte
Rate von 636000 M. für die Bauten auf der Museums-
Insel in Berlin (Gesammtsumme 5906000 M.), sowie eine
II. Rate von 250000 M. für den Erweiterungsbau des
Kunstgewerbe-Museums daselbst zu erwähnen (Bau-
kosten 1782000 M.). Von den Ausführungen der Me-
dizinal-Verwaltung sind, abgesehen von den ausser-
etatsmässigen Charitöbauten, hauptsächlich Mittel für
Quarantaine- Anstalten in Neufahrwasser, Swine-
münde, Emden bereit gestellt, ausserdem für besondere
Barackenbauten für die Charitö zu Zwecken der Krebs-
forschung.
Aus dem Ordinariura des Kultusministeriums
interessiren namentlich die Ansetzungen für neue Lehr-
kräfte an den Technischen Hochschulen. Für
Berlin sind, 3 neue etatsmässige Stellen vorgesehen für
Baukonstruktionslehre in der Abth. f. Bauingenieure, für
praktischen Schiffbau und für den konstruktiven Unterricht
in der Abth. f. Chemie und Hüttenwesen. Die Professur
für Kunstgeschichte wird in eine voll dotirte umgewandelt.
Ausserdem werden beträchtliche Mittel für die Vermehrung
der Hiifslehrkräfte, Assistentenstellen usw^., eingesetzt. Für
Aachen ist ebenfalls die Umwandlung zweier Professuren
in voll dotirte vorgesehen, darunter die bisherige Dozenten-
stelle für Wasserbau vom kulturtechnischen, gewerblichen
und hygienischen Standpunkt. • —
Der Etat der Justizverwaltung stellt sich nur auf
5 577 800 , bleibt also um mehr als 7 Mill. M. hinter dem
Vorjahre zurück. Von dieser Summe beansprucht der
Bezirk des Kammergerichts 1637600 M. für sich,
davon 800000 M. als I. Rate für den Erweiterungsbau des
Strafgerichts- und Untersuchungs-Gefängnisses Moabit und
650000 M. als VII. Rate für das Land- und Amtsgericht I.
in Berlin. Nächstdem macht das Oberlandgericht in
Celle mit 927 350 M., hauptsächlich für Grunderwerb, die
höchsten Ansprüche, dann Naumburg a. S., Hamm,
Idee bei Ausgestaltung der Entwürfe mit demselben Eifer
einging, als ob er sie selbst gefunden, ja dass gerade meist
bei den Einwürfen ihm plötzlich die Lippen entsiegelt
wurden und die Erörterung auf alle möglichen Gebiete
überfloss, so dass sein erstaunlich weites Wissen, seine
reichen Erfahrungen und seine immer auf eigenem Stamme
gewachsenen Ansichten den Hörern Gesichtskreise er-
schlossen, die weit über den augenblicklichen Fachgegen-
stand hinaus gingen, aber Grundsteine künstlerischer Er-
ziehung abgaben.
Dass er das Handwerkliche seiner Kunst, im höchsten
Sinne, beherrschte und mitzutheilen verstand wie Wenige,
das wussten auch diejenigen, die nur seinem Kolleg über
die Entwicklung der Ornamentformen gefolgt waren und
seine unfehlbare Sicherheit im Wandtafelzeichnen be-
staunt, oder die ihn „Töne ansetzen“ gesehen hatten.
Aber er gab mehr, er gab alles, was überhaupt lehrbar
in der Kunst oder doch wenigstens vorbildgebend ist:
Wahrhaftigkeit, Folgerichtigkeit, Sachlichkeit, Vorurtheils-
losigkeit und nimmermüde Selbstkritik. Seine Entwick-
lung der Örnamentformen zeigte ein logisches Gefüge,
eine Klarheit , und Selbstverständlichkeit , dass sie des
glänzenden Vortrages nicht bedurfte, um zu überzeugen.
(Uebrigens . sprach Jacobsthal immerhin noch besser, als
er selbst . meinte.) Seine Ansichten und Scheidungen
werden noch lange die Grundlage für eine kritische Be-
trachtung des Ornamentwesens bilden, zumal sein vor-
urtheilsloser Blick von der Antike bis zum Rokoko alle
logisch entwickelten und verwendeten Formen mit gleichem
Verständniss umschloss. Wie er aber lehrte, ein Motiv
50
auf seine Urformen zurückzuführen, aus der Naturform
zu entwickeln, materialgerecht zu stüisiren, wie er Farben-
stimmungen herausholte und nie müde ward zu bessern
und zu versuchen, wie er damit in die echte Schaffens-
freude hineinführte, das wird allen unvergesslich sein,
unvergesslich wie die rührende väterliche Fürsorge und
der lebendige Antheil, die er weit über die Studienzeit
hinaus allen seinen .Schülern allezeit bewiesen hat!“
Ich habe diesen Aeusserungen einer wohlthuenden und
überzeugenden Pietät wenig mehr hinzuzufügen. Wenn
in ihnen nicht nur das Verhältniss Jacobsthals zu dem
regeren Kreise seiner für einen wirklichen Kunstunterricht
empfänglichen Schüler, sondern auch seine Stellung zu
der grossen Masse der durchschnittsmässigen „KoIIeg-
absitzer“ berührt wird, so wird wegen der letzteren wohl
kein Einsichtiger dem Lehrer einen Vorwurf machen. Es
ist ja noch immer ein verhängnissvoller Mangel unserer
technischen Hochschulen, dass sie ihre Pforten einer über-
wiegenden Anzahl von Studirenden Öffnen müssen, welchen
das von ihnen erwählte Fach lediglich ein Brotstudium
bedeutet, und welche unmittelbar von der Schule her in
dasselbe eintreten, ohne die für eine berufsmässige Aus-
bildung unentbehrlichen Vorkenntnisse und technischen
Handfertigkeiten — ja zuweilen nicht einmal das Talent
zu deren Aneignung — zu besitzen. Der Unterricht,
namentlich in den ersten Semestern, wird somit theilweise
zum Elementar-Unterricht herabgedrückt und dem Lehrer,
wenn er seine beste Kraft nicht- fruchtlos vergeuden will,
bleibt nichts übrig, als sich jenen Schülern gegenüber auf
eine mehr oder weniger formelle Erfüllung seiner Pflichten
No. 8.
Frankfurt a. M. Meist handelt es sich um die Fortsetzung
des Baues bereits in Angriff genommener Gerichts- bezw.
Gefängniss- Gebäude. —
Das Finanzmini sterium weist gegenüber dem Vor-
jahre ein Mehr von fast 2,5 Mül. M auf, nämlich imganzen
4215348 M. Davon entfallen 4 Mill. M. auf die I. Rate
für Erwerbung und Aufschliessung des Geländes
der inneren Festungs-Umwallung von Posen. Der
Staat tritt hier, da die Stadt nicht leistungsfähig genug ist,
als Unternehmer auf, kauft das gesammte Gelände vom
Militärfiskus für 11,25 Mill. M. und schliesst es dann durch
Einebnung, Herstellung von Strassen und Plätzen mit
einem Kostenaufwande von 6 Mill. M. auf. Es ist hierfür
ein Zeitraum von 4 Jahren in Aussicht genommen. Die
Stadt Posen zahlt hierzu i Mill. M. als festen Beitrag. Der
Werth der Bauplätze wird auf 18 Mill. M. geschätzt. Von
der Restsumme entfallen 139 500 M. als letzte Rate auf
den Neubau des Museums in Posen, 68000 M. auf Ar-
beiten im kgl. Thiergarten und die Umgestaltung des
Königsplatzes in Berlin, der Rest auf die kgl. Theater. —
Das Ministerium des Inneren verlangt 2633870 M.,
davon 75800 M. als letzte Rate zum Erweiterungsbau
des Ministeriums selbst (Gesammtsumme 445800 M.),
r 460430 M. für Neubauten von Polizeidienstgebäuden,
darunter 300000 M. als I. Rate für Stettin und weitere
Raten für Danzig, Hannover, Rixdorf, 243190 M. für
Dienstwohnungen für die Landgendarmerie in den
östlichen Provinzen, 854450 M. für den Bau von Straf-
anstalten, so eine I. Rate für Lüttringhausen, ferner für
Dienstwohnungen von Strafanstalts-Beamten usw. —
Im Etat des Ministeriums für Landwirthschaft
usw., das im Vorjahre vorwiegend für bauliche Zwecke
10,4 Mill. M. forderte, sind naturgemäss alle diejenigen
Posten fortgefallen, die nur im Zusammenhänge mit der
grossen wasserwirthschaftlichen Vorlage bewilligt werden
sollten. Es sind jetzt nur 2318900 M. angesetzt, wovon
659600 M. auf Meliorationen verschiedener Art, namentlich
grössere Drainirungen, Beihilfe an Deichverbände, Fest-
legung von Wanderdünen usw. entfallen. 259 300 M. sind
für bauliche Anlagen, darunter für die Verlegung der
Gärtnerschule von Wildpark nach Dahlem, für Er-
weiterungen in Poppelsdorf usw. vorgesehen. 1,4 Mill. M.
sind eingesetzt als Darlehen an die Genossenschaft für
Viehverwerthung in Deutschland für Errichtung eines
Magerviehhofes in Lichtenberg-Friedrichsberg bei Ber-
lin. Ges.-Kosten für die baulichen Anlasen 1,6 Mill., für die
Eisenbahn- Anlage i Mill., zus. 2,6 Mill. M., die nach Bedarf
in mehreren Raten gewährt werden sollen.
Im Ordinarium sieht das Ministerium 2 neue Bau-
inspektorstellen (fliegende), i remunerirte Baumeisterstelle
und 15 Meliorationsbauwarte mit Rücksicht auf die erheb-
lich gesteigerten Aufgaben der Verwaltung vor. —
Eine Summe von 1396000 M. wird für die Domänen-
verwaltung ausgeworfen, die damit auch weit hinter
dem Vorjahre zurückbleibt. Den Hauptantheil daran hat
ein Zuschuss in Höhe von 500000 M. zum Domänen-
baufonds, 250000 M. zur Vermehrung und Verbesserung
der Arbeiterwohnungen auf den Domänen, 500000 M.
für grössere Erweiterungs- und Neubauten in den fis-
kalischen Bädern, insbesondere in Ems, Langenschwal-
bach und Neuendorf, sowie für die Mineralquelle Marienfels.
Die Gestütverwaltung hat sich ebenfalls einge-
schränkt, Sie verlangt nur 528658 M., wovon der grössere
Theil auf Neubauten im Gestüt Georgenburg bezw. im
Hauptgestüt Trakehnen entfällt. —
Von denjenigen Verwaltungen, die nur mit kleineren
Beträgen an den Gesammtausgaben für bauliche Zwecke
betheiligt sind, seien noch genannt: das Ministerium für
Handel und Gewerbe mit 375600 M., davon 250000 M.
als I. Rate für den Umbau des Staatsministeriums zu einer
Dienstwohnung für den Minister (Ges.-Kosten 340000 M.);
die Forstverwaltung mit 850000 M. für Wegebauten,
Herstellung von Dienstgebäuden für Forstbeamte, probe-
weise Beschaffung von Insthäusern für die Forstarbeiter
(dazu kommen noch ira Einzelnen nicht ersichtliche Mittel
für die Herstellung von Strassen in Forstgrundstücken in
der Nähe Berlins, die zur Bebauung aufgeschlossen wer-
den sollen); die Berg-, Hütten- und Salinen-Ver-
waltung mit 1273000 M., worin die Herstellung einer
Wasserleitung im oberschlesischen Industriebezirke mit
I Mill. M. die Hauptrolle spielt; die Verwaltung der indi-
rekten Steuern mit 528160 M., darunter 173000 M, als
II. Rate zurVerbesserung der Lösch- und Ladeeinrichtungen
des Packhofes in Königsberg i. Pr.; die Verwaltung der
Staatsarchive mit 97 500 M. als letzte Rate für Danzig;
die Staatsschulden - Verwaltung und die Ober-
Rechnungskammer mit zus. 37185 M. für grössere
bauliche Aenderungen. —
Vermischtes.
Zur Frage des Hamburger Bismarck-Denkmals. Wie
aus den Hamburger Tageszeitungen zu ersehen, ist die
Einstimmigkeit , mit der das Preisgericht den Schaudt-
Lederer’schen Entwurf als den besten erklärte, keines-
wegs auch in der grossen Bürgerschaft vorhanden; die
öffentliche Meinung ist dort über die Ausführungsfrage
stark erregt, und es ist anzunehmen, dass die Trennung
in zwei Lager „für und gegen Roland'* sich noch weiter
verschärfen wird. Die Einen , die sich auf einen rein
künstlerischen Standpunkt zu stellen vermögen, stimmen
zu beschränken. Das hat auch Jacobsthals Vorgänger, Karl
Boetticher, in noch viel höherem Maasse gethan, ohne doch
der kleinen Minderzahl der Auserwählten das zu bieten,
was jener seinen Schülern gespendet hat.
Denn von vornherein war es das Bestreben Jacobsthals,
den Unterricht in der Ornamentik, der in Berlin bis dahin
fast nur als ein solcher im Ornamentzeichnen gehandhabt
-worden war, in der einer Hochschule angemessenen Art
so zu vertiefen, dass es den strebsamen Schülern erleichtert
wurde, einen Einblick in das Wesen dieses Kunstgebietes
zu gewinnen. Ueber die Lehrmethode, die er zu diesem
Zwecke befolgte, sind bereits in dem, was früher über
seine „Grammatik der Ornamente" gesagt wurde, und in
den Schliepmann’schen Mittheilungen einige Andeutungen
gegeben worden. Ich möchte diese noch durch eine An-
führung aus dem Vortrage ergänzen, den Jacobsthal vor
dem Berliner Architektenverein im Jahre 1871 „über
kunstgewerblichen Unterricht" gehalten hat*). Es
heisst in ihm (etwas gekürzt) bei Schilderung des von dem
Redner am damaligen deutschen Gewerbemuseum er-
th eilten Unterrichtes:
„Endlich werden in dem „Kursus der elementaren
Ornamentik" die Schüler mit den Kunstformen bekannt
gemacht, ein kurzes Studium der Naturformen mit ein-
begriffen. Dieselben werden vor den Augen der Schüler
“) Abgedruckt: Jahrg. 1871 der Deutschen Bauzeitung, No. 12 u. flgd.
Durch ein Versehen ist es versäumt worden, diesen in der Forderung
eines gesetzlichen Schutzes für das geistige Eigenthum auf künstlerischem
Gebiet gipfelnden Vortrag unter den schriftstellerischen Arbeiten Jacobsthals
anzufahren.
25 Januar 1902.
in voller Würdigung der hervorragenden Schönheit der
Lederer’schen Idealgestalt des „Bismarck-Rolandes" für
dessen Ausführung, und haben von ihrem Standpunkt
hierzu das beste Recht. Die Anderen, die man die Ver-
treter des historischen Standpunktes nennen kann, for-
dern in erster Linie eine lebenswahre Darstellung des
Alt-Reichskanzlers, mit der Begründung, dass es Pflicht sei,
vor allem an die nachkommenden Geschlechter zu denken,
die nicht mehr die lebende Gestalt des grössten deutschen
Mannes mit eigenen Augen gesehen haben, und ein treues
Abbild seiner Persönlichkeit in diesem Denkmal über-
liefert erhalten müssen — auch diese sind unstreitig von
mit Kohle auf Pappbogen gezeichnet, erklärt und von
dem Schüler in einfachen Linien nachgezeichnet. Die
Resultate der Tektonik der Hellenen von K. Boetticher
bilden den Ausgangspunkt; sie müssen entsprechend
schematisirt werden, zudem durfte ein Hinweis auf die
späteren Katastrophen nicht umgangen werden. Ich habe
versucht, den Stoff nach einem System zu gliedern,
welches nicht synchronistisch vorgehend, die einzelnen
Kunstformen als Ausdruck der Idee von ihrem Entstehen
zur Blüthe, zum Verfall verfolgt. Es ist das System von
Viollet-le-Duc in seinem „Dictionnaire" in grossartigem
Maasstabe für eine begrenzte Zeitepoche befolgt; Boetticher
hat die Vortheile eines solchen für das Studium der
Kunst durch die neuerdings erfolgte Gliederung der
Sammlung von Abgüssen im hiesigen „Neuen Museum" dar-
gelegt. Bei einem solchen System musste natürlich der
Hinweis auf das Material auf das nothwendigste beschränkt
und auf einen höheren Kursus verwiesen werden.“
An dieser vor mehr als 30 Jahren geschaffenen Grund-
lage hat der Meister bis zu seinem Tode festgehalten, ob-
gleich er sein Sj'^stem in den Einzelheiten natürlich noch
weiter ausgestaltete. Dass dasselbe, trotzdem es von den
Ergebnissen der Boetticher’schen Forschung ausging, doch
einen vollständigen Gegensatz zu dem System des letz-
teren und einen gewaltigen Fortschritt darstellte, brauche
ich wohl kaum weitläufig auszuführen. Ganz abgesehen
von der zweckmässigeren äusseren Form des Unterrichtes
ist es die Bevorzugung der naturwissenschaftlichen,
den Entwicklungsgang der Dinge ins Auge fassenden, vor
der unfruchtbaren philosophischen Anschauungsweise,
Sr-
ihrem Standpunkte vollkommen im Recht. Nun wäre
es aber nach Lage der Verhältnisse vielleicht nicht
schwer, diese beiden sich widerstreitenden Meinungen
zusammenzuführen, ohne dabei aus dem künstlerischen
oder aus dem historischen Lager eine Anfechtung be-
fürchten zu müssen: Man führe den herrlichen Schau dt-.
Lederer’schen Entwurf in seinem gesammten äusseren
Aufbau so aus, wie ihn die Künstler ersonnen haben —
ein schöneres Denkmal an dieser Stelle ist meines Er-
achtens kaum ausdenkbar — lasse aber den inneren Hohl-
raum des mächtigen Rundsockels nicht ungenutzt liegen,
sondern baue diesen zu einer Bismarck-Gedenkhalle
aus, die durch ein ringförmiges Oberlicht weihevoll zu
erleuchten ist, und als deren Mittelpunkt, in einer dem
mittleren Denkmals-Fundament abzugewinnenden Nische,
ein Standbild des „Schlossherrn von Friedrichsruh''
aufzustellen wäre, das an diesem Standorte der Historie
völlig getreu gebildet werden kann.
Es befinden sich unter den vielen Entwürfen der Aus-
stellung, wie der Augenschein lehrt, mehrere recht gute
Bismarck-Gestalten, die zu einer solchen Ausführung ge-
eignetwären ; es ist hierbei allerdings nur an die Vorschläge
zu denken, die die Gestalt, mit Gehrock und Schlapphut
angethan, so dargestellt haben, wie sie den Hamburgern
von Friedrichsruh her in lebendiger Erinnerung ist.
Es kann solcherart sicherlich nicht Anstoss erregen,
dass das Standbild des Gefeierten zweimal am Denkmal
vertreten ist. Der Lederer’sche Bismarck ist und bleibt
das, was der Künstler gewollt hat: die geistvolle Apotheose
des alles Fleischlichen und Vergänglichen entkleideten,
versteinerten Nationalhelden, dessen Abbild, mit wahrhaft
künstlerischer Empfindung in Baukunst umgesetzt, in wun-
derbarem Zusammenfluss mit dem machtvollen Unterbau,
zum Wahrzeichen der Stadt Hamburg wird — drinnen
aber, überragt von dem zu Stein erstarrten, vergeistigten
Heldenbilde, thront die lebensvolle Gestalt des „Alten von
Friedrichsruh“. - KOrber, kgi. Baurath.
Die Jubiläumsstiftung der Deutschen Industrie, welche
bekanntlich gelegentlich der Hundertjahr-Feier der Tech-
nischen Hochschule zu Berlin im Oktober 1899 aus den frei-
willigen Beiträgen unserer Grossindustrie errichtet wurde,
verfügt, wie wir aus einem Berichte über die am ii. Januar
d. J. abgehaltene 1. Sitzung des Kuratoriums entnehmen,
an welches jetzt die Verwaltung übergegangen ist, z. Z,
über ein Vermögen von 1752000 M. üeber die Verwen-
dung dieser Mittel bestimmen die Satzungen der Stiftung:
„Es können Mittel gewährt werden zur Ausführung
wichtiger technischer Forschungen und Untersuchungen,
zu Forschungs- und Studienreisen hervorragender Ge-
lehrter und Praktiker, zur Berichterstattung über solche
Reisen, zur Herausgabe technisch-wissenschaftlicher Ar-
beiten, zur Stellung von Preisaufgaben, zu Lehrzwecken,
zur Gründung und Förderung von technisch-wissenschaft-
lichen Anstalten und zu sonstigen Zwecken, welche die
Förderung der technischen Wissenschaften im Auge haben".
Und zwar ist diese Bestimmung so aufzufassen, dass
in solchen Fällen, in welchen hervorragend wichtige Auf-
gaben oder Ziele von hoher nationaler Bedeutung es zweck-
mässig erscheinen lassen, nicht nur die Zinsen, sondern
auch das Stiftungskapital selbst ganz oder theilweise -zur
Verwendung gebracht werden dürfen.
Den Satzungen zufolge ist der jeweilige Vertreter der
Techn. Hochschule zu Berlin zugleich I. Vors, des Kura-
toriums, das ist z. Zt. Hr. Geh. Reg.-Rth. Prof. Rietschel.
Ferner wurden gewählt zum stellvertr. Vors. Hr. Gen. -Dir.
v. Oecheihäuser-Dessau, zu Schriftführern die Hrn. Bau-
Dir. Prof. v. Bach-Stuttgart und Brth. Rieppel-Nürn-
berg, zum Schatzmeister Komm.-Rth. Paul Heckmann-
Berlin, zu dessen Stellvertreter Geh. Bergrth. Prof. Lede-
bur-Freiberg i. S. Im übrigen gehören dem Kuratorium
eine Reihe hervorragender Namen der technischen Wissen-
schaft und Praxis an und zwar je i Vertreter der 9 deutschen
technischen Hochschulen zu Berlin, Hannover, Aachen,
München, Dresden, Stuttgart, Darmstadt, Karlsruhe und
Braunschweig, je i Vertreter der 3 Bergakademien zu
Berlin, Clausthal und Freiberg, sowie 12 Mitglieder der
deutschen Industrie. Für sämmtliche Mitglieder sind auch
für den Verhinderungsfall die Vertreter bestimmt.
Auf ein bei dieser Sitzung an Se. Majestät den Kaiser
gesandtes Huldigungs-Telegramm hat dieser dem Vertrauen
Ausdruck gegeben, „dass, nachdem diese hochherzige Stif-
tung nunmehr ins Leben getreten ist, die angebahnte Ver-
einigung von Theorie und Praxis für die deutsche Indu-
strie hervorragende Erfolge zeitigen möge“, ein Wunsch,
dem nur von vollem Herzen zugestimmt werden kann. —
Preisbewerbungen.
Ein Wettbewerb des akademischen Vereins Motiv in
Berlin für seine Mitglieder zum 10. Febr. betrifft Skizzen
für die Wand- und Deckenflächen des grossen und kleinen
Kneipsaales im Motivhaus, für Einrichtungs-Gegenstände
und für ein dekoratives Wahrzeichen des Motiv. —
Wettbewerb Schmetterhaus Troppau. Der Entwurf
„Hie gut deutsch“ der Hrn. Rieh. Walter und Hugo
Heger in Charlottenburg wurde angekauft. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. H. H. in S. Wenn bei der angewendeten Mischung
1:2:4 den Wandstärken des Tunnels von i. M. 1,42m und
der Sohlenstärke von 0,8 m der Tunnel nicht wasserdicht ist, so
muss zunächst auf einen Mangel in der Ausführung geschlossen
werden. Vermuthlich ist der Beton nicht genügend gestampft oder
es ist der im Inneren aufgebrachte Wandputz nicht sachgemäss her-
gestellt, oder es wirken beide Ursachen zusammen. Allerdings ist
die Aufgabe eine sehr schwierige) es hätte der Zuziehung eines
ei'fährenen Spezialisten bedurft, wozu wir Ihnen noch nachträglich
unbedingt ratlien. Wir halten es dann für nicht gerade unwahr-
scheinlich, dass ein solcher (aber auch nur ein solcher) des Uebels
Herr wird, ohne dass wesentliche Aenderungen an dem Tunnel-
mauei'werk sich als nothwendig erweisen. —
' .[Inhalt: Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein Bis-
’^arck-Denkmal in Hamburg (Fortsetzung). — Zur Erinnerung an Eduard
Jacobsthal (bchlass). — Das Bauwesen im preuss. Staatshaushalt für 1902
(Schluss’. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veranwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
die vor allem ins Gewicht fällt. Sie schliesst zugleich in
sich die Abkehr von der schroffen Einseitigkeit Boetticher’s,
wenn es auch nicht ausbleiben konnte, dass auch Jacobs-
thal unwillkürlich von der ihm zur zweiten Natur gewor-
denen Formenwelt beeinflusst wurde und ihm fremdere
Züge gelegentlich in seine Handschrift umschrieb. Immer-
hin werden die unter seiner Leitung entstandenen
Schülerarbeiten beweisen, dass er als Lehrer keines-
wegs ausschliesslicher Hellenist war, sondern sich be-
mühte, allen künstlerischen Leistungen unbefangen gegen-
über zu stehen, namentlich die Ornamentik des Orients
in ihrer farbenprächtigen Haltung galt ihm fast ebensoviel
wie diejenige der antiken Kunst. Eine von ihm eingeführte,
nicht zu unterschätzende Bereicherung des Unterrichtes ist
endlich der stete Hinweis der Schüler auf das Studiren
der Naturformen und der verschiedenartigen, während des
Wachsthums der Pflanze sich entwickelnden Bildungen.
Hatte er es doch durchgesetzt, dass zur Beschaffung der
hierfür erforderlichen Pflanzen ein besonderes, seiner
Leitung unterstelltes Pflanzenbaus an den Neubau der
Technischen Hochschule angeschlossen wurde.
So darf man wohl nicht nur die persönlichen Erfolge
Jacobsthals als Lehrer rühmen. Sein unvergänglicher
Ruhm ist vielmehr, dass er auf dem von ihm gepflegten
Lehrgebiet ein Bahnbrecher und Pfadfinder gewesen ist,
dessen Arbeit auch für die kommenden Geschlechter sich
fruchtbar erweisen wird. —
Im nahen Zusammenhänge mit der Lehrthätigkeit
Jacobsthals stehen seine Studien als Kunstforscher,
die ja zum grossen Theile zum Zwecke jener unternom-
men worden sind. Seine Abhandlung über „ Araceenformen
in der Flora des Ornaments“ gewährt neben einem vollen
Einblick in die eigenartige Anschauungsweise des Ver-
fassers infolge ihres überall geistvolle Anregungen dar-
bietenden, aber jede ästhetische Phrase vermeidenden
Vortrages einen wirklichen Genuss; man kann nur auf-
richtig bedauern, dass sie die einzige ihrer Art geblieben
ist. Auch die Ergebnisse seiner Studien über einige deko-
rative Werke islamitischer Kunst sind von entschiedenem
Werth und werden sicher noch vorbildlich wirken. —
Wie die menschliche Persönlichkeit Jacobsthals im
Verkehr mit seinen. Schülern sich offenbarte, ist aus jener
oben mitgetheilten Aeusserung zu ersehen. . Einen ähn-
lichen Eindruck von ihr haben jederzeit auch seine Freunde
empfangen. Vor ihrer Seele steht sein Bild als das eines
Mannes von lauterster idealer Gesinnung, dem jede un-
reine und niedrige Regung fremd war, immer bereit zur
neidlosen Anerkennung fremden Verdienstes, unermüd-
lich strebend und doch frei von Ehrgeiz, im Besitz reifer
Weisheit und dennoch nicht verlustig des köstlichsten
Jugendgutes — einer schlichten, für jeden unmittelbaren
Eindruck empfänglichen Naivetät. Er hat wohl einzelne
Gegner und vielleicht auch Neider, aber niemals einen
Feind besessen. Auch von ihm gilt, was einer unserer
durch tiefste Menschenkenntniss ausgezeichneten Dichter,
Theodor Fontane, seinem Lieblingshelden ins Grab nach-
rufen lässt: „Er war ein Mann und ein Kind!“ —
Möge er sanft ruhen! — Er hat es verdient. —
Waren, im Januar 1902. K. E. O. Fritsch.
52
No. 8.
Wettbewerb um Entwürfe für ein Bismarck-Denkmal in Hamburg.
Entw. „Fröhliche Weihnachten“ (Arch.: Rieh. Berndl-Mönchen).
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine.
Nachstehend bringen wir diejenigen Eingaben zur Kenntniss der Verbands-Mitglieder, welche der
Vorstand entsprechend den Beschlüssen der Königsberger Abgeordneten-Versanunlung in der Frage der
Zulassung der Staatsbaubeamten zur Doktor-Promotion an die zuständigen Ministerien usw. der Bundes-
staaten mit eigener Technischer Hochschule gerichtet hat. Eine Rückäusserung in dieser Angelegenheit ist
bisher nicht erfolgt. (Vergl. auch Heft 47 der Verb.-Mitth. S. 91 u. ff.) —
Dresden-Berlin, den 20. Januar 1902.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Der Vorsitzende: Waldow. Der Geschäftsführer: F. Eiselen.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 9. Berlin, den 29. Januar 1902.
Entwurf „Dem Gutsherrn von Friedrichsruh“.
Architekt: Prof. Otto Rieth in Berlin. Ein III. Preis.
I. Eingabe an den preussischen Herrn Kultusminister.
Dresden-Darmstadt, den 20. September 1901.
Euer Excellenz
beehrt sich der Unterzeichnete Vorstand des Verbandes deutscher
Architekten- und Ingenieur-Vereine zur Frage der Anerkennung der
Staatsbauprüfung als Vorbedingung für die Zulassung zur Doktor-
Promotion an den technischen Hochschulen Preussens Folgendes
ehrerbietigst zu unterbreiten:
Als durch Allerhöchsten Erlass vom ii. Oktober 1899 den
technischen Hochschulen Preussens das Recht beigelegt wurde, die
Würde eines Doktor-Ingenieurs zu verleihen, war man in den
weitesten Kreisen des technischen Berufes der Anschauung, dass
diese Anerkennung allen Zweigen der Technik gelten sollte, dass
demnach die Erlangung der Doktorwürde an einer technischen Hoch-
schule allen Technikern mit voller akademischer Vorbildung frei
stehen und nicht an die Ablegung einer besonderen Vorprüfung
geknüpft sein würde.
Die Promotionsordnung der preussischen technischen Hoch-
schulen verlangt jedoch als Vorbedingung die Ablegung des Diplom-
Examens, schliesst also damit die Architekten an denjenigen tech-
nischen Hochschulen, welche eine Diplom-Prüfung für dieses Fach
nicht besitzen, von der Erlangung der Doktorwürde völlig aus und
erschwert denjenigen Ingenieuren, welche entweder schon die
.Staatsprüfung abgelegt haben oder sich dem Staatsdienste nach
Ablegung der Bauführerprüfung widmen wollen, die Erlangung
dieser Würde, da sie sich mindestens einer Nachprüfung unter-
ziehen und sich zura Diplom-Ingenieur ernennen lassen müssen.
Diese Regelung des Promotionsrechtes, wie sie nach den
bisher vorliegenden Bestimmungen erscheint, ist nicht nur von den
derzeitigen Studirenden der technischen Hochschulen, sondern in
den weitesten Kreisen des Staatsbaufaches als eine Zurücksetzung
des letzteren schmerzlich empfunden worden. Sie trifft vor allem
die Architekten und nächstdem die Bauingenieure, welche letztere
an den technischen Hochschulen z. Z. in der überwiegenden Mehr-
zahl die Staatsprüfung ablegen, um in den Staats- bezw. Kommunal-
dienst einzutreten.
Es liegt dem Verbände fern, an dieser Stelle die Frage des
grösseren wissenschaftlichen Werthes der Diplomprüfung oder der
Bauführerprüfung erörtern zu wollen, es sei jedoch darauf hinge-
wi’esen, dass beide Prüfungen die Berechtigung zur Ilabilitirung
an den preussischen technischen Hochschulen geben, und dass die
bisherige Diplomprüfung, die nach dem Erlass vom 3. April 1901
bis auf Weiteres hinsichtlich des Promotionsrechtes anerkannt wor-
den ist, sich, abgesehen von einer häuslichen Probearbeit, in der
Form nicht wesentlich von der Bauführer-Prüfung unterscheidet.
Wird auch die eine Prüfung lediglich von der akademischen Behörde
abgenommen, so haben die Professoren in der Bauführer-Prüfung
doch einen wesentlichen Antheil, und schliesslich stützen sich beide
auf das gleiche akademische Studium. Wenn daher die erste Haupt-
53
Prüfung der Diplom -Prüfung hinsichtlich der Zulassung
zur Doktor-Promotion gleichgestellt würde, so dürfte ein
derartiges Vorgehen wohl kaum als ein Eingriff in die
freie Selbstbestimmung der technischen Hochschulen an-
gesehen werden können.
- - --In den -anderen Bundesstaaten liegen die Verhältnisse
z. Th. ebenso, wie in Preussen, und nur z. Th. etwas
günstiger für die Staatsbaubeamten.
Der Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-
Vereine, welcher mit seinen 38 sich auf ganz Deutschland
vertheilenden Vereinen mit einer Gesammtzahl von über
7000 Mitgliedern sich wohl als der Vertreter der deutschen
Architektenschaft und der Bauingenieure betrachten darf,
hat es bei dieser Sachlage als seine Pflicht betrachtet, zu
der Frage der Doktor-Promotion an den deutschen tech-
nischen Hochschulen Stellung zu nehmen. Die XXX. Ab-
geordneten-Versammlung des Verbandes, welche am 23.
und 24. August in Königsberg i. Pr. tagte, hat es als die
Aufgabe des Verbandes festgestellt, dahin zu wirken, dass:
1. die Staatsbaubeamten (Bauführer und Baumeister)
in allen Bundesstaaten, unter Vermeidung weiterer
Prüfungen zur Doktor-Promotion zugelassen werden,
2. die neuen Diplom-Prüfungsordnungen möglichst ein-
heitlich für alle Bundesstaaten gefasst und auf alle
Abtheiiungen der technischen Hochschulen ausge-
dehnt werden.
Wir richten an Euer Excellenz die ehrerbietige Bitte,
in diesem Sinne, welcher den Wünschen der überwiegenden
Mehrheit der Staatsbaubeamten entspricht, eine Regelung
der Zulassungsbedingungen zur Doktor -Promotion sowie der
neuen Diplom-Prüfungsordnungen herbeiführen zu wollen.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Arch.- u. Ing.-V.
Der I. Vorsitzende Der II. Vorsitzende
Waldow. V. Weltzien.
2. Abschrift vorstehender Eingabe istdempreuss.
Hrn. Minister der öffentlichen Arbeiten mit fol-
gendem Anschreiben übersandt worden:
Dresden-Darmstadt, den 20. September 1901.
Euer Excellenz
beehrt sich der Unterzeichnete Vorstand des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine, eine an den
Herrn Kultusminister gerichtete Eingaoc in Sachen der
Anerkennung der I. Staatsprüfung im Baufache als Vor-
bedingung für die Zulassung zur Doktor-Promotion mit der
ehrerbietigen Bitte zu überreichen, als der berufene Ver-
treter des Staatsbaufaches für die Interessen der Staats-
baubeamten in dieser Frage in einem Sinne eintreten zu
wollen, welcher den Wünschen der überwiegenden Mehr-
zahl der Staatsbaubeamten entsprechen würde. —
3. Dieselbe Eingabe ist ferner den Senaten der
drei preussischen technischen Hochschulen zu
Berlin, Hannover, Aachen mitgetheilt worden mit
folgendem Anschreiben:
Dresden-Darmstadt, den 20. September 1901.
Einem hohen Senate
beehrt sich der Unterzeichnete Vorstand des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine im Aufträge
der XXX. Abgeordneten -Versammlung des Verbandes,
welche am 23. und 24. August in Königsberg i. Pr. getagt
hat, eine an den Herrn Kultusminister in Sachen der An-
erkennung der I. Staatsprüfung im Baufache als Vorbedin-
gung für die Zulassung zur Doktor Promotion gerichtete
Eingabe beifolgend mit der Bitte zu überreichen, sich den
in dieser Eingabe im Sinne der überwiegenden Mehrheit
der Staatsbaubeamten ausgesprochenen Wünschen nicht
verschliessen zu wollen. —
Während die entsprechenden Eingaben an die zu-
ständigen Minister und technischen Plochschulen, sowie
an die anderen infrage kommenden Bundesstaaten vor-
bereitet wurden, erschien die neue sächsische Diplom-
Prüfungsordnung.
Es sind darauf an die zuständigen Ministerien des
Kultus und Unterrichtes der anderen Bundesstaaten die
nachstehenden, etwas veränderten Anschreiben gerichtet
worden, welche wiederum mit besonderem Anschreiben
den Ministerien zugeschickt wurden, welchen in dem betr.
Bundessstaat das Bauwesen unterstellt ist, sowie den betr.
technischen Hochschulen.
4. Eingabe an die Kultusministerien der übrigen
Bundesstaaten, welche eine eigene technische
Hochschule besitzen.
Dresden-Darmstadt, den 15. Oktober 1901.
Euer Excellenz
beehrt sich der Unterzeichnete Vorstand des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine zur Frage
der Anerkennung der Staatsbauprüfung als Vorbedingung
für die Zulassung zur Doktor-Promotion an den tech-
nischen Hochschulen Deutschlands ehrerbietigst Folgendes
zu unterbreiten:
Die Promotionsordnungen der sämmtlichen technischen
Hochschulen Deutschlands stellen als Vorbedingung für die
Zulassung zur Doktor-Promotion die Forderung der vor-
herigen Ablegung der Diplom-Prüfung. Sie erschweren da-
mit denjenigen Technikern, welche die erste Staatsprüfung
bereits abgelegt haben oder sich nach Ablegung der ersten
Staatsprüfung dem Staatsdienste widmen wollen, die Err
laiigung der Doktorwürde, da sie sich bei der überwiegen-
den Mehrzahl der technischen Hochschulen einer Nach-
prüfung unterziehen und sich zum Diplom-Ingenieur er-
nennen lassen müssen. Letzteres gilt auch für diejenigen,
welche bereits die zweite Staatsprüfung abgelegt haben.
Diese Regelung des Promotionsrechtes, wie sie nach
den bisher vorliegenden Bestimmungen erscheint und wie
sie durch die kürzlich erlassene Diplom-Prüfungsordnung
für die technische Hochschule in Dresden bereits festgelegt
ist, wird nicht nur in den Kreisen der Studirenden, sondern
in den weitesten Kreisen des Staatsbaufaches schmerzlich
empfunden. Sie trifft vor Allem die Architekten und Bau-
ingenieure, welche wohl an allen technischen Hochschulen
z. Z. in der überwiegenden Mehrzahl die Staatsprüfung
ablegen, um sich sodann dem Staats- bezw. Gemeinde-
dienst zu widmen.
Der Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-
Vereine, weicher usw. —
(Schluss wie bei Anschreiben i. — )
Zur Frage der Fortsetzung der Wiederherstellungs-Arbeiten am Heidelberger Schloss.
Hir entsprechen gerne einem Wunsche des Hrn. Prof.
Gabriel von Seidl in München und lassen nachr
stehend die Aeusserungen folgen, die derselbe über
die Heidelberger Schlossfrage im Münchener Arch.- u.Ing.-
Verein vortrug, der sich über die Angelegenheit zwar einer
Abstimmung enthielt, aber seine Sympathie zu den Aeusse-
rungen des Vortragenden zum Ausdruck brachte.
„Durch die vielfachen Erörterungen über den Ausbau
des Heidelberger Schlosses, welche erfreulicher Weise die
Gemüther sehr lebhaft beschäftigen, geht ein Zug, als wenn
für die Erhaltung des jetzigen Bestandes fast ausschliess-
lich nur Kunsthistoriker und Kunstfreunde einträten, welche
vom Gefühlsstandpunkt aus, begeistert von der Schönheit
und Stimmung des Bauwerkes, diesen Wunsch verfechten,
während vom Standpunkt des Architekten aus der Ausbau
gefordert werden müsse. Es erscheint mir angezeigt, die-
ser irrigen Annahme gegenüber vom Standpunkte des
Architekten aus die Frage zu beleuchten.
In der Baukunst ist es bekanntlich vor allem wichtig,
bei jeder Vornahme sich über die Folgen derselben klar
zu sein, und zumal bei Eingriffen in eine vorhandene Bau-
gruppe vorher zu prüfen, ob die Harmonie nicht gestört,
ob ein schöner Schlussakkord erzielt wird. Dies gilt ge-
wiss im stärksten Grade, wenn es sich darum handelt,
an ein so erhabenes Baudenkmal wie das Heidelberger
Schloss Hand anzulegen. Hier darf die Bedachungsfrage
nicht für einen bestimmten Bautheü oder eine Baugruppe
allein behandelt, sondern sie muss für die gesammte
Schlossgruppe aufgeworfen werden, wenn man später
nicht in Verlegenheit kommen will.
Klar ist, dass es den unangenehmsten Gegensatz her-
vorrufen würde, wenn die eine Baugruppe mit Dächern
versehen und ausgebaut wäre, und daneben wirkliche
Ruinen bestehen blieben. Dies müsste die Gefühle des
Architekten wie der Allgemeinheit gröblich verletzen.
Also dürfte man mit der Aufsetzung vereinzelter Dächer
überhaupt nicht anfangen, bevor man sich nicht über die
Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Dachaufsetzung bei
den übrigen Baulichkeiten klar geworden ist. Ein Urtheil,
hierüber Hesse sich schon einigermaassen gewinnen, wenn
man in grosse Photographien von den verschieaensten
Standpunkten — besonders auch vom Hofe und vom Stück-
garten aus — alle geplanten Bedachungen und Wieder-
herstellungen einzeichnen würde. Ich habe die Ueber-
zeugung, dass schon diese Probe die Undurchführbarkeit
der Gesammt-Dachaufsetzung beweisen wird. Dächer,
welche den Charakter von Schutzdächern hätten, wären
für die ganze Schlossgruppe wohl kaum befriedigend. Das
Dach des bewohnten Hauses aber, mit all’ den leben-
digen kleinen Reizen und Nothwendigkeiten, dieses ent-
zückende, poetische deutsche Dach kann man hier doch
nicht machen, und es künstlich nachahmen, wäre noch
54
viel weniger wünschenswerth. Hierbei wäre zu beachten,
dass so wenig als möglich neue Architekturtheile hinzu*
gefügt werden dürften, denn diese vertragen sich nicht
mit dem Reiz der historischen Mauern. Sie würden wie
Gift neben ruinenartigen Beständen wirken, die man nicht
alle beseitigen kann, ohne schliesslich einen völligen Neu-
bau aufzuführen, dessen Kosten und Wirkung schwer zu
berechnen sein würden. Also darf man für Herstellung
eines vereinzelten Bauiheiles oder einer vereinzelten Bau-
gruppe auch dann nicht eintreten, wenn die Pläne für die
Wiederherstellung an sich sehr hübsch sind.
Als Zeichnung genommen sind die Pläne des Hrn.
Ob.-Brth. Schäfer zur Otto Heinrichs-Fassade gewiss sehr
hübsch. Ihre Ausführung würde aber die unheilvollsten
Gegensätze hervorrufen und zu unlösbaren Folgen führen.
Der Ausbau des gläsernen Saalbaues im Inneren beeinflusst
das Aeussere nicht, wenn er kein sichtbares Dach, son-
dern eine unterhalb des Hauptgesimses liegende wagrechte
Asphalt-Ueberdachung erhält.
Was nun die Befürchtungen für die Haltbarkeit des
Otto Heinrichs-Baues, vor allem für dessen prachtvolle
Hoffassade anbelangt, so glaube ich, dass die meisten Fach-
männer beim Augenschein an Ort und Stelle, beim Ein-
druck der gewaltigen, aus bestem Material gebauten Mauern
jedes Bedenken fallen lassen werden, Man braucht nicht
auf Gerüsten herumzuklettern, um sich hierüber ein Ur-
theil bilden zu können, da man dem Mauerwerk von ver-
schiedenen Stellen aus nahe treten kann. Der Haupt-
eindruck, der Gesammtüberblick vom Flofe aus, ist
aber der wichtigste Faktor für die Beurtheilung desselben.
Es zeigt sich, dass gar kein nennenswerther statischer
Mangel, kein Sprung, keine Setzung vorhanden ist, und
es wird auch meines Wissens von keiner Seite aus ein
solcher festgestellt*), — wozu also die Angst? Die Frage,
ob Steine ausgewechselt werden sollen oder wie viele,
hat mit den Dächern nichts zu thun und mit der Standsicher-
heit nur in zweiter Linie. Es ist dies ein eigenes wich-
tiges und langes Kapitel für sich.
Es läge nahe, auch auf Einzelfragen einzugehen, die hier
sehr interessanterNatur sind und die alle laut dafür sprechen,
die Einheitlichkeit des jetzigen historischen Charakters der
Bauten nicht aufzuheben oder zu stören. Indessen, es seien
hier nur Hauptgesichtspunkte berührt, die für den Archi-
tekten entscheidend sind, wenn auch er, Hand in Hand
gehend mit den Kunsthistorikern und Kunstfreunden, ver-
langt, es möge die jetzige Schönheit des Heidelberger
Schlosses nicht aufs Spiel gesetzt werden, sondern auch die
kommenden Geschlechter noch entzücken und begeistern.“
Gabriel Seidl.
_ kirchen usw. sollten diese Steine Verwendung finden,
Mittheilungen aus Vereinen. Bedarf verschwindend klein sei gegenüber
Architekten-Verein zu Berlin. Vers, vom 9. Dez. 1901. dem Material an Steinen kleineren Normalformates. Die
Vors. Hr. Beer. — Nach kurzen Mittheilungen des Vor- Fabrikation werde also in keiner Weise bedroht.
Entwurf »Du und Dein Werk“.
Wettbewerb um Entwürfe für das Bismarck-Denkmal in Hamburg.
sitzenden über die
für die Bibliothek
eingegangenen Ge-
schenke erstattete
Hr. Hossfeld Be-
richt zu einem
Anträge des Hrn.
Dümmler, der Ver-
ein möge beim Hrn.
Minister d. öffentl.
Arbeiten vorstellig
werden, dass er zu-
gezogen werde zu
den Berathungen
über die Feststell-
ung eines Normal-
formates für Zie-
gel grossen Forma-
tes (Klosterformat)
ebenso wie die an
der Fabrikation in-
teressirten ande-
ren Vereine. Er
hebt zunächst her-
vor, dass überhaupt
nicht die Absicht
bestände, die Inter-
essenten zu den Be-
rathungen hinzu zu
ziehen, dass diese vielmehr im Wesentlichen abgeschlossen
seien. Dagegen sollen die Ergebnisse vor endgiltiger Fest-
setzung den Interessenten noch vorgelegt werden. Es
liege also ein Grund zu dem Anträge nicht vor. Zur Sache
selbst bemerkte er, dass allerdings sich als wünschens-
werth herausgestellt habe, für das Klosterformat Normal-
maasse festzustellen, damit sich die Ziegeleien danach
richten könnten und in Zukunft leichter und billiger solche
Steine für bestimmte Zwecke zu erlangen wären. Nach
Umfrage bei sämmtlichen Lokalbauinspektionen schwank-
ten die alten Maasse zwischen 24— 33c«n Länge, 10 — 17 t:“
Breite, 6,5—11 Dicke. Vorgeschlagen seien die ge-
mittelten Maasse 28,5 : 13,5 :9<='". Die Fugenstärke bei den
alten Bauten beträgt 1,5—2 «m, gewählt sind 1,5 c“ für
Stoss- und Lagerfuge. Als Verband kommen der polnische
(Wechsel von je i Binder und i Läufer in jeder Schicht)
und der märkische vor (je 2 Läufer , abwechselnd mit
I Binder in jeder Schicht), die zwar vielleicht keinen so
guten Verband ergeben wie der Kreuzverband und der
Blockverband, aber ruhiger wirken. Der Verband solle
keinesfalls den Eindruck einer Musterung hervorrufen,
das wirke kleinlich. Die geringen Uebelstände des nicht so
vollkommenen Verbandes müsse man in den Kauf nehmen.
Die Steine sollten nicht maschinell, sondern als Hand-
strichsteine hergestellt werden. Das sei vom ästhetischen
Standpunkte vorzuziehen. Keine Maschinenarbeit könne
die charakteristische Wirkung des rauhen Handstrichsteines
nachahmen. Hiergegen wendeten sich hauptsächlich die
Fabrikanten, die Befürchtungen derselben seien aber ganz
unbegründet. Nur bei alten Bauten, bei einfachen Dorf-
Im Anschlüsse an
dieseAusführungen
entspinnt sich eine
lebhafte Auseinan-
dersetzung. Hr.
Dümmler vertritt
den Standpunkt,
dass die Hauptfrage
die sei; Maschinen-
oder Handstrich-
Steine? Vom Stand-
punkt der Fabrika-
tion seien erstere
unbedingt vorzu-
ziehen. Die Hand-
strichsteine wür-
den, da sie im
grossen Formate
schwerer durch-
brennen, vielfach
verderben, sehr
theuer werden. Auf
Vorrath werde aus-
serdem doch kein
Fabrikant arbeiten
können. Hr. Blan-
kensteinkannsich
für das grosse For-
mat nicht erwär-
men, hält den Gedanken für einen Rückschritt. Auf alle
Fälle müsse man sich in der Anwendung auf alte Bauten
beschränken. Hr. Hossfeld stimmt dem Redner zu, so-
weit es sich um Bauten in der Stadt handelt. Aber draussen
in der freien Natur gebe das grosse Format den Bauten
erst die kräftige Wirkung, der Ziegelfeinbau erscheine da
geleckt, sdiwächlich. An den Erörterungen betheiligten
sich noch die Ilm. Becker, Hacker und Beer. Ein
Beschluss in der Sache wird nicht gefasst. —
Hr. Ing. Gary, Abth.-Vorsteher an der kgl. Mechan.-
Techn. Versuchsanstalt, Charlottenburg, sprach sodann über
ein neues Verfahren zur Prüfung von Materialien auf ihren
Widerstand gegen Abnutzung, der bisher nur mittels Ab-
schleifen auf einer röhrenden, geschmirgelten Scheibe be-
stimmt wurde. Der natürliche Vorgang der Einwirkung
des Sandes, der durch den Wind gegen das Gestein an-
geblasen wird, dessen Oberfläche angreift und durch
Erosion des weicheren Materiales vielfach zu über-
raschenden, interessanten Bildungen geführt hat, legte
den Gedanken nahe, diesen Vorgang künstlich nachzu-
ahmen. So ist die Anwendung des Sandstrahlgebläses als
ein neues Hilfsmittel der Untersuchung hinzugetreten, das,
wie der Redner an einer grossen Zahl ausgestellter Proben
zeigte, über die innere Struktur der Materialien inter-
essante Aufschlüsse giebt und als eine vorzügliche Er-
gänzung des alten Mittels des Abschleifens, das nur einen
zahlenmässigen Aufschluss über den Widerstand gegen
*) Die uQwesentliche Ausbauchung eines oberen Theiles kommt nicht
in Rechnung, da ja die Mauer beim Ausbau sogar noch sehr hohe neue
Giebel tragen könnte.
29. Januar 1902.
35
mechanische Abnutzung ermöglicht, anzusehen ist. Nament-
lich hinsichtlich der für den Techniker vor allem wichtigen
Erkenntniss von den charakteristischen Eigenschaften der
Baustoffe, insbesondere über die Härteverhältnisse, die
Struktur, die Bearbeitungs-Möglichkeit giebt die neue Me-
thode vortrefflichen Aufschluss.
Die Ausführungen des Redners wurden mit Interesse
und Beifall aufgenommen. Der vorgeschrittenen Stunde
wegen mussten die übrigen Gegenstände der Tagesordnung
dann unerledigt bleiben. —
Vermischtes.
Ehrendoktoren der Technischen Hochschule zu Berlin.
Gelegentlich der Feier des Geburtstages Sr. Maj. des Kaisers
hat die Technische Hochschule zu Berlin eine Reihe von
Männern, die sich um die Förderung der technischen
Wissenschaften hervorragende Verdienste erworben haben,
zum S)Dftor»3'üÖ- Ehren halber ernannt und zwar:
Auf Antrag der Abth. für Bauing.-Wesen den Ob.-Bau-
dir. Ludwig Franzius in Bremen, „den auf wissenschaft-
licher Grundlage unermüdlich schaffenden Ingenieur, den
Förderer der deutschen See- und Binnenschiffahrt, den
erfolgreichen Lehrer der Wasserbaukunst“,
ferner, auch auf Antrag der Abth. f. Masch.-Ing.-Wesen,
den Eisenb.-Dlr. a. D. Geh. Reg.-Rth. August Wöhler in
Hannover, ,,der mit seltener Ausdauer auf dem Gebiete des
Material-Prüfungswesens bahnbrechend gearbeitet und da-
durch die Entwicklung des Eisenbaues in allen seinen
Zweigen wesentlich gefördert hat“,
auf Antrag der Abth. für Chemie u. Hüttenwesen den
Kommerz.-Rth. Dr. Theodor Fleitmann in Iserlohn, „den
Begründer der Nickel-Industrie in Anerkennung seiner
grossen Verdienste um die wissenschaftl. Chemie“,
sowie den Geh. Rath und Prof, an der kgl. sächs.
Bergakademie Dr. Clemens Winkler in Freiberg i. S.,
den Entdecker des Germaniums, „in Anerkennung seiner
Verdienste um die Beseitigung der gasförmigen Neben-
produkte, insbesondere um die technische Begründung
des Schwefelsäure-Kontaktverfahrens“
und den Geh, Rath Prof. Dr. Adolf Ritter v. Baeyer
in München „in Anerkennung seiner bahnbrechenden
wissenschaftlichen und technisch-chemischen Arbeiten, na-
mentlich der Synthese des Indigos und dessen technischer
Herstellung“,
endlich auf Antrag der Abth. für allg: Wissenschaften
den Geh. Reg.-Rth. Prof. Dr. Hittorf in Münster „in An-
erkennung seiner grundlegenden Entdeckungen ülser die
Wanderung der Jonen und über die Kathodenstrahlen“.
Die Anträge sämmtl. Abth. waren einstimmig gestellt.
Ernennung deutscher Künstler und Techniker zu Mit-
gliedern der französischen Ehrenlegion. Auch Hr. Ob.-Ing.
Adolf Ramm aus Hannover, Vertreter der Firma Koerting
fröres in Paris, ist zum Ritter des Ordens ernannt worden
und zwar als einziger der in Paris lebenden deutschen
Techniker. —
Preisbewerbungen.
Einen internationalen Wettbewerb betr, Entwürfe für
ein Sanatorium für Tuberkulose in England, zu welchem
wohllhätige Mittel zur Verfügung stehen, erlässt ein bez.
Comite zu dem kurzen Termin des 15. April d. J. Das
Sanatorium ist für 50 männliche und 50 weibliche Kranke
bestimmt und soll bei aller Sparsamkeit in der Anlage
die neuesten hygienischen Einrichtungen und wissenschaft-
lichen Forschungen berücksichtigen. An dem Wettbewerb
können entweder Aerzte aller Nationen allein oder Aerzte
in Verbindung mit Architekten sich betheiligen. Es ge-
langen 3 Preise von 10000, 4000 und 2000 M. zur Ver-
theilung und zwar „nach dem Grade des Verdienstes auf
die Empfehlung des berathenden Comites“. Dieses besteht
lediglich aus englischen Beurtheilern — Sir William B r o a d-
bent, Sir Richard Douglas Powell, Sir Francis Laking,
Sir Felix Semon, Sir Hermann Weber und Dr. C. Theod.
Williams. Das Ausschreiben lässt nicht erkennen, ob
dieses Comitö auch Architekten enthält. Die in englischer
Sprache zu verfassenden und mit der Schreibmaschine zu
schreibenden „Aufsätze“ sind sammt den sie etwa be-
gleitenden Plänen an einen der Sekretäre des Comites,
Dr. P. Hoston-Smith, 15 Upper Brook Street, London, W.
oder Dr. John Broadbent, 35 Seymour Street, London, W.
zu senden.
Die Art der Ausschreibung des Wettbewerbes erweckt
in uns nicht den Eindruck, dass Architekten an seinen Vor-
arbeiten betheiligt waren, und wir glauben auch bei der
einseitigen Zusammensetzung des Preisgerichtes nicht, dass
deutsche Bewerber Aussicht auf eine Auszeichnung hegen
können. Wir wollen aber für etwaige deutsche Bewerber
nicht unterlassen darauf hinzuweisen, d^s in dem bei
Arnold Bergsträsser in Stuttgart erschienenen trefflichen
und sehr eingehenden Werke über Krankenhäuser von
Prof. F. O. Kuhn in Berlin werthvoUe Anhaltspunkte über
die einschlägigen englischen Verhältnisse für eine Lösung
der Aufgabe gefunden werden können. —
Wettbewerb mittlere Rheinbrücke in Basel. Ergänzend
zu dem Berichte über den Ausfall dieses Wettbewerbes
in No. 4 sei aus dem jetzt vorliegenden Urtheil des Preis-
gerichtes noch hinzugefügt, dass das letztere mit Rücksicht
auf die grossen Kostenunterschiede der verschiedenen Ent-
würfe (1563750— 3744028 Frcs., bei den 5 preisgekrönten
Arbeiten etwa zwischen 2,2 und 2,8 Mill. Frcs.) nach die-
ser Richtung hin noch weitere Prüfungen für nöthig hielt
und daher darauf verzichtete, einen bestimmten Entwurf
zur Ausführung zu empfehlen. Es wird jedoch ausdrück-
lich in erster Linie die Ausführung in Stein vorgeschlagen.
Abgesehen von allgemeinen Rücksichten soll damit ein
neues Element in das Stadtbild gebracht und eine be-
stimmte Unterscheidung von den beiden anderen Brücken
erreicht werden. Bezüglich der architektonischen Behand-
lung des endgiltigen Entwurfes ist das Preisgericht der
Anschauung, dass es durchaus nothwendig sei, der reiz-
vollen mitteialterlichen Brückenkapelle der alten Brücke,
die wieder auf dem neuen Bauwerke zur Aufstellung
kommen soll, gegenüber den weiten Spannungen und
schweren Massen durch irgend welche Mittel eine stärkere
Wirkung zu geben.
Auf das Urtheil des Preisgerichtes selbst, das sich in
seiner Begründung in anerkennenswerther Weise auch mit
der Kritik der nicht präraiirten Entwürfe befasst, können
wir ohne Beigabe von Zeichnungen nicht näher eingehen. —
Wettbewerb um den Entwurf für elektrischen Schiffszug
auf dem Teltowkanal. Als Ergänzung zu der Mittheilung
über dieses Preisausschreiben in No. 5 seien noch einige
Angaben aus den besonderen Bedingungen gegeben.
Verlangt werden eine vollständige Beschreibung und Be-
rechnung^ des vorzuschiagenden Schleppbetriebes, welche
durch Zeichnungen zu erläutern sind. Diese haben Schlepp-
motorboote in 1:25, Schlepplokomotiven oder andere
Schlepp- und Fortbewegungs-Mechanismen in 1:5 oder
I ; IO, die allg. Anordnung etwaiger elektr. Arbeitsleitungen,
Gleisanlagen usw. in 1 : 100, Einzelheiten dieser Anordnun-
gen 1:5 bezw. 1:10, bei neuem Oberbausystem in natür-
lichen Grössen darzustellen. Die Rechnungen haben sich zu
erstrecken auf die Festigkeit und Standsicherheit der haupt-
sächl. Theile der vorgeschlagenen Einrichtungen, auf den
Energiebedarf und Wirkungsgrad, auf die Leistungsfähigkeit
des Betriebes. Der Kostenüberschlag ist so aufzustellen, dass
daraus auch eine Umrechnung auf eine andere Verkehrs-
grösse_ oder Länge der Verkehrsstrecke möglich ist. Von
patentirten Konstruktionen sind die Patentgebühren anzu-
geben. Es ist ferner eine möglichst eingehende Betriebs-
Kosten-Berechnung aufzustelleri. Erläuterungsbericht und
Kostenanschlag sind in deutscher Sprache abzufassen. Das
Programm giebt noch einige Angaben über Linienführung
und bauliche Verhältnisse des Kanales, Wasserstärke und
Querschnitte, Bodenbeschaffenheit, Betriebsbedingungen
und Verkehr nebst Schiffsgrössen. (Die zeichnerischen
Anlagen sind für 10 M., die später zurückerstattet werden,
von der Kanal-Bauverwaltung zu beziehen.)
Die mit Preisen ausgezeichneten bezw. angekauften
Arbeiten verbleiben dem Kreise Teltow. Dieser ist be-
rechtigt, alle Gedanken, weiche in diesen Arbeiten ent-
halten sind, bei dem auf dem Teltow-Kanale einzurichten-
den Betriebe ohne weitere Entschädigung zur Anwendung
zu bringen, soweit diese Gedanken nicht bereits vor Ein-
reichung der Preisarbeit patentirt oder beim Patentamt
angemeldet waren. —
Der Wettbewerb um Entwürfe zum Bismarck-Denkmal in
Hamburg hat erfreulicher Weise den Ausgang genommen,
den wir erhofften. Das grosse Comite hat nach der Voss.
Ztg. in seiner Sitzung vom 25. d. M. mit 28 gegen 2 Stimmen
beschlossen , den mit dem I. Preise ausgezeichneten Ent-
wurf der Hrn. Arch. Schaudt und Bildhauer Lederer
in Berlin zur Ausführung zu bringen und die beiden
Sieger mit dieser Arbeit zu betrauen. —
Brief- und Fragekasten.
Anfragen an den Leserkreis.
Welche Litteratur giebt es über die Verankerung der Funda-
mente von Gebäuden in den Bergwerksgegenden? W. Th. in D.
Inhalt: Der Wettbewerb um Entwürfe für eia Bismarck -Denkmal in
Hamburg. — Verband deutscher Arch.- und Ing. -Vereine. — Zur Frage der
Fortsetzung der Wiederherstellungs- Arbeiten am Heidelberger Schloss. —
Mittheilungen aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Brief-
und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzcitun^ G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, 'Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
5^ No. 9.
EUTSCHE
XXXVI.JAHR-
^BERLIN
AUZEITUNG.
GANG. * * N2; 10. *
DENi. FEBR. 1902.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein Bismarck -Denkmal
in Hamburg. (Schluss.)
ine frohe Kunde ist in diesen Tagen über
die deutschen Lande verbreitet worden:
Das Bismarck-Denkmal für Hamburg, das
Denkmal, auf welches die Augen der künst-
lerischen WeltDeutschlands mit leidenschaft-
licher Erwartung gerichtet sind, das Denkmal, an
welches die deutsche Künstlerschaft die durch eine
lange Kette von Enttäuschungen genährte Hoffnung
knüpft, dass es ein monumentaler Protest sein werde
gegen eine Kunst des landläufigen Tagesgeschmackes,
eine Kunst,' die nicht mehr wie früher ein Stück künstle-
rischer Gewissensforschung, sondern mehr und mehr
ein Theil materiellen Erwerbslebens ge'worden ist,
dieses Denkmal, von dessen heissumstrittener Gestalt
die Kreise nicht lassen wollten, welche in der Monu-
mentalkunst mehr sehen, als die Befriedigung eines
oberflächlichen Triebes, welche von ihr verlangen,
geistige Phänomene in eine dauernd beachtete sinn-
lich wahrnehmbare Form zu kleiden, dieses Denkmal
soll in der That in der eigenartigen Gestalt erstehen,
welche zwei treffliche Künstler, die ihren Weg abseits
vom allgemeinenHeerpfade suchen, ihm gegeben haben.
So wird denn die blühende Hansestadt am unteren Lauf
der Elbe mit dem Denkmal beschenkt werden, welches
wie kein anderes auf deutschem Boden das Wesen
des Schöpfers des neuen Reiches zum Ausdruck bringt,
jenes Wesen, welches dieser selbst im preussischen
Staatsministerium in den sechziger Jahren in die Worte
kleidete: „Wenn ich etwas will, so will ich es heute
und morgen und will es jede Stunde und jede Minute,
bis der Zweck erreicht ist“. Wille und Ziel! Die
Welt als Wille und Vorstellung! Wer hätte es ge-
dacht, dass das Hauptwerk des Frankfurter Philo-
sophen des Pessimismus, welches nicht durch Zufall
in der politischen Leere nach den Befreiungskriegen
entstanden ist, und welches diese Welt als die schlech-
teste unter den möglichen Welten darstellte, auf der
einen Seite schon nach 50 Jahren eine so glänzende
thatsächliche Widerlegung erfahren und auf der ande-
ren Seite eine ebenso glänzende Verherrlichung durch
das Denkmal am Strande der Elbe finden würde!
Denn die Bismarck’sche Politik ist in der That
die „Welt als Wille und Vorstellung“. Schopenhauer
sah im Willen nicht nur das bewusste Begehren, son-
dern auch den unbewussten Trieb, die Naturkraft. In
diesem Sinne sagte Bismarck zu seinem amerikanischen
Studiengenossen Motley: „Der Mensch kann das Schiff
lenken, das auf dem Strome fährt, aber den Strom
selber lenkt er nicht“. Und in Versailles äusserte er
zu einem badischen Minister: „Die grossen Dinge
macht der Mensch nicht; das Einzige, was er kann,
ist, den natürlichen Lauf der Dinge beobachten und
was der zur Reife gebracht hat, zu sichern. Im Uebrigen
ist er wie ein Forstmann, der in Geduld warten muss,
bis der Wald schlagreif geworden.“ Die Welt als
Wille! Daneben aber die Welt als Vorstellung, die
Welt im Intellekt: „Wenn ich etwas will, so will ich
es heute und morgen und will es jede Stunde und
jede Minute, bis der Zweck erreicht ist.“ Welt und
Wille, Wille und Vorstellung, das ist das Hamburger
Bismarck-Denkmal. In seiner einfachen Grösse, in
seiner überwältigenden Gestalt, in seiner machtvollen
Erscheinung ist es die überzeugende Verkörperung
der langsam gereiften Frucht des Gedankens, der
politischen Ausprägung der geistigen Bildung, der
Triumph der Kulturarbeit eines Jahrhunderts. Es ist
ein Werk, welches seine Grösse in sich selbst trägt,
das durch seine Errichtung zeigt, dass mit dem Reiche
auch ein Volk geworden ist. Sein Inhalt ist Geschichte
und Leben, sein Held ein Mensch in dem sophokleischen
Sinne, nach welchem vieles Gewaltige lebt, doch nichts
gewaltiger, als der Mensch.
Wäre es möglich gewesen, diesen Eindruck un-
gewöhnlicher Grösse mit den überlieferten Mitteln der
Plastik zu erreichen? Der Wettbewerb, der nach dem
Urtheile eines der Preisrichter, nach einem Worte des
Archäologen Georg Treu, „wie kaum ein anderer ein
Bild von all dem verwirrenden Widerstreit darbietet,
der in der Gegenwart der deutschen Kunst herrscht,
aber auch von ihrem Reichthum“, er beantwortet die
Frage mit einem bestimmten Nein.
Hier standen alle Richtungen, welche in der
Gegenwart um ihre Berechtigung kämpfen, neben ein-
ander; „der kühlere Eklektizismus früherer Zeit neben
dem erstarkten Wirklichkeitssinn der neueren ; Erzeug-
nisse zierlicher Zuckerbäckerei neben dem plastischen
Bombast und der theatralischen Schaustellung, die
gegenwärtig für offizielle Denkmäler an der Tages-
ordnung sind.“ Daneben aber auch Entwürfe, „die
ihre Wirkung in echt steinmässiger Schlichtheit und
Geschlossenheit, in Wucht und Grösse suchen — und
zwar sowohl im Bau-, wie im Bildwerk. Es ist das
die entschlossene Abkehr von der eingerissenen Ver-
äusserlichung der Kunst, ihrer Abhängigkeit von der
Nachahmung des Fremdländischen in Vergangenheit
und Gegenwart, das Ringen nach Schlichtheit, Inner-
lichkeit und Kraft, kurz, nach einer manchmal noch
etwas ungeschlachten, aber doch ausgesprochen deut-
schen Eigenart in Wurf und Werk. Mit hoffender
Seele erkennen und begrüssen wir diesen starken
jungen Trieb unserer neuen Kunst. Hamburg hat
diesem boden wüchsigen Sinn durch seinen freien Wett-
bewerb den Muth zum Erfinden gegeben.“ Und diese
neue Kunst ist im Wesentlichen eine Weise der Bau-
kunst. Der HamburgerWettbewerb hat es überzeugend
dargethan, dass nur die Architektur es vermag, Werthe
von monumentaler Grösse zu schaffen und Werke
hervorzubringen, deren Inhalt gegenüber die Plastik
mit ihren überkommenen Mitteln sich als unzulänglich
erwiesen hat. Die Grenzen der Kunst, über die so
viel gestritten wurde, namentlich seit Lessing seinen
Laokoon geschrieben und damit die künstlerische Her-
vorbringung von mehr als einem Jahrhundert in den
spanischen Schnürleib der aesthetischen Kunstgesetze
gezwängt hatte, sie wurden allenthalben durchbrochen
und bestehen heute kaum mehr in der Erinnerung.
Die Zeiten sind vorbei, in welchen der Künstler den
„grossblumigen Schlafrock“ der Aesthetik anlegte, in
dem man sich gerne zeigte, weil er bequem und ge-
eignet war, manchen Schaden, manchen Mangel zu
verdecken. Das künstlerische Auge ist heute unbe-
schadet der Verehrung aller Ideale mehr auf das
Wirkliche, denn auf das Abstrakte, mehr auf die
natürliche Empfindung denn auf ästhetische Seil-
tänzerei gerichtet. Daraus entspringt die Erkenntniss
der Unzulänglichkeit rein plastischer Mittel für grosse
Vorwürfe, ja selbst die Erkenntniss der Unzulänglich-
keit der Mittel für Aufgaben des eigenen Gebietes.
Jüngst ist aus hohem Munde die Aeusserung gefallen,
es müsse der Bildner sich die Postamente und archi-
tektonischen Theile seiner Denkmäler selbst entwerfen
und es müsse der Maler sich die Architektur des von
ihm auszumalenden Saales selbst schaffen. Es ist
möglich, dass dabei an eine gewisse Einheit der Kunst
57
gedacht war, wie sie in der Renaissance bestand.' Wir
wollen nun aber versuchen, zwei unpartheiische Zeugen
über ihre eigene Kunst zu hören, um daraus Schlüsse
zu ziehen, ob die durch Kaiser Wilhelm II. vor kurzem
gegebene Anregung bei der mangelnden Sammlung
des Kunstlebens von heute überhaupt möglich ist.
„Lehrjahre in der Plastik“ ist eine Schrift betitelt,
welche der Bildhauer Edmund^ Hellmer, Professor
an der Akademie der bildenden Künste in Wien, im
Jahre 1890 herausgegeben hat. Er ist ein gewiss un-
befangener Beurtheiler. Ihm lastete seit Jahren die
Frage auf der Seele, warum die Bildhauerei unserer Zeit
so sehr im Argen liege, ,, warum diese Kunst, so
positiv aus dem Volke hervorgegangen, beim Volke
so wenig Verständniss findet“. Er giebt die Antwort,
„weil die Bildhauerei von heute keine Kunst unserer
Zeit“ sei. „Unsere modernen Bildhauer sind nur Mo-
delleure. Thon, Wachs sind ihre Gestaltungskörper.
Ich kenne unter den jetzt schaffenden Künstlern keine
fünf oder sechs, die zu meissein verstehen, kaum
einen, der imstande ist, sein Werk in Bronze zu
giessen, zu ziseliren“. Der Bildhauer von heute „kennt
und lernt nicht inbetracht ziehen die Sprödigkeit des
Gesteines, die Schwierigkeit, in Bronze zu bilden“.
Der- Bildhauer lerne wohl, eine Arbeit bestechend in
Lehm oder Wachs zu modelliren, beim Uebertragen
aber in Marmor oder Bronze lasse sich dann erkennen,
dass sie nicht aus dem Material „hervorgewachsen“
ist. „Alle Individualität der Formengebung. jeder Vor-
trag geht verloren. Nichts von jenem berückenden, hin
reissenden Nervenspiel, keine Ausnutzung von Zufällig-
keiten, kein kraftvoller Eigenwille, nicht hingebungs-
volle Liebe — einfach eine interesselose schwache
Kopie“. Darum dürfe der Bildhauer nicht auf Zeichnen
und Modelliren gedrillt werden, er müsse ,.von Jugend
auf meissein, für Bronze bosseln, in Metall giessen,
ziseliren, schnitzen“. Der Bildhauerkunst ist demnach
anderes Noth, als sich auf ihr naturgemäss fremde
Gebiete zu wagen. Freilich, keine Kunst ist so reich,
dass sie nicht durch Hinübergreifen auf benachbarte
Gebiete an Reichthum gewönne. Aber so lange es nach
Hellmer noch „nichts Geringeres gilt, als eine grosse
schöne Kunst, die dem modernen Geschlechte ver-
loren zu gehen droht, uns zurück zu gewinnen“, so
lange hat die Plastik alle Ursache, ihre natürlichen
Grenzen nicht zu überschreiten.
Und wie sieht es mit der Malerei aus, welcher die
Anregung gegeben wurde, die durch sie auszumalen-
den Säle selbst zu bilden, um in ihnen die nöthige
Harmonie zu erzeugen? Gewiss zeigen nicht wenige
Werke dieser Art einen inneren Zwiespalt. Nicht aber
durch die Schuld des Architekten, welchem durch die
allgemeine Anlage und Konstruktion des Bauwerkes
das architektonische Gerüst desselben gegeben ist, son-
dern durch die Schuld des Malers, welcher sich nicht zur
Unterordnung verstehen kann, was doch selbst Michel-
angelo, Paul Veronese und Tiepolo thun mussten und
thaten und was in unserer Gegenwart durch Puvis de Cha-
vannes so meisterhaft geschieht. Kann man wirklich der
Ansicht zu neigen, dass der Thronsaal des PalazzoCaffa-
relli in Rom das geworden wäre, was er heute ist, wenn
nicht ein feinfühligerArchitekt für die Ausschmückung die
Führung übernommen hätte? Was verlangt z. B. Max
Klinger in „Malerei und Zeichnung“ für die Malerei
als Raumkunst, als welche sie hier ausschliesslich in
Betracht kommt? „Vor allem aber fehlt uns die erste
Grundlage der Kunst, eine strenge, der Raumkunst
gewachsene Anschauung und Beherrschung der mensch-
lichen Form .... Die Einheit des Raumes und die
Eindringlichkeit seinerBedeutung fordern geradezu auf,
die sonst so streng einzuhaltenden Formen- und Farben-
gesetze der Natur aufzulösen zu Gunsten einer rein
dichterischen Verwendung der Mittel“. Und wo fin-
den wir in der Gegenwart eine solche Kunst? Klinger
sagt es uns selbst: „Die Anläufe der Neuzeit zu solchen
Werken sind durch die herrschenden künstlerischen
Verhältnisse derart zerfahren,' dass man eigentlich da-
von nicht sprechen kann“. So lange sich Malerei „für
uns auf den Begriff „Bild“ beschränkt“, so lange durch
die ganze moderne Kunst ein „Drang nach Novellistik“
geht und Maler und Bildhauer nicht darauf verzichten,
die Kunst im „Abenteuer“ zu suchen, statt im Men-
schen und in der Natur, so lange also auch die Malerei
noch auf ihrem eigensten Gebiete genügend zu thun
hat, sich zur wahren Kunst heraufzuarbeiten, so lange
wird auch sie bei einem Uebergreifen auf die Archi-
tektur von Erfolg nicht begleitet sein. Sie thut es aber
häufig dennoch, wenn auch ohne Erfolg. Das veran-
lasste Klinger zu dem harten Worte: „Und so leben
wir heutzutage in jeder Kunst auf Raub“. Leider
haben wir keine Kunst als „gesammelten Ausdruck
unserer Lebensanschauung“; wir haben nicht mehr
eine Kunst, denn Architekt, Maler und Bildhauer schei-
nen zu natürlichen Gegnern geworden zu sein, von
welchen jeder eine innere Genugthuung empfindet,
dem anderen von seinem Gebiete möglichst viel zu
nehmen. „Mit historischen Genrebildern und Illu-
strationen schmücken wir unsere Staatsgebäude, mit
Monumental-Allegorien unsere Cafes. Der Baumeister
drückt durch Leisten, Paneele, Halbpfeiler aller Epochen
und Stilarten, durch Stuck an allen Ecken und Enden
den Maler zum Veduten- und Teppichkünstler herab,
und der Maler vergilt es ihm mit dem Farbenselbst-
zweckbau: dem Panorama“. Nichts wahrer, als das!
Kein Wunder daher, wenn Klinger die Zeit der
Renaissance als Idealzeit betrachtet. „Von der An-
schauung ausgehend, dass Baukunst, Malerei, Bild-
hauerei durchaus mit einander verbunden sein müssten,
dass jede einzelne der anderen bedürfe, um zur vollen
Höhe sich aufschwingen zu können, blieb die Haupt-
aufgabe, das Ideal jener Zeiten, die Ausgestaltung des
Raumes zum Kunstwerke, Bei solchem Zusammen-
wirken fand das Bedürfniss, in künstlerischer Form die
Vorgänge der Seele auszusprechen, vollste Befriedi-
gung. Und in diesem Bewusstsein wurde gearbeitet.
Der Baumeister wusste für den Maler Flächen und
Licht, nachdem Plan und Proportion festgestellt waren,
zu schaffen, für den Bildhauer die zweckmässigen
Plätze nicht durch Zuviel seiner Zuthat unmöglich
zu machen. Ein Jeder, da er wusste, wo und für
was er seine ganze Kraft einzusetzen hatte, unter-
liess es, durch Kleinigkeiten dem Mitwirkenden Raum
und Luft zu nehmen“. Das wai* zur Zeit der Re-
naissance, in welcher die Einheit im Künstler
das Werk erleichterte. Aber auch heute ist es viel-
fach noch der Fall. Die Gelegenheiten sind zahlreich
und bedeutend, in welchen dem Maler durch den
Architekten ein weites Feld der Bethätigung geboten
wurde. Die mangelnde Anerkennung dieses Umstan-
des liegt aber nicht so sehr in der Verkennung der Ab-
sichten des Architekten, als in dem häufigen Unvermögen
des Malers, einer grösseren Aufgabe gerecht zu wer-
den. Der Monumentalmaler von früher ist zum BiJd-
maler geworden, der Fres-komaler von früher zum
Vedutenraaler. Wie viele Monumentalmaler besitzen
wir heute überhaupt und wieviel Freskomaler sind
unter ihnen? Eine Hand reicht vollkommen aus, sie
aufzuzählen. Bei diesem Eingeständniss eigenen Un-
vermögens ist es der Malerei nicht wohl möglich, ihr
fremde Gebiete zu betreten, so sehr man dies auch
vielleicht im Sinne einer Bereicherung dieses Kunst-
gebietes wünschen könnte. Die moderne Arbeitstheilung
ist leider auch auf die Kunst übergesprungen. Eine
Einheit im Sinne der Renaissance kann heute kaum
mehr erreicht werden, es handle sich denn um ein
auserwähltes Individuum. Es scheint uns daher schon
am besten, man lasse die Kunst von heute eine Kunst
ihrer Zeit werden, ohne Rückgreifen auf Zeiten, die
zurückzurufen wir unter den Lebensbedingungen un-
serer Tage nicht in der Lage sind. Wer heute etwas
Grosses leisten will, der muss mehr denn je im kleinsten
Punkte die höchste Kraft sammeln. Das hat in so
überzeugender Weise der Hamburger Wettbewerb um
das Bismarck-Denkmal dargethan. —
Wenn dieses Denkmal dereinst vollendet ist, wenn
man es mit lauter Begeisterung und mit dem über-
strömenden Jubel des Augenblicks enthüllt haben wird ;
wenn der Nebel der Freudenschüsse aus den Baum-
No. 10.
krönen der Wallanlagen sich verzogen hat, dann wird
man das Werk preisen als eines der schönsten seiner
Art. Mit bitterem Schmerz wird man sich vor ihm er-
innern, wie die schillernde Seifenblase so mancher
grossen Denkmal-Vorgeschichte durch die Entstehung
des Denkmals selbst zu einem kümmerlichen Tröpfchen
der Enttäuschung verdichtet wurde, und man wird
das Elamburger Denkmal-Comite mit lauten Worten
rühmen, dass es durch die Art der Durchführung
des Wettbewerbes den Grund gelegt hat zu einem
Vertrauen auf die Zukunft, zu dem Vertrauen, dass
die deutsche Denkmalkunst ini Norden nicht unrett-
bar dem Niedergange verfallen ist. Herder hat es
einmal in seinen „Ideen“ ausgesprochen, man müsse
bei allen Denkmalen nicht blos auf die Ursachen sehen,
die solche befördern, sondern auch auf die Wirkungen,
die dadurch gefördert werden, denn kein Kunstwerk
stehe todt in der Geschichte der Menschheit. Für-
wahr, Hamburg war von den Herder’schen Ideen voll
erfüllt, als es die so weite Kreise ziehende Bewegung
für sein Bismarck-Denkmal einleitete.
Eine Münchener Zeitschrift, die „Jugend“, hat man-
ches satirische und aufrichtige Wort über die moderne
Denkmalkunst gesprochen. Die Wahrheit [läuft viel-
fach in der Schellenkappe einher, aber sie ist dafür
nur um so wahrer. Wenn es der Fall sein sollte, dass
der Oelbaum der Minerva, dessen Gedeihen an anderen
Orten schwer beeinträchtigt wurde, an den Gestaden
der Elbe von Neuem zu einer nordischen Blüthe
kommt, dann wollen wir eifersüchtig darüber wachen,
dass nicht rauher Reif diese schöne Blüthe wieder
vernichte. Die beiden Künstler aber, welche sich an-
schicken, hier zum 'ersten Male ihr Flohes Lied der
Kunst, zugleich ein'Fleldenlied zu singen, wollen wir
mit der Hoffnung ^bei ihrem erhabenen Werke be-
gleiten, dass das Denkmal nach seiner Vollendung
hinklinge über alles Land rings umher und das Volk
darauf, dass seine mahnende und anfeuernde Kraft
reiche von der Ewigkeit des Wassers bis zur Majestät
der Berge, vom Fels zum Meer, und dass es den Namen
Bismarck so lange erhalte, wie der ewige Granit
dauert, aus dem es gefügt wird. —
Albert Ho fm ann.
Landhaus Glade in Dt.-Wilmersdorf bei Berlin.
Architekt: Erich Peters in Halensee.
(Hierzu eine Bildbeilage und die Abbildungen auf Seite 6i.)
as Landhaus des Hrn. Generalkonsul H. F.
Glade ist im Jahre 1900 mit einem Kosten-
aufwand von rd. 220000 M. erbaut worden.
Als Bauplatz wurde ein — mit Ausnahme
eines in anderem Besitze befindlichen Eck-
grundstückes — über 1000 Quadratruthen grosses Park-
gelände ausersehen, welches im Norden auf 101,19®
von der Hildegardstrasse, im Osten auf 91,26® Länge
von der Kaiser-Allee begrenzt wird und ein in dem
südwestlich von Berlin liegenden Vororte Dt. -Wilmers-
dorf belegenes, nicht ausschliesslich dem Villcnbau
vorbehaltenes Gelände bildete.
Aus letzterem Grunde wurde die Errichtung des
Gebäudes auf der Westgrenze beschlossen, einerseits,
um von der Süd- und Ostseite den freien Ausblick
auf den geräumigen Park zu haben, andererseits, um
ein Eiiibauen des Bauwerkes und die Lage von Fronten
nach der Wetterseite zu umgehen. Weiterhin waren
als Wünsche des Bauherrn beim Entwurf zu berück-
sichtigen: die Schaffung grosser luftiger Räume, eines
grossen Winter- und eines tiefen Vorgartens.
Ersteren beiden Punkten ist in weitestem Maasse
Rechnung getragen und auch der Vorgarten weist
die immerhin ansehnliche Tiefe von 12® auf. Da je-
doch bis zur Baufluchtlinie nur eine Vorgartentiefe
von 5“ vorhanden war, so wurde, um bei späterer
Bebauung des westlichen Nachbargrundstückes nich<
den unschönen Anblick eines freien hohen Nachbar-
giebels gewärtigen zu müssen, ein bis zur Bauflucht-
linie vortretender Flügel geplant.
Dem Wunsche des Bauherrn entsprechend wurden
drei Geschosse vorgesehen — ein Untergeschoss, ent-
haltend Küche und Wirthschaftsräume, Heizraum,
Diener- und Mädchen- sowie zwei Reservezimmer; ein
hochgelegenes Erdgeschoss für die Wohn- und Ge-
sellschafts-, und ein Obergeschoss für die Schlaf- und
Fremdenräume. Ausserdem war auf die Anlage ge-
nügender Balkons und im Dachgeschoss auf Schaffung
einiger Reserveräume Bedacht zu nehmen. Die Lage
aller Räume nach der günstigsten Himmelsrichtung
war ein Hauptgesichtspunkt des Entwurfes.
An der Ausführung waren betheiligt für die
Maurer- und Zimmerarbeiten Theodor Hardtke, die
Steinmetzarbeiten Gehr. Zeidler, die Klempnerarbeiten
P. Thom, die Dachdeckerarbeiten W. Neumeister,
die Warmwasser - Heizungsanlage A.-Ges. Weser-
Bremen, die Gas- und Wasserleitungsanlage und Ka-
nalisation R. Siebert, die elektrische Lichtanlage
A.-Ges. vorm. Schuckert & Co., die sonstigen elektr.
und für die Blitzableiteranlage A.-Ges. Mix & Genest,
die Stückarbeiten Schroeder & Below, die Fliesen-
arbeiten N. Rosenfeld & Co., die Marmorarbeiten
M. L. Schleicher, die Parkettarbeiten A. Leibe & Co.,
die Tischlerarbeiten Gebr. Schaar, die Schlosserar-
beiten A.L.Benecke, die Glaserarbeiten Adolf Rogge,
Gustav Schulze & Jost und Adolf Schell-Offenburg,
die Kunstschmiedearbeiten Methling & Gleichauf,
die Tapezierarbeiten Rommel & Nölting und die
Malerarbeiten E. Sobotta, während die Garten--und
Parkanlagen Julius Vormerker herstellte. —
Der Königsberger Seekanal.
Von F. Jerosch in Königsberg.
Hie im November v. Js. stattgehabte uneingeschränkte
Eröffnung des „Königsberger Seekanals“ für die
Schiffahrt bringt ein Werk zum Abschluss, von dem
man eine wesentliche Belebung des Königsberger Handels
erwartet und das auch in technischer Beziehung durch die
Eigenart seiner Ausführung besonderesinteresse erwecken
dürfte.
Hinsichtlich der Entwicklung des Flandels ist Königs-
berg unter der Zahl der deutschen und russischen Ost-
seehäfen während der letzten Jahrzehnte des vergangenen
Jahrhunderts mehr und mehr von der Stellung zurück-
gekömmen, die ihm durch sein bedeutendes Hinterland,
dessen weitaus grösster Theil allerdings in Russland liegt,
gebührt. Dies ist um so mehr zu beklagen, als die Ver-
hältnisse für Handel imd Schiffahrt in Königsberg keines-
wegs ungünstige sind. Der Vorhafen Pillau hat gute Eis-
verbältnisse und er sowohl wie der Pregel von seiner
Mündung ins Frische Haff bis Königsberg hinauf bieten
natürliche Tiefen dar, die für die Bedürfnisse der Schiff-
fahrt imganzen genügen. Das Haupthinderniss für eine
£. Februar 1903.
gedeihliche Entwicklung der Königsberger Schiffahrt lag bis-
her in den ungenügenden Tiefenverhältnissen de.s Frischen
Haffs, und zwar machten sich diese angesichts der immer
zunehmenden Zahl von Dampfern grös>eren Tiefganges
immer unerträglicher fühlbar. Ein grosser Theil der voll-
beladen in Pillau ein- oder au-gehenden Schiffe mus>te
dort einen Ttteil der Ladung in Leichierfahrzeuge umladen
bezw. von denselben erst dort einnehmen, um mit ge-
ringerem Tiefgang das Haff durchqueren zu können. Die
hierdurch jährlich entstehenden Unkosten an Urolade-
Gebühren, Leichterfracht, Zeitverlust und Beschädigung
des Ladegutes wurden schon vor 20 Jahren zu 500000 M.
geschätzt. Zwar sorgten fortlaufende Baggerungen für die
Erhaltung einer Mindesttiefe im Fahrwasser der Seeschiffe,
diese betrug aber nur 3,27 “ bei N.-W. und hätte nur unter
Aufwendung ganz erheblicher Unkosten auf ein höheres
Maass gebracht und darauf erhalten werden können.
Wie ausserordentlich ungünstig hier die ursprünglichen
Verhältnisse lagen, mag daraus erhellen, dass nach alten
Angaben in der Mitte des 18. Jahrhunderts die natürliche
.59-
Tiefe des Haffs in der Nähe der Pregelmündung nur etwa sind so bedeutend, dass ihre vollständige Beseitigung durch
2 m betrug. Solche ausserordentlich geringen Tiefen fin- Baggerung den ganzen Sommer inanspruch nehmen würde,
den sich rings an den Rändern des Hafis, wo oft kilo- sodass während der Hauptperiode der Schiffahrt niemals
meterweit vom Ufer in das Haff hinein die Wassertiefe ein ganz normaler Zustand vorhanden wäre. Von den
nicht mehr als i — 2 m beträgt. Diese Erscheinung erklärt Preisrichtern wurde vielmehr als richtiger der dem ande-
sich aus der Eigenschaft des Haffs als natürliches Klär- ren Theil der Entwürfe zugrunde liegende Gedanke aner-
becken für die in dasselbe, mündenden Flüsse, deren Sink- kannt, in flachem Wasser, längs dem Ufer des Haffs, eine
Stoffe als nahezu wagrecht abgelagerter Schlick vielfach ganz neue Rinne herzustellen und diese durch einen Damm
den Boden des Haffs, und zwar naturgemäss am meisten gegen Strömungen und Eindringen von Sinkstoffen zu
in der Nähe der Flussmündungen bedecken. Im mittleren schützen. Dieser Schutzdamm bot fernerhin den wesent-
Theil des Plaffs sind dagegen auch grössere Tiefen vor- liehen Vortheil, von den auf dem Kanal sich bewegenden
handen, bis 5“ etwa. (Siehe die in Metern eingeschrie- Schiffen in den Zeiten zu Beginn und Schluss der Schiff-
benen Tiefenmaasse der Uebersichtskarte Abbildg. i.) Die fahrt die gefährlichen Eisschiebungen des offenen Haffs
flachen Ränder des Haffs wurden nun seit Mitte des abzuhalten. Auch für die Bauausführung mussten sich
18. Jahrhunderts durch Baggerungen bei Pillau in Ver- hier Vonheile ergeben, da der durch Baggerung gewonnene
längerung des Seetiefs und an der Pregelmündung in der Boden gleich an Ort und Stelle zur Herstellung des Dam-
Stromrichtung durchbrochen, es entstanden die sogen, mes verwandt werden konnte, also grössere Massentrans-
Pillauer und Königsberger Rinnen, deren Tiefen je nach porte fortfielen. — Unter der Zahl derjenigen Entwürfe,
den für diesen Zweck vor- . .■
handenen Mitteln bald in
grösseren, bald in gerin-
geren Maassen erhalten
wurden, bis es sich dann
in den 70 er Jahren desver-
gangenen Jahrhunderts
mehr und mehr heraus-
stellte, dass auf diesem Abbildg. 3. Querschniii
Wege bei den modernen
Bedürfnissen der Schiffahrt ein erspriesslicher Zustand
nicht erreichbar sei.
In dieser Erkenntniss schrieb die Königsberger Kauf-
mannschaft einen internationalen Wettbewerb zur Er-
langung von Entwürfen für die Herstellung einer Wasser-
strasse von 6 m Tiefe bei M.-W. zwischen Königsberg und
Pillau mit dem i. Juli 1880 als Termin aus. Von den
eingelaufenen 12 Entwürfen hatte der eine Theil das be-
stehende Fahrwasser beibehalten und nur eine Vertiefung
desselben bis auf das vorgeschriebene Maass durch Bagge-
rung vorgesehen. Wenn auch dieser Gedanke vielleicht
der naheliegendste war, so wurde derselbe doch mit Recht
verworfen, da namentlich die Erhaltung einer Rinne
von grösserer Tiefe in dem weichen Schlickboden bei un-
gehindertem Zutritt von Sinkstoffe mit sich führenden
Strömungen nahezu unmöglich ist. Die während des
Winters und Frühlings entstehenden Schlickablagerungen
Abbildg. 3. Querschnitt durclQden Schutzdanim
die diesen Gedanken ver-
folgten, wurde derjenige
des jetzigen Geh. Brths.
— Natus mit dem I. Preise
ausgezeichnet, er wurde
■/V. ': : : . . auch im wesentlichen der
: • _ i späteren Ausführung zu-
i.o JO- grundegelegt. Nach die-
durch^den Schutzdanim. sem Plan führte die Linie
des Kanals, rechts an der
Pregelmündung beginnend,''’ am Nordufer des Haffs in
einem Abstand vom 1—2 entlang. Die Rinne des Kanals
war gegen das Haff durch einen Damm aus Pfählen mit
Steinpackung geschützt, im grösseren Theil der Fischhäuser
Bucht lag die Rinne aber ganz ungeschützt. Der Kanal
lief unmittelbar in das Pillauer Tief aus. Seine Linie ist
in der Karte angedeutet. —
Alsbald nach der Entscheidung des Wettbewerbes nahm
sich auf Betreiben der Königsberger Kaufmannschaft die
kgl. Regierung der Angelegenheit an. Unter ihrer Leitung
wurde in Verhandlungen der Interessenten mit Zuziehung
von Sachverständigen der endgütige Entwurf festgelegt, so
wie er in Lageplan, Querprofilen und Einzelheiten in den
Abbildg. 1—3 dargestellt ist. Die Hauptpunkte jener Ver-
handlungen und zugleich die Hauptschwierigkeiten des
Planes waren folgende:
I. Der Anschluss desKanals andenPregelbei
60
dessen Mündung. Es musste hier verhindert werden,
dass das mit Sinkstoffen beladene Pregelwasser in dem
durch einen Damm gegen das Maff abgeschlossenen Kanal
weilerströmte, vielmehr waren Sinkstoffe wie Strömungen
von dem Kanal möglichst fern zu halten. Der Entwurf
von Natus glaubte diesen Zweck dadurch zu erreichen,
dass die ersten 1600® des Kanals ohne Damm blieben.
Dagegen wurde eingewandt, dass die ungeschützte Rinne
gerade in der Nähe der Flussmündung in besonderem
Maasse der Verschlammung ausgesetzt sein würde, des-
gleichen auch die Eisschiebungen des Haffs an dieser
Stelle besonders gefährlich seien. Ausgeführt ist hier eine
rechtsseitige Abzweigung unmittelbar oberhalb der Pregel-
mündung, an welcher der Schutzdamm sofort beginnt.
Das Pregelwasser nimmt im Wesentlichen seinen alten
Weg unmittelbar in das Haff hinein, während der Kanal
von vornherein gegen Strö-
mung, Sinkstoffe und Eis-
schiebungen geschützt ist.
2. Die Durchquerung
der Fischhäuser Bucht.
Hier handelte es sich um die
Frage, ob beiderseitige Schutz-
dämme durchgeführt werden
sollten, so dass die Bucht ganz
vom offenen Haff abgeschnit-
ten worden wäre, oder ob eine
mehr oder weniger grosse Un-
terbrechung der Dämme statt-
finden sollte. Mit Rück?icht auf
die Schilfahrt und die Unter-
haltung des Kanals wäre die
erstere Lösung vorzuziehen
gewesen, doch stand einer der-
artigen Ausführung der Ein-
spruch derFischereiundSchiff-
fahrt treibenden, an der Bucht
gelegenen Ortschaften entge-
gen, welche die freie Einfahrt
in das Haff offen gehalten
wissen wollten, auch eine Ge-
fährdung des Fischbestandes
in der Bucht durch die Ab-
schliessung befürchteten. Auch
die technische Frage der Spül-
wirkung des Haffbeckens auf
das Pillauer Seegatt kam hier
in Erwägung. Aehnliche Wir-
kungen wie bei anderen Fluss-
mündungen 'durch Ebbe und
Fluth', werden beim Pillauer
Landhaus Glade in Dt. -Wilmersdorf
bei Berlin.
Architekt: Erich Peters ln Halensee.
sicht herrscht, dass bei der verhältnissmässigen Kürze der
offenen Sirecke Schiffe leicht einen geeigneten Zeitpunkt
abpassen können, um unbelästigt hindurchzukommen.
3. Die Sohlenbreite des Kanals. Das bedeutende
Maass von 75 welches in dem Entwurf von Natus an-
genommen war, wurde für einen durch Dämme geschützten
Kanal als unnöthig gross erachtet. Ausgeführt ist bei einer
Tiefe von 6,5 “ unter M. W. in geraden Strecken, soweit
dort Schutz durch Dämme vorhanden ist, eine Sohlen-
breite von 30 in Ausweichestellen von 40 in den
Krümmungen findet eine entsprechende Erweiterung statt,
desgleichen in der Fischhäuser Bucht bei ungeschützter
Rinne bis auf 75“. Die Mindestsohlenbreite entspricht
den Ausführungen bei anderen Kanälen, die der Seeschiff-
fahrt dienen. So hat der Amsterdamer Seekanal bei 7“»
Tiefe 27 der Kaiser Wilhelm-Kanal bei 9 ™ Tiefe 22 “
Sohlenbreite. Zu berücksich-
tigen ist bei diesem Vergleich
noch, dass ein Verkehr gleich
grosser Dampfer, wie auf jenen
Kanälen, beim Königsberger
Seekanai nie eintreten dürfte.
Ausser dem bereits Ge-
sagten mögen noch folgende
Bemerkungen zur Erläuterung
des ausgeführten Bauwerkes
dienen. Die Rinne ist in Sand-
boden nach dem Verhältniss
1 : 2,5, in Schlickboden 1:5 ge-
böscht. Zu beiden Seiten
schiiessen sich zunächst Ban-
ketts an, einschliesslich deren
die Breite des Kanals 102,5 m
beträgt. Ueber den Banketts
beträgt die Wassertiefe 2 m bei
M. W , sodass hier noch Platz
für den Verkehr kleinerer
Fahrzeuge ist, während ein
weiterer Zweck dieser Anord-
nung ist, das Auslaufen der
von den Schiffen aufgeworfe-
nen Bugwelle zu erleichtern.
Die Banketts gehen in die na-
türliche Haffsohle über, die
sich auf der Landseite längs
dem Ufer mangels stärkerer
Wellen- Bewegung allmählich
mit Vegetation bedeckt und
mit der Zeit verlanden dürfte.
Auf der Haffseite befindet sich
2t m vom Bankett oder etwa
Tief durch ausgehenden und eingehenden Strom hervorge-
bracht, ein Wechsel, dessen Ursache in den verschiedenen
Windrichtungen und Stärken zu suchen ist. Beim ein-
gehenden Strom bildet das Haff ein Staubecken für be-
trächtliche Wassermengen, die natürlich sich verringern
würden, wenn ein Theil des Haffs durch Abdämmung der
Erfüllung dieser Aufgabe entzogen würde. Bei westlichen
stürmischen Winden, die das Haffwasser nach Osten trei-
ben, kommt aber als Staubecken nur der östlichste Theil
des Haffs in Frage, von dem die Fischhäuser Bucht einen
wesentlichen Theil bildet. Aus diesen Gründen wurden
beiderseitige Dämme nicht ganz durchgeftihrt, vielmehr
sind solche nur kurze Strecken weit vom Peyser und
Kamstigaller Haken aus hergeslellt, während in der Mitte
ein Stück der Rinne von 4 km Länge, ähnlich wie bei dem
preisgekrönten Entwurf, ungeschützt verläuft, v Den Ge-
fahren der Verschlammung hat man durch eine wesent-
liche Verbreiterung dieses Theiles der Rinne zu begegnen
gesucht, während hinsichtlich der Eisschiebungen die An-
72 m von der Kanalmitte aus der Schutzdamm. Er ist
gebildet durch eine Doppelreihe von Pfählen , die je
nach der Wassertiefe 3—5 “ lang sind. Auf einer 6 ®
breiten Sandschüttung sind dann Faschinen kreuzweise
zwischen den Pfählen verlegt und schliesslich ist der Raum
zwischen den Pfahlreihen durch Steinpackung ausgefüllt.
Oben darauf sind besonders grosse Steine zur Deckung
gelegt. Diese Anordnung hat sich erprobter Weise am
besten in derartigen Verhältnissen bewährt. Eine Stein-
schüttung allein ist ebenso, wie ein Damm aus Pfählen
allein, dem Eisgang gegenüber nicht widerstandsfähie genug.
Die Krone dieses Dammes liegt 80 cm über M. W., das
höchste Hochwasser geht über den Damm hinweg, doch
ist hierin kein Nachtheil zu erblicken, da erfahrungsgemäss
Hochwasser und Eisgang nicht Zusammentreffen, also in
der Regel Eis aus dem offenen Haff in den Kanal nicht
gelangen kann. Auf der Haffseite des Dammes, ist der
bei der Baggerung der Kanalrinne gewonnene Boden ab-
gelagert. Es war zunächst beabsichtigt, hier einen Erd-
I. Februar 1902.
6r
damrn von mehi- als Hochwasserhöhe in regelmässiger
Profilirung herzustellen, doch wäre bei dem breiig ausein-
anderfliessenden Material eine solche Ausführung äusserst
kostspielig, wenn nicht unmöglich gewesen. So begnügte
man sich mit einer unregelmässigen Aufschüttung bis zur
Höhe von Mittelwasser etwa und gab dem losen Sand bezw.
den Schlickmassen einen festen Zusammenhalt durch Be-
pflanzen mit Weidenstecklingen, die jetzt auch bereits über-
all Wurzel gefasst haben und den Damm mit dichtem Busch-
werk bedecken.
Eine Schwierigkeit bot noch der Umstand, dass die
am Nordufer des Haffs gelegenen Dörfer mit fischerei-
treibender Bevölkerung nicht vom Haff abgeschnitten wer-
werden durften. Da also an den betreffenden Stellen
Durchfahrts-Oeffnttngen im Schutzdamm gelassen werden
mussten, so entstand weiterhin die Frage, ob diese Oelf-
nungen durch Bootsschleusen geschlossen werden, oder
dauernd offen bleiben sollten. Man entschied sich für
letzteres, obwohl man sich nicht verhehlen kann, dass an
diesen Stellen durch das bei wechselnden Wassersländen
aus- und einströmende Haffwasser Versandungen der Rinne
entstehen werden. Regelmässige Nachbaggerungen wer-
den also diesen Uebelstand bekämpfen müssen. In un-
serem Lageplan sind diese Durchlässe mit den Buchstaben
D bezeichnet, es sind deren imganzen 8 vorhanden.
Der Kanal hört vorläulig in der Nähe des Pillauer
Vorhafens auf und ist durch eine Baggerrinne mit dem
Fahrwasser des Tiefs verbunden. Ob er später in den
Vorhafen hineingeführt werden wird, ist augenblicklich
noch unentschieden. Die Meinungen über die Zweckmässig-
keit dieser Anordnung, die im Ausführungs-Entwurf vor-
gesehen ist, gehen sehr auseinander.
Ueber die Tiefe des Kanals ist noch zu bemerken,
dass sie 0,50 grösser ausgeführt ist, als seinerzeit bei
dem Wettbewerb verlangt war, nämlich mit 6,50 bei
M. W. Dieses Maass erscheint in Anbetracht der immer
zunehmenden Zahl tiefgehender Dampfer auch durchaus
geboten, namentlich wenn man bedenkt, dass dasselbe
sich bei N. W. auf 6“ ermässigt.
Einige Worte seien noch der Bauausführung gewidmet.
Nach jenem Wettbewerb im Juli 1880 vergingen noch nahe-
zu IO Jahre mit Verhandlungen und Ueberlegungen, bis
es zum Beginn des Baues kam. Erst im Frühling 1890
schriit man zur Ausführung. Von drei Punkten aus wur-
den die Arbeiten, und zwar im Eigenbetrieb der Hafenbau-
Inspektion zu Piliau, in Angriff genommen: von den eigens
zu diesemZweck angelegten drei kleinen Bauhäfen bei Kam-
stigall, Zimmerbude und Gr.-Heydekrug (in unserer Karten-
skizze mit dem Buchstaben B bezeichnet). Die Schwierig-
keiten waren grösser, als man angenommen hatte, sodass
sowohl der ursprünglich aufgestellte Kostenanschlag, wie
die vorgesehene Bauzeit wesentlich überschritten wurden.
Der preisgekrönte Entwurf von Natus war mit 5,25 Mill. M.
veranschlagt, welche Summe jedoch bei der Nachprüfung
seitens der Regierung auf 9.3 Mül. M. erhöht wurde. Schliess-
lich sind imganzen 12,3 Mill. M. für den Bau bewilligt und
verbraucht worden, wobei allerdings zu bemerken ist,
dass die jetzt ausgeführte Anordnung mit den Banketts
von Natus nicht vorgesehen war, wie ferner, dass in der
Bausumme auch die Kosten für die gleichmässige Ver-
tiefung der Pregelstrecke von Königsberg bis zur Mündung
und die Anschaffungskosten für die grossen Schwemm-
bagger mit enthalten sind. Unter Berücksichtigung dieser
Ausgaben stellen sich die Kosten für ik-m auf etwa 300 000 M.
Die Bauzeit war auf höchstens 8 Jahre geschätzt, hat aber
imganzen 12 Bausommer inanspruch genommen. Aller-
dings waren die Arbeiten schon ira Herbst 1900 soweit
gefördert, dass Schiffen bis 5,5 Tiefgang die Benutzung
des Kanals Ireigegeben werden konnte. Die Ausführung
erfolgte derart, dass streckenweise zunächst der aus Pfählen
mit Steinpackung bestehende Damm hergestellt wurde.
Darauf wurde der mittels grosser Eimerbagger gewonnene
Schlick- und Sandboden durch Kreiselpumpen mit Rohr-
leitungen hinter den Damm geschwemmt. Den Schluss bil-
dete dleBepflanzung der Anschüttung mit Weidenstecklingen.
Die Zukunft wird nun lehren, ob der Kanal, die Frucht
jahrzehntelanger Bemühungen und erheblicher Geld-Auf-
wendungen, die auf ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen wird.
Es giebt unter den Königsberger Kaufleuten solche, die sehr
skeptisch über diesen Punkt urtheilen. Solchen Zweifeln
gegenüber wollen wir uns die bestimmt zu erwartenden
Vortheile des Kanals im Vergleich zu den bisherigen Verhält-
nissen vergegenwärtigen. Erstens ist in Zukunft den grössten
für Königsberg inbetracht kommenden Dampfern die Mög-
lichkeit gegeben, mit voller Ladung ihr eigentliches Ziel,
Königsberg, zu erreichen und ebenfalls mit voller Ladung
die Rückfahrt von hier aus anzutreten. Zweitens wird die
Fahrt auf der Kanalrinne sicherer und Zufällen weniger
ausgesetzt sein, als ira offenen Haff, da sie einerseits durch
das nahe Land gegen Stürme, andererseits durch den
Damm gegen Strömungen und Eisschiebungen geschützt,
das Fahrwasser auch deutlicher kenntlich ist. Ein bestimmt
zu erwartender Nutzen ist ferner der, dass die Schiflahrt
im Winter mindestens imganzen 4 Wochen länger bis
Königsberg wird offen gehalten werden können wie bis-
her, ein Gewinn, dessen Bedeutung gewiss von allen Seiten
uneingeschränkt anerkannt werden dürfte. Solange das
Eis noch schwach ist, kann bei nicht zu heftigem Frost
durch hin- und herfahrende Einbrecher leicht eine Fahr-
rinne im Kanal offen gehalten werden, desgleichen ira
Frühjahr, wenn das Eis mürbe zu werden beginnt. In
der offenen Haffrinne wurden derartige Bemühungen so-
fort vereitelt, \venn ein stärkerer Wind die Eisfläche des
Haffs in Bewegung setzte.
So bedarf es für den Einsichtigen wohl keines weite-
ren Beweises, dass die Konkurrenzfähigkeit Königsbergs
gegenüber den russischen Ostseehäfen durch den Seekanal
eine wesentliche Förderung erfahren wird, sodass Königs-
berg mit der Hoffnung der Zukunft entgegensehen kann,
allmählich seinen Mitbewerbern das ihm durch die Ungunst
der Verhältniose entrissene Handelsgebiet wieder abzu-
gewinnen. —
Mittheilungen aus Vereinen.
Dresdener Archltekten-Verein. Sitzung vom 2. Juli 190t.
Vors. Hr. 0. Haenel.
Auf eine Zuschrift des Vereins zur' Erhaltung des
alterihümlichen Charakters von Rothenburg o. d. T. be-
schliesst die Versammlung, den bisherigen Jahresbeitrag
wiederum zu bewilligen. — Infolge eines schon in einer
vorhergehenden Versammlung gefassten Beschlusses wird
vom Vorsitzenden die Abfassung einer an den Rath zu
Dresden zu richtenden Eingabe bezügl. der erneuten Aus-
schreibung eines Wettbewerbes für das neue Dresdener
Rathhaus zum Vortrag gebracht und zwar mit dem Er-
suchen, dieses Preisausschreiben unter deutschen Archi-
tekten zu erlassen.'*') Begründet wurde dieses Ersuchen
damit, dass das Programm und die Situation iheilweise
andere geworden seien durch Hinzukauf verschiedener
Parzellen, durch den allgemeinen Wunsch der Herstellung
eines grösseren Platzes vor dem neuen Rathhause und
des • damit im Zusammenhänge stehenden Wegfalles der
früher beabsichtigten Durchführung der Gewandhausstrasse
durch das Rathhaus, und ferner durch die Erwägung, dass
es nach dem Verbilde anderer Grosstädte wie Berlin usw.
gerathen sein dürfte, die Amtsräume der mehr unterge-
ordneten Verwaltungszweige besser in anderen Gebäuden
uhterzubringen. Gleichzeitig wurde in dieser Eingabe auch
der Wunsch um Einführung eines anderen Systems der
Preisertheilung zum Ausdruck gebracht, dahin lautend,
dass eine grössere Anzahl gleicher Preise, sowie für die
*> Armerkung der Redaktion. Vergl. hierzu unsere Notiz in No. 5,
dass der Rath der atadt in diesem Sinne vorzugehen beabsichügt.
62
beste Lösung die Ausführung in Aussicht gestellt werden
möchte. — Zum Ersatzmitgl. für den Besichtigungs-Aus-
schuss anstelle des verstorbenen Kollegen B; Hübner
wird FIr. Arch. Johannes Lehnert gewählt. —
Sitzung vom 8. Okt. igoi. Der Vors., Hr O. Haenel,
berichtet anhand verschiedener Zeichnungen, Photogra-
phien und Situationspläne über den Verlauf der XXX. Ab-
geordneten-Vers. des Verb, in Königsberg i. Pr. Ferner
fordert der Vorsitzende die Versammlung wiederholt zum
regen Bezug auf das prächtig ausgestattete Werk „Das
Bauernhaus im deutschen Reiche" auf. Die Hrn.
Arch. Bruno Krutsch, W. Kreis und Reg.-Bmstr. Peisker
wurden als Mitgl. aufgenommen. —
Gelegentlich der Sitzungen vom 29. Okt. und 26. Nov.
erfolgte die Mittheilung über erfreuliche Neuanmeidungen
zur Aufnahme in den Verein sowie ein ergänzender Be-
richt über zu bearbeitende Verbandsfragen. Nach dem
Vorgänge des Berliner Arebitekten-Vereins will der Dres-
dener Verein gleichfalls in einen Vertrag mit der Magde-
burger Lebens- Vers.-Gesellsch. eintreten; zur Erledigung
der Vorfragen hierzu wird ein Ausschuss aus den Hrn.
O. Haenel, Georg. Adam und Hermann Arnold gewählt.
Der Vorsitzende, Hr. O. Haenel, berichtet sodann
über das am 3. Nov. v. J. an den Verbands-Vorstand abge-
sandte Schreiben betr. die leider noch immer häufig auf-
tretenden Uebelstände bei Wettbewerben und die Wünsche
der Architekten bezüglich deren möglichster Abstellung.
Er erläuterte durch Beispiele die Berechtigung dieser
Wünsche und die Punkte, gegen welche hauptsächlich
verstossen zu werden pflegt. Abgesehen von einer strengen
Einhaltung der Verbands-Grundsätze seien aber noch fol-
No., TO.
gende Wünsche hinsichtlich des Wettbewerbs-Verfahrens
geltend zu machen, i. Die jetzt übliche Gepflogenheit,
meist nur drei Preise zur Venheilung zu bringen und
höchsten Falles noch einige Arbeiten anzukaufen, möchte
besser fallen gelassen werden, dafür entsprechend der
bei grösseren Aufgaben eingehenden grossen Zahl oft
nahezu gleichwerthiger Lösungen eine grössere Anzahl
gleicher Preise, sowie für die beste Lösung die Ausfüh-
rung des Bauvorhabens nach den Plänen und unter der
Oberleitung des preisgekrönten Architekten gestellt wer-
den. Das jetzige Verfahren führe zu Ungerechtigkeiten.
2. Es sollten als Preisrichter nicht immer berühmte Auto-
ritäten hinzugezogen werden, denen es oft an der Zeit
fehle, während es andererseits den nicht so berühmten
Preisrichtern oft nicht leicht fallen dürfte, einer solchen
Autorität gegenüber die eigene Meinung mit aller Ent-
schiedenheit zur Geltung zu bringen. —
Zur Bearbeitung der Verbandsfrage: „Beschaffung
billiger Wohnungen betr." wird ein Ausschuss gewählt aus
den Hrn. Prof. Seitler, Arch. O. Menzel, J, Lehnert,
Br. Krutsch und Joh. Thierfelder. — Von Mitgliedern
wurde angeregt, an die sächs. Regierung, u. Umst. in Ver-
bindung mit anderen Vereinen, eine Eingabe zu richten mit
der Bitte, der immer mehr überhandnehmenden Verun-
staltung landschaftlich schöner Punkte (z. B. in der Sachs.
Schweiz) durch aufdringliche unschöne Reklameschilder,
womöglich auf gesetzlichem Wege, Einhalt zu thun.*)
PIr. Arch. Menzel wünschte diese Machtbefugniss der Be-
hörden auch noch auf die Erhaltung historisch gewordener
Baulichkeiten in der Landschaft, unter anderem hinweisend
auf das bekannte Spitzhaus auf den Lössnitzbergen bei
Dresden u. a. m., ausgedehnt zu sehen, insofern, dass das
Anbringen von den bisherigen Gesammteindruck störenden
Anbauten untersagt werde. Auch für die weitere Behand-
lung dieser Eingabe wurde ein Ausschuss ernannt aus den
Hrn. Prof. Seitler, Treitschke, Lehnert, O. Haenel.
Mit grossem Interesse sprach sich der Verein über
die Baupläne des bayerischen Prinzregenten aus. Es
kam der lebhafte Wunsch zum Ausdruck, dass auch in
Sachsen, besonders in Dresden, auf ein Eingreifen in die
Anordnung staatlicher Monumentalbauten unter Berück-
sichtigung eines einheitlichen Planes und unter Hinzu-
ziehung von Architekten und Vertretern der verschiedenen
betheiligten Stellen von maassgebender Stelle aus hinge-
wirkt werden möchte, damit für die Zukunft die Errichtung
von Staatsgebäuden an allgemein als ungeeignet bezeich-
neten Plätzen — Landgericht in der Pillnitzer Str., neues
Polizeigebäude in der Schiessgasse — vermieden werde.
Am 22. Nov. 1901 unternahm der Verein unter Füh-
rung des Hrn. Arch. Bachraann eine Besichtigung der
neu erbauten Jakobikirche am Wettinerplatzein
Dresden, welche nach einem i. J. 1894 erlassenen Preis-
ausschreiben vom Gewinner des I. Preises, Hrn. Arch.
Jürgen Kröger, in romanischem Stile in 4jähriger Bau-
zeit ausgeführt worden ist. Der schön gruppirte Zentral-
bau mit seinem aus der Kuppel sich entwickelnden etwa
80m hohen Thurm wirkt, namentlich von der SW.-Seite
aus gesehen, sehr malerisch, welche Wirkung noch durch
das grün glasirte Ziegeldach und durch die grossen Rosen-
fenster an den beiden Querschiffen erhöht wird. Das
Innere der Kirche gewährt ein günstiges Gesammtbild
durch den mächtigen Kuppelraum mit seinen Kreuzarmen
und durch die Chornische mit ihrem herrlichen Bilder-
schmuck auf Goldgrund, gemalt von den Dresdener Künst-
lern Phil. Schmidt und Paul Herrmann, ferner durch
die sehr wirkungsvollen farbigen Glasfenster und durch
die aussergewöhnlich gelungene stilgerechte, kräftig, aber
dabei stimmungsvoll wirkende Malerei. Auch für den
Abend ist durch künstliche Beleuchtung sehr schöne
Wirkung erzielt durch flach an der Decke angebrachte
Glühlichtkörper — in der Kuppel in Kreuzform — und
durch an den Kämpfern der Pfeiler und an den Brüstungen
der Emporen angebrachte Beleuchtung, wenn auch die
letztere die ruhige Gesammtwirkung der Farbenharmonie
etwas beeinträchtigt; die sonst ira Kirchenraura üblichen
Kandelaber fallen fort, zum Vortheil des freien Ausblicks
auf Altar und Kanzel. Die Kirche hat 1300 Sitzplätze, eine
grösste Länge des Kirchenraumes von 341« und grösste
Breite von 28 m. Der entfernteste Sitzplatz liegt 20 m von
der Kanzel.
Am 2. Dez. fand unter Führung des Erbauers der
neuen Johannstädter Krankenhausanlage, des Hrn.
Stdtbrth. Bräter, eine Besichtigung dieser in solcher Voll-
kommenheit vielleicht jetzt einzig dastehenden Anlage statt.
Dieser Besichtigung hatten sich die Mitglieder des Sächs.
Ing.- u. Arch.- Vereines angeschlossen. Da, wie wir hören, die
Anmei-k- d. Red. Dem pvenss. Landiaje ist eine entsprechende
Keg. -Vorlage m dieser Session bereits ziigegangen. —
I. Februar 1,902.
Stadt Dresden beabsichtigt, demnächst eine Sonderschrift
mit Illustrations-Beilagen dieser in reichlich 2 Jahren ge-
schaffenen grossartigen Krankenhaus- Anlage im Osten der
Stadt herauszugeben, mögen für heute nur einige kurze
Bemerkungen genügen. Das zur Verfügung stehende Ge-
lände umfasst eine Fläche von 63 415 g®, also rd. 6,34 ha,
von denen jetzt 11084 bebaut worden sind,’ das
übrige ist theils späteren Zubauten Vorbehalten, theils zu
Garten-Anlagen umgestaltet worden. Die Anlage besteht
aus 17 Einzelbauten und ist so angeordnet, dass die
Krankenhäuser in ihrer Längsrichtung von Norden nach
Süden gerichtet sind, so dass die Sonne fast während des
ganzen Tages Zutritt zu den Krankensälen hat. Es sind
vorhanden: ein grosses Verwaltungs-Gebäude, ein Gebäude
für Sonderkranke, vier Kranken-Gebäude, ein chirur-
gisches Doppelhaus mit Operations-Gebäude, zwei Häuser
für ansteckende Kranke, ein Haus für unruhige Kranke,
Anatomie und Leichenhaus, ein Gebäude für Darapf-
kocherei, Bäder und Heilgymnastik, das Desinfektions-
Gebäude, das Stallgebäude und die Kapelle. Durch einen
unterirdischen 1000® langen, 2® breiten und 2,4® hohen
Gang sind sämratliche Gebäude unter einander verbunden,
ebenso sind darin die Dampf-Kondens-Warmwasser und
Gasleitung, ein Theil der elektrischen Licht- und Kraft-
zuleitungen, sowie die Telephon- und Klingelieitungen
untergebracht. Es sind gegenwärtig 581 Betten aufgestellt,
wobei für jeden Kranken ein Lutiraum von 30 cbm vor-
handen ist. Nach vollem Ausbau der ganzen Anlage
durch später noch zu errichtende Krankengebäude wer-
den sich die Kosten für ein Bett auf 7848 M. stellen. Wer-
den indess die Grunderwerbs- und Strassenbaukosten nicht
in Anschlag gebracht, so stellen sich jetzt die Kosten für
ein Bett auf 7143 M. und nach vollem Ausbau auf 5928 M.
Die ausgedehnten, mit Pavillons, Lauben, schönen
Rasenplätzen versehenen Gartenanlagen, vor allem aber
die theilweise in Putzbau mit Sandsteinsimsen, Giebeln,
Fenstergewänden, in prächtigen charakteristischen Archi-
tekturformen ausgeführten Gebäude geben dem Beschauer
ein grossartiges Gesammtbild der mustergiltig zu nennen-
den Anlage, die ihrem Erbauer, Hrn. Stadtbrth. Bräter,
der unter Mitwirkung des Hrn. Stadtbauinsp. Louis die
Aufgabe in so glücklicher und rühmenswerther Weise zu
lösen verstanden hat, ein ehrenvolles Zeugniss ausstellt, --
O. H.
Vermischtes.
Zum siebenzlgsten Geburtstag von Wilhelm Böckmann
sind dem Jubilar reiche Ehrungen zutheil geworden. Er
wurde für seine hervorragenden Verdienste um die Bau-
kunst im Allgemeinen zum „Geheimen Baurath“ und für
seine Verdienste um den Architekten-Verein zu Berlin im
Besonderen von diesem zum „Ehrenmitgliede“ ernannt.
Am Abend seines Jubeltages versammelten sich eine
grosse Zahl seiner Verwandten, Freunde und Verehrer im
grossen Festsaale des Zoologischen Gartens in Berlin, um
Böckmann in glänzender Weise eine herzliche Kundgebung
allseiüger Veiehrung zu bereiten. Der reich geschmückte
Saal und die festliche Versammlung boten ein prächtiges
malerisches Bild dar. Den Vorsitz führte Hr. Geh. Reg.-
Rath Prof. H. Ende, die Begrüssungsrede an den Jubilar
hielt Hr. Bith. Kyllmann. Ihm und der Versammlung,
welche den Gefeierten mit brausenden Plochrufen be-
grüsste, dankte der letztere in einer längeren Rede, in
welcher er seinen Entwicklungsgang namentlich in seiner
ersten Lebenshälfte, welche der Versammlung nicht so
gegenwärtig sein konnte, wie das reiche Werk seiner
zweiten Lebenshälfte, schilderte und diese Schilderung
einerseits mit Bemerkungen über die erfahrene Lebens-
weisheit des Vaterhauses, andererseits mit vergleichenden
Bemerkungen über die Entwicklung derTechnik schmückte.
Mit Recht konnte der Redner unter der Zustimmung der
Versammlung sagen, er habe nicht umsonst gelebt und
wenn seine Rede in dem Wunsche ausklang, es möge ihm
beschieden sein, das mehr als neunzigjährige Alter seiner
Eltern zu erreichen, so vereinigte er sich in diesem Wunsche
mit dem der Versammlung. Mit ungewöhnlicher Frische
und mit warmer, herzlicher Antheilnahme, durchflochten
mit launigen, von der Versammlung mit grosser Heiterkeit
aufgenomraenen Bemerkungen schilderte darauf Hr. Geh.
Reg.-RathEn de seine Beziehungen zum Jubilar als Jugend-
freund, Reisegenosse und als geschäftlicher Mitarbeiter
in einer Rede, die in ihrer freien Meisterschaft den Höhe-
punkt des schönen Abends bildete. —
Ehrenbezeugungen an Künstler. Die Architekten und
kgl. Bauräthe A. Heyden und H. v. d. Hude in Berlin
wurden zu „Geheimen Bauräthen“ ernannt. Wir dürfen
in diesen Ernennungen ohne Zweifel einen erneuten Beweis
staatlicher Anerkennung derPrivat-Architektur erblicken. ~
Zur Ueberwachung elektrischer Anlagen, zur Prüfung
von Entwürfen und Kostenanschlägen dazu erschien es
manchem Interessenten wünschenswerth, eine neutrale
Stelle anrufen zu können. Unter der Bezeichnung „Prü-
fungs- und Ueberwachungs - Anstalt für elektrische An-
lagen, Berlin, N.W. 52, hat Hr. Privatdozent Dr. Franz
Peters eine solche eingerichtet. —
Todtenschau.
Stadtbaurath Peter Bernatz -I-. Am 9. Jan. verschied
zu Würzburg nach langem schweren Leiden der dortige
Stadtbaurarh für das Hochbauwesen, Peter Bernatz, ein
für das Bauwesen dieser Stadt hochverdienter Techniker.
3862 als Sohn des 1898 verstorb. kgl. Ob.-Brths. an der
obersten Baubehörde zu München Karl Ritter von Bernatz
geboren, war der Verstorbene von 1891 — 1901 Stadtbaurath
für das Hochbauwesen in Würzburg.
Bernatz hat an der Erweiterung der alten Sandgasse
und der Eichhorngasse durch geeignete Vorschläge 1894
bis 1900 bedeutenden Antheil genommen und sich seiner-
zeit um die architektonische Ausgestaltung der beider-
seitigen Rampen der Ludwigsbrücke verdient gemacht;
insbesondere stammen die Entwürfe zu den zwei Gruppen-
bauten am Sanderring längs der Auffahrt zur Ludwigs-
brücke und für das am jenseitigen Ufer gelegene „Main-
länder Pleim“ von seiner Hand.
An städtischen Neubauten hat er zur Ausführung ge-
bracht: 1893/94 das I. Grombühler Schulhaus mit 34 Lehr
Sälen, Turnhalle und Bad; 1894—98 die 5 Zollhäuschen an
der Mergemheimer-, Rottendorfer-, Faulenberg-, Frank-
furter- und Höchbergerstrasse, reizende kleine landhaus-
artige Gebäude in grundsätzlich verschiedener Grundriss-
und Fassadenausbildung; 1894/95 die Wiederherstellung
des sogen, alten Schwurgerichtssaales (jetziger Sitzungs-
saal der städtischen Kollegien) mit einer alten sehens-
werthen Stuckdecke; 1895/96 das neue Leichenhaus; 1897
bis 1899 das Zentral-Schulhaus mit 31 Lehrsälen, Turnhalle
und Bad, dessen Renaissancefassaden auf seinen Vorschlag
ganz in weissera Sandstein ausgeführt wurden; 3898/1900
den Rathhausneubau, der ihm Gelegenheit gab, seine
künstlerischen Fähigkeiten an einem monumentalen Werke
im Stile deutscher Renaissance zu entfalten und sich ein
dauerndes Andenken als Künstler zu sichern. Nachdem das
den Kürschnerhof in malerischer Weise abschliessende alte
Landgerichts-Gebäude dem Verkehr zum Opfer gefallen war
und die damit entstandene Freilegung der Dorokirche und
des Neumünsters unter den Sachverständigen und in der
Oeffentlichkeit sehr verschiedene Beurtheilung fand, hat
Bernatz mit vieler Liebe eine Reihe von Entwürfen für
die theilweise Wiederbebauung des Neumünsterplatzes aus-
gearbeitet. Auch der Entwurf zur Fassade des Egstein'*
sehen Hauses, Ecke Domstrasse und Kürschnerhof, ist von
seiner Hand. Ferner wirkte Bernatz in hervorragender
Weise mit an der Errichtung der Monumentalbrunnen am
Residenz- und am Bahnhofplatze. In Anerkennung seiner
Tfiätigkeit an letzterem Bau, dem sogenannten Kilians-
brunnen, der ein Geschenk Sr. kgl. Hoheit des Prinzregenten
von Ba3^ern an die Stadt war, erhielt er den Michaels-
Orden IV. Klasse. Die Wiederherstellung des Kaiser
Wenzel-Saales — ein historisches Denkmal ersten Ranges —
hat er angeregt und durch eingehendes Studium der Bau-
geschichte vorbereitet. Ferner hat Bernatz ]894— 1896 auch
eine reiche Thäiigkeit für die Erweiterung der Stadt Würz-
burg entfaltet.
Im geselligen Leben war der Verstorbene ein ge-
wandter und liebenswürdiger Mensch, der durch seinen
Humor und sein Wesen alle, die mit ihm verkehrten, für
sich einzunehmen wusste. Er war sozusagen auch hierin
ein Künstler mit hervorragender Begabung. —
Preisbewerbungen.
Eine internationale „Ehrenpreisfrage“ der Gesellschaft
zur Beförderung der Baukunst in Amsterdam anlässlich ihres
60jährigen Bestehens betrifft den Entwurf eines könig-
lichen Palastes in Amsterdam für den vorübergehenden
Aufenthalt des holländischen Königspaares. Das Gebäude
soll auf einem freien Platze hinter dem Reichsmuseum,
gegenüber dem städtischen Museum, errichtet werden;
ein ausführliches Raumprogramm erläutert die baulichen
Bedürfnisse. Da es sich, da keine Bausumme genannt
ist, wohl nur um einen Ideen Wettbewerb handelt, was
auch schon die knappen Preise zum Ausdruck bringen, so
erscheinen uns die zeichnerischen Anforderungen grösser,
als diese gemeinhin in Deutschland üblich zu sein pflegen.
Der 1. Preis besteht in der silbervergoldeten Medaille der
Gesellschaft und 500 fl. = 830 M., der II. Preis in der silber-
nen Medaille und 250 fl. = 415 M., der III. Preis in der
bronzenen Medaille und 100 fl. = 165 M. Terrain ist der
64
30. Juli 1902. Im Preisgericht befinden sich lediglich hollän-
dische Herren, was gleichfalls dem bei uns herrschenden
Brauche widerspricht. Es sind die Hrn. Prof. E. Gugel- Delft,
Arch. C. Muysken in Baarn, Arch. Prof. J. F. Klink-
hamer in Delft, Arch. H. Evers in Rotterdam, Arch.
H. P. Berlage, Arch. A. Salm in Amsterdam, Arch.
Joh. Mutters jr. im Haag, Arch. J. Verbeul in Rotter-
dam und Arch. C. T. J. Louis Rieber in Amsterdam.
An letzteren als Sekretär der „Gesellschaft zur Beförde-
rung_ der Baukunst" (Marnix-Straat 402) sind alle Sendungen
zu richten. —
Wettbewerb Bismarck-Denkmal in Hamburg. Als Ver-
fasser der Entwürfe „Parsifal", „Largo" und „Eine Vision“
nennt sich uns Hr. Arch. Theobald Schöll in Leipzig;
Verfasser des Entwurfes „Dem Reichsschmied" ist Hr. Arch.
Bernhard Schaede in Berlin, der des Entwurfes „Roland“
auf S. 49 Hr. Reg.-Bfhr. 0. Eggeling in Braunschweig. —
Wettbewerb Stadttheater Freiburg. Als Verfasser des
zum Ankauf empfohlenen Entwurfes „Meinem Liebling
gewidmet“ nennt sich uns Hr. Arch. Christ. Musel in
Stuttgart. —
Personal-Nachrichten.
Preussen. Dem Reg.- u. Brth. Nuyken in Breslau ist die
etatm. Stelle eines Reg.- u. Brths. als ständ. inelior.-techn. Hilfsarb.
im Minist, für Landwirthschaft, Domänen u. Forsten übertragen.
Drni Kr. - Bauiiisp. Brtb. Freys e in Köln a. Rh. ist beim
Uebertritt in den Ruhestand der Char, als Geh. Brth., den Mel.-
Bauinsp. Müller in Insterburg, Knauer in Königsberg und
Krüger in Lüneburg, den Garn.-Bauinsp. Afinger in Spandau,
M e b e r t in Strassburg i. E., Feuerstein u. Weisenberg in
Berlin, Herzfeld in Metz und Rohlfing in Köln a. Rh. und
dem Bauinsp. Latowsky in Saarbrücken ist der Char. als Brth.
mit dem persönl. Range der Räthe IV. Kl. verliehen.
Versetzt sind: die Reg.- u. Brthe. Stolze von Gumbinnen
nach Merseburg u. Moritz von Bromberg nach Erfurt, — der
Landbauinsp. Brih. Rattey in Berlin als Bauinsp, an die 5. Poliz.-
Bauinsp., der Bauinsp. Brth, Natorp von Charlottenbui'g als
Landbauinsp- nach Berlin in die Bauabth. des Minist, der öffentl.
Arb., der Bauinsp. Brth. Lütcke von der Bauinsp. 5 an die Bau-
insp. 3 Charlottenburg, — die Kr.-Bauinsp Brth. Stock von
Rüdesheim nach Köln, Leutfeld von Ostrowo nach Rüdesheira,
Clären von Mogilno nach Flarburg, Michael von Nakel nach
Gelnhausen, Brth. Zeuncr von Harbutg als Landbauinsp. nach
Franklurt a. O. und Brth. Ehrhardt von Allenstein als Land-
bauinsp. nachDanzig, — der grossherz. hess. Eiseiib -Dir. Schoberth
in Giessen als Mitgl. an die kgl. preuss. u. grossherz. hess. Eisenb.-
Dir. in Mainz, — die Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Oehlmann in
Goldap in den Bez. der kgl. Eisenb. Dir. Erfurt, Marx in Fried-
land und Streckfuss in Stallupönen zur kgl. Eisenb. -Dir in
Königsberg i. Pr., Reiser in Friedland zur Betr.-Insp. r in Königs-
berg 1 Pr. und R u p p e 1 1 in Simm< rn zur kgl. Eisenb. -Dir. io Breslau.
Angestellt sind; Die Reg.-Bmstr. Sproembergin Allenstein,
F r e y t a g in Bert nt, Schwarze in Wittstock, G e r s d 0 r f { in
Sensburg, Lange in Beeskow, S a e g e r t in Schweiz i. Westpr.
und Czygan in Naugard als Kreis-Bauinsp., sowie Zeidler als
Landbauinsp. in Posen.
Die Reg.-Bfhr. Karl Loewe aus Laurahütte u. Friedr. Heese
aus Berlin (Hochbfcli.l, — Gg. Hans mann aus Vorsfelde, Willy
D o eh n aus Glutzow, Ferd. Müller aus Berlin (Wasser- u. Strassen-
bfeh), •— Herrn. Steckhan aus Gr. Ilsede, Emil Meier aus Mal-
vcrocle, Karl Stanislaus aus Aachen, Kurt T hi e 1 e ai's Neisse,
Otto Bühren aus Brechtefeld (Eisenbfeh.), — Kurt Engmann aus
Schweidnitz, Max F ü c h s e 1 aus Dorndorf, Felix Titz aus Münster-
berg, Thadcl. V. Czarnowski aus Lebno, Math. T e s c h aus
Euskirchen, Karl Ri nt eien aus Meschede, Ludw. Seidel aus
Münster i, W. (Masch.-Bfeh.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Brth. 2, D. Fis ch er in Ilildcsheim ist in d. Ruhestand getreten.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. P. P. in S. Es ist zweifellos ein nicht dem deutschen
Konkurrenzwesen entsprechender Vorgang, wenn von Wettbewerbs-
Entwürfen die zugehörigen Rähmchen entfernt und dadurch die
Entwürfe in ihrem äusseren Ansehen entstellt weiden. Wir wür-
den Ihnen empfehlen, eine nachdrückliche Vorstellung an die aus-
schreibende Stelle zu richten und auch das Preisgericht von dem
Voj-fa!l in Kenntniss zu setzen. Das müsste aber wohl ohne Namens-
nennung geschehen. —
Hrn. G. St. in B. Wir bitten Sie, Ihre Anfrage an die
„Deutsche Thonindustric-Zeitung'', Berlin NW. 5, Kruppstr. 6, oder
an die „Deutsche Töpfer- und Ziegler-Zeitung“, Berlin N., Kessel-
strasse 7, richten zu wollen. Wo ist übrigens der Nachweis des
Bezuges unserer Zeitung ? —
Inhalt: Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein Ris-
marck-Denkmal in Hamburg tSchliiss . — La'idhaiis Glade in Dt.-Wilmers-
doif bei Berlin. — Der König-beiger Seekaual — Mittheilungen aus Ver-
einen. — Vermischtes — Todtenschau. — Preisbeworbungen. — Personal-
Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage; Landhaus Glade in Dt.- Wilmers-
dorf bei Berlin.
Verlag der Deutschen Bauzeitung-, G. m. b. H.. Berlin. Für die Redaktion
verau-rt’orü. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
Nu, IO.
ANDHAUS GLADE IN DEUTSCH-
WILMERSDORF BEI BERLIN *
ARCHITEKT: ERICH PETERS IN
HALENSEE BEI BERLIN ^
= DEUTSCHE BAUZEITUNG =
* XXXVI. JAHRG. 1902 - NP: 10 *
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. ii. Berlin, den 5. Februar 1902.
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine.
Wir bringen hiermit zur Kenntniss der Verbands-Mitglieder, dass für die diesjährige in Augsburg
tagende Abgeordneten- und Wander-Versanimlung des Verbandes folgendes vorläufige Programm in Aus-
sicht genommen ist.
1. Abgeordneten-Versammlung;
Freitag, den 29. August, Abends: Begrüssung der Abgeordneten. — Sonnabend, den 30. August:
Berathungen. — ■ Sonntag, den 31. August: Schluss der Berathungen. Feststellung des Protokolls.
Nachmittags: Gemeinsamer Ausflug.
2. Wander-Versammlung:
Sonntag, den 31. August, Abends: zwanglose Begrüssung. — Montag, den i. September: Versammlung.
Berathungen und Vorträge. Nachmittags: Besichtigungen. — Dienstag, den 2. September; desgl. —
Mittwoch, den 3. September; Ausflug nach Füssen und Hohenschwangau.
Dresden-Berlin, den 31. Januar 1902.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Der Vorsitzende: Waldow. Der Geschäftsführer: Eiselen.
Zur Frage der Fortsetzung der Wiederherstellungs-Arbeiten am Heidelberger Schloss.
mn dem Kampfe um die Erhaltung des Heidelberger und Vorarbeiten nöthig, die einzuleiten das Ministerium
Schlosses hatten wir in Aussicht genommen, auf sich angelegen sein lassen und je nach deren Ergebniss
eine Kundgebung einer Gruppe hervorragender es seiner Zeit mit bestimmten Vorschlägen an die Volks-
Berliner Architekten, die wir S. 16 zum Abdruck brachten, Vertretung herantreten wird.“
näher einzugehen. Wir glaubten jedoch, dazu erst nach Wir haben nun, unbeschadet unserer persönlichen
Vollendung des Aufsatzes des Hrn. Arch. Fritz Seitz in Auffassung in der Frage, der journalistischen Pflicht zu
Heidelberg schreiten zu können, da dieser Aufsatz für die genügen, die Auffassung der verschiedenen bei den Er-
sachliche Beurtheilung der Frage unseres Erachtens so örterungen interessirten Faktoren zum Ausdruck kommen
schlagende Gründe enthält, dass sie bei den Erörterungen zu lassen. Den bisher in diesem Sinne erfolgten Ver-
nicht unberücksichtigt bleiben konnten. Inzwischen jedoch öffentlichungen lassen wir nachstehend mit geringen Kür-
ist unsere Absicht durch die Ereignisse überholt und bis zungen die Ausführungen folgen, welche der grossherz,
zu einem gewissen Grade vorläufig wenigstens gegenstands- badische Finanz -Minister am 4. Jan. 1902 an die zweite
los gemacht worden, indem, wie wir bereits S. 40 berich- Kammer der badischen Landstände richtete, und schliessen
teten, die grossherz, badische Regierung sich entschlossen an diese einen Aufsatz des Hrn. Prof. Dr A. Haupt in
hat, eine Vorlage über die zum Schutze des Heidelberger Hannover an, der sich, mit der Frage der Giebellösung
Schlosses und ira Interesse seiner dauernden Erhaltung beschäftigt. Hr. Haupt hat die Absicht, die hier aus
zu treffendenMaassnahmen dem gegenwärtig versammelten Raummangel nicht mögliche Begründung seiner An-
Landtage nicht mehr zu machen. Die Regierung erachtete nahmen in einer selbständigen Schrift zu geben, die
die Frage noch nicht als spruchreif, „nach dem Gang der demnächst bei Heinr. Keller in Frankfurt a. M. erschei-
letzten Konferenz erweisen sich vielmehr weitere Studien nen wird.
65
Mit der Wiedergabe dieser Ausführungen schliessen
wir die Erörterungen über die Fortführung der Wieder-
herstellungs-Arbeiten am Heidelberger Schloss, welche
die übrigen Tagesfragen schon über Gebühr zu-
rückgedrängt haben, bis auf Weiteres ab. —
Die Redaktion der „Deutschen Bauzeitung"
I.
Aus dem Bericht des grossherz, badischen Finanz-
rainisters an die zweiteKaramer der Landstände.
„Die Beschlüsse der Heidelberger Schlossbaukonferenz
vom Jahre 189 t hatten u. a. eine Abformung der Statuen
des Friedrichs- und des Otto Heinrichs-Baues in Gips und
nach beendeter Abformung die Wiederverbringung
der Originalstatuen an ihre alten Standorte in Aussicht
genommen. Die Abformung in Gips wäre indessen nach
den erhobenen kunstverständigen Gutachten für den Be-
stand der im Zustand starker Verwitterung begriffenen
Statuen bedenklich und sie gefährdend gewesen und
ebenso konnte aus demselben Grund eine Wiederauf-
stellung der alten Statuen nicht infrage kommen, es wurde
vielmehr „im Interesse ihrer Erhaltung" die Aufstellung
der in Stein anzufertigenden Kopien dringend empfohlen
(Beschlüsse einer unter Leitung des Ob.-Baudir. Darm am
26. und 27. Okt. 1894 in Karlsruhe und Heidelberg tagen-
den, aus Architekten und Bildhauern zusammengesetzten
Sachverständigen-Kommission). Zugleich ergab sich auf
dieser Konferenz Meinungs-Uebereinstimraung dahin, dass
vor der Verbringung der Kopien an ihren Standort min-
destens die die Figurennischen umgebenden stark be-
schädigten Ar chitekturtheile nochwendigerweise wie-
derhergestellt werden müssten.
Diese in diinglicher Weise betonte Nothwendigkeit
einer im übrigen mit thunlicher Schonung des Bestehen-
den vorzunehmenden Restaurirung einzelner Theile der
Fassade des Friedrichs-Baues aus Anlass der Aufstellung
der von dem bildnerischen Schmuck genommenen Kopien
gab der Baudirektion Veranlassung, in Uebereinstimmung
mit dem Ergebniss der vorerwähnten 1894er Konterenz,
Antrag auf planmässige Restaurirung des Fried-
richs-Baues überhaupt zu stellen. „Der Friedrichs-
Bau“, heisst es in einem Bericht der Baudirektion vom
6. Nov. 1894, pkann unabhängig von den anderen Bauten
in seiner Restaurirung behandelt werden, wie er auch un-
abhängig und frei von den anderen Bauten des Schlosses
entstanden ist und erbaut wurde“. Insbesondere wurde
in diesem Bericht der Baudirektion beantragt, dem Bau
sein ursprüngliches hohes Dach wieder zu geben. „Die
Zwerchhäuser mit ihrem jetzigen traurigen Anschluss an
das zu niedrige Satteldach (das im 18. Jahrhundert als
Nothdach nach einer eingetretenen Brandkatastrophe auf-
gebracht wurde), welches Nothdach in die unteren Fenster
einschneidet und die Zumauerung der oberen erfordert,
verlangen die Aenderung beinahe gebieterisch“. Mit
diesen Anträgen auf umfassendere und in einem Zug her-
zustellende Restaurirtingsarbeiien am Friedrichsbau halte
augenscheinlich die Baudirektion und deren Vorstand die
Unterlage der Heidelberger Konferenzbeschlüsse des Jahres
1891, wenigstens was den Friedrichs-Bau anlangt, ihrer-
seits preisgegeben. Denn mit dem Be-^chluss jener Kon
ferenz unter Ziffer 2; „die (am Heidelberger Schloss) vor
zunehmenden Arbeiten müssen bis in die kleinsten
Toeüe auf Erhaltung des Bestehenden gerichtet sein.
Erneuerungen (auch von Ornamenten und figürlichen Dar-
stellungen) sollen erst vorgenommen werden, wenn das
Bestehende vollständig oder schon soweit zerstört
ist, dass eine Ausbesserung ausgeschlossen erscheint" —
war weder die sofortige Inangriffnahme des Ersatzes aller
Statuen durch Kopien , noch die in Antrag gebrachte
durchgängige Restaurirung der beiden Fassaden, am
wenigsten clie Ersetzung des vorhandenen und keines-
wegs baufälligen Daches durch ein neues in Einklang zu
bringen. Da aber die Vorschläge durch die Baudirektion
nach Nothwendigkeit und Zweckmäs>igkeit zweifellos be-
gründet und wohldurchdachte waren und zudem auf
die Gutachten der vernommenen Spezial-Sachverständi-
gen sich stützten, so lag für das Finanzministerium alle
Veranlassung vor, diesen Anträgen stattzugeben. Eine
Anforderung für die Restaurirungs - Arbeiten am Fried-
richsbau, die, wie bekannt, auch auf den Innenbau
sich erstreckten, um der Stadt Heidelberg für ihre
Sammlungen erweiterte Räumlichkeiten zur Verfügung
stellen zu können, erfolgte erstmals im Budget für 1894/95.
Mit der Ausführung der Restaurirungsarbeiten wurde
Ob. -Brth. Prof. Schäfer betraut. Die Restaurirungspläne
selbst wurden in einer unter dem Vorsitz des Unter-
zeichneten abgehaltenen Ministerialsitzung in Anwesenheit
des Planfertigers und des Oberbaudirektors Durm, nach-
dem letzterem zuvor Einsicht der Vorarbeiten und Ge-
legenheit zur gutachtlichen Aeiisserung über dieselben
gegeben war, durchberathen und mit einigen Modifi-
kationen gutgeheissen, insbesondere auch beschlossen,
dass „der Aufbau von Kaminen mit Köpfen in der
alten Form mit Rücksicht auf den frühem Bestand des
Baus nicht entbehrt werden kann“ und dass das Gleiche
von den (ehemals vorhanden gewesenen) Dachgauben
zu gehen hat, die aber „in möglichst schlichter Form und
geringer Anzahl zu erstellen sein werden.“
Die Restaurirung des Friedrichsbaues ist inzwischen
der Vollendung nahe gerückt. Dem seiner Zeit in Ueber-
einsiimmung mit desfallsigen Aeusserungen der Baudirek-
tion von dem Ministerium gegebenen Auftrag, „dass bei
Auswechselung und Ergänzung der Fassadensteine thun-
lichste Zurückhaltung und Belassung aller im Bestand
nicht angegriffenen Steine zu beobachten sei", hat, wie
ich glaube annehmen zu können, der Restaurationsleiter
im Lauf der Ausführung zu entsprechen sich bemüht.
Wenn sehr viel mehr Fassadensteine ausgewechselt wer-
den mussten, als ursprünglich angenommen war und den
eigenen Wünschen des Restaurationsleiters entsprach, so
ist dies die unvermeidliche Folge des Umstandes gewesen,
dass namentlich in den oberen Theilen des Baues die
Fassade in einem viel weitergehenden Prozess der
Verwitterung und Zerstörung sich befunden hat, als
man selbst aufgrund der Arbeiten des Schlossbaubureaus
anzunehmen veranlasst war. Dieses Ergebniss ist be-
merkenswerth und wichtig auch für die Beurtheilung des
Zustandes der Fassaden an anderen Schlosstheilen.
Wie die Mitglieder der Schlossbaukonferenz des Jahres
1891 in einem Irithum über die Beschaffenheit des figu-
ralen Schmuckes und über den weitgehenden Zustand
der Verwitterung einzelner Fassadentheile sich be-
fanden, der sie zu Beschlüssen veranlasste, die sich hinter-
her als nicht durchführbar erwiesen und deren Un-
durchführbarkeil der Ob.-Baudir. Durm, der doch bei
jenen Beschlüssen in führender Weise milwirkte, selber
alsbald erkannte, so kann die Vermuthung nicht ohne
Weiteres abgewiesen werden, dass eine ähnliche irrthüm-
liche, nämlich allzu günstige Beurtheilung des baulichen
Zustandes anderer wichtiger Schlosstheile auch auf die
sonstigen Beschlüsse jener Konferenz maassgebend ein-
gewirkt hat.
Aus diesen am Friedrichsbau im Laufe der Jahre
1893 und 1894 geschöpften Erfahrungen ist der Präsidial-
Erlass vom 22. Oktbr. 1894 zu erklären. Er eriheilte an
Ober-Baudirektor Durm als Vorstand der Baudirektion
den Auftrag zur Erörterung der Frage, welche der Er-
haltung der einzelnen Schlosstheile dienenden Arbeiten
und in welcher Reihenlolge sie zur Ausführung gelangen
sollen, nachdem die der Entwässerung des Schlossgebiets
dienenden Arbeiten zu Ende geführt waren. Der Prä-
sidial-Erlass betont dabei ausdrücklich, dass die Frage,
ob für einzelne besonders wichtige Bauiheile des
Schlosses neben der Vornahme von Unterhaltungs- und
Sicherungs - Arbeiten etwa auch deren Wiederher-
stellung und in welchem Umfange inbetracht kommen
könne, für eine Entscheidung noch nicht reif sei,
dass aber im Zusammenhang mit dem Studium der Frage
über die Art der vorzukehrenden Erhaltungs- und Siche-
rungs-Arbeiten auch an das Studium der Rekonstrukiions-
frage zweckmässig herangetreten werde. Demgemäss
richtete der Präsidial-Erlass an Ober-Baudirektor Durm
das Ersuchen, gutachtlich sich darüber zu äussern, welche
Arbeiten im Sinne der Heidelberger Konferenz-Beschlüsse
(von 189t) im Einzelnen behufs Erhaltung und Siche-
rung der verschiedenen Bauobjekte sich als unbedingt
nöthig erweisen“, dabei aber in dieses Bauprogramm
„auch die etwa für eine Wiederherstellung in Frage
kommenden Schlossihede“ einzubeziehen, da „über das
Schicksal dieser etwa vorzunehmendenWiederherstellungs-
Arbeiten die Kenntniss desjenigen Aufwandes, den die auf
die einzelnen Schlosstheile zu verwendenden Erhaltungs-
Arbeiten — gegenüber den Kosten einer Rekonstruk-
tion — erfordern werden, nicht zu entbehren“ sei.
Es verdient hervorgehoben zu werden, dass mit die-
sem Auftrag des Ministerialchefs an den Grossh. Ober-
Baudir. Durm die Erstattung eines Gutachtens über die
der Erhaltung und Sicherung dienenden Arbeiten im
Sinne der Heidelberger Konferenz -Beschlüsse von 1891
in den Vordergrund gerückt wurde, wenn schon an-
gesichts der Zweifel, die betreffs der technischen Durch-
führbarkeit jener Beschlüsse im Ministerium wach ge-
worden waren, auch das Studium von Rekonstruktions-
Versuchen, weil nothwendig zur Beurtheilung der Ge-
sammtfrage, anempfohlen wird; aber von ihnen wird in
dem Pj äsidial-Erlass ohne weiteres vorausgesetzt, dass
„diese besonderen nebenhergehenden Studien“ Jahre
No. II.
66
beanspruchen werden und dass- das Studium die Rekon-
struktionsfragen die Sistirung der für die Erhaltung des
Schlosses unurngänglich nöthigen Sicherungs- Ar-
beiten nicht zur Folge haben sollen.
Im Gegensatz zu den Absichten in dem erwähnten
Präsidialerlass, der die Art der vorzunehmenden Er-
haltungs-Arbeiten am Schloss in erster Reihe begut-
achtet wissen wollte, wird in dem von Ob.-Baudir. Durm
erstatteten Gutachten vom 25. Dez. 1894 nach einigen allge-
meinen Vorbemerkungen über die Möglichkeit der Er-
haltung des Schlosses in seinem jetzigen Zustande sofort
in eine eingehende Erörterung der Wiederhers tel 1 u ngs-
f r age eingetreten und betont, dass die Art des allmählichen
Entstehens der einzelnen Schlossbauten und ihre ver-
schiedenen Stiiweisen die Aufgaben der Restauration
ganz wesentlich erleichtern“ . . . „Man hat“, heisst es,
„bei den wenigsten Schlossiheilen für eine Restauration
Problematisches in Kauf zu nehmen, da manche noch
beinahe so stehen, wie sie von Anfang ab gestanden haben
und (deshalb) keine zu lösenden Räthsel aufgeben.“ Ein
unzweideutiger Hinweis darauf, dass einer Kestaurirung
aus künstlerischen oder ästhetischen Rücksichten zu wider-
rathen sei oder dass der Begutachter nach wie vor auf
dem Boden der jede Wiederherstellung grundsätzlich
ablehnenden Heidelberger Konferenz stehe, ist in dem
Gutachten nicht zu finden. Wohl aber wird ein ausge-
dehntes Restaurations-Programm für nahezu alle
wichtigeren Schltsstheiie entworien und dabei der Fried-
richsbau, dessen Restauriruiig die Baudirektion bereits
beantragt hatte, der gläserne Saalbau, der Glockeii-
thurm und der Otro Heinrichs-Bau als die erste
in’s Auge zu fassende Ba'igruppe behandelt. Ruprechts-
und Bibliotheksbau könnien in ihrem Bestände noch
belassen werden, der englische Bau wird in die letzte
Lime der in Behandlung zu nehmenden Sehlosstheile ge-
stellt, und „als wichtiger für die Gestaltung des Schioss-
hofes“ die „Wiederherstellung des Soldatenbaues mit
dem anschliessenden Back- und Metzelhaus sowie
der Fassade des Ludwigsbaues“ erachtet, au>h „im In-
teresse des Gesammtbildes des Hofes" der Aufbau des
Frauenzimmerhauses (Bandhaus) als erwünscht be-
zeichnet.
Was den Otto Heinrichs-Bau anlangt, so tritt der
Verfasser für eine Rekonstruktion in Anlehnung an die
Stiche von Ulrich Kraus d. h. mit Auibringung eines
Walmdaches und davor befindlicher Zwerchhäuser ein,
während eine Restaurirung unter Zugrundelegung der
Merian’schen Bilder (Anbringung zweier Doppelgiebel)
entschieden bekämpft wird.
Für die Durchführung der sämmtlichen von dem Be- -
gutachter in seinem Bauprogramm aufgenommenen Ar-
beiten wird ein Zeitraum von 20—25 Jahren in Aussicht
genommen.
Die Oberleitung und die Behandlung des künstle-
rischen Theils, besonders was die Ausschmückung des
Innern anlangt, soll nach dem Vorschlag des Begutachters
der Baudirektion unter Mitwirkung bewährter Archi-
tekten verbleiben, eine Mitwiikung der Baudirektioii und
ihres Vorstandes bei diesen Wiederherstellungs-Arbeiten
wird also ausdrücklich in Antrag gebracht und am Schluss
des Gutachtens bemerkt, dass, wenn auch solche Arbeiten
nicht überall auf Zustimmung werden rechnen können,
die „Betheiligten“, d. h. also neben den beschliessenden
Faktoren wohl auch die zur Ausführung bereiten tech-
nischen Organe „die Verantwortung dafür seiner Zeit zu
übernehmen wissen werden“.
Das Finanzministerium erachtete indessen d-e Frage
auch durch dieses Gutachten des Vorstandes der Bau-
direktion noch keineswegs hinreichend geklärt, am aller-
wenigsten für spruchreif; in seinen Zweifeln aber
darüber, ob in den Heidelberger Konferenzbeschlüssen
von 1891 eine in allen Einzelheiten unanfechtbare
Unterlage für die weitere Behandlung der Schlossfrage
gegeben sei, wurde es durch dieses Gutacliten allerdings
bestärkt. Die nochmalige Einberufung einer Sachver-
ständigen-Konferenz im Oktober igoi hatte den Zweck,
weiteres gutachtliches Material zur Beurtheilung der stritti-
gen Frage zu liefern. Aber auch jetzt kann diese als
spruchreif nicht angesehen werden und eine Vorlage
über die zum Schutz des Heidelberger Schlosses und im
Interesse seiner dauernden Erhaltung zu treffenden Mass-
nahmen wird deshalb dem gegenwärtig versammelten
Landtag nicht mehr unterbreitet werden können. Nach
dem Gang der letzten Konferenz erweisen sich vielmehr
weitere Studien und Vorarbeiten nöthig, die einzuleiten
das Ministerium sich angelegen sein lassen und je nach
deren Ergebniss es seiner Zeit mit bestimmten Vorschlägen
an die Volksvertretung herantreten wird". —
TI.
Zur Frage der Giebellösung dee Otto Heinrichs-
Baues.
Ist die alte Gestalt des Otto Heinrichs-Baues nach
Möglichkeit festgestellt und entspricht der für die beab-
sichtigte Herstellung dieses Theiies aufgestelke Bauplan
der alten Gestalt? Die schärfste Prüfung dieser Fragen
ergiebt leider ein Nein als Antwort; die neuen Giebel-
pläne sind freie Nachschöpfungen.
Ehe ich zur Beweisführung für obige Behauptungen
schreite, muss ich betonen, dass ich keineswegs Gegner
der Wiederherstellung bin. Die gegenwärtige traurige
Nüchternheit des Heidelberger Schlosshofes, die noch vor
kurzem mich entsetzte, hat mich gelehrt, dass die alte
Poesie und Romantik unwiderbringlich verloren sind; da-
von ist überhaupt nichts mehr zu erhalten. Den Paladinen
der Romantik ist dringend eigene Anschauung zu em-
pfehlen. Auch Gurlitt’s Schmerzensschrei ist unter diesem
Eindruck wohl verständlich.
Die auf wenigen Dokumenten und der Stilvergleichung
beruhende Baugeschichte des Otto Heinrichs-Baues bleibt
immer noch räthselvoll; eine genaue Prüfung- jener Grund-
lagen, durch zwei Jahrzehnte fortgesetzt, hat mich aber
zu anderen Ergebnissen geführt, als wie sie Seitz seinem
an sich bewundernswerthen Versuche zu Grunde gelegt hat.
Es hat sich völlig bestätigt, dass thatsächlich ein
Italienischer Entwurf zu Grunde liegt, der seinem Charakter
nach der Gegend von Bologna angehört. Dieser Entwurf
fand in einem wagrechten Flauptgesims seinen Abschluss.
Die durch die einheimischen Meister unter Mitwirkung des
Vlameci Colins vorgenommene Umgestahung jenes Ent-
wurfes schloss ebenfalls wagrecht ab, zeigte aber noch
fünf Löwen oberhalb des Hauptgesimses. Die Absichten
des Bauherrn, das architektonische Interesse und die reiche
und monumentale Ausführung fanden hiermit ihr Ende.
Der oberhalb des Hauptgesimses ganz unzweifelhaft einst
vorhanden gewesene Doppelgiebel ist nach dem Tode des
Bauherrn hastig und nicht mehr im Geiste der unteren Theile
errichtet worden, war wohl vorwiegend in Bruchsteinen
ausgeführt unter sparsamer Verwendung von Hausteinen,
und zeigte die Formen der jungen dortigen Renaissance.
Die Beweise hierfür, die ich anderweit ausführlich
geben werde, seien hier im Auszuge angeführt, i) Sie fin-
den sich in dem Kontrakt mit Colins, einigen geschicht-
lichen Thatsachen, sowie in der genauen Sonderung der
Stilunterschiede der einzelnen Bautheile. Aus dem Kon-
trakt vom 7. März 1558 ergiebt sich, dass dem Alexander
Colins 13 Thürgestelle im Inneren des Baues nebst „6 Bil-
dern ob den Gestellen“ übertragen werden, sowie 2 Bilder
„in den Gestellen“. Dies sind, bisher falsch gedeutet, un-
zweifelhaft die inneren Thürumrahmungen nebst ihren
Aufsätzen. In der That sind 6 flandrische Reliefbilder
oberhalb der Gestelle vorhanden. Die übrigen Theile des
Kontraktes sind aufgeklärt und beziehen sich ebenso auf
das Innere des Baues, ausgenommen die 5 Löwen, die
den 5 Feldern der Fassade entsprechend, wie allgemein
angenommen ist, das Hauptaesims krönen sollten, und
das Wappen über dem Eingang.
In einer Nachschrift wird gesagt, dass von „seinem
vorigen Geding noch zu hauen“ sind: 14 Bilder (die 14
Statuen der Fassade) und 14 Fensterpfosten. Da 28 Fenster-
pfosten gleicher vlämischer Hand an der Fassade vor-
handen sind, so folgt, dass Colins auch für diese erheb-
liche Arbeiten gefertigt hat, welche er in einer früheren
Vereinbarung- anderer Art bereits übernommen haben
muss, denn es heisst, dass er diese letztgenannten Ar-
beiten „jetzt in Semem Kosten hauen“ und zu bestimmten
Preisen herstellen solle. Hieraus ergiebt sich mit beinahe
unumstösslicher Sicherheit, dass die Fassaden-Büdhauer-
arbeiten, soweit sie flandrischen Stil zeigen, , überhaupt
Colins zuzuschreiben sind, nämlich folgende: alle Fenster-
pfosten, alle freistehenden Statuen, die meisten Figuren
am Portal, die Arbeiten daselbst vom Bogenkämpfer an
aufwärts, die Konsolen des Erdgeschosses, die Fenster-
aufsätze und die Säulenkapitäle im obersten Stockwerk.
Die übrig bleibenden Theile zerfallen in 2 Gruppen:
erstens die eigentlichen Steinmetz-Arbeiten, wozu auch die
glatt profilirten Theile und Gesimse gehören, nebst einigen
wenigen Bildhauer-Arbeiten, nämlich die Konsolen der
zwei oberen Geschosse und die Kapitale der Fenster-
Pilaster oder -Säulen. Diese Theile, zu denen sich auch
die glatten Profile an den flandrischen Arbeiten gesellen,
sind ausnahmslos mit Steinmetzzeichen bezeichnet, welche
sich ihrer Art nach völlig an die im gläsernen Saalbau
anlehnen, theilweise auch schon dort Vorkommen. Dies
ergiebt auch nach dem Urtheüe der Hrn. Koch und
i| Zur Baugeschichte des Heidelberger Schlosses. Mit 37 lUustrationeü.
Fraakfurt a. M. H. Keller. Erscheint demnächst.
5. Februar 1902.
67
Seitz, dass diese Theile den eintieimischen Meistern zu-
zuschreiben sind.
Es verbleibt zweitens noch, als wieder einer beson-
deren Gruppe angehörig, ein ganz beträchtlicher Theil
von Bildhauer-Arbeiten, deren wenige kleine Steintnetz-
zeichen einen ganz fremden Typus aufweisen, und welche
die ältesten sein müssen, da sie theilweise falsch versetzt
sind (Triglyphen-Fries, jonisches Kapital unter dorischem
Gebälke), theilweise, weil für anderen Platz bestimmt ge-
wesen, angestückt sind (die Giebel über den Erdgeschoss-
fenstern). Da als Vorgänger des Colins ein Anthonj be-
kannt ist, so können wir unbedenklich ihn als den Künstler
dieser älteren Theile, sowie eines gleichartigen Thürge-
stelles und von 4 Thüraufsätzen im Inneren betrachten.
Jene Fassadentheile genügen erstaunlicherweise, um eine
ganz vollständige Front in 3 Ordnungen daraus zusaramen-
zusetzen, wenn wir die wenigen nothwendigen glatten Pro-
file, welche die Einheimischen lieferten, dazu ergänzen.
Es sind dies: die 3 Gebälke der Fassade ohne das
Hauptgesims, die Ornament-Pilaster mit jonischen und
korinthischen Kapitalen, die Friese aller Fenster, die Be-
krönungen derjenigen in beiden unteren Stockwerken.
Ergänzen wir uns
nun folgende glatt
profilirte Steinmetz-
arbeiten: dorische
Rustika -Pilaster im
Erdgeschoss , glatte
Profile um die Fen-
steröffnungen , dar-
über gerade Verdach-
ungen , den Portal-
bogen, von nur zwei
Karyatiden einge-
fasst, das Gesims da-
rüber, so fehlt nichts.
Prüfen wir diese
Theile im Einzelnen,
so erweisen sie sich
sämmtlich als in itali-
enischer Frührenais-
sance gebildet und
zwar in den Formen
des Terrakottastils
von Ferrara.^) Die
Sirenen - F ensterkrö-
nungen weisen nach
Bologna. DieFassade
kennzeichnet sich
schliesslich als eine
Uebertragung der
zweigeschossigen des
Palazzo Roverella zu
Ferrara auf 3 Stock-
werke unter Anwen-
dung der 3 Ord-
nungen. Besonders
eigenthümlich sind
bei beiden die 5 brei-
ten Felder zwischen
den Ornament-Pilas-
tern und die Anord-
nung von je 2 Fen-
stern mit breitem
Zwischenpfeiler in
jedem Felde. Der Zusammenhang wird'deutlich,. durch die
Thatsache, dass Otto Heinrich, geboren 1502, 1519/20 ganz
Italien bis Neapel durchreiste, 1521 Oberitalien. In Ferrara,
dem Fürstensitz der Este, war der Palazzo Roverella seit
1508 gebaut. Otto Heinrich’s sämmtliche Bauten schon
in Neuburg sind Zeugniss seines Strebens, das italienische
Palast-Ideal mit wagrechtem Hauptgesimse nach Deutsch-
land zu übertragen,
Der Entwurf zu diesem Palaste ist, wohl nach Anthonj’s
Weggange, prächtiger und reicher umgestaltet. Nach deut-
scher Art sind die Fenster des hohen Erdgeschosses mit
Kreuz versehen, nach vlämischer mit den schon vorhan-
denen Spitzgiebeln bekrönt, alle Fenster durch Mittelpfosten
getheilt, die fehlenden Bekrönungen für das oberste Stock-
werk ergänzt, die jonischen Kapitäle des ersten Stockwerkes
in’s Erdgeschoss versetzt, die des zweiten Stockwerkes
und alle Pilaster in den ersten Stock, im obersten Halb-
säulen angeordnet, die leeren Pfeiler auf flandrische Manier
mit Figurennischen gefüllt, darüber Konsolen angebracht.
Oberhalb des Hauptgesimses sind 5 Löwen gedacht. Alle
die hierzu neu erforderlichen Theile sind in der Ausführung
von deutschen oder vlämischen Werkmeistern hergestelit.
Innerhalb dieser Arbeiten sind sämmtliche kontraktliche
Verpflichtungen des Colins für das Aeussere enthalten und
endigen mit den 5 Löwen auf dem Hauptgesimse. Von
irgend etwas, was in den Giebeln Verwendung finden
konnte, ist weder im Kontrakt, noch in Wirklichkeit eine
Spur vorhanden. Jener Kontrakt war der letzte, der
mit Colins abgeschlossen worden ist, denn dieser konnte
nicht einmal sämmtliche in ihm genannten Verpflichtungen
erledigen. Der eine der namhaft gemachten Kamine ist
gar nicht, der andere von deutschen Bildhauern ausge-
führt worden.
Hier greift die Nachricht des Abraham Colins, des
Sohnes unseres Alexander, schlagend ein: dass der Kur-
fürst jählings verstorben, „das Werk eingestellt, die Diener
abgefertigt, sein Vater in seine Heimath gereist sei“. Der
Kurfürst starb am 12. Februar 1559.
Zur Ausführung der Arbeiten, die im Colins’schen
„Geding“ vom 7. März 1558 genannt sind, also der Arbeiten
für das Innere sowie der 14 Statuen, 14 Fensterpfosten,
Wappen und Löwen des Aeusseren, hatte Colins demnach
nur II Monate Zeit; da man im März 1558 noch lange im
Erdgeschoss thätig war (das Thürwappen wurde erst be-
stellt), so kann man mit dem Bau bis zum Februar 1559
ganz unmöglich über das Hauptgesims gelangt gewesen
sein. Weitere Arbeiten waren ja auch nicht bestellt. 3)
Das Fertigstellen des Daches blieb so nach Colins Ab-
gang den Einheimischen; der Bauherr war todt, das Geld
sicher knapp geworden. Noch 1563 war der Bau nicht
fertig. Ein Satteldach von 22“ Breite ohne Unterstützung,
da in der linken Hälfte 2 grosse Säle übereinander lagen,
forderte eineungeheureDachbalkenlageund entsprach einem
stattlichen Kirchendach. Man griff zum billigeren Auswege
zweier Querdächer neben einander, wo man mit Balken
von 12— 14m auskam. Diese Form erforderte 2 Giebel
nach jeder Seite, die man schlecht und recht herstellte.
Ihre Formen sind in Andeutungen auf Zeichnungen er-
halten. Die thatsächliche Form der Giebel nach dem Hofe
ist in der Kopfabbildung dieser Nummer möglichst getreu
dargestellt, soweit die Unterlagen reichen; ihr oberer Ab-
schluss deckt sich mit dem des Giebels am „Ritter“ in
Heidelberg. Diese Giebel, technisch verwerflich, billig
ausgeführt, vielleicht erst im Laufe von Jahren, waren
schon 1649 herabgestürzt. Damals baute man endlich
den mächtigen Langdacbstuhl und verbesserte den Feh-
ler der früheren Ausführung durch Errichtung der zwei
Zwerchhäuser, die wir durch J. U. Kraus’ Stiche genau
kennen.
Ist das Alles, auch nur in groben Zügen, richtig, so
wird der Schäfer’sche Giebelentwurf zu einer Phantasie,
wie man etwa den Bau ausbauen könnte, unter Beibehaltung
des ungefähren einstigen Umrisses, jedoch so, dass die
Giebel in der Architektur möglichst zum unteren Bau
passen. In diesem Sinne hat Seitz, als Verfasser des
ersten Entwurfes, eine vorzügliche Leistung geliefert.^)
Schäfer hat eben gar nicht die Absicht, den alten Bau,
wie er war, wieder aufzurichten. Beweis sei die alte Form
der Renaissance- Rückgiebel nach dem Garten zu, nach
Merlan, gegenüber der neuen von Schäfer beabsicntigten
(siehe S. 25). Ob er die Berechtigung für die Umwandlung
der Renaissance in Gothik daraus herleitet, dass der Cha-
rakter der Rückseite noch mittelalterlich sei?
Es scheint jedenfalls jetzt schon zweifellos, dass der vor-
handen gewesene Doppelgiebel technisch schwach, künst-
lerisch minderwerthig und für die ganze Architektur des
Baues ziemlich gleichgiltig war. Sodann, dass man nach
1649 den alten Fehler nicht wiederholte, sondern die ge-
waltigen Kosten für das neue Dach aufwendete, die grossen
Giebel durch die 2 kleinen Zwerchhäuser ersetzte, und
dass dieser relativ vollkommene Zustand bis zum letzten
Brande 1730 bestand, der ursprünglichen Absicht mehr
entsprechend als die früheren Giebel. Es scheint danach
wohl zu erwägen, wenn einmal das alte Heidelberger
Schloss wieder aufgebaut werden soll, ob man nicht lieber
diese zumtheil sogar noch stehenden Zwerchhäuser auf-
bauen sollte. Das ist historisch begründet und keine freie
Phantasie.
Jedenfalls beweisen diese Darlegungen, dass für eine
Wiederherstellung des Otto Heinrichs -Baues andere und
überzeugendere Unterlagen geschaffen werden müssten,
als sie bisher geboten wurden. —
Hannover, Januar 1902. Albrecht Haupt.
Um deu Unterschied dieser Architekturtheile von den durch Ein-
heimische hergestellten zu erläutern, füge ich die Gebälke der 2 unteren
Ordnungen nebst einem Fenster-Verdachungsprofil vorstehend an.
8) Am Friedrichsbau baute man 4-'/2i an seinem Aeusseren 3 Jahre.
i) Ist in: Koch & Seitz, das Heidelberger Schloss, veröffentlicht.
68
No. II.
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- und Ing.-Verein zu Hamburg. Vers, am 15. Nov.
1901. Vors. Hr. Zimmermann, anwes. 76 Pers., aufgen.
Reg. Bmstr. G. Meyer, Ing. Molsen, Ing. E. Kleinrath.
Hr. Classen macht Mittheilung von Ueberreichung
der künstlerisch ausgestatteten Mappe an Hrn. Zimmer-
mann aus Anlass des 70-jährigen Geburtstages
am 8. Nov. 1901, zu dessen Feier sich Abends 6 Uhr bei
frohem Mahl etwa 200 Freunde des Jubilars und Vereins-
mitglieder zusammengefunden hatten, um ihrer Verehrung
Ausdruck zu geben. Hr. Zimmermann spricht dem Verein
seinen herzlichsten Dank für die erhaltenen Glückwünsche
und die lebhafte Theilnahme der Vereinsmilglieder aus. —
Zur Tagesordnung bespricht Hr. Architekt Lorenzen
zwei von ihm gebaute Kirchen und zwar i. die Wands-
becker K., welche anstelle der abgebrannten, abert.nicht
Kanzel und Taufstein ausgestattet. Die Akustik ist ausser-
ordentlich gut. Gesammtkosten 308500 M., oder für den
Sitz rd. 430 M. ^
2. Die Haramerbrooker Kirche, die eiste in Ham-
burg. in welcher das moderne Programm, d. i. der Gedanke
der Einheitlichkeit des Raumes als Ausdruck der Ein-
heitlichkeit der protestantischen Gemeinde mit einheitlichem
Mittelraum ohne Pfeiler und Joche zum Ausdruck gebracht
ist. Angesichts der Gemeinde liegen Altar, Kanzel und
Orgel in der Raum-Mittelaxe über einander. Die folge-
richtige zentrale Sitzanlage, welche geplant war, durfte
nicht ausgeführt werden, weil es an Geld mangelte.
Die Kirche hat — an der Ecke der Norderkai- und
der Hammerbrook-Strasse gelegen — einen Eckthurm er-
halten und ist mit 2 Pastoraten sowie 2 Küstereien und
einem noch nicht fertigen Gemeindesaal verbunden, hat
ferner ausser dem Haupteingang einen Nebeneingang durch
auf dem alten Bauplatz errichtet wurde, sondern
seitlich in der Mittelaxe des grossen Marktplatzes,
sowie der grossen Springbrunnen-Anlage. Eigenartig
ist die Lage des rd. toq® grossen Sitzungssaales,
welcher programmmässig mit dem Eingang und
dem Westihurm in Verbindung gebracht worden ist.
Er liegt mit 8™ zu 10 “ unter dem Thurm zwischen
zwei Eingängen. Der Architekt hat dadurch zug-
freien Eingang zur Kirche erreicht, ferner den Vortheil
dass der Saal mit zur Kirche gezogen werden kann
und sich gut auch zu Trauversammlungen eignet; auch
eine grosse Orgelempore ist ohne den sonst üblichen
tiefen Säuleneinbau gesichert. Die Orgel kommt trotz ihrer
Lage rückwärts mit ihren Tönen voll zur Geltung. Die
Kirche besitzt zwei Sakristeien, ein feuersicheres Gelass,
einen 74 “ hohen Westthurm mit umlaufender Gallerie
für Posaunenchöre; sie fasst 700 feste Plätze 56:90c®
gross, 50 Sängerplätze und ist reich mit bunten Glasfenstern,
eine Halle an der Hammerbrook-Strasse, von der die Em-
poren daselbst, der Gemeindesaal, sowie das Pastorat mit
demKonfirmationssaal zugänglich sind, während ein zweiter
Nebeneingang an der Norderlcai-Strasse für die Brautpaare
bestimmt ist und ebenfalls die Emporen, sowie den zweiten
Konfirmandensaal zu ebener Erde erreichen lässt. Das
zweite Pastorat schliesst sich dort mehr villenartig ge-
staltet an. Die Kirche ist nicht überwölbt, sondern hat
eine freikonstruirte Holzdecke mit einer Verankerung im
Mitteltheil, die jedoch nicht auffällt, weil sie mit der Trage-
Abbildg. X— 3.
Kirche ln Wandsbeck.
Abbildg. 4.
Kirche in Hammerbrook-Hamburg.
Architekt: W. Lorenzen
ln Hamburg.
Abbildg. 4.
5, Februar 1902.
69
konstruktion iür. den grossen Kronlcuchler verbünden ist,
über welchem in dem mittleren höher geführten Theil die
Dachreiter-Anordnung theilweise sichtbar bleibt. Die ge- •
wählte Anlage des Altars mit Kanzel und Orgel darüber
hat sich bewährt, wenn auch letztere etwas vorherrscht.
Die Kosten betragen zusammen 400000 M., .für die Kirche
allein 245000 M., für den Sitz 270 M;
Reicher Dank der Versammlung belohnt den fesseln-
den Vortrag. —
Hr. Arch. Kallmorgen bespricht den Bau zweier
kleinerer Villen in Othmarschen und Altona, einer
mittelgrossen in Hamburg und einer grösseren im Grune-
wald bei Berlin zum Zweck der Vorführung eines be-
stimmten Villentypus nach Grundriss und Fassaden, weil
in allen eine Wohnhalle im Erdgeschoss den Zugang zu
den Wohnräumen vermittelt und auch die Küche in die-
sem Geschoss liegt. Die Fassaden zeigen den Landhaus-
Charakter mit Bruchsteinen im Sockel, Verblendern aus
Rathenow oder Schlesien neben Putz im Erdgeschoss und
darüber in den Giebeln und Ausbauten farbiges Fachwerk
mit Putz, mit rothen Ziegeldächern bedeckt, an amerikanische
Landhäuser erinnernd. Im Inneren ist die Halte stets be-
sonders reizvoll und wohnlich gestaltet, mit farbigen
Fliesen in Fussböden und an Wänden verziert, auch das
Holz an Wänden wie Decken farbenfreudig behandelt.
Grösserer Aufwand im Aeusseren wie Inneren ist bei
der Villa in der Herthastrasse im Grunewald möglich ge-
wesen, die — 30 m von der Strasse abhegend — nach
vorn schlossartige Architektur aufweisen und nach dem
See zu den Landhaus-Charakter behalten sollte. Die Ver-
wendung bester auch ausländischer Hölzer und ihre eigene
Behandlung mit Salmiakdämpfen und Lasuren hat den
Zimmern aussergewöhnlichen Reiz verliehen. Kosten
300000 M. Der Vortrag wurde durch eine grosse Anzahl
Zeichnungen verdeutlicht und erntete den vollen Beifall
der Versammlung. — Gbl.
Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin. Vers. v. 10. Dez.
1901. Vors. Hr. Wirkl. Geh. Ob.-Brth. Streckert. Nach-
dem der Vorsitzende einen Bericht über die Thätigkeit
und der Kassenfilhrer über die Ausgaben des Vereins im
abgelaufenen Jahre erstattet hatte, fand zunächst die Neu-
wahl des Vorstandes statt, In denselben wurden gewählt
die Hrn. Wirk!. Geh. Ob.-Brth. Streckert. Vorsitzender,
Minist.-Dir. Schröder,’ stellvertr. Vorsitzender, Reg.- und
Brth. Diesel, Schriftführer, Reg.-Rth. a. D. Kemmann,
Stellv. Schriftführer, Oberstleutnant Buchholtz, Kassen-
führer, und Geh. Ob.-Brth. Illing, stellv. Kassenführer.
Hierauf hielt Hr. Reg.-Bmstr. Petri, Dir. der Conti-
nentalen Gesellschaft für elektrische Unternehmungen in
Nürnberg, einen Vortrag, in welchem er die Anlage der
Elberfelder Schwebebahn hinsichtlich ihrer Kon-
struktion und ihres Betriebes an der Hand zahlreicher
Pläne und Abbildungen erläuterte. Da eine auszugsweise
Wiedergabe des beschreibenden Thedes des interessanten
Vortrages sich mit den in der Dtschn. Bztg. jahrg. 1900
No 84 u. ff. seiner Zeit gebrachten ausführlichen Mitihei-
lungen, denen zahlreiche Abbildungen beigegebeh waren,
decken würde, so wird auf eine Wiedergabe an dieser
Stelle verzichtet. Die Bahn steht seit dem Frühjahr im
öffentlichen Verkehr. Den Ausführungen des Redners
sei nur noch Folgendes entnommen:
Bei der mit dem Hergebrachten völlig brechenden
Schwebebahn war alles neu zu erfinden und zu konstruiren,
der Viadukt, die Wagen und die Haltestellen, es gab noch
keine bewährten Muster, an die man sich hätte anlehnen
können. Umsomehr Beachtung verdient es daher, dass
dieses grosse Werk deutschen Erfindungsgeistes nicht nur
in ausserordentlich kurzer Zeit durchgeführt worden ist,
sondern sich in nunmehr über -halbjährigem Betriebe völlig
bewährt und das Vertrauen des Publikums gewonnen hat.
Das zeigt die ausserordentlich starke Frequenz der Bahn,
obwohl sie erst zu zwei Dritteln fertiggestellt ist und ob-
gleich das wichtigste Stück der Strecke, zwischen den
Mittelpunkten von Elberfeld und Barmen, noch fehlt. Schon
heute werden erhebliche ßetriebsüberschüsse erzielt, und
es sind bis jetzt nahezu 3 Mill. Menschen auf der Bahn
befördert worden. Die günstigen Betriebs-Ergebnisse der
Bahn beruhen aber nicht nur auf der Leistungsfähigkeit
der Anlage und der Annehmlichkeit des Fahrens, sondern
zum grossen Theil auch auf der Billigkeit und Einfachheit
des Betriebes, sowie auf den im Verhältniss zur Leistungs-
fähigkeit der Bahn geringen Anlagekosten. Die Billigkeit
des Betriebes beruht aber im Wesentlichen auf dem ge-
ringen Stromverbrauch, der in der bei einschienigen
Schwebebahnen möglichen zweckmässigen Anordnung der
Motoren und den geringen Reibungsverlusten in den Krüm-
mungen seine Erklärung findet. Die Anlage ist so be-
messen, dass Züge von 4 Wagen in Abständen von 2 Mi-
nuten verkehren können, was einer.Leistungsfähigkeit von
6000 Personen in der Stunde in jeder Richtung entspricht.
In ähnlicher Weise wie über Wasserläufen und Strassen
kann die Schwebebahn natürlich auch über bestehenden
Eisenbahnen errichtet werden, wodurch sich ein werth-
volles Mittel bietet einerseits zu der in fast allen Gro-s-
städien erforderlichen Verstärkung der Leistungsfähigkeit
der in dieselben einmündenden Eisenbahnen mit Rücksicht
auf den Lokal- und Vorort- Verkehr, andererseits zu der
Herstellung von Schnellbahnen zur Verbindung der Haupt-
verkehrs-Mittelpunkte, ohne dass Aufwendungen für Grund-
erwerb zu macnen sind. In letzterer Hinsicht scheint dem-
nach die Schwebebahn auch ein Mittel zur Lösung der
heute so lebhaft erörterten Frage des. Schnellverkehres an
die Hand zu geben.
Hierauf hielt Hr. Reg.- und Brih. Wittfeld einen
Vortrag über die störenden Bewegungen bei den
Fahrzeugen im Dampfbetriebe und elektrischen
Betriebe. Der Vortrag wird weitergeführt werden.
ln üblicher Abstimmung wurden als einheimische
ordentliche Mitglieder aufgenommen die Hrn. Ob.-Brth. a. D.
Ernst Grossmann und Reg.-Bmstr. Kurt Bach. —
Architekten- Verein zu Berlin. Vers, vom 16. De-
zember 1901, Vors. Hr. B eer, anwes. 178 Mitgl, 5 Gäste.
Der Hr. Vorsitzende eröffnete die Sitzung als die letzte
im alten Jahre mit einigen kurzen Worten der Begrüssung,
Hinweis auf die Eingänge für die Bibliothek und ertheilie
dann Hrn. Blankenstein das Wort zur Begründung seines
Antrages auf Stellungnahme des Vereins in der Frage
der Erhaltung des Heidelberger Schlosses. Mit Rücksicht
auf den für den Abend angesetzten Vortrag beschränkte
man sich auf eine kurze Vorbesprechung, während für
den 6. Januar 1902 eine Sitzung ausschl. für diese Be-
rathung angesetzt wurde.
Es hielt sodann Hr. Bousset einen den Abend füllen-
den eingehenden Vortrag über „die Konstruktionen
der elektrischen Hoch- und Untergrundbahn
von Siemens & Halske in Berlin“. Redner, der als
Vorsteher des techn. Büreaus der Hochbahn in verdienst-
voller Weise an deren Durchführung betbeiligt gewesen ist,
gab in klai er und erschöpfenderDarstellung ein Bild von den
mannigtachen Formen, welche zur Ueberwindung der ört-
lichen und sonstigen Schwierigkeiten den Konstruktionen
der Hochbahn gegeben werden musste. Eine reichhaltige
Ausstellung ganz neu gefertigter Zeichnungen und Mo-
delle dienten in trefflicher Weise zur Erläuterung. Auf
den Inhalt der Ausführungen des Redners, die von der
Versammlung mit grossem Interesse verfolgt und mit
reichem Beifall aufgenoramen wurden, einzugehen, müssen
wir uns nach der ausführlichen Darstellung, die wir dem
Unternehmen in den No. 82 u. ff. der Dtsch. Bztg , Jahrg.
190t bereits gewidmet haben, versagen. Hervorgehoben
sei nur, dass der Redner in besonders warmen Worten
der Verdienste gedachte, die Hr. Reg.- und Brth. Gier
als der erste technische Leiter der gesammten Ausführung
an dem Werk gehabt hat. Die Unternehmung hat durch
seinen, durch schwere Erkrankung veranlassten vorzeitigen
Rücktritt vor Vollendung des Werkes einen schweren
Verlust erlitten. —
Vers, vom 6, Januar 1902. Vors. Hr. Hossfeld,
anwes. 184 Mitgl., 4 Gäste.
Der Hr. Vorsitzende eröffnete die Sitzung mit der
schmerzlichen Mittheilung von dem am i. Januar d. J. er-
folgten Ableben des Geh. Reg.-Rths. Prof. Jacobsthal,
dessen trefflichen Eigenschaften als Künstler und Mensch
er in warm empfundenen Worten Ausdruck gab. Die
Versammlung erhebt sich zur Ehrung des Andenkens des
Verstorbenen von den Plätzen.
Der Hr. Vorsitzende ging sodann zu dem Elauptpunkt
der Tagesordnung, zur Stellungnahme des Vereins zur
Erhaltung und dem Ausbau des Heidelberger Schlosses
über. Wir haben bereits in No. 3 d J. über das Ergebniss
der Berathungen berichtet, die mit einer von der über-
wiegenden Mehrheit gefassten Resolution für den aus
technischen Gründen allein schon nothwendigen Ausbau
endeten. — Fr. E.
Vermischtes.
Zur Frage der „Gebühren der Architekten und In-
genieure in ihrer Tnätigkeit als gerichtliche Sachverständige“,
mit welcher sich die dem Verbände d. A. u. I. V. angehörigen
Vereine. nach einem in Königsberg gefassten Beschlüsse
zu beschäftigen haben, hat Anfangs d. J. der Verbands-
vorstand ein von Bnh. Ung.er in Hannover als Bericht-
erstatter verfasstes Rundschreiben, versandt. . In demsel-
ben findet die Rechts- und Sachlage der Frage Beleuch-
tung. Namenthch wird der Umstand eingehend erörtert,
70
No. II.
dass die C. P. 0. in § 413 und die St. P. O. in § 84 gleich-
lautend und allgemein dem Sachverständigen das An
spruchsrecht zusichert auf 3 neben einander zu be-
rechnende Vergütungen, nämlich „für Zeit versa umn iss“,
„für Kosten“ und „ausserdem für Mühewaltung“,
während die „Gebührenordnung für Zeugen und Sach-
verständige“ vom 30. Juni 1878 nur für die ersten beiden
Arten bestimmte Gebührensätze vorschreibt, die , (Mühe-
waltung“ aber überhaupt nicht erwähnt. Daraus hat sich
in der Praxis der die Sachverständigen schädigende Ge-
brauch herausgebildet, dass ihre Gebühren mit Ausnahme
der Kostenerstattung überhaupt nur nach dem Zeiiauf-
wande, und zwar nach dem in der Gebührenordnung aus-
schliesslich für die „Zeitversäumniss“ festgelegten Satze
von ,,bis zu 2 M. für die Stunde“ bemessen werden. Diese
Einschränkung widerspricht indessen umsomehr den an-
gegebenen Bestimmungen der C. P. O. und der St. P. O.,
als die dritte Vergütungsart gerade diejenige ist, welche
die Anspruchsrechte des Sachversän digen, und zwar
sinn- und sachgemäss, von denjenigen des Zeugen unter-
scheidet (vgi. § 401 C. P. O. und § 70 St. P. O.)- Auch
dürfte ein solches, in zwei Gesetzen ausdrücklich zuge-
sichertes Anspruchsrecht nicht einfach damit aus der Welt
geschafft sein, dass man es in einem dritten Gesetze,
welches die Ausführungs-Vorschriften jener enthält, zu
erwähnen vergass. —
Zu der Frage wurden in dem Rundschreiben einige
Oberlandesgerichts-Erkenntnisse beigebracht, welche unter
einander in schroifem Widerspruche stehen. Hr. Unger
theilt uns nun mit, dass nach der Drucklegung des Rund
Schreibens ein neuerliches Erkenntniss des Reichs-
gerichtes vorn 8. November v. J. bekannt geworden sei,
dessen Inhalt bei der Berathung der Frage in den Vereinen
nicht übersehen werden dürfe und zugleich eine beson-
dere Bedeutung besitze für die Frage der Rechtsgiltigkeit
der „Gebührenordnung der Architekten und Ingenieure“.
Das Erkenntniss geht dahin, dass im Falle der Vor-
aussetzung des § 4 der „Gebührenordnung für Zeugen
und Sachverständige“ vom 30. Juni 1878 — („Bei schwie-
rigen Untersuchungen und Sachprülungen ist dem Sach-
verständigen auf Verlangen für die aufgetragene Leistung
eine Vergütung nach dem üblichen Preise derselben zu
gewähren“) — die Berechnung auch dieser Vergütung
nach dem Zeitaufwande und zwar nach den Sätzen
in No. 25 der „Gebührenordnung der Architekten
und Ingenieure“ mit 20 M. für die erste und 5 M. für
jede weitere Stunde zulässig sei
Mit dieser Entscheidung ist die in dem Rundschreiben
behandelte Frage zwar noch nicht zur Erledigung gebracht,
aber ein jedenfalls hocherfreulicher Erlolg gewonnen wor-
den, nämlich eine erste und überaus wichtige Anerkennung
der neuen, mit so vielen Muhen und Kämpfen vom Ver-
bände und anderen Faclivereinigungen geschaffenen Ge-
bührenordnung der Architekten und Ingenieure durch die
oberste gerichtliche Instanz des deutschen Reiches. Hoffent-
lich trägt dieser Erfolg dazu bei, nun auch die weiteren,
in dem Rundschreiben behandelten Fragen zu einer Lösung
zu bringen, welche den Inieressen und heute berechtigten
Ansprüchen der Architekten und Ingenieure entspricht. —
Die Entwicklung der deutschen Elektrizitäts-Werke. Die
Ztschrft. f. Elektrotechnik giebt eine interessante Statisiik
über die Entwicklung der Elektrizitäts-Werke in Deutsch-
land, der wir die lolgenden Angaben entnehmen. Die Zahl
der allgemeinen Zwecken dienenden, in Betrieb stehenden
Elektrizitäts-Werke betrug am i. April v. J. 774, d. h. 122
mehr als im Vorjahre. Es hat also eine Zunahme von
fast 16% stattgefunden. Au-^serdem waren noch 90 weitere
Werke im Bau. Berücksichtigt man, dass die erste An-
lage erst Mitte der 80er Jahre entstanden ist, so darf diese
Entwicklung als eine grossartige bezeichnet werden. Diese
Werke, von denen eine grössere Zahl gleichzeitig eine
ganze Reihe von Orten mit Licht und Kraft versorgen,
dienen zus. etwa 1200 Städten und Ortschaften. Die
Leistung der Maschinen betrug am i. April 1901 insgesammt
290038 Kilowatt, das bedeutet eine Zunahme um mehr
als die Hälfte innerhalb der letzten Jahre. Die ersten
Anlagen lieferten ausschliesslich Gleichstrom und auch
jetzt ist das bei mehr als 8o°/q der Werke so geblieben.
Die neuen grossen Anlagen und die Erweiterungen be-
stehender grosser Werke erzeugen aber ausschliesslich
Wechselstrom oder auch Drehstrom, der dann meist in
den Unterbtationen wieder in Gleichstrom verwandelt
wird. Die ausschliesslich mit Gleichstrom arbeitenden
Zentralen besitzen noch eine Leistung von 172 949 K. W.
Als Pufferstationen sind in den Werken Akkumulatoren
in Anwendung, die jetzt 63532 K.W. liefern, also mehr
als bä der Maschinenleistung. Die leistungsfähigste Zentrale
ist diejenige der Allg. Elektr.-Ges. an der Oberspree bei
5. Februar 1902.
Berlin mit 22 075 K.W. und das fast ebenso bedeutende
Werk derselben Gesellschaft in Berlin-Moabit mit 19 494 K.W.
An 3. Stelle steht das Werk von Rheinfelden, das zugleich
das bedeutendste ist, das ausschliesslich mit Wasserkraft
betrieben wird. In der . Ausnutzung der Wasserläufe ist
aber Deutschland hinter anderen Ländern noch zurück,
allerdings liegen die Verhältnisse nach dieser Richtung
auch nicht so günstig. Ausser dem schon genannten Werk
sind nur 72 kleinere Anlagen mit zus. nur 3354 K. W.
Leistung im Betriebe, die sich ausschliesslich der Wasser-
kraft bedienen. In 170 Werken ist ein gemischter Betrieb
von Wasser und Dampf vorhanden, wo die eine Betriebs-
kraft meist als Reserve für die andere dient, nur 39 arbeiten
allein mit Gasmotoren. Seit dem Jahre 1894 ist die Zahl
der Zentralen von 148 auf 768, der angeschlossenen Glüh-
lampen von 49380E auf 3403205, der Bogenlampen von
10 Ampere von T2357 auf 61278 gestiegen. Die ange-
schlossenen Motoren lieferten 5635 bezw. 141414?. S. —
Der Wabenziegel des Architekten Albin Kühn in Heidel-
berg bildet eine durch ein geschlossenes Stegsystem ver-
steifte Ziegelplatte von gleichartiger Struktur, von vermin-
dertem Eigengewicht und von gutem Brand, der für leichte
Deckungen vom Erfinder empfohlen wird. Die Gesammt-
dicke des Ziegels beträgt 14“®, die Dicke des Waben-
grundes nur 5,5 ®m. Die Ziegel greifen entweder S-förraig
übereinander, oder es wird, wenn sie stumpf aneinander
stossen, beim Verlegen ein rinnenartiger Zinkstreifen unter
dem Stoss verwendet. Wird das Dach als Doppeldach
ausgeführt, so können die Waben nach Ansicht des Er-
finders gegen Kälte und Wärme isolirende Luftschichten
bilden.
Preisbewerbungen.
Ein Wettbewerb zur Erlangung von Entwurfsskizzen
zum Neubau eines KoUeglenhaases für die Universität Frei-
burg schreibt das gros:^herzgl. bad. Kultusministerium mit
Frist zum i. Sept. 1902 aus und zwar unter Architekten,
welche die deutsche Reichsangehörigkeit besitzen oder in
Deutschland ihren Wohnsitz haben. Es sind an Preisen
ausgesetzt ein I. Preis von 7000 M., ein II. Preis von
4000 M. und zwei III. Preise von je 2000 M., ausserdem
ist nach dem Ermessen des Preisgerichts der Ankauf von
zwei weiteren Entwürfen zum Preise von je 1000 M. vor-
gesehen. Unter den 9 Preisrichtern sind als Techniker
erkennbar die Hrn. Brth. Dr. A. Rossbach in Leipzig,
Prof. Gabriel v. Seidl in München, Brth. L. v. Stengel
in Freiburg, Geh. Brth. Prof. Dr. P. Wallot in Dresden
und Ob.-Brth. Prof. Dr. Warth in Karlsruhe. Wir be-
halten uns nach Einsicht in die Unterlagen weitere Mit-
theiiung vor. —
Wettbewerb zum Provinzial-Museum in Münster. Ein-
gegangen waren 38 Arbeiten, einschl. der mehreren Ent-
würfen beigegebenen Varianten. Ein I. Preis konnte nicht
vertheilt werden, es erhielten infolge dessen zwei II. Preise
zu je 2000 M. der Entwurf „Wittekind“, Verf. Reg.-Bmstr.
Teichen und Arch. R. Schlüter in Berlin; der Entwurf
„Spökenkieker“, Verf. Arch. H. Schädtler und C. Müller
in Hannover; zwei III. Preise zu je 1000 M. der Entwurf
„Jan von Leyden“, Verf. stu'i. arch. Kolling aus Münster,
z. Zt. in München, und der Entwurf „St. Ludgerus“, Verf.
Arch. A. Schulz, in Firma Schulz u. Schlichting in Berlin.
Angekauftwurden die Entwürfe „Rothe Erde“, Verf Bauinsp.
Rauchh eld in Oldenburg und „Am Doraplatz“, Verf. Arch.
Hubert Holtmann in Münster. —
Wettbewerb Sparkassen-Neubau Bremerhaven. Den
-I. Preis errang der Entwurf „OudeTid" des Hrn.Emming-
mann in Berlin; den II. Preis der Entwurf „Schwarzes
Wappen im Kreise“ des Hrn. Alfr. Hübner in Berlin;
den III. Preis der Entwurf „Spruchreif“ der Hrn. Gust.
Jänicke & Max Franzke in Schöneberg. Zum Ankauf
empfohlen wurden die Entwürfe der Hrn. Karl und A.
Siebrecht in Hannover, A, Abbehusen in Bremen und
G. N. Eckardt in Wiesbaden. Sämmtliche Arbeiten sind
bis 14 Febr. im neuen Gymnasium in Bremerhaven öffent-
lich ausgestellt. —
Internationaler Wettbewerb betr. Entwürfe für ein Sana-
torium für Tuberkulose in England. „Sie bringen in Ihrer
letzten Nummer eine Mittheilung über das kürzlich er-
lassene Preisausschreiben für die Erbauung eines Sana-
toriums in England, in der-Sie u. a. erwähnen, dass die
Jury sich einseitig aus Engländern zusaramenseize und
dass die Aussichten auf Erfolg für deutsche Theilnehmer
Ihrer Ansicht nach entsprechend geringe seien. Ich möchte
demgegenüber nur bemerken, dass die hervorragenden
Aerzte Sir Hermann Weber und Sir F. Semon beide von
deutscher Abkunft sind und dass die Zugehörigkeit dieser
71
Herren zur Jury m. E. eine unpartheiische Würdigung
auch ausländischer, besonders deutscher Arbeiten gewähr-
leistet. Die Bedeutung dieses Umstandes dürfte noch er-
höht werden durch die Thatsache, dass der Spender des
Kapitals, welches den König in die Lage versetzte, die
fragliche Stiftung ins Leben zu rufen, der Finanzmann
Sir Ernest Cassel, ebenfalls deutscher Abkunft ist.
Bedingung für eine erfolgreiche Theilnahme an die-
sem Wettbewerb wäre allerdings vor allem die völlige
Beherrschung der englischen Sprache, da die Engländer
in dieser Beziehung ungemein feinfühlig sind. Die ge-
dankenreichste Arbeit, die nicht „the Queen’s English“ in
untadelhafter Form aufweist, würde bei ihnen stets eher
Heiterkeit als Bewunderung erregen“. —
Ludwig Mertens in Hamburg.
Wettbewerb Bismarck-Denkmal Hamburg. Verfasser
des Entwurfes „Ein Stein“ ist Hr. Arch. Wilh. Fränkel
in Düsseldorf; des Entwurfes „Kerndeutsch und Echt!“
Hr. Paul Burghardt in Leipzig; des Entwurfes „Thaten
sind Saaten“ Hr. Dir. E. H artig in Barmen und des Ent-
wurfes „Erz und Stein“ Hr. Arch. Friiz Usadel in Ge-
meinschaft mit Hrn. Bildhauer Ad. Osterhold, beide in
Plannover. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Dem Mar.-Hafenbauinsp. Radant ist der
Char. als Mar.-Brth. mit dem persönl. Range als Rath IV, Kl. verliehen.
Die Erlaubniss zur Anlegung der ihnen verlieh, nichtpreuss.
Orden ist ertheilt u. zw.: Dem Geh. Admir.-Rath Langner, vortr.
Rath i. Reichs-Mar. -Amt des Komthurkreuzes d. grossherz, mecldenb.-
schwerinschen Greifen-Ordens; dem Mar.-Brth. Flach und dem
Mar-Masch.-Bmstr. R. Müller in Stettin des Ritterkreuzes des
vorgen. Ordens; dem Mar.-Schiffbmstr. Boekholt in Danzig des
Ritterkreuzes I. Kl. des kgl. sächs. Albrechts-Ordcns.
Der Garn.-Bauinsp. Thierbach in Colmar i. £. ist aus der
Garn.-Bauverwaltg. ausgeschieden. — Die Garn.-Bauinsp. Brth.
Rathke in Danzig II und Maillard in Koblenz II werden z. r. Apr.
d. J. gegenseitig vei'setzt.
Baden. Der Zentralinsp., Betr.-Insp. Näher bei der Gen.-
Dir. der ^taatseisenb. ist unt. Verleihung des Tit. Brth. z. Kollegial-
Mitgl., die Ing. -Praktikanten Joachim, Schlössinger und Blum
sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Bayern. Verliehen ist: Dem Ob.-Baudir. der kgl. Obersten
Baubehörde v. Maxon in München das Ritterkreuz des Verdienst-
ordens der Baj’erischen Krone; — Dem Rath bei der Gen. -Dir
der Staatseisenb. Weikard und dem Gen.-Du'.-Rath Jäger in
Augsburg der Verdienstorden vom hl. Michael III. Kl.; — Dem
Rath bei der Gen.-Dir. der Staatseisenb. Weiss, dem Keg. -Rath
b. d. Gen.-Dir. Förderreutlier, dem Ob.-Bauinsp. Wagner in
München, dem Ob.-Masch.-Insp. Reich in Regensburg, dem Bez.-
Ing. der pfäU. Eisenb. Kalbfus in Ludwigshafen a. Rh., den k.
Bauamtm. Spies in Kissingen und Fleischmann in Aschaffenburg,
dem Prof. Kreuter an der Techn. Hochschule in München der
Verdienstorden vom hl. Michael IV. Kl.
Dem ßez.-Ing., Ob.-Ing. Kaiser in Landshut und dem Ob.-
Bauinsp. Maier in Augsburg ist der Titel u. Rang eines kgl. Reg.-
Raths, dem Bauamtm. Egler in Neuburg a. D. Tit. u. Rang eines
kgl. Brths., dem Arch. M. Littmann in München der Tit eines
kfil. Prof- und dem Ing. Heümann in München der Tit. eines
kgl. Kommerzienraths verliehen.
Der Ing. Keller ist im Bez. Neustadt bei den pfäiz. Eisen-
bahnen aufgenommen.
Der Masch.-Insp. Steier in Passau i. s. Ansuchen entspr.
in den Ruhestand getreten.
Der Stadt. Brth. Bern atz in Würzburg ist gestorben.
Hessen. Dem Kr.-Bauinsp. Langgässer in Alzey ist der
Charakter als Brth. verliehen. — • Der Kr.-Bauinsp. Brth. Lucius
in Bingen ist z. Kr.-Bauinsp. des Kr. Mainz und der Reg.-Bmstr.
Krau SS aus Wörrstadt ist z. Bauassessor ernannt.
Preussen. Dem grossherz. hess. Geh. Brth. Win ekler in
Mainz ist beim Uebertritt in den Ruhestand der kgl. Kronen-Orden
III. Kl. und dem Reg.- und Brth. Pfeifer in Braunschwelg die
Rothe Kreuz-Medaille III. Kl. verliehen.
Die Baugewerkschullehrer Ing. Lückemann in Breslau, Rcg.-
Bmstr. Blicke u. Schencke in Eckernförde, Reg.-Bfhr. G r a n i t z a,
Dipl.-Ing. Hiorth und Arch. Klinck in Frankfurt a. O., Reg.-Bfhr.
Peters in Höxter, Arch. Neumann in Idstein und Ing. Nüsken
in Münster sind zu kgl. Ob.-Lehrern, der Arch. Passehl in Münster
ist 2. kgl. Baugewerkschullehrer ernannt.
Die Reg.-Bfhr. Herrn. Schlupmann aus Gütersloh, Harry
Bon aus Mühlhausen i. Th. (Eisenbfeh.), Ernst Linack aus Lübben,
Reinh. Bitzer aus Kl. Czyste, Karl Felsch aus Könitz und Wilh.
Weber aus Gera (Masch.-Bfeh.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Der Geh. Reg. -Rath Jacobsthal, Prof, an der Techn. Hoch-
schule, Mitgl. der Akad. des Bauwesens und der Akad. der Künste
in Berlin, ist gestorben.
Württemberg. Der Bez.-Bauinsp. Weiss in Ulm ist unt.
Gewährung der Dienststellg. eines Koll. -Raths mit dem Tit. eines
Biths. nach Ravensburg versetzt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. R. W. in Lüdenscheid. Das an der Unterfläche
Ihres Wellblechdaches auftretende Wasscrist Schwitzwasser, welches
dadurch entsteht, dass die heisse, stark mit Wasserdampf gesättigte
Luft des unteren Saales durch die dünne, luftdurchlässige D^cken-
konstruktioa infolge des natürlichen Auftriebes hindurchdringt, im
Dachraum bis zur Wellblechbedachung hochsteigt, sich hier an den
kalten Flächen derselben rasch abkühlt und auch das nun nicht
mehr durch die höhere Wärme gebundene überschüssige Wasser
inform von Schwitzwasser oder Reif an die kalten Flächen abgiebt.
Dieser Vorgang wird sich bei Ihrem Saalbau um so häufiger und
stärker zeigen, je öfter er von grossen Versammlungen benutzt
wird. Als einzigstes, den Uebelstand von Grund aus beseitigendes
Mittel können wir Ihnen nur empfehlen, die Zwischenräume zwischen
den Bohlenbalken bis zur Oberkante der letzteren mit möglichst
leichter und schlecht wärmeleitender Masse auszufüllen , jedoch
nicht mit Stoffen, wie Torf oder Sägemehl, welche Schwamm bilden
können, sondern mit Asche, Asbest, Kieselguhr oder Korkabfällen.
Hierüber bez. über die Bohlenbalken hinweg ist ein 3 — 5 cm starker
Monierestrich zu legen und dieser mit bestem 12 — 15 mm starkem
Asphaltbelag abzudecken. Den letzteren beiden ist nach irgend
einem Punkte hin Gefälle zu geben, damit etwa sich doch noch
am Wellblech bildendes Schwitzwasser in diesem nach aussen ab-
fliessen kann. Da durch die empfohlene Maassregel jeder weitere
Eintritt wasserhaltiger warmer Luft in den Dachraum verhindert
wird, können auch die jetzt gerügten Uebelstände nicht mehr auf-
treten. Bei der Ausführung der vorgeschlagenen Konstruktion
ist gewissenhaft darauf zu achten, dass alle Deckentheile vollkommen
trocken sind, da sonst leicht Schwamm entstehen kann. Dem letzte-
ren ist auch noch durch Streichen der Bohlenbalken mit schwamra-
tödtender Flüssigkeit und durch einen möglichst wasser- bezw. luft-
undurchlässigen Anstrich der Deckenunteransicht — am besten
Oelfarbe — vorzubeugen. Die vorgeschlagene Abhilfe ist selbst-
verständlich nur anwendbar, wenn die tragenden Eisentheile die
neu hinzukommende Belastung noch aufzunehmen imstande sind.
Anderenfalls bleibt nur ein wasser- bez. luftundurchlässiger Anstrich
der Deckenunteransicht und eine Beheizung des Dachbodens übrig,
welche indessen auf die Dauer ziemlich theuer wird. — A.
Hrn. R. B. in Wetter a. R. Die Grundsätze des B. G.-B.
§§ 633 und 637 sind keineswegs neu, wie Sie annehmen, fanden
sich vielmehr schon in den 4 Rechten, an deren Stelle jetzt das
B. G.-B. getreten ist. Schon damals hatte der Werkmeister für
Fehlerund Mängel einzutreten, welche das bestellte Werk erhalten
hatte, und es durfte sogar dessen Abnahme dieserhalb abgelehnt
werden, sodass § 633 demgegenüber eine Milderung ausspricht.
Nicht minder durfte man einer Abrede, inhaltlich deren auf Verfol-
gung von Schadenansprüchen wegen Mängel desWerkes vorweg ver-
zichtet wurde, die Rechtswirksamkeit versagen, wenn nachweislich
der Verzicht arglistig herbeigeführt war, indem man sich entweder
der actio doli oder der exceptio doli bediente, je nachdem man
entweder selbst die Klage auf Rechtsungiltigkeit der Abrede an-
strerigte oder einer Leistungsklage des Werkmeisters zu begegnen
hatte. Wenn vor Geltung des B. G.-B. wirklich im Herrschafts-
gebiete des französischen Rechtes Mängel in ausgeführten Bauten
nicht gerügt und dieserhalb Schadenansprüche unverfolgt geblieben
sein sollten, was jedoch nach der Rechtsprechung des vormaligen
Obertribunals und des Reichsgerichts zu bezweifeln ist, da die be-
treffenden Urtheilssammlungen Fälle der beregten Art behandeln, so
würde dies von einer übergrossen Gutmüthigkeit der dortigen Bau-
herrn Zeugniss liefern. Denn billigerweise kann doch dem Be-
steller eines Werkes nicht verdacht werden, wenn er es fehlerfrei
abgeliefert haben will und es erscheint nicht ungerecht, wenn vor-
gefallene Fehler von dem Werkmeister zu vertreten sind, der
solche durch grössere Sorgfalt bei Auswahl seiner Gehilfen hätte
vermeiden können. Da es durch das B. G.-B. jedoch zu keiner Ver-
schiebung maassgebender Rechtsgruiidsätze gekommen ist, so liegt
kein Anlass vor, die Ihrerseits angeregten Fragen zum Gegenstände
einer besonderen Abhandlung zu machen. — K. H-e.
Hrn. Prof. H. M. in Benstein. Wir sind zu un.serem Be-
dauern nicht in der Lage, Ihre Anfrage zu beantworten, da die-
selbe nicht allgemeinem Interesse begegnet. Auch müssen wir
Bedenken tragen, Ihnen Fragen über Firmen für bestimmte Zwecke
zu beantworten, die Sie sich jederzeit selbst aus dem Anzeigen-
theil unserer Zeitung beantworten können. —
Anfragen an den Leserkreis.
1. Unter einem Wellblechdach im Maschinenbaus einer grossen
elektrischen Zentrale bildet sich bei Frostwetter sehr viel Schwitz-
wasser, welches durch die 20 cm unterhalb angebrachte 4,5 cm
starke Korkdecke dringt und auf den Boden bezw. auf die Ma-
schioen abtropft. Auf dem Dach ist kein Ventilations-Aufsatz; da-
gegen sind in den Giebeln unmittelbar unterm First Oeffnungen,
sowie die nöthigen Fenster zur Lüftung vorhanden. Wie kann
dieser Misstand am billigsten beseitigt werden? Ph. G. in K.
2. Bei Ausführung eines grösseren Büreau - Gebäudes sollen
Könen’sche Vouten-Dccken in Stärke bis 10 cm Anwendung finden.
Sind diese Decken mit einem Fussbodenbelag von Linoleum in
normaler Stärke von 3 — 4mm schallsicher? Das Linoleum soll auf
der mit Zementglattstrich zu versehenden Oberseite der Decken
durch Holzkitt aufgeleimt und an den Wandanschlüssen mit einer
ausgekehlten Leiste von Torgament befestigt werden. Hat sich für
Büreauräume Korklinoleura in Stärke von 6 — 8ram als schalldämpfen-
der und namentlich widerstandsfähiger Fussbodenbelag bewährt?
Bezüglich der Könen’scheo Vouten-Decken mit Linoleumbelag be-
stehen Bedenken, ob solche Zwischendecken die für ein Büreau-
Gebäude erforderliche Schallisolirung gewährleisten. Die Verwen-
dung des Korklinoleums erscheint seiner grossen Weichheit wegen
für Büreauräume trotz aller anderen vorzüglichen Eigenschaften
(namentlich bezüglich der Schallisolirung) nicht geeignet. Möbel,
Stühle, Tische usw. werden zweifelsohne bleibende Eindrücke hinter-
lassen und deshalb ebenso das Aussehen beeinträchtigen, wie auch
die Haltbarkeit gefährden. — A. G. in Dresden.
Inhalt: Verband deutscher Arch.- uod Ing. -Vereine. — Zur Frage der
Fortsetzung der Wiederherstellungs- Arbeiten am Heidelberger Schloss. —
Mittheilungeu aus Vereinen. — Vermischtes — Preisbewerbungeti. — Per-
sonal-Nacbrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veranwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
.72
No. II.
KUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN ^
stsrÄSifSJSJStsrsssts:
starfirstarÄSrsriStstÄisrstst
AUZEITUNG.
GANG. * ^ N2: 12. ^
DEN 8. FEBR. 1902.
ststarstarstatÄsrajiarstÄar
Das neue Gebäude der Allgemeinen Versorgungs- Anstalt in Karlsruhe i. B.
Architekt: Ob.-Brth. Adolf Hanser f in Karlsruhe i. B.
(Hierzu die Grundrisse auf Seite 76 u. 77.)
US dem Hauptzweige seiner Thätigkeit, aus
der Gruppe der Verwaltungs-Gebäude des
so früh verstorbenen trefflichen badischen
Baukünstlers, führen wir hier das neue Ge-
bäude der Allgemeinen Versorgungsanstalt
in Karlsruhe an, welches Ende der neunziger Jahre
vor dem Mühlburger Thor dorten, auf einer bevor-
zugten Baustelle als ein stattlicher Monumentalbau in
Sandstein errichtet wurde. Das auf einem dreieckigen
Gelände sich erhebende Bauwerk ist zunächst nur in
seiner grösseren Hälfte ausgeführt worden, um Raum
für eine spätere Erweiterung zu lassen. Wir haben den
klaren und einfach gruppirten Grundrissen nur wenig
hinzuzufügen. Das Erd- und das erste Obergeschoss
sind durchgehends der umfangreichen Verwaltung vor-
vorbehalten, das Erdgeschoss für die Registratur, die
Kanzleien und die übrigen Büreaus, das Obergeschoss
für die Dircktionsräume, die Lebensversicherung, das
Abrechnungsbüreau usw. Das oberste Geschoss ent-
hält im Rundbau einen geräumigen Sitzungssaal, im
übrigen lediglich Direktorial- Wohnungen. Das in
lichtem Sandstein erstellte Aeussere lehnt sich an die
Formensprache an, welche vom Hause des Deutschen
Reichstages in Berlin ausging. —
Der Eisenbahn-Lootse.
iggajO sehr im Vergleich mit der Schiffahrt der Trans-
port auf Eisenbahnen durch die Gleise mit ihren
fest vorgeschriebenen Wegen und durch zahlreiche
Signale längs derselben gegen Unfälle aller Art, auch
gegen Zusammenstösse der Fahrzeuge, gesichert erscheint,
so tritt doch von Zeit zu Zeit die Nothwendigkeit ein,
gewissermaassen ruckweise in den Sicherheits-Einrich-
tunpn einen Schritt weiter zu thun, um gesteigerten An-
forderungen, die sich infolge Verdichtung und Beschleu-
nigung des Verkehrs erheben, zumal sobald sie sich durch
eklatante Unglücksfälle als begründet aufdrängen, zu ge-
nügen. So steht augenblicklich eine Ergänzung der Strecken-
signale durch die allgemeine Einführung der aus Scheiben
gebildeten Vorsignale infra^e, für deren Lichter als Nacht-
zeichen man zum Unterschiede von denen der bestehen-
den Armsignale noch nach einer passenden Farbe sucht.
Im Grunde genommen kommt man durch allgemeine
Aufstellung der Vorsignale zu einer Verdoppelung der
Theilung der Bahnstrecke, nur mit der Besonderheit, dass,
während ein Haltsignal des Armtelegraphen unbedingt
beachtet werden muss, das entsprechende Vorsignal nur
ein vorsichtiges Fahren gebieten soll, ein Unterschied, der
73
auch mittels Hinzufügung eines dritten Zeichens am Arm-
telegraphen markirt werden könnte. Selbstverständlich
würde bei dieser Anordnung auf stark befahrenen Linien
die Länge der Signalstrecken, weil fortan deren zwei statt
bisher nur einer für völlig freies Durchfahren eines nach
folgenden Zuges gesperrt sein müssten, zu verkleinern,
äussersten Falles zu halbiren sein.
Mögen die mit dem Eisenbahnsignalwesen praktisch
und vorwiegend sich beschäftigenden Ingenieure diesen
Gegenstand weiter überlegen: im Folgenden soll eine
andere Seite der Signalfrage betrachtet werden. Muss
man nämlich den Signalen überhaupt eine so grosse Wich-
tigkeit beilegen, dass die geringsten Mängel oder Ver-
säumnisse in dem Erkennen und der Beachtung der-
selben seitens des Zugpersonals die grössten Gefahren
in fast sichere Aussicht stellen, so geht es nicht länger
an, dass man ihre Wahrnehmung und Auslegung den
Lokomotivführern und Oberschaffnern überlässt. Zurzeit
ist der Lokomotivführer die Hauptperson, von dessen
Wahrnehmungs-Vermögen die Sicherheit des Zuges ab-
hängt. Was dieses Wahrnehmungs-Vermögen, die Sinnen-
schärfe, anlangt, so begnügt man sich damit, Gesicht und.
Gehör auf normale Beschaffenheit zu untersuchen, und
wenn dabei auch seitens des untersuchenden Arztes alle
ihm mögliche Sorgfalt aufgewari'dt wird, so werden doch
nur grobe Mängel, wie Farbenblindheit und Harthörigkeit
eine Zurückweisung des Aspiranten vom Lökomotiv- oder
Fahrdienst in der Regel zurfolge haben. Wohlan denn,
wählen wir zu dem Beobachten der Signale eigene Leute,
denen die groben Arbeiten abgenömmen sind, sachkundige
Leute mit besonders scharfen Sinnen; statten wir diese
wie die Steuerleute der Seeschiffe mit den nützlichen
Hilfsmitteln wie Fernrohre usw. aus, weisen wir ihnen
einen Platz am Kopf der Lokomotive an, setzen sie mit
dem Führer wie mit dem ganzen Zugpersonale in Ver-
bindung; geben wir diesen Lootsen — wie man sie nennen
könnte — durch Glocken, Pfeifen, Detonationen, ständige
und Blitzlichter, vielleicht -auch Marconische Telegraphie
die Mittel, nach Aussen auf grössere Entfernungen Zeichen
zu geben und es wird dann die Sicherheit in einem so be-
deutenden Maasse sich steigern lassen, wie es sonst nicht
möglich ist. Dann kann beispielsweise für einen durch Ver-
sagen der Bremsen gefährdeten Zug, der eine Rampe hinab-
fährt, die Oeffnung eines todten Gleises oder Sandgleises auf
der nächsten Haltestelle (s, S. lo d. Js.) durch den Lootsen
rechtzeitig angeordnet werden. Würden nun die ohnehin
schon zu bedeutender Höhe angewachsenen Kosten für
Sicherheits-Einrichtungen durch die Anstellung von Lootsen
eher noch gesteigert werden, so würde doch erst durch
deren Anstellung eine scharfe Beobachtung der Signale,
optischer wie akustischer, auf der Strecke gefördert, ausser-
dem die Einführung von neuen Signalen vom Zuge aus
an die Streckenwärter und Stationen ermöglicht und damit
eine Sicherung der Züge herbeigeführt werden, wie sie
bisher nicht erzielt werden konnte. Dann könnten auch
Zweifel darüber,- ob Signalformen oder Lichtfarben wie
deren Zusammenstellungen richtig erkannt und beachtet
werden, nicht mehr aufkommen. Der Lootse würde sie
mit bewaffnetem Auge am sichersten erkennen. —
Dresden, im November 1901, Kopeke.
Entgegnungen in Sachen der statisch bestimmten mehrtheiligen Streben-Fachwerke.*)
I.
ie Auslassung des Hrn. Prof. Müller-Breslau in
No 90 S. 558 der Dtschn. Bztg. v. Js. trifft den eigent-
lichen Kern der zwischen ihm. und mir bestehenden
Meinungs- Verschiedenheiten so wenig, dass ich mich ge-
zwungen sehe, auf den Inhalt meiner früheren Entgegnung
in No. 80 S. 494 Jhrg. 1901 d. Bl. nochmals zurückzukommen.
Lieber die beiden ersten Punkte meiner Entgegnung
geht Hr. Müller-Breslau hinweg, woraus ich schliesse, dass
er seinen Irrthum nach dieser Richtung hin inzwischen
eingesehen hat. Dagegen geht Hr. Müller-Breslau auf den
dritten Punkt jetzt näher ein, indem er dabei die Bezeich-
nungen „gebräuchlich“ und „gleichmässig“ in be-
sonderer Weise auszulegen versucht. Dazu bemerke ich:
Ich habe in meiner von Hrn. Müller-Breslau kritisirten,
vor 3 Jahren erschienenen Abhandlung, 2theilige und mehr
als2theilige statisch unbestimmte Strebenfachwerke (letztere
selbstversiändlich mit steifen Ständern ausgerüstet gedacht)
den mehrtheiligen statisch bestimmten Strebenfachwerken
vergleichend gegenüber gestellt. Für mich galten dabei
als „gebräuchlich“ solche Systeme, die nicht bereits
der Geschichte verfallen sind, oder solche, die auch heute
noch mit Nutzen Verwendung finden können. Wenn man
streng sein wollte, müsste man demnach die Grenzen für
die „gebräuchlichen“ Strebenfachwerke noch enger
ziehen, als ich es damals gethan habe. Eigentlich dürfte
man zu den gebräuchlichen Systemen heute nur noch die
2theiligen rechnen, denn die mehr als 2theiligen kommen
heute höchstens noch in Ausnahmefällen oder bei beson-
deren Konstruktionen, z. B. beim Bau zerlegbarer eiserner
Kriegsbrücken vor. Und auch hier ihäte man nach
meiner Meinung besser, sie durch die mehrfachen statisch
bestimmten Strebenfachwerke zu ersetzen. Jedenfalls
rechne ich, wie es Hr. Müller -Breslau zu thun scheint,
das von ihm erwähnte ötheilige Netzwerk, das vor 30 Jahren
von Laissle-Schübler veröffentlicht worden ist, heute nicht
mehr zu den „gebräuchlichen“ Systemen.
Hier steht also Ansicht gegen Ansicht und ich halte
die meinige auch Hrn. Müller-Breslau gegenüber aufrecht.
Es wird nicht unnöthig sein, hier einzuschalten, dass es
ein geheimer Wettbewerb in Angelegenheiten derSchaffung
einer neuen eisernen Kriegsbrücke war, der mich zuerst
auf den Gedanken gebracht hat, den statisch bestimmten
mehrtheiligen Strebenfachwerken grössere Aufmerksamkeit
zuzuwenden. Dabei waren es nicht etwa, wie Hr. Müller-
Breslau noch zu glauben scheint, statische Ueberlegungen
allein, die mich führten, sondern hauptsächlich hatte ich
dabei die bekannten konstruktiven Mängel der gebräuch-
lichen statisch unbestimmten Fachwerke dieser Art im
Auge. Schon allein der Umstand, dass bei mehr als zwei-
theiliger Wandgiiederung die Nothwendigkeit steifer Stän-
■-) Anmerkung der Redaktion. Wir glauben hiermit beiden
Herren den genügenden Raum gewährt zu haben, um so mehr als der
Ausgangspunkt des Streites nicht in unserer Zeitschrift liegt. Wir schliessen
daher hiermit die Auseinandersttzung. —
der eintritt, Hessen die statisch unbestimmten Strebenfach-
werke in meinen Augen minderwerthig erscheinen gegen-
über den inrede stehenden statisch bestimmten Anord-
nungen. Denn mehr als zweitheilige Systeme sind minde-
stens dreifach statisch unbestimmt. Ihre Berechnung muss
daher, wenn sie nicht unzutreffende Ergebnisse liefern
soll, mit Rücksicht auf die Formänderungen des Systems
nach bekannten Regeln erfolgen. Eine Berechnung auf-
grund einer Zerlegung in Theilsysteme, wie sie Hr. Müller
Breslau ausführt, lasse ich nicht gelten, obwohl sie Hr.
Müller-Breslau jetzt die „übliche“ nennt, während er früher
in seinem bekannten Werke sich mit Recht gegen eine
derartige ungenaue Berechnungsweise ausgesprochen hat.
Wenn auch die Berechnung statisch unbestimmter
Fachwerke nach den von Mohr angegebenen ausgezeich-
neten scharfsinnigen Methoden heute jedem einigermaassen
mit der Statik vertrauten Ingenieur geläufig ist, so wird
man heute immer noch mit Recht derartige Systeme gegen-
über solchen statisch bestimmten Systemen, mit deren
Hilfe man die gleichen praktischen Erfolge erzielen kann,
zurückstellen müssen. Das ist wenigstens meine Ansicht
von der Sache. Man könnte aber mit den inrede stehen-
den statisch bestimmten Wandgliederungen bessere prak-
tische Erfolge erzielen als mit den „gebräuchlichen“ statisch
unbestimmten, und zwar: i. vermeidet man den Einfluss
der aus der Veränderlichkeit der äusseren Kräfte her-
rührenden Temperatur-Spannungen; 2. braucht man
keine steifen Ständer, ein Umstand, der namentlich
beim Bau amerikanischer Brücken, oder der mit Bolzen-
knoten ausgerüsteten eisernen Kriegsbrücken ins Gewicht
fällt; 3. sind (bei Voraussetzung von Bolzenknoten in den
Gurten) die Senkungen der Gurtknoten mit Einzellasten
bei den inrede stehenden statisch unbestimmten Systemen
viel ungleichmässiger als unter sonst gleichen Um-
ständen bei den statisch bestimmten Anordnungen. Nicht
ohne Grund wählen deshalb die Amerikaner ausschliess-
lich eintheilige Fachwerke für ihre Hauptträger, weil sie
die konstruktiven Nachtheile der mehrtheiligen Systeme
ihrer Bolzenbrücken längst erkannt haben. Ich füge noch
hinzu, dass man in Amerika . mit den von mir vorge-
schlagenen statisch bestimmten mehrtheiligen Wandgliede-
rungen bereits Versuche angestellt hat.
Die erwähnte Ungleichmässigkeit in den Senkungen
der Theilsysteme unter wandernden Einzellasten wird
durch steife Gurte gemildert. Trotzdem haben Konstruk-
teure wie Schwedler und Köpeke regelmässig schon
bei zweitheiligen Systemen sogenannte Mittelgurte ange-
wendet, um beide Theilungen möglichst gleichmässig
zum Tragen zu zwingen. Statisch lässt sich das erwähnte
uneieichmässige Verhalten der unbestimmten mehrtheiligen
Wandgliederungen wohl erklären, wenn man bedenkt, dass
bei der Verschiebung eines beliebigen Gurtknotens 7/1
durch eine in m wirkende Einzellast P alle diejenigen
Stab-Spannkräfte ohne Einfluss sind, welche von den
statisch nicht bestimmbaren Grössen X, insoweit diese
No. 12.
74
von P unabhängig sind, hefrühren. — Wenndch danach
in meinem von Hrn. Müller-Breslau angegriffenen Auf-
sätze, worin es sich um einen Vergleich von 'Wand-
gliederungen handelte, gesagt habe; „dagegen verthcilen
die stati>ch bestimmten mehrtheiligen Netzwerke alle
Lasten gleichmässig über das gesämmte Stabwerk dei
Wand“, so habe ich damit durchaus nicht an eine gleich-
massige Spannkraft-Vertheilung gedacht, wie dies ja
schon aus den von mir angegebenen Rechnungs-Ergeb-
nissen (S. 331 meines Aufsatzes) hervorgeht, ich nabe viel
mehr dabei die konstruktiven Mängel der ungleich-
mässigen Formänderungen im Auge gehabt, die daraus
entspringen, dass die einzelnen Theilsysteme der Wand
bei den in Vergleich gezogenen unbestimmten Anordnun-
gen die wandernden Einzellasten nicht gleichmässig über-
tragen. Bei der „üblichen“ Zerlegung in Theilsysteme
erscheint sogar nur dasjenige Wandsystem gespannt, in
weichem die Knotenlast P liegt, alle anderen Wandsysteme
sind spannungslos. Ich wiederhole aber, dass ich diese
„übliche“ Zerlegung in Theilsysteme bei der Berechnung
nur als einen unzureichenden Nothbehelf ansehe. Uebri-
gens müsste man auch, wenn man einen wirklich zu-
treffenden Vergleich der Spannkräfte anstellen wollte, ganz
anders rechnen, wie es Hr. Müller-Breslau thut. Man
müsste zwei der in Rede stehenden Systeme, ein statisch
bestimmtes und ein statisch unbestimmtes, unter gleichen
Verhältnissen vollständig durchrechnen, um schliesslich
die Grenzwerthe der Wandglieder-Spannkräfte mit ein-
ander vergleichen zu können. Dann erst könnte man er-
kennen, welches der beiden Systeme gleichmässiger ge-
spannt sei. Ein solcher Vergleich hätte aber wenig oder
gar keinen praktischen Nutzen, -was ich wohl nicht erst
näher darzuiegen brauche.
Schliesslich bemerke ich noch, dass ich in der von
Müller-Breslau angegriffenen Abhandlung die statisch be-
stimmten mehrtheiligen Wandgliederungen an keiner Stelle
„empfohlen“ habe, wie es Hr. Müller-Breslau jetzt be-
hauptet. Im Gegentheil, ich bin mir über deren geringe prak-
tische Bedeutung für den Brückenbau im allgemeinen von
vornherein ganz klar gewesen. Eine grössere Bedeutung
haben sie für den Bau eiserner Kriegsbrücken, und
hierfür habe ich sie seinerzeit an maassgebender Stelle
in Vorschlag gebracht. Wenn Hr. Müller-Breslau aber
so sehr gegen die von mir, wie er Unrechter Weise sagt,
„-empfohlenen“ Systeme eingenommen ist, so wundert es
mich nur, warum er diesen Anordnungen in der neuesten
Auflage seiner Statik (auf den S, 501—525) einen verhält-
nissmässig so breiten Raum gegönnt hat, während er die
von ihm empfohlenen statisch unbestimmten mehrtheiligen
Fachwerke (auf den S. 525—533) nur nothdüiftig „ange-
nähert“ unter Zerlegung in Theilsysteme berechnet.
Als der zu Unrecht Angegriffene erkläre ich, dass
dies mein letztes Wort in dieser unerquicklichen Sache
ist. Die „fehlerhafte Auffassung“ war dabei nicht auf
meiner Seite. —
Dresden, den i. Dez. 1901. .Mehrtens.
ir.
Auf die vorstehenden Ausführungen des Hrn. Mehrtens
erwidere ich, dass ich sämmtliche Punkte seiner ersten
Entgegnung gründlich widerlegt habe. Ich habe die
Gruppirung der inrede stehenden Fachwerke nach dem
gegenwärtigen Stande der Wissenschaft vorgenommen
und gezeigt, dass der von Hrn. Mehrtens aufgestellte
Satz in allen Theilen falsch ist, weil Hr. Mehrtens
in seiner Arbeit erstens den gebräuchlichen statisch
unbestimmten Systemen zwei Eigenschaften zuschreibt,
von denen eine die andere ausschliesst (biegungsfeste
Endsfänder und bewegliche Viereckzüge), w'^eU zweitens
das von ihm aufgestellte Kennzeichen des Auftretens von
(i— 2) Viereckzügen nicht zutrifft, und weil drittens, (und
das ist die Hauptsache) bei dem von ihm empfohlenen Sj^stem
anstelle der von ihm b ehaupteten Gleichmässigkeit die grösste
Ungleichmässigkeit herrscht. Den dehnbaren Begriff „ge-
bräuchlich“ musste ich in den Kauf nehmen, weil Hr.
Mehrtens den Fehler begangen hatte, einen Ausspruch, der
im Grunde mathematischer Natur ist, auf diesem unsiche-
ren Boden zu errichten. Ich habe als, gebräuchlich be-
zeichnet, was E. Winkler noch in der letzten Auflage
seines bahnbrechenden grossen Werkes als den regel-
mässigen Abschluss eines Netzwerkes beschrieben hat.
Und wenn Hr. Mehrtens das ihm zur Widerlegung der
Ziffer (t—2) ~ von mir entgegengehaltene Netzwerk als
nicht mehr gebräuchlich und „der Geschichte verfallen“
zurückweist, so antworte ich hierauf mit der Frage, ob
er die von ihm als gebräuchlich bezeichneten Netz-
8. Februar 1902.
werke' ,,mit Strebenzügen die für die Lastübertragung
nicht taugen“, noch für lebensfähig hält. Er hat aber diese
Frage bereits selbst dahin beantwortet, dass man „eigent-
lich“ nur noch die zweitheiligen Netzwerke als gebräuch-
lich bezeichnen dürfe, und verschärft dadurch nur meine
‘Ausstellung, dass dem Schlussatze seiner Abhandlung die
vvi>senschaftliche Strenge fehle. Hr. Mehrtens geht aber
in der Bestätigung meiner Einwendungen noch weiter;
früher hatte er als besonderen Vorzug des von ihm
empfohlenen Systems „die gleichmässige Vertheilung aller
Lasten über das gesammie Stabwerk der Wand, der Gurte
und der Ständer“ bezeichnet. Heute, nachdem ich ihm
die, grösste Ungleichmässigkeit nachgewiesen habe, erklärt
er, er habe durchaus nicht an eine gleichmässige Spann-
kraft-Vertheilung gedacht, sondern mehr „konstruktive
Mängel“ im Auge gehabt! Was die im Anschluss an
diese Erklärung angeführte selbstverständliche Thatsache,
„dass auf die Verschiebung eines Gurtknotens w (eines
unbestimmten Systems) durch eine in m wirkende Einzel-
last alle diejenigen Stabkräfte ohne Einfluss sind,
welche von den statisch nicht bestimmbaren Grössen' X,
insoweit diese von P^ unabhängig sind, herrühren“, be-
weisen soll, ist unverständlich. Im Allgemeinen hängt
das System der innerhalb gewisser Grenzen willkürlich
wählbaren Werthe X von den Belastungen sämmtliche.r
Knotenpunkte ab. .Die Einflusslinien der X bestehen aus
positiven und negativen Zweigen und besitzen daher auch
Nullpunkte. Das ist aber keine ausgezeichnete Eigenschaft
der XLinien; denn auch die Einflusslinien für die Spann-
kräfte L> in den Wandghedern d- r bestimmten Systeme
setzen sich aus positiven und negativen Theilen zusammen.
Im übrigen kommt es aber garnicht darauf an, ob cf„^
von einzelnen Stabkräften unabhängig ist, sondern ledig-
lich darauf,, ob die Gesammtwirkung aller betheiligten Stab-
kräfte eine günstige oder ungünstige ist, Aus der Formel
für cT^ infolge von P^^
= p^^ 2
S^s
EF'
wo S die Spannkraft für P,„= i ist, geht hervor, dass S
in d nur in der zweiten Potenz enthalten ist und die
Einflüsse aller Stabkräfte positiv sind. Da nun der Unter-
schied entsprechender d^^ der hier zu vergleichenden Sy-
steme hauptsächlich in den verschieden grossen Beiträgen
der Wandglieder besteht, so gewinnt man schon ein un-
gefähres Bild von dem Verhalten beider Systeme, wenn
man die Summe der von den Wandgliedern herrührenden
Werthe mit einander vergleicht. Mit Hilfe der in meiner
Graphischen Statik angegebenen Ordinaten der Eintluss-
linien für die D sin <p erhält man für den dritten Knoten-
punkt der unteren Gurtung des von Hrn. Mehrtens em-
pfohlenen Trägers (No. 90 d. Jahrg. 1901 der Dtschn.
Bztg. Abbildg. 2)
2g2
und für den Knoten 3 des statisch unbestimmten Trägers
(Abbildg. 4 a. a. O.)
i'flä sin* f + 6 . ^ ^
30J
Diese Zahlen reden gewiss eine deutliche Sprache zu
Ungunsten des ersten Trägers. Zu gleich ungünstigen
Ergebnissen für dieses Fachwerk gelangt man, wenn man
nicht die Werthe , sondern die gegenseitigen Verschie-
bungen der Knotenpunkte und namentlich die für die
Beurtheilung der Zwängungs-Spannungen wichtigen Aen-
derungen der Winkel 5-^^ berechnet, welche die auf-
einanderfolgenden Gurtstäbe (m — i)m und m (m -f i) mit
einander bilden. Die Formel für lautet:
P„
T
S^s
EF
SS's \
EF I ’
wo A die Feldweite bedeutet und S' die Spannkraft be-
zeichnet, welche infolge von zwei in (m — 1) und (m-f-i)
angreifenden nach aufwärts gerichteten Lasten i : A ent-
steht. In dieser Formel spielt das erste Glied die Hauptrolle.
Für die Punkte 3 der beiden hier verglichenen Träger er-
hält man ^ D D' sin^ <p ~ 0,04 bezw. ^DÜ' cp =0.
Auf die zur Begründung meiner Kritik des ungünstigen
Spannungsbildes seines Systems von mir beigebrachten
Zahlenwerthe erwidert Hr. Mehrtens, „man müsse ganz
anders rechnen, wie es Hr Müller-Breslau thut; man müsse
zwei der inrede stehenden Systeme vollständig durchrech-
nen, um die Grenzwerthe der Wandglieder-Spannkräfte
mit einander vergleichen zu können“. Nun finden sich
aber auf S. 531 meiner Graphischen Statik alle Grenzwerthe
max D und min D für das statisch unbestimmte System
und auf S. 518 die Ordinaten säramtlicher D*Linien für
75
das bestimmte Fachwerk, mit deren Hilfe Jedermann so-
fort die max D und min D berechnen kann. Die beiden
wichligsten, für sich allein ausschlaggebenden Werthe
max D infolge der Verkehrslast habe ich sogar in dieser
Zeitschrift mit einander verglichen und dabei ausdrücklich
hervorgehoben, dass diese Werthe Grenzwerthe sind.
Sollte Hr. Mehrtens dies wirklich übersehen haben? Neben-
bei habe ich dann noch die gleichzeitig in anderen
Diagonalen herrschenden Spannkräfle angegeben, um die
Gleichmässigkeit der Vertheilung der bei einer besimmten
Zugstellung entstehenden Querkräfte über die von einem
senkrechten Schnitte getroffenen Wandglieder zu prüfen.
Aus den Einwänden des Hrn. Mehrtens (in denen er
diesen Vergleichungen den praktischen Nutzen abspricht)
geht hervor, dass er selbst derartige eingehende Unter-
suchungen nicht angestellt hat, obgleich gerade er dazu
verpfli(3itet gewesen wäre, als er in seiner Abhandlung
das neue System empfahl. Heute erklärt er zwar, er
habe diese Anordnung gar nicht empfohlen; ich behaupte
aber, dass in der Hervorhebung der Vorzüge einer neuen
gegenüber einer älteren Sache unstreitig eine Empfehlung
des Neuen liegt. Weiter erklärt Hr. Mehrtens nunmehr,
er sei sich von vornherein über die geringe praktische
Bedeutung seiner Bauart für den Brückenbau im allge-
meinen klar gewesen; eine grössere Bedeutung habe sie
nur für den Bau eiserner Kriegsbrücken. Der erste Theil
dieses Satzes bestätigt nunmehr die Richtigkeit meiner
Beurtheilung; zu dem zweiten Theile bemerke ich, dass
ein für den allgemeinen Brückenbau wegen seines un-
günstigen Spannungs-Zustandes untaugliches System den
besonderen viel schwierigeren Aufgaben des feldmässigen
Brückenbaues erst recht nicht gewachsen ist. Gerade
bei einer zerlegbaren eisernen Kriegsbrücke ist die grösste
Gleichmässigkeit der Beanspruchung der einzelnen Theile
anzustreben. Die Anzahl der verschieden geformten Theile
muss möglichst klein sein. Handelt es sich z. B. um eine
Brücke mit Bolzengelenken, so müssen alle Gelenkbolzen
denselben Durchmesser, und alle Stäbe dieselben Augen
erhalten, damit alle gleichartigen
Theile mit einander vertauscht wer-
den können. Ein mehrtheiliges Fach-
werk, mit Wandgliedern in der Nähe
des Auflagers, die so stark bean-
sprucht werden wie bei einem ein-
theiligen System, muss ohne weiteres
als unbrauchbar zurückgewiesen wer-
den, weil diese grossen Kräfte D die
Konstruktion sämmtlicher Knoten-
punkte ungünstig beeinflussen. Auf
den wesentlich kleineren Kräften D
beruht gerade in der feldmässigen
Brückenbaukunst die
Ueberlegenheit der
richtig konstru-
irten statisch unbe-
stimmten mehrtheili-
gen Fachwerke gegen-
über den bis jetzt
bekannt gewordenen
bestimmten Anord-
nungen. Und wenn
Hr. Mehrtens sagt, dass
bei den unbestimmten
Systemen die Schaf-
fung steifer Endständer
Schwierigkeiten be-
reite, so hat er wohl
die der Geschichte ver-
fallenen schweren bie-
gungsfesten Endstän-
der im Auge gehabt,
mit denen allerdings
keine Armee ins Feld
rücken kann; er über-
sieht, dass in dem
wichtigen Gebilde der
gegliederten Scheibe
und in der Einschal-
tung von Vertikalen ein
längst bekanntes Mittel
zur Verfügung steht,
diese Schwierigkeiten
spielend zu überwin-
den. Ganz ohne Bedeu-
tung ist, was Hr. Mehr-
tens über den Einfluss
der Temperatur auf
die unbestimmten Bal-
ken - F achwerke sagt ;
sie spielen längst die
Rolle nicht, wie z. B.
die Zwängungs -Span-
nungen in statisch be-
stimmten Systemen mit
steifen Knoten, um
die sich bekanntlich
Niemand bei der Be-
rechnung von Brücken
kümmert.*)
In seinen weiteren
Ausführungen sagt Hr.
Mehrtens, ich hätte in der neuen Auflage des I.Bandes meiner
Graphischen Statik die von ihm „empfohlenen'' bestimmten
Systeme sehr ausführlich, die anderen aber sehr kurz
behandelt, und erklärt, er könne die Berechnung der un-
bestimmten Systeme auf dem Wege der Zerlegung in
*) Da Hr. Mehrtens mittheilt, ein geheimer Wettbewerb io Ange-
legenheit der Schaffung einer neuen eisernen Kriegsbrücke sei die Ver-
anlassung gewesen, die ihn zuerst auf den Gedanken gebracht habe, den
statisch bestimmten mehrtheiligen Strebenfachwerken grössere Aufmerk-
samkeit zuzuwenden und dadurch den Eindruck erwecken kann, dass er
damals schon das von ihm neuerdings empfohlene bestimmte System in
Vorschlag gebracht habe, so muss ich hier als einer der Preisrichter jenes
Wettbewerbes erklären, dass dies nicht der Fall gewesen ist, dass er
vielmehr ein unbestimmtes System eingereicht und auf Grund der Zer-
legung in bestimmte bysteme berechnet hat. Zu einer weiteren Mittheilung
über diesen Gegenstand bin ich leider nicht befugt.
76
No. 12.
Theilsysteme nicht gelten lassen; früher hätte ich mich
ebenfalls gegen diese Zerlegung ausgesprochen. Hierauf
erwidere ich: Es ist mir gar nicht eingefallen, alle be-
stimmten mehrtheiligen Fachwerke zu verurtheilen. Der
Bauart Mehrtens ist nur ein knapper Raum gewidmet
worden; nicht mehr als unbedingt nöthig war, um ihre
Untauglichkeit 2iffernmassig nachzuweisen. Die anderen
von mir untersuchten bestimmten Fachwerke verdanken
ihre Aufnahme nicht der Empfehlung des Hrn. Mehrtens,
sie enthalten Bekanntes und von mir hinzugefügtes Neues
{Tragwerk in Fig. 514); wobei zu beachten ist, dass
die Behandlung des bestimmten Systems, ganz abgesehen
von dessen Werthschätzung, in einem auf Vollständigkeit
Anspruch erhebenden Werke über die Statik der Bau-
konstruktioiien auf jeden Fall gegeben werden muss, weil
sie den unentbehrlichen Unterbau für die genauereTheorie
der unbestimmten Systeme bildet. Die knappe, aber, wie
ich behaupte, vollständige Behandlung der angenäherten
Berechnung des unbestimmten mehrtheiligen Fachwerks
ist eine Folge der Leichtigkeit dieser Aufgabe; bezüglich
der genaueren Berechnung ist ausdrücklich auf Band II*)
verwiesen worden. Bereits in der früheren Auflage
meiner Graphischen Statik habe ich (im Gegensätze zu
der mir von Hrn. Mehrtens beigelegten Ansicht) betont,
dass es Fälle giebt, in denen das genäherte und das
*) Dieser zum grössten Theil bereits gedruckte Band wird bald er-
scheinen. Er enthält die genaue Berechnung eines viertheiligen Netz-
werkes mit steifen Endscheiben.
8. Februar 1902.
genaue Verfahren befriedigend übereinstimmen. Nur
habe ich Ingenieuren, welche die strenge Theorie nicht
beherrschen, und deshalb auch nicht entscheiden können,
wo die Grenze für die Zulässigkeit der Näherunasrechnung
liegt, den Rath gegeben, von statisch unbestimmten mehr-
theiligen Fachwerken lieber abzusehen , da zwingende
Gründe für deren Verwendung im gewöhnlichen Brücken-
bau nicht vorliegen. Die inzwischen von mir und meinen
Hörern angestellten sorgfältigen Untersuchungen mehr-
theiliger Netzwerke mit steifen Endscheiben oder ein-
geschalteten Vertikalen konnte ich damals noch nicht
berücksichtigen.
“T Unter anderem habe ich im dienstlichen Aufträge die
von Hrn. Major Lübbecke konstruirte Kriegsbrücke vor
der Inangriffnahme der Ausführung, unter der Mitwir-
kung der Hrn. Hauptmann Strobe und Oberleutnant
Kirchner, (Offizieren der Eisenbahnbrigade und ehe-
maligen Hörern meiner Vorlesungen), eingehend nach dem
strengen Verfahren geprüft; auch bei den zahlreichen
wissenschaftlichen Versuchen habeich miteewirkt**). Zwei
solche Brücken (wie die meisten Kriegsbrücken unbe-
stimmte mehrtheiiige Fachwerke), sind im monatelangen
Verkehr erprobt worden. Und dass sie die Probe bestanden
haben, beweisen die in dem gegenwärtig zur Berathung
stehenden Etat eingestellten 4,5 Millionen M. für Lübbecke-
sches Brückenmaterial. Mehr über diese Brücken zu sagen,
verbietet sich aus naheliegenden Gründen. —
Müller-Breslau.
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- u. Ing.-Vereiu zu Hamburg. Vers, am 22. Nov.
1901. Vors. Hr. Zimmermann, anwes. 65 Pers., aufgen.
die Hrn. Ing. Erik Unger Nyborg, Bmstr. Erich Bunnies
und Ing. Wilh. Pohlmann.
Es erhält das Wort Hr. Rambatz, welcher mittheüt,
dass er die Eindrücke, welche er auf einer wesentlich
zum Zwecke der Erholung unternommenen Sommerreise
nach München und Tegernsee empfangen habe, wieder-
geben möchte. Er schildert die Lage des Ortes Tegern-
see am Uebergang der Alpen zur Bayerischen Ebene und
spricht sich befriedigt aus über die Art, in welcher dort
dem Bedürfniss der Sommerfrischler aus Bayern nach länd-
lichem Aufenthalt genügt worden sei.
Die zu diesem Zweck dort erbauten
Landhäuser mit ihrem länglich recht-
eckigen Grundriss, dem überstehen-
den Dach mit umlaufendem Balkon,
ohne weiteren architektonischen Auf-
putz von Zinkornamenten u. dergl.
unterscheiden sich vortheilhaft von
dem dem Stadthause nachgebildeten
Typus unserer nordischen Grosstadt-
villen. Redner erwähnt die dort be-
findliche Benediktiner- Abtei, welche
nach vielfachenUmbauten
schliesslich in den Besitz
des Herzogs Karl Theodor
von Bayern gekomm en sei
und von welcher behaup-
tet wird, dass sie die Ge-
burtsstädte der Glasmale-
rei sei. Er schildert so-
dann die Lage des Ortes
an der am See entlang
nach Tyrol führenden
Strasse und rühmt die
Erhaltung der Landes-
tracht bei den Bewohnern
gegenüber dem Ver-
schwinden der maleri-
schen Tracht derTyroler.
Redner wendet sich
dann zur Wiedergabe der
Eindrücke, welche er bei
seinem Aufenthalte in München von der grossartigen bau-
lichen Entwicklung dieser Stadt empfangen hat. Er hat in
früheren Jahren Gelegenheit zu längerem Aufenthalte in
München gehabt, zu einer Zeit, wo die Stadt inbezug auf
ihre Bedeutung noch auf der Stufe kleinerer Residenz-
städte, wie etwa Dessau oder Strelitz, gestanden habe,
und sei überrascht über die Veränderung, die das ganze
Städtebild infolge des Angliederns umliegender Bezirke
erfahren habe. Der früher dort beliebte Ziegelrohbau
**) Die in der österreichisch-UDgarlschen Armee eingeführte, von Hm.
Obering. Job. Kobn in Budapest konstruirte zerlegbare eiserne Kriegs-
brücke ist mir ebenfalls s. Z. vom Hrn. Erfinder dieser eigenartigen Bau-
art zur Beurtheüung vorgelegt worden. Die Zerlegung in statisch be-
stimmte Theilsysteme habe ich auch bei dieser Brücke für zulässig erkannt.
77
habe jetzt keine Anhänger mehr, man finde vielmehr
überwiegend Putzbau, aber nicht in der Form der -Ver-
wendung des Putzes als Surrogat iür Werkstein- Archi-
tektur, sondern in eigenartiger, der Natur des Materials
angepasster Ausführung, mit flachem Relief und verschie-
denartiger Behandlung der Puizflächen, wodurch eine
reizvolle Wirkung erzielt wird. Die Farbe sei meistens ein
zartes Hellgrau, doch kommen auch lebhaftere Färbungen
vor, die zuweilen sogar übertrieben wirken. Die Dächer
bestehen meistens aus roihen Ziegeln, sie erfahren eine
liebevolle Behandlung und folgerichtige Anwendung der
Giebel, wobei die Benutzung der letzteren als reines De-
korationsmotiv vermieden ist.
Die vorkommenden Werksteinfassaden unterscheiden
sich vortheilhaft von der in Berlin üblichen glatten Bear-
beitung der Flächen, sodass der Charakter des Quader-
baues erhalten bleibt, wofür, als Beispiel besonders auf
den Justizpalast verwiesen wird.
Nach Erwähnung einiger neuer Monumentalbauten
Münchens, insbesondere des Bayer. National - Museums
und des Künstlerhauses, sowie der Kunstausstellung mit
der sehr bescheiden dabei vertretenen Architektur-Aus-
stellung, wendet- sich Redner zu einer Besprechung der
neueren Platz- und Strassenanlagen und skizzirt die Lage
des Justizgebäudes, wobei er das Fehlen jeglicher Be-
ziehungen der Hauptaxen des Gebäudes zu den umgeben-
den Sirassenzügen rügt. Besser liegt das National-Museum
an der Prinz-Regentenstr., welche als eine stattliche Strassen-
anlage bezeichnet wird, bei der nur leider eine befriedi-
gende Verbindung mit dem sonstigen Strassennetz fehlt.
Als Beispiel für die Ausbildung des heutigen städti-
schen Wohnhauses Münchens wird vom Redner- eine von
ihm besichtigte Wohnung in einem grossen Etagenhause
beschrieben und im Grundriss skizzirt. Die Wohnung be-
steht aus s Zimmern mit Küche, Badestube und Neben-
räumen und sollte nach der an Ort und Stelle erhaltenen
Auskunft 3800 M. Miethe (? Die Red.) kosten, was als ein für
hiesige Verhältnisse ganz unmöglicherPreis bezeichnet wird.
Endlich bespricht Redner noch ausführlich das Münche-
ner Schauspielhaus und das Prinzregenten-Theater, beide
nach. Entwürfen der Architekten Heilmann und Littmann
erbaut, und bezieht sich hierbei auf den in No. 66 der
Dtschn. Bztg. erschienenen Aufsatz von Albert Hofmann
in Berlin : „Zur Entwicklung und Bedeutung des moder-
nen Theaters als einer: sozialen Wohlfahrtsanstalt.''
Redner schliesst mit einer Beurtheilung der modernen
Münchener Bauart, von der er bekundet, dass dieselbe
seiner Ansicht nach auf gesunden Bahnen wandele.
Nachdem dem Redner für seinen von der Versammlung
mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag vom Vor-
sitzenden gedankt ist, wird wegen vorgerückter Zeit der
noch auf der Tagesordnung stehende Vortrag des Hrn.
Elvers über Reiseeindrücke aus London vertagt. —
Vers, am .29. Nov. 1901. Vors. Hr. Zimmermann,
anwes. 66 Pers.
Der Hr. Vorsitzende theilt mit, dass der Verbands-Vor-
stand ein Exemplar der „Denkschrift über die Stellung der
höheren städtischen Baubeamten“ geschickt habe, und dass
eine Subskriptionsliste zum Bezug dieser Denkschrift im
Vorzimmer ausgelegt sei. Neben einigen weiteren Mit-
theilungen wird vom Vorsitzenden aufmerksam gemacht
auf einen bevorstehenden Wettbewerb der Hamburger
Freihafen-Lag^baus-Gesellschaft unter Hamburger Archi-
tekten für Entwürfe zu einem Direktions-Gebäude mit einem
Kostenaufwand von 350 000 M.
Sodann erhält das Wort Hr. Burchard zu einem
Vortrage über „Neuere Deckenkonstruktionen“. An
Hand eines reichen Materials ausgestellterZeichnungen giebt
Redner eine Uebersicht über die in den letzten Jahren
zu so grosser Zahl angewachsenen neuen Erfindungen auf
dem Gebiete der Konstruktion massiver Decken, welche von
ihm in zwei Hauptgruppen, ohne und mit Eiseneinlagen ein-
getheilt werden. Auf eine Wiedergabe des Vortrages muss
hier verzichtet werden, da dieselbe ohne das Zeichnungs-
material schwer ausführbar ist. Nachdem Redner auf einige
Fragen — von Hrn. Hennicke bezügl. der Konstruktion der
Behrens’schen Decke und von Hrn. Heubel bezügl. der
Feuersicherheit der Trägeruntersichten in Putz — erwidert
hat, spricht- der Vorsitzende ihm unter lebhaftem Beifall
den Dank für seinen interessanten Vortrag aus.
Im Hinblick auf die vo.rgerückte Zeit wird, der zweite
Gegenstand der Tagesordnung: „Die Streik-Klausel in
Bauverträgen“ auf die nächste Sitzung verschoben. —
Mo.
Arch.- u. Ing.-Verein zu Bremen. In 6 Hauptversamm-
lungen und 28 ord. Sitzungen, die durchschnittlich von
23 Mitgliedern besucht waren, hat der A.- u. I.-V. während
des verflossenen Jahres an der Verfolgung seiner viel-
seitigen Aufgaben gearbeitet; In einer 'Reihe von' Fällen
hätte er die Genugthuung, den Behörden mit gutachtlichem
Rathe zurseite stehen zu können. So wurden auf Ersuchen
der Polizei-Direktion die Verordnungen über Anlage und
Betrieb von Fahrstühlen in einer Kommission festgestellt
und die seit mehreren Jahren mit umfänglichen Vorar-
beiten in Vorbereitung begriffene neue Bauordnung einer
abermaligen Berathung und Redaktion unterzogen. Auf
Veranlassung der Baudeputation erliess der Verein das
Preisausschreiben zur architektonischen Ausschmückung
der Kleinen Weserbrücke unter Bremischen Architekten
und hatte damit einen erfreulichen Erfolg. Ebenso hatte
er sein Gutachten abzugeben über die Pläne zur Bebauung
des Gebäudeblockes am Markt und Kaiser Wilhelmsplatz,
dessen architektonische Behandlung demnächst zum zweiten
Male Gegenstand eines Preisausschreibens werden soll,
Unter den grösseren Vorträgen, die durchweg aus dem
Arbeitsstoff der betreffenden Mitglieder gegriffen, infolge
der angesammelten Menge eigener Erfahrungen meist als
inhaltsreiche und anregende Fachabhandlungen gelten durf-
ten, seien die folgenden erwähnt: H. Gräpel über „die
Brücken Bremens und die Pläne zu deren Um- und Neu-
bauten“; Dittmann, „Organisation und Leistungen der
französischen Feuerwehr“ und später „Entwicklungs-Ge-
schichte der Handfeuerwaffe“; Lange, „die Ausbildung
der Techniker an deutschen Hochschulen und die Vor-
schläge zu ihrer Reform“; Dr. Schaefer, „das moderne
Kunstgewerbe nach den Erfahrungen der Pariser Welt-
ausstellung“ ; Laue, „elektrische Schiffszugs-Einrichtungen
für Kanäle“; Käufel, „neue maschinelle Anlagen beiden
modernen Schnelldampfern“; Dr. J, Müller, „der singende
Lichtbogen und die drahtlose Telegraphie“ mit Vorlührung
der nöthigen experimentalen Versuche; Oeltjen, „neue
Strassenbrücken im Bremer Landgebiet“; Wilda,.„selbst-
thätig sich schliessende Ventile beim Bruch von Dampf-
rohren“; Suling, „Das System der Befeuerung der Unter-
weser“; Wagner, „moderne Irrenanstalts - Bauten“;
Bücking, „Das Wasserstrassennetz Schwedens und seine
Geschichte“. — Wie die einzelnen Mitglieder häufig Ge-
legenheit nahmen, aus ihrem jeweiligen Wirkungskreise
in kleineren Mittheilungen interessante Einzelheiten zur
Besprechung zu bringen, so berichtete im Zusammenhänge
mit der Besichtigung des vollendeten Domes E. Ehrhardt
über seine letzten Wiederherstellungs-Arbeiten, insbeson-
dere den Bau des Altars und die Ausschmückung des
Chores, und zur Vorbereitung einer gemeinsamen Be-
sicUtigung erörterte Bücking die neuesten Arbeiten und
. die damit gemachten Erfahrungen bei der Korrektion der
Aussenweser. Ausserdem wurden unter Führung von
H. Gräpel die neuen Kläranlagen im Blocklande und
unter Führung von Karbe die nunmehr fertig gestellten
Bauten des neuen Gaswerkes in Augenschein genommen.
Die ausserordentlich lebhafte Theilnahme der Fachge-
nossen und der Behörden, unter der die Mitglieder mit
ihrem Vorsitzenden H. Bücking am i. April v. J. dessen
25jährige Thätigkeit im Bremischen Staatsdienste feierten,
gereichte auch dem Verein zu schöner Ehre. Das Fest
gab im Kleinen, so wie die Wander-Versammlung des
Verbandes 1900 im Grossen Gelegenheit, das Bewusstsein
zu stärken, dass Bremen die Bedeutung der technischen
Wissenschaft und ihrer Vertreter für das moderne Wirth-
schaftsleben zu schätzen und zu ehren weiss. — Sch.
Die V. Hauptversammlung des „Deutschen Beton-Ver-
eins“ findet am 26. u. 27. Febr. d. J. im Architekteiihause
zu Berlin statt. Aus der Tagesordnung heben wir hervor:
Bericht über die Frage: „Wie prüft man Zementröhren“;
Vortrag des Hrn. Ob.-Ing. Dr. Meissner über „armirten
Beton und- dessen Anwendung im Hoch- und Tielbau“;
Vortrag des Hrn. Ob.-Ing. Schönbrunn über „Beton-
Brücken“; Mittheilungen über bemerkenswerthe Bauaus-
führungen und neue ßetonprodukte usw. —
Vermischtes.
Die etatsmässige Anstellung der Reg.-Baumeister der
preuss. Staatsbau Verwaltung wird durch einen Erlass des
Hrn. Ministers d. öffentl. Arbeiten vom 17. Jan. d. J. ander-
weitig geregelt. Es können nämlich die Reg.-Baumeister
nach 5jährigem Staatsdienst sowohl im Ressort des Minist,
d. öff. Arbeiten, wie ^ demjenigen der landwirthschaftl.
Verwltg. unwiderruftich angestellt werden. Sie erlangen
dann mit dieser Erklärung „die Pensions-Berechtigung nach
Maassgabe der gesetzl. Bestimmungen einschl. des Anspruchs
ihrer Hinterbliebenen auf Wittwen- und Waisengeld, so-
wie das Recht auf , den Bezug der gesetzl. Umzugskosten
bei Versetzungen und können nur noch im Wege des
Disziplinär -Verfahrens aus dem Staatsdienste entlassen
werden“.
78
No. 12.
Es wird damit ein im Vorjahre (Dtsche. Bztg. 1901
S. 231) ira Abgeordnetenhause gegebenes Versprechen der
Staatsbauverwaltung eingelöst, mit welchem wenigstens die
schwerwiegenden Misstände der übergrossen Wartezeit der
Staatsbaubeamten bis zur endgiltigen Anstellung in etwas
gemildert werden. Allerdings kann man aus dem Wort-
laute des Erlasses auch den Eindruck gewinnen, als wenn
mit dieserVerbesserung der Verhältnisse gleichzeitig wieder
eine Verschärfung der Annahme-Bedingungen der Reg.-
Baumeister in Aussicht genommen sei, Durch diesen
Erlass wird nämlich der Abs, 4 des § 50 der Vorschrift
über die Ausbildg. u. Prüfung f, d. Staatsdienst i. Baufache
V. I. 7. 1900 anscheinend nicht unwesentlich geändert, so-
weit die Entlassung der noch nicht etatsmässig angestellten
Reg.-Baumeister infrage kommt. Während es nämlich
früher hiess: „Kommt der Regierungs-Baumeister seinen
dienstlichen Verpflichtungen nicht nach oder
führt er sich so tadelhaft, dass er zur Verwen-
dung im Staatsdienst, nicht geeignet erscheint,
so kann von dem Minister d, öffentl. Arbeiten seine Ent-
lassung aus dem Staatsdienst verfügt werden. Er verliert
damit das Recht auf die Führung des Titels „Regierungs-Bau-
meister“, setzt der neue Erlass anstelle dieser Ausführung;
„Die Reg.-Baumeister werden aussereiatsmässig zunächst
auf Widerruf angestellt und können, sofern sie sich nicht
als geeignet für den Staatsdienst erweisen, auf
Vfg. d. Ministers usw. aus dem Staatsdienst entlassen wer-
den. Hierbei wird in jedem Falle bestimmt, ob mit der
Entlassung das Recht zur Führung des Titels „Regierungs-
Baumeister“ verloren geht, oder ob der Titel mit dem
Zusatz „a. D.“ fortgeführt werden kann.“
Vergleicht man die gesperrten Stellen dieser beiden
Erlasse namentlich auch noch im Zusammenhänge mit der
Bestimmung über die Aberkennung des Titels „Regierungs-
Baumeister“, so ist es wohl zweifellos, dass der jetzige
Erlass nicht nur die des Staatsdienstes „unwürdigen“ trifft,
also diejenigen , welche gewissermaassen auf disziplinari-
schem Wege entfernt werden, sondern auch solche, die
vielleicht nur in ihren Fähigkeiten den augenblicklichen
An.sprüchen der Verwaltung nicht voll entsprechen. Wir
hoffen, dass der Erlass nicht in diesem Sinne gemeint
sein soll, aber jedenfalls kann er so aufgefasst werden. —
Verbandsrohr der deutschen Zentralhelzungs - Industri-
ellen. Der Verband deutscher Zentralheizungs-Industrieller
hat mit 'dem Syndikat der deutschen Rohrwalzwerke ein
Abkommen getroffen, nach welchem dieselben ein in be-
stimmten Maassen, Wandstärken und Gewichten herge-
stelltes und auf bestimmten Druck geprüftes Verbandsrohr
liefern. Von diesem Rohr ist (mit Ausnahme des Rohres
von IO nim Durchm., welches aus technischen Gründen nicht
gestempelt werden kann) jede Stange mit dem gesetzlich
■geschützten Waarenzeichen gestempelt. —
Todtenschau.
Adolf von Hänei f. In Stuttgart starb am 4. Febr. im
Alter von 77 Jahren nach langem Leiden der Baudirektor
und Professor a. D. Adolf von Hänei, ein um die deutsche
Technik hochverdienter Fachgenosse. Im Alter_,von nur
23 Jahren begann er 1847 seine Lehrthätigkeit, der er erst
nach S3 Jahren, 1900 entsagte, um einer nur kurzen be-
schaulichen Ruhe zu leben. Als Lehrer für Brückenbau
an der Technischen Hochschule in Stuttgart und als Hilfs-
lehrer an der dortigen Baugewerkschule leitete er die
Ausbildung zahlreicher deutscher und fremder Ingenieure.
Insbesondere die Ingenieure Württembergs sassen fast
vollzählig zu seinen Füssen. Aus seinem Schülerkreise
sind zahlreiche hervorragende Ingenieure an Hochschulen
und in der Praxis hervorgesangen. Im Jahre 1897 be-
ging der Verstorbene seine 50jährige Jubelfeier als Lehrer.
Hänei war seit 1848 Mitglied und seit 1888 Ehrenmitglied
des Württembergischen Vereins für Baukunde; in den
Jahren 1885 und 1886, spwie 1891 und 1892 war er Vor-
sitzender dieses Vereins. Hänei war auch Ehrenmitglied
des Sächsischen Ingenieur- und Archiiekten-Vereins. —
Bücherschau.
Statik für Baugewerkschulen und Baugewerksmeister von
Karl Zillich, Wasserbauinsp. H. Th. Festigkeits-
lehre. 2. Aufl. Berlin 1902. Verlag von Wilhelm
Ernst & Sohn. Pr. kart. 2,50 M.
Wir haben bereits bei dem erstmaligen Erscheinen
des kleinen Werkes auf dasselbe hingewiesen, da es seinem
Zwecke in praktischer Weise entspricht und innerhalb
des selbst gezogenen engen Rahmens als recht brauchbar
erscheint. Es gliedert sich in 3 Theile, von denen der
erste die graphische Statik, der zweite die Festigkeitslehre,
8. Februar 1902,
der dritte die Berechnung grösserer Konstruktionen wie
Dächer, Gewölbe, Stützmauern usw. zum Gegenstand hat.
Vom 2. Theile liegt uns jetzt die 2. Aufl. vor, die gegen-
über der I. eine Reihe von Verbesserungen zeigt,. nament-
lich auch durch Hinzufügung einiger neuen Tabellen über
die Tragfähigkeit von Stützen bereichert ist. —
Die Umschau. Uebersicht über die Fortschritte und Be-
wegungen auf dem Gesamrafgebiet der Wissenschaft,
Technik, Litteratur und Kunst. Herausgegeben von
Dr. J. H. Bechhold. Wöchentlich i Nummer, jähr-
lich 12 M. Verlag H. Bechhold, Frankfurt a. M._ —
Ein sehr bemerkenswerther Aufsatz des Privatdozenten
an der Techn. Hochschule in Charlottenburg 0. Stiehl
über „die Anfänge des deutschen Wohnbausbaues“ giebt
uns Veranlassung, auf diese Zeitschrift hinzuweisen als
auf ein Blatt, das geeignet ist_, in den wissenschaftlichen
und technischen Ereignissen in allgemeinerer Form auf
dem Laufenden zu halten. —
Anleitung zum Entwerfen und zur statischen Berechnung
für gemauerte Fabrikschornsteine usw. von H. Jahr,
kg]. Gewerberath, Hagen i. W., 1902. ,9. Aufl. Ver-
lag von Otto Hammerschmidt, Preis kart. 2 M. —
Das vorliegende, 100 Seiten in klein 8 0 umfassende
Schriftchen, das von seinem Verfasser „für den praktischen
Gebrauch“ bearbeitet ist, erfüllt diese Aufgabe thatsäch-
lich in hohem Maasse, da es in gedrängter Kürze und
klarer Darstellung alles für praktische Zwecke Wjssens-
werthe aus dem betreffenden Gebiete zusammenfasst. Es
werden zunächst die Grundlagen geschaffen für die Be-
rechnung, indem die Gutachten der preuss. Akademie
des Bauwesens, die Verfügungen des Ministers d. öffentl.
Arbeiten, die Beschlüsse der vom Flandelsministerium 1900
zusammenberufenen Sachverständigen -Kommission über
die anzunehraende Höhe des Winddrucks, sowie der zu-
lässigen Spannungen usw. vorausgeschickt werden, wo-
ran sich dann die Durchführung der Berechnung knüpft,
deren Ausführung durch zweckmässig angeordnete Rech-
nungsvordrucke, in welchen die Abmessungen und die
Rechnungs-Ergebnisse übersichtlich zusammengestelit wer-
den können, erleichtert wird. Angeschlossen ist noch eine
Anleitung zur Berechnung von eisernen Schornsteinen und
eisernen Dachkonstruktionen, wie sie gemäss § 10 Abs. 4
der Anweisung zur Genehmigung der Dampfkessel vom
9. März 1900 den Konzessionsanträgen für solche Anlagen
beizufügen sind.
Das Werkchen kann auch denen empfohlen werden,
die, ohne in die Theorie der Berechnung tiefer eindringen
zu müssen, sich doch in einfacher Weise Kenntniss von
den leitenden Gesichtspunkten verschaffen wollen. —
Charakteristische Giebelbauten und Portale in Danzig aus
der Zeit vom 14. bis 18. Jahrhundert. 60 Blatt Licht-
drucke nebst einem Vorwort. Herausgegeben vom
We--:tpreussischen Architekten- und Ingenieur-Verein
zu Danzig. Verlag von R. Th. Kuhn's Erben in
Danzig, igor. Preis 6 M. —
Eine interessante Sammlung zum grossen Theil noch
wenig bekannter Blätter, welche den Reichthum Danzigs
an charakteristischen Bauten zur Erscheinung bringen.
XIV., XV. und XVI. Jahrhundert sind durch kleinere
Gruppen von Bauwerken vertreten, -während das XVII.
und das XVIII. Jahrhundert den Löwenantheil für, sich
beanspruchen. Das dankenswerthe Unternehmen geht vom
Architekten- und Ingenieur-Verein in Danzig aus, der es
für seine Pflicht hielt, , .wenigstens das jetzt noch Erhaltene
in Bild und Wort festzulegen, in der Hoffnung, hierdurch
manche Bürger der Stadt auf den architektonischen und
künstlerischen Werth der aus fiüheren Jahrhunderten
stammenden Bauten aufmerksam zu machen und zur Er-
haltung dieser charakteristischen Bauten Danzigs beizu-
tragen“. —
Preisbewerbungen.
Ein engerer Wettbewerb um Entwürfe für ein Brahms-
Denkmal ln Wien ist unter den Bildhauern Max Klinger
in Leipzig, Joh. Benk, Karl Kundmann und Rud. Weyr,
die letzteren in Wien, erlassen worden. —
Zur Urheberschaft des mit dem I. Preise gekrönten Ent-
wurfes zum Hamburger Bismarck-Denkmal hatte uns Hr.
Arch. E. Schaudt unter dem n. Jan. die Mittheilung ge-
macht: Der gesammte Entwurf für das Denkmal ist
thatsächlich von mir ohne irgend einen Einfluss von
Seiten des Bildhauers; von Hrn. Lederer ist nur die
Figur des Roland-Bismarck. Auch das architektonische
Modell ist von mir“. Im gleichen Sinne berichteten wir
in unserem Aufsatze über den Wettbewerb. Es schreibt
uns nun Hr. Schaudt unter dem 31. Jam, dasa diese ße-
19
merkung falsch aufgefasst worden sei und zu der irrigen
Annahme geführt habe, dass auch der Gedanke der Bis-
marck-Statue von ihm ausgehe. „Mein Mitarbeiter, Hr.
Lederer, hat die Bismarck-Statue entworfen und vollendet,
ohne dass ich irgendwie daran betheiligt war, und
ich gestehe mit Freuden, dass gerade sein Werk unserem
Entwurf zur Anerkennung verholfen hat'*. —
Chronik.
Die Gründung einer modernen Gallerie in Wien ist durch
eine Vereinbarung zwischen Staat, Stadt und Land beschlossen
worden. Das auf dem Kaidsplatze in Wien mit einem Aufwands
von 2,5 Mül. Kr. zu errichtende städt. Museum ist zur Aufnahme
der Gallerie bestimmt. Für das Gebäude ist ein engerer Wettbe-
werb in Vorbereitung. —
Eine Lungenheilstätte der Stadt München-Gladbach soll
auf einem Waldgelände der Gemeinde Hardt errichtet werden. Für
die Heilstätte steht ein Vermächtniss von 800000 M. zur Verfügung. —
Der Ausbau der Universitätskirehe in Innsbruck ist durch
eine Stiftung des Hrn. Hans von Sicherer ermöglicht und in diesen
Tagen vollendet woiden. Die Kirche wurde 1620 nach einem Ent-
würfe Solario’s begonnen, blieb aber infolge, des 30 jährigen Krieges
ohne Thürme und Fassade. Diese sind nun nach einem Entwurf
des Arch. Friedr. Schachner in Wien hinzugefugt worden. —
Ein Eisenbahntunnel unter dem Hudson zur unmittelbaren
Einführung der Pennsylvaoian-Eisenbahn in das Herz von New- York
wird mit einem Kostenaufwand von rd. 80 Mül. M. geplant. Der-
selbe soll auch den East-River kreuzen, also Brooklyn und ganz
Long-Isiand erschliessen. Die Länge dieser für den Verkehr von
New-York überaus wichtigen Tunnelstrecke würde id. 24 km be-
tragen. —
Die Schiffbarmachung der oberen Donau wird nach Fertig-
stellung des Entwurfes für die Main -Donau-Wasserstrasse zum
Gegenstände des Studiums durch den bayerischen Kanalverein ge-
macht werden. Die Kosten sind mit 35000 M. veranschlagt. Als
Leiter der Arbeiten ist Hr. Bauamtmann Faber in Aussicht ge-
nommen. —
Die Anlage von Thalsperren im Gebiete der Ocker und
ihrer Nebenflüsse ist durch die herzogl. braunschweigische Re-
gierung mit einem Aufwande von etwa 15 Mill. M beabsichtigt. —
Für den Bau einer Thalsperre im oberen Ruhrgebiet im
Hennethale hat sich am 19. Dez. v. J. eine Thalsperre-Genossen-
schaft gebildet. Fassung des Sammelbeckens 9,5 Mill. cbm, Bau-
kosten 2,25 Mül. M. Planung und Oberleitung der Ausführung liegen
in den Händen des Hrn. Prof. Intze in Aachen. —
Der Bau der österreichischen Alpenbahnen, namentlich
der zweiten Verbindung mit Trie.st, macht gute Fortschritte. Nach
eingehenden Versuchen hat man sich für die beiden grossen Tunnel
dieser Linie, den Wocheiner und den Kar awan ken-Tunn el,
für die elektrische Bohrung entschieden. Die Vergebung dieser
Arbeiten ist cingeleitet. —
Die Errichtung eines Bismarck-Denkmals in Heilbronn
findet nach einem Entwurf des Architekten Prof. Otto Rieth in
Berlin statt. —
Für eine Wiederherstellung der romanischen Doppel-
kirche in Schwarz - Rheindorf, die nach dem Entwuife von
Ludwig Arntz lediglich die Erhaltung des Bestehenden ins Auge
fasst, sind die auf den Staat, die Provinz und die Stadtgemeinde
vertheütcn Mittel gesichert. —
Die Errichtung eines Krematoriums in Karlsruhe 1. B.
durch den dortigen Verein für Feuerbestattung ist durch Ueber-
lassung eines Geländes auf dem slädt. Friedhofe angefaahnt. —
Die Errichtung einer thüringischen technischen Hoch-
schule in Jena ist angebahnt und die Verhandlungen darüber
zwischen den Regierungen der thüringischen Staaten dem Ab-
schluss nahe. - -
Die Einrichtung eines Hochwasser-Nachrichtendienstes
für das Donaugebiet ist durch das kgl. bayerische hydi otechnische
Büreau erfolgt. Eine gleiche Organisation für das Maingeb. et ist
in Aussicht genommen. —
Neue Theater in Stuttgart. Anstelle des abgebrannten Hof-
theaters in Stuttgart sollen zwei neue ständige Theater erbaut
werden: ein einfacheres Schauspielhaus und ein reicheres
Opernhaus. —
Für einen Neubau des Hoftheaters in Braunschweig nach
den Entwürfen des Architekten Heinrich Seeling in Berlin be-
willigte der braunschweigische Landtag i 350 000 M. —
Ueber einen Neubau der Augustus- Brücke in Dresden
nach dem Entwurf des Hrn. Stadtbrth. Klette ist ein Einverständ-
niss zwischen Ministerium und Stadt erzielt worden. Die neue
Brücke wird an der Stelle der alten und wieder in Stein errichtet.
Die Brückenöffnungen erhalten eine Spannweite von etwa 40 m. —
Die 43. Hauptversammlung des Vereins deutscher Inge-
nieure findet vom 16. — 18. Juni in Düsseldorf statt. —
Wiener Kunstausstellungen. Die Ausstellung des Wiener
„Hagenbundes" ist am 28. Jan. in der Zedlitzgasse, in einem Theile
der nach Entwürfen von Jos. Urban umgestalteten Markthalle er-
öffnet worden. Die „Sezession“ eröffnete ihre Ausstellung am
I. Febr. im Gebäude am Getreidemarkt, für welches Kolo Moser
die neue künstlerische Anordnung traf. —
Personal-Nachrichten.
Preussen. Aus Anlass des Krönungs- u. Ordensfestes sind
folgende Ordens-Auszeichnungen verliehen: Dem Geh. Adm.-Rtli.
Mar.-Ob.-Brth. F r a n z i u s in Kiel, dem Geh. Ob.-Fin.-Rth. L a c o m i ,
vortr. Rath im Fin.-Min., dem Geh. Ob.-Brth. v. Münstermann,
vortr. Rath im Min. für Landwirthschaft usw., dem Geh. Adm.-Rath
Rechtem, vortr. Rath im Reichs-Mar.-Amt, den Geh. Ob -Brthn.
80
Schneider, vortr. Rath im Min, d. öff. Arb., Schönhals,
vortr. Rath im Kriegs-Min. und Semler, vortr. Rath im Reichs-
Eisenb.-Arat, der Rothe Adler-Orden II. Kl. mit Eichenlaub. —
Den Ob.- u. Geh. Brthn. Hassengier in Posen, J a n s s e n
in Bromberg u. Neumann in Breslau, dem Geh. Brth. Saal,
vortr. Rath im Min. d. öff. Arb., der Rothe Adler Orden III. Kl.
mit der Schleife. —
Den Reg.- u. Brthn. A d a n k in Köslin, Albert in Magdeburg,
Beckmann in Kassel, Behrndt in Berlin, u. Biedermann
in Minden; dem Eisenb.-Betr.-Dir. Bozen hardt in Strassburg
i. E.; dem Reg.- u. Brth. Bremer in Mainz, dem Geh. Brth.
Hrünecke in Halle a, S. , dem Gouvein. -Bmstr. Drees in
Kamerun, z. Zt. in Berlin, dem Geh. Brth. Franck in Hannover,
dem Brth. F r e y in Berlin, dem Mar.-Brth. Gromsch in Tsingtau
(Kiautschou), dem Geh. Reg.-Rth. Prof. Hartmann in Berlin,
dem Int.- u. Brth. Hartung in Berlin, dem Brth. Heckhoff
in Metz, dem Eisenb.-Dir. Hinrichs in Breslau, dem Reg.-
Rath im kaiserl. Patentamt Hintz, dem Reg.- und Brth.
Klopsch in Schleswig, dem Brth. Kuhn in Strassburg i. E.,
dem Reg.- u. Brth. Kuntze in Münster i. W., den Brthn. Dr.
Laubenheimer in Metz, Lehmann in Liegnitz u. Lünzner
in Düsseldorf, dem Eisenb.-Dir. Michalke in Berlin, dem Reg.-
u. Brth. Multhaupt in Wiesbaden, dem Prof, an der Techn.
Hochschule in Hannover Dr. Ost, dem Eisenb.-Dir. Peters in
Seesen, dem Brth. Rattey in Berlin, dem Reg.- u. Brth. Rett-
berg in Hannover, den Reg.-Rthn. Rohr in Strassburg i. E. und
Schaefer im kais. Patentamt, dem Reg.- u. Brth. Schellen-
berg in Erfurt, dem Eisenb.-Dir. Schmidt in Kassel, den Brthn.
Schmitt in Colmar i. E. und Schultz in Landsberg a. W., dem
Eisenb.-Dir. Seidl in Stettin, den Reg.- u. Brthn. Siegel in
Kattowitz u. Sprengell in Altona, dem grossh. bess. Reg.- u.
Brth. Stahl u. dem Eisenb.-Dir. Stephan in Halle a. S., dem
Reg.- u. Brth. S 1 0 s c h in Stade, dem Postbrth. S t r u v e in Berlin,
den Reg.- u. Brthn. Uhlenhuth in Erfurt u. Ulrich in Elber-
feld und dem Landesbauinsp, Xylander in Hersfeld der Rothe
Adler-Orden IV. Kl.
Dem Geh. Reg. -Rath K ö h I e r , Prof, an der Techn. Hoch-
schule in Hannover der kgl. Krooen-Orden II. Kl. — Dem Brth.
Spinn in Weüburg der kgl. Kronen-Orden III. Kl. mit Schwertern
am Ringe. — Dem Geh. Mar.-Brth. Bugge in Kiel, dem Mar.-Ob.-
Brth. Mechlenburg in Danzig, dem Geh. Reg.-Rth. Dr. Paasche,
Prof, an der'i'echn. Hochschule in Kerlin, dem Geh. Brth. Schmidt,
Int. u. Brth. in Berlin, dem Mar.-Ob.-Brth. Thämer in Berlin der
kgl. Kronen-Orden III. Kl.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. P. H. in Berlin. Wortlaut und Entstehungsgeschichte
des B. G. B. § 648 lassen keinen Zweifel, dass die Ablehnung Ihres
Antrages begründet ist. Denn durch § 648 sollte nur ein Schutz
der Bauhandwerker und Baugewerksmeister geschaffen werden.
Die irn Reichstage beantragte Erweiterung des Schutzes auf alle,
welche Leistungen irgend welcher Art bei Entstehung eines Bau-
werkes gethan haben würden, fand keine Billigung des Hauses oder
der Reichskomnüssare. Mithin hat man es im § 648 mit einer Aus-
nahme-Bestimmung zu thun, welche streng auszulegen und auf
Leistungen nicht auszudehnen ist, die von Bankünstlern gewährt
werden, entweder durch Herstellung des Entwurfes, oder Ueber-
wachung der Bauausführung vom architektonischen Standpunkte.
Sie werden sich also bei der Ihnen gewordenen Ablehnung des
Eintragungsantrages zu bescheiden haben.
Dagegen steht Ihnen noch immer der Weg des schleunigen
Arrestes oder der einstweiligen Verfügung offen, um auf demselben
zur Eintragung Ihrer Forderung zu gelangen, sofern Sie die Zahlungs-
unsicherheit Ihres Bestellers und den Ihnen daraus drohenden Ver-
lust Ihrer Forderung glaubhaft zu machen vermögen. Ohne die
Hilfe eines Rechtsanwaltes werden Sie jedoch Ihr Ziel schwerlich
erreichen. — K. H-e.
Hrn. Arch. K. in T. u. Hrn. Arch. H. in St. Moritz.
Wände nach Ihrem Wunsch, sich selbst tragend, „gut gegen Durch-
hörigkeit, solide und dauerhaft“ und gleichwohl „möglichst billig“
giebt es leider nicht. Denn mit der Zunahme der geforderten Vor-
züge wächst selbstversiändlich auch der Preis der Wände. Ge-
bräuchlich sind hier u. a. Rabitz-, Gipsdielen-, Lugino-, Monier- und
Korkwände, einfach in entsprechender Stärke je nach ihrer Höhe
und Breite, oder auch namentlich der Schalldämpfung halber, ver-
doppelt mit etwa 5 cm starker schlecht tonleitender Zwischenfüllung,
sowie Elias-Drahtwände; Material: Gips, Kalk, Zement und Kork,
z. Th. mit Eiseneinlagen. Unserer Erfahrung nach empfehlen sich
jedoch mehr die aus porösen Steinen in Zementmörtel hergesteüten
Wände, ’/i oder */a Stein stark, welche aber unterstützt sein müssen,
oder die Prüss’schen ebenso stai'ken Wände aus porösen oder
schwach gebrannten Steinen, welche sich freitragen uud die meisten
Vortheile in sich vereinigen, aber auch am theuersten sind (hier
rd. 4,50 M. für r qm mit Material). Wir rathen Ihnen im übrigen,
da bei jeder Zwischenwand andere Bedingungen und Zwecke in-
frage kommen, verschiedene Arten selbst auszuprobiren, und zwar
für thürlose Scheidewände die leichteren, für solche mit Thüren
aber unbedingt die solideren Konstruktionen zu wählen. A.
Hm. Bautechn. H. in Langfuhr. Ihre Anfrage entbehrt
des allgemeinen Interesses, wir müssen Sie daher zu unserem Be-
dauern bitten, sich einem Rechtsanwälte anzuvertrauen. Einen
solchen kann der Briefkasten nicht ersetzen. —
Inhalt: Das neue Gebäude der Allgemeinen Versorgungs-Anstalt in
Karlsruhe i. B. — Der Eisenbahn-Lootse. — Entgegnungen in Sachen der
statisch bestimmten mehrtheiligen Streben-Fachweike. — Mittheilungen aus
Vereinen. — Vermischtes — Todtenschau — Bücherscliau. — Preisbewer-
bungen. — Chronik. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veranwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh, Greve, Berlin.
No. 12.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 13. Berlin, den 12. Februar 1902.
Strebel’s Original-Gegenstrom-Gliederkessel. (D. R. P. No. 76582.)
nnter diesem Namen führt die bekannte Heizungs-
und Lüftungs- Firma Rud. Otto Meyer in Ham-
burg seit einigen Jahren ein für Niederdruck-Dampf-
und Warmwasser-Heizung bestimmtes Kesselsystem aus
(hergestellt in dem eigenen Eisenwerk der Firma in Mann-
heim), das sich wegen seiner besonderen Vorzüge einer
zunehmenden Beliebtheit erfreut. Wir geben in den Ab-
bildungen eine Kesselform wieder, wie sie für Niederdruck-
Dampf-Heizung bestimmt ist; die allgemeine Anordnung
trifft aber auch zu für Warrawasser-Kessel. Danach be-
steht der ganz in Gusseisen ausgeführte Kessel aus einer
Anzahl von 0-förmigen, senkrechten Gliedern, die zwischen
sich einerseits die Hohlräume W zur Aufnahme des
Wassers bezw. Dampfes, andererseits die Rauchkanäle K
wohl dem Angriff des Feuers, wie namentlich aber auch
dem Rost in den Zeiten der Heizunterbrechung gut wider-
steht. Die Kessel sind mit einem Isolirmantel mit Kiesel-
guhrasbest-Ausfütterung gegen Wärmeverluste geschützt,
eine Ummauerung erfordern sie dagegen nicht. Zur Hei-
zung sind gasarme Brennmaterialien wie Koks, Anthracit
zu verwenden, wenn die volle Leistungsfähigkeit ausge-
nutzt werden soll. Der grosse Füllraum gestattet dabei
Dauerbrand und vereinfacht also die Bedienung. Durch die
ausgedehnte Heizfläche des Kessels und die der Bewegung
des zu erwärmenden Wassers entgegen gerichtete Strö-
mung der Heizgase wird eine bedeutende Heizwirkung
erzielt, während die Heizgase nach Möglichkeit ausgenutzt
werden. Letztere sind beim Austritt nach Angabe der
und einen verhältnissmässig grossen Füll-
raumfür dasBrennmaterial einschliessen,
also eine sehr bedeutende Heizfläche be-
sitzen. Durch Rohrstutzen am oberen
und unteren Ende der Glieder, die bei
der Zusammensetzung in einander ge-
presst werden, wird zwischen den ein-
zelnen Räumen iV eine durchgehende
Verbindung hergestellt.
Die sonstigeAnordnung des Kessels,
die Fülithür F, die Aschenthür S, die mit
dem Regulator verbundene Klappe F
sind aus den Zeichnungen ersichtlich,
die auch die überaus einfache Aus-
bildung der Glieder erkennen lassen,
durch deren Vermehrung unter Aufrechterhaltung des
richtigen Verhältnisses zwischen Heizfläche, Rost, Füll-
raum und Rauchkanälen die Leistungsfähigkeit des Kessels
leicht erhöht werden kann. Die Roste sind an die Glieder
angegossen, was zulässig ist, da die Wasserumspülung eine
ausreichende Abkühlung derselben ergiebt. Das Material
des ganzen Kessels ist weiches, dichtes, feuerbeständiges
Gusseisen, das bei seinen einfachen glatten Formen so-
Firma bis auf 30— 40OC. über der Tem-
peratur des Kesselwassers abgekühlt,
während der Nutzeffekt des Kessels
bis auf 94% steigt.
Für die Dampfkessel, welche auf
3 Atm. Ueberdruck geprüft werden,
kommen 2 Formen in Anwendung, mit
bezw. ohne besonderen Oberkessel für
den Dampf. Die reinen Wasserkessel
werden auf 6 Atm. geprüft. Ausgeführt
werden 8 Modelle in 62 Grössen von
2,5— 2o«nn Heizfläche.
Da die Kessel wenig Raum weg-
nehraen, namentlich niedrig sind, sich
leicht auseinander nehmen und zusam-
mensetzen lassen, einfach in der Bedienung und dauerhaft
sind, dabei eine gleichmässige Temperatur bei hohem
Nutzeffekt liefern, ist ihre Anordnung namentlich als Warm-
wasserkessel in Gewächshäusern eine sehr umfangreiche
geworden. Nach Angabe der Firma sind derartige Kessel
bereits in erheblicher Anzahl geliefert, davon ein grosser
Theil für Gewächshäuser, die übrigen für Geschäftshäuser,
Schulen, Hötels, öffentl. Gebäude aller Art. —
Zur Pensionirung der Baubeamten.
mUe „Deutsche Bauzeitung“ hat wiederholt über den
I Prozess des Intendantur- und Bauraths a. D. B. gegen
' den Reichs-Militär-Fiskus berichtet, welcher nicht
nur für die Baubeamten, sondern für alle Staatsbeamten
von grundsätzlicher Bedeutung ist. In dem Prozesse
handelte es sich darum, ob die im Prival-Eisen-
bahndiensi zugebrachte Urlaubszeit auf die pen-
sionsfähige Dienstzeit anzurechnen ist oder nicht.
Das Reichsgericht hat diese Frage für die Reichsbeamten
bejaht Der preussische Finanzminister und der Minister
der öffentlichen Arbeiten haben die Reichsgerichts-Ent-
scheidung Jedoch bezüglich der preussischen Staats-Bau-
beamten nicht für maassgebend erachtet (z. B. im Falle
des Bauraths B. ^1^758 9^^- d.ö. A.,1. 14691/98 F.M.).
In der „Deutschen Bauzeitung" Jahrg. XXXII. No. 96 vom
30. Nov. 1898 ist deshalb aus der Feder des Unterzeich-
neten ein Aufsatz veröffentlicht worden, in welchem die
Ansicht begründet ist, dass das Reichsgerichts-Unheil auch
auf die preussischen Beamten anzuwenden sei und zwar
81
für alle Urlaubsfälle. Es liegt nunmehr ein Reichs-
gerichts-Urtheil vor, in welchem diese Ansicht
ihre Bestätigung findet. (Fiskus •/• Krone, Unheil
vom II. Oktbr. 1900 No. 155/1900 IV). Der Juristischen
Wochenschrift (No. 86 und 87) entnehmen wir folgende
Urtheiisgründe:
„Zum Pensionsgesetz vom 27. März 1873 23. §§ i,
5 und 19.
Der § I des Gesetzes bestimmt, dass jeder unmittel-
bare Staatsbeamte, der sein Diensteinkommen aus der
Staatskasse bezieht, aus derselben — unter festgesetzten
Bestimmungen — eine lebenslängliche Pension erhält, und
der § 13 verordnet: Die Dienstzeit werde vom Tage
der Ableistung des Diensteides gerechnet; könne
jedoch ein Beamter nachweisen, dass seine Vereidigung
erst nach dem Zeitpunkte seines Eintritts in den Staats-
dienst stattgefunden habe, so sei die Dienstzeit von die-
sem Zeitpunkte an zu rechnen. Voraussetzung für die
Anwendung des Gesetzes ist darnach, dass es sich um die
Pensionirung eines zurzeit ein unmittelbares Staatsamt be-
kleidenden Beamten handelt, und wenn dies, was hier zu-
trifft, der Fall ist, so wird, wie der § 13 als Regel hin-
stellt, die Dienstzeit vom Tage der Ableistung des Dienst-
eides, d. h. von der eidlichen Verpflichtung zum Staats-
dienste an gerechnet. Die letztere Vorschrift ist eine posi-
tive Gesetzes-Bestimraung, die eine Erörterung und Fest-
stellung darüber, ob mit dem Zeitpunkte der Vereidigung
der Beeidigte thatsächlich in den Staatsdienst eingetreten,
ein Staatsdiener-Verhältniss begründet worden ist, oder
eine formelle Anstellung des Beamten stattgefunden hat,
ausschliesst. Solches ergiebt sich, wie der Berufungs-
Richter angenommen hat, aus dem Wortlaute des Gesetzes,
sowie aus dem Zwecke desselben, der darauf gerichtet ist,
es solle jedem Zweifel, der über den Zeitpunkt des Ein-
tritts des Beamten in den Dienst entstehen könnte, vor-
gebeugt werden. Auch spricht für die fragliche Annahme
die Bestimmung des zweiten Satzes des § 13, die sich als
eine Ausnahme- Vorschrift darstellt und welche den Nach-
weis des Zeitpunktes des Diensteintritts nur dann erfor-
dert, wenn der Beamte behauptet, dass seine Vereidigung
erst nach seinem Eintritt in den Staatsdienst stattgefunden
habe. Der Sinn des Gesetzes geht dahin, dass für
die Pensionsberechnung das Dienstverhältniss
. als durch die Vereidigung begründet anzusehen
' ist. In gleichem Sinne hat sicli das R.-G. in dem Urtheile
vom 12. Mai 1898 (Entsch. in Zivilsachen Bd. 41 S. iio,
112*) ausgesprochen. Zur Unterstützung dienen auch die
Gesetzesmaterialien insofern, als bei der Berathung des
Gesetzentwurfs in der Kommission des Hauses der Abge-
ordneten (vgl. Verhandlung des Hauses der Abgeordneten,
Session 1871/72, Drucksachen Bd. 3 No. 189 S. 7) die Frage
angeregt ist, ob der von den früheren Auditoren in der
Provinz Hannover geleistete Eid als Diensteid im Sinne
des § 13 anzusehen sein würde und der Regierungs-Kom-
missar diese Frage bejahend beantwortet hat, ohne zu-
gleich eine Einschränkung inbetreff anderer Beamten-
Kategorien hinzuzufügen. Auf den Inhalt der von dem
Bekl. inbezug genommenen Vorschriften über die Aus-
bildung und Prüfung für den Staatsdienst ira Baufache
und auf die hervorgehobenen Abweichungen, die zwischen
den neueren Vorschriften aus den Jahren 1886 und 1895
und den älteren Vorschriften aus den Jahren 1849, 1855,
1857 und 3868 (Ministerialblatt für die innere Verwaltung,
bez. Jahrgänge S. 198, 51, 29, 280) bestehen, kann es nach
der dargelegten Sachlage nicht weiter ankommen. Von
wesentlicher Bedeutung ist nur, dass auch nach
den älteren Vorschriften, wie sie zu der hier ent-
scheidenden Zeit in Geltung waren, die Baube-
flissenen, die die Bauführer-Prüfung bestanden
hatten, von der Staatsbehörde zu Bauführern er-
nannt und mit dem Staatsdienereide belegt wur-
den. Wenn nun aber für die Berechnung der Pension
eines Beamten das Dienstverhältniss als durch die Ver-
eidigung begründet anzusehen ist, so ist dem B. R. auch
darin beizutreten, dass der Lauf der Dienstzeit, solange
das Dienstverhältniss nicht rechtswirksam aufgehoben, ein
fortdauernder ist und dass eine Unterbrechung
desselben nur in den vomGesetze vorgesehenen
Fällen eintritt. Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Es
handelt sich allein um Zeitabschnitte von zusammen 2 Jahren
2 Monaten und 23 Tagen, während welcher der Kl. wegen
Krankheit nicht dienstfähig gewesen ist. Dass aber Krank-
heit des Beamten den Lauf der Dienstzeit hemmt, ist im
Gesetze nicht ausgesprochen. Auch der § 5 des Pensions-
Gesetzes steht dem Bekl. nicht zurseite. Wenn die Re-
vision den Erwägungen des B. R. gegenüber geltend ge-
macht hat, die Annahme sei irrig, dass der Beweis, der
") Vgl. Dtsch. Bztg. Jahrg. XXXE., 1898 No. 62.
82
Kl. sei als Bauführer jedesmal nur für ein seiner Natur
nach vorübergehendes Geschäft oder auf bestimmte Zeit
angenommen, nicht aus allgemeinen Vorschriften, deren
Befolgung im einzelnen Falle nicht feststehe, entnommen
werden könne, sondern für den besonderen Fall geführt
werden müsse, so kann die Richtigkeit dieser Auffassung
dahingestellt bleiben. Der B. R. hat zutreffend darauf
hingewiesen, dass der § 5 a. a. O. nur solche Beamte, die
ausdrücklich auf eine bestimmte Zeit oder für ein seiner
Natur nach vorübergehendes Geschäft angenommen seien,
von dem Ansprache auf Pension ausschliesse, dass aber
der Beklagte nicht behauptet habe, dass dies auf den Kl.
zutreffe. Ebensowenig kann sich der Bekl. mit Erfolg auf
die von der Revision als verletzt bezeichnete Vorschrift
des § 19 Abs, i Ziff. 2 des Pensions-Gesetzes berufen,
die dahin geht, dass mit königlicher Genehmigung ange-
rechnet werden könne die Zeit praktischer Beschäftigung
ausserhalb des Staatsdienstes, insofern und insoweit die
Beschäftigung vor Erlangung der Anstellung in einem un-
mittelbaren Staatsamte herk^ömmlich gewesen sei. Diese
Vorschrift hat Zeitabschnitte im Auge, die hinter der Ver-
eidigung des Beamten zurückliegen. Sie bezieht sich, wie
die Gesetzesmaterialien ergeben (vgl. Verhandlungen des
Hauses der Abgeordneten, Session 1871/72, Drucksachen
Bd. 2 No. 105, Motive der Regierungs-Vorlage S. 17, 18,
Bd. 3 No. 189, Kommissionsbericht S. 8, 9), nur auf einzelne
Beamten-Kategorien, insbesondere das Personal desLootsen-
dienstes, das sich aus den Kauffahrteifahrern rekrutirt, die
vormals Schieswig-Holseinschen Amtssekretäre, die im
Privatdienste von Staatsbeamten gestanden hatten und die
älteren Bergtechniker, die erst in späteren- Jahren zur
Vereidigung für den Staatsdienst gelangt waren. Aus der
Vorschrift kann daher ein Argument für die Auffassung
des Bekl. nicht entnommen werden.“
Wenngleich nun der dem R.-G Urtheil zugrunde lie-
gende Fall nur einen Krankheitsurlaub betrifft, so gelten
die Gründe doch auch für jede andere Art des Ur-
laubs, also namentlich auch auf Beurlaubungen zum
Zwecke der Beschäftigung im Privatdienste, wie sie heut-
zutage, namentlich bei den Regierungs-Bauführern, häufig
Vorkommen.
Nachdem jetzt das Reichsgericht für das Reich und
für Preussen gesprochen hat, werden sich die Behörden
gegen die gleichartigen Ansprüche anderer Beamten nicht
mehr ablehnend verhallen können. Freilich wird den
freudigen Empfindungen, die mancher bereits pensionirte
Beamte beim Lesen dieser Zeilen empfinden mag, ein
Dämpfer aufgesetzt durch eine Entscheidung des Reichs-
gerichts, die in derselben Nummer der Juristischen Wochen-
schrift abgedruckt ist (Reichsfiskus gegen K. vom 11. Okt.
1900, No. 168/jooo IV). Ein Reichs-Baubeamter, anschei-
nend von der Militär-Bauverwahung, hatte auf Erhöhung
seiner Pension geklagt, ist aber vom Reichsgericht abge-
wiesen worden, weil er die sechsmonatige Frist zur
Beschreitung des Rechtsweges gegen die Ent-
scheidung der oberstenReichsbehörde (despreussi-
schen Kriegsrainisteriums) versäumt hatte. Das Reichs-
gericht hat den Satz ausgesprochen, dass der Erlass der
obersten Reichsbehörde, welcher einem Reichsbeamten
auf seinen Pensionirungsantrag eröffnet, dass seinem An-
träge stattgegeben und die ihm zustehende Pension auf
den und den Betrag bestimmt werde, diejenige Entschei-
dung sei, von deren Kundmachung die Frist zur Beschrei-
tung des Rechtsweges beginnt, und dass dem betheiligten
Beamten nicht freistehe, den Beginn dieser Frist durch
beliebig zurückzuhaltende oder bei der Reichsbehörde
einzubringende, an keine Zeitschranke gebundene Bitten
oder Anträge auf Erhöhung des bestimmten Pensions-
betrages hinauszuschieben.
Hiernach werden die Wohlthaten der oben wieder-
gegebenen Entscheidung den bereit spensionirten Be-
amten grösstentheils nicht mehr aufgrund eines
Rechtsanspruches zugute kommen können, weil
die sechsmonatliche Frist verstrichen ist. Der Staat kann
sich aber meines Erachtens den Ansprüchen
dieser Beamten gleichwohl nicht gut entziehen
und zwar aus folgender Erwägung: Die Beamten mögen
die Nichtanrechnung gewisser Urlaubszeiten schon früher
oft als ein Unrecht empfunden haben. Sie mögen aber
der Meinung gewesen sein, dass die Entscheidung ihrer
Vorgesetzten Behörde dem Gesetz entspreche. Soweit
sie nicht dieser Meinung gewesen sind, werden sie einen
Prozess gescheut haben, um sich nicht der Gefahr aus-
zusetzen, im Falle des Unterliegens die sehr erheblichen
Kosten dreier Instanzen tragen zu müssen. Mancher mag
auch den Ausgang der zahlreichen, über die inrede stehende
Frage in den letzten Jahren anhängig gemachten Prozesse
abgewartet und darüber die Frist versäumt haben. Jetzt
ist das Recht der Beamten unzweideutig festge-
No. 13.
stellt, und es entspricht der Billigkeit, dass diejenigen
Beamten, die aus Rechtsunkenntniss gerichtliche Schritte
unterlassen haben, dadurch keinen Nachtheil erleiden.
Man kann nicht etwa einwenden, dass dann die Fristvor-
schrift des Gesetzes überhaupt werthlos sei. Dieser Ein-
wand würde unbegründet sein, denn es ist zu bedenken,
dass es sich hier um eine Prinzipienfrage handelt, die
nur einmal entschieden zu werden braucht, um für immer
erledigt zu sein. Für die strenge Beobachtung der Frist-
vorschrift sind noch genug Fälle übrig, in denen lediglich
Sonderfragen zu entscheiden sind. In solchen Fällen liegt
allerdings kein Grund vor, das Gesetz aus Billigkeits-Rück-
sichten ausser Anwendung zu lassen. —
Berlin W. 30. Landrichter Dr. Boethke.
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- u. Ing.-Verein zu Wiesbaden. Die VI. ord. Ver-
sammlung fand am 2. April v. J. unter Vorsitz des Hrn.
Brlh.*?., Genzmer statt. Sie war ausschliesslich der Er-
ledigung geschäftlicher Angelegenheiten gewidmet. Die
Zahl von 67 Mitgliedern blieb unverändert. Die Zahl der
ord. Mitglieder stieg von 51 auf 55, während die Zahl der
ausserord. von 16 auf 12 zurückgegangen ist. Es folgte
die Erstattung des Kassenberichtes durch Hrn. Weiler.
Ausgaben und Einnahmen glichen sich mit 373,63 M. aus.
Der Haushaltungsvoranschlag für das Jahr 1901/1902 wurde
genehmigt und gleichzeitig der Jahresbeitrag auf 3,50 M.
festgesetzt. Bei der Neuwahl des Vorstandes wurden Hr.
Brih. Winter als Vorsitzender und die Hrn. Reg.- und
Brth. Angelroth, Arch Euler, Bnh. Genzmer, Arch.
Lang unding. Weiler wiedergewählt, Hr. Fabrikbes. Eng.
Dyckerhoff wurde neu gewählt.
Die I. ord. Versammlung der diesjährigen Winter-
tagung fand am 5. Nov. iqor statt. Den Vorsitz führte Hr.
Brth. Genzmer. Anwe.eend waren 27 Mitgl. und 4 Gäste.
Der Vorsitzende gedachte der dem Verein im Laufe
des Sommers durch den Tod entrissenen Mitglieder: des
Hrn. Reg.- und Brths. Angelroth und des Hrn Eisenb.-
Öbering. a. D. Graff. Zur Tagesordnung übergehend er-
folgte die Neuwahl eines Vorstands-Mitgliedes anstelle des
verstorbenen Hrn Angelroth. Gewählt wurde Hr. Eisenb.-
Bau- und Betr.-Insp. Petri.
Es nahm das Wort Hr. Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Petri
zu einem Vortrage über „Die neuen Bahnhofsanlagen
in Wiesbaden“. Redner führte an Hand von Plänen
etwa Folgendes aus: Es liegen zurzeit neue Pläne über
die Bahnhofsanlagen m Wiesbaden zur landespolizeilichen
Prüfung auf der Polizei-Direktion Öffentlich aus. Dieselben
sind ministeriell noch nicht genehmigt, auch die Geldmittel
zur Ausführung noch nicht bewilligt. Der frühere Entwurf
erforderte einen Kostenaufwand von ii, der jetzige einen
solchen von etwa 17 Mül. M. In Wiesbaden liegen be-
sondere Verhältnisse vor. Einerseits verlangt der inter-
nationale Fremdenverkehr Berücksichtigung, andererseits
aber ist auch die Entwicklung zur Grosstadt in Rechnung
zu ziehen. Diese Gesichtspunkte sind auf die Kostenfrage
sowohl, als auf die Gestaltung der Pläne von erheblichem
Einfluss gewesen. Die Interessen der Kur- und Fremden-
stadt verlangten einen schönen vollkommenen Personen-
Bahnhof, der ausserdem gut gelegen sein muss und bei
dessen Verlassen sich Wiesbaden dem Fremden auch als
Villen- und Bäderstadt präsentiren soll. Die wirthschaft-
lichen Verhältnisse erfordern grosse erweiterungsfähige
Güterverkehrs- Anlagen in zweckmässiger Lage mit be-
quemer Abfuhr. Der frühere Entwurf, welcher im vorigen
Jahre zur landespolizeilichen Prüfung gestellt worden war,
vereinigte die gesammte Banhofsanlage für Personen- und
Güterverkehr im Salzbachthäle, südlich der Ringstrasse.
Die Güterbahnhof-Anlage erstreckte sich auf die Ostseite
des Personen- Bahnhofes von der Ringstrasse bis zur
Kupfermühle, die Mittelaxe des Personen-Bahnhofes fiel
in die Verlängerung der Nikolasstrasse. Doch diese Lage
des Güterbahnhofes erschien wegen der Kreuzung des
Lasiverkehrs mit dem der Wühelmstrasse zustrebenden
Personenverkehr und ausserdem wegen der Bewegung
der Lastfuhrwerke durch die Wilhelmstrasse und die an-
grenzenden Strassen nach der inneren Stadt, sowie den
westlichen und nordwestlichen Stadtvierteln als ein grosser
Misstand. In zweiter Linie wurde die Lage des Güter-
Bahnhofes insofern beanstandet, als die Interessen von
Handel und Verkehr statt einer Güterabfuhr auf ansteigen-
den Strassen eine abwärts gerichtete Abfuhr von einem
höher, wenn auch etwas entternter gelegenen Güterbahn-
hofe verlangen, wobei zu berücksichtigen ist, dass für
Wiesbaden die Ausfuhr im Vergleich zur Einfuhr kaum
infrage kommt. Dazu kamen noch die Wünsche nach
erheblicher Vergrösserung der mit Gleisanschlüssen zu
versehenden Lagerplätze für Kohlen, Baumaterialien und
sonstige Massengüter. Diesen verschiedenen Interessen
trägt der vorliegende neue Entwurf in jeder Beziehung
Rechnung, indem der Stück- und Eilgut-Verkehr auf dem
Haupibahnhofe im Salzbachthal, und zwar auf der West-
seite, verbleibt, und der Güterbahnhof für Wagenladungen
an die Dotzheimerstrasse verlegt wird. — Vom Rhein her
12. Februar 1902.
ist Wiesbaden nur durch das Salzbachthal für eine Haupt-
bahn zugänglich. Die Lage des Hauptbahnhofes war da-
her so ziemlich gegeben und ebenso die Form der Kopf-
station. Der neue Personen-Bahnhof rückt um 700“ gegen
die jetzigen Bahnhöfe südlich hinaus, an die Südseite der
Ringstrasse. Die Gleisanlagen des Bahnhofes erstrecken
sich bis zur städtischen Kiäranstalt. Das Salzbachthal muss
durch sehr bedeutende Erdarbeiten von rd. i Mill. cbm um
etwa 180 in verbreitert werden und es sind dafür am
Melonenberg Abtragungen bis zu 26 “> Höhe erforderlich.
Der Salzbach musste verlegt, bezw. durch einen Kanal
von 1500“ Länge und einem Querschnitt von 4,5 x 5“»
lichter Weite ersetzt werden. Der Personen-Bahnhof zeigt
eine dem Haupibahnhof in Frankfurt ähnliche Anlage.
Quer vor dem Kopf der Abfahrt- und Ankunft-Gleise liegt
der Flauptbahnsteig und das Empfangs-Gebäude. Vom
Hauptbahnsteig erstrecken sich als Zungen die Personen-
und Gepäck-Bahnsteige längs der Gleise, und zwar hat
jede Route einen besonderen Bahnsteig. Die Reihenfolge
der Bahnsteige von Osten nach Westen ist: Kastei (Mainz),
Frankfurt a. M., Köln, Limburg (über Erbenheim), Diez
(über Dotzheim), entsprechend den besonderen Verkehrs-
Verhältnissen. Die Hauptlinien Frankfurt und Köln, sowie
die künftige unmittelbare Verbindung mit Mainz liefern
das ganze Jahr hindurch den grossen Fremdenverkehr,
welcher der Wilhelmstrasse und dem Kurviertel zuströmt.
Die beiden anderen Linien haben mehr geschäftlichen und
ländlichen, sowie Arbeiter- Verkehr, welcher sich vor-
wiegend nach dem inneren und westlichen Stadttheil be-
wegt. Das Empfangsgebäude liegt mit der Front von etwa
130 “ Länge an der Südseite der geplanten Ringstrasse.
Die Eingangshalle ist gegenüber der Wilhelmstrasse vor-
gesehen. Auf der Ostseite befindet sich ein Ausgang,
welcher zu dem Droschken- Halteplatze führt, und ein
zweiter Ausgang liegt auf der Westseite, wo ebenfalls
Droschken Aufstellung nehmen können. Der Bahnhofs-
Vorplatz und die angrenzenden Strassenzüge; sowie die
Strassenbahnlinien wurden kurz erwähnt. Ein dreieckiger
Platz zwischen der Ringstrasse und dem Gebäude soll mit
Anlagen und das Empfangs-Gebäude vielleicht, auch mit
Terrassen vor den Wartesälen versehen werden. Was
die Höhenlage der Strasse zum Gebäude angeht, so sind
vor der Haupteingangshalle fünf Stufen angenommen, um
so das Gebäude gegen den Vorplatz besser in Erscheinung
treten zu lassen. Auf der Westseite des Personen-Bahn-
hofes geht die Zufahrtstrasse von der Ringstrasse nach
der Eilgut- und Stückgut- Anlage. Die Fortsetzung der-
selben auf der anderen Seite der Ringstrasse soll durch
die sogen. Diagonalstrasse erfolgen. — Der Güterbahnhof
für den Wagenladungs- Verkehr ist im Westen der Stadt
in dem noch unbebauten Gelände zwischen Schiersteiner-
und Dotzheimerstrasse, mit der Zufahrt von der letzteren
geplant. Dieser Bahnhof liegt etwa 60 ® höher als der
Hauptbahnhof im Salzbachthale und 30 “ höher als die
Kreuzung der Ring- und Dotzheimerstrasse und 1 km von
dieser Kreuzung entfernt. Es sind dort ausreichende und
sehr zweckmässig angelegte Ladestrassen und Lagerplätze
vorgesehen. Was nun die Einführung der verschiedenen
Linien betrifft, so ist von grosser Bedeutung die Absicht
der Durchführung der sämmtlichen Personen- und Schnell-
züge der rechtsrheinischen Bahn über Wiesbaden, sodass
die Zugtrennungen in Kastei und Mainz wegfallen. Eine
Verbesserung, welche für Wiesbaden von ausserordent-
lichem Werthe ist. Die Gleise der Taunus- und Rhein-
bahn bleiben von der Kupfermühle ab ziemlich in der
jetzigen Lage. Statt der jetzigen drei Gleise kommen zu-
nächst vier Personengleise und ein Gütergleis zur Aus-
führung. Das Diezer Gleis (meist Schwalbacher Bahn
genannt) wird weit hinansgelegt, es verlässt gegenüber
der Kupfermühle den Bahnbof und geht in einem grossen
Bogen durch dieSandgruben unter derWiesbaden-Biebricher
Allee, sodann hinter der Villa Grimberghe her, der Blumen-
strasse entlang und über die Schiersteinerstrasse hinweg
nach Dotzheim. Das Erbenheimer Gleis kreuzt hinter den
Margarinenfabrik die Mainzerstrasse mittels Ueberbrückung
und geht das Erbenheimer Thal hinauf zum Bahnhof Erben-
heim. Durch die Anlage des Güterbahnhofes an der Dotz-
heimerstrasse wird eine neue Verbindung mit der Station
Kurve nöthig. Da nun gleicherweise ein besonderes Gleis
von Kurve nach dem Stückgut-Bahnhof, nach Erbenheim
83
und den städtischen Anschiusswerken gelegt werden muss,
so wird der Hauptbahnhof in Wiesbaden von dem Güter-
zug- und Rangir-Verkehr fast vollständig entlastet und
Kurve der Voibahnhof für Wiesbaden. Der Vortragende
gab der Hoffnung Ausdruck, dass demnächst über die in-
frage kommenden Strassenpläne von anderer, berufener
Seite dem Verein Mittheilungen gemacht werden möchten
und schloss dann mit dem Wunsche, dass der jetzige Ent-
wurf als ein gutes und allen Interessen gleichmässig dienen-
des Werk allgemein anerkannt und dass die Geldmittel
dafür bereitgestellt werden möchten, damit endlich mit
Energie und frischer Lust an dessen Ausführung und so-
mit an die so wünschenswerthe Schaffung besserer Bahn-
hofs-Verhältnisse, sowie schöner Strassen und Plätze in
dem jetzigen Bahnhofsviertel zwischen Rhein- und Ring-
strasse herangegangen werden könne. —
Der interessante und fesselnde Vortrag rief einen leb-
haften Meinungsaustausch hervor. Hr. Sauer vertrat die
Ansicht, dass die geplante Verlegung des Güterbahnhofes
nach dem hochgelegenen Westen der Stadt nicht zweck-
mässig erscheine. Am Güterbahnhof siedelten sich natur-
gemäss die gewerblichen Anlagen an und die herrschende
Windrichtung führe die durch Rauch verdorbene Luft in
die Stadt; auch der Güterverkehr zwischen Bahnhof und
Stadt löse sich nicht zweckmässig. Der Güterbahnhof ge-
höre in das südlich nach dem Rhein führende Salzbach-
thal, der Ausfahrt der Eisenbahnen. Dem wurde von den
Hrn. Genzmer und Petri entschieden widersprochen.
Ersterer führte hierzu aus, dass die Rauchbelästigung aus
dem Westen, wie durch die jetzt dort schon vorhande-
nen Fabriken sich zeige, bei der vorhandenen Höhenlage
nicht erheblich sei. In Wiesbaden liege das vornehme
Viertel, der „Westen“ anderer Städte, im Osten der Stadt
und im Westen sei das gewerbliche Leben zu suchen.
Hieraus ergebe sich mit Nothwendigkeit die jetzt geplante
Trennung und Anordnung von Personen- und Güterver-
kehr. Auch in der Anlage des Hauptbahnhofes sei der
Personen-Verkehr jetzt aus diesem Grunde, umgekehrt
wie früher, auf die Ost-, und der Eil- und Stückgut-Ver-
kehr auf dieWestseite gelegt worden. Hr. Petri wies ferner
nach, dass der Einfuhr-Verkehr an Grossgütern etwa lo mal
so gross als der Ausfuhr-Verkehr sei und sich deshalb die
Hochlage des Güterbahnhofes vollkommen rechtfertige.
Hr. Genzmer besprach schliesslich noch die durch
die neue Bahnhofsanlage im Süden der Stadt zwischen
der Adolfs-Allee und der Mainzerstrasse verursachten Um-
gestaltungen und die dort in Vorbereitung begriffene Stadt-
anlage. Ursprünglich sei das neue Empfangs-Gebäude in
„schön symmetrischer“ Anordnung entsprechend dem
schachbrettähnlichen Strassennetz der Wiesbadener Süd-
stadt, axial in die nordsüdlich gerichtete Nikolasstrasse
und parallel den ostwestlich verlaufenden Strassen an
dem Südring geplant gewesen. Die rein praktische Noth-
wendigkeit, die durch die Thalrichtung bedingte Einfahrts-
richtung in die Bahnhofshalle in genügender Länge bei-
zubehalten, habe zu einer Drehung des Gebäudes geführt.
Der von ihm (dem Redner) ausgearbeitete Bebauungsplan
sehe eine Schwenkung der verlängerten Wilhelmstrasse
(die Hauptstrasse des Kurviertels) in westlichem Sinne
auf das Empfangsgebäude zu gerichtet vor, woran auch
seitens der städtischen Körperschaften festgehalten werde.
So komme Bewegung und Leben in das im Süden der
Stadt in Rechtwinkligkeit und Parallelität erstarrte Strassen-
netz. Erfreulicherweise scheine ja auch das neue Em-
pfangsgebäude der Eisenbahn eine den Verhältnissen ent-
sprechende grüppirte Gestalt, deren Hauptmasse sich nach
Osten verschiebt, anzunehmen und so sei zu hoffen, dass
hier ein Stadttheil entsteht, bei dem die zwanglose Berück-
sichtigung praktischer Gesichtspunkte, Geländeverhältnisse
und Verkehr zu einer den Anforderungen künstlerischen
Städtebaues entsprechenden Lösung führen würden. —
G-.
Todtenschau.
Stadtbaurath Bokelberg in Hannover j-. Am 8. Februar
verstarb plötzlich inmitten eines Freundeskreises an einem
Schlaganfalle der Stadtbaurath Bokelberg zu Hannover.
Er war daselbst am i. September 1842 geboren und wid-
mete sich auf der damaligen Polytechnischen Schule in
Hannover der Ingenieurwissenschaft. Anfangs bei Eisen-
bahnbauten, dann als Landesbauinspektor der Provinz
Sachsen thätig, wurde ihm 1879 die oberste Leitung
des Stadtbauamtes seiner Vaterstadt übertragen. Er
hatte hier Gelegenheit, sich bei einer Anzahl grosser
Anlagen in hervorragender Weise zu bethätigen, durch
welche Hannover in die Reihe der modernen Grosstädte
eingetreten ist. Vor allem ist hier der Plan und die Aus-
führung der städtischen Kanalisation zu nennen, die Bokel-
bergs eigenstes Werk ist, ferner die Feststellung eines
84
neuen Bebauungsplanes, die Anlage eines städtischen
Elektrizitätswerkes, die Erweiterung der Wasserwerke,
ferner zahlreiche Strassen- und Brückenbauten. Da iW
auch die Oberaufsicht der städtischen Hochbauten unter-
stand und er sich allen diesen technischen Aufgaben mit
grösster Gewissenhaftigkeit widmete, so hatte er eine ge-
wöhnliche Kräfte weit übersteigende Arbeitslast zu be-
wältigen, die sein verhäJtnissmässig frühes Ende wohl
erklärlich macht. — S.
Preisbewerbungen.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwurfsskizzen
für ein neues Kollegien-Gebäude der Universität Freiburg
i. Br. reiht sich den bedeutenderen Wettbewerben, welche
die deutsche Baukunst auszukämpfen hatte, an. Benach-
bart der nach den Entwürfen Schäfers errichteten neuen
gothischen Universitäts-Bibliothek, soll das neue Kollegien-
Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Rempart-
Kaserne errichtet werden. Der von der Beifort-, der
Werder- und der Löwenstrasse begrenzte Bauplatz hat
die ungefähre Gestalt eines unregelmässigen Dreiecks und
liegt zum grössten Theil frei; in nur geringer Ausdehnung
grenzt er an eine östliche Häusergruppe. Für das zum-
theil drei-, zumtheil zweigeschossig in monumentaler Durch-
bildung zu errichtende Gebäude steht eine Bansumme von
rd. 1700000 M. zur Verfügung. Das Raumbedürfniss
gliedert sich in folgende Gruppen: a) eine Aula mit 150
Sitzplätzen für Dozenten, sowie 400 Sitz- und 200 Steh-
plätzen für Eingeiadene und Studirende; b) Verwaltungs-
räume; c) Räume für die 4 Fakultäten; d) Gruppe der
Hörsäle, deren Fassungsvermögen zwischen 30 und 400
Zuhörern schwankt; e) allgemeine Räume. In dankens-
werther Weise enthält das Raumprogramm nähere Hin-
weise über die wünschenswerthe Lage der Räume. Ueber
die Stilwahl sind Angaben nicht gemacht, es besteht somit die
einzige Einschränkung, dass sich das neue Gebäude in seine
Umgebung und in das Stadtbild ohne Disharmonie einfüge.
Wer Freiburg kennt, weiss, dass diese Einschränkung der
Phantasie der Wettbewerber den weitesten Spielraum lässt.
Die Arbeitsleistung ist in anerkennenswerther Weise auf
das Nothweudigste beschränkt, mit Ausnahme des Lage-
planes wird lediglich der Maasstab i : 200 gefordert wel-
cher auch dem verlangten Schaubilde zugrunde zu 'legen
ist. Der Termin — i. Sept. d. J. — ist ausreichend be-
messen. „Wenn das Preisgericht der Ansicht sein sollte,
dass keine der eingegangenen Arbeiten des ersten Preises
würdig erscheine, so kann von dessen Ertheilung abge-
sehen und die dafür ausgesetzte Summe in anderen Be-
trägen nach dem Ermessen des Preisrichter-Kollegiums
zur Auszeichnung oder zum Ankauf der verhältnismässig
besten Entwürfe verwendet werden.“ Wir dürfen die
Hoffnung hegen, dass von diesem Vorbehalt nur im äusser-
sten Falle und nur auf einstimmigen Beschluss des Preis-
gerichtes Gebrauch gemacht wird. Die badische Staats-
regierung behält sich über die Benutzung der preisge-
krönten und angekauften Entwürfe sowie über die Wahl
des ausführenden Architekten freie Hand vor. Bei den
eigenartigen Verhältnissen jedoch, unter welchen der Wett-
bewerb ausgeschrieben wird, halten wir eine Betheiligung
eines der preisgekrönten Verfasser bei der Ausführung
nicht für unmöglich. Alles in allem begleiten wir den in
seinen Unterlagen sehr sorgfältig vorbereiteten und auf die
Bedürfnisse der Verfasser in weitem Umfange Rücksicht
nehmenden Wettbewerb mit einer warmen Empfehlung’
zur Betheiligung. —
Zu dem Wettbewerb der „Vereinigung Berliner Archi-
tekten“ betr. Umgestaltung des Ausstellungsgebäudes am
Lehrter Bahnhof sind 10 Entwürfe eingegangen, welche
von Mittwoch, den 12. d. M. bis 21. Febr. im Uhrsaal der
kgl. Akademie der Künste, Unter den Linden, öffentlich
ausgestellt sind. Ueber die Preisentscheidung berichten
wir in der nächsten Nummer. —
Wettbewerb Bismarck-Denkmal Hamburg. Verfasser
des Entwurfes „Hünenmal“ ist Hr. Arch. Rud. Matzen
in Hamburg; der des Entwurfes „Ein Stein“ Hr. Arch.
Alexander Menner in Odessa. —
Personai-Naclirichten.
Preussen. Dem Geh. Reg.-Ratli Jaeger, vortr. Rath im
Min. f. Handel u. Gewerbe und dem städt. Poliz.-Baudir., Brth.
Kessler in Breslau ist der Rothe Adler-Orden IV. Kl., dem Kr.-
Bauinsp. Brth. Bier mann in Paderborn und dem ßrth. Lent
bei d. Diskonto-Ges. in Berlin ist der Char. als Geh. Brth. verliehen.
Inhalt: Strebel’s Origitial-Gegenstroni-Gliederkessel. — Zur Peosioni-
rung der Baubeamten. — Mittheilungen aus Vereinen. — Todtenschau. —
Preisbewerbungen. — Personal-Nachrichten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 13.
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN ^
ÄsrsjsrrsrarajsrsrsssjstsjÄ
AUZEITUNG.
GANG. * * N2: 14. ❖
DEN 15. FEBR. 1902.
iStsrsssjÄssstajstsrsststsr
Villa Pintsch in Flinsberg in Schlesien
Architekten; Cremer & Wolffenstein in Berlin. (Hierzu
Im vergangenen Jahre ist bei dem schlesischen
Badeorte FlinsbergimRcgicrungsbezirkLieg-
nitz nach einem Aufträge des Kommerzien-
rathes Julius Pintsch in Berlin eine Villen-
' anlage entstanden, welche in ihrer feinen
künstlerischen Durchbildung und in ihrem architekto-
nischen Aufwande nicht unerheblich über die durch-
schnittliche Gestaltung der ländlichen Sommersitze
hinausgeht.Die
malerischeBau-
gruppe, beste-
hend aus der
umfangreichen
Villa selbst und
einem in gerin-
ger Entfernung
etwas tiefer ge-
legenen Garten-
hause, liegt auf
dem ziemlich
steil ansteigen-
den Gelände
eines Vorber-
gesdesschönen
Isergebirges.in
freier, weithin
sichtbarer La-
ge. Diese Lage
und die von
der Baustelle
aus möglichen
Ausblickeindie
herrliche land-
schaltlicheUm-
gebung haben
auf die Grund-
riss-Gestaltung
der Villa inso-
fern einen be-
stimmenden
Einfluss ausge-
übt, als die letz-
tere die langge-
streckteGrund-
form wegen der
nach Nord-
Nord-Ost sich
ergebenden
reizvollenFern-
sicht in das
Greiffenbergei-
Thal mit dem
Badeorte Flinsberg im Vordergründe zeigt. Die über
Eck gestellte Halle wurde angelegt, um von hier aus die
prächtige Fernsicht in das Queisthal mit dem Hoch-
stein im Hintergründe gegen Osten und dem Hasen-
stein gegenWesten geniessen zu können. Gegen Süden
geht das Villengcländc in Wald über.
Das Untergeschoss, welches zumtheil aus dem
Felsen gesprengt werden musste, und welches in
Löwenberger Sandstein ausgefOhrt wurde, enthält die
Küchen- und die übrigen Wirthschaftsräume, Keller-
räume, Mädchenzimmer, Plätt- und Waschküche, so-
wie ein Garten- oder Billardzimmer, alles in reich-
lichem Raumausmaass. Ein weiter Flur führt unmittel-
bar vom Garten zur Nebentreppe und über diese
zu den Obergeschossen. Im hohen Erdgeschoss
Bildbeilage und die Abbildungen 5. 88 ]
liegen ein Damenzimmer, das Wohnzimmer, die
Diele mit Treppe zu den oberen Räumen, das Speise-
zimmer mit Erker, eine geschlossene und die schon
erwähnte offene Halle, Flur, Toiletten und eine Neben-
treppe. Im Obergeschoss liegen die Schlafräume
mit Bad, im Dachgeschoss Fremdenzimmer,
Die ungezwungene, den natürlichen Bediiigungen
der Lage angepasste Grundrisslösung zeigt die weit-
gehende Sorg-
faltinderDurch-
arbeitung, wel-
cheallenGrund-
riss - Lösungen
der Künstler
in so hervorra-
gendemMaasse
eigen ist.
Das Aeussere
ist in seinen
unterenTheilen
gemauert und
verputzt; der
zur Anwendung
gelangte rauhe
und der glatte
Putz sind mit
Casc'infarbe ge-
strichen und
an besonderen
Stellen mit de-
korativer Ma-
lerei geziert.
Die oberen
Theileder Villa
sind in Fach-
werk durchge-
bildet worden,
das Holz wurde
braun gestri-
chen und mit
einem Lack
überzogen.Das
Innere hat eine
zwar schlichte,
im übrigen aber
der Bedeutung
des Hauses
angemessene
künstlerische
Durchbildung
indurchgehends
echten Materi-
alien erhalten. — Das Gebrauchsw'asser erhält die Villa
von den Gebirgsquellen, die in offenem Graben zu
Thale fliessen. Das Wasser wird in eine kleine Klär-
anlage geleitet und von dort durch das eigene Gefälle in
schmiedeisemen Druckröhren bis ins Dachgeschoss
geführt, wodurch es möglich wurde, Klosets, Bade-
imd. Wasch-Toiletten mit Wasser-Zu- und Ableitung
herzustellen. Die Abwässer sind in eigene Klär- und
Versickerungs-Gruben geleitet. Schönes Trinkwasser
liefert eine besonders gefasste Quelle im Garten. Die
Villa hat ferner Niederdruck-Dampfheizung und elek-
trisches Licht von der elektrischen Anlage des Kur-
hauses erhalten.
Die Herstellung war äusserst umständlich, da alle
Bau- und sonstigen Materialien vom Thal zu Berg
85
mit vier- und sechsspännigen Wagen hochgeführt
werden mussten.
An der Ausführung waren betheiligt: Maurermstr.
Greppi aus Friedeberg a. Queiss; Dachdecker Neu-
meister; Klempner Runge & Sohn; Tischle'r H.
Bilecki; Maler Waller & Senftleben; die Fliesen
lieferten Rosenfeld & Co., sämmtlich in Berlin. Auch
die innere Ausstattung wurde von Berliner Firmen be-
sorgt; an ihr waren betheiligt: Kunsttischler Siebert
& Aschenbach, ßodenheim; Frost & Söhne für
die Beleuchtungskörper, sowie für die elektrischen An-
lagen Gebr. Körting in Breslau. Die Wasseran-
lagen sind von- Gutmann in Warmbrunq, die Zentral-
heizung von Martini in Leipzig geliefert worden, —
Die Stuttgarter Stadterweiterung.
Herausgegeben vom Stadtschultheissenamt Stuttgart. — Besprochen von R. Baumeister-Karlsruhe.
n meinem Artikel auf S. 555 Jahrg. 1901 der
Dtschn. Bztg. wurde bereits auf das unter
obigemTitel erschienene grosse Sammelwerk
hingewiesen, welches auf 240 Seiten nebst
einer Einleitung von 28 Seiten die Akten-
stücke zur bisherigen Entwicklung des Uriternehmens
veröffentlicht. Die Reichhaltigkeit des Werkes geht
aus folgender Inhaltsübersicht hervor:
Einleitung von Ob.-Bürgermstr. Gauss; Begleit-
schrilt zum Stadterweiterungsplan mit Lageplan im
Maasstab i : 10000, von Stadtbrth. Kölle; Gutachten
des Ob.-Brths. Prof. Baumeister, mit abgeändertem
Lageplan; Korreferat von Gem.-Rtb. Arch. Frey; Die
Stadterweiterung unter volkswirthschaftüchem Gesichts-
punkt, von Gem.-Rth. Dr. Rettich; Erwiderung von
Stdtbrth. Kölle; Hygienisches Gutachten des i. Stadt-
arztes Dr, Knauss; desgl. von Prof. Nussbaum inHan-
nover. Berichtvora künstlerischen Standpunkt durch eine
Kommission bestehend aus Ob.-Brth. Prof. Reinhardt,
ßrth. Eisenlohr, Prof. Halmhuber und Prof. Haug,
mit zahlreichen Bildtafeln; Die Hauptgesichtspunkte
nach den vorliegenden Gutachten in einem Schluss-
wort zusaramengestellt, von Dr. Rettich; Auszug aus
der Schrift: Weiträumiger Städtebau und Wohnungs-
frage, von Dr. Abele, Sekretär des Stadtschultheissen-:
amtes; Vorschläge des Architekten- und Ingenieur-
Vereins Hannover, betr. Gesichtspunkte für die Neu-
bearbeitung der dortigen Bauordnung; Städtebau, Vor-
trag von Prof. Theodor Fischer, Bauamtmann der
Stadt München. - —
Es ist hier nicht der Raum verfügbar, um den
Inhalt des Werkes vollständig zu zergliedern, ich
möchte nur versuchen, die Hauptzüge und nament-
lich die wichtigsten Gegensätze hervorzuheben, deren
Bedeutung über Stuttgart hinausreicht.
Nach dem hier beigefügten Uebersichtsplan (Ab-
bildg. I) liegt die Stadt Stuttgart grösstentheils in einer
kesselartigen Erweiterung desNesenbachthales. Die Vor-
orte Heslach, Berg, Gablenberg sind Bestandtheile der
Gemeinde. Die bisher befolgte stückweise Ergänzung
der Bebauungspläne hat die Ränder des Thalbodens
erreicht, ja stellenweise schon die Abhänge in An-
spruch genommen. Nach der vorherischenden Scha-
blone des Rechteck-Netzes wurden die Strassen gerad-
linig bis an den Bergfuss verlängert und auch über
gewundene Abhänge rücksichtslos geradlinig erstreckt,
ohne gehörige Vorsorge dafür, dass sie weiter hinauf
mit geeigneter Richtung und Steigung fortgesetzt wer-
den könnten. Es war daher an der Zeit, einen um-
fassenden Entwurf zur Stadterweiterung aufzuatellcn,
wie er jetzt seit 1895 aus Kölle's Hand vorliegt. Der-
selbe erstreckt sich beinahe auf das gesammte W”eich-
bild, soweit es nicht mit Wald bestanden ist, ausser-
dem gegen den Neckar hin auf Theile der anstossen-
den Gemarkungen Cannstatt und Gaisburg, deren
Eingemeindung zu erwarten ist. ') Damit werden ausser-
halb des schon bebauten Gebietes von. etwa 400^=^ wei-
tere 1000 ha erschlossen. Diese Zahlen umlassen die
Biockflächen, nämlich Häuser, Höfe und Hau^gä^ten,
ohne. Strassen und öffentliche Anlagen und ohne die
mit .Bauverbot zu belegenden Flächen.
, Es handelt sich fast durchweg um geneigtes und
zudem vielfach, gewundenes Gelände; denn die Thal-
sohle liegt.' an der oberen Stadtgrenze ungefähr auf
300“, am Neckar auf 220™ über dem Meer, die Grenzen
des Entwurfs ringsum durchschnittlich auf etwa 400™;
sie werden gegen Südwest und Südost durch noch
höher aufsteigende und bewaldete Bergkuppen über-
ragt. Auf einem derartigen Gebiet mussten die künfti-
gen Strassen der Erdoberfläche ziemlich genau folgen,
also vielfach gekrümmt werden, um nicht nur bei ihrer
eigenen Herstellung, sondern auch beim Häuserbau
möglichst wenig Kosten zu verursachen; sie haben im
Entwurf zwischen 6 und io'% Steigung erhallen und
damit auch die z. Th. sehr steilen von Stuttgart aus-
gehenden Landstrassen verbessert. Ausserdem ist die
Breite der Strassen geringer, ais sie auf wagrechtem
Gelände gewählt zu werden pflegt. Zahlreiche Strassen,
') Gaisburg wurde jüngst eingemeindet.
Neuere Druckwerke auf dem Gebiete des Wasser-
baues.
nnter den mancherlei Werken, die sich aus diesem
Gebiete auf dem Redaktionstische angesammelt haben,
ist der Bericht, den Prof. Holz in Aachen über die
Wasserkraft-Verhältnisse in Skandinavien und
im Alpengebiete erstattet hat, eines der werthvollsten.
Der Sonderabdruck aus der Zeit.-chrift für Bauwesen’)
umfasst in Folio -Format 48 Druckseiten mit 79 Textab-
bildungen und 8 in bekannter Vorzüglichkeit au>geführte
Steindrucktafeln. Die von dem Verfasser im Jahre i8g6
aufgrund der Verleihung des Schinkelpreises ausgeführte
Studienreise hat den ersten Anlass zu dieser Veröffent-
lichung gegeben. Hier ist aufs Neue der Beweis geliefert,
dass die Studienreisen jüngerer Fachgenossen in vielen
Fällen nicht nur ihnen selbst werthvolle Anregungen geben,
sondern auch durch klare Darlegung der auf einem Sonder-
gebiet erreichten Fortj^chritte der Gesammtheit wesentlich
zugute kommen. Im vorliegenden Falle handelt es sich
um die für das ganze Ingenieurwesen überaus wichtige
Frage der Ausnutzung der Wasserkräfte, die von dem
Verfasser um so erfolgreicher behandelt werden konnte,
als er in der Lage war, ihr nach Beendigung der Studien-
reise dauernd einen, grossen Theil seiner Thätigkeit zu
widmen. Nach einer kurzen Einleitung, in. der die wich-
tigsten Beziehungen zwischen den natürlichen Verhälc-
1) Verlag, v. Wilhelm Emst & ?oho, Berlin 1900. Pr. 24 M.
86
nissen und der Wasserkraft Gewinnung allgemein be-han-
delt werden, folgt eine Uebersicht der in Skandinavien
vorhandenen Wasserkräfte, , von denen bislang nur ein
kleiner, zu den Mittelpunkten des Kraftverbrauches günstig
belegener Theil ausgenutzt werden konnte. Die vortheil-
haften Niederschlags- uud Abflussverhältnisse, die günsti-
gen Bedingungen lür eine Steigerung der Niederwasser-
menge werden- anschaulich geschildert und im Anschluss
daran wird die Möglichkeit erwogen, die Wasserkräfte
durch elektrische Ströme den namentlich an den Wasser-
strassen belegenen Wirthschafts-Schwerpunkten zuzufüh-
ren; auch die Anlagen zur Förderung des Wasserver-
kehres, insbesondere der Flösserei, werden besprochen.
Die Beschreibung einer Reihe bemerkenswerther
Wasserkraft-Anlagen erstreckt sich auf die Stauwerke, die
oft mit Tunneibauten verbundenen Leitungen und auf die
Kraftwerke. Den Beschluss bildet die Besprechung des
Wasserkraftschatzes, der bei den Trolhättanfällen noch
zu heben ist. Nicht minder beachtenswerth ist der zweite
Theil der Verölfentlichung, der sich mit den Wasserkräften
der Alpenländer beschäfiigt und viele Beispiele von Hoch-
und Niederdruck- Werken bringt. Von den letzteren seien
namentlich die Kraftwei ke beiRheinf elden , beiZufi kon-
Bremgarten und Chevres bei Genf hervorgehoben; von
den Hochdruck-Werken seien diejenigen am Etzel, im Val
de Travers, bei Schaffhausen und die Brennerwerke
bei Mairei erwähnt. Diese und viele andere Werke sind
in ihren Haupttheilen geschildert; überall ist der Grund-
charakter der wasserbaulichen Anlagen durch Wort und
No. 14.
besonders solclie, welche ungefähr einer Horizontal-
kurve folgen, sollen nur an der Bergseite bebaut wer-
den, z. Th. über erhöhten Vorgärten, an der Thalseite
dagegen offen bleiben, sowohl wegen konstruktiver
Bauschwierigkeit, als wegen der Aussicht. Das Bau-
verbot hätte sich dann soweit zu erstrecken, dass über
die Dächer der weiter unten stehenden Häuser hin-
weg gesehen werden kann. Ausser diesen sogen.
„Panorama-Strassen“ enthält der Entwurf mehrere
„Aussichtsplatten“ und öffentliche Anlagen.
Was dieBebauungsweisedesStadterweiterungs-
Gebietes betrifft, so schlägt Kölle 3 Zonen vor: die
innere Zone oder Altstadt, geschlossen bebaut, be-
dürfe nur gewisser Bestimmungen, um im Falle von
Umbauten die Zustände nicht noch mehr zu ver-
schlechtern, sondern vielmehr allmählich zu verbessern.
Die mittlere Zone, den grössten Theil des Gesammt-
gehietes einnehmend, solle nach der bisher üblichen
offenen Bauweise, aber mit zwei Abweichungen bebaut
werden, nämlich mit Steigerung df's Wichs von 3 auf
5*", und mit Verminderung der Höchstzahl von Ge-
schossen (einschl. Erdgeschoss) von 4 auf 3. Für die
äussere Zone sollten, wie bis dahin schon üblich,
für die einzelnen Strassen oder Strassenstrecken je-
weils besondere Bestimmungen über den Wich (bis
zu 14™), über die Höhe der Häuser und über die
Anzahl der Geschosse (in der Regel 2 — 3) erlassen
werden. 2) Im Allgemeinen war hier ein landhaus-
artiger Charakter gedacht. Ausnahmen sollten zwei
Fabrikviertel gegen den Neckar hin, sowie etliche Be-
zirke für vorwiegend iandvvirthschaftliche Bauten an
den Rändern des Entwurfes bilden.
In einem von der Gemeinde-Verwaltung erbetenen
Gutachten über den Kölle'schen Entwurf konnte ich
den technischen Grundsätzen desselben im Allgemeinen
nur meine Zustimmung geben. Aenderungen glaubte
ich nur bei einzelnen Theilen vorschlagen zu müssen,
zwecks günstigerer Steigungen oder vortheilhafterer
Blockformen, oder aus ästhetischen Gründen. Ferner
wurde von mir eineReihe allgemeinerGrundzüge für die
künftige Bauordnung vorgeschlagen und hierbei eine
gewisse Mannichfaltigkeit empfohlen, theils aus
ästhetischen Gründen, theils weil die vielerlei baulichen
Bedürfnisse einer grossen Stadt sich nicht mit wenigen
Grundformen erledigen lassen. Namentlich sollten
Einfamilienhäuser in geschlossenen Reihen
zugelassen werden, um dieser erfreulichsten Form des
Wohnens thunlichslen Vorschub zu leisten.
Im Weiteren sei hier die Zustimmung des Württem-
berg. Vereins f Baukunde zu dem Erweiterungsplan, so-
wie das Urtheil der Künstler-Kommission angeführt, wel-
ches letztere lautet: „Die Tracirung ist nach dem auch
vom künstlerischen Standpunkt aus allein richtigen Wege
möglichster Anlehnung an die wechselvolle Beschaffen-
heit des Geländes er-
folgt, so dass der
aufgrund des Gut-
achtens von Prof. Bau-
meister umgearbeitete
2) Eine Zusammenstel-
lung der bisher erlassenen
Vorschriften für das An-
bauen an bestehenden neuen
Strassen ist der Abhandlung
von Dr. Rettich als Anhang
beigegeben.
Abbildg. I.
Lageplan von Stuttgart.
Erklärung:
Innere Stadt, in geschlossener
Bauweise.
Aeusse'e Stadttheile, in offener
Bauweise.
Grenze des Stadterweiterungs-
Entwurfes.
Grenze der geplanten Fabrik-
viertel.
Weichbildgrenze.
Bild beschrieben, w'ährend vielfach wegen der Einzel-
heiten auf besondere Veröffentlichungen verwiesen ist, so-
dass das HolzVche Werk einen vorzüglichen Ueberblick
über neueste Wasserkraft-Gewinnungsanlagen gewährt. —
Ganz anderer Art sind die von dem Heg.- u Brth.
Sy mph er bearbeiteten „Wasserwirthschaftlichen
Vorarbeiten “-2) Hier handelt es sich nicht um ausge-
führte Bauwerke, sondern der auf dem Gebiete der Statistik
des Wasserveikeiires woh lei fahren e und an der Bearbeitung
der neueren Entwürfe für die Vervollständigung des preussi-
schen Wasserstrassennetzes hervorragend beiheiligte Ver-
fasser hat hier seine reichen Erfahrungen in übersichtlicher
Weise mitgetheilt. Der kurzen aber inhaltreirhen Dar-
stellung der bisherigen Entwicklung des deutschen Güter-
verkehres entnehmen wir die erfreuliche Thatsache, dass
trotz der starken Zunahme der grossen Fluss- und Kanal-
schiffe auch die Zahl der Kleinschilfe von 100—200 ^ Trag-
fähigkeit sich in den letzten 20 Jahren von 3079 auf 6925
vermehrt hat. Eine besondere Sorgfalt ist im II. Kapitel
der Ermittlung der Transportkosten auf Eisenbahnen und
Wasserstrassen gewidmet- Die hier gewonnenen Zahlen
werden für alle weiteren Erörterungen auf diesem Gebiete
einen sicheren Ausgangspunkt bilden, ln der ausführlich
behandelten Frage der Wasserstrassen- Abgaben nimmt
der Veifasser den Standpunkt ein, dass die künstlichen,
hauptsächlich zu Verkehrszwecken angeHgten Kanäle sich
gleich den Eisenbahnen durch eigene Einnahmen selbst
2) Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1901. Preis 8 M.
15. Februar 1902.
erhalten müssen und dass ohne diese Forderung an einen
umfassenden Ausbau des Wasserstrassennetzes nicht ge-
dacht, werden könne; über die Höhe der Abgaben, die An-
zahl der Tarilklassen nsw. müsse von diesem (Gesichts-
punkte ausgehend von Fall zu Fall entschieden werden.
Wenhvolle Streiflichter werden auf die Beziehungen zwi-
schen Eisenbahn- und Wasserverkehr geworfen.: Das
III. Kapitel behandelt den zu erwartenden Verkehr und
seine finanziellen Folgen, während das IV. Kapitel dem
Einfluss gewidmet ist, den eine neue Wassersirasse auf
das Erwerbsleben ausübt. Die Art und Weise, in welcher
der dem Rhein-Elbe Kanal voraussichtlich zufallende Ver-
kehr ermittelt worden ist, findet in der Anlage 8 ausführ-
liche Eiläuterung, während Anlage 10 der Verkehrs- und
Ertrags - Berechnung für den Braunschweiger Stichkanal
gewidmet ist. Kein Volkswirth oder Techniker dürfte mit
Erfolg an Fräsen des binnenländischen Wasserverkehrs
herantreten können, ohne den Ergebnissen Rechnune zu
tragen, die Sympher aufgrund jahrelanger Arbeiten in dem
vorliegenden Bericht mit seinen 13 Anlagen niedergelegt
hat. Trefflich ausgeführie Karten erleichtern die Uebersicht.
Von der umfangreichen Arbeit, betreffend die „Unter-
suchungen der Hochwasser- Verhältnisse im deut-
schen Rheingebiet“ ist das von Dr. phil. Maximilian
vonTein bearbeitete VI. Heft-^) erschienen. Das 145 Seiten
gr. 4'^ mit 9 Tafeln umfassende Heft ist dem Maingebiet
8) Verlag von W. Ernst & Sohn, Berlin jgoi. Preis geh. 24 M.
(Fortsetzung auf Seite 90.)
87
Kölle’sche Entwurf als eine gesunde Basis für die bau-
liche Entwicklung bezeichnet werden kann.“ —
Während somit der Strassenplan keine Bean-
standung gefunden hat®), sind über die Bebauungs-
weise lebhafte Streitigkeiten entstanden. Der Vor-
kämpfer gegen den Entwurf ist Dr. Rettich, Vertreter
der sogenannten Rathhaus-Baupolitik. Seine Abhand-
lung, unstreitig eine fleissige Arbeit, interessirt schon
durch eine Menge von Behauptungen, welche von den
bisher ziemlich allgemeinen Ansichten über Städtebau
stark abweichen und auch mit grossem Selbstbewusst-
sein vorgetragen werden.
In erster Linie sucht der Verfasser die Einwohner-
zahl zu ermitteln, für welche der Entwurf Raum bietet.
Er gründet seine Berechnungen auf die Baufronten,
deren Summe unter Berücksichtigung der Wichab-
In der „Erwiderung“ Kölle’s werden mehrere Irr-
thümer in den Voraussetzungen vorstehender Rech-
nung hervorgehoben und hinwieder von Rettich in
seinem Schlusswort (m. E. nicht durchschlagend) klar
zu stellen versucht. Wie dem auch sei, so besteht
jedenfalls der Hauptfehler Rettich’s darin, Einwohner-
zahl und Frontlänge proportional zu setzen. Denn
im Inneren der Blöcke lassen sich an Zwischenstrassen
— selbstredend bei gesundheitlicher Fürsorge — doch
auch noch Menschen unterbringen. Der allgemeine
Entwurf enthält eben vorzugsweise die Hauptstrassen
und lässt mittels Auftheilung der zumtheil sehr grossen
Blöcke noch zahlreiche weitere Baufronten zu. Und
eine solche Auftheilung möchte in Zukunft immer
öfter Vorkommen, weil Wohnhäuser an Strassen den
Vorzug vor ungeregelten Hintergebäuden haben. Man
stände und der mit Bauverbot zu belegenden Strecken
im Erweiterungs- Entwurf die gleiche sein würde,
welche in der jetzigen Stadt Stuttgart vorhanden ist.
Hiernach werde das Erweiterungsgebiet gemäss der
Kölle’schen Bebauungsweise Wohngelegenheit für
122278 Menschen erschliessen, d. i. 75% der gegen-
wärtigen Bevölkerung, und nach dem bisherigen Zu-
wachs-Maasstab (13,235 °/o von 1890—95) bis zum Jahre
1919 aufgebraucht sein. Auf der 2V2faclien Fläche
(s. 0.) seien nur der Einwohner unterzubringen.
Einen solchen Luxus von Geländefiäche und von
Strassenaufwendungen könne Stuttgart sich nicht ge-
statten; er wäre dazu angethan, das Weichbild für
kleine Leute .abzusperren und denselben entweder die
Unbequemlichkeit des Wohnens in der weiteren Um-
gegend aufzulegen oder die bereits vorhandene Woh-
nungsnoth ins Unerträgliche zu steigern.
ä) Man vergleiche hierzu das einzige abfällige Urtheil von Prof.
Hcnrici im Centralblatt der Bauver'wltg. 1901 S. irn Gegensatz
gegen obige Aussprüche ortskundiger Künstler.
wird daher die Bevölkerung füglich nach Verhältniss
der Flächen, natürlich unter Berücksichtigung des
Grades der Bebauungs-Dichtigkeit, abschätzen dürfen,
wie es auch anderwärts immer geschieht. Um auf
diesem Wege wenigstens eine Durchschnittsrechnung
anzustellen, gehe ich davon aus, dass in dem jetzigen
Stuttgart 160 000 Menschen auf 400 Blockfläche
wohnen, also 400 Menschen auf i Für das Stadt-
erweiterungs-Gebiet wird unter Voraussetzung moder-
ner Weiträumigkeit die Annahme 250 sicherlich eine
mässige sein; sie entspricht 167 Menschen auf 1 Ge-
sammtfläche, indem in guten neueren Stadtplänen
ungefähr Vs auf öffentliches, Vs auf privates Eigen-
thum fällt, ungerechnet etwaige mit Bauverbot belegte
FlächenV- Man erhält somit mindestens 250 000 Ein-
wohner für das gesammte Gebiet, welches dann un-
gefähr bis 1933 ausreichen würde.
Verfolgen wir nun Rettich’s Vorschläge zu der
■‘J Handbuch der Baukunde III, 3. Städtisches Strassenwesen
und Städtereinigung S. 50 u. 325.
BB
No. 14.
von ihm erstrebten stärkeren Ausnützung des
Erweiterungsgebietes. Danach soll nur für etwa ^ m
der Bevölkerung landhausartig mit Wich gebaut wer-
den, sonst durchweg in geschlossenen Reihen,
unter Zulassung von 4, in breiteren Strassen 5 Ge-
schossen (einschl. Erdgeschoss) und ohne Aenderung
der bisherigen Vorschriften über Höfe und Hinter-
gebäude^). Mit diesen Maassregeln seien 349 449 Per-
sonen unterzubringen. Es lässt sich leicht nachrech-
nen, dass dann die Erweilerungsfläche erst 1942 ver-
braucht sein würde. Bedeutsamer als diese unsiche-
ren Berechnungen in der Raumfrage scheinen mir in-
dessen die angeknüpften Erörterungen Rettich’s über
die wirthschaltlichen, gesundheitlichen und schönheit-
lichen Interessen, welche durch seine Vorschläge be-
rührt werden. Ich versuche deshalb im Folgenden
die Wirkungen verschiedener Grade der Baudichtig-
keit (in wagrechtem und senkrechtem Sinne) nach
den genannten 3 Richtungen darzulegen. —
(Fortsetzung folgt.1
Abbildg. 3. Bebauung des Kriegsberges mit wechselndem Wich und grösseren Gruppen.
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- und Ing.-Vereln zu Hamburg. Berichtigung.
In No. 12 befindet sich unter den Vereins-Nachrichten ein
Bericht über einen von mir am 22. Nov. v. J. gehaltenen
Vortrag über Reiseeindrücke aus München, in dem der
Sinn meiner Ausführungen mir nicht überall ganz zu-
treffend wiedergegeben zu sein scheint. Da es sich bei
diesem Vorträge nur um eine auf einen engeren Kreis
^) Hoftiefe gleich 0,3 — 0,5 der Haushöhe. Bei Hintergebäuden
Abstände von 3 — 6 m.
15. Februar 1Q02.
von Fachgenossen berechnete Schilderung ganz persön-
licher Eindrücke gehandelt hat, so möchte ich mich dar-
auf beschränken, einige sachliche Ungenauigkeiten zu be-
richtigen.
Zunächst habe ich nicht gesagt, dass ich mich in
München zu einer Zeit aufgehalten hätte, wo die Stadt in-
bezug auf ihre Bedeutung mit den kleineren Residenzen
wie Dessau oder Strelitz hätte verglichen werden können.
Diesen Vergleich habe ich selbstverständlich auf eine viel
frühere Zeit, als ich sie überhaupt erlebt haben könnte,
angewendet.
«9
Sodann bezweifle ich gesagt zu haben, dass das Schau-
spielhaus allein nach den Entwürfen der Ari hitekien Heil-
mann & Litimann erbaut sei, da mir die Mitw ii kung ,des
Male)s Kiemerschmid bei der dekorativen Ausgestaltung
des Theaters sehr wohl bekannt ist.
Endlich möchte ich bezü^^lich der von der Redaktion mit
einem Fragezrichen versehenen Mieiheangabe noch bemer-
ken, dass es sich um eine, wenn auch nifht aus zahlreichen
so doch aus grossen, gut ausgesiatteten Räumen bestehende
Wohnung eleganter Art handelte, und dass in der Miethe
die Vergütung für die Beheizung der Wohnung einge-
schlossen war. — J. G. Rambatz.
Weiter i>t zu berichtigen, dass der Urheber der S. 6g
abgebildeten beiden Kirchen nicht Hr. W. Lorenzen, son-
dern Hr. Fernando Lorenzen in Hamburg i,-t. —
Vers, am 6. Dez 1901. Vors. Hr. Clas^en; anwes.
54 Pers. Der Vorsitzende eiötfnet die Sitzung mit der
Mitthnlung über den Tod des Hrn. Bauin>p. Weydig, zu
des^en ehrendem Andenken sich die Anwesenden von
ihren Sitzen erheben.
Der Vorsitzende theilt mit, dass Hr. Wasserbau-Dir.
Buchheisier der Verein^bibliothek ein Exemplar der Ab-
handlung „Hamburgs Fürsorge für die Scltiflbarkeit der
Unterelbe“ geschenkt höbe. Hr. Elvers beginnt semen
Voi trag Uber die Ei n d rücke, die er bei einem diesjährigen
Aufenthalt inLondon eihalten hat mit einer Schildei ung
der von ihm besuchten Restaurants und Bierwinhschaften ;
er erwähnt dabei be-onders die eigenartige Beleuchtung
der meistens im Keiler der Gebäude untergebrachten
Lokale mitiels Glasprismen, vom Trottoir der anliegenden
Strasse her. beschreibt die hochelegante Ausstattung des
Holborn-Restaurams und wendet sich dann zu einer Be-
schreibung der Einrichtungen der neuen iin Juli itgg er-
öffneien London-Gentral-Kailway. Die Zuglolge dieser
Bahn wird zu 2-2'g Minuten, die Personetizahl in den
W'agen zu je 56 angegeben. Duich den Betrieb dieser
Balm sollen neuerdings Erderschütterungen veiursacht
worden sein, die man mit Be.»orgnisS wahrgenommen hat,
und die schon zu Absiützungen in der Paulskirche Ver-
anlassung gegeben haben.
Auch der Themseiunnel bei Blackwall wird vom
Redner geschildert und über denselben mitgetheilt, dass
er 6200' engl. (1890 >") lang sei, wovon 3000' (914 f") in'
Eisenkonstrukiion unter dem Flussbett liegen,, während die
anschliessendenRampeh in 1465' (446,72*«) Länge gemauert
und 173s' (529 *«) in offenem Einschnitt hergestellt sind.
Es sind 4 Sctiächte von 76 (23,17 *«) bis 56' (17 *«) l'iefe
mit einem lichten Durchmesser von 46' (14 “) voihanden.
Die Kosten haben imganzen 1265000 Pfd. St. betragen.
Redner beschreibt dann unter Skizzirung der be-
treffenden Grundrisse eine grosse Zahl von ihm be.sich-
tigter Londoner Hochbauten, darunter ein grosses Etagen-
haus, ein kleines Geschäftshaus mit einem Laden im Lrd-
geschoss und darunter im Keller liegender Wohnung, so-
wie die vom Londoner Grafschaftsrath neuerdings er-
bauten Arbeiter- Wohnhäuser in versch, Stadt-Gegenden.
Zum zweiten Gegenstand der Tagesordnung bespricht
Hr. Heubel den mit Rundschreiben der hiesigen Bau-
gewerks-lcmung „Bauhütte“ vom 22. Jum 190L gestellten
gewidmet und wird den Freunden des Gesammiwerkes eine
willkommene Ergänzung, der . bisher .veröiferiilichien.. Hefte
bieten. Die Arbeit von Tein' s, die sich auf ein abgeschlossenes
Gebiet der deutschen Mitielgebii ge bezieht, ist indessen ge-
eignet, _schon für sich allein die Aufmerksamkeit der Leser
zu gewinnen und ihr Studium dtirlie nameniiich jüngeren
Fachgenossen zu emplehlen sein, die ein begrenztes Bild
der Eiforschung der Niederschlags- und Abfluss- Veihält-
nisse gewinnen wollen. Die von Giesecke &.Devrient
mustergiliig hergestellten Karienblätier, namentlich die oro-
graphische Karte, die geologische Karte, auf der die Durch-
lässigkeit des Untergrundes kenntlich gemaiht ist, die Karte
des P'lusssystems sowie die Blätter, auf denen die Ver-
theilung der Bewaldung und die jährlichen Regenhöhen
dargesiellt sind, laden schon zu diesem Studium ein. .So-
wohl die beschreibenden Kapitel des ersten Abschnittes,
wie auch- die weiter- folgen-üe Eiörterung der zwischen
den Niederschlägen und den Abilussmengen bestehenden
Beziehungen sind erschöpfend behandelt.
Auf ähnlichem Gebiete bewegen sich die vom k. k.
österreichischen hydrographischen Büreau herausgegebenen
„Beiträge zur Hyurographie Oesterreichs“, von
denen ein weiteres Heft, das IV., er.schienenist^). Das 143 S.
gr. 4^ Text mit 50 Figuren und 9 Tafeln umfassende. Werk
beschäftigt sich mit der Hochwas&er-Kaiastrophe des Jahres
1899. Das Kaitenmaterial gewährt schon einen Einblick
in den ungewöhnlichen Umfang des Hochwassers. Im
*) Kommissions-Verlag von W. Braumüller, Wien. Pr. 8 M.
Antrag auf Gewähjung längerer Lieferurgsfristen urd Auf-
nahme der Sireikklauöcl in dieBauverträge, Der Bf richter-
siatter erörteit die Frage vom Standpunkt der Arbeiter, der
Uebf-rnehmer, der Archittkien und Bauheiren aus und
kon mt dalei zu dem Schlus.=, dass die Fiage auch für
die Mitglieder de.s Architekten- und Ingenieur-Vereins von
so eiheblichem Inieresse sei, dass es sich empfehlen
würde, für die nähet e Bcaibeiiung dieser Materie einen
Ausschuss zu wählen. F.r stellt anheim, ob man auch die
Frage der Aufnahme der Streikklausel in die von Behör-
den auszuschreibenden Bauverträge empfehlen solle, glaubt
aber, dass die.s bei Veitiägen zwischen Privat-Bauherren
Und deren Uebernehmern, die also von Privat-Architekten
ausgeiertigt werden, sich gewiss empfehlen werde. Eine
Berathung dieser Frage in einem Ausschuss hält Redner
schon deshalb für wünschenswerth, weil zu einer Be-
schlussfassung zurzeit noch keine ausreichende Unterlage
vorha''den sei, auch der von der „Bauhütte“ vorgeschia-
gene Wortlaut der Klausel seiner Meinung nach nicht genüge.
Nach einer Be.'-prechung, in welcher Hr. Strelow
Erfahrungen aus seiner Praxis mittheik, Hr. Löwen gard
den Antrag Heubel unterstützt und denselben auch auf
die von Behörden au>zuschreibenden Bauverträge ausge-
dehnt zu sehen wünscht, begründet Hr. Ruppel inbezug
auf letztere seinen von den vorgetragenen Ansichten ab-
weichenden Standpunkt. Daraul beschliesst die Versamm-
lung: I. Zur Prüiung des von der Baugewerk.s-Innung
„Bauhütte“ gestellten Ersuchens einen Ausschuss von
7 Per^onen niederzu.'-etzen; 2. Für die Wahl der in diesen
Aus>chus.s zu entsendenden Personen den Vorstand um
geeignete Vorschläge zu ersuchen. — Hm. ■.
Die XXV. Gtntralversamnilung des Vereins Deutscher
Portlandr Zement-Fabrikanten sowie die erste Hauptver-
sammlung Oes Vereins deutscher Verblendstein- und Ter-
rakotieniabiikanten finden am 24. und 25. Febr im Archi-
tektenhause zu Berlin statt. Aus der umfangreichen Tages-
ordnung des erstgenannten Vereins führen wir an : Berichte
der Meerwasser-Kummisaion(Hr. R. Uvekerhoff-Amöne-
burg), der Kommission für ein heit liehe Prüfung von Porti and-
Zemeni ( Hr. D r. P r üs s i n g- Magdeburg),] der Kommission für
Bestimmung der Volumbesiändigkeii und der Bmdezeu (Dir.
S chilfn er- Oberkassel) usw. Es führt ferner Hr. Ing.
Cary-ßerlin den Schopper’schen Zement-Prüfungs- Appa-
rat vor, es spricht Hr. A. Foss- Kopenhagen über Festig-
keits-Koeffizienten von Portland-Zement und es wird auch
der Einfluss der Kohlensäure und von Salzlösungen auf
PortJand-Zement und Trassmörtei erörtert. —
Aus der Tagesordnung des zweitgenannien Vereins
führen wir an: „Was verlangen wir von einem guten
Verblendstein?“ ; „DieVerblendstein-Fabnkation in alter und
neuer Zeit bei den verschiedenen Völkern“; Der neue Stil
und die Verblender“ ; „Glasuren und glasLrte Steine" usw. —
Vermischtes.
Dauerbrand-Kamin-Ofen von C. W. Stauss, Berlin.
In den 'beigegebenen Abbildungen bringen wir einen
eisernen Dauei brand-Ofen zur Darstellung, der durch seine
zweckmässige Anordnung e.ne möglich>t weitgehende Aus-
südlichen Theil des Donaugebietes sind vom 8. bis 14. Sep-
tember stellenweise mehr als 450,™*** Kegen gefallen und
in Mühlau ist allein am 12. September eine Regeniiöhe
von 287““’ beobachtet worden. Der Verlauf des Hoch
Wassers ist durch Wasserstand^-Beobachtungen und bet
Wien auch . durch Wassermengen-Bestinmiungen genau
verfolgt. Aus dem reichhaltigen Material, das die Ver-
ötfentiichung bietet, mag hier nur hervorgehoben werden,
da>s die Absperr- Vorrichtungen am oberen Ende des
Donau-Kanales bei Nussdorf sich vollkommen bewährt
haben, sodass durch Verhinderung einer Ueberschwem-
mung der unteren Staduheile W’iens grosse Werihe . ge-
rettet worden sind. Wichtig ist auch das Schlusswort, in
dem Ob-Brth, Lauda es durchaus in Abrede stellt, dass
den vorgekommenen Lntwaldungen eine Verschlimmerung
der Hochwasser-Katastrophen zuzuschreiben sei. Lauda
•schätzt allerdings den Waldbestand, insofern er die Boden-
decke vor Abschwemmung und die Wassei läute vor Ver-
schotterung bewahrt und zurzeit der Schneeschmelze den
ruhigen Wasserabfluss fördert; er giebt auch zu, dass der
Wald in gewissem Grade die Ntederschläge zurückzuhalten
vermöge, betont aber, dass dieser wuhlthätige Einfluss
nur den eigentlichen Quellgebieten zugute komme und
dass der Waidbestand dieser Gebiete keineswegs die Hoch-
wässer der abwärts liegenden Stronistrecken mit Sicher-
heit mildere. Ein Rückblick auf die im Laufe der Jahr-
hunderte im Donaugebiete vorgekommenen Hochwasser-
Katast! ophen liefet e den Beweis, dass die beklagenswerthen
Ereignisse der letzten Zeit keineswegs einzig in ihrer Art
90
No. 14.
nutzune der Heizkraft des Brenninaterials bei leichter Re-
gulirbarkeit der Temperatur, einfacher Bedienung, dauer-
hafter Konstruktion und verhältnissmassis geringen Konten
erstrebt. Der Ofen besteht aus dem Füllkasten fr, der für
24 Stunden Brennmaterial enthält, dem verhälinissmässig
kleinen Feuerraim ?« (für ein afenstriges Zimmer nur 10
zu 7 c'ii Querschnitt), in welchem sich auf dem Planrost ij
hinter einem stehenden Ro'ite die Verbrennung vollzieht,
wobei Hitzegrade bis 1300" C erreicht werden sollen. Der
Feuerraum i?-t durch die Chamottewand q, die zur Ab-
kühlung durchlocht ist, sodass die Ztmmeriuft hindurch
streichen kann, von dem rings mit Chamotte ausgekleideten
Ans d. Heizk. von Aussenseite einer
der RQckaeiie. Heizplatte.
Feuerschacht s getrennt. Letzterer ist oben rostartig mit
Charaottesteinen abgedeckt, sodass sich die Heizgase nach
den Kanälen n spalten müssen und nun die auf dem Roste
stehenden gusseisernen Heizkörper v allseitig umspülen.
Da letztere im Verhälmiss zum Feuerraum sehr gioss
sind, ist ein Glühendwerden ausgeschlossen und sie ver-
leihen der durch ihren Hohlkörper hindurchstreichenden
Zimmerluit eine nur gemässigte Temperatur. Nachdem
die Heizgase ihre Wärme an die Heizkörper abgegeben
haben (wobei nach den Angaben der Firma ihre Tempe-
ratur bis auf 120 ‘’C herabsinkt), sammeln sie sich in dem
Gassammler 0 und entweichen dann duri-h den Abzug.
Letzterer ist nach unten durch einen Rohransatz ver-
•— h. längert, der mit Schieberöffnung versehen ist, um
durch den Eintritt kalter Luft den Zug und damit
den Heizeffekt reguliren zu können. Das Ganze
ist entweder umhüllt von einem unten offenen, im
Deckel durchbrochenen Mantel, sodass also die Zim-
merluft unten eintritt, sich in den Heizkammern er-,
wärmt und oben austritt, oder durch eine kamin-
artige Umhüllung verdeckt. Die Ausstattung dieser
Mäntel bezw. Verkleidungen wird in einfacher und in
reicherer Form hergestellt.
Als Heizmaterial ist eine gasarme Kohle, An-
thracit, Koks zu verwenden. (Für rauchende Stein-
^ und Braunkohlen ist der Ofen in etwas anderer
^ Weise ohne das offene Kaminfeuer ausgebildet.)
Die Oefen werden in 6 verschi.edenen Grössen,
und zwar in Höhen von 1,06 — 2,08“, Querschnitten
von 0,42 bis 0,96 qm, Gewicuten von 130-800 kg ge-
liefert. Sie sollen bei diesen Abmessungen zu einer
Temperatur - Erhöhung um 40 °C für Räume von
50—180 bezw. 1000— 1600 cbm Inhalt ausreichen und
eine Ausnutzung des Brennstoffes bis 90 ".'q ermög-
^ liehen. Der dargestellte Ofen ist für Räume bis
^ 3ooch'n Inhalt bestimmt. Der Preis beträgt dann
in einfacher Ausstattung iio M. —
Architektur-Ausstellung auf der Industrie- und
Geweroe Ausstellung für Rneinland und Westfalen ln
Düsseldorf 1902. Wir weisen auf den am Schluss dieser
Nummer abgedruckien.Aufrul des Verbandes deutsch.
Arch.- u. Ing.-Vereine hin, welcher zu einer Bethei-
ligung an der Architektur-Ausstellung auifordert, die
als ein Theil der deutsch-nationalen Kun-tausstellung
in Düsseldorf im Obergeschoss des daselbst neu er-
richteten Kunstausstellungs-Gebäudes siaitfinden soll.
Zugela.ssen sind nach 1892 ent-^iandene Werke
deutscher und deutsch- österreichischer Künstler.
Die angemeldeten Werke müssen in der Zeit vom
I. — 5. April in Düsseldorf eingeliefert werden. Es
J? wäre zu wünschen, dass die Architektur auf der
Ausstellung in einer Weise vertreten ist, die ihrer
Bedeutung ent-pricht. Da der zur Verfügung ste-
hende Raum verhälinissmässig knapp i-t, kann dies
nur durch Vorführung hervorragender Leistungen
erzielt werden. —
da.-tehen, und die genaue Untersuchung der Hochwässer
von 1897 und 1899 ergäbe, dass namentlich die waldreichen
Gebiete der Elbe, der Isar, der Neisse, der Wien, der
Enn.s usw. am meisten betroifen wm den. Wenn man end-
lich bedenke, dass im September 1899 sieben Regentage
dem Donaugebiet fa-t 16 ebkm Niederschläge zugeiührt
haben, erscheine es einflusslos, ob der Waldbestand um
einige Hektar abgenommen habe. —
Auf dem Gebiete des Seebaues liegt die von Reg.-
Rth. Geitei herausgegebene Aibeit L. A. Veitmeyers
vor, welche die „Leuchtfeuer und Leuchtapparate“
historisch und konstruktiv behandelt®). Das Werk um-
fasst 250 Seiten gr. 4. mit 152 Abbildungen und einer
farbigen Tafel. Veitmeyer wurde vor etwa 60 Jahren
durch Beuth zum Studium des Leuchifeuerwesens nach
England und Frankreich entsandt und ist seitdem bis zu
seinem Tode im Jahre 1899 in erfolgreicher Weise bei
dem Ausbau der deutschen Seefeuer thätig gewesen. Es
war ihm nicht vergönnt, das Werk seines Lebens selbst
zu veröffentlichen, doch sind Herausgeber und Verleger
in gleicher Weise bemüht gewesen, in der Form des
Druckwerkes dessen Inhalt gerecht zu werden. Im Jahre
18:8 hat Chr. Nehls eine Beatbeitung des Stevenson’-
schen Werkes „Illumination der Leuchithürme“ deutsch
herausgegeben. Seitdem fehlte un>erer Litteraiur auf die-
sem äus>erst wichtigen Gebiete ein zusammenfassendes
Werk, sodass die wesentlichen Fortschritte der letzten
Verijg von R. Oldenbourg, München und Leipzig. Preis geb. 15 M.
15. Februr 1902.
Jahrzehnte nur aus losen Beschreibungen einzelner Leucht-
leuer-Anlagen oder aus der IremdJändischen Litieratur zu
entnehmen waren. Es ist bekannt, dass aus diesem Grunde
die Fertigstellung des Beitrages zum 111. Bande des Hand-
buches der Ingenieur-Wissenschaften, den die Reg,- und
Bnhe. Körte und Truhlsen zugesagt haben, von vielen
Seiten mit Sehnsucht erwartet wird. Die Leuchtfeuer
und Leuchtfeuer - Ajtparate Veitmeyers füllen deshalb
eine empimdliche Lücke aus. Der historische Theil des
Werkes bringt die Darstellung vom Werden und Ver-
gehen der Leuchtieuer der antiken Welt und der vom
Mittelalter bis zum Anfang des 19. Jahihunderts langsam
aufs Neue erfolgten Entwicklung; die zahlreichen Ab-
bildungen zeigen u. a. die auf den Felsen von Eddy-
stone 1699, 1709, 1759 und 1882 errichteten Leuchtthürme;
der Anhang bringt mancherlei die Beschreibung er-
gänzendes Urkundenmaterial. In den folgenden Ab-
schnitten werden die Feuerschiffe und Leuchtbojen, so-
wie die Lichtgeber, vom Holz- und Kohlenfeuer beginnend
bis zu den neueren Oelfeuern und den elektrischen Lich-
tern, die Fresnei’schen Apparate, die Scheinwerfer und
die unterbrochenen Feuer eingehend besprochen.
Der letzte Abschnitt ist den Leuchtapparaten der
Gegenwart gewidmet. Hier werden namentlich die neueren
französischen Konstruktionen (s. D. B. 1900, S. 538), die
Blick-, Blink- und Blitzfeuer, sowie die Dauerleuer be-
schrieben und in ihrem jeweiligen Werthe gewürdigt.
Das schön ausgestattete Werk wird allen am Seebau be-
theiligten Ingenieuren willkommen sein. — y.
91
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Umgestaltung Landesausstellungs-Gebäude
Berlin, Den I. Preis errang Hr. Max Ravoth, den II. Preis
Hr. Fritz Gottlob, den III. Preis Hr. K. E. Bangert,
sämmtlich in Berlin. Die nicht durch Preise ausgezeich-
neten Verfasser können ihre Entwürfe vom 22. d. M. ab
beim Kastellan der Akademie abholen lassen. Die Preis-
richter haben den Wunsch geäussert, alle lo Entwürfe auf
der kommenden Berliner Kunstausstellung in einem be-
sonderen Raume zur Ausstellung bringen zu können, falls
die Verfasser zustimmen. —
Wettbewerb Rathbaus Hamborn. Es liefen 65 Entwürfe
ein. Die Gesammtsumme der Preise von 3000 M. wurde
in 3 gleiche Preise von je :i:ooo M. zerlegt und diese den
Entwürfen der Hrn. Robert Neuhaus in Rheydt, Gustav
Jänicke in Schöneberg bei Berlin undGust. R ump el in Ge-
meinschaft mit Arth. Krutzsch in Dresden zuerkannt. Zum
Ankauf für je 300 M. wurden zwei weitere Entwürfe em-
pfohlen und zwar die Arbeiten „Jong kiek ens do den ene“
und „Neujahr 1902“. Sämmtliche Entwürfe sind bis 23. d. M.
einschl. im Landers’schen Saale zu Marxloh öffentlich
ausgestellt. —
Bücherschau.i .
Charakteristische Giebelbauten und Portale in Danzig
aus der Zeit vom 14. bis 18. Jahrhundert. Der Preis des
Werkes ist nicht, wie S. 79 irrthümlich angegeben wurde,
6 M., sondern 18 M. —
Bei der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten:
Anderlind, O. V. Leo. Darstellung des kaiserlichen
Kanals von Aragonien nebst Ausblick auf ein in
Preussen herznstellendes Kanalnetz. Leipzig 1902. Karl
Scholtze (Theophil Biller).
Bau-Unfallversicherungsgesetz fürdasDeutsche
Reich vom 30. Juni rgoi, mit dem Gesetz betr. die Ab-
änderung der Unfall-Versicherungs-Gesctze vom 30. Juni 1900.
Dülmen i. W. iqot. J. Horstmann. Pr. 50 Pf.
Borrmann, R und R. Graul. Die Baukunst. 6. Heft, 2. Serie:
Der kirchenbau der Hoch- und Spätrenaissance in Venedig.
Herau^gegeben von Othmar von Leixner; 7. Heft. 2. Serie:
Die Schlösser zu Schleissheim und Nymphenburg. Heraus-
gegeben von Richard Streiter. Berlin 1902. W. Spemann.
Pr. 4 M. das Heft.
Dekorative Vorbilder. Eine Sammlung von figürlichen
Darstellungen, kn]istge'W'’crblichen Verzierungen, plastischen
Ornamenten, dekorativen Thier- und Pflanzen-Typen , Alle-
gorien, beraiclisclien Motiven, Trophäen usw. 13. Jahrgang,
Heft j. — 6. Stuitg;jrt 1901. Jul Hoffmaun. Pr. i M. f, d. Heft.
Ebhardt, Bodo. Deutsche Burgen. Liefrg. 2, 3 u. 4. Berlin
18991500. Ernst Wasmuth. Pr. 12,50 M. f. d. Heft.
Feuerpolizei. Für Polizei- und Verwaltungs-Behörden, Ver-
sicbejungs- Anstalten , Bauämter, Feuerwehren und Kamin-
kelrer. 3. Bd. München 1901. Ph. L, Jung. Pr. 3,60 M.
Heyer, R., Dir. Aufgaben für das Fach zeichnen an
F o r t b i I d II n g s - und Fachschulen. Heft i — 4.
I. Heft: für Zimmerer, 2. Heft: für Maurer, 3. u. 4. Heft
Serie A u. B: für Maurer und Steinhauer. Leipzig 1901.
Setraann & Co. Pr. i M. f. d. Heft.
Krell, Otto, seii., Ingi Alt römische Heizungen. München
1901. R. Oldenbourg. Pr. 4 M.
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Mar.-Brth. u. Hafenbau-Bclr -Dir.
Stieber in Kiel und der Garn -Bauinsp. Grell in Magdeburg
sind gestorben.
Baden. Der Brth. Kredell in Baden ist z. techn. Ref, fi'u'
Bausachen beim Min. der Finanzen ernannt.
Versetzt sind: die Reg.-Rmstr. Kinzler in Offenburg zur
Wasser- u. Strassenbauinsp. Konstanz, Kitiratschky in Fni-
burg zur Kulturinsp. das. und Wielandt in Emmendingen zur
Wasser- u. Strassenbauinsp. Freiburg.
Hamburg. Der Bmstr. I. Gehaltski, Breuer ist z. Bauinsp.,
die Bmstr. II. Gehaltskl. Schüler und Lang sind zu Bmstrn.
I. Gehaltskl. befördert.
Oldenburg. Dem Ob.-Deichgräfe Tenge u. dem Ob.-Brth.
Köppen in Oldenburg ist das Ehren-Ritterkreuz J. Kl. des
grossherz. Haus- und Verdienst-Ordens, dem Brth. Hoffniann
in Oldenburg das Ehreu-Rilterkreuz II. Kl. dess. Ordens und dem
Eisenb.-Bauinsp. Koopmann ist der Tit. Ob.-Bauinsp verliehen.
Preussen. Die Erlaubniss zur Annahme u. zum Tragen der ihnen
verlieh- fremdi. Orden ist ertheilt und zw : dem Geh. Brth . S c h a p e r
in Köln a. Rh., den Reg.- u. Brthn. Sprengell in Altona und
Merten in Stettin des kais. russ. St. Annen-Ordens III KL; dem
Reg.- u. Brth- Hellmann in Köln a, Rh. des kais. russ. St.
Stanislaus-Ordens III Kl.
Der Reg.- u. Brth. Fischer in Liegnitz ist nach Breslau ver-
setzt und ist ihm die Stelle des Reg.- u. Brths. beim Ober-Präs,
der Prov. Schlesien übertragen. — Der Mel. -Bauinsp. Wegner
in Berlin ist z. Reg.- u. Brth. ernannt.
Der Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Nixdorff in Winsen ist z.
Betr.-Insp. i in Hannover versetzt.
Der Reg.-Bmstr. Dr. Burgemeister in Breslau ist z. Prov.-
Konservator der Prov. Schlesien bestellt.
Dem Priv-Doz. Buchkremer an der Techn. Hochschule
in Aachen ist das Prädik Prof, beigelegt.
Dem Eisenb.-Bau u. Betr.-Insp. Oberschulte in Frankfurt
a. M. u. den Reg. -Bmstrn. Emil Pavel in Berlin u. Alex. W o r m i t
in Königsberg i. Pr. ist die nachges. Entlass, aus dem Staatsdienst
ertheilt.
Der Geh. Brth. Erd mann in Magdeburg ist gestorben.
Sachsen. Der Reg.-Bfhr. Olzscha ist z. etatm. Reg.-Bmstr.
bei der Strassen- u. Wasser-Bauinsp. Schwarzenberg und der Reg.-
Bflir. Baer z. Reg.-Bmstr. beim Landbauamte Leipzig ernannt.
Sachsen-Altenburg. Dem Brth. Schier holz in Roda ist
die Erlaubn. zur Annahme und z Tragen des ihm verlieh. Ritter-
kreuzes I. Kl. des kgl. sächs. Albrechts-Ordens ertheilt.
Württemberg. Der Prof. J a s s 0 y an der Techn. Hoch-
schule in Stuttgart ist z. Mltgl. der zur Berathung des Konservators
der vaterl. Kunst- u. Alterthums-Denkmale, hauptsächl. in Restau-
rationssachen , eingesetzten Sachverständigen-Komniission ernannt.
Dem Arch, BihI in Stuttgart ist der Olga-Orden verliehen.
Den Rcg.-Bmstrn. Kurz in Magolsheim, Konz in Freuden-
stadt, Schaal in Hochberg, Wegmann in Stuttgart und Sigel
in Wasserahingeu sind die eil. Stehen etatm. Reg.-Bmstr. im Be-
zirksdienst der Stra.ssen- u. Flussbau-Vcrwallg. übertragen.
Der Baudir., Prof. v. Haenel in Stuttgart und der Reg.-
Bmstr. Metzger in Esslingen sind gestorben.
Inhalt; Villa Pintsch in Flinsherg in Schlesien — Die ^iluttaarter
Stadterweitcrung — Neuere Druckwerke auf dem Gebiete des Wasser-
baues. — Mittheilungeii aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen.
— Bücherschau — Personal-Nachrichten. — Verband dciuscher Architcluen-
und Ingenieur.-Vcreine.
Hierzu eine Bildbeilage; Villa Pintsch in Flhibberg i. Schl.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmana, Berlin. Druck von Wiih. Greve, Berlin.
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine.
An die Architekten Deutschlands.
Mit der Industrie- und Gewerbe- Ausstellung für Rheinland und Westfalen, welche vom i. Mai bis
Ende Oktober 1902 zu Düsseldorf stattfindet, wird gleichzeitig eine Deutsch-nationale Kunstausstellung
verbunden sein. Die Abgeordneten- Versammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-
Vereine hat in Königsberg beschlossen, die Vereine Düsseldorf und Köln mit der Vertretung der Interessen
der Verbands-Mitglieder zu betrauen; in Ausführung dieses Beschlusses haben diese beiden Vereine ihrer-
seits einen Verbandsausschuss gewählt.
Nachdem dieser Unterzeichnete Ausschuss zu Düsseldorf am 19. Januar 1902 die vom Kunstausschuss
der Deutsch -nationalen Kunstausstellung 1902 den deutschen Architekten zur Verfügung gestellten Räume
— welche in Verbindung mit dem seitens des preuss. Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten ebenfalls
für eine Architektur-Ausstellung ausgewählten Raume stehen — angenommen hat, ist es demselben wün-
schenswerth, baldmöglichst ein Bild von der Betheiligung der deutschen Architekten an dieser Ausstellung
zu gewinnen.
Er bittet daher diejenigen Herren Architekten, welche 1902 in Düsseldorf ihre Werke, wie Zeichnungen,
Modelle usw. auszustellen beabsichtigen, von der Geschäftsstelle des Ausschusses, Architekt H. Salzmann,
Düsseldorf, Graf Adolfstrasse 19, Anraeldebogen zu verlangen und dieselben ausgefüllt baldmöglichst,
spätestens bis zum i. März, an die genannte Geschäftsstelle einzusenden.
Bemerkt wird, dass es sich im vorliegenden Falle wesentlich um künstlerische architektonische
Werke, bildmässig oder in Modellen dargestellt, handelt; Photographien von Architekturwerken können nur
in sehr beschränktem Maasse zugelassen werden. —
Düsseldorf, den 31. Januar 1902.
Der Verbands-Ausschuss für die Architektur-Abtheilung auf der Deutsch-nationalen
Kunstausstellung Düsseldorf 1902.
vom Endt. Fuchs. Herbst. Kaaf. Peiffhoven. Radke. Salzmann. Wehling. , Wille.
No. 14.
92
ILLA PINTSCH
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*
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 15. Berlin, den 19. Februar 1902.
neuen Vorschriften über die unwiderrufliche Anstellung der Regierungs-Baumeister der
preussischen Staatsbau-Verwaltung.
r.
ie Dtsche. Bztg. hat in No. 12 einige Bemerkungen
i»i' diesen neuen Bestimmungen gemacht, die u. E.
nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Es wird
dort bemängelt, dass die bisherige Vorschrift, wonach ein
Regierungs-Baumeister vom Minister der öffentl. Arbeiten
aus dem Staatsdienste entlassen werden konnte, wenn
er seinen dienstlichen Verpflichtungen nicht
nachkam oder sich so tadelhaft führte, dass er
zur Verwendung im Staatsdienste nicht geeignet
erschien, dahin geändert worden ist, dass die Regierungs-
Baumeister während der ausseretalsrnässigen auf Widerruf
erfolgten Anstellung auf Verfügung des Ministers aus dem
Staatsdienste entlassen werden können, „sofern sie sich
nicht als geeignet für den Staatsdienst erweisen“.
Und zwar wird diese Bemängelung des Näheren dahin er-
läutert, dass, während nach der alten Vorschrift nur die
des Staatsdienstes „Unwürdigen“ aus dem Staatsdienste
entlassen werden konnten, eine solche Maassregel nach
den neuen Vorschriften auch gegen diejenigen zur An-
wendung kommen könne, „die vielleicht nur in ihren
Fähigkeiten den augenblicklichen Ansprüchen der Ver-
waltung nicht voll entsprechen“. Kann man aber im
Ernste gegen einen solchen Grundsatz etwas einzuwenden
finden? Wir sind zunächst geneigt anzunehmen, dass es
schon nach den alten Vorschriften möglich gewesen wäre,
einen Regierungs-Baumeister zu entlassen , dessen Fähig-
keiten den augenblicklichen Ansprüchen der Verwaltung
nicht voll entsprachen, denn ein solcher Beamter ist u. E.
nicht imstande, seinen dienstlichen Verpflichtungen, zu
denen doch nicht nur ein Absitzen der Bureauzeit oder
ein Begehen und Besehen des Baues, sondern auf den
Fähigkeiten des Beamten beruhende Leistungen
gehören, nachzukommen. Aber wir geben allerdings zu,
dass die alten Vorschriften wohl nur selten so gehandhabt
wurden, wir sagen aber ausdrücklich leider, und be-
trachten es daher als einen wesentlichen Gewinn, dass in
den neuen Vorschriften dieser sehr triftige Entlassungs-
grund klar und bestimmt ausgesprochen ist.
Soll denn im Ernst dem Staate zugemuthet werden, sich
mit unfähigen, in ihrem Können und Wissen ungenügenden
Personen zu behelfen, mit Personen, deren Unfähigkeit
trotz der Prüfungen früher nicht bekannt wurde, bei der
weiteren Beschäftigung aber klar zutage tritt? Und kann
denn dadurch etwa dem Fache, dem Ansehen und der
Stellung der Bauleute im Staate und in der Gesellschaft
gedient werden, wenn solche Elemente im Staatsdienste
verbleiben müssen? Wir sind im Gegentheil der An-
sicht, dass die neue Vorschrift und deren nicht zu
zaghafte Handhabung unserem lieben Fach und seinen
Jüngern zu bestem Segen gereichen wird, denn nichts
ist nach jeder Richtung hin schädlicher für das Ansehen
und die Werthschätzung des staatlichen Bauwesens und
seiner Angehörigen, als die leider nicht zu leugnende That-
sache, dass bisher die Mittelmässigkeit vielfach einen Unter-
schlupf fand, dass sie viel zu rücksichtsvoll behandelt wurde
und dass dadurch nicht nur die durchaus tüchtigen Leistun-
gen der grossen Mehrzahl unserer Staatsbautechniker viel-
fach verdunkelt, sondern auch deren Fortkommen beein-
trächtigt wurden. Die neue Vorschrift ist sonach nach
unserer Ueberzeugung nicht nur vom Standpunkt des
Staates als Bauherr berechtigt, sondern auch vom Stand-
punkt der Staatsbaubearaten rückhaltlos zu begrüssen; sie
nimmt aber auch auf die von ihr etwa wegen minderer
Fähigkeit Betroffenen die denkbar grösste Rücksicht. Denn
in der Bestimmung, dass den als nicht für den Staatsdienst
geeignet Befundenen bei der Entlassung die Führung des
Titels Regierungs-Baumeister mit dem Zusatz a. D. be-
lassen werden kann, dass sie sich also in dieser Hinsicht
nicht von den freiwillig Ausgeschiedenen unterscheiden,
während nach den bisherigen Vorschriften das Recht zur
Führung dieses Titels bei der unfreiwilligen Entlassung
unter allen Umständen verloren ging, liegt ein sehr weites
Entgegenkommen gegen die für den Staatsdienst als „nicht
geeignet“ befundenen Elemente. Selbstverständlich muss
dabei vorausgesetzt werden, dass das Recht zur Führung
dieses Titels nicht etwa Unwürdigen belassen wird, aber
wir haben in dieser Hinsicht zur Leitung unseres Staats-
bauwesens das vollste Vertrauen.
Wir müssen daher die neuen Vorschriften über die
unwiderrufliche Anstellung der Regierungs-Baumeister der
preussischenStaatsbau-Verwaltung als durchaus sachgemäss
bezeichnen und können sie nur freudig begrüssen, auch
hegen wir die zuversichtliche Hoffnung, dass sie sich in
Verbindung mit den gleichfalls vor nicht langer Zeit er-
lassenen Bestimmungen über die Beschränkung in der
Annahme und Ernennung von Regierungs-Bauführern als
segensreich für die Stellung der Staatsbaubeamten erweisen
werden. Und gegenüber der in No. 12 zutage getretenen
unverbesserhchen Nörgelsucht trösten wir uns mit der
Zuversicht, dass die Besten des Faches diese mit uns
verurtheilen! — B— m.
Eine akademische Studienreise nach Nord-
Frankreich.
(Hierzu die Abbildungen auf Seite 95.)
[|rii^||icht durch den Unterricht, nicht durch Bücher allein
Geist der Bauwerke erfassen; erst
das Werk selbst mit dem mannigfaltigen Reiz der
Wirklichkeit vermag den tiefen künstlerischen Eindruck
zu erwecken und dauernd zu erhalten. Das bezieht sich
namentlich auf die baukünstlerischen Hervorbringungen
des Mittelalters, welches durch das unausgesetzte Ringen
nach weiterer Entwicklung im Gegensätze steht zu den
in festen Verhältnissen unabänderlichen Formen der An-
tike. Mel-r wie in dieser will die Kunst des Mittelalters
empfunden, unter Vertiefung in die Einwirkungen der
Kulturentwicklung verstanden sein und das kann unter
gründlicher geschichtlicher Vorbereitung am vollkommen-
sten nur vor den Bauwerken selbst geschehen. Diese
Erwägungen reiften in dem Lehrer für mittelalterliche
Baukunst an der Technischen Hochschule in Charlotten-
burg, Geh. Reg.-Rth. Prof. Christoph Hehl, den Plan, durch
einen Besuch der nordfranzösischen gothischen Kathedral-
städte, durch Berührung einiger westfranzösicher Städte
mit romanisch-normannischem Einfluss, sowie durch Ein-
beziehung einiger niederrheinischer Städte seinen Schülern
einen allgemeinen Ueberblick über den gothischen Kirchen-
bau zu geben. Ueber diese im Sommer 1900 ausgeführte
Reise berichtete PIr. Hehl in der geselligen Zusammen-
kunft der „Vereinigung Berliner Architekten“ vom 9. Jan.
d. J. und die Organisation und praktische Durchführung
der Reise insbesondere waren es, welche in hohem
Maasse das Interesse der Versammlung weckten und uns
veranlassen, auf dieselbe näher einzugehen,
Um die Zeit möglichst auszunutzen und um die Aus-
gaben soviel wie angängig zu verringern, wurde vor An-
tritt der Reise ein sorgfältig durchgearbeitetes Reisepro-
gramm aufgestellt und jedem Theilnehmer ein durch Ver-
vielfältigung hergestelltes Exemplar übergeben. Das für
die Zeit vom 27. Juli bis i. Sept. 1900 sich erstreckende
Reiseprogramm umfasste 7 geschriebene Seiten des ge-
wöhnlichen Aktenforraates, ein Beweis dafür, wie ein-
gehend es aufgestellt war. Um zu zeigen, wie das Programm
aufgestelit und die Tageseintheilung getroffen war, seien
hier die Tage vom 28.— 30. Juli angeführt:
Sonnabend, 28. Juli. Metz, Hotel de Paris. 8 Uhr
Frühstück. S'/g Uhr Vortrag von Hrn. stud. Pantel.
Von 9V4 Uhr an Studium der Kathedrale, i Uhr
Mittagessen im Hotel. 3 Uhr Studium der Kirchen
St. Vincenz, St. Martin, St. Eucharius. 6 Uhr Gang
durch die Stadt, 8 Uhr Abendessen im Hotel. Nach
dem Essen Vortrag über Chälons von Hrn. stud.
Hans Hehl. Uebernachten. —
Sonntag, 29. Juli. 6 Uhr Frühstück und Gepäck zur
Abfahrt auf den Flur bereit legen.
Fahrpreis voa Metz ( Ab Metz III. Kl. 6'*h S. Indic. des Chemins
nach Pagny
III. Kl. 36 Pf.
Est.
Chälons sur Marne, Hotel de la Cloche d’or.
11I/2 Uhr Mittagessen im Hotel. 2 Uhr allgemeine
Besichtigung der Stadt und der Kathedrale. 7 Uhr
Abendessen im Hotel. Uebernachten. —
de Fer 189 A.
an Pagnv sur Moselle 7^. Zoll-Revision.
ab Pagny 6*^
an Frouard 7^^
Iab Frouard 7^“
an Chälons sur
Marne 10®®
1 Pariser Zeit, Unter-
schied 55 Minuten.
II. Kl. Ömnibuszug-
j Rapide, n. KI. 187A.
93
II.
Unserem Grundsätze getreu, auch stets die Gegen-
seite zu Worte kommen zu lassen, haben wir den vor-
stehenden, gegen unsere kurze redaktionelle Notiz ge-
richteten Ausführungen Raum gegeben, trotzdem in den
Schlussworten derselben ein äusserst scharfes Urtheil über
uns gefällt wird. Schwerwiegender als dieser ausge-
sprochene Vorwurf „unverbesserlicher Nörgelsucht“ er-
scheint uns aber derjenige, der nur aus den Auslassungen
herauszulesen ist, als hätten wir uns zum Verthei-
diger der Mittelmässigkeit, ja selbst der Unfähigkeit auf-
geworfen. Nichts hat uns ferner gelegen, wir sind hierin
vielmehr völlig missverstanden worden.
Zunächst haben wir keineswegs angenommen, es hätten
bisher nur die des Staatsdienstes „Unwürdigen" aus dem-
selben entfernt werden können. Wir haben vielmehr nur
darauf hingewiesen, dass die alten Vorschriften nUr diesen
Entlassungsgrund ausdrücklich aufführen. Trotzdem haben,
wie uns bekannt war, auch aus anderen Gründen schon
früher Entlassungen stattgefunden (abgesehen von den
zahlreichen Entlassungen bei der Reorganisation der Staats-
eisenbahn-Verwaltung, die übrigens zum grössten Theil
durch Wiedereinstellung an anderer Stelle wieder aufge-
hoben wurden), zumeist wohl wegen Unfähigkeit. Üm
diese zu treffen, bedurfte es also keiner neuen Be-
stimmungen.
Die neuen Bestimmungen sprechen ja auch garnicht
von Unfähigkeit als Entlassungsgrund, sondern bezeichnen
dafür als ausreichend, wenn der betr, Baumeister sich
als „nicht geeignet für den Staatsdienst" erweist. Dieser
allgemeine Begriff „nicht geeignet“ ist nun durchaus nicht
so „klar und bestimmt“, wie Hr. B-m meint, sondern viel-
mehr recht unbestimmt, und das ist es gerade, was uns
an den neuen Vorschriften bedenklich erscheint. Denn
dieser Begriff ist ein überaus dehnbarer, der ja nach per-
sönlichen und augenblicklichen Anschauungen sehr ver-
schieden ausgelegt und gehandhabt werden kann.
Hr. B-m. fasst die von uns nur als möglich hingestellte
Wirkung des Erlasses (dessen Vorgeschichte wir nicht
kennen) nach der Richtung einer Verschärfung der An-
nahme-Bedingungen für Reg.-Baumeister als beabsichtigt
auf und begrüsst diese Verschärfung, als im Interesse einer
Mittheilungen aus Vereinen.
Vereinigung Berliner Architekten. In der geselligen
Zusammenkunft vom 9. Januar, die unter Vorsitz des Hrn.
Wolffenstein und unter Theilnahme von 43 Mitgliedern
stattfand, berichtete Hr. Hehl über eine mit seinen Schülern
unternommene Studienreise nach Frankreich, auf welche
wir an anderer Stelle näher eingehen. —
In der III. ord. Versammlung vom 21. Jan. gedachte der
Vorsitzende, Hr. von der Hude, zunächst des schweren
Verlustes, welchen die Fachwelt durch den Tod Jacobs-
thals erlitten habe und theilte mit, dass der Gedanke an-
geregt sei, das Andenken an den Verstorbenen durch
Hebung des Ansehens des staatlichen Bauwesens liegend,
mit Freuden. Wir können uns dem nicht anschliessen.
Wenn das Ansehen des staatl. Bauwesens dieser Hebung
wirklich bedarf, was wir dahin gestellt sein lassen wollen,
so liegt die Ursache jedenfalls nicht in einer zu milden
Handhabung der früheren Vorschriften, sondern unseres
Erachtens auf ganz anderem Gebiete. Sie liegt vor allem
darin, dass die Staatsbau-Beamten viel zu spät in eine
halbwegs selbständige Stellung gelangen, dass sie ihre
Kräfte vielfach in Arbeiten verbrauchen müssen, zu deren
Erledigung eine derartige Vorbildung garnicht erforderlich
ist. Dieser Grund, nicht allein die Aussicht auf besseres
Fortkommen, bessere Besoldung, zieht so viele junge
Kräfte, und nicht gerade die schlechtesten, aus der Staats-
bau-Verwaltung in den Dienst der Gemeinden und der
Privatindustrie.
Hier eine Wandlung zu schaffen, ist, wie auch schon
von anderer Seite an dieser Stelle betont wurde aller-
dings nur möglich durch die Beschränkung in der An-
nahme der Anwärter auf die selbständigen Stellungen. Zu
dieser Beschränkung ist durch die neuen Bestimmungen
über die Annahme der Reg.-Bauführer ein wichtiger Schritt
gethan. Wenn nun aber schon einmal eine solche sorg-
fältige Sichtung stattgefunden hat, wenn dann diese Kandi-
daten 3 Jahre im Staatsdienste ausgebildet worden sind
und schliesslich für würdig befunden werden, zur Prüfung
als Reg.-Baumeister zugelassen zu werden, wenn sie diese
bestanden haben, dann sollte man doch wohl annehmen,
dass die „Unfähigen" nunmehr ausgeschieden seien und
dass selbst das massige Mittelgut auf diese Weise ausge-
merzt werden könnte. Die Reg.-Bmstr. dann noch fünf
Jahre lang unter einen so dehnbaren Entlassungs-Para-
graphen zu stellen, erscheint uns jedenfalls unbillig und
geeignet, diejenige Verbesserung in der Stellung der Reg.-
Baumeister, die erst nach harten Kämpfen, nach immer
wiederkehrenden Anträgen im Parlament errungen und
nicht als freies Geschenk gegeben worden ist, wenigstens
z. Th. wieder infrage zu stellen.
Ob wir demnach für unser Eintreten für die Reg.-
Baumeister den Vorwurf „unverbesserlicher Nörgelsucht“
verdienen, überlassen wir getrost dem Urtheil der ,, Besten
des Faches“. — Die Redaktion.
Aufstellung einer Hermenbüste im Lichthofe der Tech-
nischen Hochschule zu Charlottenburg dauernd zu erhalten.
Als neue Mitglieder wurden die Hrn. Stdtbmstr. Ho egg
und Schneegans in die Vereinigung aufgenommen, ln
eine Kommission zur Beantwortung des Verbandsantrages
betr. die Gebühren der Architekten und Ingenieure in
deren Thätigkeit als gerichtliche Sachverständige wurden
berufen die Hrn. Fürstenau, Graf und Körte.
Eine Besprechung über die seitens des Polizei-Präsi-
diums in Berlin geübte Praxis, die neuen Bestimmungen über
die Feuersicherheit von Waaren- und Geschäftshäusern-’’*)
*) Dtscb. Bztg. 1901 S. 246. — **'■) Dtsch, Bztg. 1901 S. 343.
Montag, 30. Juli. 772 Uhr Frühstück. 8 Uhr Studium
der Kirche Notre Dame. 12 Uhr Mittagessen im
Hotel. 3 Uhr Besichtigung St. Alpin, St. Jean, Hotel
de Ville. 7 Uhr Promenade du Yard. 8 Uhr Abend-
essen im Hötel. 9 Uhr Vortrag über Rheims von
Hrn. stud. Frings. Ueberiiachten. —
Wir lassen nunmehr den Leiter der Studienreise selbst
sprechen.
Um die Ausgaben möglichst einzuschränken, habe ich
von den Eisenbau-Verwaltungen Ermässigungen erbeten,
die in zuvorkommendster Weise in Deutschland, Frank-
reich und Belgien bewilligt wurden. Mit einigen Schwie-
rigkeiten verbunden war die vorherige Bestellung von
Quartier und Verpflegung, um mit leidlicher Gewissheit
die bei grösstmöghchster Sparsamkeit doch noch gute Ver-
pflegung im fremden Lande zu erzielen. Die Verpflegung
ist durchweg zur Zufriedenheit ausgefallen, bei einigen
Hötels sogar recht gut, wie in Rheims und Brüssel, und
ausgezeichnet in Soissons und Mont St. Michel. An die
Maires der Städte und Bischöfe der Kirchen war eine
Mittheilung meinerseits über den Zweck unserer Reise
ergangen mit der Bitte um Unterstützung, an letztere
mit der Abschrift eines lateinischen Empfehlungsbriefes
des Hrn. Kardinal Dr. Kopp zu Breslau. Auf diese Weise
war der Weg geebnet, Kirchen und Kunstschätze wurden
uns überall mit Entgegenkommen gezeigt. An allen Orten
wurden wir als Deutsche mit ausgezeichneter Höflichkeit
und Liebenswürdigkeit behandelt.
Nach einem durchgearbeiteten Studienplane wurde
während der ganzen Reise vorgegangen. Jedes Reise-
mitglied hatte über eine zu besuchende Stadt Vortrag zu
halten, welcher nicht allein baugeschichtliche, sondern
auch wirthschaftliche und kulturelle Thatsachen bringen
sollte. Vorkommende Irrthümer wurden nach der Be-
sichtigung der Städte und Bauwerke verbessert. Nach
dem Vortrage fand eine eingehende Besichtigung der
Stadt und ihrer einzelnen Bauwerke statt, hierbei wurden
aus sich darbietenden Anhaltspunkten die verschiedenen
Bauperioden herausgeschält, eine stilkritisch sehr lehr-
reiche Uebung. Erst hiernach fand ein Jeder Gelegen-
heit, das ihn besonders Interessirende mit Bleistift und
Maasstab festzuhalten. Auf genaue Maassangabeii lege
ich ganz besonders Werth. Durch dieses systematische
Vorgehen gelangt die historisch entwickelte, aufgemessene
und gezeichnete Stilform zu richtigem Verständniss und
wird dann auch eine richtige Verwendung finden. Bei der
Fülle des so erworbenen Materials beabsichtigte ich, wie
ich es auch schon nach der hessischen Reise 1898 gethan
habe, ein Skizzenbuch herauszugeben. Dieses wird die
Skizzen mit einem Werkzeichen dessen, der die Form
ursprünglich aufgenommen hat, bringen. Endlich hat sich
auch ein Reisekamerad der Mühe unterzogen, mit seinem
photographischen Apparate alle schönen und stilistisch
lehrreichen Punkte festzuhalten, besonders solche, von
denen eine Veröffentlichung bislang noch nicht bekannt
war. So bot diese Reise eine ausserordentliche Fülle viel-
fältiger Anregung und fördernder Belehrung, die Jedem
von grösstem Nutzen gewesen sind; gleichzeitig verlief
dieselbe so vergnügt, dass sie uns allen mit ihren rei-
zenden kleinen Erlebnissen eine köstliche Erinnerung
bleiben wird. — (Schluss folgt.)
94
No. 15.
Abbildg. a u. 3. Schloss Pierrefond nach der Wiederherstellung durch Viollel-le-Duc-
auch auf bereits beste-
hende Geschäftshäuser
zur Anwendung zu brin-
gen und über die sich
hieraus ergebendenHär-
ten leitete Hr. Kays er
ein und führte aus, dass
bei der sehr wohlwollen-
den Haltung, welche das
Polizei-Präsidium in Ber-
lin und das zuständige
Ministerium gegenüber
den Anregungen aus
den Architektenkreisen
bisher eingenommen
haben, die Hoffnung
nicht aufzugeben sei,
durch entsprechende
Vorstellungen die er-
wähnten Härten zu mil-
dern. Zur Ausarbeitung
dahingehender Anträge
wurde eine Kommission
aus den Hrn. Bislich,
Cremer, Engel, Kay-
ser, Reimer und Solf
gewählt.
Hr. Solf berichtete
über den Stand der Vor-
arbeiten für die Gestal-
tung der Architektur-
und der Kunstgewerbe-
Abtheilung auf der Gros-
sen Berliner Kunst-Aus-
stellung dieses Jahres.
Zum Schluss erfreute
1 Ir. M e y d e n b a u e r
die Versammlung durch
Vorführung von mittel-
alterlichen Bauten
aus der weiteren
Umgebung von Ber-
lin mittels Lichtbildern.
Wir haben schon mehr-
fach Gelegenheit ge-
nommen, auf die köst-
lichen Aufnahmen hin-
zuweisen, die in der
Zahl von nun schon
etwa 8000 aus der vom
Redner geleiteten Mess-
bildanstalt hervorgegan-
gen sind und den werth-
vollen Grundstock für
ein zukünftiges Denk-
mälerarchiv bilden. Aus
der Reihe dieser archi-
tektonischen Aufnah-
men, die mit feinstem
Verständniss die archi-
tektonischen Bedürf-
nisse mit schöner bild-
massiger Wiedergabe
vereinigen, waren die
Vorführungen dieses
Abends entnommen. Sie
betrafen mittelalterliche
Bauwerke aus den Ge-
bieten diesseits der Elbe,
die zumtheil bis in das
Jahr 1134 hinaufreichen.
Aus den Perioden vor
dieser Zeit sind uns Bau-
werke nicht erhalten.
Brandenburg, Stendal,
Königsberg , Jerichow,
Tangermünde , Witten-
berg, Torgau und Mag-
deburg waren die Städte,
deren zum Theil sehr
gut erhaltene mittelalter-
liche Bauwerke, fast aus-
schliesslich Werke der
nordischen Backstein-
technik, vorgeführt und
mit einer kurzen histo-
rischen Erläuterung be-
gleitet wurden. Die
wahrhaft künstlerischen
19. Februar 1902.
95
Aufnahmen Meydenbauers bereiten immer wieder neuen
Genuss. —
In der geselligen Zusammenkunft vom 6.Febr.,
die unter dem Vorsitz des Hrn. Wolffenstein und bei An-
wesenheit von 21 Mitgl. stattfand, hatten die Hrn. Stadt-
bmstr. Hoegg und Schneegans architektonische Ent-
würfe und Reisestudien zur Vorlage gebracht; Hr. Hoegg
in erster Linie das von ihm in Gemeinschaft mit Hrn.
Stadtbauinsp. Matzdorff bearbeitete Lehrerwohngebäude
des Gymnasiums zum grauen Kloster in Berlin, ein reiz-
voll gruppirter Backsteinbau, welchem in unbefangener
Weise Barockelemente eingefügt sind, sodann breit und
flott behandelte malerische und architektonische Studien
aus Tirol; Hr. Schneegans eine Reihe ansprechender Ent-
würfe zu Holzarchitekturen, insbesondere Kleinbauten für
Ausstellungen usw. Hr. SpLndler berührte einige bau-
polizeiliche Fragen und Hr. Wolffenstein gab einen
Bericht über die Wiener Bewegung zur Erhaltung des
Riesenthores von St. Stephan. Das sogen. Riesen-
thor des St. Stephansdomes in Wien ist ein romanischer
Thorbau, welcher in gothischer Zeit einen Vorbau erhalten
hat, der das reich geschmückte romanische Thor stark be-
einträchtigt. Es war deshalb schon die Absicht des Dom-
baumeisters Friedr. v. Schmidt, das Thor des gothischen
Vorbaues zu entkleiden. Gegen diese vor 20 Jahren be-
standene Absicht erhob sich eine starke Gegnerschaft,
infolge deren die Ausführung unterblieb. Der jetzige
Dombaumeister Herrmann nahm den Gedanken wieder
auf, aber auch heute zeigt sich der gleiche Widerstand
der Oeffentlichkeit, insbesondere der Sezession, sodass
das Ministerium für Kultus und Unterricht zu dem Be-
schlüsse kam, die Angelegenheit zunächst nicht weiter zu
verfolgen. —
Vermischtes.
Ein Gesetzentwurf betr. die Erweiterung und Vervoll-
ständigung des Staatseisenbahnnetzes und die Betheiligung
des Staates an dem Bau von Kleinbahnen ist dem preuss.
Abgeordnetenhaiise soeben zugegangen. Die Vorlage um-
fasst den Gesammtbetrag von 128286329 M. Davon ent-
fallen 91 795000 M. auf die Neuherstellung von Eisenbahnen
und die Beschaffung der für sie erforderlichen Betriebs-
mittel. Von dieser Summe sind 19 917 000 M. für den
Bau der Haupteisenbahn von Oppeln (Groschowitz) nach
Brockau, 6972000 M. für Betriebsmittel, der Rest für
Nebeneisenbahnen, zum grösseren Theil für die östlichen
Provinzen, bestimmt. Für den Erwerb von Privateisen-
bahnen sind rd. 3,1 Milk, für den Ausbau der hierunter
begriffenen Nebeneisenbahn von Ostrowo nach Skal-
mierzyce nebst den anschliessenden Strecken Lissa i. P.-
Krotoschin und Bentschen-Lissa i. P. zu einer Hauptbahn
8,31 Milk M. vorgesehen. Es wird durch diese Linie eine
neue Vei’bindung mit Russland geschaffen. Zur Deckung
der Mehrkosten für den Bau einiger Eisenbahnen werden
5,081 Milk und schliesslich zur Förderung des Baues von
Kleinbahnen 20 Milk M. gefordert. —
Kurse über Bau- und Wohnungs-Hygiene sollen dem-
nächst und zwar zuerst versuchsweise an den Technischen
Hochschulen zu Berlin und Hannover für ältere, be-
reits in der Praxis erfahrenere Baubearate abgehalten
werden. Da diese Kurse nicht mehr als 14 Tage in An-
spruch nehmen sollen, kann es sich nur darum handeln,
einen kurzen Ueberblick über das Gebiet, in welches auch
die einschlägige Gesetzgebung des In- und Auslandes und
die bei Aufstellung von Bauordnungen und Bebauungs-
plänen wichtigen Gesichtspunkte einbezogen werden sollen,
und eine entsprechende Anleitung und Anregung zu weite-
rem Studium in diesen Fragen zu geben. Die zur Theil-
nahme an den Kursen geeigneten und bereiten Staats-
baubeamten (je 20 für jeden Kurs) erhalten ein Pausch-
quantum zur Deckung der Reise- und sonstigen Unkosten.
Diese Maassregel kann nur mit Freuden begrüsst wer-
den, da sie geeignet erscheint, die Angehörigen des Bau-
faches mehr als das bisher im allgemeinen der Fall ge-
wesen ist, für diese Fragen zu interessiren und sie auf
diesem Gebiete zu thätigerer Mitarbeit heranzuziehen. —
Italienischer Marmor. Im Kunstgewerbe-Museum zu
Berlin sind Proben von farbigem Marmor ausgestellt,
welche das kaiserk Generalkonsulat in Neapel eingeschickt
hat. Bei dem Werthe, welchen die deutsche Marmor-
Industrie und die deutschen Bauunternehmer auf schöne
Marmorsorten legen, werden diese 8 Platten, welche sämmt-
lich aus Brüchen in der Nähe von Vitulano in der Provinz
Benevent stammen, sicherlich von Interesse sein. Die
Farben wechseln vom zartesten Perlgrau bis zum Tiefroth
in reichster Aederung. Ueber die Bezugsquelle dieses
Marmo di Vitulano findet sich eine Angabe bei den aus-
gestellten Stücken. —
96
Die Direktion der Kunstgewerbeschule ln Zürich ist
nach der Berufung des Hrn. Arch. Prof. Karl Hoffacker
nach Karlsruhe auf den Architekten A. Lüthi in Frank-
furt a. M. übergegangen. Mit Hrn. Lüthi, dessen hohe
künstlerische Bedeutung mit der von ihm seit Jahren in
Frankfurt a. M. mit grossem Erfolg geführten Anstalt für
Glasmalerei und Kunstverglasung auf das engste verknüpft
ist, gewinnt das schweizerische Kunstleben einen trefflichen
Künstler von ausgeprägter Eigenart. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Kaiserin Elisabeth - Denkmal Budapest.
Unter 18 Entwürfen wurden drei gleichwerthige I. Preise
von je 10000 Kr. an die Hrn. Bildhauer Georg Zala in
Gemeinschaft mit dem Architekten Jambor-Balint, Alois
Strobl in Gemeinschaft mit Arch. G erster und Ed. Telcs
in Gemeinschaft mit Arch. Töry vertheilt. Keiner der Ent-
würfe wurde zur Ausführung bestimmt; das allgemeine
Urtheil geht vielmehr dahin, dass der Wettbewerb nicht
den künstlerischen Erfolg gehabt habe, welcher der Be-
deutung der Aufgabe entspricht. Es ist daher auch kein
engerer Wettbewerb unter den mit einem Preise be-
dachten Verfassern eröffnet worden, es hat vielmehr der
deutsche Preisrichter, Prof. Bruno Schmitz aus Char-
lottenburg. seinen Einfluss zugunsten eines neuen, allge-
meinen Wettbewerbes geltend gemacht. —
In dem Wettbewerb betr. Entwürfe für einen General-
Regulirungsplan von Brünn erhielt den I. Preis von 8000 Kr.
Hr. Arch. Eugen Fassben der -Wien; den II. Preis von
4000 Kr. Hr. Ob.-Ing. Heinr. Goldemund in Gemeinschaft
mit Hrn. Prof. Karl Mayreder-Wien; den einen III. Preis
von 2000 Kr. Hr. Geh. Brth. J. Stübben in Köln und den
zweiten III. Preis von 2000 Kr. Hr. Prof. K. Henrici in
Aachen. Die Entwürfe der Hrn. Knell in Wien und
Olberth in Brünn wurden angekauft. —
Wettbewerb Rathhaus Hamborn. Verfasser des zum
Ankauf empfohlenen Entwurfes „Jong kiek es do den
eene“ sind die Hrn. Berns & Nau in Ruhrort und
Düsseldorf. —
Personal-Nachrichten.
Preussen. Dem Geh. Reg. -Rath Wiskow, vortr. Rath Im
Auswärtigen Amt, und dem Brth. Schmidt in Stassfurt ist der
Rothe Adler-Orden IV. KI., dem Geh. Brth. u. vortr. Rath Hoss-
feld in Berlin, dem Reg.- u. Brth. Bohnstedt in Kassel und
dem Deichinsp. a. D. Brth. Schmidt in Danzig ist der kgl.
Kronen-Orden III. Kl. und dem kgl. Brth. Stadtbrth Peters in
Magdeburg ist die Rothe Kreuz-Medaille III. Kl. verliehen.
Der Kr.-Bauinsp. Brth. Mund in Angermünde ist als Land-
bauinsp. nach Arnsberg, der Landbauinsp. V o i g t in Arnsberg als
Kr.-Bauinsp. nach Angermünde u. der Kr.-Bauinsp. Brzozowski
von Schmalkalden nach Mühlhausen versetzt.
Der grossherz. hess. Eisenb.-Telegr.-lnsp. Z i m m e r m an n in
Mainz ist unt. Ernennung z. Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. als Vorst,
der Betr.-Insp. i nach Gies.sen versetzt.
Die Wahl des Stadtbrths. R. Schultz e in Bonn zum Bei-
geordneten ist bestätigt worden.
Der Landbauinsp. Büttner in Berlin ist z. Prov .-Konservator
der Prov. Brandenburg bestellt.
Die Baugew.-Schullehrer B a u m a n n in Kassel u. Reg.-Bmstr.
Seile in Königsberg i. Pr. sind zu kgl. Ob.-Lehrern ernannt.
Die Reg.-Bfhr. Anton Schweth aus Köln a. Rh., Jak.
Schrammen aus Rheinbach, Friedr. Mahlke aus Gartz, Otto
K 1 o e p p e 1 aus Köln a. Rh. und Max Rautenberg aus König.s-
berg i. Pr. (Hochbfeh.), — Herrn. Grotgan aus Braunschw'eig,
Paul Berkenkamp aus Barmen u. Friedr. Schmidt aus
Kotzen (Wasser- u. Strassenbfeh.), Ad. Teut.se hbein aus
Stettin, Hans F 0 e 1 1 n c r aus Berlin (Eisenbfeh.) , — Walther
Wassermann aus Gr. Breitenbach u. Friedr. G u t b r o d aus
Stuttgart (Masch.-Bfeh.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Württemberg. Dem Bauinsp. Veigele in Heilbronn sind
die Vorst-Geschäfte der in Feuerbach erricht. Eisenb.-Bauinsp.
übertragen.
Briet- und Fragekasten.
Hrn. R. B. in Düsseldorf. Sie sind durchaus berechtigt, in
Ihrer freien Zeit Konkurrenz-Arbeiten anzufertigen, au welchen
nicht gleichzeitig und mit Ihrer Mitarbeit Ihre Firma betheiligt ist.
Anfragen an den Leserkreis,
Welche Erfahrungen liegen über Strassen vor, die aus Buschen
oder Faschinen (als Packlage) und einer Kiesdecke hergestellt sind
und in welcher Stärke werden Faschinen und Kiesdecke vortheil-
haft verwendet? Welche Werke oder welche Zeitschiüft behandelt
die Anlage solcher Strassen? R. B. in Westfalen.
Inhalt: Die neuen Vorschriften über die unwiderrufliche Anstellung
der Regierungs-Baumeister der preiissischen Staats-Bauverwaltung. — Eine
akademische Studienreise nach Nord-Frankreich. — Mittheilungen aus Ver-
einen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Personal-Nachrichten. —
Brief- und Fragekasten
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b.H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 15.
SS«:«««««!«««!«:
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN *
!Sts:s:s:Äsr«:s:«!Sts:
SS«r«:«rS!«r«:S;«:Ä«:s:s:2i
AUZEITUNG.
GANG. * * N2; i6.
DEN 22. FEBR. igo2.
iStftÄÄStststarstsjs: instar
Abbildg. 4. Elektrischer Scbnellbabnwagen der Finna Siemcas & Halske auf der Vcrsuchsstrccke Marienfelde —Zossen.
Elektrische Schnell- und Vollbabnen mit hochgespanntem Drehstrom als Antrieb.
Die Stuttgarter Stadterweiterung.
(Fortsetzung.) Hierzu die Abbildungen auf S. loi,
as zuerst die wirthschaftliche Seite be-
trifft, so sind bei der Herstellung von Wohn-
häusern die eigentlichen Baukosten und
der Aufwand für den Bauplatz zu unter-
scheiden. Hinsichtlich der ersteren sei vor
allem der Unterschied zwischen der offenen und der
geschlossenen Bauweise, welcher in Stuttgart eine
grosse Rolle spielt, kurz festgestellt. Die offene Bau-
weise kommt bei sonst gleicher Grösse und Ausstattung
theurer zu stehen, als die geschlossene, weil 4 oder (bei
Doppelhäusern) 3 sichtbare Umfassungswände herzu
stellen sind, statt nur 2. Aus dem gleichen Grunde wer-
den auch die bauliche Instandhaltung und die Heizung,
sowie wegen grösserer Frontlänge der Strassen- und
der Kanal-Beitrag kostspieliger®), und die Strassenfront
lässt sich (für Ladengeschäfte u. dgl.) nicht so vor-
theilhaft ausnützen. Dafür gewährt die offene Bau-
weise bei grösseren Wohnhäusern den Vortheil einer
günstigeren Gestaltung des Grundrisses und reich-
licherer Belichtung, und es kann dieser Umstand jene
Nachtheile bei den mittleren und wohlhabenden Be-
völkerungsklassen mehr oder weniger ausgleichen, so
dass der höhere Einheitspreis (für i bewohnten
Raumes) sich lohnt und von den Miethern gern bezahlt
wird. Bei Einfamilienhäusern und bei Kleinwohnungen
liegt der ökonomische Vorzug jedoch entschieden auf
Seiten der geschlossenen Bauweise. Ferner hinsicht-
lich der Baudichtigkeit nach der Höhe; so fällt be-
kanntheh die Raumeinheit eines Hauses bei sonst
gleicher Bauweise um so billiger aus, je mehr Ge-
') Uebngens sinkt die Bedeutung dieses Beitrags draussen, wo
die Strassen in der Regel einfacher hergestellt werden können.
schosse über einander gestellt werden, denn die Kosten
von Fundament und Dach vertheilen sich auf eine
grössere Gesammtfläche von Wohnräumen.
Ebenso wichtig wie dieser Einfluss der Bau-
ordnung auf die Bauherstellung ist derjenige auf die
Bauplätze. Die Wohnungsfrage ist hauptsächlich
eine Bodenfrage. Wenn freilich, w’ie Rettich es im
Grunde darstellt, der Bodenwerth eine gegebene
Grösse ist, dann wird selbstverständlich der Aufwand
für die Wohneinheit um so geringer ausfallen, je
kleiner der erforderliche Bauplatz ist, d. h. je stärkere
Baudichtigkeit zugelassen wird. Insofern würden nach
den Rettich’schen Vorschlägen im ganzen Stadt-Er-
weiterungsgebiet beide Theile, welche den Wohnungs-
aufwand zusammensetzen, Bauplatz und Bauherstellung,
und damit im Allgemeinen auch die Miethen, billiger
ausfallen, als nach Kölle. Allein jene Voraussetzung
bedarf einer Berichtigung, denn der Bodenwerth hängt
selbst von dem zulässigen Grade der Baudichtigkeit
ab. Um dem Vorwurf der Oberflächlichkeit vorzu-
beugen, will ich ausdrücklich bemerken, dass dies
nicht der einzige Faktor ist, von welchem der Boden-
werth beeinflusst wird. Es kommt ausserdem infrage
die Lage eines Bauplatzes (Verkehrsleichtigkeit, Aus-
sicht, „Vornehmheit“ u. dgl.), und das Verhältniss
zwischen Angebot und Nachfrage, welches nach Zeit
und Ort wechseln kann. Während aber die beiden
letzteren Faktoren der Einwirkung vonseiten der Öffent-
lichen Gewalt nur mittelbar zugänglich sind, hat man
es bei der Bauordnung in der Hand, „durch einen
Federstrich“ die Steigerung oder Verminderung von
Werthen zu veranlassen: denn der Bodenw'crth beruht
97
nach dieser Richtung auf dem gescKäftsmä^ig''zu''er^ ’
zielenden Ertrag und dieser bei Wohnhäusern auf
der Anzahl der Räume oder Miether, welche bei der
grössten gestattetenBaudichtigkeit unterzubringen sind.
Wenn Abele schreibt, dass der hohe Bodenpreis die
Ursache, dichte Bauweise -dip Wirkung sei, so ist auch
das richtig. Wohnsystem-" und Bodenwerth stehen
eben in Wechselwirkung. Diese Erscheinung ist,
längst von den bedeutendsten Vertretern der Volks-
wirthschaft anerkannt und wird praktisch am besten
durch die Thatsache bestätigt, dass die Vertreter des
Grundbesitzes allemal baupolizeiliche Maassregeln im
Sinne grösserer Weiträumigkeit bekämpfen, weil sie
besorgen, dass damit die Bodenpreise sinken oder
wenigstens an weiterem Steigen gehemmt werden. 1 f]
Gegen die Möglichkeit, durch baupolizeiliche W^eit-
räumigkeit die Bodenpreise niedrig zu halten, wendet
Abele ein, dass die Nachfrage nach Bauland steigen
müsse, wenn man dasselbe nicht stark ausnutzen dürfe,
und dass das Angebot nicht gleichen Schritt halten
werde, weil die Ausdehnungsfähigkeit der Stadt be-
schränkt sei. Infolge dessen könne der Bodenpreis
nicht niedrig bleiben, sondern werde im Gegentheil
noch höher wachsen, als er sich bei Zulassung ge-
drängter Bauweise gestellt hätte. Diese Schlussfolge
hält Rettich besonders bei Stuttgart wegen seines
Hügellandes für wichtig und empfiehlt, mit dem Schatz
guten Baugeländes sparsam umzugehen. Nach meiner
Ansicht fällt aber die Voraussetzung dieses ganzen
Einwandes, der beschränkte Flächenraum von Bau-
land, hin, wenn die Gemeinde bei Zeiten für neue
Strassen, für gute, billige Verkehrsmittel in die ent-
fernteren Stadttheile und umliegenden Orte, für Be
gründung zweckmässiger Fabrikviertel und 'ihnen nahe
gelegener Arbeiterwohnungen, nöthigen.falls für Er-
weiterung des Weichbildes sorgt. Allerdings wird .ein
derartiges Vorgehen in Stuttgart schwieriger als in
Städten des Flachlandes und es ist deshalb die Auf
Schliessung neuen Baugeländes nur :z:u lange vernach^
lä«sig4- worden. — Allem—solcbe- mehr-:eder _weni:ger..
überall vorkommenden Schwierigkeiten müssen that-
kräftig überwunden werden, wenn eine Grosstadt uii-
verkümmert heranwachsen will. Ob das Weichbild
von Stuttgart nach 30 oder nach 40 Jahren bebaut
sein wird, macht keinen so grossen Unterschied, dass
man sich und den Nachkommen nicht mehr freien
Raum gönnen dürfte, als bisher üblich war.
Einen anderen Einwand gegen weiträumiges Bauen
erhebt Rettich mit der Bemerkung, sofern durch Vor-|?
Schriften der Weiträumigkeit der Einheitspreis des'
Geländes abnähme, wäre dafür um so mehr Fläche
erforderlich, somit werde ein Bauplatz doch nicht
billiger. Ob man für einen bestimmten Bauzweck an .
einem Ort, wo nur niedrig und mit grossem Hof-f
raum gebaut werden darf, 1000 q“ zu 30 M,, oder an
einer anderen Stelle, wo hohe und dichte Bauweise
zugelassen ist, 500 q^n zu ßo M. zahlen muss, macht
allerdings keinen Unterschied; die Ausgabe für die
Wohneinheit ist dieselbe. Allein diese ganze Be-
trachtung gilt nur für solche Unternehmer, welche
unter Stärkstmöglicher Ausnutzung der Fläche bauen.
Es giebt aber viele Baulustige, welche niedrig bauen
und nicht so knapp mit dem Gelände umgehen, viel-
mehr geräumige Höfe und Gärten einrichten wollen,
sei es zur Annehmlichkeit für sich selbst, sei es zu
stärkerer Anziehung von Miethern. Derartigen Ab-
sichten wird nur mit möglichst niedrigen Boden-
preisen gedient, und nur auf diesem Wege kann die
bauliche Entwicklung der Stadterweiteriing eine er-
freuliche werden.
Eine mir schier unbegreifliche Begründung von
Rettich’s Vorschlägen liegt in seiner Ansicht, dass,
weil die Bebauungsmöglichkeit des städtischen Ge-
ländes eine Quelle städtischen Wohlstandes ist, die
Ausnutzung eine möglichst weitgehende sein solle, um
den Werth des Bodens, das Vermögen der Einwohner
und damit die Leistungsfähigkeit der ganzen Stadt für
ihre Kulturaufgaben zu steigern. Bei dieser Schluss-
folge scheint vergessen zu sein, dass nur ein geringer
98
der 'Bevölkerung in der Xage Tsf' äü^^
sem Wege zu bereichern. Nein, das Wohlsein einer
Stadt beruht nicht auf dein mühelosen- Ersitzen von
Gewinn durch die Grundbesitzer und Spekulanten und
auf der entsprechenden- Vergrösserung des Steuer-
kapitals, wobei aber die meisten Einwohner .zusammen-
gedrängt wohnen müssen, sondern in möglichst .ange-
nehmen und büligen Wohnungen für alle, was .dnrHi
Niedrighalten der Bodenpreise befördert wird. Ist
doch auch durch den Vergleich verschiedener Städte,
sowie der Zustände in ein und derselben Stadt zu
verschiedenen Zeiten wohl zu erkennen, dass Dichtig-
keit des Wohnens weder das Wohnen billiger noch
die Gemeinde reicher macht. Vielmehr ist gerade
unter der Herrschaft des Zusammendrängens die
Wohnungsnoth entstanden. —
Prüfen wir nun weiter die gesundheitlichen
Interessen an Hand der in dem vorliegenden Werke
niedergelegten Anschauungen, so finden wir bei Rettich
natürlich .das Bestreben, sein gedrängtes Wohnsystem
zu vertheidigen. Er bestreitet deshalb von vornherein
die Wichtigkeit der Forderungen der Weiträumig-
keit, welche von den „über laute Stimmen verfügenden
hygienischen Autoritäten“ , namentlich in dem Deut-
schen Verein für öffentliche Gesundheitspflege, aufge-
stellt und in dem .Sammelwerk hauptsächlich durch
Knauss vertreten sind.
Von einzelnen auffallenden Behauptungen Rettich’s
sei zuerst diejenige angeführt, dass es hauptsächlich
auf reichlichen Luftraum ini Inneren der Wohnungen
ankomme,, und dass der eigentliche Sinn von Weit-
räumigkeit nur in dem Verhältniss zwischen Kopfzahl
und dem Zimmer-Rauminhalt bestehe. Gewiss ist
Fürsorge hierfür zu wünschen, woher soU aber gute
Luft für die Zimmer bezogen werden, woher der so
wichtige Sonnenschein, wenn nicht ausserhalb des
Hauses .ein ^grosser Raum unbebaut geblieben ist?
Dcti -Segen reichlicher -frischer Luft jm ganzen Bereich
menschlicher cBehausungen schätzt ebensosehr das
natürliche Gef-uhl , .wie die ärztliche Erfahrung:; auch
Rettich hält ihn für angenehm, aber für den grössten
Theil der Bevölkerung für zu theuer. Statt dessen
preist er die mittelalterliche Bauweise, welche mit
vielen Stockwerken, schmalen Gassen und engen Höfen
ohne den „hygienisch vorgeschriebenen Neigungswinkel
des Lichtes“ doch im Sommer Kühlung, im Winter
Wärme für die Innenräume geschaffen habe!
Ferner meint Rettich, kein rechter Hygieniker
'^könne das Wohnen im 4. Geschoss für schädlicher
|als im Erdgeschoss ansehen; er beachtet also nicht
die Statistik der Sterblichkdt nach Stockwerken, nicht
die mit der Geschosszahl wachsende Entwicklung und
Uebertragung von Schädlichkeiten, nicht den Entzug
von Licht und Luft, welchen hohe Häuser den gegen-
überWohnenden zufügen, und rechtfertigt hohe Häuser
einfach damit, dass sie in allen grossen europäischen
Städten üblich seien! Man möchte bei solchen Anschau-
ungen fragen, warum denn nicht beliebig hoch und
eng gebaut werden darf, indem dies ja gesundheitlich
gleichgiltig und wirthschaftlich vortheilhaft sein soll.
Zu den hygienischen Merkwürdigkeiten gehört
auch noch eine Mahnung Abele’s an die Techniker.
Nachdem in seiner Schrift (welche in dem Sammel-
werk nur theilweise abgedruckt ist) viele Ansichten
über den Städtebau, besonders aus dem Verein für
öffentliche Gesundheitspflege, zusammengestellt sind,
welche durchweg weiträumige Bauweise fordern, tadelt
er, dass dabei die wirthschaftliche Seite zu kurz ge-
kommen sei und verficht gleich Rettich eine starke
Ausnützung des Baulandes. Aber auch bei engge-
drängter Bebauung seien alle hygienischen Unzuträg-
lichkeiten zu vermeiden und dieselben Vortheile 'wie
bei weiträumiger zu erzielen, d. h. es soll das Unmög-
liche möglich gemacht werden. „Wie dies zu ge-
schehen hati'das auszumachen is-tSache derTechniker!“
Erfreulicherweise werden die geschilderten An-
sichten der.Volk-swirthschafter-durch Knauss undNuäs-
baum als Hygieniker berichtigt. Letzterer Iiält aus-
drücklich eine gewisse Weiträumigkeit nicht LloS vöm
No. 16.
hygienischen, sondern 'auch vom völkswirthschaft-
lirhen. Standpunkt für geboten und sieht insbesondere
ein Emporschnellen der an sich schon, hohen Boden-
preise- ini- Stadterweiterungs - Gebieb voraus , -wenn
Rettich’s Vorschläge daselbst ein geführt würden. So-
dann, einpfiehlt. er, gleich Knauss und mir, den in der
Gesundheitslehre -„normalen“ Lichteinfall von 45.^ für
alle: zu längerem Aufenthalt dienenden Räume und
60 " für untergeordnete Räume.
Leider findet: sich aber in dem Gutachten von
Nussbaum ein gewisses Schwanken hinsichtlich vor-
stehender Sätze. Denn an einer anderen Stelle giebt
er nur einen beschränkten Einfluss der Bauvor-
schriften auf den Bodenpreis zu und will dies durch An-
führung von Preisen aus Hannover belegen. Aber diese
Preise sind aus Bezirken von verschiedener Lage
entnommen, zeigen also den Einfluss der Bauordnung
nicht rein. Sodann hält Nussbaum eine Beschränkung
des Lichteinfalles bei Kleinwohnungen für zulässig,
um an Hofraum zu sparen, und begründet dies damit,
dass die Inhaber mehr Werth auf reichlichen Innen-
raum zu legen pflegen. Aber ein Gesetz soll doch
keine Rücksicht, auf etwa mangelndes Verständniss
nehmen, sondern alle Klassen gleich behandeln; den
ärmeren gebührt eher eine stärkere Fürsorge. Auch
sei angeführt, dass Nüssbaum für Neubauten der
mittleren Zone wegen des „südlichen Klimas“ von
Stuttgart einen steileren Winkel als 45 für genügend
erklärt. Dies mag dem Norddeutschen zugute ge-
halten werden; in anderen Städten ist glücklicherweise
an eine derartige Spaltung unseres Vaterlandes noch
nicht gedacht worden. — (Schluss folgt.)
Das Heidelberger Schloss in der zweiten badischen Kammer.
Dir müssen nun doch schon jetzt noch einmal auf
das Heidelberger Schloss zurückkommen. In der
36. Sitzung der zweiten badischen Kammer vom
13. Febr. befrug der Oberbürgermeister von Heidelberg,
Hr. Abg. Dr. Wilekens, die Regierung über den augen-
blicklichen Stand der Frage, ob die Wiederherstellungs-
Arbeiten am- Schlosse fortgesetzt werden- sollen oder' nicht,
und über die Stellung, welche die Regierung dieser Frage
gegenüber. fernerhin einzunehmen gedenke. Mit leiden-
schaftsloser, ruhiger Sachlichkeit führte Redner etwa aus,
in Heidelberg selber scheine die überwiegende Ansicht
dahin zu gehen,, dass das Schloss, wenn irgend thunlich
als Ruine- erhalten werden sollte. Sei doch das Bild,
welches: dasselbe als Ruine biete. Vielen derart ans Herz
gewachsen, dass sie in jedem erheblicheren baulichen
Eingriff eine Schädigung des poetischen Zaubers erblickten,
welcher jetzt über diesem einzigartigen Bilde ausgegossen
sei.; Die: Frage, auf die es ankomme, sei aber doch wohl
4re; ob eine Erhaltung des Heidelberger Schlosses
au-f' längere Zeit hinaus überhaupt möglich sei,,
wen'n’'rna-n seinen ruinenhaften Zustand im Wesentlichen
unverändert beibehalte,, und es sei bedauerlich, dass' ge-
rade- hierüber die Meinungen der Sachverständigen aus-
einander: gingen. Die Einen behaupteten, gewisse- künsh
lerisch; werthvoile Schlosstheile und namentlich auch d.:er-
Otto Heinrichs-Bau seien in nicht ferner Zeit dem: Unter-
gang geweiht, wenn man sich nicht dazu entschliesse, sie
wenigstens im Aeusseren -wieder herzustellen und- letzt-
erwähnten Bau' mit einem schützenden Dach zu versehen.
Die Anderen machten geltend, so weit gehende Maass-
nahmen seien nicht erforderlich;; es genüge, wenn man
die Mauerreste sorgfältig- unterhalte und' vielleicht nodi-
im- Inneren des Otto Heinrichs-Baues konstruktive Ver-
stärkungen anbringe. Welche der beiden Meinungen
richtig; sei, bedürfe noch der Klarstellung. Zu dieser Klar-
stellung seien aber in erster Linie- die Techniker
berufen. Sie müssten, nach sorgfältiger und' gründlicher
Untersuchung der Ruinen auf Pflicht und Oe.-wissen sagen,,
ob' es möglich sei, insbesondere den Otto- Heinrichs-ßaü
ohne grössere Wiederherstellungs-Arbeiten, noch auf län-
gere Zeit zu erhalten, oder ob dies nur geschehen könne,,
wenn man ihn restaurire. Von dem Ergebniss dieser
Klarstellung werde wohl die weitere Behandlung der
Heidelberger Schlossfrage abhängig zu machen sein. Red-
ner schwärme keineswegs- für die Wiederherstellung, er
sei im Gegentheil der Meinung, dass es vorzuziehen wäre,
wenn starke bauliche Eingriffe in den jetzigen Zustand
des Schlosses vermieden bleiben könnten. Aber , in,
erster Reihe stehe für ihn die Erhaltung des
Schlosses, und wenn es richtig sein sollte, dass einzelne
besonders hervorragende Theile des Schlosses überhaupt
nur noch' auf längere Zeit erhalten werden könnten, wenn
man sie wieder herstelle, so sei ihm eine solche.
Wiederherstellung immer noch lieber, als die
Aussicht, dass das Schloss in einem oder zwei
Menschenaltern zerfalle. Unter allen Umständen
scheine ihm die grossh. Regierung Anerkennung zu ver-
dienen, dass sie sich die Frage, wie dem weiteren Ver-
fall des Schlosses Einhalt zu thun sei, ernstlich überlege
und. dass sie auch vor grossen Geldopfern nicht zurück-
schrecke, um das Schloss der Nachwelt zu erhalten. Es
sei gewiss auch erfreulich, dass sich weite Kreise des
deutschen Volkes für das Heidelberger Schloss so lebhaft
interessirten, wie dies in den letzten- Monaten in zahl-
reichen Kundgebungen zutage getreten sei. Aber es-
komme hier- eine Frage rnbetracht, die keines-
falls vom Gefühlsstandpunkt allein aus erledigt
22.- Februar 1902.
werden könne, die vielmehr zugleich eine gründ-
liche sachliche Prüfung in der Richtung erfor-
dere, ob man nicht mit Rücksicht auf die kom-
menden Zeiten und auf die späteren Geschlechter
die Pflicht habe, nöthigenfalls auch durch Re-
staurirung des einen oder anderen Bautheils zu
verhindern, dass in absehbare*r Zeit das alte
Pfalzgrafenschloss und mit ihm eines der gross-
artigsten Baudenkmale der Welt zugrunde' gehe.
Auf diese Anfrage antwortete Hr. Finanzminister Dr.
ßuehenberger mit einer längeren Ausführung, welche
sich ebenso sehr durch staatsmännische Gewandheit, wie
durch gründliche Sachkenntniss und zielbewusste Festig-
keit auszeichnete und in der Oeffentlichkeit den beruhi-
genden Eindruck hervorrufen dürfte, dass die Angelegen-
heit des Heidelberger Schlosses, der Leidenschaftlichkeit
entkleidet, nunmehr wieder auf den’ Boden jener ruhigen
Erwägung gestellt ist, welche in der Sorge um die Erhal-
tung, eines so kostbaren idealen Kunstbesitzes in dieser
oder jener Form begründet ist. Den Ausführungen ent-
nehmen -wir in der Hauptsache das Folgende:
„Die Heidelberger Schlossfrage hat sich zu einer Art ,
cau-se cölöbre ausgewachsen, die nicht bloss in Baden,
sondern in ganz' Deutschland lebhafte Bewegung und Er-
regung verursacht hat. Ist es doch wieder klar geworden,
welches Kleinod wir in dem Schlosse besitzen und wie
naehhaltend und tiefgehend der Eindruck ist, welchen
man von'- dem Schlosse empfängt. Die zahlreichen Er-
örterungen in der Presse und in Versammlungen sind für
das Finanzministerium werthvolle Anregungen gewesen,
sie wären- es y-ielleicht noch mehr gewesen, wenn sich
diese Betrachtungen auf dem Boden reiner Sachlichkeit
bewegt hätten, was nicht immer der Fall gewesen ist.
Ich muss übrigens anerkennen, dass nach der letzten
Heidelberger Konferenz auch die Erörterung in der Oeffent-
lichkeit eine viel ruhigere,, sachlichere geworden ist. Wenn
nun gefragt wird, wie ist die Stellung der Regierung, so
ist. die Antwort, ziemlich einfach und klar. Wir erstreben
grundsätzlich- keine Wiederherstellung des Heidelberger
Schlosses, weder im Ganzen noch in seinen einzelnen
Theilen um des' Zweckes der Restaurirung selber willen.
Wir fühlen uns von jenem Restaurations-Fanatismus völlig
frei; wir woilen. durchaus nicht, wie es unterstellt worden
ist, gewissermaassen das Heidelberger Schloss oder ein-
zelne Theile desselben zerstören, ohne zwingenden Grund
Altes beseitigen, Neues an dessen Stelle zu setzen. Wir
haben im Finanzrnmisterium niemals anders als mit
der Möglichkeit der Erhaltung des Schlosses diese
Frage erörtert und nur unter diesem Gesichtspunkte ist auch
die Einberufung der letzten Heidelberger Konferenz im Okt.
1-901 zu verstehen. Neben dieser Konferenz hat in den
letzten Monaten eine gewisse Aufmerksamkeit erregt eine
Umfrage, die ein Kunstgelehrter von Dresden veranstaltet
hat, indem er Fragebogen versandte. Wenn aber darin die
Frage so gestellt ist, ob die Erhaltung des Otto Heinrichs-
Baues als Ruine einerWiederherstellung vorzuziehen sei, so
scheint mir die Fragestellung keine besonders glückliche ge-
wesen zu sein, wenn diese Frage anders mit Ja beantwortet
worden wäre. Wir hätten .sie selbst jedenfalls im Sinne
der Fragestellung mit Ja beantwortet. Die Entscheidung
in der ganzen Frage: ^.der Hr. Abgeordnete Dr. Wilekens
hat das klar und präzise zum Ausdruck gebracht — ist
doch nicht die, ob: wir den Otto Heinrichs-Bau als Ruine
erhalten wollen oder nicht,. nein, es ist die, ob wir diese
Ruine erhalten können oder, nicht. Die Entscheidung
also., wenn die uns bekannten modernen Mittel der Technik
99
sich nicht als ausreichend erweisen, dieses kostbare Besitz-
thum auf spätere Generationen zu überantworten, würde
sein, falls die Konservirungsmittel also nach der einen oder
anderen Richtung hin versagen sollten, ob nicht doch eine
gewisse moralische Verpflichtung des Landes vorliege,
auch zu durchgreifenderen Wiederherstellungs-Arbeiten
insbesondere am Otto Heinrichs-Bau zu schreiten, wenn
anders nur auf diesem Wege das Ziel: die Erhaltung
des Heidelberger Schlosses mit allen künstle-
rischen Reizen und Schönheiten verwirklicht wer-
den kann. Nun giebt es eine Richtung unserer heutigen
Kunstgelehrten , welche die möglichst lange Erhaltung
vor uns, dass der Otto Heinrichs-Bau als unorganischer
Bau vor uns steht. Und nun ist es nach den modernen
künstlerischen Auffassungen Pflicht, ihn in diesem Zustande
zu erhalten und jede Aenderung im Sinne jener Anschauung
als einen Fehler zu betrachten. Wieder andere Kunst-
gelehrte lehnen, indem sie sich von gewissen historischen
Ansichten leiten lassen, jede Aenderung eines auf uns
überkommenen Architekturbildes ab, weil sie es immer
so sehen wol'en, wie sie es gewöhnt sind. Diesem indi-
viduellen ästhetischen Schönheits-Standpunkt, der gar
nichts darnach frägt, ob die, die nach uns kom-
men, nicht auch ein Anrecht darauf besitzen,
Abbildg. r* Vorschlag^von Ganz & Cie. ffli den Wagen einer elektrischen Schnellbahn Wien— Budapest 189*.
von Ruinen und
Baudenkmälern
der Vergangen-
heit. die in rui-
nenhaftem Zu-
stande auf uns
überkommen
sind, gar nicht
als das eigent-
liche Ziel und
die Aufgabe der
Denkmalspflege
ansieht. Diese
ziemlich moder-
neRichtungfusst
auf demeigenar-
tigenStandpunk-
te, dass, weil wir
im Leben diese
ruinenhaften
Bauwerke nicht
selbstgeschaffen
haben, wir auch
nicht das Recht
besitzen, sie in
einen anderen
Zustand zu ver-
setzen, als in
den, in welchem
sie zufällig auf
uns gekommen
sind; dass man
nur durch kleine,
unauffällige Er-
haltungs - Mittel
den unvermeid-
lichen Verfall-
prozess etwas
hintan halten
und im übrigen
mit Fatalismus
diesen Verfall-
prozess eben hinnehmen müsse. Die eigenthümliche
Folge dieser Anschauung ist, dass wenn der Otto Hein-
richs-Bau gleich seinem Bruder, dem Friedrichsbau, den
Stürmen des dreissigjährigen Krieges, der Katastrophe
von 1689 entgangen wäre, er in der ursprünglichen Ge-
stalt vor uns stände, es nach dieser Auffassung heilige „ , “ j j- c- u
Pflicht wäre, die Bauten in dieser Gestalt thunlichst lange kommt nicht mbetracht" — war anscheinend die bache
Abbildg. 2.
Elektrische Lokomotive von Siemens & Halske für die Versuchsstrecke bei
Gross-Lichterfelde 1899.
Elektrische Schnell- und Vollbahnen mit hochgespanntem Drehstrom als Antrieb.
sich an'einem
Kunstwerk zu
erfreuen. kann
ich nicht unter
allenUmständen
beitreten. Man
muss nicht nur
die Gegenwart
befriedigen, son-
dern auch mit
denen rechnen,
die nach uns
kommen. Wenn
eineAnzahlWie-
derherstellun-
gen in Deutsch-
land und ander-
wärts misslun-
gen sind, so darf
man nicht alle
als Unsinn be-
zeichnen. Wir
haben darauf um
so weniger ein
Anrecht, als wir
über tüchtige
Kräfteverfügen.
Das grosse
Ziel, das uns
in dieser Fra-
ge immer vor
Augen schwe-
ben sollte, ist,
dass dieses
uns aus der
Vergangen-
heit überant-
wortete Be-
sitzthum mög-
lichst lange
auch den
späteren Ge-
schlechtern erhalten bleibe. Nun ist richtig, dass
in der ersten Heidelberger Konferenz von 1891 die
Frage, ob das Schloss mit wenigen Mitteln dauernd zu
erhalten sei, mit glattem Ja beantwortet worden ist, und
indem diese Konferenz einfach dekretirte: „Eine vollstän-
dige oder theilweise Wiederherstellung des Schlosses
zu erhalten. Manche würden dann vielleicht finden,
dass der Otto Heinrichs - Bau gerade in dieser Gestalt
sich dem Bilde des Schlosses, wie es verschiedene
Architekten gehabt, anreiht. Weil aber nach 1764 sich
Niemand mehr um das Schloss kümmerte, weil das Inter-
esse an ihm vollständig erlahmte, es seinem Schicksal
überlassen blieb, man kann sagen ein anarchistischer Zu-
stand eintrat. Jeder wegschleppte was ihm beliebte, weil
infolge dieser sorglosen Wirthschaft immer weitere Theile
des Baues eingestürzt sind, haben wir nun den Zustand
ein für allemal erledigt. Für solche, die dem Gegenstand
ferner stehen, gewiss; für solchcj die schwierige Dinge
gern nach Bequemlichkeits-Rücksichten behandeln, viel-
leicht auch; für die grossherzogliche Regierung und auch
für mich war sie es nicht. Ich will den Theilnehmern
der damaligen Konferenz, die illustre Namen in sich ver-
einigte, in keiner W'eise zu nahe treten; sie alle haben
ihrer besten Ueberzeugung Ausdruck gegeben. Aber das
darf doch nicht hindern, auch an die Berathungen und
Beschlüsse solcher Persönlichkeiten kritisch heranzutreten.
100
No. 16.
Nun war es mir seltsam von Anfang ab und es ist es mir punkt, in dem die Techniker des Schlossbau-Büreaus, die
noch heute, dass in demselben Zeitpunkt, in dem das wohl den gründlichsten Einblick in alle Theile des Schlosses
Schlossbau-Büreau eine achtjährige mühevolle und mit genommen und aufgrund ihrer langjährigen Beobachtungen
Abbildg. 4. Der Reinsburghügel im jetzigen Zustande.
Die Stuttgarter Stadterweiterung. Abbildg. 5. Der ReinsburghOgel mit architektonischer Bekrönung.
grossem Verständniss betriebene Arbeit hinter sich und für ein2elne Schlosstheile durchgreifendere Herstellungs-
die Ergebnisse dieser Arbeit in einem grossen, monumen- Arbeiten befürwortet, ja bis &\5 theilweise oder völlige
talen Werk niedergelegt hatte; dass in demselben Zeit* Restaurining abzielende Vorschläge gemacht und sie ein*
22. Februar 1902.
lOI
gehend begründet hätten — dass in 'die's'em selben :;Zeif--
punkt die- Konferenz von'iS’pi auf den genau ' entgegen- '
gesetzten Standpunkt sich stellte 'und jede,: auch. :die
kleinste Wiederherstellungs-Nothwendigkeit verneinte; ja,
dass, wenn ich von einigen allgemeinen anerkennenden
Worten absehe, die den Arbeiten, des Schlossbau-Büreaus
gezollt wurden, auf diese technischen Vorarbeiten auf der
Konferenz von 1891 überhaupt kritisch, zustimmend oder sie
verwerfend, nahezu mit keinem Worte eingegangen wurde.
Da musste sich die Frage aufwerfen, ob nicht die damaligen
Theilnehmer der Konferenz auch inbezug auf andere Dinge
Beschlüsse gefasst haben, die von falschen Voraussetzungen
ausgingen. Es hat sich beim Friedrichsbau gezeigt, dass
die Fassade in einem viel fortgeschritteneren Zustand der
Verwitterung war, als nach Annahme des Schlossbau-
Büreaus es der Fall sein sollte. Schon 1894 stand daher bei,
mir fest, dass die Berathungen und Beschlüsse dieser Kon-
ferenz von 189 t unbedingt einer Durchsicht unterzogen und
die ganze Frage nochmals der Erwägung ausgesetzt wer-
den. müsse, ob, es, möglich sei, mit einfachen. Mitteln, na-
mentlich den Otto Heinrichs-Bau zu erhalten. So- sind,
wir zu der zweiten Konferenz, von igor gekommen. Dass
unsere, Zweifel bezüglich der ersten- Konferenz nicht ganz
unbegründet waren-, den Eindruck werden auch Sie be-
kommen haben. Es . ist von solchen Technikern, die. auf,
dem* Sebiete der Wiederherstellungen lange- Erfahrungen
haben,, mit einer Bestimmtheit, die. an, Deutlichkeit nichts
zm wünschen- übrig lasst^ hervo.rg.ehoben und. betont wor-
den, dass' insbesondere die freistehende: Mauer des. Otto-
Heinrichs-Baues- mit einfachen. Mitteln nicht zu-, halten sei
und dass, leicht eine Katastrophe -emtreten könne.,- Es. ist
dfem- entgegengelreten- worden. Aber sind, damit die Be-,
sorgnisse- der ersteren Techniker beseitigt, worden? Wir
sind: deshalb; als: getreue Verwalterin- des auf uns, über-
kommenen kostbaren Vermächtnisses verpflichtet,, weitere.,
Untersuchungen anznstellen und das Fmanzministerium-
wird- es sich angelegen sein lassen, diese Unteisuchungen
in die Wege zu, leiten. Bei der ganzen Angelegenheit
spielt . die ßedachungsfrage eine- sehr wesentliche- Rolle-
und, ich' möchte Sie: bitten, mbezug' auf diese Frage sich,
nicht ohne Weiteres dadurch beirren zn lassen, dass ein-
zelne- Techniker die Bedachung ajs. etwas ganz TJ.eb:er-
flQssiges erklärten. Was mich besonders schwankend
gemacht hat, ist der Umstand, dass der hervorragende
Techniker Gabriel von Seidl in München die ßedachnngs-
frage als eine äusserst diskutable bezeichnet, die Anbrin-
gung des Daches also anerkannt hat. Seidl stand im
übrigen auf dem Boden der Heidelberger Konferenz von
1891. Die Dachfrage müsse so dezent als möglich gelöst
werden, es müsse ein Glasdach sein, die Fassade dürfe
in keiner Weise eine Aenderung erfahren. Wie wird ein
solches Dach wirken? Sobald Sie den Otto Heinrichs-Bau
bedachen, wird der Hauptreiz, derjenige Reiz, den die
Besucher am meisten geschätzt haben, verschwunden, sein.
Die Bläue des Himmels wird nicht mehr hereinschauen,
das Mondlicht wird seinen Glanz nicht mehr darüber aus-
giessen, das Poetische wird verschwinden. Und da wirft
sich die Frage aui:. wenn wir überhaupt möglicherweise
mit einer Bedachung des Otto Heinrichs-Baues rechnen
müssen,, ist es da nicht mmdestens der Erwagung.wurd^,
statt' uns mit einem flachen Dach zu begnügen,, wenn wir.
überhaupt auf eine Menge rornnntischer Reize verzichten.
müssen,. an deren Steile ein. Aequi-valent. zu- schaffen
in. Form: starkwirkender arGhitek.ton.i'SGher Reiz:e,
d'arnit. der Otto Heinrichs-B.au seiue u-rsprUn:g-
]i;che; Gestalt, wied ererhalt-, dem- Sehlosshof;, au
jenerS teile jen.euimposa;nten-archite-kt.o.Bd,sch m:a-
lerischen. Eindruck wtederzugeb.-en-, d.eE.his- z.um
Brandebest-an.deB- hat? NunfWird auch; der. Gedanken-
gang verstandliGhsemj;au&demhGr.ausdasFmai3:z-m-kiisterium-.
sich entsc'hlosseu hat,. Pläne: für eme'Wffiderhersteliung- des.
gläsernen Saaibaues.ausai beiten zu. lassen., "Was^ Ob.-Brth.
Prof Schäfer angefertigt- hat, sind-die. erstem künstlerischen;
Versuche;: als, etwas’ Anderes hat ersieiuseiner Einfachs-
heit nicht, bezeichnet. Er selbst, ist weit entfernt davon,,
seine Plane als. spruchreif anzusehen. Ich. möchte der.
Meinung- entgegentreten;, als. oh dieser Techniker sich ge-
■wissermaassen; herangedrängt habe, das ist nicht der Fall.,
Er hat weder schrittlich- noch mündlich eine Anregung
gegeben, er. hat nur ein,em Aufträge des Ministeriums ent-
spro-chen.- Wenn man überhaupt än, Wiederherstellungs-
Arbeiten; grösseren. Stiles am Otto, Heinrichs -Bau denkt,
kann,; man. sehr wohl auch andere Lösungsversuche zur
Erörterung stellen. Ob.-Brth. Schäfer hat sich zunächst
für eine Wiederherstellung nach den Merian’schen Stichen,
also mit den steilen Doppelgiebeln, entschieden und hier-
bei eine von dem Arch. Seitz, Heidelberg, seinerzeit ge-
fertigte Entwurfsskizze zugrunde gelegt. Ob.-ßa-udir. Durm
ist-von jeher für eine Wiederherstellung nach den Krauss’-
scheü-S'fichen:,' d. «h .für ein steiles: Dach niit der Firsh.:
r-ichtuftg- voii' No'rden- nach Süden und mit zwei Zwerch-
häusern.vdsvor emgeireten Wieder Andere befürworien-
eine._ Wiederherstellung mit wagrechtem Abschluss,, also
im Sinne der Formensprache der italienischen Renaissance.
Die letzte Heidelberger Konferenz hat mit einem Non
liquet geendet,, also abschliessende Ergebnisse nicht ge-
zeitigt. Für das Finanzministerium ist demnach die Frage
nicht spruchreif, am allerwenigsten für die Regierung in
ihrer Gesammtheit; sie kann es schon aus den vorher an-
gegebenen Gründen nicht sein, weil ein endgiltiger spruch-
reifer Entwurf für die Wiederherstellung des Otto Hein-
richs-Baues noch garnicht vorliegt. Eine Ueberrnmpelung
in dieser Frage hat die Volksvertretung nicht zu besorgen;,
wenn irgend eine Frage, verdient es die Heidelberger-
Schlossfrage, dass sie mit aller Ruhe, Gründlichkeit, Ge-
wissenhaftigkeit geprüft und für eine Entscheidung allmählich
reif werde. Stadt und Schlossverein Heidelberg haben
eine besondere, sachverständige Untersuchung des Otto
Heinrichs-Bäues, auf seine Standfestigkeit angeregt;, diese
Anregung, entspricht dem, was unmittelbar nach der letz-
ten Heidelberger Eo.nferenz von uns selbst bereits in
sichere Aussicht genommen worden war. Das. Ministerium
hat selbstredend nichts dagegen einzuwenden, wenn Stadt
und S.chlossverein auch ihrerseits besondere Sachverstän-
dige. für die; von uns in Aussicht genommene technische
Untersuchung des Otto Heinrichs-Baues Vorschlägen. E i ne-
eingehende, Untersuchung des Baues vom Gerüst
aus wird nicht zu. .umgehen sein. Ueber eine Anzahl.
Fragenj die diese Sachverständigen zu beantworten haben,,
wird man sich schlüssig zu machen haben; die Frage nach
'der Nöthwendigkeit oder Entbehrlichkeit einer Bedachung-
des... (Dito Heinrichs -Baues wird die nicht am wenigsten,'
wichtige _ Frage sein. Nebenher können vielleicht dann
- .noch weitere. Studien laufen;, insbesondere wird die An-
fenigung von. Modellen über die etwa für eine Wieder-
herstellung in Aussicht zu nehmenden Theile des Schlosses,,
ferner_ die Herstellung, malerischer Ansichten des Schloss-
hofes- im jetzigen und in dem. etwa in Aussicht zu nehmen-
den künftigen Zustand-, womit bereits der Anfang gemacht'
is^ i'nfrage kommen..
Auf dem' Boden rein theoretischer akademischer Be-
, trachtungen über, allgemeinen Werth oder Unwerth von
Wiederherstellüngen, bei denen niemals etwas heraus-
koramen kann, weil Freunde und Gegner an ihren einmal
gefassten Ueberzeugungen festzuhalten pflegen, werden
wir ' — das ist mir im Laufe der letzten Konferenz schon
klar geworden — keinen Schritt weiier rücken; wir müssen
praktischere Wege einschlagen und vor allem jetzt der
Technik in erster Reihe das Wort lassen darüber,
ob die Ruine, so wie sie ist, gehalten, oder ob sie
nicht gehalten werden kann. Kann sie nach dem
Unheil hervorragender Techniker, aufgrund vorgenomme-
ner eingehendster Prüfung der Ruine des Otto Heinrichs-
Baues in- allen Theilen, mit ästhetisch vertretbaren.
Mittelm erhalten werden, so wird^ die Frage im Sinne
der Erhaltung des jetzigen Zustandes entschieden sein,,,
und-Regierung und Volksvertretung werden, sich dann der
Verantwortung für mögliche Ereignisse der Zukunft, für-
enthoben erachten dürfen. Kann, aber nach den zu er-
. hebeirden: Gutachten- die- freistehende Wand- des Ottö'
HeinriehsrBaues nicht gehalten werden,., so wird man; auch,
vor einer ein- und durchgreifenden Wiederherstellung.:
nicht- zurucksehrecken; d'iirfem
In z.wet Jahren hoffe ich;, dass wir' auf diesem'; praJc-
tisc'hen Wege in; unseren Einsichten und ürtheilen etwas !
-wreiter sind, als heute: und dass' wir vielleicht in. d'er' er-'^
fceuhchen.Lage uns- befinden, mit greilbaren- Vorschlägen'
an die Volksvertretuhg heränzuteeten-, von- der ich zu; wissen;
glaube,, dass sie die; Heidelberger Schlbssfrage mit dem-,
s,elben warmen Inteiiesse;, wie: seither; so auch in Zukunft!
behandeln und, dass. sie;, allen Vorschlägen,, welche- die
dauernde Erhaltung; des' Heidelberger' Schlosses mit odeir
ohne-; Wiederherstellung; bez-wecken, volles Verständnis.s;
enigegenbringen wird.“ — (Lebhaftes- Bravo!!),.
Der Eindruck der vorstehenden Ausführungen ist. ein;,
ausgezeichneter;: die: ruhige, würdige, feste, undunbefangene;'
Art,j in, welcher die so^ bedeutungsvolle Angelegenheit in>'
d_er badischen Känimer behandelt wurde,, berührt imge--;
mein sympaihisch und hebt sich in, erfreulicher 'Weise: ab;’
von der hart an: den Charakter politischer. Wahlbewegungen:
streifenden Bewegung,, wie. sie vielfach- aus ursprünglich;
rein sachhchen Erörterungen in der Tagespresse heraus-
gewachsen war.
Wir wollen nun der einzusetzenden besonderen Kom-
mission nicht vorgreifen, aber wenn es sich nicht ermög-^
liehen lassen sollte^ den Ueberresten des Heidelberger
Schlosses mit kleinen Mitteln die Erhaltung zu gewährleisten,’
No. 16.
102
welche den Gegenständen unserer Museums-Sammlungen
zutheil wird — und wir halten dies für unmöglich — so
wird man sich, wenn auch schweren Herzens; doch dazu
emschliessen müssen, die heute schon leider längst'nicht
mehr in dem früheren Umfange vorhandenen landschaft-
lichen und romantischen Reize des Schlosses einzutauschen
gegen das reichere künstlerische Bild, welches das Schloss
nach seinem Ausbau durch einen hervorragenden Meister
gewähren wird, der seinem verantwortungsvollen Werke
mit reiner Ueberzeugung und mit künstlerischer Selbst-
losigkeit im Herzen zugethan ist und welcher in stiller, ge-
sammelter Thätigkeit, abseits von der Unruhe des öffent-
lichen Treibens, seine Kunst wie sein eigenes Leben
empfindet und deutsche Art in edelster Weise in seinem
Werke wiederspiegeln lassen kann.
Soweit wir, zu sehen vermochten, hat noch Niemand
daran Anstoss genoniraehi .dass .2. B. das Ulraef' Munster
nach seinem Ausbau in reicherer, mit 'dem Herzblute
eines selbstlosen Meisters geschaffener Gestalt das Stadtbild
und die Landschaft ziert und wenn wir unbefangen zu wählen
/haben, so wiegt für uns das künstlerische Seelenbekenht-
-niss eines Meisters immer -noch schwerer, wie die kunst-
wissenschaftliche Doktrm und sei sie die scharfsinnigste.
Wer es heute unternehmen wollte, dem Untergange kostbarer
Ueberreste einer grossen Zeit fatalistisch zuzusehen, um
„neuere Anschauungen“ durchdringen zu lassen, der würde
eine schwere Verantwortung gegen das unbestreitbare Recht
.künftiger Generationen an dem überkommenen Kunstbe-
sitz .auf sich nehmen. Diesen springenden Punkt blos-
gelegt und die Angelegenheit wieder auf ihren eigent-
. Sehen Kernpunkt zurückgeführt zu haben, das ist das
grosse Verdienst .des badischen Finanzministers. —
. ■ • . ._H,— •
Elektrische Schnell- und Vollbahnen mit hochgespanntem Drehstrom als Antrieb.
Von Gustav Schimpff.
(Hierzu die .Abbildungen auf Seite 97 und 100.)
Bine der grossen technischen Fragen, die heute im
Vordergrund des öffentlichen Interesses stehen, ist
die der Beschleunigung der Personen-Beförderung.
Durch die Unmöglichkeit, die Geschwindigkeit der Dampf-
Lokomotive unter Wahrung der Wirthschaftlichkeit wesent-
lich zu steigern, ist sie ..auf das Innigste mit der Frage -
der Zugförderung auf weite Entfernungen mittels elektri-
scher Energie verquickt worden. Es soll im Folgenden
versucht werden, was auf diesem Gebiete -in jüngster Zeit
geleistet worden ist, übersichtlich zusammen zu fassen,
wobei, der Haupttheil der Berichterstattung sich mit den .
.Versuchen der „Studiengesellschaft für elektrische Schnell-
bahnen“ beschäftigen wird.
Den ersten technisch durchdachten Versuch, die Frage
der -schnellen Personen-Beförderung -mittels elektrischer
Energie zu lösen, machte die Firma Ganz,& Cie. in ßuda- •
- pest, indem sie im Jahre i8oi; anlässlich' elektrotech-
nis.chen Ausstellung in Frankfurt a. M. -einen Entwurf für
eine elektrische Schnellbahn zwischen Wien und -Buda-
pest'veröffentlichte, auf , welcher die 260-^“ betragende
Entfernung in etwa i Stunde zurückgelegt werden/sollte.
Es war dies ein kühner Gedanke in einer Zeit, zu welcher
. die Entwicklung des elektr. Strassenbahnwesens in Deutsch-
land kaum begonnen hatte, und zu welcher die Möglichkeit
der Kraftübertragung auf weite Entfernungen eben erst
durch das Beispiel Lauffen-Frankfurt gezeigt worden war.
Der vorgeschiagene Wagen, Abbildg. i, hatte eine an
den Enden zugespitzte Form, um den Luftwiderstand mög-
. liehst zu verringern; bei einer Gesammtlänge von 45®
sollte er auf 2 zweiachsigen Drehgestellen mit einem Mittel-
abstand von 28 einem Achsstand von 4800 und Rad-
durchmessern von 2100 ruhen^ Der Wagenkasten
musste wegen der grossen Länge mit fachwerkartigen
tragenden Wänden ausgebildet werden. Die Endabtheile
ausserhalb der Drehgestelle sollten als Führerslände Ver-
wendung finden, während zwischen den . Drehgestellen
ein mittlerer Raum von 19 Länge (bei 2,15 äusserer
Breite) für 40 Reisende Platz bot. Entsprechend einer
Fahrgeschwindigkeit von 200— 250 km war der Luftwider-
stand auf 250 P. S., der gesammte von den 4 Motoren zu
leistende Kraftbedarf auf 800 P. S. geschätzt worden. Die
Motoren sollten die Achse unmittelbar - antreiben.-. Als
Stromabnehmer waren je zwei besondere .Räder gedacht,
welche auf zwei innenliegenden 'Strpmleitungs-Schienen
laufen sollten. Das Gewicht des vollbesetzten Wagens
wurde — sehr niedrig — auf 80 t geschätzt. Die Spur-
weite war die normale; als Oberbau waren Schienen von
50 kg mit Gusstahlstühlen und eisernen Querschwellen vor-
gesehen;'die Querschwellen sollten iiuf einem durchgehen
den Betonkörper ruhen, der im Aufträge bis auf den ge-
wachsenen Boden herunterzuführen wäre. Zur Vermei-
dung von Entgleisungen sollten die Treibräder äussere
und innere Flansche erhalten. Die Stromvertheilung war
mittels Wechselstromes von loooo Volt Sp. gedacht, die
in Spannungswandler- (Transformatoren-) Unterstationen
auf die für den Betrieb verwendbare Höhe umgeformt
werden sollte.
Wenn dieser Entwurf, der s. Z. ein grosses und be-
rechtigtes Aufsehen verursachte, bezüglich der Oberbau-
frage auch jetzt noch als einwandfrei gelten kann, so macht
die beabsichtigte Wagenfbrm_h.eute, einen etwas abenteuer-
lichen Eindruck. Vor allem aber war es bei :dem damali-
gen Stande der Technik unmöglich, die Durchführbarkeit
in elektrotechnischer . Beziehung darzuthun,, lagen doch
eigentliche Erfahrungen in der Kraftübertragung über weite
Strecken nicht vor und war insbes'ondere das Gebiet .des
.Drehstrom-Motors -damals noch vollständig unerforscht. |-
-32. Februar 1902.
Die folgende Zeit brachte den beispiellosen Aufschwung
der • elektrischen Zugförderung auf den Strassenbahnen;
und die durch den Ausbau dieser Bahnnetze völlig be-
schäftigte Elektrotechnik fand keine Zeit, sich mit Zu-
kunftsproblemen auf dem Gebiete der Personen-Beförde-
rung :zu .-beschäftigen. So gerieth auch die SchnelLbahn-
frage in den Hintergrund.
Der Schnellbahn Gedanke tauchte wieder auf, als in-
folge der günstigen Geschäftslage der jüngstverflossenen
Jahre in Deutschland das Bedürfniss eines beschleunigten
persönlichen Geschäftsverkehres fühlbarer wurde und wei-
tere Kreise einen Begriff von dem Werthe der Zeit be-
kamen. Der Gedanke fand aber auch die Technik und
insbesondere die Elektrotechnik gerüstet, sich mit ihm
näher zu beschäftigen, musste man doch das Ende der
.Umwaadlungsperio.de der Strassenbahnen voraussehen urjd
■konnte sich um so eher neuen Aufgaben .zuwenden, als
-die Gleiehstromtechnik allmählich mehr und mehr zu Regel-
formen übergegangen war.
Eine Vorbedingung für die Weiterentwicklung .der
Schnellbahn-Entwürfe war die Ausgestaltung der Dreh-
-strom-Kraftübertragung und des Drehstrom-Bahnraotors.
Für Bahnzwecke war Drehstrom seitdem besonders von
den Firmen Brown, Boveri & Cie. und Ganz & Cie.
auf Schweizer Bergbahnen, wenn auch nur in bescheide-
nem Umfange, zur Anwendung gelangt. Daneben war die
Firma Siemens & Halske (seit 1891) planmässig mit der
Erforschung dieses Gebietes vorgegangen und konnte im
Jahre 1899 eine Versuchsstrecke von 1,75 km Länge in
Gross-Lichterfelde bei Berlin in Betrieb setzen, welche ins-
besondere der Erforschung der Frage nach der Strom-
versorgung langer Bahnstrecken dienen sollte. Der durch-
aus neue Grundgedanke der Versuche beruhte darauf, die
Arbeitsleitung der Bahn mit hochgespanntem Drehstrom
von 10 000 Volt Sp. zu speisen und diesen in Spannungs-
wandlern, die auf dem Fahrzeug mitgeführt werden, auf die
Gebrauc-hshöhe — von beiläufig 650 Volt — herabzusetzen.
• • Die -übliche Anordnung von zwei Stromleitungen über
den Gleisen unter Benutzung der Fahrschienen als drittem
Leiter -besass den Nachtheü, dass die Anordnung an den
Weichen sich nicht befriedigend lösen lässt; ein Herab-
fallen von Drähten gefährdet unmittelbar das darunter
befindliche -Fahrzeug; auch wurde bei grossen Geschwin-
digkeiten eine ungenügende Berührung des Stromabneh-
mers an den höchsten (Aufhänge-) Punkten der Leitung
beobachtet. Dies führte ■ zur Konstruktion .einer Seiten-
leitung, bei welcher die drei Stromdrähte senkrecht über-
.einander angeordnet und mittels bogenförmiger MetMI-
bügel an Holzmasten befestigt wurden. Das Fahrzeug
erhielt drei hintereinander stehende Stromabnehmer, dem
bekannten Siemens-Bügel ähnlich, mit senkrechten Be-
rührungsflächen. Es wurde eine Lokomotive (Abbildg. 2)
von 16 1 Gewicht; 2-achsig, mit: 2 Motoren" von je 30 bis
120 P.S. Leistung erbaut. ’•• •■ . . -i
Der Antrieb der Achsen geschieht mittels Zahnrad-
Übersetzung; die Feldwickelung der Motoren ist feststeh^d,
der Anker umlaufend angeordnet. In den Stromkreis des
xAnkers werden mittels Schleifringen Widerstände einge-
schaltet, welche als Anlasswiderstände beim Anfahren und
zur dauernden Minderung der Geschwindigkeit gebraucht
werden. Die beiden Motoren des Fahrzeuges sind parallel
geschaltet. Eine Hinter- und Nebeneinanderschaltuiig der-
selben bei Anfahrt und Fahrt, wie bei Gleichstrom, ist
hier ausgeschlossen, da bei Drehstrom-Motoren das Dreh-
moment, d. h. die Zugkraft, dem Quadrat der t^pannung
proportional ist, beim Hintereinanderschalten zweier Mo-
toren also auf den vierten Theil ihres Werthes sinken
103
würde. Unter Berücksichtigung dieser Eigenschaft des Dreh-
strom-Motors bietet die Aufstellung des Spannungswandlers
auf dem Fahrzeug den grossen Vortheil, durch Vergrösse-
rung der dem Motor zugeführten Spannung beim Anfahren
die Zugkraft steigern zu können. Dazu dient einmal ein
Zusatz-Spannungswandler, der Windungen anzufügen ge-
stattet, und zweitens die Wandelung der Schaltung des
sekundären Theiles von Dreiecks- zu Sternschaltung, wo-
durch die Spannung im Verhältniss i : V 3, die Zugkraft
also im Verhältniss 1:3 gesteigert wird. Die Versuche
ergaben als besonderen Vorzug der hohen Spannung in
der Arbeitsleitung den nahezu funkenfreien Gang der
Stromabnehmer, entsprechend der geringen Stromstärke. —
(Fortsetzung folgt.)
Normalformat oder Klosterformat,
mie im Vorjahre seitens des preuss. Hrn. Ministers der
öffentl Arbeiten veranlasste Umfrage an die Bau-
beamten der allg. Bauverwaltung, welche Ziegeleien in
der Lage seien, Hand-trichsteine im Klosterformat auf Vor-
rath anzufertigen, damit gegebenenfalls Bezugsquellen vor-
handen seien, von welchen die erforderlichen Ziegel so-
fort geliefert werden könnten, hat in den Kreisen der
Ziegelfabrikanten eine gewisse Beunruhigung hervorge-
rufen, weil man annahm, dass die öffentl. Bauten in Zu-
kunft nicht mehr im Normalformat, sondern in grossem
Format verblendet werden sollten, was dann unhUmst. auch
eine Hintermauerung mit entsprechenden Steinen zur
Folge haben würde. Dass man in dieser Befürchtung zu
weit ging, scheint aus den im Berliner Architekten-Verein
von unterrichteter Seite gemachten Mittheilungen {vgl.
Dtsch. Bztg. 1902 S. 55) hervorzugehen. Es sind uns aber
seitdem noch mehrere Zuschriften aus den Kreisen der
Fachleute und Fabrikanten zugegangen, denen wir hier
wenigstens auszugsweise Raum geben wollen, ohne uns
übrigens mit diesen Auslassungen durchweg einverstanden
zu erklären.
Hr. Arch. Dümmler führt zunächst an, dass sich
bisher Niemand daran gestossen habe, dass die zur Ver-
wendung kommende Verblendung in den Steinen weder
die Länge, noch namentlich die Tiefe der Hintermauerungs-
steine besass. Man habe die Wand als ein Ganzes be-
trachtet und daher die Fugen nach Möglichkeit unterdrückt
und sie selbst in der Farbe des Mörtels möglichst der
Steinfarbe angepasst. Seit einigen Jahren sei man nun
zu weissen Fugen übergegangen und damit habe sich dann
auch, um den unruhigen Eindruck zu dämpfen, das Be-
dürfniss herausgestellt, die Zahl der Fugen zu verringern.
Daher wurden zur Verblendung Vi Steine, statt wie bisher
V4 und 1/2 Steine verwendet. Weiter griff man dann zu-
rück auf die Technik unserer Vorfahren, Steine grossen
Formates zu verwenden und will nun auch die durch die
damalige Zeit begründete Technik des Handstrichs wieder
in die Ziegelfabrikation einführen.
Will man nun aber nicht nur eine vorgeklebte Ver-
blendung haben, die sicherlich nicht dem Sinne der alten
Bauweise entspricht, so muss man bei dem wesentlichen
Höhenunterschiede der Steine des Normalformates zu dem
geplanten Maasse für Klosterformat (6,5 zu g) die ganze
Mauer in einheitlichem Maasse hersteilen, sie dann also
im Verhältniss der Steinlängen 25:28.5, d. h. rd. 12%
stärker machen. Das sind wesentliche Mehrkosten, nament-
lich, wenn man in theuren Stadtlagen auch den entsprechen-
den Raumverlust inbetracht zieht.
Eine weitere Vertheuerung tritt dann ein, wenn der
Handstrichstein statt des Maschinensteins verlangt wird,
denn erstens kann die Handarbeit nicht entfernt das
leisten, was mit den Maschinen erreicht wird, die in langen
Jahren eifriger Arbeit auf einen solchen Grad der Voll-
kommenheit gebracht sind, dass man allen Anforderungen
damit genügen kann, und ausserdem gestatten sie die Her-
stellung durchlochter Steine. Abgesehen von den tech-
nischen Vortheilen der Durchlochung, die besseres Durch-
brennen des Steines ermöglicht, bietet sie den wirthschaft-
lichen Vortheil der Gewichtsverringerung, also der Ver-
minderung der Transportkosten, was namentlich ins Ge-
wicht fällt, wenn man berücksichtigt, dass die grossen
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Bismarck- Denkmal Hamburg. Als Ver-
fasser des Entwurfes „Ein Stein“ hatte sich uns Hr. Alex.
Menner in Odessa genannt. Das Verzeichniss der ein-
gegangenen Entwürfe weist nur einen Entwurf mit dem
genannten Kennwort auf. Es theilt uns nun Hr. Arch.
Wilhelm Frankel in Düsseldorf unter Einsendung der bez.
Vorskizze mit, dass er der Verfasser des genannten Ent-
wurfes sei. Wir bestätigen, dass es der aus dieser Vor-
skizze hervorgegangene Entwurf ist, welchen wir in un-
serer Besprechung hervorgehoben haben. —
Wettbewerb General-ReguHrungsplan Brünn. Es lagen
13 Entwürfe zur Beurtheilung vor und es waren dem Ver-
nehmen nach ausser den deutsch-österreichischen Tech-
nikern 3 reichsdeutsche Bewerber eingeladen. —
Handstrich- oder Maschinensteine.
Verbrauchsstellen unserer Grosstädte in der norddeut-
schen Tiefebene säramtlich in ihrer Nähe geeigneter Thon-
lager für feine Verblender entbehren.
Es wird nun den Maschinensteinen jetzt zum Vorwurf
gemacht, was man Jahrzehnte lang für ihren Vorzug hielt,
die Sauberkeit und Schärfe der Form, Glätte der Ober-
fläche, Gleichmässigkeit der Farbe. Der Handstrichstein
sei gerade durch seine rauhe Oberfläche, die verschiede-
nen Brandfarben interessant. Das lässt sich aber auch
mit dem Maschinenstein erreichen (vgl. Dtsche. Bztg. 1804
S. 455 die Abhandlung von Prof. Gmelin über amerika-
nische Baumaterialien).
Dem Verfasser erscheint es hiernach nur gerecht-
fertigt. grosses Format anzuwenden, wenn es sich um
eine Wiederherstellung alter Bauten handelt. Aber auch
in diesem Falle sollte es dem Fabrikanten überlassen
bleiben, den gewünschten Stein maschinell herzustellen.
Auf alle Fälle würden solche Steine aber erheblich theurer
werden. —
Rein vom fabrikations- technischen Standpunkte be-
trachtet die Frage Hr. Ing. H. Rasch, Direktor der Agaer
Werke. Verfasser ist zunächst der Ansicht, dass den
Wünschen der Architekten inbezug auf grössere, nament-
lich stärkere Steine, unschwer in den meisten Fällen nach-
gekommen werden kann, sobald nur die Durchlochung
der Steine, die bei einigen Thonarten durchaus erforder-
lich ist, zugelassen wird. Sachliche Nachtheile bieten
durchlochte Steine nicht, namentlich ist es irrig, dass sich
in diesen Durchlochungen Wasser ansammle und durch
Gefrieren zu Absprengen einzelner Theile Veranlassung
geben könne.
Anders liegt die Sache dagegen mit dem Gedanken,
die Technik des Handstrichs wieder aufleben zu lassen,
trotzdem unsere moderne Maschinentechnik derselben
weit überlegen ist. In erster Linie wird doch hohe Wetter-
und Farben-Beständigkeit zu verlangen sein. Derartige,
namentlich farbenbeständige Steine sind aber nur aus Thon
herzustellen, aus dem ein so dichtes Erzeugniss geschaffen
werden kann, dass dasselbe nur noch soviel Wasser auf-
saugt, dass das Vermauern durch das sog. Schwimmen
nicht allzusehr erschwert wird. Unter sonst gleichen Um-
ständen ist aber der Stein der beste, der das wenigste
Wasser ansaugt. Derartige Thone sind aber so plastisch
(fett), dass sie nur maschinell verarbeitet werden können.
Verfasser giebt dann auch deshalb dem Maschinenstein
den Vorzug, weil er sich glatt herstellen lässt, also auch
weniger Gelegenheit zum Anhaften des Schmutzes, Russes
usw. giebt, so dass er also auch aus diesem Grunde farb-
und wetterbeständiger ist, als der Handstrichstein, dessen
Oberfläche niemals so glatt hergestellt werden kann. (Diese
Eigenschaft des Handstrichsteines betrachten viele Archi-
tekten allerdings gerade als einen besonderen Vorzug des-
selben. Die Red.).
Was schliesslich den Verband bei Anwendung von
grossem Format betrifft, so schlägt Verfasser vor, ^4 und
Vi Steine im Kreuzverband anzuwenden, was bei Erfüllung
der erforderlichen ästhetischen und konstruktiven An-
sprüche (als Beispiel wird die Wiederstellung des Dora-
kirchthurmes in Schleswig durch Hrn. Geh. Ob.-Brth. Adler
angeführt) die Kosten einer solchen Verblendung in massi-
gen Grenzen halte. —
Brief- und Fragekasten.
W. Th. in D. Litteratur über Gebäiide-Verankeruag
dürfte es ausser im „Grundbau" von Brennecke nicht geben, jedoch
mache ich aufmerksam auf No. 3 des „Glückauf" v. 19. Febr. 1901,
der einen von mir verfassten Aufsatz über diese Sache enthält. Ich
bin bereit, dem Herrn einen Sonderabdruck dieses Aufsatzes zu-
zustellen. — Pinkemeyer, Stadtbmstr. in Recklinghausen.
Hrn. J. O. in Köln-Nippes. Unseres Erachtens erstreckt
sich das Servitut lediglich auf die Oeffnungeii und nicht bis auf
die Geländefläche. Wenn die Bauordnung daher es Ihnen gestattet,
so sind Sie wohl berechtigt, bis zur bezeichneten Höhe zu bauen.
Inhalt: Die Stuttgarter Stadterweiterung (Fortsetzung!. — Das Heidel-
berger Schloss in der zweiten badischen Kammer. — Elektrische Schnell-
und Vorortbahnen mit hochgespanntem Drehstrom als Antrieb. — Normal-
format oder Klosterformat, Handstrich- oder Maschinensteine. — Preisbe-
werbungen. ' — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hof mann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
104
No. 16.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 17. Berlin, den 26. Februar 1902.
Barock-Fassaden am Breitenweg in Magdeburg. Aus: Otto Peters, „Magdeburg und seine Baudenkmälerb
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine.
Nachstehend bringen wir eine Eingabe zur Kenntniss der Verbandsmitglieder, welche der Vorstand
in Gemässheit der im Vorjahre durch die XXX. Abgeordneten-Versammlung in Königsberg i. Pr. gefassten
Beschlüsse gleichlautend an den Reichstag, den Bundesrath und den Herrn Reichskanzler gerichtet hat.
Als Anlage war ein kurzer Auszug aus dem in Königsberg gehaltenen Vortrage des Hrn. Dombaumeisters
Arntz beigefügt, dessen Inhalt sich im Wesentlichen deckt mit den Ausführungen auf S. 185 u. ff. Dtsche.
ßauztg. 1901 und daher an dieser Stelle fortgelassen ist. —
Dresden-Berlin, den 20. Februar 1902.
Der Verbands-Vorstand: Waldow. F. Eiselen.
Eingabe betreffend Einstellung ständiger Mittel
in den Reichshaushalt zum Zwecke der Erhaltung
vaterländischer Baudenkmale und zwar zunächst
des Strassburger Münsters.
In seinen grossen geschichtlichen Baudenkmalen, den
lebendigen Zeugen einer wechselvollen Vergangenheit, be-
sitzt Deutschland einen Schatz, der einen idealen Besitz
des gesammten deutschen Volkes bildet. Diesen Besitz
zu bewahren und ungeschmälert den kommenden Ge-
schlechtern zu erhalten, ist daher auch eine vornehme
Pflicht des Vaterlandes. Im Gefühle dieser Pflicht und
getragen von idealer Begeisterung ist bereits Grosses ge-
schehen, sind der Kölner Dom, das Münster zu Ulm aus
den Mitteln kunstsinniger Fürsten, des Staates, der Ge-
meinden und aus der freiwilligen Beisteuer weitester
Volkskreise vollendet und in alter Pracht wieder hergc-
stellt worden. Aber noch bleibt vieles auf dem Gebiete
zu leisten, harrt noch manches Bauwerk von geschicht-
lichem und baukünstlerischem Werthe nicht nur der Voll-
endung, oder der Wiederherstellung in alter Gestalt, son-
dern vor allem einer sachgemässen Pflege und einer nur mit
reichlichen Mitteln möglichen Erhaltung des Bestehenden.
Zu diesen Denkmalen gehört vor allem als eines der
edelsten Werke deutscher Baukunst, als dasjenige, welches
dem deutschen Volke vielleicht gerade, weil es ihm so
lange entrissen war, wohl am meisten ans Herz gewachsen
ist, das Werk Erwins von Steinbach, das Strassburger
Müns^ter. Bereits vor 20 Jahren hat der Verband
deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine in ein-
stimmiger Beschlussfassung dem Wunsche Ausdruck ge-
geben,' es möge die deutsche Nation nach der glücklichen
Vollendung des Kölner Domes den beim Weiterbau dieses
Werkes in langjähriger Ueberlieferung gesammelten Schatz
kunstliistorischer Schulung und künstYerischer Erfahrung
anderen nationalen Ünternehmungen. zuwenden und dem-
entsprechend die Mittel, wie einst für den Kölner Dom,
auch ihr andere bedeutende Baudenkmale beschaffen.
deren Weiterbau aus den Mitteln einer einzigen Stadt
oder eines einzigen Landes nicht wohl möglich sei. An
erster Stelle wurde damals das Münster zu Ulm, an zweiter
das Münster zu Strassburg in Vorschlag gebracht. In-
zwischen ist das erste vollendet, das letztere dagegen in
einem baulichen Zustand, der zunächst den Wunsch des
Weiterbaues völlig zurücktreten lässt vor der Sorge um
die Erhaltung. Wie bedrohlich der Zustand des Münsters
ist, auf welchen der berufene Pfleger desselben schon
lange hingewiesen hat, geht aus dem Berichte hervor,
welchen derselbe auf der XXX. Abgeordneten-Versammlung
des Verbandes d. A.- u. I.-V. im August vorigen Jahres in
Königsberg i. Pr. erstattet hat, dessen technische Aus-
führungen wir .nachstehend im Auszuge beigeben.
Der Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-
Vereine hat es unter diesen Umständen für seine Pflicht
gehalten, auf diese Zustände an maassgebender Stelle
nachdrücklich hinzuweisen. Als diese Stelle betrachtet er
nach den vorstehenden Ausführungen wohl nicht mit Un-
recht das Reich, um so mehr, als unter den veränderten
Zeitverhältnissen die bedeutenden Mittel zu Aufgaben die-
ser Art wohl in anderer Weise als bisher aufgebracht
werden müssen.
Die XXX. Abgeordneten-Versammlung d. V. hat daher
den Unterzeichneten Vorstand beauftragt, an die verbün-
deten Regierungen und den deutschen Reichstag den An-
trag zu stellen :
In gerechter Würdigung der für die Gesammtheit
des Reiches mit der Erhaltung vaterländischer Bau-
denkmaleverbundenen nationalen Interessen möchten
in den Reichshaushalt ständige Mittel zur Erhaltung
solcher Baudenkmale und zwar zunächst des Strass-
bürger Münsters eingestellt werden. —
Im Januar 1902.
Der Vorstand des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine.
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.^ u. Ing.- Verein zu Hamburg. Vers, am 13. Dez.
1901. Vörs. Hr. Zimmermann, anwes. 65 Pers.
Zur Tagesordnung bespricht Hr. Hennicke das Werk:
„Altrömische Heizungen“, von Otto Krell (Verlag von
R. Oldenbourg, München, Pr. 4 M.), welcher sich gegen
Hypokäusten-Anlagen unter den römischen Wohnräumen,
Badeahiageti und Bade- bezw. Schwimmbehältern, wie sie
von Överbeck-Mau, Nissen, Dr. J. Berger- Wien u. a. be-
hauptet wird, auslässt. Nach Krell’s Meinung erfolgte
die Zimmer - Erwärmung durch Holzkohlenfeuerung auf
flachen Kohlenbecken, wobei erfahrungsmässig sich kein
Eine akademische Studienreise nach Nord-
Frankreich. (Schluss.)
einem glühend heissen Sommertage (27. Juli) traten
^^^®lYwir unsere Fahrt über Kassel an ; durch das herrliche
Lahnthal, vorbei an dem idyllischen Koblenz und
den rebenbewachsenen Hügeln des Moselthales ging’s nach
Metz,' das von seiner 222jährigen Zugehörigkeit zu Frank-
reichlnoch viele französische Eigenthümlichkeiten aufweist.
Indes^, den Dom war von deutschen Meistern und Hand-
werktern auf deutschem Grunde erbaut und deutsch ist er
geblieben. Deutsch ist auch die Gründlichkeit und Sach-
kenniniss, mit welcher der Dombaumeister Tornow die
Wiederherstellung der Kathedrale leitet. Mit einem Vor-
trage dieses Meisters, in der Krypta des Domes gehalten,
setzten unsere Studien ein. Die 'Wiederherstellungs-Arbei-
ten zu beobachten, war beste Gelegenheit; von der Hütte
des Steinmetzen bis zum Versetzen derWerkstücke wurde
jede Bauthätigkeit beobachtet. Der herrliche Eindruck des
gewaltigen Dom-Inneren hielt denjenigen der französischen
Kathedralen völlig stand. — Einer liebenswürdigen Ein-
ladung Tornow's verdankten wir einen köstlichen Abend
voll übermüthiger Stimmung auf seiner Villa vor Metz.
Sonntag früh (29. Juli) betraten wir Frankreichs Boden.
Chälons-sur- Marne bot mit seinen festtäglich geputzten
Spaziergängern, den farbigen, fremden Uniformen, ein
eigenanig ungewohntes Bild. Es fiel sofort unangenehm
auf, dass dort keine Sonntagsruhe herrscht. Die stattliche
Kirche Notre-Dame hat schöne Doppelthürme mit steifen,
später aufgesetzten Helmen, sie übertrifft die Kathedrale
bedeutend, deren gewaltige Renaissance-Fassade eigenartig
von dem gothischen Schiff absticht.
In Reims (31. Juli) beherrscht die ungeheure Kathedrale
alle anderen Bauten, die wundervollen Doppelthürme mit
den entzückend feingegliederten Portalen sind mit das
Vollendetste, was die gothische Baukunst je hervorgebracht
ro6
Kohlenoxydgas und nur etwa 2 % Kohlensäure entwickelt,
die in dieser Menge nicht schädlich wirkt. Für einen
Raum von 4 bei 5 “ und rd. 5000 W. E. genügte eine
Schale von rd. 40 c“ im Durchmesser, wie solche im Ber-
liner Museum viele in prächtiger Ausstattung zu sehen
sind. Sie waren auch theilweise mit Vorrichtungen zum
Warrhhalten von Speisen und Getränken versehen.
Der Heizung unter den Böden der Zimmer in Rom
und den Bassins widerspricht Krell, gestützt auf die bis
50 starken Fussböden und auf den Mangel an Rauch-
Abzugskanälen und Oeffnungen in den Wänden, durch
welche die Wärme hätte nach den Räumen ausströmen
können. Die Pfeiler unter den Fussböden seien nicht
hat. Der südliche Hauptthurm ist gänzlich eingerüstet und
bot uns, von Gerüst zu Gerüst kletternd, eine seltene Ge-
legenheit, Einzelheiten der Fassade aufzunehmen. Neben
der Kathedrale ist alles andere verschwindend. Nachdem
wir am ersten Nachmittage die ausgedehnten, in den Fel-
sen gehauenen Champagner-Kellereien von Pommery und
Greno besichtigt hatten, folgten wir am nächsten Tage einer
Einladung von Heidsiek & Co., deren Chefs, die Hrn.
Wallbaum und Sohn, uns persönlich herumführten und
mit vollendeter Liebenswürdigkeit glänzend bewirtheten.
Während die Eisenbahnfahrt meist durch ebenes Ge-
lände führt, liegt Laon (2. Aug.) mit gewundenem Höhen-
zuge höchst malerisch da, ganz erheblich aus der Ebene
emporragend und von oben eine wundervolle Fernsicht er-
öffnend. Die vielthürmige Kathedrale, in spätromanisch-
frühgothischerUebergangszeit entstanden, ist eine gewaltige
Anlage, bei der ein ganz eigenartiger, von anderen Kathe-
dralbauten völlig abweichender Einfluss unverkennbar ist;
eine gewisse Verwandtschaft mit dem Dom zu Naumburg
ist nicht zu leugnen. Imganzen ist dieses Bauwerk eines
der schönsten Frankreichs. Die kleine reizende romanische
Templer-Kapelle übte gleichfalls auf alle eine grosse An-
ziehungskraft aus. Ueberhaupt ist Laon mit seinen schweren
Thoren, engen Strassen und dieser einzig wundervollen
Kathedrale eine herrliche Stadt für den Architekten.
Im Gegensatz zu dieser engen Festung ist Soissons
(4. Aug.) ein gemüthliches, offenes Landstädtchen. Zwei
interessante, spätgothische, ungleich hohe Thürme sind
neben einem leidlich erhaltenen Kreuzgang mit entzücken-
den figurenreichen und scherzhaftenEinzelheiten die Ruinen
der Kirche St. Leger St. Jean de Vignes, welche von
den thörichten Calvinisten im blinden Wahne des Bilder-
sturmes zerstört wurde. Neben der regelmässigen Kathe-
drale findet noch eine kleine romanische Kirche Beachtung,
welche jetzt als Turnhalle dient. Am Sonntag Nachmittag
machten wir einen Ausflug nach Braisne, dessen wunder-
No. 17.
von feuersicheren Steinen hergestellt gewesen. Die
Schwimmbehälter-Sohlen hätten bei der zur Erwärmung
des Wassers nöthigen Heizung Risse bekommen müssen.
Die Hohllegung geschah nur zur Trockenhaltung der
Fussböden bezw. zur Aufnahme der Rohre für die zu den
Bädern führende Wasserleitung. Badewannen bis 6
Fassungsvermögen wurden durch unmittelbar mit ihnen
verbundene Oefen aus Kupfer erwärmt, von denen ein-
zelne bis Wasser fassten. In der Saalburg ist eine
Art Luftheizung vorhanden mit Vorwärmung in einem
Heizkanal, in welchem die Luft über glühende Kohlen strich
und dann durch Wandöffnungen in die Zimmer gelangte.
Der von einem rd. 3 m ausserhalb des Hauses nach innen
führende Hauptkanal verzweigt sich oft von der Raum-
mitte nach dessen Ecken und ist über den Seitenkanälen
mit dünnen Platten abgedeckt, so dass hier eine unmittel-
bareErwärmung derFussböden stattlinden konnte. Redner
schliesst unter dem Hinweise auf das zum Studium geeignete
Werk und erntet den Dank der Zuhörer. Hr. Himmel-
heber macht in Ergänzung seines Vortrages vom 25 Okt.
1901 Mittheilungen über den jetzigen Stand der Arbeiten im
Simplon-Tunnel, welche mit der Wiedergabe des ersteren
an besonderer Stelle verbunden werden sollen. — Gbl.
Vers, am 20. Dez. 190T. Vors. Hr. Classen, anwes.
72 Pers. Zur Tagesordnung berichtet Hr. Faulwasser
über die Beschlüsse des Vertrauens-Ausschusses betreffend
Wahlen zu den Vereinsämtern. Die Wahlen erfolgen durch
Zuruf und ergeben inbezug auf die Zusammensetzung des
Vorstandes die Wiederwahl des Hrn. Hennicke zum
zweiten Stellvertreter des Vorsitzenden und des Hrn.
Mohr zum Schriftfütirer.
Hr. Strümp er gibt unter Hinweis auf eine grosse Zahl
von Photographien eine fesselnde Schilderung der von ihm
im Aufträge der Araerikalinieraitgemachten Örientreise des
Dampf.«chiffes „Prinzess Victoria Louise“. Die am 22. März
in Hamburg auf dem Landwege nach Genua angetretene
Reise führte über Palermo nach Konstantinopel, durch den
Bosporus ins Schwarze- Meer nach der Krim und weiter
nach Batum. Von hier wurde ein Landausflug in den Kau-
kasus nach Tiflis gemacht. Auf der Rückfahrt wurde Tra-
pezunt angelaufen und über Athen, Neapel, Algier und
Lissabon zurückgekehrt. Am 6. Mai erfolgte die' Ankunft
in Hamburg. Redner schildert in anziehender Weise die
bunte Vielgestaltigkeit des Volkslebens sowie die Schönheiten
'der Natur und führt zum Schluss Lichtbilder vor, welche
ein anschauliches Bild der Reise wiedergeben. — Hm.
Arch.- u. Ing -Verein zu Magdeburg. Unter Vorsitz des
Hrn. Reg.- u. Brth. Mackenthun fand in der Versammlung
am II. Dez. 190c die Neuwahl des Vorstandes statt: 1. Vors.
'Hr.' Regl- und Brth. Mackenthun, 2. Vors. Hr. Post-
Brth. Winckler, i. Schriftf. Hr, Bauschuldir. Th. Müller,
.volle Kirche St. Ived mit dem schweren und doch fein
gegliederten Vierungsthurm wir von einem herrscliaft-
, liehen Garten aus zeichneten. Es war ein köstlich-stiller
Sommer Sonntag.
Nächsten Tages (6. Aug.) brachen wir zeitig auf; wir
• besuchten das spätgothische Rathhaus zu Compiegne in
1 seiner vollendeten Zierlichkeit und das in seine'r Massen-
wirkung unvergleichliche Schloss Pierrefond (s. S.95), das,
von Viollet-le-Duc wieder hergestellt, noch etwas neu wirkt.
In ihrer ursprünglichen Anlage war die Kathedrale von
, Beauvais eines der. gewaltigsten und genialsten Bauwerke
, des Mittelalters. Ueber einem mächtigen Schiff von mehr als
48 m lichter Höhe wuchs, der alten Chronik nach, ein be-
wundernswerther Vierungsthurm zu der ungeheuren Höhe
. von 153“ empor, von schlanken, fast zierlichen Pfeilern
getragen. Leider gelangten die nothwendigen, stutzenden
Westjoche nicht zur Ausführung und dieser unvergleich-
lich stolze Thurm sank 1573 nach kaum einhalbhundert-
jähriger Dauer in Trümmer, nur den nordöstlichen Pfeiler
stehen lassend und den ganzen Westtheil unter sich be-
grabend. Natürlich schlecht und recht wiederhergestellt,
ohne Vierungsthurm, ist die Kirche nur ein Schatten der
einstigen herrlichen Pracht, doch sind die beiden reizvollen
Fassaden des Querschiffes sowohl wie der vielgegliederte
Chor noch von derart bezaubernder Vollendung aufge-
löster Formen, dass der Gedanke tiefschmerzlich berührt,
dass dieses Wunderwerk mittelalterlicher Grösse uns nur
zumtheil erhalten ist. Aber jetzt noch ist der Anblick
vom Marktplatz aus, über alle Häuser hinweg, von märchen-
hafter Schönheit. — Wir versäumten nicht, dort die be-
rühmten Gobelin -Wirkereien zu besuchen und nahmen
Kenntniss von der Mühseligkeit der Herstellung derselben.
Die Kathedrale von Amiens (9. Aug.) mit stattlichem
Doppelthurm zeichnet sich durch besonders vollendete
Verhältnisse des Schiffes, sowie durch zahlreiche wunder-
volle Skulpturen aus. Die entzückende kleine spätgothische
26. Februar 1902.
2. Schriftf. Hr. Eisenb.-Bauinsp. Schwarz, Säckelmstr.
Hr. Brth. Fritze, ohne Amt Hr. Brth. Claussen und
Stadtbauinsp. Berner. In den Ausschuss für die Revision
der Kasse und der Bestände werden die Hrn. Brth.
Schmidt, Branddir. Stolz und Kreisbauinsp. Harms
gewählt. Unter den bekannt gegebenen Eingängen ist
hervorzuheben das von Sr. Esc. dem Hrn. Kultusminister
dem Verein als Geschenk überwiesene Werk: „Die Abtei
Eberbach“, aufgenommen von Prof. Schäfer. Als neue
Mitglieder finden Aufnahme die Hrn. Intend.- und Brth.
Stegraüller, Reg.-Bmstr. Buchholz und Gelhausen.
In den Mitlheilungen über neuere Schulbauten
Magdeburgs führte Hr. Stadtbauinsp. Berner Zeich-
nungen der Neubauten der Augustaschule, des Wilhelms-
Gymnasiums und einer Volksschule vor. Er erklärt die
Raumvertheilung in den einzelnen Gebäuden, wobei die An-
lage einer Aula über der Turnhalle der Augustaschule, die
Einrichtung einer Sternwarte im Kuppelbau des Wilhelms-
Gymnasiums — für den Verein Urania und zur Mitbenutzung
für die Gymnasiasten — und die verschiedenartige Unter-
bringung der Aborte in den drei Anstalten besonderes
Interesse hervorrufeu. Redner giebt Erläuterungen über
die äussere Gestaltung der Bauwerke, hebt besonders die
im Münchener Barockstil als Putzbaii gehaltene Fassade des
Wilhelmsgymnasiums hervor und geht hierauf zu der inne-
ren Einrichtung über. Besondere Beachtung verdienen hier
die Neueinrichtung beweglicher Schülersitze, die neueren
konstruktiven Einzelheiten bezüglich der leichten Reini-
gung, der Schwammverhütung und der Schalldärapfung.
An diese Klarlegungen, sowie an die Erläuterung der von
einander abweichenden Abortanlagen schliesst sich eine
lebhafte Aussprache unter den Hrn. Mackenthun,
Winckler, O chs, Müller und demVortragenden an. Dank
und Beifall erntete Hr. Berner für seine Ausführungen. —
— Th.
Vermischtes.
Dr. Pröil’s Rechentafel. Der Rechenschieber hat für
manche Rechnungen, z. B. .Kostenvoranschläge, Schlussab-
rechnungen usw. nicht die erforderliche Genauigkeit. Da
aber doch die so bequeme logarithmisch-graphische Rech-
nungsweise in Technikerkreisen sich schon vollständig ein-
gebürgert hat, so lag der Gedanke nahe, anstelle des 25 cm
langen Rechenschiebers einen wesentlich grösseren Stab
zu benutzen. Es ist das Verdienst von Dr. Pröll’s Ingenieur-
Bureau in Dresden, eine Rechentafel geschaffen und in
den Handel gebracht zu haben, welche bei der handlichen
Grösse eines Notizbuches doch einem 1,20 “ langen Rechen-
stabe entspricht und somit eine grosse Genauigkeit hat.
Wer gewohnt ist, mit dem Rechenschieber zu arbeiten,
ist nach Durchsicht der Gebrauchs-Anweisung in wenigen
Minuten imstande, Multipliziren, Dividiren, Potenziren und
Kirche St. Germain verdient noch besonders hervorge-
hoben zu werden. In Amiens wurde die Besichtigung
der Stadt etwas durch schlechtes Wetter gestört, dafür
entschädigte, nach einer köstlichen Mondscheinfahrt durch
eine landschaftlich ausgezeichnete Gegend Frankreichs,
der prächtige Sonnenschein der nächsten Tage in Rouen
(to.— 12. Aug.). Spät Abends hier eintreffend, hatten es
sich die Professoren der Akademie der schönen Künste
de Vesly und Sevin nicht nehmen lassen, uns mit ausge-
zeichneter Aufmerksamkeit zu empfangen; sie führten uns
anderen Tages mit einer Gründlichkeit, Aufopferung und
Unermüdlichkeit durch Rouen, die bewundernswerth war
und höchste Anerkennung verdient. Rouen steckt geradezu
voll von mittelalterlichen, besonders spätgothischen Bauten,
der Justizpalast, das Hotel de Bourgtheroulde mögen be-
sonders erwähnt werden. Von St. Quen, deren Haupt-
Eingang wir unter der vorzüglichen Führung betreten
durften, genossen wir einen unvergesslichen Anblick über
diese herrliche malerische Stadt, über zahlreiche Kirchen
und Thürme hinweg, vorbei an dem Hafen mit seinen
zahlreichen Masten und einer eigenartigen eisernen Brücke,
den gewundenen Lauf der Seine entlang, fernhin bis zu
den bewaldeten Höhen und Hügeln ringsum. Eigenartig
ist der Vierungsthurm der Kathedrale aus Eisen.
Am nächsten Nachmittag unternahmen wir einen Aus-
flug nach dem stillen Bocherville, einem Dörfchen mit
einer stilistisch streng durchgeführten spätromanischen
Kirche St. Georg mit schwerem zweigeschossigem Vierungs-
thurm.
Nachdem wir bereits in Reims und Beauvais und ganz
besonders in Rouen französische Holzarchitektur kennen
gelernt und gezeichnet hatten, wurde im gemüthlichen
Lisieux (13. Aug.) und dem verkehrsreichen, lebhaften
Caen (14. Aug.) nach gründlicher Besichtigung mehrerer
hochinteressanter Kirchen das Studium der vielgestaltigen
Fachwerkarbeiten das Ueberwiegende. Der französische
107
Radiziren (für 2. und 3. Grad) auszuführen. Die Hand-
habung der aus Obenafel und Untertafel bestehenden
Rechentafel ist ebenso einfach, wie die des Rechenschie-
bers, Besonders schön zeigt sich die Bestimmung der
2. und 3. Wurzel: man verbindet 2 Punkte miteinander
und liest in der Mitte bezw. im Drittel dieser Linie das
Ergebniss ab. Diese Pröll’sche Rechentafel wird sich bald
Freunde erwerben. Der Preis von 2 M. ist massig. Die
Rechentafeln sind beim Erfinder Dr. Pröll in Dresden, bei
de-r Verlags-Buchhandlung J. Springer in Berlin sowie
bei Kutscher und Gahr in Augsburg zu haben. —
Augsburg, den 15. Januar 1902. Prof. W. Miller.
Eine deutsch- nationale Kunstgewerbe- Ausstellung in
München für das Jahr 1904 od. 1905 ist durch den Prinz-
Regenten Luitpold angeregt worden und wird — zunächst
noch in engeren Kreisen — sowohl mit Beziehung auf
den Glaspalast wie auch auf die Kohleninsel erörtert. —
Die 38. Hauptversammlung des „Deutschen Vereins für
Thon-, Zement- und Kaikindustrie“ findet vom 26. bis
28. Febr. im Architektenhause zu Berlin bei reicher Tages-
ordnung statt. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Landesausstellungs-Gebäude Berlin. Es
besteht die Absicht, die eingegangenen Entwürfe auf der
Berliner Kunstausstellung in besonderem Raume zu ver-
einigen und sie geschlossen in der bei E. Wasmuth er-
scheinenden „Berliner Architekturwelt“ zu veröffentlichen.
Zu beiden Zwecken mögen die Verfasser ihre Zustimmung
und Namen an den Vorsitzenden der „Vereinigung Ber-
liner Architekten“, Hrn. Geh. Brth. von der Hude,
W., Fasanen-Str. 35, einsenden. —
Wettbewerb General-Regulirungsplan Brünn, Verfasser
des zum Betrage von 1500 Kr. angekauften Entwurfes
„33“ sind die Hrn. Arch. Gust. Knell und Landes-Ing.
Eduard Engelmann in Wien. —
Wettbewerb Rathhaus Hamborn. Der preisgekrönte
Entwurf „Lieselene“ ist eine gemeinsame Arbeit der Hrn.
Gustav Jänicke und Max Franzke in Schöneberg. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Die Mar.-Bfhr. Schmidt u. Göhring
sind zu Mar. - Masch. - Bmstrn. ernannt. Der Mar. - Masch. -Bmstr.
Göhring ist z. i. März nach Danzig versetzt.
Baden. Dem Ing. Caeramerer in Berlin ist eine etatm.
Prof-Stelle an der Baugewerkschule in Karlsruhe übertragen.
Zugetheilt sind die Reg.-Bmstr. : Joachim dem Bahnbauinsp.
in Bruchsal, Schlössinger in Freiburg und Blum in tleidelberg II.
Preussen. Dem Arch. Felix Henry in Breslau ist der kgl.
Kronen-Orden IV. Kl. verliehen,
Holzbau weicht von dem unserigen ab durch seine grössere
Zierlichkeit und die ganz eigenartigen spätgothischen Mo-
tive, sowie auch durch besondere Flächenbildung in Holz.
Am 15. Aug. erreichten wir unser westlichstes Reise-
ziel, den Mont St. Michel. Mit dem Festlande durch einen
1,5km langen Damm verbunden, ist dieser Felsen mit
seinen schweren Rundthürmen auf den Wällen, den freund-
lichen Häusern, den gewaltigen alten Burgbauten und der
das Ganze überragenden Kirche, in vorzüglichem Granit
ausgeführt, mit dem romanischem Schiff, mit dem spät-
gothischen Chor, der Fassade im Jesuitenstil und einem
modernen, mächtigen Vierungsthurm ein geradezu einzig
schöner Ort (s. S. 95) ; besonders reizvoll durch die zweimal
täglich ihn für wenige Stunden umgebenden Wasserwogen,
die sich während der Ebbe bei dem flachen Meerbusen
völlig zurückziehen. Dieser unvergleichliche Anblick der
andrängenden Fluth wird allen unvergesslich bleiben, so-
wohl bei herrlichem Sonnenschein, als auch besonders
im schimmernden Silberlicht des Nachtgestirnes. Auf
schwankem Boote, die Insel zu nächtlicher Fluthzeit um-
fahrend, konnte man träumen, die Burg Montsalvage sei
doch auf Erden.
Die köstlichen Stunden flohen unwiederbringlich dahin
und das unerbittliche Reiseprogramm führte nach Le Mans
(16. Aug). Die Kathedrale von bedeutender Ausdehnung
fesselte in hohem Maasse, in gleicher Weise das Privat-Mu-
seum des Hrn. Singher, in welchem kunstgewerbliche Ein-
zelheiten aus alter Zeit mit grosser Liebe, sorgfältigem Ver-
ständniss und geläutertem Geschmack gesammelt sind und
das uns mit entgegenkommender Bereitwilligkeit zum Ab-
zeichnen geöffnet wurde. Das Innere der Kathedrale zu
Chärtres (17. Aug.) übertrifft an Schönheit der Verhältnisse
und Stimmung der Beleuchtung alles Andere durch die gut
erhaltenen, ausgezeichneten Glasfenster. Dort ist auch
ein Treppenthurm in Holz, nach der Königin Bertha be-
108
Die Reg.-Bfhr. Herrn. Schirmer aus Frankfurt a. M. (Wasser-
bich.), — Heinr. Ibrügger aus Artern (Wasser- u. Strassenbfeh.),
— Erich Möckel aus Zwickau u. Eug. Porath aus Berlin
(Hochbfch.)i — Aug. Ernst aus Hannover n. Gg. Göhner aus
Celle (Eisenbfeh.), — Wilh. C u s 1 0 d i s aus Köln a. Rh. und Emst
ZU Im er aus Berlin (Masch.-Bfeh.) sind zu Reg. -Bmstrn. ernannt.
Sachsen. Die Erlaubniss zur Annahme und zum Tragen der
ihnen verliehenen Orden ist ertheilt und zwar: dem Geh. Brth.
Prof. Dr. Ulbricht, vortr. Rath im Finanz-Minist., des kgl. preuss.
Rothen Adler-Ordens III. Kl. und dem Brth. Thieme-Garniann
in Dresden des Ritterkreuzes I. Kl. des herz, sachsen-ernestin.
Hausordens,
Die Wahl des Geh. Hofraths Prof. Dr, Hempel zum Rektor
der Techn. Hochschule in Dresden für die Zeit vom i. März 1903
bis dahin 1903 ist bestätigt worden.
Die Reg.-Bfhr. Prater in Greiz, Schmidt in Zittau, Lange
in Ehrenfriedersdorf, Lauen stein in Aue und Klein in Döbeln
sind zu Reg. -Bmstrn. bei den Staatseisenb. und Benndorf ist z.
Reg.-Bmstr. bei der Strassen- u. Wasser-Bauinsp. Schwarzenberg
ernannt.
Württemberg. Der Bez.-Baiünsp. May s er in Rottweil ist
nach Ulm versetzt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. A. B. in Koblenz. Ihrer Sachdarstellung ist zu ent-
nehmen , dass Ihr Nachbar auf seinem Grund.stücke mit Ihrem
Wissen und ohne Ihren Widerspruch Fenster in einer Ihrem Grund-
stücke zugewendeten Mauer angebracht hat, die scheinbar bereits-
25 Jahre bestehen. Dagegen lässt Ihre Darstellung unerörtert, ob
die gesetzlichen Voraussetzungen der lojährigen Verjährung voll-
ständig erfüllt sind, was thatsächlicher Natur ist, weshalb es von
uns nicht entschieden werden kann. Genügt die lojährige Ver-
jährung, so hat der Nachbar ein Recht auf Schutz seiner Fenster
erworben und darf deren Verbauen widersprechen. Ist es indes.?
zur IO jährigen Verjährung nicht gekommen, sondern waren nach
den Formen der Rechtsausübung für den Rechtserwerb 30 Jahre
erforderlich, so dürfen Sie noch jetzt dem Fortbestände der Fenster
widersprechen, deren Zumauern im Klagewege fordern oder auf
Ihrem Grundstücke Handlungen ausführen, in deren Verfolge Ihrem
Nachbar Licht und Luft durch die beregten Fenster abgeschnitten
wird. Maassgebend ist für die Frage, ob bereits Verjährung (Er-
sitzung) eingetreten ist, noch immer C. c. Art. 2219 — 2281. Völlig
nebensächlich ist dagegen, dass das jetzt selbständige Grundstück
des Nachbars früher ein Bestandtheü des Ihrigen war, von dem es
seinerzeit abgezweigt ist. — K, H-e.
Hrn. Arch. W. R. in Osnabrück und zahlreichen anderen
Fragestellern müssen wir wiederholt erklären, dass wir im Brief-
kasten nicht Angelegenheiten behandeln können, über welche die
Lehrbücher oder der Anzeigentheil unserer Zeitung Auskunft geben.
Der Briefkasten ist lediglich für Fragen von allgemeinem fach-
lichen Interesse, für deren Beantwortung die gewöhnlichen Wege
versagen, zu benutzen. —
Inhalt: Barockfassadea am Breitenweg in Magdeburg. — Verband
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. — Eine akademische Stu-
dienreise nach Nord-Frankreich (Schluss). — Mittheilungen ans Vereinen. —
Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Personal-Nachrichten. — Brief- und
Fragekasten
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b.H., Berlin. Für die Redakliou
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh Greve, Beilin.
nannt, als das vollendetste Beispiel französischer Holz-
architektur anzusehen. Der Sonntag Nachmittag war einem
Ausflug nach Maintenon gewidmet. An das malerische,
thürmereiche Schloss, umgeben von herrlichen Baum-
gruppen,. die sich in träumerischen Weihern spiegeln,
knüpfen sich geschichtliche Erinnerungen an die geistvolle
Marquise und den selbstsüchtigen Ludwig XIV., nach
dessen Willen in vier Jahren der gewaltige Aquädukt
entstand, der nie vollendet ist. Schloss und Park waren
von einer spätsommerlichen Stimmung umwoben, so be-
haglich schön, dass man sagen möchte, Maintenon könnte
in Deutschland liegen.
Mit gespanntester Erwartung betraten wir den Boden
von Paris (20. bis 26. Aug.). Der ausserordentliche Reiz
dieser - stolzen Weltstadt verfehlte nicht seine Wirkung.
Nach diesen genussreichen Tagen war es schwer, in
Brüssel noch aufnahmefähig für -neue Eindrücke zu sein
(27. Aug.). Indess dieser ernste mittelalterliche Marktplatz,
dessen Harmonie nicht durch ein einziges modernes Bau-
werk gestört wird, dieser merkwürdige Justizpalast, ge-
waltig in seiner Ausdehnung und wuchtig in der Gruppi-
rung, endlich dieses wunderliche Museum Wiertz mit
seinen gemalten Phantasien von Schreckens- und Wahn-
sinn-Scenen, waren doch höchst eigenartig. Mit heimath-
lichem Zauber berührten uns die Backateinhäuser im alter-
thümlichen Brügge (28. Aug.), von wo aus ein fröhlicher
Ausflug nach dem Welibadeorte Ostende führte.
Am 30. Aug. betraten wir wieder Heimathsboden und
besuchten Aachen, leider nur zu flüchtig. In Köln machten
wir vor unserer Trennung noch einmal Station. Am letzten
Abend (31. Aug.) versammelte ein Abschiedsfest alle Reise-
theilnehmer. Es war ein fröhlicher, harmonischer Aus-
klang einer köstlich verlaufenen Studienfahrt.
„Lerne zu leben,
Lebe zu lernen!“ — H.
No. 17.
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DEN I. MÄRZ igo2.
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Entwurf zu einer „Kolonie zur Leibeserziehung“ von Architekt Hermann Werle in Gross-Lichterfelde bei Berlin.
Inneres der Halle für Wa.ssersport,
Die Stuttgarter Stadterweiterung, tscwuss,}
ch komme nun nochmals, und zwar jetzt in
hygienischer Beziehung, auf den Unter-
schied zwischen der offenen und der ge-
schlossenen Bauweise. Die grösste Rolle
spielt dabei die Luftbewegung. Die Einen
halten den Wich für günstig, so das kgl. Medizinal-
Kollegium in einem Gutachten vom Jahre 1871 ; es wird
eben dadurch verdorbene Hofluft mit reinerer Strassen-
luft vermischt und heiss durchglühte Strassenluft aus
dem Blockinneren abgekühlt. Die Anderen tadeln den
durch den Wich hervorgerufenen Luftzug und das
Durchwehen von Strassenstaub in die Höfe. Rettich
will dem Luftaustausch durch den Wich überhaupt
keine Bedeutung beimessen, erklärt jenes Gutachten
als „nicht mehr auf der Höhe der Zeit stehend", und
entwickelt eine Theorie von senkrechter Luftbe-
wegung, Nussbaum erläutert eine solche in Wcllen-
form. Nach meiner Ansicht ist die Luftbewegung in
einer Stadt des Hügellandes eine so verwickelte und
mit der Witterung so wechselnde Erscheinung, dass
sie sich nicht leicht theoretisch verfolgen lässt. Wie
dem auch sei, so muss man jedenfalls zugeben, dass
die beabsichtigten Vortheile von zahlreichen Lücken
sich auch in einem ringsum geschlossenen Block er-
reichen lassen, falls derselbe nur einen reichlichen
freien Raum ohne Hintergebäude (hintere Baulinien)
besitzt. Nussbaum betont mit Recht, dass weiträumige
und offene Bauweise nicht gleichbedeutend seien, und
giebt für weiträumige Anordnung geschlossener Blöcke
mehrere Belege aus Hannover, zu welchen Regeln über
dieAbmessungen desBinnenraumes in den Vorschlägen
des dortigen Architekten- und Ingenieur-Vereins zu fin-
den sind. Das Einbauen von „Wohnhöfen“ scheint mir
jedoch unzweckmässiger als das Einlegen von Zwischen-
strassen. Luftiger als alle diese immerhin schmalen,
ringsum abgeschlossenen Räume und zugleich spar-
samer im Flächenaufwand wären Blöcke mit offenen
Querseiten, sofern an den Hintersciten der Häuser-
reihen erhebliche Vorsprünge und Flügel untersagt
werden; dann kann längs der Hinterseite die gleiche
Längsbewegung der Luft wie an der Strassenseite
stattfinden.’) Oder die sogenannte halboffene Bauweise:
’) Betreffende Bestimmungen in der neuen Bauordnung von
Mannheim ; Centralblatt der Bauvcrwaltung 1901, S, 436,
längere geschlossene Häusergruppen mit' -hrerteii'.
Lücken dazwischen (Skizze bei Knauss). Der Staub-
gefahr, welche bei den letztgenannten Formen allere
dings theilweise wieder auftritt, kann ich keine grosse
Bedeutung zuerkennen, wenn die Strassen ordnungs-
mässig gereinigt und begossen werden, besonders in
äusseren- Strassen ohne- starken Verkehr. Wenn man
nun auf einem dieser Wege naeh der geschlossenen
statt nach der offenen Bauweise baut, so wird man
die Baukosten wie die Strassenkosten für das q*"
Wohnfläche verringern, aber auf eine neiinenswerthe
Ersparniss an Gelände m. E. nicht rechnen dürfen,
denn die ersparte Fläche der Wichstreifen ist im.Ver-
hältniss zum Gesammt-Grundstück an sich nicht be-
trächtlich und muss hinten mehr oder weniger wieder
zugelegt werden, wenn inbezug auf Licht und Luft
Gleichwerthigkeit beider Bauweisen erzielt werden soll.
Zudem bleiben der offenen Bauweise die Vorzüge der
besseren Belichtung der Häuser, wenigstens bei mitt-
leren und grossen Wohnungen.®) —
Aus den bisherigen Erörterungen möchte ein-
leuchten, dass eine nach Breite und Höhe weit-
räumige Bauweise inbezug auf Bauplatz und Ge-
sundheit den Vorzug vor einer Zusammendrängung
besitzt, aber hinsichtlich der Aufbaukosten namentlich
bei kleinen Wohnungen hintenansteht. Der Gegensatz
in der Einwirkung der Bauordnung auf die beiden
Posten! Bauplatz und Baukosten lässt sich zahlen-
mässig Untersuchen, und das thut im einzelnen Falle
jeder Baulustige. 9) Aber die Gesundheit ist nicht
wohl in Geld auszudrücken , deshalb bleibt die ge^
meinsame Berücksichtigung aller Interessen mehr
oder weniger Sache des 'Gefühls. Dem in dem vor-
liegehdenWerke mehrmals wiederkchrenden Satze, die
wirthschaftliche Bedeutung der Bebauungs-Vorschriften
sei die maassgebende, lässt sich der andere gegen-
über stellen: was nutzt eine billige Wohnung-, wenn
8) An dieser Stelle seien auch die Maassregeln zugunsten
kleiner Wohnungen in Frankfurt, Leipzig, München erwähnt,
auf welche Rettich als Vorbilder hinweist. Sie sind nach meiner
Auffassung ein Beweis, dass die dort zugelasseiie Baudichligkeit
den Boden vertheuert hat und nun nicht mehr los zu werden ist.
Uebrigens zeigt Knauss, wie einseitig Rettich den Münchener Vor-
gang für seine Ansicht ausbeutet, und dass jene in den Schwester-
städten zugelasscnen Formen hygienisch immer noch besser sind,
als die Rcttich’schen Vorschläge für Stuttgart. v
Wegen allgemeinerer rechnerischer Beurtheilung sei auf
meinen Aufsatz über „Baukosten und Bodenpreise in der Woh-J
nungsfrage“ im Technischen Gemeindeblatt 1901 S. 225 hingewiesen. •;
'sie, nicht gesund ist?. Die.Erspariiiss an Miethe-Wüfde
leicjit aufgewogen durch den Apfwänd lür -Krankheiten
und durch den Verlust an Arbeitsfähigkeit. .
; Die Bedeutung der Bodenpreise und d^ Baukosten
wechselt mit den örtlichen Umstanden, aber auch -mit
den BevölkerungskläSsen, bezw. den Bauzwecken. Des-
halb sind zum Zweck einer stets zutreffenden Ver-
mit'telufi.g.'die Bauvorschriften sowohl in sozialer, als
in topographischer Hinsicht abzustulen. In sozialer
Beziehung sei erinnert an die bekannten Maassregeln:
geschlossene Bauweise in Geschäftsstrassen, Milderung
gewisser Baubeschränkungen bei Kleinwohnungen,
.ücksicht auf die Geschäftslokale, wenn Wohnräume
nur io den Obergeschossen liegen, besondere Be-
stimmungen für Indüstriebezirkc usw. Dergleichen
Verfahren sind auch in dem vorliegenden Werke
wiederholt besprochen, gegenwärtig aber kaum noch
bestritten und mancherorts schon eingeführt.
Die A.bstufung in topographischer Beziehung
erfolgt. bekanntlich durch eine Zonentheilung, Es
ist zwar neuerdings öfter auf diese Erfindung ge-
scholten worden, weil sie das Bauwesen einer Stadt
zu sehr in ein bestimmtes Schema zwänge und die
architektonische Freiheit hemme. In dem künstle-
rischen Gutachten für Stuttgart und in der Einleitung
von Gauss finden sich derartige, Bemerkungen; selbst-
verständlich ist auch Rettich in seinem Streben zu
weitestgehender Ausnutzung des Bodens gegen Zonen-
theilung. Ich weiss jedoch keinen anderen Weg, auf
dem die öffentlichen Interessen, namentlich die Vor-
schriften über Baudichtigkeit, einfacher und wirth-
schaftlich schonender gewahrt werden können. Aller-
dings dürfen keine allzu schroffen .Uebergänge von
einer Zone zur anderen, keine Vorschriften über allerlei
Nebenpunkte., keine ästhetischen Zwangsmaassregeln
Vorkommen., wie sie. gerade im Stuttgarter Ortsbaü-
statüt zu finden sind. Und södanil sollten innerhalb
jeder Zone die daselbst bestehenden oder berechtigten
sozialen Unterschiede berücksichtigt werden. Vielleicht
richtet sich der den Zonen zutheil gewordene Wider-
wille, infolge oberflächliche-r Beurtheilung, eigentlich
weniger gegen den Grundgedanken, als gegen Aus-
artungen und Mängel bei dessen Anwendung. Ist
der Grundgedanke wirklich zweckmässig durchgeführt,
so gilt für die Architekten die Mahnung: in der Be-
' schränkung^zeigt sich erst der Meister. —
I Hiermit sind wir bereits in den dritten Interessen-
Bestrebüngen zur Pflege des Körperwohlstandes
und deren Einfluss auf die Baukunst.
Von Hermann Werte, Architekt in Gross - Lichterfeide’*).
(Hierzu eine Bildbeilage und die Abbildungen S. 109 u. 112.)
mn der Gegenwart sind zwei bedeutende Gedanken-
strömungen in der Fluth der Erscheinungen erkenn-
bar, die allseitig werbend um sich greifen und die
— ist ihnen ein starkes freies Durchdringen beschieden
mit weitgreifendem Wellenschlag der menschlichen Ge-
sellschaft mannigfache befreiende Wohlthaten Zufuhren
werden. Die eine Strömung will dem Menschen als Wehr
gegen die Erschöpfungen im Berufsleben die Pflege des
Körperwohlstandes heranbilden, die zweite unserer
Zeit eine ihr eigene Kunst gewinnen, die ein Bedürfniss
des gesummten Volkes erfüllt und keine Luxuskunst ist.
Eine rege Wechselbeziehung hält diese scheinbar ge-
trennten Bestrebungen zu einer Einheit zusammen; denn
ist die Pflege des Körperwohlstandes ein Bedürfniss des
Volkes geworden, so ist dieses auch mehr zu Kunstge-
schmack gekommen, weil die gesteigerte Aufmerksamkeit
auf die Wohlgestalt des Körpers, auf den gesunden reinen
*) Anmerkung der Redaktion. Wir geben die nacbstehendeii
Ausführungen als Begleittext zu dem schönen Entwürfe des Verfassers
wieder, ohne uns den leidenschaftlichen Erwartungen lür eine baldige
Verwirklichung aiischliessen zu können, welche er von seinen im übrigen
selu: beachtenswerthen Anregungen hegt. Wir geben sie wieder, well wil-
der Meinung sind, dass grosse Dinge zunächst nicht ohne einen kräftigen
Ueberschuss an temperamentvoller Hoffnung angebahot werden können
und wir immerhin die W ahrscheiolichkeit nicht für ausgeschlossen halten, dass
ähnlich, wie e.s bei der modernen Heilstätten -Bewegung der Fall ist, es
möglich sein dürfte, auch für Unternehmungen, welche zunächst mehr
idealer und vorbeugender Natur sind, grössere Mittel flüssig zu machen.
Im übrigen entsprechen wir gerne einem Wunsche des Verfassers
und stellen fest, dass seine Anregungen zeitlich den Nachrichten voraus-
gehen, welche Anfangs Februar über eine von ähnlichen Gesichtspunkten
ausgehende „‘■'portsladt“ bei Paris verbreitet wurden. —
1 JO
Bau das Empfinden für das Schöne mehr heranbilden
wird. Die 'Forderung, dass die Pflege des Körpers uns
den Schutz des gesunden Körpers zur Pflicht macht,
ist um so mehr zu beachten, als das industrielle Leben
sich mehr und mehr von natürlich einfachen Lebens-Be-
dingungen entfernt' und eine , einseitige Bethätigung der
Körperkräfte begünstigt. Die Erfüllung dieser Forderung
ist in einer Einrichtung zu treffen, die dem Körper eine
Werthschätzung bereitet, wie sie heute vorwiegend dem
Geiste gewährt wird.' Bis heute befinden sich ent-
‘sprechende Einrichtungenhoch hinter dem Anfangsstadium.
Der körperliche Wohlstand, die behende Rüstigkeit wer-
den heute nicht in dem Sinne gepflegt,, das^ sie eine, nöth-
wendige Eigenschaft des Gebildeten,' den vor-
nehmsten Nationalbesitz darstellen können. Und was
wollen alle Bestrebungen sagen, wenn sie 'nicht immer
dem Menschen als Ganzes zugute kommen? - • -
Unsere Zeit giebt dem in das geschäftliche Alltagsleben
eingereihten Menschen, wenn ihm sonst alle. Vorbedin-
gungen dieser Möglichkeit Wohlwollen, kurze Ferienwochen
während der heissesten Sommertage als", einzige allge-
mein geübte Maassregel zur Erfüllung der Forderungen
des Körperwohlstandes. Eine niächtige, nach Lebens-
frische hungernde^Schaar verlässt dann die Arbeitsstätte
und schwärmt, nach vielen Tausenden zählend, in die
bunte, freudige Natur, den empfindlich gewordenen Körper
den mannigfachsteniWitterungsVerhältnissen überlassend.
In Bade- und Luftkurorten wird, wenn nicht Krankheiten
zu. beseitigen sind, allgemein .ein Ruheleben gepflegt. Auf
Reisen; oder Wanderungen scheut, die lErholungsfreude
nicht Uebertreibungen und Anstrengungen ; die Wohlt'häten
des Ferienaufenthaltes . versieg'eh aber bald nach der
Wiederkehr in die Gewohnheiten des Berufslebens. Der
Gewinn für den Wohlstand des Körpers ist daher gering.
Betrübend ist darum auch der hohe Prozentsatz von
No. j8.
kreis eingeti'eteOj welcher sich in dem vorliegenden
Sammelwerk darbietet, nämlich die Aesthetik. Diese
hat ganz besonders die Gemüther in Stuttgart be-
schäftigt, indem in der herrlichen Lage der Stadt eine
Freude für die ganze Bevölkerung und eine Anziehungs-
kraft auf Frem.de, also sowohl ein ideales, als ein
wirthschaftliches Moment liegt. Natürlich kann das
künftige Städtebild nicht Landschaftsbild bleiben, aber
man wünscht allerseits mit' Recht ein Zusammenwirken
von architektonischen und landschaftlichen Zügen.
Daraus entstand der Vorwurf gegen Rettich, nach
seinem Vorschlag werde ein mehrfach steinerner Gürtel
gebildet und die Natur ganz ausgeschlossen. Indessen
cs ist diese Besorgniss deshalb übertrieben, weil Rettich
die geschlossenen Häuserreihen überall dort unter-
brechen und unter Umständen ein Bauverbot zugeben
will, wo sich grosse bauliche Schwierigkeiten wegen
starker Neigung des Geländes finden. ‘ Dies ist auf der
Südostseite, der Stadt mehrfach der Fall, auf der Nord-
westseite nur an einer Stelle, dem Kriegsberg, und
es entspricht dies insofern den gegebenen Verhält-
nissen, als man -wünschen muss, gegen Südost den
Blick auf die bewaldeten Höhen offen zu halten, wäh-
rend auf der Höhe nach, Nordwesten der Wald fehlt.
So. würden nach Rettichs Absicht auf den beiden
Tlialseiten zwei Gegenbilder entstehen, ein mehr archi-
tektonisches und , ein mehr landschaftliches. Dieser
Meinung tritt die Künstler-Kommission bei. Sie fügt
aber noch als eine weitere Begründung hinzu, dass
durch den Wich bei 3- und 4-geschosrigen Bauten
ein unschöner und unruhiger Eindruck hervorgerufen,
und derselbe bei etwaiger Vergrösserung des Wichs
von 3 auf 5 oder 6*^ noch bedeutend verschlechtert
werde. Also alle die vielen Strassen in den Aussen-
bezirken deutscher Städte, in welchen die. offene Bau-
weise, zumeist gerade mit 6™ Wich, durchgeführt ist,
werden plötzlich, „vom künstlerischen Standpunkt“
verworfen! Ueber den Geschmack ist nicht zu streiten;
ich möchte aber doch, ■ sicherlich mit vielen küiistle-i
rischen und mit vielen naiven Menschen, die entgegen-
gesetzte Meinung' aussprechen, ..dass bei. passender
Wahl und Behandlung des .Wichs .und. bei gleichem
Grade architektonischer' Durchbildung; eine. . unter-
brocheneHäuserreibe reizvoller ist, als eine fortlaufende,
besonders auf ansteigendem Gelände, wo eine eigen-
artige Gestaltung der Häuser und. ihre Durchsetzung mit
etlichen grünen Lücken erst . recht erfreulich wirken
möchte. Im Sinne Rettichs' wird freilich dagegen can
sparsame Verwendung des Baugeländes gemahnt wer-
den; allein Stuttgart ‘dürfte es sich schon etwas kosten
lassen, um die an verschiedenen Stellen schon vorhan-
dene anmuthige Vereinigung von Bauwesen und Pflan-
zenwelt in der Stadterweiterung reichlich zu ' wieder-
holen. Zudem fällt der Grund, dass die geschlossene
Bauweise weniger Baukosten verursacht und sich des-
halb besonders für billige Wohnungen eignet, auf den
meisten Bergabhängen weg, weil die kostspielige Grün-
dung und die schöne Lage (hoher Bodenwerth) Klein-
wohnungen hier ohnedies ausschliessen.
Die Villenbezirke in der äusseren Zone will Rettich
für lo^lo der Bevölkerung Vorbehalten (s. o.). In^
dessen weist Nussbaum darauf hin, dass das Ver-
hältniss der Flächen ein anderes sein müsse, als das-
jenige der Personen, weil der Wohlhabende für
Haus und. Umgebung mehr Raum beansprucht. ” Er
nimmt deshalb zu diesem Zweck 25 — 30 ^lo des Stadt-
erweiterungs-Gebietes an, wobei es angesichts der zu
hoffenden Eingemeindung von Cannstatt auf eine ängst-
liche Erwägung nicht ankomme, sondern alle jene
Geländeabschnitte für Landhausviertel erklärt werden
dürften, deren andersartige Bebauung schwierig, oder
deren landschaftliche Lage für das Stadtbild bedeu-
tungsvoll sei. Dies entspricht im Wesentlichen dem
Kölle’schen Entwurf, insbesondere trifft der genannte
Bruchtheil fast genau zu — wozu also der Lärm?
Im Weiteren hat sich die Künstler-Kommission
hauptsächlich mit Gegenständen befasst, durch welche
eine Mannichfaltigkeit der Bebauung, namentlich
an den Panoramastrassen, erstrebt werden soll. Sie
bezeichnet als solche Gegenstände die Strassenbreiten,
die Vorgärten und Hauseingänge, unter Zugabe eines
ansprechenden Bildes für letztere. Ferner spricht sie
sich bei der offenen Bauweise für häufigen Wechsel
im Maass des Wichs und für jeweilige Unterbrechung
mit längeren gesclilosseneii Gruppen aus und belegt
auch diesen Rath mit Abbildungen. Ihre „Studien“
zeigen die Ueberbauung des Kriegsberges in zwei
Gegenbildern (s. Seite 89), einmal mit gleichföi'miger
Reihe der Häuser und sodann mit den Motiven von
Wechsel und Unterbrechung, und beweisen dadurch
klar den Werth der letzteren. Es scheint mir nur
nicht richtig, dem schlichteren Bilde den Namen
Kölle’s bcizulegen, indem derselbe zwar einige be-
sondere Rathschläge ertheilt hat, imganzen aber der
Menschen mit minderwerthiger Körperb.es.chaffenheit, „die
sich 'durch Missverhältnisse, schlechte Haltung, müde Be-
wegung, oder körperliche Ohnmacht kennzeichnet und
dem Auge .eine so schlechte Schule „zur Hebung des Ge-
schmackes ^bereitet.
■ Der Erfüllung der Naturforderungen will eine- zahl-
lose Reihe privater Vereinigungen dienen, die in. d.en
Stunden, welche die Tagespflichten übrig lassen, irgend
eine sportliche Fertigkeit .oder ein Spiel üben. Der prak-
tische “Werth dieser Unternehmungen wird aber vielfach
beeinträchtigt, weil hier oft gerade die dem Körper schäd-
lichen Uebertreibungen geschult werden und zudem die
Einseitigkeit, der Uebungen eine, einseitige Entwicklung
begünstigt.' -Die Aufgabe nach turnerischer Leibesfrische,
die. allezeit Herr der Gliedmaassen sein' will, liegt nicht in
ihrem Programm. Das Prinzip der Körperwohlstands-
Forderungen, die Schulung und Pflege der gesunden
Muskelkräfte mit dem Ziele des rein erhaltenen Organis-
mus ist ihnen vielfach unbekannt.. Und doch danken wieder
Schöpferhänd einen' freien, offeneu Sinn für die .einzige
Schönheit der menschlichen Gestalt, die wir uns erhalten
und pflegen sollten.
Wie schaffen wir uns nun aber die Erfüllung der be-
regten Forderungen? Werden es staatliche Anregung
oder private Unternehmungen sein, die uns ein Walhall
für Leibesschulung bereiten, ein rationelles Programm .zur
Erlangung einer dauerhaften. Kriegsrüstigkeit des Mannes,
gesunderMütter undschöner.elastiseherRassegeschlechter?
Kleine,' unsch.einhare Anfänge sind freilich, nicht, angethan,
den Bedürfnissen zu genügen.- Von künstlerischem Geist
getragene,- weite Gelände- und Bauanlagen; die ein reges,
ähspdrnerides und vielseitiges Leben aufzunehmen und zu
entwickeln vermögen, sind nothwendig, wo sich im Sinne
eines Badeortes dem Besuchendenein längerer oder
kürzerer Ferien-Aufenthalt ermöglicht, wo grossen
i: März 1902.
Spiel- und Festaufführungen der geeignete Raum geboten
wird. Auf einem grossen, mit parkartiger Umgebung ver-
sehenen Gelände, in Verbindung mit ausgedehnten Wasser-
flächen und durchschnitten von einzelnen belebenden
Wasseradern, müssen sich die zahlreichen Gebäude er-
heben, die den vielgestaltigen Bewegungs-Uebungen, den
Schaustellungen und Lehranstalten, denW ohnhäusern dienen
sollen und die den Forderungen beider Geschlechter genü-
gen (s.S. 112). Zu j eglich er Jahreszeit ist der Besuch zu
ermöglichen; für den Sommer und den Winter sind für die
Uebungen nur verschiedene Bewegungsfelder zu bereiten.
Darin liegt für ein solches Unternehmen die Basis zu
starkem Besuch, dass die Gäste für eine oder mehrere
Wochen, auch in verschiedenen Jahreszeiten wie-
derholt Aufenthalt nehmen , können. Steht das Institut
unter staatlichem Einfluss, so könnte für Studirende und
reifere Schüler oder andere Begünstigte aus dem Reiche
eine.Ferien-Kolonie eingerichtet werden, die im besten
Sinne für die Entwicklung der Strömung wirken würde.
Auch der einfache Tagesbesuch aus der nahen Grosstadt
würde ein zahlreiches Heer von Besuchern und den
Fremdenstrom anziehen.
Durch festliche Veranstaltungen sportlicher Art oder .
von nationaler Bedeutung, durch grosse Kongresse, die
sich in monumentaler Repräsentation entfalten sollen, kön-
nen dort vieltausendköpfige Versammlungen zusammen-
gezogen wer den. Durch Vermiethung der "Restaurationen,
der' Hotels, der Römischen Bäder, der Ruder- und Segel-
häuser, der Theater und Hörsäle, der Ausstellongs- und
Verkaufsläden, der Pferdeställe us w. kann dem Unternehmen
ein hoher Ertrag in Aussicht gestellt werden. Man dürfte
wohl eine Besuchsziffer dafür annehmen, wie sie z. B. der
Zoologische Garten in Berlin aufweist. So wäre eine Ver-
zinsung vieler Millionen gegeben, die eine grossartige künst-
lerische Gesammtentfaltung zulassen. — (Schluss folg-t)
T 1 1
Gemeinde nach wie vor die Einzelbestimmungen über
die Bebauungsweise von Strasse zu Strasse Vorbe-
halten wollte, wobei dann natürlich verschiedenartige
Abstände und grÖssercBaugruppenPlatz finden können.
Dabei kommen auch die Dachformen infrage, welche
bisher vielfach verkrüppelt wurden, weil es üblich w'ar,
die Gebäudehöhe an neueren Strassen bis zum First
vorzuschreiben, und der Baulustige diese Höhe mög-
lichst auszunutzen suchte. Statt dessen wird mit Recht
die freie Ausgestaltung der Dächer gewünscht, unter
Festsetzung der Traufhöhe nach Ortsbaustatut.
Ferner empfiehlt die Kommission die Besetzung
etlicher Hochpunkte mit bedeutenden Bauwerken.
Ausser der Bekrönung des Kriegsberges, welche aus
dem Bilde Seite 89 zu ersehen, ist es diejenige des
Reinsburghügels, welche einen neuen beachtens-
werthen Vorschlag für die Lösung einer in Stuttgart
vielbesprochenen Frage enthält. Das Wesentliche er-
hellt aus den Seite loi gegebenen Ausschnitten der
betr. „Studienblätter“ des Sammelwerkes.
Welchen Zwecken sollen aber dergleichen gross-
artige Bauwerke dienen? Nach den Abmessungen
Entwurf zu einer „Kolonie zur Leibeserziehung“
von Architekt Herrn. Werle in Gross-Lichterfelde bei Berlin.
und nach dem ästhetischen Zwange zu schliessen, kann
man wohl nur an öffentliche Gebäude denken. Was
die Wirkung im Stadtbild betrifft, so würde dieselbe
unstreitig eine imponirende sein, aber so lange das
Bauwerk auf einem Hochpunkte, der Kosten wegen,
noch auf sich warten lässt, könnte immerhin durch
Erdarbeiten und hochragende Bäume eine grüne Insel
über dem Häusermeer und dadurch ein mehr freund-
licher Eindruck geschaffen w^erden, wie es im Ent-
wurf an etlichen Stellen beabsichtigt ist. Nachahmens-
werth ist das Verfahren, die ästhetische Wirkung künf-
tiger Stadttheile durch Bildstudien voraus zu prüfen.
Noch besser wäre u. Umst. der Weg des Modelles
1®) Ein Relief-Modell des gesammten Strassenpianes im Maass-
stab I :a5oo, Höhen doppelt so gross, war erstmals bei der Ver-
sammlung des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege
in Stuttgart 1895 zu sehen.
oder gar, wie Rettich vorschlägt, die Aufstellung von
Brettergerüsten. —
In einem Schlussabschnitt des Sammelwerkes hat
Dr. Rettich nach den vorliegenden Gutachten die Haupt-
Gesichtspunkte zur Stadterweiterung zusammengestellt.
Gewiss ist die ausgesprochene Absicht, auf diese Art
den bürgerlichen Kollegien die Mühe der Vertiefung
in die grosse Menge des Stoffes zu erleichtern, aner-
kennenswerth, allein die zu diesem Zweck erforderliche
Unpartheilichkeit hat der Verfasser nicht gewahrt. Es
ist, juristisch gesprochen, kein Resume, sondern eine
Replik. In zwei wichtigen Punkten hat jedoch Rettich
seine früheren Anschauungen gemildert. Der eine
besteht in einer beschränkten Zulassung der offenen
Bauweise, welche nur in Geschäftsstrassen, an freien
Plätzen und bei kleinen Wohnungen ausgeschlossen
werden soll.^^) Um diese seine Wandlung zu erklären,
hält Rettich zwar seine bisherigen grundsätzlichen
Bedenken gegen den Wich aufrecht, aber er findet
einen neuen, einen „ethischen“ Grund für den-
selben heraus, nämlich die Gewohnheit, Wo ge-
wisse Formen an Häusern, Grundrissen, Zimmern,
ja selbst am Hausrath typisch geworden seien, da
solle man deren Beibehaltung auch denjenigen Ein-
wohnern ermöglichen, welche in das Stadterweiterungs-
Gebiet ziehen wollen. Gewiss ein merkwürdiger Be-
weggrund! In den Gutachten ist nirgends davon die
Rede. Uns will bedünken, dass Rettich hauptsächlich
durch die öffentliche Meinung veranlasst worden
ist, welche sich fast durchweg ungemein lebhaft für
die Beibehaltung des Wichs bei Wohnhäusern ausge-
sprochen hat. Hier etwas Nachgiebigkeit zu zeigen,
ist gewiss bei einem Gemeinderath ganz verständig,
ob man die Erwägung nun ethisch oder ästhetisch
nennen mag.
Die zweite überraschende Abweichung von seinem
ersten Standpunkt bekundet Rettich durch die Aner-
kennung des Lichtwinkels von 45'^. Dieser solle
im Stadterweiterungs-Gebiet an sämmtlichen Strassen
dem untersten Stockwerk, in den Höfen jedem Wohn-
raum in Vorder- und Hintergebäuden gesichert wer-
den. Ob diese Einsicht etwa den Gutachten oder der
vielfachen Bekämpfung Rettichs in der Presse zu
verdanken ist, kann uns gleichgiltig sein. Merkwürdig
ist aber, dass gerade dieses Gesetz, eines der wich-
tigsten in der Bauhygiene, bei den Anträgen an die
Gemeinde-Kollegien fehlt. Vermuthlich hat man bei
der Vorbereitung dieser Anträge eine so einschnei-
dende Aenderung am Stuttgarter Ortsbaustatut fallen
gelassen, weil die Vertreter des Grundbesitzes Wider-
stand leisteten oder doch erwarten Hessen. Mit der-
gleichen Schwierigkeiten ist es in Stuttgart ebenso
wie anderwärts bestellt, was erst vor einigen Jahren
eine ganz gelinde Nachprüfung des Ortsbaustatutes ge-
zeigt hat.
Abgesehen von dem eben erörterten Punkt stim-
men die Schlussanträge in dem Sammelwerk genau
mit dem am 17. Oktober v. J. in den Gemeinde-Kolle-
gien vorgelegten und beschlossenen Sätzen überein.
Ihr Worüaut ist in meinem Artikel S. 555 der Dtsch.
Bztg. von 1901 zu finden, und erlaube ich mir auch
auf die daselbst angehängte Kritik zu verweisen. Erst
wenn jene dehnbaren Sätze durch Bestimmungen für
die einzelnen Strassen und Bezirke eine befriedigende
Tendenz deutlich erkennen lassen und durch ent-
schiedene baupolizeiliche Vorschriften im Sinne der
Weiträumigkeit ergänzt sind, kann uns die Stuttgarter
Rathhaus-Baupolitik für die Stadterweiterung heilsam
erscheinen. ^ R. Baumeister.
Ebenso bei Gauss in der Einleitung unter besonderer Rück-
sicht auf Einfamilienhäuser.
Artikel in Fachzeitschriften: Vierteljahrschrift f. öff. Ge-
sundheitspflege rgoo, S. 537. Technisches Genieindeblatt 1900/1901,
S. 81. Deutsche Bauzeitung igooj S. 10, 163, 198, 278, 366.
Als einziger Anhänger Rettichs ist erst neuerdings Henrici
a. a. O. aufgetreten, welcher sich von dessen Vorschlägen eine
Förderung der Kunst verspricht, aber m. E. die anderen Grund-
lagen des Städtebaues: Verkehrswesen, Hygiene, Bauordnung allzu
gering schätzt. —
112
No., i8.
Elektrische Schnell- und Vollbahnen mit hochgespanntem Drehstrom als Antrieb.
(Fortsetzung,)
he die Versuche auf der Lichterfelder Strecke zum Ab-
schluss gekomtnen waren, wurde — am lo. Okt. 1899
— die „Studiengesellschaft für elektrische
Schnellbahnen“ gegründet, zu dem Zwecke, den Bau
von elektrischen Bahnen, welche dem Schnellverkehr auf
grössere Entfernung dienen sollen, durch Bearbeitung der
einschlägigen Fragen, insbesondere auch durch Anstellung
praktischer Versuche, vorzubereiten. Das Nähere über
diese Gründung, die betheiligten Firmen und die Aufgaben,
welche zu lösen waren, siehe in der Dtschn. Bztg. 1899 S. 523.
Die erste Aufgabe der Gesellschaft war die Schaffung
und Ausrüstung von Betriebsmitteln. Diese Aufgabe fiel
den entsprechenden an der Gründung betheiligten Firmen
zu, nämlich van der Zypen & Charlier für den Wagen-
bau, Siemens & Halsk'e und der Allg. Elektricitäts-
3. Der zur Verfügung stehende Dreiphasenstrom wird
der Zentrale Oberspree der Berliner Elektrizitätswerke
entnommen und hat eine Spannung von 12000 Volt bei
einer Periodenzahl von 50 in i Sek.
4. Die zu erstrebende grösste Fahrgeschwindigkeit
soll 250 km betragen.
Die Speiseleitung wurde von der Allgem. Elektricitäts-
Gesellsch^t, die Arbeitsleitung von Siemens & Halske nach
dem Muster der Lichterfelder Versuchsstrecke als eine drei-
fache Leitung von je 100 qmm Querschnitt hergestellt, wäh-
rend jede Firma für sich einen nach ihrer Angabe von
van der Zypen & Charlier erbauten Triebwagen ausrüstete.
Die beiden Wagend) wurden an sich im wesentlichen
gleich liergestellt. Die elektrische Einrichtung stimmt nur
insofern überein, als sie durch das Programm und die
Abbild^. 7. "Wagen von Siemens Sc Halske.
A. Transformator.
B. Luft- und Kabel-
schacht.
C. Umschalter.
D. Widerstände.
E. Kühlschlange für
die Widerstände,
F. Luftpumpe.
G. Motoren.
H. Akkumulatoren.
Gesellschaft für die elektrische Ausrüstung, Bei der
Aufstellung des Programmes wurden die Erfahrungen der
Firma Siemens & Halske auf der Lichterfelder Strecke
benutzt. Für die Vornahme der Fahrversuche stellte die
Direktion der kgi. Militär-Eisenbahn ihre Bahnstrecke
zur Verfügung. Die Aufgabe, welche den ausführenden
Firmen gestellt wurde, lautete in den wesentlichen Punkten
etwa folgendermaassen:
1. Die Fahrstrecke, Abbildg. 3, erstreckt sich von
Marienfelde bis Zossen auf eine Länge von 23 km^ mit
einem kleinsten Krümmungshalbmesser von20oo“und einer
grössten Steigung von i : 200. In den Zwischen-Stationen
Mahlow und Rangsdorf ist an das geradlinig durchgeführte
Hauptgleis je ein Seitengleis mit 2 Weichen angeschlossen.
2. Die mit 2 dreiachsigen Drehgestellen versehenen
Wagen sollen höchstens 16 ^ Achsdruck erhalten und etwa
50 Fahrgästen Raum gewähren.
daraus folgende Bauart derWagen bedingt'war; im übrigen
sind die von beiden Firmen gewählten Anordnungen mög-
lichst verschieden ausgebildet, offenbar um ein recht reich-
haltiges Studienmaterial zu gewinnen.
Die Wagen (vergl. Abbildg. 4 in No. 16) ähneln D-Zug-
wagen, mit Endeingängen in den Längswänden; ausserhalb
der Endeingänge befinden sichdieFührerstände. DieKasten-
länge des von Siemens & Halske ausgerüsteten Wagens
beträgt 21 des von der Allg. Elektr.-Ges. ausgerüsteten
22“. Die Oberkante Wagenfussboden Hegt 1415““ über
Schienenoberkante, die Breiten- und Höhenmaasse bleiben
innerhalb der Umgrenzungslinie für Hauptbahn-Betriebs-
mittel. Die Drehgestelle haben einen Achsstand von 2 mal
5) Vergl. die ausführlichen Beschreibungen der Wagen in der „Elekti'o-
technischen Zeitschrift“ igoi Heft 34 ff. (Wagen von Siemens & Halske)
und der „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“ 1001 Heft 36 u. 37
(Wagen der A. E.-G.).
I. März T902.
113
OberSc^wneweiäh--
[goü und einen Raddurchmesser von 1200 Der
Rahmen des Drehgestelles ist gegen die Achse doppelt,
mittels Blatt- und Spiralfedern abgefedert. Der Drehzapfen
des, Wagenkastens ruht starr auf dem Rahmen, von der
sonst üblichen Querschwinge oder Wiege ist also abge-
sehen, um den für die Motoren verfügbaren Raum nicht
zu beschränken- Es- ergab sich aus dem Abstande der
Drehgestelle, dass eine Zahnradübertragung zwischen
Motor und Achse ausgeschlossen war und nur ein un-
mittelbarer Antrieb infrage kommen konnte; dass trotz der
grossen zu übertragenden Kräfte und Geschwindigkeiten
eine Zahnradübertragung an sich möglich gewesen wäre,
wurde von S. & H. durch Versuch erwiesen. Da der Raum
über der Mittelachse durch den Drehzapfen in Anspruch
genommen war, konnten nur 2 Motoren an jedem Dreh-
gestell angebracht werden. Die nothwendigen Spannungs-
wandler mussten nach dem Programm am Fahrzeug ange-
bracht werden und wur-
den unter den Wagen-
kasten gelegt.
Für den Kraftbedarf
bei so hoher Geschwin-
digkeit lagen Angaben
nicht vor. Der Haupt-
theil musste auf den
Luftwiderstand entfallen.
Durch Messungen von
S. & H. mit umlaufen-
den Versuchskörpern
wurde unter der An-
nahme eines an den
Ecken abgestumpften
Wagengrundrisses der
Luftdruck für iq“ Quer-
schnittsfläche bei einer
Geschwindigkeit von
200 't“' in der Stunde,
oder 56“- in der Sek.,
zuppi^g festgestellt; bei
loqni Querschnittsfläche
und einem Grundwider-
stand von 4,5 ergab
sich für ein Wagenge-
wicht von 6 X 16 = 96 t
ein Kraftbedarf von
rd. 1000 P. S. im Be-
harrungszustande. I-Iier-
nach musste jeder der 4
Motoren für eine Dauer-
leistung von 250 P. S.
bestimmt werden; beim
Anfahren ergab sich
unter Zugrundelegung
Abbüdg. 3. Lageplan der Versuchs-
strecke Marienfelde — Zossen.
einer Beschleunigung von 0,4 in 1 Sekunde eine Leistung
von 750 P. S. für den Motor.
Die Motoren sind sechspolig. Die. Regelung der Ge-
schwindigkeit erfolgt durch Einschalten von Widerständen
in den Ankerstrorakreis. Der Motor der A. E.-^G. hat ein
Gewicht von 3,2 der Ständer bildet das Feld, der Läufer
den Anker. Die Feldspannung beträgt 435 Volt, die
grösste Spannung im Anker 325 Volt. Der Anker ist
zweiphasig gewickelt; er besitzt 4 Schleifringe, welche
zur Abnahme der Regelungsströme dienen. Der Motor
hat kein umschliessendes Gehäuse, .sodass die Luft un-
mittelbar die Aussen.seite der Bleche des Feldes trifft und
diese abktihlt. Der Läufer mit den Schleifringen ist durch
ein Gehäuse abgeschlossen. Die Achse des Motors ist
hohl und unischliesst die Radachse mit einem allseitigen
Spielraum von 30
Der Motor überträgt die Drehung auf die Triebräder
durch eine elastische Kuppelung in der Form eines Feder-
sternes, Abbildg. 5. Die Enden der Federn greifen an
Gleilbacken an, welche an einem der beiden Räder be-
festigt sind; die Verbindung gestattet das senkrechte Spiel
des Motors gegen die Achse infolge seiner federnden Auf-
lagerung. Eine ähnliche Antriebsverbindung wurde be-
reits von der General Electric Co. bei den Lokomotiven
der Baltimore & Ohiobahn angewendet.
Der Motor von S. & H. hat ein Gewicht von 4 k Man
hat hier den Läufer zum
. • . Feld und den Ständer
, zum Anker gemacht. Der
_ Läufer erhält den Strom
' ’ . von 1150— 1850 Volt Span-
ier nung durch 3 Schleifringe.
Die Spannung im Anker
■i schwankt zwischen 500
N|| )j| 'Ibis 1000 Volt. 3) Das Mo-
‘ torgehäuse aus dünnem
-rr^ Stahlblech schliesst sich
\: / ,// dicht an die Aussenseite
w frmii der Bleche an, um eine
' ' gewisse Kühlung zu er-
^ zielen. Der Motor ruht
- unabgefedert auf der
Abbildg. 5. Feder-stern-Auppelung Achse. Von der federn-
des Motors mit dem Triebrad. den Aufhängung befürch-
tete man störende Be-
wegungen durch eine mögliche Verschiebung zwischen
Motorachse und Radaebse bei der grossen Geschwindigkeit.
Die Lager der Läufer beider Motoren laufen in Oel.
Die Spannungs wandler, welche, s. o., unter dem Wagen-
kasten liegen, haben 3 neben einander liegende Kerne. Den
„Ständer“ und „Läufer“ wurden als Verdeutschung der Bezeich-
nung „Stator“ und „Rotor“ vorgeschlagen.
3) Die grösste Spannung im Anker tritt bei Stillstand ein.
Zum 70. Geburtstage von Job. Ludwig Franzius.
Is Franzius vor 2 Jahren auf eine 25jährige rastlose
und fruchtbringende Thätigkeit im Dienste der freien
Stadt Bremen zurückblicken konnte, eine Thätigkeit,
deren Bedeutung für dieses Gemeinwesen wohl am klar-
sten durch die allgemeine Theilnahme der Bevölkerung
an dem Ehrentage ihres Ober-Baudirektors zum Ausdruck
kam, knüpften wir an die kurzen Worte, die wir dem Ge-
feierten damals widmeten*), den Wunsch, dass es ihm
noch manches Jahr vergönnt sein möge, seines Amtes zu
walten und dass es ihm ferner gelingen möge, auch den
letzten Theil seines Lebenswerkes, den Anschluss Bremens
an das Binnenland durch die Kanaüsirung der oberen
Weser, zu einem glücklichen Ende zu führen.
Der erste Theil unseres Wunsches ist bisher in Er-
füllung, gegangen, denn in völliger körperlicher und geisti-
ger Frische steht Franzius auch heute, an dem Tage
seines 70. Geburtstages, seinem Amte vor. Der zweite
Theil hat sich leider nicht verwirklicht, denn mit dem
Falle der Kanalvorlage im preuss. Abgeordneten-Hause
ist auch die Kanalisirung der Oberweser auf unbestimmte
Zeit hinausgeschoben. Das wird vielleicht ein Tropfen
Wermuth in dem Freudenbecher dieses Tages sein, an
dem Stadt und Fachgenossen dem Meister der Wasser-
baukunst aufs Neue huldigen. Aber selbst dann, wenn
er es einem Anderen überlassen müsste, diesen letzten
Schlusstein einzufügen, so kann das der Bedeutung seiner
Leistungen für Bremen, für die Wissenschaft- und für die
Hebung des Ansehens deutscher Wasserbaukunst nichts
mehr .rauben. Wir können es uns daher nicht versagen,
zu diesem Tage, selbst auf die Gefahr hin, uns wieder-
*) Dtsche. Bztg. 1900 S. 178.
holen zu müssen und Allbekanntes mitzutheilen, ein flüch-
tiges Lebensbild des Gefeierten zu entwerfen. — .,
Franzius wurde am i. März 1832 in dem ostfriesiseheh
Städtchen Wittmund geboren. Seine Schulbildung erhielt
er auf dem Gymnasium in Aurich, nach dessen Absol-
virung er im Herbst 1848 die polytechnische Schule in
Hannover bezog. Dort legte er im März 1853 die t. Staats-
prüfung für den Wasserbau ab und trat dann in die Praxis
ein, zunächst in Harburg, später in Stade und in Neuhaus
a. d. Oste. Ende 1858 bestand er die 2. Staatsprüfung
und wurde sofort als Hilfsarbeiter in die Generaldirektion
des Wasserbaues in Hannover berufen. Dann wurden
ihm wieder praktische Aufgaben an der unteren Ems zu-
gewiesen, namentlich der Bau der Schleuse und des Kanals
von Papenburg. Dort wurde er auch im Herbst 1864 zum
Wasserbauinspektor ernannt, als welcher er kurze Zeit die
Wasser-Bauinspektion Osnabrück verwaltete, um hierauf
wieder in die Generaldirektion zurückzutreten. Die Anglie-
derung von Hannover anPreussen nach dem Kriege von 1866
brachte auch für Franzius eine -wichtige Aen'derung mit sich.
Seine Tüchtigkeit auf wissenschaftlichem und praktischem
Gebiet zog bald die Aufmerksamkeit des Ministers auf ihn und
im Frühjahr 1867 wurde er als Hilfsarbeiter' in dielll. Abth.
(für Bauwesen) des Ministeriums für Handel und Gewerbe
u.öffentl. Arbeiten nach Berlin berufen, während ihm gleich-
zeitig die Lehrstelle für Wasserbaukunde an der Bauaka-
demie übertragen wurde, die vor ihm Prof. Schwarz inne
gehabt hatte. Was er 'auf diesem Gebiete, geleistet hat, das
steht noch lebhaft in der Erinnerung derjenigen Ingenieure,
die bis znm Jahre 1875 seine werthyollen und anregenden
Vorträge hören konnten. Eine Anzahl grösserer Reisen,
so zur Weltausstellung n§,ch Paris 1867, zur Eröffnung des
Suez-KanalesiSöp, nach.Oesterreicb, England undSehottland
fielen in diese Zeit. Auch an den allgemeinen fachlichen
Bestrebungen nahm er lebhaften Antheil und gehörte im
No. i8
Kernen zunächst liegt die Niederspannungs-, aussen die
Hochspannungswicklung. Die Eisenkerne, deren Achsen
parallel der Wagenachse liegen , haben in der Mitte eine
Höhlung, durch welche ein kühlender Luftstrom geht.
Die Stromabnehmer sind doppelt vorhanden und über
jedem Drehgestell angebracht. Sie .entsprechen im wesent-
lichen dem Vorbilde der Lichterfelder Versuchsstrecke;
beim Wagen der A. E.-G. hat jeder Stromabnehmerarm seine
eigene senkrechte Achse und ist für sich auf dem Wagen-
dach befestigt; beim Wagen von S. & H. sind alle 3 auf
derselben Achse angebracht und diese ist durch das Wagen-
dach bis zum Fussboden geführt. Das Anlegen der Strom-
abnehmer an den Fahrdraht und das Abnehmen von dem-
selben geschieht vom Wageninneren aus. Die Hoch-
spannungs-Leitungen von den Stromabnehmern nach den
Spannungswandlern sind bei S. & H. als blanke Drähte,
bei der A. E.-G. als isolirte Kabel ausgeführt und liegen
in besonderen, für gewöhnlich nicht zugänglichen, senk-
recht durch das Wageninnere geführten Räumen.
Die Anlasswiderstände, welche in den Ankerstromkreis
eingeschaltet sind und zur Regelung der Stromstärke bei
der Anfahrt dienen, sind von der A. E.-G. als Flüssigkeits-
Widerstände, von S. & H. als Metallwiderstände ausge-
führt. Im Wagen der A. E.-G. befinden sich die Wider-
stände in einem mittleren Apparateraum, der den Wagen
in zwei Theile theilt, aber auf einer Seite einen Durch-
gang besitzt. Er enthält ausserdem die Umschaltwalze
und die Luftpumpe. Die Flüssigkeit der Widerstände (Soda-
lösung) wird durch eine kleine Kreiselpumpe in ständiger
Bewegung gehalten und fliesst innerhalb des Kreislaufes
durch Abkühlungsrohre, um ein Kochen bei dauerndem
Einschalten von Widerstand zu vermeiden. Jeder der
beiden Anlasser besteht aus einem zylindrischen Gefäss,
in welches zwei mal 2 Metallplatten (den 2 Phasen ent-
sprechend) von der Decke nach unten hineinhängen. Durch
eine feste Oeffnung im Boden tritt die Flüssigkeit stetig
ein, durch eine zweite Oeffnung, deren Grösse verändert
werden kann, tritt sie wieder aus. Wird der Ablauf voll-
ständig geschlossen, so steigt die Flüssigkeit schnell und
der anfänglich unendlich grosse Widerstand wird mit der
Vergrbsserung der Eintauchfläche der Metallplatten stetig
kleiner bis zu einer durch einen- Ueberlauf hergestellten
Grenze. Je nach der Veränderung der Grösse der Ab-
lauföffnung ist die Geschwindigkeit der Widerstandsaus-
schaltung, also auch die Anfahrzeit, regelbar.
. Die Bethätigung des Anlassers und der Umschaltwalze
geschieht vom Führerstande aus mittels Handrades. Die
zur Uebertragung der Bewegung dienende Welle liegt
unter dem Wagendach. Der Flüssigkeits-Anlasser hat den
grossen Vorzug, dass das Anfahren (und ebenso das Brem-
sen) ganz allmählich und nicht ruckweise vor sich geht.
Bei dem Wagen von S. 8c H. liegen die Anlasswider-
stände aussen an den Seitenwänden des Wagenkastens
ArChitekten-Verein zu Berlin, in welchen er im Mai 1867
eintrat, von 1869—1875 ununterbrochen dem Vorstande
an. Gleichzeitig rückte er stetig auf der Stufenleiter der
Beämten-Laufbähh weiter, erhielt 1872 den Bauraths-Titel
und würde J873 zum Reg.- und Baurath ernannt.
Das Jahr 1875 brachte für Franzius die entscheidende
Wendung, die ihn als den rechten Mann an die rechte
Stelle setzte und ihm ein Arbeitsfeld eröffnete, auf welchem
er sein reiches Wissen und Können , seine ganze zähe
Energie für eine grosse, dankbare Aufgabe einsetzen
konnte. Am i. April jenes Jahres wurde er an die Spitze
des Bauwesens des bremischen Staates berufen. Was er
dort geleistet hat, allerdings nur leisten konnte unter einer
weitsichtigen Verwaltung, in einem Gemeinwesen von
solchem Unternehmungsgeist und solchem Vertrauen auf
die glückliche Durchführung der weittragenden und schwere
finanzielle Verpflichtungen auferlegenden Pläne ihres lei-
tenden Ingenieurs, ist in Fachkreisen namentlich zu be-
kannt, als dass wir hierauf im Einzelnen einzugehen brauch-
ten. Das Aufblühen des Bremer Seehafens als des zweit-
bedeutendsten in Deutschland, der, mehr als 60 km ober-
halb der natürlichen Grenze der Grosschiffahrt liegend,
jetzt von Schiffen von über 5 m Tiefgang auf geregeltem
Stroralaufe angelaufen werden kann, sodass in der Haupt-
sache nur noch die grossen überseeischen Schnelldampfer
in Bremerhaven löschen müssen, die rasche Entwicklung
des Freihafens in Bremen, der durch in Ausführung be-
griffene Arbeiten auf mehr als das Doppelte seines früheren
Uilifanges gebracht werden soll, das sind die Erfolge die-
ser Arbeit, die in vollem Maasse dem entsprechen, was
man erstrebt hatte.
Neben seiner umfangreichen Thätigkeit im Dienste
des bremischen Staates hat-Franzius doch noch die Zeit
gefunden, auch ausserhalb desselben thätig zu sein. Bei
vielen bedeutenden Unternehmungen des ln- und Aus-
I. März 1902.
unterhalb der Fenster;- der Abschluss nach aussen ge-
schieht durch Blechwände mit Spaltöffnungen, durch welche
eine Luftkühlung ermöglicht wird. Die Schaltwalze und
Umkehrwalze liegen wagrecht; sie werden vom Führer-
stande mittels Handkurbel bewegt; die Bewegung wird
durch Druckluft unterstützt, indem 2 gegeneinander wir-
kende Kolben verschiedenen Durchmessers vorhanden
sind. In dem einen Drehungssinne überwiegt die Kraft
des grösseren Kolbens, im entgegengesetzten ist der grosse
Kolben luftleer und der kleine wirkt allein.
Um die Zugkraft bei der Anfahrt zu steigern, ist von
S. & H. eine Veränderung der Schaltung des sekundären
Stromkreises der Spannungswandler von Dreiecks- zu
Sternschaltung vorgesehen.
Die Bremsung beider Wagen geschieht mittels Westing-
house-Bremse. Daneben ist eine elektrische Bremsung
mittels der Anlasswiderstände möglich, indem das Feld
der Motoren von einer Akkumulatoren-Batterie aus mit
Gleichstrom erregt und der Anker über die Widerstände
allmählich kurzgeschlossen wird, und eine Nothbremsung
mittels Gegenstromes (Vertauschung zweier Phasen).
Die Wagenführung ist die denkbar einfachste; die
Veränderung der Schaltung bei Anfahrt und elektrischer
Bremsung geschieht einfach durch die Bewegung eines
Handrades bezw. einer Handkurbel, welche nur geringen
Kraftaufwand erfordert. Ausserdem bleibt beim Wagen
von S. & H. noch die Umsteuerung der Schaltung der
Spannungswandler beim Uebergang von der Anfahrt zur
Fahrt zu bedienen, und bei beiden Wagen die Umsteuerung
für Gegenstrom, die für den regelmässigen Betrieb nicht
infrage kommt, sowie die Luftdruckbremse. Die Gesammt-
Anordnung der Apparate ist so getroffen, dass weder der
Wagenführer, noch die Fahrgäste mit Hochspannung füh-
renden Theilen in Berührung kommen können.
Die Grundriss-Anordnung des Wageninneren geht aus
den Abbildgn. 6 und 7 hervor. Der für die Beförderung
nicht nützbare Raum besteht bei den Wagen der A. E.-G.
ausser den beiden Führerabtheilen aus dem bereits . er-
wähnten mittleren Apparateraum von 2,6 ® Länge, der für
die Benutzung des Wagens im Eisenbahnbetriebe jeden-
falls sehr störend wäre. In dem Wagen von S. & H: ist
nicht nutzbar ausser den Führerständen der daran an-
grenzende, durch die Stromabnehmer in Anspruch ge-
nommene Raum, sowie die beiden zur Durchführung der
Hochspannungs-Leitungen dienende Schächte von je 0,5"^
Länge. Es verbleiben bei dem Wagen der A. E.-G. zwei
Räume von zusammen 14,2 m Länge, in welchen je 20 Sitz-
plätze (II KI.) untergebracht sind. Beim Wagen von
S. & H. ist der gesammte Nutzraum, wenn man für die
beiden Stromabnehmer je 0,5“ abrechnet, etwa 15,3 m
lang; in ihm sind 48 Sitzplätze II. und IIL Kl. angeordnet.
Das Gewicht der Wagen ist verhältnissmässig' sehr
hoch; es beträgt 86 t bei dem Wagen der A. E.-G. und
landes ist seine Stimme als die eines Gutachters gehört
worden und oft von entscheidendem Einfluss gewesen; die
im Vorjahre vollendete Befestigung der Düne in Helgo-
land ist nach seinen Plänen entstanden und ausserdem
fand er, was bei dem im praktischen Leben stehenden
Ingenieur leider selten ist, auch die Müsse zu fruchtbringen-
der fachwissenschaftlicher Thätigkeit, von der wir nur seine
Mitarbeit am „Handbuch der Ing.- Wissenschaften" und beim
„Handbuch der Baukunde“ hervorheben wollen.
Wie seiner Zeit in Berlin, nahm er auch in Bremen
stets lebhaften Antheil am fachlichen Leben und führte
von 1877—1892 den Vorsitz im Arch.- und Ing.-Verein
daselbst, dessen anregenden Mittelpunkt er bildete. Auch
im Verbände deutscher Arch.- und Ing.-Vereine hat er
oft seine Kraft eingesetzt und an den Arbeiten in führen-
der Weise theilgenommen.
Auch in verschiedene öffentliche Körperschaften wurde
Franzius berufen. Er gehörte der Kommission für die Ab-
wendung der Hochwasser-Gefahren an, ist Mitglied der
preuss. Akademie des Bauwesens und wurde als eines
der wenigen technischen Mitglieder in den im Vorjahre
gebildeten Reichsgesundheitsrath berufen.
An Ehrungen mancher Art hat es Franzius natürlich
nicht gefehlt. Wir nennen nur die Verleihung der grossen
goldenen Medaille für Verdienste um das Bauwesen, sowie
seine vor kurzem erfolgte Ernennung zum Ehrendoktor
der Technischen Hochschule zu Berlin. „Dem auf wissen-
schaftlicher Grundlage unermüdlich schaffenden Ingenieur,
dem Förderer der deutschen See- und Binnenschiffahrt»
dem erfolgreichen Lehrer der Wasserbaukunst" galt diese
Ehrung. Am heutigen Tage hat ihn ausserdem der Archi-
tekten-Verein zu Berlin zu seinem Ehrenfnitgliede ernannt.
Möge ihm noch manches Jahr des Schaffens und der
Freude an den Erfolgen der eigenen Arbeit vergönnt
sein. - tu. g.
1^5
8g ‘ bei dem von S. & H. — Es wird von Bedeutung sein,
das auf den Sitzplatz entfallende Gewicht der Schnell-
bahnwagen mit einem modernen Eisenbahnzuge zu ver-
gleichen, und hierzu möge ein Zug, gebildet aus einer
preussischen Schnellzug - Maschine , ein em dreiachsigen
Packwagen ohne Postabtheil von lo™ Kastenlänge und
4 D-Wagen I. und II. KL gewählt werden. Die Maschine
mit Tender wiegt 82t, der Packwagen Teer 14 t, die 4 Per-
sonenwagen (zu je 31 1) 124 demnach Leergewicht des
Zuges 220 t. Um Vergleichswerthe zu erhalten, sei für
jeden Wagen ein Abort angenommen, und ein Ausbau des
Wageninneren mit Abtheilen II. Kl. mit 2® Theilung, 6
Sitzplätze enthaltend. Demnach kommen auf den Zug 168
Plätze und ein Gesammtgewicht von 232,5 h für den Sitz-
platz 1,4 1. Bei 2 Abtheilweite ergiebt sich eine nutz-
bare Länge des Wageninneren von 0,33 für den Sitz-
platz. In derselben Weise sei der Raum der Schnellbahn-
wagen getheiit gedacht. Für jeden Wagen sei eine Nutz-
länge von I m für einen Abort und 2,4 m für den Packraum
Vermischtes.
Schattenrollen für Gewächshäuser. Unter der Bezeich-
nung „Hercules", D. R. G. M. 143572 und 156054 bringt das
Eisenbaugeschäft Ed. Zimmermann in Altona Schatten-
rollen für Gewächshäuser in den Handel, deren Vorzüge
darin bestehen, dass die Glieder aus Bandeisen gestanzt
werden und sich fest und dicht aufeinanderlegen, wo-
durch die aufgerollie Schattendecke fester, dünner und
gerader wird, wie die früheren Decken mit Drahtketten.
Da die Bandeisenglieder wie die Verbindungsösen, ohne
Naht sind, so sind sie stärker als Drahtketten. Einzelne
Glieder wurden mit 80 kg belastet, ohne Schaden zu neh-
men. Ein Zerreissen beim etwaigen Entgleiten der Schnur
ist daher fast ausgeschlossen. —
Die ersten Doktor-Promotionen an der technischen Hoch-
schule in Wien sind am 18. Febr. erfolgt. Es wurden Erz-
herzog Rainer aus Anlass seiner goldenen Hochzeit und
Unterrichtsminister Dr. v. Hartei zu Ehrendoktoren
der technischen Wissenschaften der Technischen
Hochschule in Wien ernannt. Am 22. Febr. folgten die
ersten Promotionen von Studirenden. —
Ein Wechsel in der Besetzung des Meisterateliers für
Baukunst an der kgl. Akademie der bildenden Künste in
Berlin hat durch Rücktritt des Hrn. Geh. Reg.-Rth. Prof.
H. Ende stattgefunden. Zu seinem Nachfolger wurde
Hr. kgl. ßrth. Franz Schwechten in Berlin, ein unseren
Lesern wohlbekannter Künstler, ernannt. —
Auszeichnungen an Künstler. Die Hrn. Architekten
Max Littmann und Martin Dülfer in München sind durch
den Prinzregenten Luitpold zum kgl. Professor ernannt wor-
den. Damit haben zwei starke künstlerische Individualitäten
auch ihre äusserhche Anerkennung gefunden. —
Zum Präsidenten der kgl. preuss. Akademie des Bau-
wesens wurde der Architekt Hr. Ob.-Baudir. Hinckeldeyn
als Nachfolger des Ingenieurs, Hrn. Wirkl. Geh. Ob.-Reg.-
Rath A. Kinel berufen. —
Preisbewerbungen.
Ein Preisausschreiben betr. Entwürfe für ein Pflege-
rinnenheim in Mainz wird von dem dortigen „Alice-
Frauenverein für Krankenpflege" für deutsche Architekten
zum 15. Mai d. J. erlassen. Es gelangen 3 Preise von 1000,
600 und 400 M. zur Vertheilung Unterlagen gegen 2 M.
durch Hrn. Landgerichtsdir. Dr. Bockenheimer in Mainz. —
Die Entwürfe zu einer „Hans Kudlich-Ausslchtswarte“
bei Lobenstein in Schlesien, Bausumme 20000 Kr., werden
zum Gegenstände eines Wettbewerbes für deutsche Archi-
tekten gemacht. Termin 15, Mai 1902; ein Preis inform
einer Ehrengabe von 5 Dukaten; die Ausführungspläne
werden mit 300 Kr. honorirt. Der AVettbcwerb ist von
idealen Gesichtspunkten aus zu beurtheilen. —
Einen Wettbewerb um eine Quellwasser-Leitung für
Kelberg erlässt die Stadtgemeinde unter deutschen Inge-
nieuren mit Termin zum i. Mai d. J., Ab. 6 Uhr. Die
ausgesetzten Preise betragen 3000, 2000 und 1000 M.,
weitere Entwürfe können zum Preise von 600 M. ange-
kauft werden. Die erforderlichen Unterlagen gegen freie
Einsendung von lo M. durch das Stadtbauamt Kolberg.
Personal-Nachrichten.
Preussen. Dem Kr.-Baüinsp. Brth. E n g e I m e i e r in Minden
ist der Rothe Adler-Orden IV Kl. und dem Reg.-Bmstr. Faerber
in Rixdorf der Kronen-Orden IV. Kl. verliehen.
Die Wahlen des Ob.-Baudir. Hinckeldeyn zum Präs, der
Akademie des Bauwesens und z. Ding, der Abth. für den Hochbau
I16
in Abzug gebracht. Es ergiebt sich eine verbleibende Nutz-
länge für den Wagen der A. E.-G. von 10,8 “ und für den
von S. & H. von 11,9“. Das ergiebt 32 und 36 Sitzplätze,
ein Gesammtgewicht von 88,4 und 91,7 t und ein Gewicht
für den Sitzplatz von 2,6 und 2,55 t.
Aus diesen Vergleichszahlen folgt, dass der Kraftbe-
darf für das Personen^ä^m bei einer künftigen Schnellbahn
im Verhältniss zu den jetzigen Personenzüge'n eine sehr
erhebliche Steigerung erfahren würde, falls es nicht ge-
lingt, das Gewicht der Schnellbahnwagen wesentlich zu
verringern. Ob eine erhebliche Verkleinerung insbeson-
dere des . Gewichtes der elektrischen Ausrüstung möglich
ist, wird sich zeigen, sobald der Kraftbedarf bei der Höchst-
geschwindigkeit durch die -Fahrversuche festgestellt ist.
Der Wagen von S. & H. ist bereits so eingerichtet, dass
die Motoren eines Drehgestells mit den zugehörigen Appa-
raten entfernt werden können, wodurch sich das Gewicht
auf 74 t verringern würde. — (Schluss folgt.)
und des Wirkl. Geh. Raths Wiebe zum Dirig. der Abth. für das
Ingenieur- u. Maschinenwesen, für die Zelt vom i. Januar d. J. bis
dahin 1895 sind bestätigt worden.
Die Reg.-Bfhr. Karl Preetz aus Berlin , Kurt Weidner
aus Essen, Fritz Fischer aus Lichtenberger Kietz und Wilh.
Berlin aus Ribnitz (Wasser- u. Strassenbfeh.), — Karl Jordan
aus Einbeck (Eisenbfeh.), — Hans Süersen aus Berlin und Ad.
Cornelius aus Halver (Masch.-Bfeh.) sind zu Reg.-Bmstrn. eroauot.
Der kgl. Eisenb.-Dir.-Präs. a. D., Wirkl. Geh. Ob. -Brth. Wex
und der Kr.-Bauinsp. a. D , kgl. Brth. Werner in Naumburg a. S.
sind gestorben.
Brief- und Frgigekasten.
F. F. 100. Durch Aushändigung und widerspruchslose An-
nahme des Anstellungsschreibens vom r. Juli 1901 in Verbindung
mit der Fortleistung Ihrer Dienste und Erhebung des Gehaltes ist
das vorher bestandene Abkommen wegen Ihrer bisherigen Be-
schäftigung erloschen und für Ihr jetziges Dienstverhältniss die
Dienstpragmatik bezw. das bestehende Ortsstatut für Techniker
raaassgebend. Bestimmt letzteres eine dreimonatliche Kündigung, so
haben Sie eine solche innezuhalten. Ist die Kündigungsfrist dort un-
erwähnt geblieben, so greift die gesetzliche Platz und es darf die
Kündigung nur zu einem Vierteljahrsersten mit sechswOchentlicher
Frist erfolgen. Die vorher vereinbarte vierwöcbentliche Kündigung
ist für das neue Dienstverhältniss nicht übernommen und folge-
weise hinfällig. Uebrigens entspricht das Anstellungsschreiben der
üblichen Form. Das Anfangs- und das Höchstgehalt pflegen in dem
Anstellungsschreiben wegzubleiben. — K. H-e.
Hrn. Arch. A. K. in Minden i. W. Nach einem Gutachten
der Akademie d. Bauwes. v. 13. Juli 1889, bestätigt aufs neue am
17. April 1899, sind 125 kg/qm unter gewöhnlichen Verhältnissen für
den Winddruck auf die senkrecht getroffene Fläche als ausreichend
bei der Berechnung von Dampfschornsteinen erachtet worden. Bei
dieser Annahme ist aber eine sorgfältige Berechnung der Kanten-
pressungen erforderlich. Für runde Schornsteine ist diese Zahl mit
0,67 zu multiplizircn. Am 28. April 1898 hat der Hr. Minister f. Han-
del u. Gewerbe aus Anlass eines Streitfalles die Gewerbe-Inspek-
toren ausdrücklich auf dieses Gutachten liingewiesen. Es ist jedoch
1900 von ihm eine Sachverständigen-Kommission zusammenberufen
worden, die sich für 150 kg/qm ausgesprochen hat, aber höhere Bean-
spruchungen bei Anwendung von verlängertem Zementmörtel zulassen
wnll. Dieses Gutachten bezieht sich auf Schornsteine bis 75 m Höhe und
bis 3 m oberem Durchmesser. Ein Erlass in diesem Sinne besteht unse-
res Wissens bisher aber noch nicht. Der Winddruck wird gleichmässig
für die ganze Höhe angenommen. Prof. G. Lang-Hannover schlägt
dagegen in seinem ausgezeichneten Werke über den Bau hoher
Schornsteine vor, den Druck vom Sockel aufwärts im Verhält-
niss = w kg qm steigen zu lassen, worin«' den Winddruck in
Sockelhühe, « die Flöhe des betreffenden Querschnittes in m über
dem Sockel bedeutet. Diese Rechnungsart ist zweifellos theoretisch
richtiger, aber bisher wohl nicht üblich.
Bei besonders exponlrteii Schornsteinen im Binnenlande sowie
an der Küste ist der Winddruck entsprechend höher zu nehmen. —
Hrn. Arch. A. C. in Gotha. Die Aufstellung der Heizkörper
in den Fensternischen ist der an den Innenwänden unbedingt vor-
zuzieheo, weil nur hierdurch der starken Abkühlung der Zinimerluft
an den Fensterflächen wirksam begegnet werden kann. Dagegen
empfiehlt es sich nicht, die frische in die Räume eiutretende Luft
durch diese Fleizkörper anzuwärmen. Flierzu ist eine besondere
I-üftungsanlage erforderlich, die die, wenn möglich an einer Zen-
tralstelle vorzuwärmende Frischluft durch Kanäle in die Zimmer
führt. Diese Kanäle liegen, ebenso wie die Abluftkanäle, am besten
in den Zwischenwänden. In dieser Weise sind, so viel mir be-
kannt, die Heizungs- und Lüftungsanlagen in allen neueren grossen
Bankgebäuden ausgeführt. — A. H.
Inhalt: Die Stuttgarter Stadterweiterung (Schluss). — Bestrebungen
zur Pflege des Körperwohlsiandes und deren Einfluss auf die Baukunst, —
Eleküischc Schnell- und Vorortbahnen mit hochgespanntem Drehstrom als
Antrieb (Fortsetzung). — Zum 70. Geburtstage von Joh. Ludw. Franzius. —
Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Personal-Nachrichten. — Brief- und
Fragekasteu.
Hierzu eine Bildbeilage: Entwurf zu einer „Kolonie zur
Leibeserziehung“.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert H o fmann, Berlin. Druck von Wilh. Grevc, Berlin.
No. 18.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 19. Berlin, den 5. März 1902.
Aus dem Kreuzgang der Klosterkirche Unserer lieben Frauen in Magdeburg.
Aus: Peters, „Magdeburg und seine Baudenkmäler“.
Magdeburgs alte Bauten.
(Hierzu die Abbildung in No. 17,)
®ie Schicksalsschläge der politischen Ge-
schichte haben vielleicht keinem der
alten deutschen Städtebilder so arg mit-
gespielt, wie der Stadt Magdeburg. Wenn
aber auch infolge dessen die Stadt heute nicht
mehr mit Städten wie Danzig und Nürnberg
an malerischen Strassenbildeni sich messen
kann, so ist doch immer noch ein verhältni.ss-
mässig reicher Kunstbesitz übrig geblieben,
der in seinem ganzen Umfange noch nicht so
allgemein bekannt ist, wie er es durch seinen
grossen Kunstwerth zu sein verdient. Des-
halb ist der Gedanke, die Baudenkmäler Magde-
burgs in einer baugeschichtlichen Studie, die
der Stadtbaurath von Magdeburg, Hr. kgl.
Baurath Otto Peters verfasst hat, zusainmen-
zufassen und einer grösseren Allgemeinheit zu-
gänglich zu machen, mit Beifall zu begrüssen*).
Das ist in einem reich geschmückten Bande
geschehen, welcher vor kurzem herausge-
kommen ist und welcher sich als das Ziel
gesetzt hat, auf die „kostbaren Ueberbleibsel
einer bedeutsamen geschichtlichen Vergangen-
heit aufmerksam zu machen und sie nament-
lich dem Magdeburger selbst zur An-
schauung zu bringen, damit er sich
ihrer in immer wachsender Liebe zu
seiner schönen Vaterstadt bewusst
bleibt". Diese Mahnung ist in Magdeburg
in höherem Maasse angebracht, wie in ande-
ren alten Städten, in welchen sich der Um-
wandlungsprozess zur modernen Grosstadt
vollzieht. In Magdeburg hat das Unternehmer-
thum mehr wie in anderen Städten dem alten
Kunstbesitz Einbusse gebracht und wenn auch
bei dem fortschreitenden Umfange der moder-
nen Umgestaltungen eine Beeinträchtigung des
Besitzes an alten Denkmälern nicht immer zu
vermeiden sein wird, so würde es doch mög-
lich sein, durch ihre höhere Werthschätzung
der Einbusse besser zu begegnen, als es bis-
her in Magdeburg der Fall war. Diesem idealen
*) Mag^deburg und seine Baudenkmäler, Eiue
Imugeschichtliche Studie, zugleich Führer zu Magdebuigs
allen Bauten. Verfasser Otto Peters, Stadtbaiirath, königl,
Baurath. Mit einem farbigen Titelbild, zahlreichen Tcsl-
Illustrationen und verschiedenen Planen. Verlagsbuch-
handlung Faber'sche Biichdruckerei Magdeburg 1902.
Bestrebungen zur Pflege des Körperwohlstandes
und deren Einfluss auf die Baukunst.
(Schluss.) Hierzu die Abbildung auf S. 119.
Oer Drang nach unserer Zeit gehörenden Kunstzielen
fände in den genannten Forderungen ein Baupro-
gramm, das seiner verwegensten schöpferischen
Leidenschaft zu thun gäbe. Die bauliche Gestaltung einer
solchen Anlage böte die grossartigste Entfaltung technischer
und künstlerischer Leistungen, wenn sie der Aufgabe ge-
recht werden will, die dieses Programm bietet. Hier fände
unsere Baukunst eine Gelegenheit des Schaffens, wie sie
die Griechen in ihren Tempeln, die Christen des Mittel-
alters in ihren Domen begeisterungsvoll geleistet haben.
Und wie in jenen Zeiten ist auch heute noch eine grosse
Epoche, ein lebensstarker Wuchs der bildenden Kunst
und besonders des baukünstlerischen Schaffens nur zu
wecken aus starkem, das ganze Volk umfassendem
Sehnen. Ein volles, aus vorgeschrittenen Erkenntnissen
mit Nothwendigkeit gebildetes Bedürfniss der Gesammt-
heit, das bis ins Alltagsleben hinein und durch alle Schich-
ten des Volkes zu einträchtigem Zusammenströmen auf-
ruft, giebt der Baukunst jene Über Zeit und Landesgrenzen
hinüberreichende Beredsamkeit, die sie als die hone Ver-
künderin gewaltiger Menschheits-Schicksale ertönen lässt,
giebt ihr als Repräsentantin der machtvollsten Dokumente
des öffentlichen Geistes jene zu allen Zeiten bewunderte
Kristallisation. So schwindet der spröde Charakter, der
sich so widerwillig zum Dienste nüchterner Verwaltungs-
bauten heranziehen lässt oder zur Erfüllung volksfremder
Sonntagszwecke seine steinerne Handschrift herleihen mag.
So haben wir eine natürliche Grundlage für eine schöpfe-
rische, jugendliche Kunst und brauchen nicht baukünst-
lerische Bedürfnisse, für die der architektonische Ausdruck
bisher nach überlieferter Form gebildet worden, mit der
Miene iugendlicher Neuheit zu raaskiren.
Wenn bisher die neuen Kunstbestrebungen sich fast
nur um die Erfüllung privater Anforderungen des kunst-
sinnigen Bürgers bemühten und staatliche oder städtische
Aufgaben eine Lösung in moderner Form kaum wagten,
weil sie nach überkommenen Begriffen gebildet, nach Er-
fahrungssätzen erledigt, die Verantwortung weniger be-
lasteten, so fordern neue, hohe und ernste Aufgaben mit
Sturm und Drang nach einer strengen Erscheinung, die
ganz unserem Leben angchört und die geistesstarken Fol-
gerungen einer modernen Zeit offenbaren.
Das Interesse der Laienwelt würde solchem Wirken
gegenüber nicht in seiner Unempfindlichkeit beharren
können, und dies um so weniger, je mehr die Schöpfun-
gen der Baukunst das eigentliche Wesen eines Bauwerkes,
die grossartige Gestaltung des Inneren, zu entwickeln be-
müht sein werden. Denn in der Wirkung des Innen-
raumes besitzt die Baukunst ein Machtmittel , womit sie
den Volksgeist zu packen vermag wie kaum eine andere
Kunst, weil sie den Beschauer dort ganz umgiebt und
mit ihrem Zauber zu erfüllen weiss.
Schauen wir uns unter den Überkommenen Bauwerken
vergangener Zeiten nach Beispielen der gewünschten Ein-
drücke um, so liefert uns die gothische Bauperiode ein
Schauspiel grossartigster Schaffenslust, die Hoch und
Niedrig mit einem Wunderdrang beseelte selbst theilzu-
nehmen an der Erstellung ihrer grossen Gotteshäuser. Der
Ziele will das Werk dienen und in diesem. Sinne sei es
mit Dank und Beifall begrüsst. Es reiht sich zweckmässig
in die Veröffentlichungen über deutsche Städte ein, welche
aus den Wander-Versammlungen des „Verbandes deutscher
Architekten- und Ingenieur-Vereine" entstanden sind, und
wenn einstmals eine solche Versammlung in Magdeburg
tagen sollte, so kann das Werk einen werthvollen Bestand-
theil des durch die modernen Bauten und die Ingenieur-
werke ergänzten Bandes
bilden.
Die Schilderung setzt
zunächst ein mit einer Be-
schreibung der Stadtan-
lage von Magdeburg von
ihren frühesten mittel-
alterlichen Anfängen bis
zur Stadterweiterung von
1870. Mit Interesse liest
man, wie leider den
Verkehrs - Bedürfnissen
manches Opfer an dem
alten Stadtbilde gebracht
werden musste, mit nicht
minderem Interesse ver-
folgt man aber auch die
warme Fürsprache , die ^
Peters z. B. für den Brei-
tenweg den Magdebur-
gern ans Herz legt: „Dies
stolze Bild des Magde-
burger Breitenweges, das
seine Wirkung zwar der
uralten Strassen - Anlage
in erster Linie verdankt,
möge uns nun aber auch
weiterhin nicht durch ge-
schmacklose Um- oder
Neubauten an Stelle der
noch vorhandenen alten
Patrizierhäuser in seiner
architektonischen Eigen- '
art verkümmert werden !
Dass dies in dem aller-
bescheidensten Maasse r
nur eintreten möge, dar-
über mögen Magdeburgs
Bürger als auf ein unan-
tastbares Vermächtniss
aus vielhundertjähriger
Vergangenheit für die Zu-
kunft eifersüchtiger
wachen, als dies in
den letzten Jahrzehnten der Fall gewesen ist“! —
Es folgt eine kurze Baugeschichte Magdeburgs in ihren
hervorragendsten Baudenkmälern. Peters nimmt sicher
mit Recht an, dass bei dem sprichwörtlichen Wohlstände
das künstlerische Stadtbild vor dem 30jährigen Kriege
kaum hinter Nürnberg, Augsburg usw. zurückgesfanden
habe. Hieran schliesst sich die Schilderung der Bauten,
zunächst der mittelalterlichen ; es werden beschrieben der
Dom, die Klosterkirche
Unserer lieben Frauen,
St.Sebastian, St. Johannis,
St. Jakobi, St. Ulrich, St.
Katharinen, St. Petri, die
Heilige Geist-Kirche, die
Augustiner - Kirche, die
Fronleichnamskapelie am
Magdalenen - Kloster, die
Anneukapelle, dieAlexius-
Kapelle, die Marien -Ka-
pelle, die Gangolf-Kapelle,
die ßarfüsser-Kirche und
St. Nikolai, alles auf das
reichste mit geometri-
schen u. perspektivischen
Abbildungen und Aufnah-
men nach der Natur ge-
schmückt. Ein besonde-
res Kapitel ist den Grab-
denkmälern im Dom ge-
widmet. Von mittelalter-
lichen Profanbauten wer-
den geschildert das Fach-
werkshaus in der Kreuz-
gang-Strasse, das Rath-
haus und das sog. Kaiser
Otto-Denkmal. Recht be-
deutend ist der Schatz an
Bauwerken der deutschen
und italienischen Spät-
renaissance, des Barock
und des Rokoko, den die
Stadt besitzt. Nach den
Zerstörungen des 3ojähr.
Krieges waren bald viele
geschäftigeKünstlerhände
thätig, die Stadt wieder
zu verjüngen. Das ist in so
überraschendem Maasse
und mit so viel künstle-
rischer Eigenart gelungen,
dass die Bedeutung des
alten Magdeburg gleich-
Aus; Peters, „Magdeburg und seine Baudenkmäler“.
künstlerische Bauausdruck lag damals in der Her Vorkehrung
der Gottesfurcht, der Himmelssehnsucht. Und heute noch
durchdringen uns die tausendstimmigen Gebete, die jene
Begeisterten in den Fügungen der hohen Gewölbe uns
überliefert haben.
In ihren das ganze Volk beschäftigenden Bauaufgaben
haben sie Raumwirkungen gebildet, die den Eintretenden
erfassen durch die gewaltigen Baumassen. Wie waren
jene Baumeister mit wunderbarem Geschick darauf be-
dacht, dem eindringenden Tageslicht jene zauberhafte
künstlerische Umwenhung zu geben durch ein reiches
Spiel der Strahlentheilung, durch einen dauernd klingen-
den Choral aus Licht und Farbe. Die Eindrucksfülle, die
jene Dome ausstattet, beruht aber nicht in der religiösen
Bedeutung allein, denn für viele haben sie diese Bedeutung
verloren. Die Macht des Raumes, die künstlerische That
fesselt unsere Bewunderung wie kein modernes Bauwerk.
Niemand wird sich die Gelegenheit des Besuches solcher
Stätten echten Baugeistes entgehen lassen können, wenn
ihn der Ruhm des Werkes in seinen Bannkreis gezogen hat.
Wenn man von den Generationen sagen kann: „in
ihren Bauwerken sollt ihr sie erkennen“, so ist es der
Zeiten Pflicht, mit Ernst und Ehren ihre Aufgaben zu be-
treiben, um der Nachwelt strenge Prüfung zu bestehen.
In ehrlicher Nothwendigkeit müssen sich die Gestaltungen
entwickeln, die dauernde Kunstergebnisse sein sollen. Nun
kann es wohl kein höheres Wirken im Sinne der Kultur-
Entwicklung geben, als den Mensclienwerth zu steigern
und dies in hohen Kunstschöpfungen zu verkörpern.
Die Kunst also, die sich der Wieder-Erweckung des Körper-
wohlstandes widmet, die Ahnen, die den künftigen Vätern
gesunde Lebenskraft errungen haben werden, dürfen mit
Selbstvertrauen über ihre Zeit die geschichtliche Jahres-
Bilanz vollziehen lassen.
Wenn hier nochmals die Absichten zusammengefasst
werden dürfen, so sind folgende Sätze aufzustellen:
is8
Die moderne, in der ganzen kultivirtenWelt werbende
Forderung nach Bildung des Körperwohlstandes soll in
einer Kolonie für Leibeserziehung, die im Sinne
eines Badeortes aufzufassen wäre, ihre praktische Ver-
wirklichung erhalten. Nicht Heilung und Bergung kranker
Personen ist ihr Zweck, sondern Erhaltung und Aus-
prägung der behenden Rüstigkeit und Wieder-
erweckung des für das körperliche Wohl einge-
schläferten Gewissens.
Nicht sportliche Schauspiele und Schaulust, nicht Be-
lustigungen für die nahe Grosstadt sind die Ziele, sondern
allgemeine Betheiligung an der Wiedergewinnung des
Vollbesitzes aller leiblichen Fähigkeiten, aller Schönheit
der Macht über den Körper.
Die Kolonie soll nicht in enger örtlicher Bedeutung
von der Nachbarstadt abhängig sein, sondern dem ganzen
Kontinent ein nach modernen Gesichtspunkten gestaltetes
Bedürfniss erfüllen.
Zum Schluss ist noch der Gedanke hervorzuheben,
dass in der modernen Baukunst mehr von einer neuen
bedeutenden Bauaufgabe die Begründung einer neuen
wachsenden Kunst erwartet werden kann, als von ab-
sichtlichem Haschen nach Individualität, als von äusser-
lichen Linienparoxysmen.
Eine solche moderne Bauaufgabe bietet uns die
Schöpfung einer Kolonie für Leibeserziehung. In ihren
grossen stolzen Raumbedürfnissen wird diese Schöpfung
ihrer Zeit ein ehrliches Denkmal errichten, an welchem
wachsender Fleiss und wachsende Kunst geholfen haben.
Ein herzhaftes Ineinanderweben von Leben und Kunst,
ein einheitliches Heranwachsen gemeinsamer Ideale können
im Schoosse solcher Wirksamkeit aufblühen und ihren be-
glückenden Segen verbreiten. Ein Griechenthum in der-.
Schätzung körperlicher Tüchtigkeit könnte sich eine wohl-
thätige Volksthümlichkeit erwerben. — H. W.
No. 19.
massig auf seinen mittelalterlichen wie auf seinen Wer-
ken aus den letzten 2 — 3 Jahrhunderten beruht, Wir
gaben S. 105 eine Probeabbildung über die Art der Illu-
strirung auch dieses Abschnittes.
Auch wir schliessen diesen kurzen Bericht über das
schöne Buch mit dem lebhaften Wunsche, den der Ver-
fasser zum Schluss ausspricht, dass nicht „die letzten
stolzen Zeugen einer denkwürdigen Vergangenheit", sofern
es nicht unbedingt nöthig, dem Abbruch preisgegeben
werden und den Einzelnen verfallen, „die den Forderungen
der Jetztzeit aus rein praktischen Rücksichten nur zu sehr
nachzugeben geneigt sind. Das Ansehen Magdeburgs im
deutschen Vaterlande beruht, das soll man nicht ver-
gessen, nicht zum Mindesten in seiner grossen Geschichte,
wovon die Bausteine alle Zeit reden sollen!“ —
- H. —
Mittheilungen aus Vereinen.
Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin. In der Sitzung
am 14. |an. unter Vorsitz des Hrn. Minist.-Dir. Schröder
setzte Hr. Reg.- u. Brth. Wittfeld seinen Vortrag über
„Schnellbahnen“
fort. Er wies zu-
nächstaufgrund sorg-
fältiger theoretischer
Untersuchungen
nach, dass bei gros-
sen Fahrgeschwin-
digkeiten Ungenauig-
keiten in der Gleis-
lage bedeutenden
Einfluss auf die Be-
triebssicherheit ge-
winnen können, in-
sofern sie Entlastun-
gen der Räder und
Drehungen der Fahr-
zeuge um die senk-_
rechieSchwerpunkts-^^^^^^g
ase heryorrufen, wo-
durch Entgleisungen
begünstigt werden,
und ging dann zu
einem Vergleiche der
Dampf- Lokomotiven,
und der elektr. Mo-
torwagenhinsichtlich
ihrerVerwendbarkeit
für Schnell - Betrieb
über. Die störenden
Bewegungen der.
Dampf Lokomotiven
würden, das Schlin-
gern ausgenommen,
mitwachsenderFahr-
geschwindigkeit an
Bedeutung verlieren,
das Schlingern aber
Hesse sich durch eine
vom Vortragenden
erdachte Anordnung
des Kurbelgetriebes
völlig beseitigen. Da-
nach gebaute Dampf-
lokomotiven würden,
besten Oberbau vor-
ausgesetzt, mit Ge-
schwindigkeiten bis
etwa 200 in 1 St.
fahren können. Die
von der „Studienges.
für elektr. Schnell-
bahnen“ gewählte
Bauart der Motor-
wagen stehe sowohl
hinsichtlich der Be-
anspruchung des
Oberbaues, als auch
in der Betriebssicher-
heit einer solchen
schlingerfreien Loko- ,
motive nach, doch sei
es möglich, elektrische Motorwagen, die einer solchen
Lokomotive mechanisch gleichwerthig sind, zu bauen,
wenn dabei die vom Vortragenden erörterten Grund-
sätze beachtet würden. Der von der Studiengesellschaft
geplante Einzelwagen - Betrieb stehe vom wirthschaft-
lichen und betriebstechnischen Standpunkte aus dem
Dampfbetriebe mit geschlossenen Zügen weit nach; es
wäre indess auch dem elektr. Betriebe möglich, mit dem
Dampfbetriebe inWettbewerb zu treten, wenn es sich darum
handelt, leichte Züge zu befördern und zwar nicht nur bei
Schnellbahnen, sondern auch im Stadt- und Vorortverkehr.
Die von gründlichen Studien zeugenden Ausführungen
wurden von der Versammlung mit Beifall aufgenommen.
5. März 1902.
Hr. Geh. Brth. Lochner von der „Studienges. für elektr.
Schnellbahnen“ bestätigt, dass man bei den Schnellfahrten
zwischen Berlin und Zossen hinsichtlich der Bauart der
Wagen zu ähnlichen Grundsätzen gelangt sei, wie sie der
Vortragende entwickelt habe. Dass die Gesellschaft zu-
nächst mit Einzel-
wagen gefahren sei,
habe mit dem Prinzip
des elektr. Schnell-
fahrens nichts zu
thun. Es könnten
ebenso gut elektrische
Züge gebildet wer-
den. Wenn von einer
schlingerfreien Loko-
motive auch gute
Schnellfahrleistungen
erwartet werden
,-7 könnten, so bliebe
bei ihr doch der
grosse Nachtheil der
, Rauchbelästigungbe-
stehen.
"VT Hiernach ergriff
zur Fortsetzung der
in derOktobersitzung
unterbrochenen Be-
sprechung betr. die
„Kreuzung bezw.
Untertunnelung
der StrasseUnter
den Linden in
Berlin“ Hr. Oberstl.
a. D. Buchholtz das
Wort. Er erklärte,
dass er seinen da-
mals gemachten Vor-
schlag einer unterir-
dischen Stufenbahn-
Verbindungnach ein-
gehenden Erörterun-
gen mit dem Hrn.
Ingen. Froitzheim
(Erbauer der Stufen-
bahn in der Berl. Ge-
wei'be - Ausstellung),
namentlich wegen
der an den Enden
derStufenbahn anzu-
bringenden Schleifen
I
I 3 recht erhaltenkönne.
I 1 Eine unterirdische
t 3 ' ' Verbindung halte er
J aber doch für aus-
\ führbar, da eine sol-
Entwurf zu einer
,, Kolonie zur
Leibeserziehung“
von Architekt
Herrn. Werle in
Gr. -lichterfclde.
Län ge etwa 330 m von
der Allg. Elektr.-Ges.
zur Verbindung ihrer
Fabriken inderßrun-
nen- u. Ackerstr. aus-
geführt worden sei.
Nach ihm ergriff
Hr. Stdtbauinsp.Brth.
— ' ' ^ Gottheiner das
Wort und erklärte, dass die Stadt nach dem Ankauf der
Strassenbahnlinien der Firma Siemens & Halske die Ab-
sicht gehabt habe, eine Niveau-Verbindung in der Weise
herzustellen, dass in der Verlängerung der Kanonierstr.,
von der Behrenstr. nach den Linden eine Strasse durch-
gebrochen und durch diese über die Linden und durch
die Neustädtische Kirchstr. die Bahn hinüber geführt werde.
Eine Untertunnelung der Linden würde so grosse Kosten
verursachen, dass die wenig rentable Bahn nicht imstande
sei, dieselben zu rechtfertigen. Uebrigens würde die Aus-
führung sehr schwierig sein, da sich auf der Nordseite der
Linden ein tiefliegender Sammelkanal hinziehe, unter wel-
chem der Tunnel hindurch geführt werden müsste. Auch
die Einführung der Wagen in den Tunnel mittels Rampen
oder durch Aufzüge würde bedeutenden Grunderwerb
erfordern, wodurch sich die Kosten auf etwa 4 Mill. M.
stellen würden. Hr. Oberstl. Buchholtz glaubt trotzdem,
dass die Stadtverwaltung sich doch über kurz oder lang
würde dazu entschliessen müssen. Bei der grossartigen
Anlage von Untergrundbahnen, welche von der Stadt ge-
plant seien, könnte die Ausführung eines so kurzen Stückes
von 330 “ doch wohl kaum grosse Bedenken hervorrufen.
Wenn die Stadt Glasgow aus Verkehrsrücksichten den
Clyde-Fluss untertunnelt habe und die Fahrzeuge mit einer
grösseren Zahl von Aufzügen in den Tunnel hinein und
heraus befördere, w’ürde Berlin sich dies wohl auch leisten
können. Flierauf erwiderte Hr. Gottheiner, der übrigens
bemerkte, dass er nicht im Namen der Stadtverwaltung
spräche, dass auch die Ausführung der geplanten Unter-
grundbahnen nach späteren Ermittelungen wegen der vor-
aussichtlich damit verbundenen hohen Kosten wieder sehr
fraglich geworden sei.
Hr. Eisenb.-Dir. a. D. Ing. Froitzheim machte dann
noch den Vorschlag, die Untertunnelung im Zuge der
Wilhelmstr. auszuführen und bei dieser Gelegenheit die
Neue Wilhelmstr. zwischen Linden und Dorotheenstr. ent-
sprechend zu erweitern. Inbezug auf die Verwendung
einer Stufenbahn trat er den Ausführungen des Hrn.
Oberstl. Buchholtz bei. —
Vermischtes.
Die Architektur-Abtheilung der Grossen Berliner Kunst-
ausstellung 1902 verspricht wieder ein Punkt von beson-
derer Anziehungskraft zu werden. Hr. Arch. Jos. Reuters
hat nach einem schönen Entwurf ihre Raumgestaltung
übernommen, welche von der früheren in der Gesammt-
anlage dadurch abweicht, dass aus den beiden gleich
grossen Räumen eine harmonische Gruppe von drei
Räumen, ein grösserer Mittelraum und zwei kleinere Seiten-
räume für Entwürfe und Skizzen kleineren Umfanges ge-
schaffen werden. Auch diesmal wieder werden sich an
die Architektur-Abtheilung eine Reihe gewählter Innen-
räume anschliessen. Mit den Anmeldungen wolle man
nicht zu lange mehr zögern. Die Leitung der Aus-
schmückungs-Arbeiten der übrigen Räume der Ausstellung
hat Hr. Prof. Herrn. Solf übernommen. —
Steinplastikum (D. R. P.). Unter diesem Namen wird
durch Fröhlich & Ludwig, Berlin S.W., Lindenstr, 27,
ein neues Material für Fassaden und das Innere, sowie
für plastische Arbeiten auf den Markt gebracht, welches
„die in der äusseren Physiognomie unserer Städte aus
Kalk, Gips und Holz zusammengesetzten Architekturen,
über welchen sich ein alle Details verunzierender Oel-
anstrich befindet", zugunsten einer natürlicheren und künst-
lerischeren Erscheinung der Bauwerke verdrängen will.
Das neue Putzmaterial enthält „Verwitterungs-Produkte,
welche jede weitere Verwitterung völlig ausschliessen".
Die Proben, die uns Vorgelegen haben, verbinden in der
That, wie es die Firma angiebt, mit einer schönen, kräftig
wirkenden sandsteinartigen Körnung einebedeutende Festig-
keit und Dichtigkeit, sowie den weiteren Vorzug, dass der
Verputz in beliebiger Tönung farbbeständig hergestellt
werden kann. Die dem Material eigenen und ihm zuge-
sprochenen Eigenschaften, sowie die Vielseitigkeit der ihm
zugedachten Verwendung lassen uns den Wunsch aus-
sprechen, gelegentlich Stimmen aus der Praxis über die
Bewährung zu hören, zumal das Steinplastikum als „im-
ganzen billiger, als der gewöhnliche Kalkputz" bezeich-
net wird. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Realvollanstalt Bremen. Es liefen 80 Ent-
würfe ein. Es errang den I. Preis von 4000 M. die ge-
meinsame Arbeit der Hrn. Ferd. Köhler, Paul Kranz
und O. Gröffel in Charlottenburg; einen II. Preis von
3000 M. die der Hrn. Richard Bielenberg und Josef
Moser in Berlin; ein weiterer II. Preis von 3000 M. fiel
an Hrn. Georg Petersen in Charlottenburg. Mit den
beiden HL Preisen von je 2000 M. wurden die Entwürfe der
Hrn.PaulMeissnerin Darmstadt und Jakob Schmeissner
in Nürnberg ausgezeichnet. Für je 1000 M. angekauft wur-
den die Arbeiten der Hrn. Paul Speer in Gemeinschaft
mit Max Ostertag in Berlin, und Ernst Rang in Ge-
meinschaft mit Arnold Siibersdorf in Schöneberg. —
Wettbewerb Gymnasium Bremen. Unter 142 Entwürfen
errang den I. Preis von 4000 M. der des Hrn. Paul Baum-
garten in Berlin; einen II. Preis von 3000 M. der des
Hrn. Prof. H. Guth in Charlottenburg; einen weiteren
n. Preis von 3000 M. der des Hrn. Ernst Hoffmann in
Berlin; einen III. Preis von 2000 M. der des Hrn. Emming-
mann in Berlin und einen weiteren III. Preis von 2000 M.
der der Hrn. Rust & Müller in Leipzig. Um die Summe
von je 1000 M. wurden angekauft die Entwürfe der Hrn.
Abbehusen in Bremen und R. Walter in Gemeinschaft
mit H. Heger in Charlottenburg. —
Wettbewerb Rathhaus Hamborn. Verfasser des zum
Ankauf empfohlenen Entwurfes „Neujahr 1902" ist Hr.
Otto Schulz in München. —
Personal-Nachrichten.
Preussen. Den kgl. Baugewerkscbul-Dir. H ar t i g in Barmen
Prof. Höf f er in Breslau und Brettschneider in Münster
i. W, ist der persönl. Rang der Räthe IV. Kl. der höheren Prov -
Bearaten verliehen. — Der Baugewerkschnllchrcr Arch. Walch in
Posen ist z. kgl. Ober-Lehrer ernannt.
Der Eisenb.-Bau- u. Bctr.-Insp. Belirends in Posen ist als
Vorst, der Bauabth. nach Xanten versetzt.
Württemberg. Verliehen ist: Dem Ob.-Brth. Prof. Rein-
hardt an der Techn. Hochschule in Stuttgart das Ehrenkrenz des
Ordens der Württemberg. Kron^ — dem Brth. Stoeker bei der
Gen.-Dir. der Staatseisenb., den Eisenb.-Bauinsp. K n o 1 1 in Heiden-
heim u. Abth.-Ing. von K e c h 1 e r- S c h w a n d o r f in Esslingen,
dem Brth. Ganz, Kult. -Ing. bei der Zentralstelle für die Landwirtli-
schaft das Ritterkreuz I.'Kl. des Friedrichsordens; — dem Insp.
Holder beim Bauamt des staatl. Neckarwasserwerks das Ritterkreuz
II- Kl. des Friedrichsordens; — dem Oberamtsbmstr. Ziegler
in Pleidenheim das Verdienstkreuz; — dem Oberamtsbmstr. Klinl;
in Besigheim und dem Stadtbmstr. Geilsdörfer in Tübingen
die Verdienstmedaille des Kronen-Ordens. —
Der Titel u. Rang ist verliehen : den Eisenb.-Bauinsp. Schmidt
in Hall u. E b c r h a r d t in Balingen, dem Dir. Theurer bei der
Masch.-Fabr. Esslingen, dem Strassenbauinsp. Feldweg in Cann-
statt und dem Prof. Kap ff an der Baugcwerkschule in .Stuttgart
derj. eines Bauraths; — den Abth.-Ing. Schleicher u. Schiller
bei der Gen.-Dir. der Staatseisenb., Nörr in Geislingen, Schäuffcle
in Reutlingen, Reichert, Schlierholz u. Stohrer bei der
Gen -Dir., Hartmann in Esslingen, Schon u. Gräsle bei der
Gen.-Dir. und Klein in Ulm derj. eines Eisenb.-Bauinsp.
Briet- und Fragekasten.
Fragebeantwortungen aus dem Leserkreise.
Zu der Fragebeantwortung in No. 12 betr. sich selbst
tragende, schallsich ere Wände theilt uns die Firma Jul.
Donath & Co., Berlin, Gartenstrasse 167. 168, mit, dass sie sich selbst-
tragende und schallsichere Hohlsteinwände ohne Trägerunterstützun-
gen bis ro ni Länge und 5 m Höhe herstellt. Der Preis beträgt 3,5
bis 4 M. für I qm. —
Zu den beiden Anfragen in No. ii erhielten wir eine grössere
Anzahl von Zuschriften, Zu i. führen aus:
Hr. Max Wedekamp, Ingenieur in Leipzig: Es ist rathsam,
einige Heizrohre, vielleicht 50mm 1. D., in Abständen von etwa
1,5 — sm unter die Decke zu legen, der Ueb.elstand des Schwitz-
wassers wird dann gehoben sein. Ich habe ein grosses Atelier,
16 m lang und 6 m hoch, bei einfacher Verglasung derart behandelt
und ein sehr günstiges ErgebnisS erzielt. Auch bei einer grossen
Montagehalle von 100 m Länge habe ich dieselbe Erfahrung gemacht. —
Hr. Civ -Ing. R. Michel in Leipzig: Die Ursache des Tr opfen.s
der Wellblechdecke hat darin ihren Grund, dass entweder
der Putz der Korkdecke sehr durchlässig ist oder die Fugen der
aneinanderstossendea Korkplatten nicht dicht durch den Mörtel
geschlossen sind. Die warme Luft von unten steigt empor, dringt
durch die Korkplatten und schlägt sich an dem kalten Wellblech
nieder, wodurch Schwitrwasser entsteht. Wenn die Fugen gut
nachgesehen und undichte Stellen mit Mörtel verstrichen werden,
wenn ferner über die ganze Decke ein harziger Anstrich kommt,
so wird das Schwitzen der Decke aufhören. —
Hr. M. Schneider in Chemnitz: Am wirksamsten dürfte ein
dicht abschliessender Zeraentputz mit Drahtgewebe-Einlage unter-
halb der Korkdecke sein, mit einer der Grösse des Maschinenhauses
entsprechenden Anzahl Dunsthauben, welche unmittelbare Verbin-
dung der Mascliinenhausluft mit der Äussenluft gewähren und dicht
abgeschlossen sind vom isolirenden Luftraum zwischen Korkdecke
und Wellblechdach. Weniger wirksana, aber vorher zu versuchen
wäre die Anbringung einer grösseren Anzahl von kleineren Dunst-
hauben auf dem Wellblechdach, welche einen kräftigen Luftaustausch
zwischen Äussenluft und dem Raume zwischen Korkisoiirnng und
Wellblechdach ermöglichen. —
Zu 2. sendet uns die „ Aktien-Gesellschaft für Beton- und Mo-
nierbau“, Berlin W. 9, eine Anzahl von Bescheinigungen, nach wel-
chen die Ko cn en’schen V outen platten von 10 cm Dicke und mit
Linoleumbelag sich als schallsicher erwiesen haben. Ausserdem
verweist die Firma auf das neue Krankenhaus II in Dresden , in
welchem in umfangreicher Weise Koenen’sche Voutenplatten ver-
wendet und unmittelbar mit Linoleum belegt wurden. Korklinoleum
habe sich in Süddeutschland gut eingeführt; Klagen über eine zu
grosse Weichheit seien bisher in den Berichten an die Firma noch
nicht geführt worden. Werde eine besondere Schallsicherheit ge-
wünscht, so empfehle sich als Unterlage des Linoleums ein 3 cm
starker Gipsestrich mit einer 3 cm hohen Sandunterhettung. Aus-
führungen dieser Art seien erfolgt in den Justizneubauten zu Berlin,
Rixdorf, Köpenick, in Schulen zu Lichtenberg bei Berlin, Halle
a. S. usw.
Inhalt : Magdeburgs alte Bauten. — Besti ebuugen zur Pflege des
Körperwohlsiandes und deren Einfluss auf die Baukunst (Schluss). —
Mittheilungen aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Per-
sonal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Willi. Greve, Berlin.
No. 19.
120
EUTSCHE
XXXVI JAHR-
^BERLIN ^
' 'StstacsrsjstifsriRStüitsirsr^s»
; AUZEITUNG.
GANG. * * N2; 20. ^
I DEN 8. MÄRZ igo2.
Die neue protestantische Kirche in Aeschach-Hoyren bei Lindau i. B.
Architekt: Professor Friedrich von Thiersch in München.
(Hierzu die Abbildungen Seite 124 u. 125.)
wusgiglas schmucke Kirchlein, welches in den ersten körnige malerische Muschelkalk, der in der Nähe von
:|a Kwl^j Dezembertagen des vergangenen Jahres ein- Rothenburg ob der Tauber bricht, gewählt. Die senk-
n 1 geweiht und für die Orte Aeschach und rechten Mauern sind aus Rohrschacher Sandbruch-
y|y|K^ Hoyren bei Lindau errichtet wurde, hält in stein, die Gewölbe aus Backtein erstellt; ihre Flächen
Anlage einen gewissen Mittelweg ein sind geputzt. Die Vorhalle ist mit grün glasirten
zwischen den überlieferten Formen des Kirchenbaues, Ziegeln, das Hauptschiff mit rothcn Bieberschwänzen,
wie er auf derGrund-
lage der katholischen
Kultübung sich ent-
wickelt, und zwischen
den Bedürfnissen,
welche der Protestan-
tismus für seine Got-
teshäuser zur Richt-
schnur gemacht hat.
Es bildet eine Ver-
mittelung zwischen
dem geschichtlich
vererbten Langhause
und derzentralenAn-
läge der protestanti-
schen Predigtkirche.
Ein Seitenschiff und
dieimrechtenWinkel
angelegten Emporen
liegen gegenüber der
an der rechten Chor-
seite angebrdneten
Kanzel und gegen-
über dem in der Mitte
des Chores gelegenen
Altar,sodass,vondem
kleinen Hinderniss
der leichten Stützen
abgesehen, fast alle
Plätze einen freien
Ausblick auf die Stel-
lenhaben, anweichen
sich die kirchliche
Handlung vollzieht.
Thurm und Sakristei
liegen zu beiden Sei- ‘
ten des Chores, ein i
polygonalerTreppen- i
ausbau für die Em- “
poren bereichert die
Vorderansicht; die
Orgel liegt im Rücken
der Kirchenbesucher.
dasThurmdachistmit
Kupfer eingedeckt.
Die Dachstühle be-
stehen aus Holz. —
Das Haus besitzt eine
Niederdruck - Dampf-
heizung, sowie - eine
elektrische Beleuch-
tung mit Strom vom
ElektrizitätswerkLin-
dau ; bei der Anlage
der letzteren war we-
niger eine starke Be-
leuchtung des ganzen
Kirchenraumes , als
eine gute Erhellung
der einzelnen Plätze
je durch besondere
schmiedeiserne Stän-
der und Wandarme
maassgebend. Die
Fenster unter den
Emporen erhielten
eine Verglasung in
Butzenscheiben , die
übrigen Fenster wur-
den nach den Ent-
würfen des Archi-
tekten mit farbigen
Glasmalereien ge-
schmückt. Auf die
^ Ausbildung der Por-
-p| tale, der Kanzel, des
Altars, desTaufsteins,
derOrgel usw. wurde
' ^ besondere künstleri-
{ sehe Sorgfalt ver-
|t| } wendet. Von der an-
heimelnden Sakristei
giebt die Abbildung
S. 125 den Hauptein-
druck wieder.
der Kirchenbesucher. Am 24. April 1900
Das Mittelschiff hat eine lichte Spannweite von fand die feierliche Grundsteinlegung statt, am i. De-
9,5 und eine lichte Scheitelhöhe des reichen Netz- zember 1901 wurde das Fest der Einweihung begangen,
gewölbes von 13“; die gesammte Länge des Schiffes Die Baukosten haben rd. 270000 M. betragen davon
erreicht einschliesslich des 8“ tiefen, mit einem schönen entfallen auf den Rohbau rd. 175000 M., auf den
Sterngewölbe überdeckten Chores rd.30'^. Der Thurm inneren Ausbau rd. 95000 M.
erhebt sich bis zur Spitze zu einer Höhe von 58'’
Bei der Bearbeitung der Entwürfe und bei der
Das Erdgeschoss enthält 436, die Empore 180 Sitze; Errichtung des Baues standen dem leitenden Architekten
die Zahl von 616 festen Plätzen kann durch beweg- die Hrn. Ludw. Heuss, Hans Bernoulli, Joh.
liehe Sitze auf 700 erhöht werden. Heppner, Ernst Fiechtner und Erwin Heraan
Dem Wunsche der Gemeinde entsprechend, wurde zur Seite. Künstlerische Mitarbeiter waren ausserdem
das Gotteshaus als eine Kirche in den Formen des die Hrn. Bildhauer Alfr. Heller, Aug. Siegerer,
ausgehenden gothischen Stiles und mit echter Wölbung Franz Ringer, Prof. E. Pfeifer und Jakob Bradl,
errichtet. In der Wahl der Stilformen schloss der sowie die Glasmaler Karl Ule, Carl deBouche und
Architekt an süddeutsche Vorbilder sich an. Als Maler Ignat. Taschner in München. Alle technischen
Material für die dem Wetter besonders ausgesetzten und Kunstarbeiten wurden, insbesondere, soweit die
Architekturtheile des Aeusseren, sowie für die Stützen Entwürfe in Betracht kommen, mit mittelalterlicher
und Gliederungen des Inneren wurde der graue grob- Liebe zum Werk ausgeführt. —
121
Elektrische Schnell- und Vollbahnen mit hochgespanntem Drehstrom als Antrieb.
(Schluss.)
digkeit veranlassten Einzelheiten werden sich die Einrich-
tungen der Schnellbahn auf Bahnen geringerer Geschwin-
digkeit ohne wesentliche Aenderurigen übertragen lassen.
Bedenken würden sich hierbei höchstens gegen die Anlage
der Stromleitung insofern richten, als ihre grosse Höhe
von 5,5, 6,5 und 7,5 m über Schienenoberkante die Aus-
führung von Wege- und Bahnüberführungen sehr er-
schweren, diejenige von schienenfreien Abzweigungen (die
in einem vollständigen Schnellbahnnetz häufig wiederkehren
müssten) wegen der Länge der Rampen fast unmöglich
machen wurde und insbesondere ihre Anwendung aui be-
stehenden Bahnen fast überall verbietet. Man darf aber wohl
annehmen, dass für derartige Anwendungen eine andere
Lösung sich ohne Schwierigkeiten finden lassen wird. Wir
werden um so eher die Anwendung auf Bahnen geringerer
Geschwindigkeit machen dürfen, als ja die Technik ebenso
wenig wie die Natur Sprünge macht und es demnach ein
Unding ist, plötzlich von der jetzt gebräuchlichen Fahrge-
schwindigkeit von auf mehr als die doppelten Geschwin-
digkeiten mit der vierfachen Arbeitsleistung dauernd über-
gehen zu wollen. Wenn es sich um weniger schnellfahrende
Bahnen handelt, so wird das Schwergewicht des zu Erpro-
benden und neu Anzu wendenden auf dieEnergie-Vertheilung
über grössere Entfernungen bei verhältnissmässig hohen
Kraftleislungen an einenPunktgelegtwerdenmüssen, beides
gemessen im Verhältniss zu den bei den bisherigen elek-
trischen Bahnen üblichen Entfernungen undKraftleistungen.
Abbildg. 8. Drehgestell eines Wagens der elektrischen Valettalina-Bahn von Ganz & Cie.
(Nach „The Engineer“ 1901.)
ie Fahrversuche, mit deren Durchführung im Septbr.
v. J. begonnen worden ist^), wurden besonders er-
schwert durch die geringe Stärke des aufderVersuchs-
strecke vorhandenen Oberbaues mit Schienen von 33 ^
Gewicht, dessen Verstärkung ohne bedeutende Kosten zu-
nächst nur durch Vermehrung der Schwellen und theil-
weisen Ersatz der minderwerthigen Bettung durch Stein-
schlag möglich war. Dass trotz dieses schwachen Ober-
baues die Geschwindigkeit bis auf 140 gesteigert^) und
in dieser Höhe beibehalten werden konnte, ohne dass der
Gang der Fahrzeuge zu Beunruhigungen Anlass bot, muss
in hohem Maasse überraschen. Wenn man bedenkt, dass
ein derartiger Oberbau im allgemeinen als zu schwach
erachtet wird, um eine Beförderung von Dampfzügen mit
mehr als 80 Geschwindigkeit zuzulassen und sich er-
innert, dass die Entgleisung des französischen Südexpress-
zuges bei Dax im vorigen Jahre allgemein der hohen Fahr-
geschwindigkeit von 120 zugesenrieben wurde, so zeigt
sich deutlich, um wieviel geringer die Angriffe sind,
welche die umlaufenden Massen des elektrischen Fahr-
zeuges im Verhältniss zu der stetigen Schwerpunkts-Aende-
rungen aasgesetzten Dampf-Lokomotive auf den Oberbau
ausüben. Sogar beim Durchfahren von Weichen gegen
die Spitze ist eine Geschw. von 130 eingehalten worden.
Dass die elektrischen Einrichtungen der Wagen bei
den Versuchen sich voll bewährt haben, ist ebenso be-
merkenswerth, wird aber vielleicht weniger überraschen,
wenn man bedenkt, dass die ein-
zelnen Apparate und Stücke be-
reits vor der Inbetriebsetzung der
Wagen in den Werkstätten unter
Verhältnissen erprobt wurden, wel-
che den im Betriebe auftreten-
den möglichst nachgebildet waren.
Immerhin zeigt sich hierbei aufs
schlagendste, um wieviel sicherer
heute unsere Ingenieure zu arbei-
ten verstehen und die Bewährung
neuer Einrichtungen im Betriebe
vorher beurtheilen können, als dies
in früheren Zeiten des Eisenbahn-
wesens der Fall war. Erinnert sei
hier beispielsweise an die zahl-
reichen Versu>he mit Betriebs-
mitteln abweichender Form auf
Steilstrecken, Zahnradbahnen und
dergl., die seinerzeit regelmässig
mit einem völligen Versagen der
Neueinrichtungen zu enden pfleg-
ten und bei denen die zur Weiter-
ausbildung geeigneten Konstruk-
lions-Gedanken erst allmählich bei
der Wiederaufnahme der Versuche,
oft erst nach Jahren, klar er-
kannt undweiterentwickelt wurden.
Die bisherigen Ergebnisse der Versuche sind also als
hochbedeutsame zu verzeichnen und sie werden es noch
in höherem Maasse werden, wenn es gelingt, bei der
Fortführung derselben die Fahrgeschwindigkeit weiter zu
steigern, wozu allerdings eine wesentliche Verstärkung
des Oberbaues unumgänglich sein würde. Das Verhalten
von Fahrzeugen bei hohen Geschwindigkeiten, der LuR-
widerstand bei schneller Fahrt, die Beanspruchung des
Oberbaues, das alles sind Fragen, deren Beantwortung
für die Förderung der Wissenschaft der Technik von
hohem Werthe sind, selbst wenn eine unmittelbare prak-
tische Anwendung der hohen Fahrgeschwindigkeiten im
Eisenbahnbetriebe nicht so bald zur Erwägung kommen
sollte. Und wie wir die Grösse des Geleisteten dankbar
anerkennen, so mag manchem von uns Ingenieuren der
Gegenwart, deren durch die Praxis gestellte Aufgaben
mehr reproduktiver als produktiver Natur zu sein pflegen,
heute ein leises Bedauern aufsteigen, nicht mitberufen zu
sein zu der Lösung so grossartiger ingenieurtechnischer
Aufgaben. —
Wenn nun aber der Schnellbahn -Gedanke sich nicht
so bald verwirklichen dürfte, so werden wir einen un-
mittelbaren praktischen Nutzen der Versuche vor allem
in der Anwendung der gewonnenen Ergebnisse auf ge-
ringere Geschwindigkeiten zu suchen haben. Abgesehen
vielleicht von einigen besonders durch die hohe Geschwin-
Für die Strassenbahnen mit geringen Streckenlängen,
Wagengewichten undFahrgeschwmdigkeiten sind die Kraft-
vertheilung und der Wagenantrieb durch Gleichstrom wirih-
schaftlich und technisch in der Regel als vollkommen zu
bezeichnen. Diese Aufgabe liegt in Amerika und bei uns
hinter der Elektrotechnik. Man hat Gleichstrom-Kraftver-
theilung und -Antrieb alsdann auf die Stadtbahnen über-
tragen, wobei man zunächst mit etwas grösseren Entfer-
nungen, Geschwindigkeiten und Zuggewichten zu rechnen
hatte. Wenn auch die Anwendung reinen Gleichstromes
in manchen Fällen gegluckt ist (Chicago, Berliner Hoch-
bahn), so wurde man doch sehr bald zur Einführung
der Arbeitsübertragung durch Wechselstrom genöthigt
(Manhattan-Hochbahn in New-York, Ueberlandbahnen in
Nord-Amerika). In Europa hat sich dieses System bisher
noch nicht einzuführen vermocht.
Sobald es sich um eine weitere Steigerung der Ent-
fernung, Geschwindigkeit und des Zuggewichies handelt,
ist auch als Antrieb Gleichstrom wirthschafllich ausge-
schlossen®), und deshalb kommt überall da, wo es sich in
besonderen Fällen um Ersatz der Dampfkraft auf „Voll-
bahnen" durch elektrischen Betrieb handelt, wie bei Stadt-
und Vorortbahnen, Zweigbahnen im Gebirge, Tunnelbahnen
usw., Drehstromantrieb heute ernstlich infrage.
Wenn ferner, wie früher an dieser Stelle’^) ausgeführt
wurde, der Personenverkehr auf grössere Entfernungen
Vergl. No. 93 Jalirg. 1901 der Dtsch. Bauztg. und Centralbl. d.
Bauverwaltg. 1901.
*) Mit dem Wagen von S. & H. wurden sogar 160 km erreicht; doch
nahm man von der Wiederholung dieser Geschwindigkeit mit Rücksicht
auf den Oberbau Abstand.
•) Vergl. Rfibler & Schimpff, die Wahl des Betriebssystemes für
städtische Tiefbahnen, Dtschc. Bauztg, 1900 No. 36 ff., nnd: Der elektrische
Betrieb auf der Berliner Stadt- und Ringbahn, Glasers Annalen 1901
Bd. 46 Heft 7.
’) Dtschc. Banztg. 1901 No. 44 a, a. O.
122
No. 20.
bei uns noch nicht dicht genug ist und auch nicht sobald zu
werden verspricht, um. eine fortlaufende Beförderung an-
wendbar zu machen, d. h. eine Auflösung der Züge in Ein-
zelwagen, die in ganz kurzen Zwischenräumen verkehren, so
haben wir doch kürzere Strecken zwischen grösseren Städten,
die schon heute einen ganz gewaltigen Verkehr zu vermit-
teln haben, wie beispielsweise in den Industriegegenden
Rheinlands und Westfalens; und da kann man sich wohl
denken, dass es zweckmässig sein würde, die stellenweise
bereits eingeleitete Trennung zwischen Personen- und
Güter-Beförderung weiter auszudehnen und auf den Per-
sonengleisen elektrisch betriebene Einzelwagen mit einer
etwas gesteigerten Geschwindigkeit in kurzen Zwischen-
räumen verkehren zu lassen.
Die wirthschaftlichen Vorzüge des Drehstromes treten
um so deutlicher zutage, je weiter man sich von der bei
.Gleichstromantrieb üblichen und durch die Bauart der
Gleichstrom-Maschinen bedingten Spannung entfernt; und
um so eher werden die für Hochspannung getroffenen
Einrichtungen der Schnellbahnwagen sich auch für solche
Bahnen eignen, die sich weniger von denen der jetzigen
Eisenbahnen auf eigenem Bahnkörper unterscheiden.
Wir können daher den Gegenstand unserer Unter-
suchung nicht verlassen, ohne die Ergebnisse auf dem
GeÜete der Anwendung hochgespanntenDrehstromes zum
Bahnbetrieb zum Vergieichheranzuziehen, welche die Firma
Ganz & Cie. in Budapest unabhängig von den Berliner
Versuchen gewonnen hat.
Ungefähr gleichzeitig mit den Versuchen von S. & H.
auf der Lichterfelder Strecke wurden ähnliche Versuche
haben, als die für derartige Bahnen recht hohe Beschleuni-
gung von 0,5“ in i Sek.
Die Ges.ammt-Anordnung des Triebwagens entspricht
den Schnellbahnwagen. Die Kastenlänge beträgt i8,i
die Oberkante Wagenfussboden liegt 1455™“ über Schienen-
oberkante. Die Drehgestelle, Abbildg. 8, sind zweiachsig
und haben einen Achsstand von 2500 ““ und einen Rad-
durchmesser von 1700 Der
Abb. 9. Antriebs-Kuppelung, Rahmen des Drehgestelles ist
gegen die Achse mittels Blalt-
und Spiralfedern abgefedert, wie
bei den Schnellbahnwagen. Der
Drehzapfen ruht auf der üblichen
Querschwinge.
Jede Achse wird von einem
sechspoligen Motor unmittelbar
angetrieben. Der Ständer des
Motors ist mit dem Rahmen des
Drehgestells fest verbunden, die
Welle des Läufers umschliesst die Radachse mit einem all-
seitigen Spielraum von 60 Die Lager dieser Welle sind
fest mit dem Ständer verbunden und laufen in Oel. Der
Luftraum zwischen Läufer und Ständer beträgt 5 Die
Antriebskuppelung zwischen Motor und Rad ist in Abb. 9
schematisch dargestellt; sie erlaubt das Federn des Motors
in senkrechter Richtung. Der Ständer der Motoren bildet
das Feld, der Läufer den Anker; dieser besitzt drei
Schleifringe.
Dem Ständer des ersten Motors eines Drehgestelles
wird der Strom von 3000 Volt Spannung zugeführt. Im
Abbildg. 10, y/\'ollbahrLtreib''/vageri,Ilete Adriaiica, Valtellm-Balm Ganz u Cie. A^^\3u.da-pest.
II 11
|H
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San ö □
- -B-
Idxi □ □ mfflm
von Ganz & Cie. auf der Altofener Insel angestellt,, wo
eine mit 3000 Volt gespeiste, 1,6^01 lange Probestrecke
längere Zeit im Betriebe war, und die Ergebnisse haben
zur Anwendung des Systems auf der Valettalina-Linie
der italienischen Bahnen, Rete Adriatica, und zum Vor-
schläge desselben für die Umgestaltung der Tunnel-Stadt-
bahn Londons 8) geführt.
Die Valettalinabahn^) führt von Lecco, das von Mailand
51 km, entfernt ist, in unmittelbarer Nähe des Comersees
und im Addathal aufwärts zunächst nach Colico (39^“),
von wo sie sich nach Sondrio (41 km) und Chiavenna
(27 km) gabelt.
Eine Wasserkraft-Zentrale erzeugt. Drehstrom von 15
Perioden^O) und 20000 Volt Spannung, die in den (12) Unter-
Stationen auf 3000 Volt vermindert wird. Die Spannungs-
wandler befinden sich also hier nicht auf dem Fahrzeuge,
sondern feststehend an der Strecke. Der Strom wird in
dieser Spannung unmittelbar der Feldwicklung der Mo-
toren zugeführt; die Zuleitung geschieht durch 2 Ober-
leitungsdrähte, die über dem Gleise in bekannter Weise
ausgespannt sind; als dritter Leiter dienen die Schienen.
Die ' Beförderung der Güterzüge soll durch elektrische
Lokomotiven mit 30 km Geschwindigkeit erfolgen, für den
Personenverkehr sind einzelne. Triebwagen vorgesehen,
die mit 60 km Geschwindigkeit verkehren sollen. Für den
Kraftbedarf des Wagens und die dadurch bedingte Stärke
der Motoren wird man aber nicht so sehr die verhältniss-
mässig geringe Geschwindigkeit in Rücksicht zu ziehen
®) Vergl. Dtsche. Bauztg, 1901 No. 84.
Im folgenden hauptsächlich nach „The Engineer" igoi S. 85 ff.
11) Diese ungewöhnlich geringe Periodenzahl wurde mit Rücksicht auf
die niedrige Umdrehungszahl der Motoren gewählt; sie ist für unmittel-
bare Abzweigung eines BeleUchUingssVomes nicht mehr brauchbar.
8. März igo2.
Läufer wird Drehstrom von i. M. 200 Volt Spannung in-
duzirt, der während der Anfahrt der Feldwicklung des
zweiten Motors zugeführt wird. In den Ankerstromkreis
dieses Motors wird ein Wasserwiderstand eingeschaltet,
der allmählich kurzgeschlossen wird und das Drehmoment
■i
Siemens & I
Halske [
Allgemeine
Elektrizitäts-
Gesellschaft
Ganz & Cie.
Kastenlänge mm
oorvno
21 000 '
1 18 100
Gesammtlänge mm
2309+
22 000
19 170
Kastenbreite mm
Fussboden über Schienenober-
2560«)
2800
2700
kante mm
1415
Sitzplätze ..........
48
40
Achsenzahl eines Drehgestelles ,
3
Achsstand der Drehgestelle mm
2 . 1900
,2500
Raddurchmesser ..... mm
I 2C0
Auflagerung des Drehzapfens . .
fest
fest
federnd
Anzahl der Motoren
Antrieb der Achse
Auflagerung der Motoren
direkt
direkt
federnd
federnd
zum Untergestell . . .
—
federnd
fest
Gewicht eines Motors . . . . t
Leergewicht des Wagens . . t
89
86
Netzspannung Volt
Primärspannung des Motors Volt
1850-1150
Periodenzahl
50 !
Fahrgeschwindigkeit . km/Stde.
Beschleunigung bei der Anfahrt
200-250
200 — 250
60. _ .
Leistung des Wagens
0,4
0,4
0,5
bei der Fahrt P. S. . .
bei der Anfahrt P. S.
3000
3000
I 350
Flüssigkeits-
Regelung
. Mit den Widerständen 288«
Metall-
Flüssigkeits-
widerstände,
widerstände
widerstände
Aaskaden-
schaltung
T23
der Motoren annähernd konstant hält. Diese Schaltung wird
„Kaskadenschaltung" genannt^*). Der Läufer des ersten
Motors verhält sich, solange er Strom auf den zweiten,
gleich grossen und mit derselben Geschwindigkeit laufen-
den Motor abgiebt, wie ein Läufer doppelter Umdrehungs-
zahl. Er erreicht demnach den Beharrungszustand (Syn-
chronismus), sobald er halb so schnell läuft, als der
Periodenzahl des Feldstromes entspricht, im vorliegenden
Falle bei 30 Geschwindigkeit. Nun wird der zweite
Motor ausgeschaltet und der Wasserwiderstand ebenso in
den Ankerstromkreis des ersten Motors eingeschaltet, wo-
rauf sich der Wagen weiter bis zu 60 km beschleunigt. ,
Der erste Motor allein ist berechnet auf 150 P. S.
Leistung, im Dauerzustände gemessen, gleich 300 P.S. für
den Wagen; beim Anfahren soll die 4,5 fache Leistung
abgegeben werden, entsprechend 1350 P.S. für denWagen.
Das Gewicht eines Motors beträgt 3,5 k
Schaltet man nach Erreichung der vollen Geschwin-
digkeit wieder den Ständer des zweiten Motors in den
Ankerstromkreis des ersten ein,
so verhält sich dessen Läufer
wiederum wie ein solcher mit
der doppelten Geschwindigkeit;
das bedeutet jetzt 100 % Vorei-
lung (Uebersynchronismus). Der
Motor giebt also bis zur Erzie-
lung des Synchronismus (Mit-
eilung), d. h. der Geschwindig-
keit von 30 Strom ins Netz
zurück und wirkt bremsend *2).
Die Verzögerung bis zur halben
Geschwindigkeit entspricht 75%
der Anfahrenergie; unter Be-
rücksichtigung der Verluste
sollen 30 % der Anfahrenergie
nutzbar gemacht werden.
Die Anfahrwiderstände liegen
unter demWagenkasten; sie be-
stehen aus einem Gefäss mit
mehreren Zellen, in die von
oben die Metallplatten hinein-
hängen, während der Zutritt der
Flüssigkeit(Poitaschelösung) von
unten erfolgt und zwar unter
Luftdruck - Antrieb. Die Ge-
lägern laufen, und von denen der Strom durch seitlich
angepresste Kohlenkontakte abgenommen wird (vgl. Ab-
bildg. lo). Die Hochspannungs -Leitungen innerhmb des
Wagens sind als isolirte Bleikabel ausgebildet und allerseits
mit Luftzwischenraum in geerdeten Metallrohren geführt.
Der Hauptumschalter befindet sich im Führerstande, bei
späteren Ausführungen soll er unter den Wagenkasten
gelegt und durch Luftdruck bethätigt werden. Durch
Luftdruck geschieht auch die Hebung und Senkung des
Stromabnehmers. Der Fahrschalter hat nur drei Stellun-
gen, halbe und volle Geschwindigkeit und Nullstellung.
Die Aus- und Einschaltung der Widerstände geschieht
selbstthätig. Die Luftpumpe, welche auch die Druckluft
für die Westinghousebremse erzeugt, befindet sich in
einem besonderen Raume neben dem Führerstande.
Gegenüber diesem Raume liegt ein Abort; am ande-
ren Ende des Wagens ist ein Packraum von 2,45 ™ Nutz-
länge angeordr.et; es bleiben zwei mittlere Räume von
6,8 und 3,75“ Länge, die für 22 Sitzplätze ausgenutzt
sind. Das Wagengewicht be-
trägt 50 k Unter Zugrunde-
legung des für die Schnellbahn-
wagen angenommenen Ver-
gleiches würde der Wagen von
Ganz & Co. für 32 Personen
Raum bieten; bei 52,4 t Ge-
sammtgewicht würden also auf
den Sitzplatz 1,6 1 entfallen.
Die Hauptangaben der 3 be-
schriebenen Wagen fasst die
vorstehende Tabelle Seite 123
nochmals zusammen.
Ein Vergleich zwischen den
Betriebsmitteln der Schnellbahn
und der Valettalinabahn soll hier
nicht verfolgt werden; aus der
Gegenüberstellung sei nur zwei-
erlei geschlossen: Man sieht zu-
nächst ein , dass das hohe Ge-
wicht der Drehstrom - Hoch-
spannungs-Betriebsmittel ledig-
lich durch die hohe Geschwin-
digkeit bedingt ist, nicht etwa
im System liegt, und dass
sich das Gewicht für den Sitz-
schwindigkeit des Aufsteigens der Flüssigkeit (und damit die
Beschleunigung der Anfahrt bezw. umgekehrt die Ver-
zögerung der Bremsung) wird durch die Grösse der Ein-
strömungsöffnung bestimmt. Um nach Erreichung der
halben Geschwindigkeit den Widerstand schnell auszu-
schalten, wird die Flüssigkeit durch eine Art Kolbenpumpe
plötzlich herausgesogen.
Die zwei Stromabnehmerbügel des Wagens bestehen
aus je zwei Metallstangen, die beiderseits der Laterne auf
dem Wagendach in der üblichen Weise befestigt sind,
und einem die oberen Enden derselben verbindenden
Holzstabe. Dieser trägt zwei Stromabnehmer -Walzen,
Kupferzylinder von 90 ““ Durchmesser, die auf Rollen-
platz bei geringerer Fahrgeschwindigkeit bedeutend ver-
mindern lässt. Man wird aber auch weiter bemerken,
dass trotz mannichfacher Abweichungen im Einzelnen
doch die Ausführungen der drei Firmen in der Gesammt-
anordnung des Wagenantriebes soweit übereinstimmen,
dass man die Erwartung aussprechen kann, dass unter
Berücksichtigung der Erfahrungen des Betriebes sich sehr
bald Regelanordnungen für die Anwendung des hochge-
spannten Drehstromes auf den Betrieb von Vollbahnen
bilden werden, so dass es unbedenklich erscheinen mag,
denselben schon heute für gewisse Fälle zur baldigen
Anwendung bestimmt ins Auge zu fassen. —
Schimpff.
Deutschland auf der Turiner Ausstellung für moderne dekorative Kunst.
Dnter allen namhaften Kulturstaaten hat Italien am
längsten sich gegen die moderne Bewegung in der
dekorativen Kunst verschlossen; noch auf der letzten
Pariser Weltausstellung konnte man nur bei gründlichem
Suchen unter der Ueberzahl routinirt eklektischer Arbeiten
Die Kaskadenscha'tung wurde zuerst von Siemens & Halske angegeben.
Vergl auch Kobler & Schimpff, ein Entwurf fQr die EiafQbrung des
elektrischen Betriebes auf derWaunseebahn, Dtsche. Bauztg. 1898, No. 57 u. 83.
8 März T902.
Spuren des neuen Geistes entdecken. Nun aber scheint
der Bann gebrochen zu sein; es wird mit allen Kräften
dahin gearbeitet, den verloren gegangenen Vorsprung
wieder einzuholen. Offenbar aus solchen Absichten her-
aus ist der Gedanke hervorgegangen, im Laufe des kom-
menden Sommers in Turin eine „I. internationale Aus-
stellung für dekorative Kunst“ zu veranstalten. Man
hat eingesehen, dass auf dem alten ausgefahrenen Weg
124
an kein Weiterkommen zu denken ist, und man will nun
durch ein Feuerzeichen die verdunkelnden Nebel ver-
scheuchen und den heimischen Künstlern und Kunsthand-
werkern die neue Bahn beleuchten, damit sie einerseits
deutlich erkennen, in welche Rückständigkeit sie gerathen
sind, und andererseits Vertrauen fassen zu den neuen Be-
strebungen, Aber
neben der Vorfüh-
rung der modernen
dekorativen Kunst
Frankreichs , Eng-
lands, Deutschlands
usw. wollen diemo-
dernen italienischen
Kunsthandwerker
vor ihren Lands-
leuten und vor der
ganzen gebildeten
Welt Zeugniss da-
von geben, dass sie
auch ohne Anleh-
nung an die alten
nationalen Stile
wohl im Stande
sind, Tüchtiges zu
leisten und dass der
alte schöpferische
Kunstgeist Italiens
noch nicht erstor-
ben ist.
Schon auf der
1899 er Kunstaus-
stellung in Venedig
hatte man den Ver-
suchunternommen,
der modernen de-
korativen Kunst
eine Stätte zur Aus-
sprache zu be-
reiten; aber der
Versuch schlug in-
sofern fehl, als kein
italienischer Künst-
ler sich damals für
sie interessirte. Erst
zu Anfang des
letzten Jahres regte
es sich wieder in
den interessirten
Künstlerkreisen;
die Pariser Aus-
stellung hatte vielen
die Augen geöffnet,
und die Besorgniss,
die bisherige künst-
lerische Stellung
völlig einzubüssen,
drängte ganz allge-
mein dahin, durch
irgend ein heroi-
sches Mittel die
Fesseln derEklektik
zu sprengen und
den Anschluss an
die moderne Be-
wegung zu ge-
winnen. Als bestes
Mittel erschien eine
grosse Mobilma-
chung der kunst-
gewerblichen Kräf-
te aller Kultur-
staaten und deren
Versammlung auf
italienischem Bo-
den. In Mailand
hattemansich damit
begnügen wollen,
eine rein italie-
nische Ausstellung
dieser Art zu ver-
anstalten; aber der
Gedanke wurde so-
fort aufgegeben, als man in Turin den Plan anregte, dort
eine internationale Ausstellung der modernen dekorativen
Kunst abzuhalten. Die mit grosser Begeisterung und
Energie alsbald in Angriff genommenen Arbeiten sind
nun soweit gediehen, dass die Eröffnung der Ausstellung
mit Sicherheit zu Ende April erwartet werden darf.
Die Grundgedanken für den Inhalt der Ausstellung
sind: ,.Man will den Besuchern nicht das Schauspiel einer
Sammlung von Dingen bieten, die verschieden in ihrer
Bestimmung und in ihrem Stil sind, sondern eine Reihe
dekorativer Einzelwerke und vollständiger Raumgruppen,
welche mit den wirklichen Bedürfnissen des Lebens über-
einstimmen. Man
will nicht, dass die
ausgestellten Ge-
genstände und De-
korationen aus-
schliesslich auf die
Bedürfnisse des
Reichen berechnet
seien, sondern man
strebt nachschönen
und eleganten Din-
gen, die auch dem
Minderbemittelten
zugänglich sind“
(Alfredo Melani in
„Kunst und Hand-
werk“ 1901). Man
will dabei nicht nur
das moderne Haus
in seinen dekora-
tiven Elementen
und als dekorative
Einheit vorführen,
sondern ebenso das
Haus unddieStrasse
in ihrem dekora-
tiven Zusammen-
hang. Es ist also für
alle kunstgewerb-
lichen Produkte
Raum, aber ebenso
auch für Baupläne,
Brunnenanlagen,
Plakate, Strassen-
laternen usw.
Die Ausstellung
findet ausserhalb
der Stadt in dem
amPo schöngelege-
nen Valentino-Park
statt; den Mittel-
punkt des Ausstel-
lungsgebäudes bil-
det eine Rotunde,
welche ausschliess-
lich Festzwecken zu
dienen hat und die
„als der erste mo-
dern gedachte Kup-
pelbau an sich schon
eineinteressanieEr-
scheinung bildet“;
von hier aus laufen
in radialer Richtung
Gallerien , welche
die Rotunde spei-
chenartig mit der
konzentrisch ange-
ordneten äusseren
(halbkreisförmigen)
Gallerie verbinden.
Die meisten dieser
den einzelnen Län-
dern zugeiheiltenra-
dialenGallerien sind
durchaus gleich-
mässig in rd. 13 m
Breite und 10 ™
Höhe durchgeführt
und erhalten ihre
Beleuchtung durch
Fenster, die 5 “
über dem Boden
angeordnet sind;
man kann nicht
sagen, dass diese
Anordnung für die
Zwecke der Ausstellung unter allen Umständen förder-
lich sei, namentlich nicht, wo es sich um das Wohnhaus
selbst und dessen Einrichtung handelt.
Die Ausstellungslust war in Deutchland anfänglich sehr
gering; da aber die Berichte über die Betheiligung Frank-
reichs, Englands und Oesterreichs deutlich erkennen Hessen,
Die neue protestantische Kirche in Aeschach-Hoyren.
Architekt: Prof. Fr. von Thiersch in München.
8. März 1902.
r2,S
dass eine ungenügende Betheiligung oder gar ein völliges
Fernbleiben Deutschlands die mühsam eroberte Stellung
des deutschen Kunstgewerbes gefährden würde, so musste
zur Werbung für die Ausstellung geschritten werden. Das
Turiner Comite hatte sich bereits einzelner kunstgewerb-
licher Gruppen — Münchener vereinigte Werkstätten,
Dai'mstädter Künstlerkolonie — versichert ; ein eigent-
liches Werben und Wirken für die Ausstellung begann aber
•erst, als der Bayerische Kunstgewerbe-Verein zu München,
an dessen Spitze Friedr. v. Thiersch steht, im Hoch-
sommer zum Vorort des Verbandes deutscher Kunstge-
werbe-Vereine erwählt worden war. Im Aufträge des
Vorortes begab sich Arch. H. E. v. Berlepsch Anfang
September v. J. nach Turin und traf dort, zum Theil
unter Mitwirkung des deutschen Konsuls v. Külmer, alle
nöthigen Abmachungen mit dem Comite. Am 15. Sept.
traten die Delegirten der deutschen Kunstgewerbe- Vereine
in Leipzig zusammen und organisirten unter dem Vorsitz
V. Berlepsch’s einen Arbeits-Ausschuss auf der Grundlage
grösstmöglicher Arbeitstheilung. Es wurden für eine An-
zahl deutscher Städte, die sich theils aus politischen, theils
aus künstlerischen Rücksichten dafür eigneten, Mitglieder
des Arbeits-Ausschusses ernannt mit dem Rechte der
Kooptation und mit der Aufgabe, in den ihnen vorgezeich-
neten Wirkungskreisen für die Ausstellung zu werben und
für die würdige Ausstattung der ihnen im Ausstellungsbau
zugewiesenen Räume zu sorgen; dabei bilden die Mitglie-
der des Arbeits-Ausschusses zugleich die Aufnahme-Jury.
Auf ein bald nach dieser Zusammenkunft an das
Reichsamt des Inneren gerichtetes Gesuch um Geldunter-
stützung erfolgte unter dem 7. Nov. v- J. die Mittheilung,
dass 50000 M. in den Reichshaushalts - Etat eingestellt
werden würden. Obgleich diese Summe nur ungefähr die
Hälfte der allgemeinen Kosten beträgt, so wurde dennoch
zur Bearbeitung der Pläne, geschritten in der Hoffnung,
dass vonseiten der Einzelstaaten noch weitere Zuschüsse
gewährt werden würden. In der That haben z. B. zuerst
Bayern 6000 M., dann Preussen 10000 M. zugesichert.
Mit der Bearbeitung des Bauplanes für die deutsche
Gallerie wurde der Vorsitzende des Arbeits-Ausschusses,
Maler und Architekt H. E. v. Berlepsch - Planegg bei
München betraut. Als Grundsatz wurde dabei aufgestellt,
dass — mit Ausnahme der mehr repräsentativen Räume
und der für Fachausstellungen reservirten Säle — allen
Gelassen der Charakter von Wohnräumen gegeben wer-
den solle. Es war daher von hohem Werth, dass es
V. Berlepsch bei seinen Verhandlungen in Turin gelungen
war, das dortige Comite, welches alle übrigen Gallerien
in durchaus gleichartiger Weise im Rohbau herstellte, zu
dem Zugeständnisse zu bewegen, für die deutsche Abthei-
lung von dem Schema abzugehen und dieselbe, auf Rechnung
der Ausstellung, aber nach den vom deutschen Ausschuss
ausgearbeiteten Plänen, ausführen zu lassen. Dadurch
konnte auch der oben gerügte Uebelstand mit den zu hoch
liegenden Fenstern beseitigt und dem grössten Theile der
deutschen Gallerie der Charakter wirklicher Wohnräume
gegeben werden. Eine vom Verfasser des Entwurfes her-
rührende Beschreibung des Planes sagt darüber u. a., dass
in dieser Beziehung keine andere Nation „über gleich
Die Deutsche Abtheilung
auf der
Turiner Ausstellung für
moderne dekorative
Kunst.
\ — ‘ri s
Die Kunstgewerbe -Ausstellung in München des
Jahres 1904.
nie Pläne für eine im Jahre 1904 in München abzu
haltende Kunstgewerbe-Ausstellung, von welchen
wir bereits in No. 17 berichten konnten, haben durch
einen Erlass des Prinzregenten Luitpold in Bayern an den
bayerischen Staatsminister des Inneren vom i. März 1902
eine greifbare Gestalt gewonnen. In dem Erlass wird
ausgeführt, das bayerische Kunstgewerbe habe in den
letzten Jahren einen so glänzenden Aufschwung genom-
men und weit über Deutschlands Grenzen hinaus einen
so fruchtbringenden Einfluss ausgeübt, dass die Zeit ge-
kommen erscheine, „die jüngsten Errungenschaften auf
kunstgewerblichem Gebiete in Form einer in der Haupt-
und Residenzstadt Bayerns abzuhaltenden Ausstellung den
weitesten Kreisen vor Augen zu führen“. Der Prinz-
regent glaubt, „dass hierdurch das Interesse wie das Ver-
ständniss für den hohen ethischen und materiellen Werth,
welchen die gewerbliche Kunst für die breitesten Schichten
des Volkes hat, eine nicht unwesentliche Förderung er-
fahren und dass eine solche Ausstellung den kunstgewerb-
lichen Kreisen die Anregung zu gesteigerter Schaffens-
kraft 'geben werde“. Als Zeitpunkt ist das Jahr 1904 in
Aussicht genommen, als Ort der Glaspalast in München.
— Wir begrüssen diesen, augenscheinlich wiederum aus
dem schönen idealen Wettstreit zwischen Süden und
Norden, welchen wir in der letzten Zeit bemerken konnten,
hervorgegangenen Plan mit warmer Freude. Die Düssel-
dorfer Gewerbe-Ausstellung dieses Jahres wird selbst in
ihrer naturgemässen räumlichen Begrenzung es doch
wieder zeigen, dass eine Ausstellung mit allgemeinerem
Charakter einen grossen Theil des didaktischen Werthes
verliert, in welchem man eine Hauptwirkung der Aus-
stellungen seit ihrer Begründung erblickt hat. Je all-
gemeiner diese Erkenntniss ist, um so grösser ist der
Beifall, welchen die auf einzelne Gebiete beschränkten
Ausstellungen, namentlich die Ausstellungen mit künst-
lerischen Grundzügen, in Zukunft wieder finden werden
in dem Andenken, welches einzelne Veranstaltungen dieser
Art der Vergangenheit hinterlassen haben. Die Kunst-
gewerbe-Ausstellung in München vom Jahre 1876, welche
eine Huldigung an die ,, Werke der Väter“ bedeutete,
lebt in ihrer epochemachenden Bedeutung in lebendiger
Erinnerung fort. Das Andenken an die zweite Münchener
Kunstgewerbe-Ausstellung vom Jahre 1888, die in ihrer
Art ein nicht minder gelungenes Werk wie die erste war,
leidet leider unter dem Eindruck des materiellen Miss-
erfolges, welchen die umfangreichen baulichen Gestaltungen
mit sich brachten. Gedanken, diese Erinnerung zu tilgen,
tauchten auf, als der Bayerische KunstgewerbeWerein in
München die Feier seines 50jährigen Bestehens beging;
jedoch die Nachwirkungen der Pariser Weitausstehung
No. 20.
126
günstige Platzverhältnisse verfügt,“ — „Die Räume selbst
wechseln in den Abmessungen unter sich ab, sind bald
höher, bald niedriger, heller oder im Lichte gedämpfter
und werden schon durch die Gesammt-Anlage eine Fülle
von Durchblicken mannichfaltigster Art bieten, die um so
reicher sein dürfte, als auch die farbige Stimmung der
einzelnen Gelasse stark wechselt. Es unterliegt keinem
Zweifel, dass dadurch allein schon in der deutschen Ab-
theilung ein Gedanke zum Ausdruck kommt, der den etwas
langweilig angeordneten geradlinigen Gallerien gegenüber,
wie sie den anderen Nationen zugewiesen wurden, durch-
aus fehlt; der Gedanke der eigentlichen Wohnungs-An-
ordnung.“
Der auf S. 126 gegebene Grundriss ist nicht die Arbeit
eines Einzelnen, sondern z. Th. das Ergebniss der Be-
rathungen jener Mitglieder des Arbeits-Ausschusses, welche
die einzelnen Landesgruppen übernommen haben. Das
sind (ausser v. Berlepsch, der neben dem Vorsitz auch
die bayerische Gruppe leitet); Prof. Pet. Behrens, Darra-
stadt (Hessen und die Hansa-Städte), Arch. Herrn. Billing,
Karlsruhe (Baden), Prof. Karl Gross, Dresden (Sachsen),
Prof. F. A. O. Krüger, Stuttgart (Württemberg), Arch.
Otto Lüer, Hannover (Nordwest-Deutschland), Arch.Bruno
Möhring (Preussen), Arch. Ludw. Neher, Frankfurt a.M.
(für das Gebiet des mitteldeutschenKunstgewerbe-Vereins).
Die Geschlossenheit und Vielgestaltigkeit der Anlage
ergiebt sich schon aus dem Grundriss, die Zeichnungen
bedürfen daher nur weniger erklärender Worte. Den
Eingang aus der Rotunde in die deutsche Abtheiiung ver-
mittelt ein Vestibül (von Pet. Behrens, No. i) mit einem
Brunnen; darauf folgt im Mittelpunkt der Anlage eine
grosse Halle (von Herrn. Billing, Kaum 16), die „als Ruhe-
punkt inmitten der mannichfach gearteten Gemächer grosse,
ruhig gegliederte Flächen aufweist und eine wohlthuende
Unterbrechung gegenüber den vielen Einzelheiten bilden
soll.“ Diese beiden Gemächer , sowie der prunkvolle
Majolikasaal (25) und die kleine Diele (20) sind die einzigen
Räume, welche nicht auf Oberlicht bezw, hohes Seitenlicht
verzichten konnten. Die Zutheilung der Gelasse an die
Mitglieder des Arbeits-Ausschusses und deren Mitarbeiter
ist zumeist ohne Rücksicht auf lokale Zusammengehörigkeit
erfolgt; so hat Behrens die Räume i, iiA, 24, Billing 2,
16, 23, Berlepsch 19—21 und 32—34 unter die Fittiche ge-
nommen, und nur jene von Möhring, 11—15 und 17, so-
wie von Krüger (für Stuttgart und die Vereinigten Werk-
stätten in München), 3— 9A und 18, können als zusammen-
gehörige Raumgruppen betrachtet werden. Die Säle 26
und 28 sind den Materialgruppen, Saal 26 dem Buchge-
werbe zugedacht; hier werden auch (in einem besonderen
Lesezimmer) die Fachzeitschriften in ihren letzten Jab’*-
gangen aufliegen.
Möge die so spät in Angriff genommene deutsche
Abtheilung rechtzeitig fertig werden und den erhoxften
idealen Erfolg bringen! — q
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten -Verein zu Berlin. In den vergangenen
beiden Monaten fanden eine Reihe sehr interessanter
Vortragsabende statt. Ganz besonders genussreich ge-
staltete sich der Vortragsabend mit Damen am 13. Januar
d. J., der von 277 Mitgliedern und Gästen besucht wurde.
Hr. Meydenbauer hielt einen fesselnden Vortrag über
„Mittelalterliche Bauten im grösseren Umkreise
von Berlin“, der durch Lichtbilder nach den vorzüglichen
und künstlerisch vollendeten Aufnahmen der kgl. Mess-
bildanstalt eine Illustration erfuhr, wie man sie sich nicht
besser wünschen konnte. Die unter der Leitung des Vor-
tragenden entstandenen Aufnahmen, die noch ständig
vermehrt werden, bilden im Denkmalarchiv, das jetzt etwa
8000 Platten umfasst, ein unschätzbares Material für den
Architekten und baugeschichtlichen Forscher. Aus der
Fülle des vorgeführten Stoffes nennen wir nur die Namen
Jerichow, Tangermünde, Stendal, Wittenberg, Torgau,
Brandenburg, Magdeburg. —
Vers, vom 20. Januar 1902. Vors.Hr. Becker. Anwes.
68 Mitgl. und Gäste.
Nach einigen geschäftlichen Mittheilungen des Vor-
sitzenden erläuterte zunächst Hr. Dobber mit einigen
Worten, die sich auf Entstehungsart und Malweise er-
streckten, seine im Saale ausgestellte reichhaltige Samm-
lung von Aquarellen landschaftlichen und architektonischen
Gegenstandes, die sämmtlich in wenigen Stunden am
Orte gemalt, eine frische Auffassung und grosse Sicher-
heit in der Behandlung der Farben erkennen Hessen,
Hierauf sprach Hr. Hacker über das Thema „Wie
gelangt der Hochbau zu Ansehen beim Publik um?“
von 1900 Hessen es in begreiflicher Weise nicht dazu
kommen, dem latenten Aussteliungsgedanken die Nahrung
zu geben, che zu seiner Verwirklichung nöthig gewesen
wäre. Selbst der gro^sartige Plan, welchenmanin den leiten-
den Kreisen des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins für
eine Bebauung der Kohleninsel in München hegte, vermochte
den Gedanken nicht zu festigen. So stehen die Hoffnungen
nunmehr auf dem Jahre 1904, welcher Zeitpunkt ohne er-
kennbaren äusseren Grund gewählt wurde, aber hinläng-
lich bemessen sein dürfte, um eine würdige Ausstellung
einzuleiten. Freilich, der Zeitraum von knapp 2’/4 Jahren
drängt zu ungesäumter Vornahme der Vorarbeiten, wenn
auch der Prinzregent glaubt, dass die in diesem Jahre statt-
findende Internationale Kunstgewerbe- Ausstellung in Turin
Gelegenheit geben werde, auf diesem Gebiete weitgehende
Erfahrungen zu sammeln und damit wesentlich zum Ge-
lingen einer Ausstellung in München beizutragen.
Vor allem und was das Wichtigste ist, erfreut sich
der Bayerische Kunstgewerbe- Verein, welchem wohl in
der Hauptsache die Durchführungs- Arbeiten zufallen wer-
den, einer leitenden Persönlichkeit, des Architekten Pro-
fessor Friedrich von Thiersch, welche mit feinstem
Künstlergeist ausgestattet, unbefangen und angesehen ge-
nug ist, allen widerstreitenden Richtungen gleichmässig
zu ihrem Rechte zu verhelfen und unberechtigte An-
sprüche einzelner Gruppen zurückzuweisen. Der Verein
erfreut sich aber auch in ihm und in den ihm als Mit-
8. März T902
Der Gedankengang war etwa der, dass unsere heutige
Architektur keinen Fortschritt gegen Antike, Mittelalter,
Renaissance bedeute, weil sie keinen neuen konstruktiven
Gedanken geschaffen habe, weil unseren Architekten das
statische Gefühl fehle. Das müsse geweckt werden durch
eine andere Lehrmethode, als sie jetzt an den technischen
Hochschulen üblich sei. Die Ausführungen des Redners
blieben nicht ohne Widerspruch, namentlich konnten die
Hrn. V. Ritgen und Blankenstein nicht anerkennen,
dass das Ansehen der Architektur gesunken sei. Wenn
augenblicklich das Ansehen des Ingenieurs — wenn man
überhaupt solche Vergleiche ziehen wolle — höher stehe
als das der Architekten, so läge das daran, dass die Auf-
gaben des Ingenieurs, namentlich die grossen Verkehrs-
aufgaben, unsere Zeit beherrschten.
Die Hrn. Nitschmann, Solf und Reimer erstatte-
ten dann Bericht über den Ausfall von Monats-Konkurrenzen
und zwar über den Entwurf zu einer bewegl. Gleisbrücke,
einer ländlichen Umfriedigung mit überdecktem Einfahrts-
thor und zu einem Geschäftshause. Vereinsandenken er-
hielten in den beiden ersten Wettbewerben die PIrn. Reg.-
Bmstr. Curt Bach und Gerhardt, bei dem 3. war keine
der beiden Lösungen befriedigend. —
Am 23. Januar fand eine aussergewöhnliche Versamm-
lung statt und zwar wiederum ein Vortragsabend mit
Damen, an der nicht weniger als 324 Mitgl. und Gäste
den grossen Saal bis zum letzten Platz füllten. Hr. Bruno
Schulz hielt einen Vortrag über die „Ausgrabungen
in Baalbek“. Diese Ausgrabungen erfolgen im Auf-
träge des Deutschen Kaisers, der die grossartigen Ruinen
auf seiner Reise nach Palästina besuchte. Die Aus-
grabungsarbeiten werden nach einem Plane Koldewey’s
arbeiter beigegebenen Persönlichkeiten des Vorstandes
einer Gruppe von Männern, deren Thatkraft die bayerische
Kleinkunst grosses Ansehen und reiche Förderung ver-
dankt. Turin in diesem Jahre und München nach zwei
Jahren werden zeigen, was die Pariser Weltausstellung
nicht in ausreichendem Maasse gezeigt hat und auch viel-
leicht nicht zeigen konnte, ob die moderne Bewegung in der
Kleinkunst bereits so feste Formen angenommen und
einen so weitgehenden Einfluss auf weitere künstlerische
und nichtkünstlerische Kreise genommen hat, dass man
von ihr als einer in sich geschlossenen und gefestigten
Thatsache sprechen kann. Den Wettkampf der Richtun-
gen und Stile zu beobachten, wird namentlich auf dem
fruchtbaren Boden Münchens von besonderer Anziehungs-
kraft deshalb sein, weil hier in den letzten Jahren Ver-
gangenheit und Zukunft einander am unvermitteltsten ge-
genüber gestanden haben. Es wird sich in der voraus-
sichtlichen Nebeneinanderstellung einer freien Anwendung
des Vergangenen und einer noch ungleich freieren Ge-
staltung des Zukünftigen zu zeigen haben, ob die Gründe,
die ihre Wurzeln in den Versprechungen für die Zukunft
suchen, stark genug sind, die Gründe, die in der Erfah-
rung der Vergangenheit wurzeln, zu verdrängen. Oder
sollte uns das interessante Schauspiel geboten werden,
dass beide Richtungen sich auf dem Boden der Natur
wieder vereinigen? Es giebt Anzeichen hierfür. —
127
von dem Archäologen Puchstein, dem Vortragenden und
Reg.-Bfhr. Krencker geleitet. Sie haben sich bisher
namentlich erstreckt auf den grossen sog. Helios-Tempel.
Redner gab in seinen Schilderungen, die durch eine grosse
Anzahl trefflicher Lichtbilder erläutert wurden, ein packen-
des Bild von der überwältigenden Grossartigkeit der Ruinen
und dem ungeheuren Maasstabe der aus riesigen Stein-
blöcken aufgethürmten Bauten, die z. Th. vor ihrer Voll-
endung hauptsächlich durch Erdbeben zerstört wurden.
Der Vortrag wurde mit reichem Beifall aufgenommen. —
Fr. E.
Preisbewerbungen.
Schinkelwettbewerb des Architekten-Verelns zu Berlin.
Am 3. d. M. wurde der Ausfall der diesjährigen Wettbe-
werbe mitgetheilt. Auf dem Gebiete der Architektur war
die Aufgabe gestellt, den „Entwurf zu einer Volks-
bibliothek mit Lesehalle und Sälen für Hand-
fertigkeits-Unterricht" zu liefern, also eine Aufgabe,
für die es in Deutschland Vorbilder nicht giebt und für
welche auch die englischen und amerikanischen Einrich-
tungen ähnlicher Art nicht raaassgebend sein konnten.
Die Verfasser mussten daher neue Wege gehen, einen
neuen Baugedanken in entsprechende Formen umsetzen.
An dieser Schwierigkeit sind die Mehrzahl der 16 Bewerber
gescheitert, sodass das Gesammtergebniss nicht auf der
Höhe früherer Jahre steht. Es wurden 3 Schinkelmedaillen
verliehen an die Entwürfe „Ehrenhof", Verf. Hr. Reg.-
Bfhr. A. Eckardt in Sömmerda b. Erfurt; „Deutsch II“,
Verf. Hr. Reg.-Bfhr. Richard Dähne in Merseburg und
„Nike“, Verf. Hr. Reg.-Bfhr. Benno Kühn in Trier.
Dem erstgenannten Entwürfe wurde auch einstimmig
der Schinkelpreis zuerkaniit, da er sich durch seine
klare und knappe Grundrisslösuug vor allen anderen aus-
zeichnet.
Auf dem Gebiete des Wasserbaues war der. „Ent-
wurf zu einer Thalsperre im Queissthale bei
Marklissa“ als Aufgabe gestellt. Wie üblich, war die
Betheiligung hier nur eine schwache. Von den 14 Be-
werbern erhielt der Verfasser der Arbeit mit dem Kenn-
wort „Landwirthschaft und Industrie“, der eine
aufgelöste Mauer in Beton-Eisenkonstruktion entworfen
hatte, Medaille und Schinkelpreis. Als Verfasser ergab
sich Hr. Reg.-Bfhr. Fritz Beust er in Gmünden in der Eifel.
Im Eisenbahnbau war die Aufgabe einer „Umge-
staltung des Bahnhof es Lehrte “ gegeben. Es waren
5 Arbeiten eingegangen, von denen 3 mit der Schinkel-
Medaille ausgezeichnet werden konnten. Es sind dies die
Arbeiten mit den Kennworten „Fortes fortuna juvat“,
„Einfahrtssignal“ und „Doch“. Der ersten Arbeit
wurde auch der Schinkelpreis verliehen. Als Verfasser
ergaben sich die Firn. Reg.-Baufhr.: William Wolff in
Berlin, Georg Klinner in Frankfurt a. O. und Hugo
Lippmann in Berlin.
Die Entwürfe sind bis ii. März einschl. in der Aula
der Techn. Flochschule in Charlottenburg, an Wochen-
tagen von 10—4, am Sonntag von 10— i Uhr ausgestellt. —
Wettbewerb zur Erlangung vonEntwürfen zu elnemneuen
Wasserwerk für Kolberg (s. S. 116). An die Stelle der be-
stehenden Versorgung mit Flusswasser soll Versorgung
mit — künstlich zu erschliessendem — Quellwasser treten,
wozu ein geeignetes Gelände in etwa 9 Entfernung
von der Stadt zur Verfügung steht. Das neue Werk muss
von wesentlich grösserer Leistungsfähigkeit als das alte
sein; es soll einem Tages -Höchstbedarf von 7100^^111 ge-
nügen, gegenüber dem bisher beobachteten Höchstver-
brauch von 5035 ci>m; und es ist ferner eine Erhöhung des
Leitungsdruckes von 2,5 auf 3.5 Atm. nothwendig. Das
bestehende Werk wird mit Wasserkraft unter aushilfs-
weiser Benutzung von Dampfkraft betrieben.- Die Frage:
ob die bisherigen Betriebs -Einrichtungen einschliesslich
des Hochreservoirs zu erweitern oder ganz oder theil-
weise aufzugeben und durch Neuanlagen zu ersetzen
seien, bleibt der Beurtheilung der Bearbeiter überlassen,
doch ist letztere in zweifelsfreier Weise zu begründen.
Es werden ausser denjenigen Zeichnungen, zu wel-
chen das Messtischblatt und andere dem Programm beige-
gebene Unterlagen benutzbar sind, verlangt: Entwürfe der
auf dem Quellengelände zu errichtenden Baulichkeiten,
Maschinen- und sonstigen Anlagen, sowie des Hochreser-
voirs ; die anzuwendenden Maasstäbe sind nur zumtheil vor-
geschrieben, zumtheil der Wahl der Bewerber überlassen.
Beizufugen sind den Entwürfen prüfungsfähige Be-
rechnungen der Brunnen, der Maschinenanlage, der Rohr-
leitungen und Reservoire, sowie der zu erwartenden Be-
triebs- und Unterhaltungskosten des neuen Werkes;
endlich werden ein genauer, prüfungsfähiger Kostenan-
schlag und ein Erläuterungsbericht verlangt, zu dessen
Inhalt eine Anzahl bestimmter Fragen aufgestellt ist. Es
besteht die Absicht, einem der Bewerber die Ausführung
zu übertragen.
Dem Preisgericht gehören als Techniker an die Firn.
Geh.Reg -Rath Prof. Riedl er -Berlin, Prof. F. W. Büsing-
Berlin, Dir. Beer-Berlin und Stadtbrth. Sprotte-Kolberg.
Es ergiebt sich aus den vorstehenden kurzen Mit-
theilungen, dass nur Bewerber von reicherer Erfah-
rung im Stande sein werden, mit Aussicht auf Erfolg an
die Aufgabe heranzugehen. Obwohl das vom Magistrat
zu beziehende Programm umfassend und sachgemäss
entworfen ist, werden Besichtigungen an Ort und Stelle
nicht zu entbehren sein.
Wettbewerb Pflegerinnenheim Mainz. Für die mit einem
Aufwande von 90000 M. ohne Möbel, Beleuchtung, Ein-
friedigung und Wege, jedoch einschl.'Heizungzu errichtende
Baugruppe steht eine Baustelle bei deh neuen Anlagen zur
Verfügung. Das Gebäude soll enthalten eine Heimstätte
und Lehranstalt für Pflegerinnen, eine Krankenabtheilung
mit 12 Betten, eine Aufbewahrungsstätte für Krankenhaus-
geräthe und die zugehörigen Hilfsmittel und einen Uebungs-
raum für eine Sanitätskolonne. Im Falle eines • Krieges
soll das Haus den Mittelpunkt für ein grösseres Baracken-
lazareth bilden. Wir hegen Zweifel, ob die Bausumme
mit nur 90000 M. ausreichend ist für die immerhin
umfangreichen Raumgruppen, die in der Bauanlage ge-
geben werden sollen, selbst wenn die Aufbewahrungs-
und Uebungsräume in einer- bestehenden Baracke an-
genommen werden können.
Die wesentlichen Zeichnungen sind 1:200 verlangt, eine
Flauptansicht i : 100, dazu ein Schaubild. Ein Stil ist
nicht vorgeschrieben, doch soll sich die Baugruppe der
landschaftlichen Umgebung anpassen. Im Preisgericht
bilden die Techniker — die Hrn. Brth. Kuhn, Brth.
Reinmann und Stadtbauinsp. Gelius — die Minderzahl.
Die 3 Preise von löoo, 60b und 400 M. können nach dem
Ermessen der Preisrichter 'auch in anderer Abstufung an
die 3 oder 4 besten Entwürfe vertheilt werden. Der
Alice-Frauenverein für Krankenpflege ist berechtigt, aber
nicht verpflichtet, die preisgekrönten Entwürfe bei der
Ausführung ganz oder theilweise zu benutzen. Ueber
eine Mitwirkung der Urheber dieser Entwürfe bei der
Ausführung enthalten die Bedingungen keine Zusicherung.
Wettbewerb Koblenzer Volksbank. I. Preis: Friedr.
Thelemann, Arch. in Berlin; II. Preis: G. Jänicke und
M. Franzke, Arch. in Berlin; III. Preis: A. Lachen-
meyer, Arch. und A‘=sistent an der Techn. Hochschule
in Aachen. Die Entwürfe sind bis 13. März im Rathhause
zu Koblenz ausgestellt. —
Wettbewerb Bismarck-Säule Hannover. Unter den
5 preisgekrönten Entwürfen wurde der Entwurf „Sem-
nonenhain“ des Hrn. A. Sasse in Linden zur Ausführung
gewählt. — ,
Personal-Nachrichten.
Baden. Den Kunstgewerbe-Schuldir. Waag in Pforzheim
u. Prof. H o f f a c k e r in Karlsruhe ist die Erlaubniss zur Annahme
und z. Tragen des ihnen verlieh. Offizierkieuzes der franz. Ehren-
legion ertheilt.
Bayern. Der Ob.-Baudir. v. Maxon in München, als Ritter
des Verdienst-Ordens der bayerischen Krone wurde in die Adels-
Matrikel des Königreichs Bayern eingetragen.
Preussen. Die Erlaubniss zur Annahme und zur Anlegung
der ihnen verlieh, fremdländ Orden ist ertheilt u. zw.: dem Arch.
Süssenguth ln Charlottenburg der Ritter-Insignien II. Kl. des
herz, anhalt. Hausordens Albrechts des Bären; dem Arch. Rein-
hardt in Charlottenburg des herz, anhalt. Verdienstordens für
Wissenschaft und Kunst; dem Landesbauinsp. Brth. Wal deck in
Bielefeld des Ehrenkreuzes IV. Kl. des fürstl. lippischen Hausordens.
Dem Rektor der techn. Hochschule in Berlin, Prof. Bubendey
ist der Charakter als Geh. Brth. verliehen.
Die Reg.-Bfhr, Karl Rittersporn aus Prauss (Wasserbfeh.),
— Gg. Krecker aus Berlin u. Kurt Wittler aus Gr.-Santers-
leben (Hochbfeh.), — Otto Krüger aus Nichel, Gg. Merkel aus
Bernburg u. Erich Röhlke aus Bromberg (Eisenbfeh.), — Gg.
S i m o n y aus Königsberg i. Pr. u. Frz. Schumann aus Kottbus
(Masch.-Bfeh.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Den Reg.-Bmstrn. Karl Gebensleben in Braunschweig,
Frz. Huinann, Herrn. Schwerin und Frz. Gotzhein in
Berlin ist die nachgesuchte Entlass, aus dem Staatsdienste ertheilt.
Der Kr.-Bauinsp. a. D. Brth. Fiebelkorn iu Schönebeck,
der Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. O e h 1 m a n n in Koburg, der Eisenb.-
Bau- u. Betr.-Insp. z. D. Albrecht in Gera, der Stadtbrth.
Schulze in Wesel und der Reg.-Bmstr. Max Schilling in
Berlin sind gestorben.
Inhalt: Die neue protestautisclie Kirche in Aeschach -Hoyren bei
Lindau i. B. — Eleteische Schnell- und Vorortbahnen mit hochgespanntem
Drehstrom als Antrieb (Schluss). — Deutschland auf der Turiner Ausstellung
für moderne dekorative Kunst. — Die Kunstgewerbe-Ausstellung in Mün-
chen des Jahres 1904. — Mittheilungen aus Vereinen. — Preisbewerbungen.
— Personal-Nachrichten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmanu, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
128
No. 20.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 21. Berlin, den 12. März 1902.
Das II. Rheinische Diakonissenhaus in Kreuznach.
Architekt: Friedrich Langenbach in Barmen. (Hierzu die Abbildungen auf Seite 133.)
Mutterhaus mit Kapelle.
|as II. rheinischeDiakonissen-
Muttcrhaus in Kreuznach
ist Statutengemäss dazu be-
stimmt, evangelische Chri-
stinnen zum Dienste der
weiblichen Diakonie in der evange-
lischen Diaspora auszubilden und sie
namentlich für den Beruf derKranken-
und Armenpflege, der^Kleinkinder-
und Blödenpflege vorzuoereiten. Un-
sere Leser werden mit Interesse Kennt-
niss von den allgemeinen Einrichtun-
gen dieser besonderen Art von Wohl-
fahrtsanstalten nehmen.
Auf einem nur 2 Minuten vom
Bahnhof Bad Kreuznach gelegenen,
rd. 16 Morgen grossen Gelände er-
hebt sich seit der Wende des Jahr-
hunderts die umfangreiche Anstalt
aus mehreren Gebäudegruppen, deren
Beziehungen zu einander und deren
Eintheilung aus dem Lageplan S. 133
liervorgehen. Sie besieht aus einem
Kranken- und Mutterhaus mit Kapelle
als Hauptgebäude, einem dazu ge-
hörigen Beamtenhause, einem Krüp-
pelheim, einem Blödenhaus , "einem
Isolirhaus mit Beerdigungs-Kapelle,
einem Siechenhaus und einem inmitten
dieser Gebäude zentral gelegenen
Wirthschafts- und Maschinenhause.
Die Gebäude wurden in den Jahren
1897—1900 nach den Entwürfen des
Hrn. Architekten Friedrich Langen-
bach in Barmen errichtet. Das Krüp-
pelheim Bethesda ist für etwa 100
Verkrüppelte beiderlei Geschlechtes,
das Blödenheim Bethanien für 120
meist bildungsfähige Schwachbegabte
weiblichen
Geschlechts,
Bcamtenhaus und Mutterhaus.
129
Kochküche für 400 Persotien, mit Speiseausgabe, Spül-
küche, Vorrathskellern und Arbeitsräumen, Lagerräume
für die Apotheke, sowie Dampf- und Soolbäder. Das
Erdgeschoss dient vorläufig zur Benutzung der Schwes-
tern, für welche Ess-, Näh-, Lehrzimmer und Verwal-
tungsräume vorgesehen sind, bis später einmal auch
diese Räume zu Krankenzimmern eingerichtet werden
und ein Schwesternheim neu erstellt wird. Das I. Ober-
geschoss enthält 5 Operationsräume, 4 grössere und
eine Anzahl kleinerer Krankenzimmer; das II. Ober-
geschoss hauptsächlich kleinere Krankenzimmer i. und
2. Klasse. Zwischen je 2 Krankenräumen liegt ein
Schwesternzimmer für 2 Schwestern, sodass Tag und
Nacht Aufsicht und Wartung vorhanden sind. Ein
durch alle Stockwerke gehender Aufzug befördert die
Kranken bequem zum Garten, zu den Bädern, zu den
Operationssälen usw. Das Dachgeschoss enthält
Wohn- und Schlafräume für die ständigen Schwestern,
sowie über der Kapelle grosse Schlafsäle für die
Probeschwestern.
Das Krüppelheim Bethesda, unter anderem
auch bestimmt für die Krüppel der Industrie, enthält, um
für die Insassen das Treppensteigen möglichst zu er-
sparen, nur 2 Geschosse und ist mehr in die Länge als
in die Höhe entwickelt. Das Erdgeschoss ist für Frauen
und Mädchen bestimmt, das Obergeschoss für männ-
liche Krüppel. Das Gebäude enthält ausser denWohn-,
Schlaf-, Ess- und Arbeitsräumen auch Werkstätten für
die Verkrüppelten männlichen Geschlechts, sowie ein
orthopädisches Institut mit Turnsaal. Flache Dächer.
Balkone und offene Hallen ermöglichen den Verkrüppel-
ten, denen vielfach das Umherschweifen im Feld und
Wald versagt ist, den Genuss der schönen Natur.
Vom Obergeschoss aus führt eine Brücke zu einer
künstlichen Anhöhe an der Rückseite des Hauses.
Das Blödenheim Bethanien enthält 3 Voll- und
ein ausgebautes Dachgeschoss; seine 120 weiblichen
Insassen werden in 5 Schulräumen unterrichtet. Durch
alle Geschosse laufende Veranden ermöglichen den
Aufenthalt in der frischen Luft. Ausser den Tage- und
Schlafräumen sind Baderäume und Douchezimmer in
gleicherweise wie im Krüppelheim Bethesda eingerichtet.
Das Isolirhaus für ansteckende Krankheiten ent-
hält in 4 getrennten Abtheilungen gesonderte Tages-,
Schlaf-, Bade-, Kloset- usw. Räume für Kranke beiderlei
Geschlechtes; neben ihm liegt die Leichenhalle mit
Beerdigungs-Kapelle.
Das Siechenhaus, in erster Linie für die Siechen
der Stadt Kreuznach bestimmt, enthält Räume I. und
II. Klasse, das Bearatenhaus Wohnungen für Geist-
liche und Aerzte der Anstalt.
In der Mitte dieser Gebäude liegt das Kessel-
und Maschinenbaus für die Zentralheizung für
sämmtliche Anstalten, die Zentralküche, die Lichtver-
sorgung und die Wäscherei. An das Maschinenbaus
schliessen sich östlich der Akkumulatoren- und weiter-
hin ein Desinfektionsraum an. Das Zentral-Wasch-
haus enthält im Erdgeschoss die maschinellen Ein-
richtungen, die es ermöglichen, den Wäschebedarf
sämmtlicher Gebäude in 4 Tagen zu beschaffen, im
Obergeschoss Räume für künstliche Trocknung, Man-
gel- und Plättstuben, und in dem geräumigen Dach-
geschoss Wohnungen für Unterbeamte.
1 MitRücksicht auf die landschaftlicheUmgebung der
Anstalt sind die Gebäude sowohl mit einem gewissen
Bestreben zu malerischer Gruppirung wie auch zu echter,
farbiger Materialwirkung errichtet, wenn auch dabei, da
die Mittel in der Hauptsache freiwillige Liebesgaben
sind, die grösstmöglicheEnthaltsamkeit in dem Aufwand
schmückender Architekturformen beobachtet wurde. —
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- und Ing.-Verein zu Magdeburg. Sitzung am
15. Jan. 1902. Nach Begrüssung der Versammlung im
neuen Jahre und Erledigung der zahlreichen Eingänge
hielt Hr. Brth. Harms einen fesselnden Vortrag über
„Neuere Ausgrabungen ämDome zu Magdeburg“,
die gelegentlich der Neueinführung einer Heizungsanlage,
unterhalb des Kirchenfussbodens gemacht wurden. Zer-
streut in verschiedenen Tiefen fand man aus alten Gräbern,
stammende Gegenstände, alte Grundmauern und in Ziegel-
rhauerwerk ausgeführte und überwölbte Grabkamraern,
deren Beschaffenheit und Ausführungsart auf ein hohes
Alter schliessen lassen. Die Kammern sind theilweise
zerstört und mit Bauschutt ausgefüllt, vermuthlich in der
Zeit der Neupflasterung des Domfussbodens im Jahre
1830. In einzelnen Grabstätten befanden sich noch gut
erhaltene Gebeine, Schädel, auch reich bemalte Holzsärge,
die Gewänder, Schuhbänder usw. enthielten. Das Innere
einzelner Gräber war bemalt und mit Inschriften versehen.
Ein aus dem 17. Jahrh. stammender Metallsarg enthielt
einen Holzsarg, dessen Inhalt bis auf zwei goldene Trau-
ringe völlig zu Staub zerfallen war. Die Ringe zeigten
noch deutlich die Namensinschrift des Domherrn v. Arnim
zu Magdeburg. An anderer Stelle wurde in einer Tiefe
von 2 “I die gemauerte und gewölbte Grabkammer eines
Erzbischofs blossgelegt, deren Holzsarg Kelch, Bischofs-
stab, Seidengewänder und reich bestickte Seidenschuhe
enthielt — Graf von Mansfeld. Im nördlichen Seitenschiff,
3 “ tief, fand sich eine .Platte, 2 lang, 0,57 ® breit, mit
nur schlicht eingearbeitetem Kreuze, unter dieser Platte,
die Ueberreste eines Beigesetzten, vielleicht eines Wander-
Predigers. Als umfangreicheres Grabgewölbe erwies sich
das des Herzogs Ernst zu Sachsen, dessen Kammer mit,
einem besonderen Umgang und einer Treppenanlage ver-,
sehen war. Ein Sarkophag nahm die Mitte desselben ein, '
und in die Nischen der Kammer war die Jahreszahl 1513
eingeritzt — das Sterbejahr.
Besonderes Interesse und eine rege Aussprache rief,
die Beschreibung der Grundmauerreste hervor, die theils
als Ueberbleibsel des ältesten Kirchenbaues zu betrachten,
sind, grösstentheils aber die Fuiidamentmauern der ur-
sprünglich wahrscheinlich noch ganz in romanischem Stil
geplanten Zentralanlage unseres jetzigen Domes darstellen.
Für diese Annahme spricht der Umstand, dass sie genau,
in die Verlängerung der Fluchtlinien des .Chorumgang-
Fundamentes passen und dieselbe Jocheintheilung wie die
des Bischofsganges erkennen lassen. Von ihrer Iloch-
730
führung und weiteren konstruktiven Verwendung wurde
damals Abstand genommen, als man sich im Laufe der
Fortentwicklung des Baues, die sich nachweislich von
Osten nach Westen vollzog, für eine grössere Weiträumig-
keit des ganzen westlichen Domtheiles entschied, eine
Folge des Ueberganges zur gothischen Bauweise. Der Vor-
tragende erntete reichen Beifall. — Th.
■•Arch.- und Ing.-Verein zu Hamburg. Vers, am 3. Jan.
1902. Vors. Hr. Zimmermann, anwes. 44 Pers,, aufgeh,.
Hr. Ing. Schacht.
Es spricht Hr. Kohfahl über die am 10., ii, und 12.
Juni V. J. in Kiel stattgehabte Versammlung des Vereins
deutscher Ingenieure, über welche wir schon ausführlich
(■Jahrg. 1901, Seite 298) berichtet haben.
Es erhält darauf das Wort Hr. Scharff zu einem
Bericht über den von ihm besichtigten Einsturz einer
Koenerischen Voutendecke. Redner theilt mit, dass der
Einsturz der in dem obersten Geschoss belegenen Decke
durch eine übermässige Belastung derselben durch die
Bretter der Dachschalung herbeigeführt sei und das
Durchschlagen der sämmtlichen darunter belegenen Decken
zurfolge gehabt habe. Als unmittelbare Ursache für den
Einsturz wird die ungenügende Verankerung des in einem
Abstande von 0,3 bis 0,8 ^ von der Giebelwand belegenen
Endträgers des betreffenden Bodens angegeben. Die
Decke .habe dadurch ihre Eigenschaft als doppelt einge-
spannte verloren, wodurch die rechnungsmässige Bean-
spruchung des Betons um das ii/g-fache gestiegen sei.
Um den Gefahren, welche die einseitige Inanspruchnahme
der Träger im Endfeld einer Koenen’schen Decke in sich
schliesst, zu begegnen, giebt Redner 3 Wege an; i. Ver-
ankerung der Eiseneinlage im Mauerwerk der Giebelmauer,
2. Verzichtleistung auf die zweiseitige Einspannung der
Decke im Endfeld, wobei dann aber die Horizontalkräfte
am vorletzten Träger nicht völlig, aufgehoben werden
können, 3. Verzichtleistung auf doppelte Einspannung im
Endfeld. Dieses Feld darf dann aber nur 2/4 der Spann-
weite, der übrigen Felder haben. Dieses letztere Mittel
wird als das empfehlenswertheste bezeichnet. Endlich
schildert Redner noch den Hauseinsturz in der Veitstrasse
in Kiel, dessen Ursache er auf die ungünstigen Witterungs-
verhältnisse glaubt zurückführen zu müssen.
Ausser der Tagesordnung berichtet Hr. Vivid über
den Umsturz des grossen Schornsteines des Elbhütten-
werkes auf Steinwärder. Dieser Schornstein ist ira Jahre
1859 durch Schräder und Timmermann erbaut; er hatte
eine Höhe von 80,24 mittlere Weite von 3,4
No. 21.
Die Kosten haben 94600 M. betragen. Der .Schornstein
war in Kalkmörtel hergestellt. Die Stärke des Mauer-
werks betrug unten 2,58 m und verringerte sich in 5 Ab-
sätzen bis auf 0,36 m. Bis auf eine Höhe von 35,82» war
innen ein Mantel aus feuerfesten Steinen angebracht. Das
Gesammtgewicht des Mauerwerks wird zu 5,5 Mül. Pfd. an-
gegeben. Die durch denSchornsteinabgeführten Gasehaben
schon seit längerer Zeit den Kalkmörtel so angegriffen,
dass man genöthigt war, 20 eiserne Ringe um den Schorn-
stein zu legen, die aber zumtheil wieder sprangen. Es
bildeten si(A im Mauerwerk Risse, welche sich mit der
Zeit so vergrösserten, dass es möglich war, einen Arm
hineinzulegen. Den unmittelbaren Anlass zu der nunmehr
erfolgten Niederlegung des Schornsteines gab ein Ab-
springen der äusseren Verblendung des Sockelmauer-
werkes in dem unter Gelände befindlichen Ringkanal. Die
aus Anlass dieses Vorkommnisses ausgeführte Untersuchung
ergab die Nothwendigkeit, den Schornstein abzutragen
oder umzustürzen, und nachdem hierüber Verhandlungen
zwischen dem Eigenthümer, der Finanz -Deputation und
dem Maurermeister, welchem bisher die Reparaturen an
dem Schornstein übertragen waren, stattgefunden hatten,
wurde die Ausführung der Niederlegung dem Hauptmann
Releaux vom 9. Pionier -Bataillon übertragen. Man ent-
schloss sich, in einer Höhe von 20» über Gelände einen
Kranz von Minen im Mauerwerk herzustellen, welche aus
15 Bohrlöchern von 8 cm Weite bestanden, die bis in die
Mitte des Mantel-Mauerwerks gebohrt wurden. Der Schorn-
stein sollte nach der Ostseite, wo am meisten Platz dafür
zur Verfügung stand, fallen. Die dort angebrachten Löcher
wurden mit 1675 Gramm, diejenigen nach Süden und
Norden mit 475 Gramm und die letzten an der Westseite
belegenen Löcher mit 225 Gramm Griesheimer Pikratpulver
feladen. Die Zündung erfolgte elektrisch und hatte den
rfolg, dass der Schornstein völlig in sich zusammenbrach;
allerdings nicht, wie beabsichtigt, nach Osten, sondern
etwas mehr nach Süden , wo von den stürzenden Trüm
raern das Dach eines Schuppens durchschlagen wurde.
Die Ursache hierfür glaubt man darin zu finden, dass der
Schornstein nicht umgestürzt, sondern nach Zerstörung
eines Mauerringes durch die Explosionswirkung der Minen
auf den stehen gebliebenen Theil gefallen und dort nach
und nach gänzlich zersplittert ist, wobei dann durch irgend
welche zufällige Ursachen der grösste Theil des Schuttes
nach der Südseite gefallen sein mag.
Im Anschluss an diesen Bericht macht Hr. Necker
Mittheilungen über den Bau des Schornsteines und be-
schreibt die Apparate, deren man sich dabei bedient hat,
um die lothrechte Stellung und die kreisrunde Form des
Schornsteines sicher zu stellen. — Hm.
Dresdener Architekten-Vereln. Sitzung vom 3. Dez. 1901.
Hr. Hofrth. Prof. Dr. Gurlitt hielt einen Vortrag über die
Frage der Wiederherstellung des Heidelberger
Schlosses; hierzu waren die Mitglieder des Sachs. Ing.-
und Arch.-Vereins eingeladen und hatten sich zahlreich ein-
gefunden. Der Vortrag wurde erläutert durch Photogra-
phien nach alten Aufnahmen und durch ältere Zeichnun-
gen, die von dem Vorsitzenden, Hrn. Arch. O. Haenel,
und Hrn. Arch. Schroth zur Verfügung gestellt waren,
bezw. durch eine grosse Anzahl von Holzschnitten, Kupfer-
stichen und Photographien, welche der Vortragende aus-
gestellt hatte. Hr. Gurlitt legte seinen Standpunkt zu die-
ser Frage dahingehend dar, dass er es für richtig halte
von einer vollständigen Wiederherstellung des Otto Hein
richs-Baues abzusehen. Die Untersuchung habe mit voller
Sicherheit ergeben, dass das Mauerwerk vorzüglich erhalten
sei, abgesehen von den oberstenSteinschichten der Fassade,
und dass man daher eine Erhaltung der Ruine im jetzigen
Zustande noch auf Jahrhunderte hinaus ermöglichen könne.
Niemals werde durch eine Wiederherstellung des, nicht
nur Heidelberg, sondern der ganzen Welt gehörenden
Denkmals irgend etwas gewonnen werden, der Gesammt-
eindruck könne nur verlieren. Die Anwesenden zollten
dem Vortragenden lebhaften Beifall. —
Vers, am 14. Jan. 1902. Der angekündigte Bericht
des Hrn. Prof. Seitler über den Stand der „Meissener
Dombaufrage“ hatte eine grosse Anzahl Vereins-Mit-
glieder und Mitglieder der Innung der Baumeister als
Gäste, herbeigerufen. Es waren Originalpläne über den
beabsichtigten Domausbau ausgestellt und zwar diejenigen
des Ob.-Brth, Prof. Schäfer und Arch. Linnemann,
ebenso hatte Hofrth. C. Gurlitt eine grosse Anzahl Ab-
bildungen sächsischer Kirchen mit dreithürmiger Aus
bildimg freundlichst zur Verfügung gestellt. In eingehend-
ster Weise theilte Prof. Seitler den bisherigen Verlauf der
ganzen Angelegenheit, sowie Näheres über die am 28. Dez.
igoi abgehaltene General-Versammlung des Meissener
Dombauvereins mit. In den daselbst gepflogenen Ver-
12. März 1902.
handlungen über die Frage des 3- oder 2 thürraigen Aus-
baues des Dome.s hatten die 4 Architekten des Vorstandes
— C. Gurlitt, Seitler, Wallot, Schumann — ihren Stand-
punkt bezügl. des ßthurmigen Ausbaues lebhaft vertreten,
indem sie diesem namentlich deshalb den Vorzug geben
zu müssen meinten, weil in der Unrisslinie der ganzen
Schlossanlage diese Anordnung geschlossener und gün-
stiger wirken würde, als die Anordnung von 2 Thürraen
nach den Plänen von Schäfer. Aus der Versammlung kamen
aber auch gegentheilige Meinungen zum Ausdruck, so vom
Arch. Scherz, welcher die zweithürmige Anlage als die
günstigere und schon als aus der Grundrissbildung sich er-
gebende bezeichnete. Zur weiteren Behandlung der Frage
wurde ein Ausschuss gewählt, bestehend aus den Hrn.
.Scherz, Schleinitz und Haenel. —
Es sprach dann Hr. Arch. Bruno Müller über die
Fortschritte in der Bearbeitung der neuen Bestimmungen
bezügl. des Schutzes des Bauhandwerkes. In Be-
rücksichtigung des umfangreichen Materials war eine so-
fortige allseitige Zustimmung nicht zu erwarten. Es wirkt
dabei auch namentlich die Erwägung mit, dass bei Ein-
holung von Baugenehmigungs-Gesuchen unter Umständen
grössere Schwierigkeiten eintreten würden. Die Ver-
sammlung begrüsste indessen die von Hrn. Müller gege-
benen Mittheilungen mit grösstem Danke, weil die An-
nahme der gebotenen Vorschläge seitens der Regierungen
nach vielen Richtungen eine wesentliche Verbesserung
des jetzigen Zustandes bedeuten würden.
Die im „Dresdner Anzeiger" enthaltene Mittheilung
des Rathes der Stadt Dresden, dass derselbe bezügl. der
Erlangung von Plänen für das neue Rathhaus nun doch
zu dem Entschlüsse gekommen ist, ein zweites allgemeines
Preisausschreiben unter deutschen Architekten zu erlassen,
wird mit grosser Befriedigung aufgenommen.
Es wird eine weitere Zuschrift des Dresdener Stadt-
rathes mitgetheilt, in welcher derselbe bittet um Nennung
geeigneter Architektur-Zeichner zur Illustrirung einer von
Prof. Dr. Richter abzufassenden Geschichte der Stadt
Dresden von 1871 — 1901, welche gelegentlich der Städte-
Ausstellung 1903 erscheinen soll. Aus der Versammlung
werden verschiedene Namen genannt.
Der Vorsitzende lenkte sodann die Aufmerksamkeit
der Versammlung auf einen vor kurzem in einem Dres-
dener Blatte erschienenen Aufsatz, betitelt „Die Bauten
anderneuenHochuferstrasseJohannstadt-Nord",
in welchem darauf hingewiesen wird, dass die Bauten der
beiderseitigen Elbufer innerhalb der Stadt Dresden zum
grossen Theile noch immer einen nichts weniger als gross-
städtischen Charakter zeigen. Es müsse vonseiten der
Behörden darauf geachtet werden, jetzt, wo es noch Zeit
sei, diesem neuen Stadttheile entlang des Elbufers eine
würdigere, der schönen bevorzugten Lage angemessene
Gestaltung zu geben.
Für die Bearbeitung der eingegangenen Verbandsfrage
„Gebühren der Architekten und Ingenieure als gerichtliche
Sachverständige" wurde ein Ausschuss gewählt, bestehend
aus den Hrn. Geh. Hofrth. Heyn, Arch. Muns, Förster,
Teichgräber sen. und Br. Müller. — O. H.
Ärchitekten-Verein zu Berlin. Hauptversammlung vom
3. Febr. 1902. Vors. Hr. Plathner, anwes. 65 Mitgl., 4 Gäste.
Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung mit der Nach-
richt von dem Ableben des Vereinsmitgliedes Hrn. Brth.
Grell in Magdeburg, wies auf die Eingänge für die Biblio-
thek hin und machte Mittheilung davon, dass der Geh.
Brth. W. Böckmann aus Anlass seines 70. Geburtstages
zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt sei, sowie dass
eine Abordnung des Vorstandes, bestehend aus den Hrn.
Beer, Hossfeld, Plathner dem Hrn. Minister von
Thielen zu seinem 70. Geburtstage am 31. Januar d. J.
die Glückwünsche des Vereins überbracht habe.
Hr. Kyllmann sprach sodann über den „Bebauungs-
plan der kgl. Domäne Dahlem“, die einige Staats-
institute aufnehmen, im übrigen aber zu Villen-Gelände
Verwendung finden soll. Mit der Aufstellung der Pläne
war der Vortragende betraut. Das gesammte Gelände
hat eine Grösse von 443 Davon entfallen auf Strassen
und Plätze 95 ha. Zwischen dem höchsten und dem tiefsten
Punkt ist ein Höhenunterschied von rd. 18 » vorhanden.
Die grösste Steigung der Strassen stellt sich auf i : 40, die
kleinste auf 1:200. Die Hauptverkehrsstrassen erhalten
30 “ Breite zwischen den je 7,5 » tiefen Vorgärten, davon
entfallen je '4» auf die Fusswege, je 3,5;» auf die Strassen-
bahnstreifen, 4,75“ auf Reitweg, 7“ Fahrweg, 3,25» auf
eine Radfahrerbahn. Die Nebenstrassen haben meist 12 »,
einige auch 18» erhalten. Die erstere Art hat 27» Breite
zwischen den Baufluchten, die Fahrbahnbreite beträgt 6 “.
Die Tiefe der zwischen den Strassen verbleibenden Bau-
blocke stellt sich auf 100».
13t
Auf dem Gelände sind an Staatsanstalten unterzubrin-
gen die landwirthschaftliche Versuchsanstalt, das biologische
Institut, die Versuchsfelder der Gärtnerlehranstalt, die Tech-
nische Versuchsanstalt, u. Umst. eine Sternwarte. Es blei-
ben dann noch 275 für den Verkauf an Privatpersonen,
d. h. eine recht bedeutende Fläche, wenn man vergleicht,
dass die Terrain - Gesellschaft in Gross - Lichterfeide in
12 Jahren nur 90 ha verkauft hat. Es würden sich an
20—22000 Seelen in dieser Villen-Kolonie unterbringen
lassen. Die Auftheiiung erfolgt durch eine besondere
staatl. Kommission, der Verkauf nur an Selbstkäufer. Die
Preise liegen zwischen 10 und 30 M. für 1 qf«.
Die Vorstandswahlen, die für diesen Abend angesetzt
waren, konnten wegen Beschlussunfähigkeit der .Ver-
sammlung nicht vorgenommen werden. —
Hauptversammlung vom 24. Februar. Vors. Hr. Beer,
anwes. 45 MitgL, 5 Gäste.
Nach Vorlage der Geschenke für die Bibliothek weist
der Hr. Vorsitzende auf einen von Bildhauer Bohne aus-
gestellten geschnitzten romanischen Tisch hin, den der Aus-
steller, der Aufträge in hiesigen Architektenkreisen ge-
winnen möchte, nach Entwurf von Hrn. Geh. Reg.-Rth. Prof.
Hehl angefertigt hat. Der Vorsitzende gedenkt ferner
der seit der letzten Sitzung verstorbenen Vereinsmitglieder:
des Eiseiibahn-Bauinsp. G. Albrecht, Stadtbrth. Otto
Schulze in Wesel und Reg.-Bmstr. Max Schilling.
Es werden dann die Wahlen des Vorstandes, des
Vertrauens-Ausschusses und des Haushalts-Ausschusses
vollzogen. Wieder gewählt werden Hr. Beer als I. Vor-
sitzender, Hr. Plathner als Schatzmeister, während an-
stelle des ausscheidenden Hrn. Hossfeld zum II. Vors.
Hr. Haack gewählt wird. Auch die beiden Schriftführer
Bürckner und Eiselen werden aufs neue bestätigt.
Im Vorstand verbleiben die Hrn. A. Becker, Haag,
V. Münstermann, Walle, während die Hrn. Gerhardt,
Launer und Solf neu hinzutreten. Mitglieder des Ver-
trauens-Ausschusses werden die Hrn. Appelius, Bath-
mann, Bubendey, Haselow, Knoblauch, Herrn.
Krause, Sarrazin, Fr. Schultze und Schwechten,
des Haushalts-Ausschusses die Hrn. Contag, Dylewski,
Grassmann, M. Guth, Hartung, Körner, Fr.Körte,
Rönnebeck, Stapf, Stüler, Temor.
In der nun folgenden gewöhnlichen Versammlung
hielt Hr. Kommerzienrth. Henneberg einen äusserst
interessanten und übersichtlichen Vortrag über „Fern-
heizwerke mit besonderer Berücksichtigung der-
jenigen von Dresden und Beelitz". Redner schickte
zunächst einige allgemeine Erläuterungen voraus und er-
klärte den Begriff des Fernheizwerkes — räumliche Tren-
nung der Erzeugungsstelle der Wärme und der Verbrauchs-
stelle in verschiedenen Gebäuden und zwar auf grössere
Entfernungen. Möglich geworden ist eine solche Ueber-
tragung erst durch hochgespannten Dampf, den man jetzt
mit 6—8 Atm. Druck bei Entfernungen bis 2000 m an-
wendet, nachdem man gelernt hat derartige Leitungen
mit voller Sicherheit, namentlich auch hinsichtlich der
unschädlichen Ausgleichung der erheblichen Ausdehnun-
gen der metallischen Rohrleitungen durch die Wärme-
Unterschiede, zu konstruiren.
Derartige Anlagen werden, wenn sie wirthschaftlich
günstig arbeiten sollen, verbunden mit einer Licht- und
Kraft- Zentrale, da diese 3 Anstalten ihren Höchstbedarf
an Dampf nicht zur gleichen Zeit haben werden, sodass
sich bei einer solchen Verbindung mit einer wesentlich
kleineren Kesselanlage auskommen lässt, als bei 3 ge-
trennten, selbständigen Werken.
Die Anwendung des hochgespannten Dampfes ermög-
licht wesentlich kleinere Leitungen, bedingt einen gerin-
geren Spannungsabfall in den Leitungen, ist also wesent-
lich wirthschaflicher, als Dampf geringer Spannung. Mit
demselben lassen sich ausserdem in den verschiedenen Ge-
bäuden ganz verschiedene Heizsysteme bedienen, sodass
also auch alte Anlagen anschlussfähig sind. (Wie z. B.
zum Theil in Dresden).
In Dresden sind neben der alten Zoll- und Steuer-
direktion im Fernheizwerk auch das Licht- und Kraft-
werk vereinigt, von welchen aus nun das erstere Gebäude,
das kgl. Hoftheater, die Gemälde-Gallerie, der Zwinger,
das kgl. Schloss, die kathol. Kirche, das Ständehaus, die
Kunstakademie, das Albertinum, die Polizeidirektion usw.
mit Wärme, Licht und Kraft versorgt werden.
Die Dampfleitungen liegen natürlich in gemauerten,
begehbaren Kanälen, deren Ausführung und Dichtung
einige Schwierigkeit bot, da sie z. Th. im Ueberschwera-
mungsgebiet der Elbe liegen. Es sind 2 Hauptleitungen
von 21 6 Durchm. vorhanden, von denen die eine meist
allein ausreicht. Eine kupferne Leitung, die wegen der
ungünstigen Höhenlage an eine Pumpe angeschlossen wer-
den musste, führt das Kondenswasser, das immer noch
eine Temperatur von 100 0 besitzt, den Kesseln wieder zu.
Von letzteren sind 10 Stück mit je 200 q® Heizfläche bereits
aufgestellt, 4 finden später noch Platz. Erforderlich wer-
den nach Anschluss aller Gebäude stündlich 15200000
Wärmeeinheiten. Die Anlage ist damit die grösste in
Europa. Das Werk ist seit dem 15, Dez. 1900 in Betrieb
und hat sich gut bewährt.
Die Anregung zu dem Fernheizwerk gab Hr. Geh.
Rath Temper in Dresden, dem auch die Oberleitung der
Ausführung oblag. Zur Beurtheilung der Entwürfe war
ein besonderer Ausschuss gebildet, an dessen Spitze Hr.
Geh. Reg.-Rth. Prof. Rietschel, Berlin, berufen wurde.
Die Ausführung erhielt die Firma Rietschel & Henne-
berg aufgrund eines Konkurrenz-Entwurfes.
Das Werk in Beelitz ist nach ähnlichen Grundsätzen
gebaut, verdankt seinen Ursprung aber nicht ästhetischen
Gründen, wie in Dresden, sondern hygienischen. Denn
Beelitz enthält die Lungenheilstätte der Landes-Versiche-
rungsanstalt Berlin; möglichst staub- und rauchfreie Luft
war also vor allem in dieser ausgedehnten, nach völligem
Ausbau 35 Gebäude umfassenden Anstalt erwünscht. Für
diese sind dann ira Ganzen 12540000 Wärmeeinheiten stünd-
lich zu liefern mittels 14 Kesseln, von denen jeder i Million
Einheiten entwickeln kann. Der Dampf wird zunächst auf
6,5, später nach völligem Ausbau auf 8 Atm. angespannt
und hat einen grössten Weg in den Leitungen von 1050®
zurückzulegen. Es sind 2 Dampfleitungen von 216 bezw.
J33 mm Durchm. vorgesehen, ferner eine Kondenswasser-
leitung, die mit natürlichem Gefälle allein auskomrat. Von
diesen Dampfleitungen wird zunächst die grössere im
Winter, die kleinere im Sommer und zwar dann lediglich
zu den verschiedenen Betrieben benutzt. Nach völligem
Ausbau genügt die grosse Leitung im Sommer, während
im Winter beide zugleich beansprucht werden. Die Anlage,
die ebenfalls von der Firma Rietschel & Henneberg aus-
geführt wurde, ist ein hochinteressantes Beispiel eines mo-
dernen Fernheizwerkes, wobei hinsichtlich der Grundriss-
gestaltung des Kesselhauses zu berücksichtigen ist, dass
die Zentralisirung der Feuerstätten erst beschlossen wurde,
als das Kesselhaus für die Licht- und Kraftanlage schon
z. Th. fertig war. Dieses ist dann mitverwendet und nur
entsprechend erweitert worden.
DerVortragwurde mit grossem Interesse aufgenommen.
Haupt-Vers. v. 3. März 1902. Vors. Hr. Beer, anwes.
106 Mitgl., 3 Gäste.
Der Hr. Vorsitzende theilt zunächst mit, dass der
Verein Hrn. Ob.-Baudir. Franzius, Bremen, zu seinem
70. Geburtstage zum Ehrenmitgliede ernannt habe und
übermittelt den Dank des Gefeierten, dem die Hrn. Beer
und Walle als Vertreter des Vorstandes am i. März 1902
das Diplom in Bremen überreicht haben.
Er macht ferner Mittheilung von dem erfolgten Ab-
leben des Hrn. Brth. Fiebelkorn in Schönebeck a. Elbe,
eines der ältesten Vereinsraitglieder.
Es werden darauf die Ausschüsse für die Monats-
Wettbewerbe beauftragt, neue Aufgaben aufzustellen. Hr.
H. Guth berichtet sodann über den Ausfall eines Monats-
Wettbewerbes um den Entwurf zu einem Bildhauer-Ateher.
Vereinsandenken erhalten die Entwürfe „Berchta" und
„Modell", Verfasser die Hrn. Reg.-Bmstr. Michel in
Göttingen und Max Tischer in Berlin.
Während dann die Wahlen vollzogen wurden für die
verschiedenen Vereins-Ausschüsse, werden von den Hrn.
Rönnebeck, Plathner undDircksen die Beurtheilungen
der eingegangenen 16 Entwürfe auf dem Gebiete der Archi-
tektur (Volkslesehalle), 4 Entwürfe auf dem Gebiete des
Wasserbaues (Thalsperre bei Marklissa) und 5 Entwürfe
aus dem Eisenbahnbau (Umgestaltung des Bahnhofes
Lehrte) verlesen. Ueber das Ergebniss haben wir bereits
an anderer Stelle (No. 20 S. 128) berichtet. — pj-. E.
Vereinigung Berliner Architekten. Die IV. ord. Ver-
sammlung fand unter Theilnähme von 56 Mitgliedern und
unter dem Vorsitz des Hrn. von der Hude am 20. Febr.
statt. Als neues Mitglied wurde Hr. Arch. Eugen Kühn
aufgenommen. Der Vorsitzende macht Mittheilung von
der Zustimmung des Senates der Technischen Hochschule
in Charlottenburg, im Lichthofe derselben eine Hermen-
büste Jacobsthals aufzustellen. Hr. Graef berichtet über
die Vorschläge der Kommission betr. Festsetzung einer
Gebührenordnung für gerichtliche Sachverständige. Es
liegt dazu eine Ausarbeitung des Hrn. Brth. Unger in
Hannover vor. Die Vorschläge lassen sich in den Wunsch
der Kommission zusammenfassen, die Erfahrungen einer
grösseren Anzahl von Sachverständigen über ihre Ent-
schädigung durch die Gerichte zu gewinnen, sodann die
Ausarbeitung von Unger von einer grösseren Anzahl Sach-
verständiger berathen zu lassen, um endlich mit dem Archi-
tekten-Verein zu Berlin zu gemeinschaftlichem Vorgehen
No. 21.
132
1
Lageplan.
Krüppelheim und Orthopädisches Institut.
Das II. Rheinische Diakonissenhaus ln Kreuznach. Architekt: Friedrich Langenbach in Barmen.
12. März 1902.
133
sich zu vereinigen. Die Versammlung schliesst sich den Vor-
schlägen Graefs an. — Es berichtet ferner Hr. Knoblauch
über ein gelb -weiss- graues Sandsteinmaterial aus einem
Bruch zwischen Lauterecken und Meisenheim, welches
durch die „Kaisersteinbruch-Akt.-Ges.“ in Köln a. Rh. in
den Handel gebracht wird. Dem Material werden ins-
besondere Feinkörnigkeit, Abwesenheit von Thon- und
Eisengallen, und gleichmässige Härte und Struktur nach-
gerühmt. — Der Vorsitzende erstattet den Bericht des
Preisgerichtes über die Entwürfe betr. Umgestaltung des
Ausstellungs-Gebäudes am Lehrter Bahnhof. Nach den
Ausführungen bildete ein Hauptgrund für die Entschei-
dung der Umstand, dass bei der Erhaltung des Ausstellungs-
Gebäudes möglicherweise nicht mehr mit einer grösseren
Anzahl von Jahren gerechnet werden kann und demge-
mäss das bei der geplanten Umgestaltung gesteckte Ziel
mit den geringsten Mitteln erreicht werden sollte. An die
Ausführungen schloss sich die Ueberreichung der Ehren-
preise an die Sieger.
Das Hauptinteresse des interessanten Abends bildete
der mit grossem Beifall aufgenommene Vortrag des Hrn.
Boethke (in Firma Schmieden & Boethke) über die gross-
artige Heilstätten- Anlage der Landes-Versiche-
rungsanstalt „Berlin“ bei Beelitz in der Mark,
welche mit einem Kostenaufwande von rd. 8300000 M.
ohne Gelände-Erwerb und ohne innere Einrichtung, durch
die Firma auf einem 630 Morgen grossen, mit alten Kiefern
bestandenen Wald-Gelände zu beiden Seiten derWetzlarer
Bahn errichtet wurde und demnächst ihrer Bestimmung
übergeben wird. Die gesamrate Baugruppe umfasst 4 in
sich geschlossene Einzelanstalten und zwar AI. für erwerbs-
unfähige Männer, All. für erwerbsunfähige Frauen, BI. für
lungenkranke Männer und BII. für lungenkranke Frauen.
Die Anstalt enthält Raum für zunächst 600 Betten in
4 Pavillons, deren Zahl auf das Dreifache gesteigert wer-
den kann. Sehr bemerkenswerth sind die technischen
Einrichtungen, wie das Fernheizwerk von Rietschel &
Heiineberg, die Wasserversorgung, das Elektrizitätswerk
usw., mit grosser Sorgfalt sind namentlich die hygienisch-
technischen Einzelheiten ausgeführt. Die Anstalt besitzt
eine eigene Rieselfeldanlage, eine Eiserzeugmigs-Maschine,
eine Enteisenungsanlage. In ihren hygienischen und tech-
nischen Einrichtungen kann sie dem Besten an die Seite
gestellt werden, was in der Gegenwart in dieser Beziehung
geschaffen wurde. —
Vermischtes.
Der Beghin’sche Rechenstab. Die in Frankreich eines
besonderen Rufes in der Herstellung von Rechenstäben
sich erfreuende FirmaTavernier-Gravet, rue Mayet 19,
Paris, hatte auf der letzten Pariser Weltausstellung eine
Anzahl von Rechenstäben verschiedener Einrichtung für
allgemeine und für besondere Zwecke ausgestellt, von
denen der Beghin’sche Rechenstab wohl einen kurzen
Hinweis verdient, da er denselben Zwecken dient, wie der
gebräuchliche Mannheim’sche Rechenstab, aber vor die-
sem einige Vorzüge voraus hat.
Die unteren Theilungen des Stabes und des Schiebers
des Beghin’schen Rechenstabes stimmen mit denjenigen
des Mannheim’schen Rechenstabes überein und haben eine
Länge von je 25 cm. Während aber die oberen Theilungen
sowohl des Stabes wie des Schiebers des Mannheim’schen
Rechenstabes je 2 aneinander gereihte Theilungen von je
12,5“ Länge besitzen, tragen die oberen Theilungen des
Stabes und des Schiebers des Beghin’schen Rechenstabes
je eine Theilung von 25cm Länge, deren Anfangs- und
zugleich Endpunkt (also die Ziffer 1) jedoch in der Mitte
liegt, sodass die Bezifferung in der linksseitigen Hälfte von
3,16 =Lio bis zu 10 bezw. i, in der rechtsseitigen Hälfte
von IO bezw. i bis zu 3.16 geht. Diese sämmtlichen er-
wähnten Theilungen gehen von links nach rechts.
Der Schieber des Beghin’schen Rechenstabes trägt
aber ausserdem noch eine mittlere, von rechts nach links
gehende, 25 cm lange Theilung, deren Gebrauch somit stets
die Anwendung des Läufers nöthig macht. ' Die Rückseite
des Schiebers trägt am unteren Rande 2 an einander ge-
reihte Theilungen von je 12,5 cm Länge, die mit den oberen
Theilungen des Stabes und des Schiebers des Mannheim’-
schen Rechenstabes übereinstimraen; der übrige Raum
der Rückseite wird durch die trigonometrischen Theilun-
gen eingenommen, welche je nach Wunsch des Bestellers
für alte oder neue.Winkeltheilung geliefert, werden. Eine
Theilung zur Bestimmung der Logarithmen befindet sich an
der vorderen, nicht abgeschrägten Schmalseite des Stabes.
Die Vortheile der- beschriebenen, Einrichtung bestehen
nun im Wesentlichen in Folgendem: Der Schieber braucht
niemals mehr, als um die Hälfte seiner Länge ausgezogen
zu werden; die Ablesung des Endergebnisses erfolgt stets
auf einer Theilung von 25 cm Länge, also mit der dieser
Länge entsprechenden Genauigkeit; zusammengesetzte
Rechnungen erfordern in vielen Fällen eine geringere An-
zahl von Verschiebungen des Schiebers; die letzteren
fallen zumtheil weg, zumtheil treten Verschiebungen des
Läufers an ihre Stelle; mehrere derartige Rechnungen
sind mit dem Beghin’schen Rechenstabe unmittelbar leicht
und bequem auszuführen, während der Mannheim’sche
Rechenstab die Ausführung nur mittelbar, das ist durch
Auflösung in mehrere einfache Rechnungen ermöglicht.
So z. B. kann das Produkt dreier Zahlen oder auch der
Quotient einer Zahl durch das Produkt zweier anderer
Zahlen mit nur einer Verschiebung des Schiebers und
einer Verschiebung des Läufers bestimmt werden. Ferner
können die zweite, dritte und jede weitere ganze Potenz
einer Zahl mit nur einer Verschiebung des Schiebers er-
mittelt werden; jede um eins höhere Potenz erfordert nur
eine weitere Verschiebung des Läufers. Die mittlere von
rechts nach links gehende Theilung des Schiebers und die
Möglichkeit, in derselben Rechnung mit Hilfe des Läufers
sowohl die oberen, als auch die unteren Theilungen des
. Stabes und des Schiebers und die mittlere Theilung des
letzteren in Verbindung mit einander in Anwendung zu
bringen, ermöglichen manche überraschend einfache und
bequeme Rechnung. Es würde zu weit führen, hier weiter
darauf einzugehen, es muss in dieser Beziehung auf die
Gebrauchs- Anleitung verwiesen werden. Die Anbringung
der mittleren Theilung des Schiebers führt zu einer Häu-
fung der Theilungsstriche und Ziffern, die anfänglich etwas
verwirrend wirkt, an die man sich aber nach kurzer Zeit
des regelmässigen Gebrauchs gewöhnt. Dieser Uebelstand
liesse sich aber auch leicht beseitigen, wenn man die Mehr-
breite von 4 — 5 welche die deutschen Rechenstäbe gegen-
über den französischen haben, ganz dem Schieber zutheilte.
Die Firma stellt den Stab in zwei Grössen her, 26 cm
lang für 14 Frcs. und 50 cm lang für 70 Frcs. —
C. Heuser in Aachen.
Das neue Stadt-Krankenhaus in Dresden, welches am
3. Dez. 190 r seiner Bestimmung übergeben worden ist, dürfte
nach einer im „Volkswohl“ darüber gebrachten Mittheilung
zu den hervorragenderen Anlagen seiner Art gehören.
Dasselbe ist nach den Entwürfen des Plerrn Stadtbaurath
Bräter iiiDresden im Osten der Stadt inunmittelbarerNach-
barschaft des Bürgerhospitals und der zurzeit noch im
Bau begriffenen kgl. Frauenklinik auf einem etwa 6,33 ha
grossen Gelände errichtet und besteht aus 17 Einzelbauten,
deren Ilauptansichten die Richtung Süd-Nord haben. Ver-
waltungs-, Wirthschafts- usw. Gebäude liegen in der Mittel-
axe, zunächst der Strasse das Verwaltungs-Gebäude, in
welchem sich aber auchWohnungen der Aerzte, Schwestern
und Wärter befinden. Dahinter folgen die etwa 300 Per-
sonen fassende Kirche, alsdann das Küchengebäude, das
Waschhaus, der Eiskeller und das Kesselhaus. Nördlich
zur Seite der Mittelaxe sind die Pavillons für die männ-
lichen, südlich die für die weiblichen Kranken errichtet.
Für die chirurgischen Kranken und die Augenkranken
beiderlei Geschlechts dient je ein Doppelpavillon. Bei
, den innerlich Kranken sind besondere Häuser für die
Aufnahme ansteckender und nicht ansteckender Kranken
vorhanden, desgleichen Häuser für unruhigeKranke. In den
Pavillons für ansteckende Kranke sind selbständige Ab-
theilungen mit gesonderten Eingängen und auch sonst
alle zum Schutz gegen Uebertragung nöthigen Vorkeh-
rungen angeordnet. Für später ist die Hinzufügung eines
eigenen Hauses für Lungenschwindsüchtige und eines an-
deren für Nasen-, Rachen- und Ohrenkrankheiten geplant.
Auf jeden Kranken kommt ein Luftraum von 30
der stündlich 5 mal erneuert wird. Die durch mechanisch
betriebene Ventilatoren eingeführte Frischluft wird theils
durch Dampf-, theils durch Warmwasser-Erzeugung vor-
gewärmt und durch Staubfilter gereinigt. Die Regelung
der Temperaturen erfolgt von einer Zentralstelle aus, die
durch Fern-Thermometer von den in den einzelnen Räumen
herrschenden Wärmezuständen Kenntniss erhält. Die Be-
leuchtung geschieht elektrisch; es ist dazu eine Gleich-
strom- und eine Wechselstrom-Leitung angelegt, um für
den Fall des Versagens der einen Leitung sofort die an-
dere einschalten zu können. Eine elektrische Leitung ist
-für Heilzwecke angelegt, von derselben kann an jedem der
vorhandenen Krankenbetten Gebrauch gemacht werden. —
Rücksendung von Zeugnissen usw. bei Stellengesuchen.
Wir entsprechen gerne einer an uns ergangenen Anregung,
dafür wirken zu wollen, dass Stellensuchenden die oft müh-
sam, beschafften Zeugnisse und andere Unterlagen, auch
wenn sie nur Abschriften der Originale sind, wieder zuge-
stellt werden. Wir betrachten es mit dem Hrn. Einsender
als eine Art Verpflichtung, zum mindesten aber als ein selbst-
verständliches Entgegenkommen für angebotene Dienste,
No. 21.
134
die Unterlagen für eine Bewerbung überhaupt und mög-
lichst bald wieder zurückzusenden, damit er in der Lage
ist, sie ohne Zeitverlust, welcher bei der heutigen knappen
Arbeitsgelegenheit doppelt hoch anzuschlagen ist, bei an-
deren Bewerbungen wieder verwenden zu können. —
Leichte Gerüste für grosse Höhen, wie für Kirchthürme,
Fabrik-Schornsteine usw. sind die „Vereinigten Gerüst-Bau-
und Leihanstalten J. Funcke & Co.“ in Charlottenburg her-
zustellen in der Lage. Diese Gerüste unterscheiden sich
von den üblichen Balken- iund Stangengerüsten durch
Schnelligkeit des Aufbaues und durch grössere Billigkeit.
Eine Einrüstung des Thurmes der St. Johanniskirche in
Alt-Moabit mit Leitergerüsten erreichte eine Höhe von
56“ und trug zeitweilig 30—40 Maurer. —
Preisbewerbungen.
Ein Wettbewerb betr. Skizzen für eine Staats-Real-
schule in Teplitz- Schönau wird vom dortigen Bürger-
meister zum 7. Mai d. J. für deutsch-österreichische Archi-
tekten erlassen. Es gelangen 3 Preise von 1500, 1000 und
750 Kronen zur Vertheilung. —
Der Wettbewerb um den Preis der Schlichtlng-Stlftung,
dessen Gegenstand in diesem Jahre eine Untersuchung
über die zweckmässige Grösse der für den geplanten
Grosschiffahrtsweg Berlin-Stettin anzuwendenden Schiffs-
gefässe bildete, hat kein völlig befriedigendes Ergebniss
gehabt. Von den 4 eingelaufenen Entwürfen konnte keinem
der Ehrenpreis in Höhe von icoo M. verliehen werden,
da keiner die technischen und wirthschaftlichen Bedingun-
gen erschöpfend behandelte. Es wurde jedoch ein Be-
trag von 800 M. zu gleichen Theilen den Entwürfen mit
dem Kennwort ,, Gebaut wird er doch“, Verf. Hr. cand.
des Schiffsbaues P. Keil in Charlottenburg, und „Wasser
ist wohl gut“, Verf. die Hrn. R. ßlümke und Franz Peters
in Mannheim zuerkannt. —
Wettbewerb Mädchenschule Giessen. Den I. Preis er-
rang der Entwurf „Im besten Licht“ des Hrn. Prof. Eugen
Beck in Karlsruhe i. B.; den II. Preis der Entwurf „Fast-
nacht“ der Hrn. Paul Weber und Arth. Werner in Leip-
zig; den III. Preis der Entwurf „Nordostklasse“ des Hrn.
Alwin Genschel in Hannover. Zum Ankauf empfohlen
wurde der Entwurf der Hrn. Ferd. Köhler und Paul
Kranz in Charlottenburg. —
Wettbewerb Kirche und Pfarrhaus der Thorner St.
Georgen-Gemeinde. Es liefen 50 Entwürfe ein; von dem
ausgesetzten Preise von 1200 M. wurden dem Entwurf
,, Weichselkönigin" des Hrn. E. Joussen in Düsseldorf
900 M., dem Entwurf „Ara stillen tlerd zur Winterszeit“
des Hrn. A. Schneidereit, ebenfalls in Düsseldorf,
300 M. zuerkannt. Säramtliche Entwürfe sind bis zum
16. März im Wiener Cafö in Thorn öffentlich ausgestellt. —
Wettbewerb Rathhaus Hamborn. Der Entwurf mit
dem Kennwort „Das Rathhaus am Rathhausplatz“ des
Hrn. Rob. Neuhaus in Rheydt wurde zur Ausführung
unter der Oberleitung des Verfassers gewählt. Die ört-
liche Bauleitung besorgt das dortige Bauamt. —
Bücherschau.
Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14. vollständig neu
bearbeitete Auflage. Neue revidirte Jubiläums- Aus-
gabe. Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig, Ber-
lin und Wien 1901. Band III — V. Preis für den
geb. Band 12 M. —
Wir haben bereits im Vorjahre, S. 615, auf die Be-
deutung und den allgemeinen Charakter dieser neuen Auf-
lage des altbekannten Werkes bei Erscheinen des I. und
11. Bandes hingewiesen. Inzwischen sind 3 neue Bände her-
ausgegeben, die durchaus gehalten haben, was die ersten
versprachen. Ja welche dieselben hinsichtlich der Tafeln und
namentlich der zahlreichen in grösserem Maasstabe und
klarer Darstellung beigegebenen Stadtpläne noch über-
treffen. Band III. umfasst auf 1040 S, Text die Worte:
Biserta bis Cesnola und wird illustrirt durch 40 Tafeln,
darunter 3 Chromos, 36 Karten und Pläne, sowie 250 Text-
abbildungen, Unter den Stadtplänen sind namentlich die
von Breslau und Bremen hervorzuheben, unter den Tafeln
diejenigen, welche Börsen, Brunnen und Burgen behandeln.
Bd. IV besitzt sogar, bei etwas reicherem Texiumfange,
50 Tafeln, 13 Karten und Pläne und igöTextfiguren. Er um-
fasst die Worte: Cöspedeo— deutsches Theater. Unter den
technischen Artikeln ist namentlich hinzuweisen auf die
Worte: Dampf, Dampfkessel, Dampfmaschine, Dampfschiff
mit zahlreichen Tafeln, deutsche Eisenbahnen mit reichem
statistischem Material, Dachstühle, Deutsche Kunst usw.
Natürlich ist in zeitgeraässer Weise China und chinesischer
12. März 1902.
Kunst ein breiter Raum an Text, Karten und Tafeln ge-
widmet,
Der V. noch reicher iliustrirte Band enthält die
Worte: Deutsches Volk bis England und beschäftigt- sich
auf 113 Druckseiten ausschliesslich mit Deutschland und
dem Deutschen Reich unter Beigabe reichen statistischen
Materials über wirthschaftliche und Verkehrsverhältnisse.
Unter den technischen Artikeln haben eine sorgfältige Be-
arbeitung erfahren: Eisenbahnbau, Eisenbahnen, eiserne
Brücken, Eisenerzeugung, Dock, Drainage, Dynamomaschi-
nen usw. Auch Ingenieure von Ruf aus der neuesten Zeit
werden genannt. So finden wir den Namen E. Dircksen
verzeichnet, der mit dem Bau der Berliner Stadtbahn
untrennbar verknüpft ist. —
Bei der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten:
Huber, Anton, jun. Das Holzwerk im modernenWohn-
und G e 5 c h ä f t s h a u s e. Serie i, i. I.iefrg. Berlin 1901.
Max Spielmeyer.
Koch, Karl. Deutsche Teppich- und Möbelstoff-
Zeitung. VII. Jahrgang Heft i— 12. Berlin 1901. Selbst-
verlag, Pr. des Jahrgangs (24 Hefte) 5 M.
Marr, Otto, Ing. Kosten der B e t r i e b s k r äf t e bei 1—24-
stündiger Arbeitszeit täglich and unter Berücksichtigung des
Aufwandes für die Heizung. München 1901. R. Oldenbourg.
Pr. 2,50 M
Merckel,Curt,Bauiiisp. S ch ö p f u n gen der I n g e n i e u r t e c h-
nik der Neuzeit. Bd. 28: Aus Natur und Geisteswelt.
Leipzig igoi. B. G. Teubner. Pr. i M., geb. 1,25 M.
Pastor, Willy. Berlin, wie es war und wurde. Zur Ge-
schichte der Stadt Berlin igot. Georg Heinrich Meyer. Pr.
4 M., geb. 5 M.
V. Rohrscheidt, Kurt, Reg.-Rath. Gewerbe-Archiv für
~ das Deutsche Reich. Sammlung der zur Reichsge-
werbe-Ordnung ergehenden Abänderungs-Gesetze und Aus-
führungs-Bestimmungen, der gerichtlichen und verwaltungs-
gcrichtlichen Entscheidungen der Gerichtshöfe des Reichs
und der Bundesstaaten, sowie der wichtigsten, namentlich
interpretatorischen Erlasse und' Verfügungen der. Zentralbe-
hörden. I. Bd., Heft T. Berlin 1902. Franz Vahlen. Pr.
des Bds. (4 Hefte) 12 M.
Scheid, Karl, Prof., Dr. Die Metalle. Bd. 29: Aus Natur und
Geisteswelt. Leipzig igor, B. G. Teubner. Pr. geh. i M.,
geb. 1,25 M.
Thompson, Silvanus, P. Dir. Mehrphasige elektrische
Ströme und Wechselstrom-Motoren. 2. Aufl.,
Heft I. Halle a. S. 1902. Wilhelm Knapp. Pr. 2 M. f. d.
Heft (vollst. in 10 Heften).
Vcröffentlicimngen der Deutschen Gesellschaft
für Volksbäder. 5. Heft. Berlin igoi. Aug. Hirsch-
wald.
Wang, Ferdinand, Prof. Grundriss der W i 1 d b a c h v e r -
hauung. i. Th. Leipzig 1901. .S. Hirzel. Pr. 6 M.
Uebersichlsplan von Berlin. Maasstab i : 4000. Kupfer-
stich und in 8 farbiger Darstellung. Blatt : 2 L., 4 B., C., G., L.,
M., N., Q., R., S.| V. u. W., X. u. Y. (bis jetzt 30 Blätter er-
schienen). Berlin 1902. Julius Straube. Pr. jeder Karte 2 M.
Bebauungsplan der Umgebung Berlins. Maasstab
1 : 4000. Abth. XIII. Sekt. 2. Berlin 1902. Dietrich Reimer
(Ernst Vohsen). Pr. 2 M.
Chronik.
Die Wiederherstellung der evangef. Kirche in. Rodhefm
V. d. Höhe in Hessen, die im vergangenen Jahre durch Brand
zerstört wurde, ist dem Archit. Flub. Kratz in Friedberg über-
tragen worden. —
Die Jubelfeier des 25-jährigen Bestandes der k. k. Staats-
gewerbeschule in Reichenberg wird zu Pfingsten dieses Jahres
begangen. —
Technische Referenten in den badischen Ministerien.
Gleich dem badischen Ministerium des Inneren hat auch das badische
Ministerium der Finanzen in der Person des Hrn. Brth. Friedrich
Kredell in Baden-Baden einen technischen Referenten bestellt.
Kredell gehört mit zu den erfolgreichsten der badischen Bäu-
beamten. —
Ein Neubau des Kunstmuseums in Kiel kann infolge eines
Verimichtnisses angebahnt werden. —
Eine deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung in St. Peters-
burg soll im Oktober dieses Jahres eröffnet werden.
Eine neue evangel. Kirche in Rheinau bei Mannheim wird
mit einem Aufwande von i d. 200 000 M. nach den Plänen des Hrn.
Brth. Behaghel in Fleidelberg errichtet. —
Eine neue evangelische Kirche in Engers a. Rh., er-
richtet nach den Entwürfen des Hrn. Arch. Ehrhard Müller in
Koblenz, wurde am 2. Febr. d. J. eingeweiht. —
Die neue Badeanstalt des Vereins der Wasserfreunde
in Berlin, Königgrätzer-Slr. 19, wird zum April dem Betriebe
übergeben. —
Das neue Provinzial - Museum ln Hannover, mit einem
Aufwande von rd. 2 Mill. M. nach den Entwürfen des Hrn. Brth.
Prof. Hubert Stier in Hannover errichtet, wurde am 14. Febr.
feierlich eröffnet. —
Die Stuttgarter Theaterfrage hat entgegen den Meldungen
der Tagcsblätter noch keine endgiltige Lösung gefunden. Von dem
Bau eines Intcrimstheaters für das Schauspiel, welches später zu
einem dauernden Schauspielhause ausgebaul werden würde, will
man neuerdings absehen und anstelle des abgebrannten Floftheaters
ein der heutigen Bedeutung der schwäbischen Residenz ent-
sprechendes Schauspiel- und' Opernhaus errichten.
135
Die Fortsetzung der Ausgrabungen ln Milet ist durch
Ankauf des grössten Theiles der Halbinsel gesichert. Das neu er-
worbene Gebiet umfasst das Westende der Stadt nebst einem
grossen Theile der Nekropolis und des heiligen Weges zum Apollo-
tenipel von Didyma, ferner den Hügel, auf dem das Theater erbaut
ist, den an seiner Einfahrt von zwei kolossalen Marmorlöweo ge-
schmückten Hafen mit den Hafenstaden und Hallen von über loom
Länge, das kürzlich aufgedeckte Rathhaus, den Markt mit dem rö-
mischen Prachtbrunnen, die Thermen und eine Anzahl Ruinen, deren
Bedeutung sich erst bei künftigen Grabungen heraussteilen wird.
Das von da östlich bis ans Ende der Milesischen Halbinsel sich
erstreckende Stadtgebiet ist ebenfalls jetzt deutsches Eigenthum. —
Die Errichtung eines Kunstmuseums in Düren nach dem
Entwurf von Prof. Georg Frentzen in Aachen, wurde durch die
städtischen Kollegien beschlossen. Den Aufwand für das Museum
von 346000 M. bestiitt in grossherziger Weise die Familie Hoesch.
Das Museum wird den Namen Leopold Hoesch-Museum führen. —
Die umgebaute und erweiterte Kunsthalle ln Bremen ist
in diesen Tagen wieder eröffnet worden. An den Bauarbeiten
waren betheiligt Hr. Arch. Ed. Gildemeister für das Aeussere
und Hr. Arch. Albert Dunkel für das Innere. ^ —
Personal-Nachrichten.
Baden. Dem Telegr.-Insp. Bleidorn ist die Amtsstelle
eines Zentralinsp. bei der Gen.-Dir. der Staatseisenb. übertragen.
Der Bahnbauinsp. Schell bei der Gen.-Dir. ist gestorben.
Preussen. Dem Ing. u. Fabrikbes. W. v. Siemens, dem
Reg.-Bmstr. a. D. Dir. Schwieger in Berlin und dem Reg.-
Bmstr. a. D. Dir. P. Wittig in Grunewald ist der kgl. Kronen-
Orden III. Kl., dem Ing. u. Fabrikbes. A. v. Siemens in Berlin
der Rothe Adler-Orden IV. Kl., dem Reg.-Bmstr. Bousset in
Gr.- Lichterfelde, dem Reg.-Bmstr. a. D. Lerche in Berlin und
dem Werkstatt.-Dir. Schücke in Gr. Lichterfelde ist der kgl.
Kronen-Orden IV. Kl. verliehen.
Die Erlaubniss zur Annahme und Anlegung der ihnen verlieh,
fremdländ. Orden ist ertheilt und zw.: dem Ob,- u. Geh. Brth.
Goepel in Berlin und den Geh. Brthn. Grapow in Berlin u.
Haass in Altona des Kommandeurkreuzes des kgl. niederländ.
Ordens von Oranien-Nassau; dem Eisenb.-Bauinsp. Meyer in
Berlin, dem Eisenb.-Bau- u- Betr.-Insp. Sieh in Altona und dem
Eisenb.-Bauinsp. Wolfen in Wittenberge des Offizierkreuzes des-
selben Ordens. —
Dem Geh. Brth. u. vortr. Rath, Prof. Dr. U I b r i c h t in Dresden
ist der Rothe Adler-Orden IE. Kl. verliehen.
Der Wasser-Bauinsp. Brih. Seidel in Posen ist zum Reg.-
u. Brth. das. und der Reg.-Bmstr. Mundorf in Breslau z. Wasser-
Bauinsp., die Baugewerkschullehrer Arch. Panek und Ing.
Klasmer in Breslau sind zu kgl. Ob.-Lehrern ernannt.
Die Reg.-Bfhr. Erich Echternach aus Neukirch, Felix
Schaeker aus Potsdam u. Paul Drescher aus Werden (Hoch-
bfeh.), — Karl Schliemann aus Lingen (Wasser- u. Strassen-
bfeh.), — Heinr. Meinecke aus Holtensen , Max Weltmann
aus Berlin u. Fritz Hilleke aus Kalk (Eisenbfeh.) sind zu Reg.-
Bmstrn. ernannt.
Der Kr.-Bauinsp. Schönfeld in Schönebeck a. E. u. der
Brth. Landes-Bauinsp. Cranz in Gnesen sind gestorben.
Sachsen. Dem Fin.- u. Brth. Schmidt in Dresden ist die
Erlaubniss zur Annahme u. z. Tragen des ihm verlieh. Ritter-
kreuzes des österr. Franz-Josef-Ordens ertheilt.
Württemberg. Dem Brth. Eisenlohr in Stuttgart ist das
Ritterkreuz I. Kl. des Friedrichsordens u. dem Postbmstr. H a u s e r
in Stuttgart der Tit. u. Rang eines Bauinsp. verliehen.
Dem Ing. Prof. Hart mann in Frankfurt a. M. ist die Er-
laubniss zur Annahme des ihm verlieh. Grades eines Ritters des
Ordens der franz. Ehrenlegion ertheilt, dem Ob. -Baurath a. D.
Klose in Berlin diejenige des ihm verliehenen Ritterkreuzes
I. Klasse des Bad. Ordens vom Zähringer Löwen.
Dem Reg.-Bmstr. tit. Bauinsp. Wahl in Heilbronn ist das
Bez.-Bauamt Rottweil übertragen.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. L. Schw. in Koblenz. Da der Wortlaut der zwischen
dem Bauherrn und dem Architekten getroffenen Abrede nicht vor-
liegt, kann ein unfehlbares Gutachten nicht abgegeben werden.
Denn es sind verschiedene Fälle denkbar. Ging jedoch die Abrede
dahin, dass für ein bestimmtes Bauvorhaben die Pläne und sonsti-
gen Vorarbeiten zu liefern seien, so ist die Herstellung derselben
der Gegenstand und ihre Benutzung für das betreffende Bauwerk
der Zweck der Werkverdingung gewesen. Durch Ablieferung der
Arbeiten erlangte Besteller die Berechtigung zur Verwerthung für
das beregte Bauwerk. Der anfertigende Architelet hat nur Anspruch
auf Bezahlung des bedungenen, oder falls es an einer Preisabrede
fehlt, des angemessenen Werklohnes, Will er die Verwerthung
seiner Arbeit für den ausdrücklich erklärten oder den aus dem
Gange der Verhandlungen ersichtlichen Verwendungszweck hindern,
so muss er seine Zeichnungen znrückziehen, verliert dann jedcch
jeden Anspruch auf Vergütung. Hat er, was nach Ihrer Darstellung
zuzutreffen scheint, bereits Zahlung angenommen, so hat er damit
jedes Widerspruchsreclit gegen die Benutzung seines Entwurfes
verloren. Denn das muss sich doch jeder Architekt von selbst
sagen, dass seine Arbeiten nicht zu dem Zwecke bestellt und be-
zahlt werden, um sie zu besitzen, sondern dass ihre Verwendung
für Bauten der Beweggrund und der Zweck ist, welche den Be-
steller bei Ertheilung des Auftrages und Zahlung des Preises ge-
leitet haben. Wenn also nicht ganz aussergewöhnliche Umstände
im beregten Streitfälle obgewaltet haben, hat das Vorgehen des
fragl. Architekten keine Aussicht auf Erfolg. K. H-e.
Anmerkung der Redaktion. Den vorstehenden Aus-
lassungen unseres juristischen Mitarbeiters haben wir noch hinzu-
136
zufügen, dass für den Bauherrn ja natürlich nur der Rechts-Standpunkt
infrage kommt, dass dagegen der Architekt, der in das Werk eines
anderen eintreten soll, sich in erster Linie von künstlerischen und
kollegialischen Rücksichten leiten lassen sollte. —
Was den zweiten Theil Ihrer Anfrage betrifft, so bestimmt die
neue Gebührenordnung für Arch. u. Ing. § 2 Abs. 19 ausdrücklich,
dass in den festgesetzten Gebühren nicht mit einbegriffen sind: „Bei
Hochbauten die Gebühren der mit statischen Berechnungen u. dgl.
betrauten Ingenieui'e“. Bei bedeutenden Aufgaben haben Sie also
das Recht, einen Ingenieur zuzuziehen und sich dessen Liquidation
zurückerstatten zu lassen —
Hrn. A. H. in Broich, Ruhr. Der Grundbuchrichter lehnt
mit Recht die Eintragung ab. Denn nach dem preuss. Ausführungs-
Gesetze vom 26. Sept. 1899 zur Grundbuchordnung Art. ii sind
öffentliche Grundstückslasten, welche gesetzlich den Rechten am
Grundstücke vergehen, von der gruodbuchlichen Eintragung aus-
geschlosen. Mit einer öffentlichen Grundstückslast hat man es je-
doch in der Verbindlichkeit zu thun, die Anliegerbeiträge zu zahlen,
sobald es zu Aufwendungen für die Anlage öffentlicher Strassen
gekommen und dadurch Anbaufähigkeit geschaffen sein wird, weil
Art. 2 No. 2 des Ausführungs-Gesetzes v. 23. Sept. 1899 Beiträge,
die aus der Verpflichtung zu öffentlichen Wegebauten entstehen,
zu den gemeinen Lasten zählen und solche gemeine Lasten zu den
bevorzugten öffentlichen Lasten im Sinne des Reichsgesetzes v
24 März 1897, §§ IO, 156 gerechnet werden, welche im Range den
Grundbuchrechten Vorgehen. Mithin ist die Gemeinde wegen ihres
Aufwandes selbst dann geschützt, wenn es an einer grundbuchlichen
Eintragung der auf dem Grundstück gesetzlich ruhenden Beiträge
zum Wegebau bezw. zur Strassenanlage fehlt. Die grundbuchliche
Eintragung dieser Beiträge ist vielmehr entbehrlich. Weil diese
gesetzliche Neuerung bisher noch nicht allgemein bekannt ist, wird
von vielen Gemeinde-Verwaltungen vorgezogen, ausnahmslos Sicher-
heitsbestellung in Geld oder mündelsicheren Werthpapieren zu ver-
langen. worin jedoch eine gewisse Härte für die Grundbesitzer
liegt, weil sie dadurch Zinsverluste erleiden. — K. H-e.
Hrn. W. PI. in Berlin. In den Zapfen oder in dem schrägen
Schnitt liegt doch auch eine „wirkliche Lieferung“, es wären also
beide mitzumessen. Im allgemeinen wird unter „Verschnitt“ nur
das nicht mehr verwendbare Holz bezeichnet, welches übrig bleibt,
wenn die Konstruktionslängen von den üblichen Handelsmaasseii
abgezogen sind. —
Hrn. A. L., Dresden. Zu i. Linoleum auf gut verlegten
Koenen’schen Voutendecken hat sich unseres Wissens gut bewährt.
Zu 2. XylolLth ist in viel begangenen Räumen mit Erfolg als Fuss-
bodenbelag verwendet worden.
Fragebeantwortungen aus dem I-eser kreise.
Hrn. Arch. R. W. in Lüdenscheid. Gegen die in No. ii
bez. Beseitigung des Tropfwassers erth eilten Rathschläge möchte
ich mir erlauben, aufgrund vielfacher Erfahrungen auf diesem Ge-
biete, einige Einwendungen zu erheben, welche vielleicht auf allge-
meines Interesse Anspruch machen dürften.
Die Entstehung des Schwitz wass ers am Wellblechdach ist
richtig dargelegt. Man würde auch durch die vorgeschlagene
Maassregel die Bildung von Schwitzwasser am Wellblechdach wohl
behindern können, dadurch aber, dass man die Decke nach oben
durch eine Aspbaltschicht fast vollständig luftdicht abschliesst, die
Decke selbst jedoch durch den empfohlenen Anstrich der Unter-
ansicht gegen das Eindringen der stark mit Wasserdampf gesättig-
ten warmen Luft ausreichend nicht schützen kann, einen anderen
Uebelstaad herbeiführen, der mir nicht minder gefährlich erscheint,
als der seitherige. Die in der Zwischendecke angestaute feucht-
warme Luft würde zweifellos Schwammbildung begünstigen und
die daselbst befindlichen Holztheüe mit der Zeit vollständig zer-
stören, was selbst durch sorgfältige Imprägnirung nicht verhütet
werden könnte.
Eine gründliche Beseitigung des erwähnten Uebelstandes ist
m. E. nur auf folgendem Wege möglich: Entweder verhindert man
das Eindringen der aufsteigenden feuchten warmen Luft io die
Zwischendecke und durch diese in den Dachraum durch Ver-
kleidung der Deckenunteransicht mit einer 4 — 6 cm starken Schicht
gut imprägnirter, Wasser undurchlässiger Korksteine, oder man
lässt die warme Luft durch die Decke nach dem Dachraum durch-
gehen und bringt an der Uuteransicht des Wellblechdaches eine 6 cm
starke Korksteinverkleidung an, welche die Bildung von Schwitz-
wasser nicht zulässt. Die erstere Maassregel, welche mehrfach
mit gutem Erfolge in Badehänsern angewendet worden ist, würde
im vorliegenden Falle, der hohen Kosten Avegen, nur dann empfohlen
werden können, wenn die Erneuerung des Saaldeckenputzes ohnehin
erfolgen muss. Beide Vorschläge setzen sorgfältigste Ausführung
durch Spezialfirmen voraus, indem der kleinste Fehler in der Aus-
führung die ziemlich kostspielige Anlage zwecklos macht.
Die in derselben No. ir unter i. von Ph. G. in K. gestellte
Anfrage betrifft allem Anschein nach eine solche fehlerhaft aus-
geführte Anlage. Jedenfalls dringt der Wasserdampf, bezw. die
heisse Luft im Masebinenhause durch die nicht genügend dichte
Korksteindecke nach dem 20 cm höher gelegenen kalten Wellblech-
dache. Hier bildet sich Schwitzwasser und tropft durch die Kork-
isolirung durch. Eine unmittelbar an das Wellblech befestigte,
sorgfältig und sachgemäss ausgeführte Isoliruug aus gut iraprägnirten,
6 cm starken Korksteinplatten muss unbedingt auch in diesem Falle
Abhilfe schaffen.
Beiden Anfragenden bin ich bereit, mit eingehenden Vorschlägen
an die Hand zu gehen, wenn sie sich unter Beifügung der nöthigeu
Zeichnungen an mich wenden wollen. —
L. Gibian & Co. in Mainz.
Inhalt: Das II. Rheinische Diakonissenhaus in Kreuznach. — Mitthei-
lungen aus Vereinen. — Vermischtes — Preisbewerbungen. — Bücherschau.
Chronik. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 21.
AUZEITUNG.
GANG, sfs * N2; 22, ^
DEN 15. MÄRZ IQ02.
ft.'
iiliffii
Verwaltungs-Gebäude. Architekten: Zaar & Vahl in Berlin.
Berliner Neubauten.
No. 102. Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens,
Architekten: Ende & Böckmann, Kayser & v. Groszheim,
Zaar & Vahl, Schultz & Stegmüller, C. Teichen, Walther Ende, Fritz Schultze und Fritz Gottlob.
^Hierzu eine Bildbeilage.)
Is iin Jahre 1897, nach dem Tode des Ver- desOber-HofbaurathesStrack geknüpft, welcherletztere
lagsbuchhändlers Duncker , der damalige im Jahrgang 1847 der Förster 'sehen Bauzeitung über die
königliche Baurath Hr. Wilhelm Böckmann von ihm geschaffenen, im damaligen Sinne anziehenden
in Berlin, der bereits seit 1893 dem Vor kleinen Baulichkeiten berichtete. Am i. August 1844
Stande des Aktien-Vereins Zoologischer Gar fand die Eröffnung des Gartens statt und mit Aller-
ten angehört hatte und mit dem letzteren in nahezu höchstem Erlass vom 7. Mai 1845 wurden dem Verein
30-jähriger Thätigkeit als Architekt und Bcrather ver- für die Dauer seines Bestandes für das von ihm ver-
bunden war, zum Vorsitzenden des Vereins gewählt waltete Gelände die Rechte eines Superficiarius über-
wurde, da brach für den Garten eine neue Periode tragen, d. h. es wurde dem Verein die Oberflächen-
der Umgestaltungen und Neubauten in einem solchen nutzung des Gartengeländcs gewährt, ohne ihm zugleich
Umfange an, dass Böckmann mit Recht als der Neu- auch die Lasten des wirklichen Grundeigenthums auf-
schöpfer des Zoologischen Gartens bezeichnet wurde, zuerlegen. Für den Fall einer Auflösung des Vereins
Die Anfänge des Zoologischen Gartens in Berlin war die Rückgewähr des Geländes mit der Maassgabe
reichen mehr als 60 Jahre zurück; im Jahre 1841 gab bedingt, „dass auch die mit dem Grundstück über-
der Zoologe und Afrikaforscher Lichtenstein die ersten gebenen Baulichkeiten und die Umzäunung restituirt
Anregungen dazu und es wurde zu dem gemeinnützigen oder deren Werth erstattet werden müssen“. Die Ge-
Unternehmen durch Verfügung des Königs Friedrich schichte des Gartens hat diesen trotz kritischer Perioden
Wilhelm IV. ein 86 Morgen 162,5 Q-Ruthen grosses davor bewahrt, von diesem Vorbehalt Gebrauch machen
Gelände des Thiergartens, die Fasanerie, überlassen, zu müssen und wird ihn wohl hoffentlich auch in aller
welches später auf 91 Morgen vergrössert wurde, und Zukunft davor bewahren.
zugleich für die ersten baulichen Einrichtungen und In Deutschland ist der Zoologische Garten in
Thieranschaffungen ausser den Beständen, welche dem Berlin der älteste, für das Gebiet Europas gehen ihm
Garten aus der Fasanerie und von der Pfaueninsel die zoologischen Gärten von London, welcher 1828
bei Potsdam überwiesen wurden, eine Summe von von der 1825 gebildeten Zoological Society auf der
25 000 Thalern zur Verfügung gestellt. Die erste An- Grundlage der Menagerie des Earl of Derby geschaffen
läge des Gartens ist an den Namen des berühmten wurde, von Amsterdam, der 1838 entstand, und von
Gartendirektors Lenne, die erste Bauperiode an den ''Antwerpen, der 1843 eröffnet _wurde, voran. Es
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folgten ihm in, Deutschland als erster der aus privater
Anregung hervorgegangene zoologische Garten in
Frankfurt a. M., welcher durch eine 1857 gebildete
Gesellschaft mit einem Anfangskapital von etwa
5oooo Fl. ins Leben gerufen und 1858 vor dem Bocken-
heimer Thor auf einem 5*^^ grossen Gelände eröffnet
wurde. Im Jahre 1860 folgte der zoologische Garten
in Köln a. Rh,, 1861 der in Dresden, 1863 der in
Hamburg; der jüngste ist der im Jahre 1901 gegrün-
dete zoologische Garten in Halle a. S.; dahin gehende
Bestrebungen in München haben bis heute noch nicht
■zu greifbaren Gestaltungen geführt.
Die Zoologischen Gärten als allgemeine Volks-
bildungsanstalten sind überhaupt Schöpfungen der
Neuzeit; als privateUnternehmungen zur höfischenSchau-
stellung oder zur Unterstützung der Jagdlust gehen sie
bis in das vorchristliche Alterthum zurück, Einen „Park
.der Intelligenz“ gründete nach dem „Heiligen Buch der
Dieder“ der Chinesen bereits der Ahnherr der Tscheu-
Dynastie, Wu-Wang um 1150 v. Chr. Der Name des Gar-
tens mag daher kommen, dass das Thier im Geistesleben
des Ostens eine weitaus bedeutendere Rolle spielt, als
in der westlichen Kultur. Die Thierkämpfe und Thier-
aufzüge der römischen Kaiserzeit scheinen darauf hin-
zuweisen, dass auch die Römer Thiersanimlungen
kannten, die aus den weitverzweigten Kolonien ver-
sorgt wurden. Die mittelalterlichen Thiergärten und
Zwinger gehen von den Klöstern aus und verbreiten
sich von hier über zahlreiche Städte und Hof-
haltungen, zu deren, Repräsentation sie bis gegen
das XIX.- Jahrhundert gehören. Die heute noch be
stehende Schönbrunner Menagerie wurde 1752 be-
gründet und bekam einen Zuwachs aus den Beständen
|der 1737 aufgelösten Menagerie des Prinzen. Eugen
ivon Savoyen auf dem Schlosse Belvedere bei Wien.
lAn den Höfen von London, Versailles, Potsdam, Turin
Dresden, usw. geliörte die Haltung fremder und wildei
Thiere zum Zeitvertreib der höfischen Kreise. Die
;ersten Versuche, die Thierhaltungen für wissenschaft-
liche Zwecke nutzbar zu machen, wurden 1794 ge-
macht, indem man die Menagerie von Versailles mit
dem Jardin des Plantes in Paris vereinigte. Es hat
;sich jedoch in diesem Garten, der heute noch besteht,
wie auch in den 'Gärten von Schönbrunn und ander
wärts gezeigt, dass die wissenschaftlichen Darbietungen
allein auf die Dauer' nicht eine so zahlreiche Menge
zu fesseln vermögen, wie sie nöthig ist, um eine An-
lage dieser Art aus sich selbst heraus nicht nur zu
erhalten, sondeim aus ihren Erträgnissen auch die durch
die Zeit bedingten nothwendigen Verbesserungen, Ver-
vollständigungen und Erweiterungen eintreten zu lassen.
Infolge dieser mangelnden Erkenntniss war auch
dem Berliner Zoologischen Garten in seiner ersten
Zeit eine vorwärts drängende Entwicklung nicht be-
schieden. Obwohl Lenne mit seiner grossen Kunst
eine schöne englische Anlage schuf und aus dem
sumpfigen Gelände zu machen versucht hatte, was
nach der damaligen verhältnissmässig geringen Be-
siedelung d(;s Gartens zu thun möglich war, haben
doch die vorwiegend wissenschaftlichen Tendenzen,
welche durch Lichtenstein, Alexander von Humboldt
und Lenne verfolgt wurden, nicht vermocht, den Garten
zu einem gesuchten Faktor im öffentlichen Leben der
Hauptstadt des Königreiches zu machen. Von den
500 Aktien zu je 100 Thalern, die damals ausgegeben
wurden, konnten nur 150 untergebracht werden; es
gingen zudem die Einnahmen beständig zurück und
es wurde der Gärten von anderen Unternehmungen
weit überholt. Da trat sowohl ein Wechsel in der
Oberleitung, wie auch ein Wechsel in der wissen-
schaftlichen und wirthschaftlichen Leitung des Gartens
ein; namentlich der letztere Umstand sollte, als es ge-
lungen war, zum i. Okt. 1869 den Direktor des Zoolo-
gischen Gartens in Köln, Dr. Bodinus, einen genialen
Zoologen, für das Unternehmen zu gewinnen, für die
fernere Zukunft des Gartens entscheidend sein. Frei-
müthige Vorstellungen über den Zustand desselben
fanden bei dem damaligen preussischen Finanzminister
von der Heydt eine verständnissvolle Geneigtheit zur
138
Mitarbeit, sodass im Jahre 1869 auf seine Anregung
ein neues Comite aus den Aktionären Dechend, Ravene,
Hemptenmacher, Mendelssohn-Bartholdy, Stobwasser,
Spinn, Prätorius u. a. gebildet wurde, welches bald ein
neues liberaleres Organisations-Statut zustande brachte
und den Vertrieb von 1000 Aktien zu je 100 Thalern
übernahm. Doch es sollte das Jahr 1871 kommen
bis alle Aktien untergebracht und ein Kapital von
300000 M. vorhanden war. Indessen, für das, was
Dr. Bodinus plante, reichte diese Summe auch nicht
entfernt aus, sodass zu drei verschiedenen Malen
6'^/o Obligationen mit einem Gesaramt- Betrage von
2 100 000 M. ausgegeben wurden; sie wurden zu Beginn
der achtziger Jahre in 5%, in der Mitte der neunziger
Jahre in umgewandelt. Heute ist diese Schuld
bis auf T400000 M. getilgt, durch jährliche Ausloosung
von früher 10000, seit 1895 50000 M. Aus diesen er-
höhten Ausloosungen kann zugleich auf die glückliche
Entwicklung des Gartens geschlossen werden. Zu
diesen Geldmitteln traten noch die günstigen Kassen-
einnahmen der siebziger Jahre; während im Jahre 1869
an Eintrittsgeldern nur 66000 M. vereinnahmt wurden,
stieg diese Summe 1870 auf 134000M , i873auf 366000 M.
und es wurden gleichzeitig aus dem Abonnement 1872
29000 M., 1873 46000 M., gelöst.
Diese reichen Geldmittel bildeten die Basis für die
grossartigen baulichen Unternehmungen und Anlagen,
welche dem Garten bald seinen Weltruf brachten und
welche ihn zum Sammelpunkt des sommerlichen Gesell-
schaftslebens der Reichshauptstadt machten. Diese
zweite Bauperiode hat die Namen der Architekten Ende
& Böckmann auch für diese Stelle unauslöschlich in
die Baugeschichte von Berlin eingeschrieben. Leider ist
damals — nicht durch die Schuld der Architekten —
versäumt worden, einen Generalplan zur baulichen
Ausnützung des Geländes aufzustellen, ein Mangel,
der sich später um so empfindlicher bemerkbar machte,
je mehr der Besuch des Gartens zunahm. Es wurde
zu jener Zeit namentlich auf den vorhandenen Baum-
wuchs grosse Rücksicht genommen, weniger auf den
Verkehr unddasZurechtfinden der schaulustigen Menge,
und daneben nur der eine Gesichtspunkt beobachtet, dass
nicht Thiere, die einander feindlich gesinnt sind und sich
gegenseitig aufregen können, nahe zusammengebracht
wurden. Dazu kam, dass Lenne seine Gartenanlage nur
auf einen Eingang von der Lichtenstein-Brücke her ge-
schaffen hatte und dass, als später zwei neue Eingänge
als nothwendig sich erwiesen, die grosse Systemlosig-
keit und die mangelnde Uebersichtlichkeit um so mehr
noch empfunden wurden. In dieser Unübersichtlich-
keit bilderen die grossartigen Neubauten, die nunmehr
in kurzer Folge nach den Entwürfen der genannten
Architekten entstanden, willkommene Orientirungs-
punkte. Es wurden errichtet im Jahre 1869 die
Restauration (ein Theil der heutigen Anlage) mit
einem Aufwande von in 000 M.; im Jahre 1870
das Muschelorchestcr (6900 M.) , der Bärenzwinger
(27000 M.) und die Adlerkäfige (30000 M.); in den
Wintermonaten von 1870 auf 1871 enstand das grosse
Raubthierhaus mit einer Kostensumme von rd.
111 000 M.; in den Winterraonaten 1871 — 1872 wurde
das Antilopenhaus mit einem Aufwande von 180000 M.
geschaffen, und im Jahre 1873 entstand als das be-
deutendste Bauwerk dieser Periode das Elefantenhaus
mit einer Bausumme von 300000 M. Der- Bau des
grossenKonzertsaales, im Anschluss an die Restauration,
in den Jahren 1874 — 1875, welcher 248000 M. bean-
spruchte, schloss, da die Mittel erschöpft waren, diese
Bauperiode vorläufig ab. Nach einer Zwischenzeit
von nahezu 10 Jahren folgte dann das mit einer Summe
von 113000 M. errichtete neue Affenhaus, mit wel-
chem die Bauthätigkeit der Firma Ende & Böckmann
ihren Abschluss fand.
Die Architekten haben in den Jahrgängen 1875
und 1876 der Erbkam’schen „Zeitschrift für Bau-
wesen“ ausführlich über die Werke dieser grossen Bau-
periode berichtet und in sorgfältigem Eingehen auf die
Lebensbedingungen der Thiere und selbst auf ihre
Psj'^chologie, die man bis dahin glaubte nicht be-
No. 22.
sonders beachten zu brauchen, ihre Ziele dargelegt.
Diese Ziele waren zum ersten eine hervorragende
künstlerische Erscheinung der Bauten, sodann das
ebenso wichtige Bestreben, die Thierhäuser in einen
gewissen harmonischen Einklang mit ihren Bewohnern
zu bringen. Die Architekten sprechen sich darüber mit
folgenden Worten aus: „Der Charakter dieser Baulich-
keiten hat doppelten Forderungen Rechnung zu tragen.
Es soll durch die äussere Erscheinung der Gebäude der
Beschauer angeregt
bringen, erwähnt, dass trotz der grossen Aufwendungen
der ersten Hälfte der siebziger Jahre zu Beginn der
achtziger Jahre ein kurzer Stillstand m der Ent-
wicklung eintrat, welcher am besten daran zu er-
kennen ist, dass das Eintrittsgeld, welches bereits
1873 den Betrag von 366 000 M. erreichte, im Jahre
1883 auf 273000 M., und der Betrag für die Abon-
nements für die gleiche Zeit von 46 000 M. auf
43000 M. zurückgingen. Das veranlasste zum Nach-
ts., denken und zu wei-
und es sollen ihm Ge-
bilde vorgeführt wer-
den , an welche an-
knüpfend seine Phan-
tasie das eingehegte
Thier auf seinem hei-
mathlichen Boden zu
sehenglaubt. Vor allem
aber soll dem Thier
selbst ein behaglicher,
dem Sonnenlicht mög-
lichst zugänglicher,gut
ventilirter, im Sommer
nicht zu heisser, im
Winter warmer Stall
oder Käfig geschaffen
werden , sowie ein
Schauraum, in wel-
chem auch der Besu-
cher sich wohl fühlt."
In dieser Auffassung,
namentlich in dem
liebevollen Eingehen
auf die Thierpsycho-
logie, wie es z. B. auch
in dem schönen Auf-
sätze über „Luxus-
Pferdeställe und Pfer-
de-Ausstellungen"zum
Ausdruck kommt, wel-
chen der eine Theil-
haber der Firma, Hr.
Wilh. Böckmann, im
Jahrgang 1892 unserer
Zeitung veröffentlich-
te, wurden die Bauten
begehrte Vorbilder für
eine Reihe von zoo-
Gebäude-Gruppe beim
Haupteingang am
Kurfürsten - Damm.
Arch.: Zaar & Vahl
in Berlin.
PFORTNETRHAUS.
VERWALTUNGSGEBÄUDE FAHRRAD HAUS.
ERDSESCHOSS f j r i
KURF ÜRSTE N -
logischen' Gärten, die im Laufe des letzten Vierteljahr-
hunderts entstanden. Ihre doppelte Bedeutung als Bau-
werk wie als individueller Unterkunftsort für das Thier
veranlasst , uns, zugleich um dieser Veröffentlichung
in sich eine gewisse Abrundung zu geben, die be-
deutendsten derselben, zumtheil nach den schönen
Stichen der „Zeitschrift fürBauwesen“, folgen zu lassen.
Vorher aber sei noch, um die Entwicklungs-
geschichte des Gartens bis zu der augenblicklichen
grossen Umgestaltungsperiode zum Abschluss zu
15. März igoa.
DAMM
Neuschöpfungen als ungefähre Anhaltspunkte dienen
können. Dazu sei erwähnt, dass die Aktionäre eine
Dividende nicht erhalten, dagegen für sich und ihre
Familienmitglieder das Recht des freien Eintrittes in
den Garten besitzen.
Trotz aller der erwähnten Aufwendungen nun,
die bis zum Jahre 1896 den Betrag von 2552000 M.
erreichten und auf welche bis dahin 810000 M. ab-
geschrieben wurden, fehlten doch in keiner General-
versammlung der Aktionäre die berechtigten Klagen
139
über gewisse Uebelstände des Gartens. Es wurde Seiner ruhelosen Thatkraft, seiner unvergleichlichen
geklagt über die Unübersichtlichkeit der Anlage, Dispositionsgabe und seinem weiten Blick verdankt
welcher man glaubte durch Schilder usw. abhelfen der Garten die Umwandlungsperiode, in welcher er
zu können. Es fiel ferner den Besuchern eine ge-
wisse Eintönigkeit in den gärtnerischen Anlagen und
ein Mangel an Blumen auf ; Hand in Hand damit
gingen die Klagen über die unordentlichen und
staubigen Wege, sowie über das schmutzige und
übel riechende Wasser der Wasseranlagen. Endlich
wurde stets darauf hingewiesen, dass bei plötzlich
eintretendem Regen nicht genügend Unterkunftsräume
für die Besucher vorhanden seien. Das war die
Sachlage, als im Jahre 1897 Wilhelm Böckmann an
die Spitze des Vorstandes trat, der seit der Mitte der
neunziger Jahre vollständig erneuert worden war.
sich heute noch befindet und die ihn nach der Voll-
endung der Umgestaltungen nicht allein zu dem ge-
sellschaftlichen Mittelpunkte des neuen Berlin, son-
dern zu einer Schöpfung macht, welche in der mo-
dernen Welt unseres Wissens noch unerreicht ist. —
(Fortsetzung folgt.)
No. 22.
140
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldon 1902.
I. Der Kunstpalast.
Architekt; A. Bender in Düsseldorf,
n Düsseldorf wurde am 8. März d. J. das neue
Kunstausstellungs-Gebäude, das für die Veranstaltung
deutscher und internationaler Zentral-Aussiellungen
nach Art der jährlichen grossen Kunstausstellungen in
Paris, München, Berlin usw. zu dienen bestimmt ist, feier-
dustrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, West-
falen und die benachbarten Bezirke. Der Palast wurde
erbaut aus den seit 1898 reichlich zugeflossenen Mitteln
des Staates, der Provinz, der Bürgerschaft, der indu-
striellen Kreise und der Kunstfreunde. In einer wahr-
haft wohlthuenden Weise ist hier das innige Verhältniss
zwischen Industrie und Kunst, zwischen der mächtigen
Beherrscherin des Westens und ihrer sanfteren Genossin
lieh eingeweiht. Dieser
einem schon lange ge-
hegten Wunsche der
Düsseldorfer Künstler-
schaftentsprechende Mo-
numentalbau verdankt
seine Entstehung zu-
nächst dem von Prof.
Fritz R o e b e r ausgegan-
genen Gedanken der un-
mittelbaren Verbindung
einer deutsch-nationalen
Kunst-Ausstellung, die
in diesem Sommer eine
möglichst breite Ueber-
sicht über die Entwick-
lung der deutschenKunst
in den letztverflossenen
10 Jahren bieten soll,
mit einer grossen In-
15. März 1902.
s
-J
H
-
—
B
-
...
am Rhein, wieder ein-
mal zum Ausdruck ge-
kommen, denn der Kunst
wurde das neue Haus
wesentlich erbaut durch
die Opferwilligkeit, mit
welcher Industrie und Ge-
werbe sich in den Dienst
der Ideale stellten. Die-
sen Grundgedanken fin-
den wir wiederklingend
in dem Giebel-Relief
über dem Hauptportal:
„Prometheus mit dem
hohen Lichifunken die
Kunst begeisternd und
Gewerbe undHandwerk
befruchtend."
Zunächst soll die neue
Schöpfung der Düssel-
141
dorfer Kunst zugute kommen. Diese schien von dem Strome
des internationalen Wettbewerbes und dem Reichthume
neuer Ideen ein wenig abgedrängt zu werden und kann
nun, an der starken Hand der heimischen Industrie, wieder
sichere Wege gewinnen. Die Bedeutung der bevorstehenden
erstmaligen Ausstellung in diesem Palast wird dadurch
noch gehoben, dass mit ihr eine kunsthistorische Abtheilung
verbunden ist, in der die Ueberlieferungen mittelalterlicher
Kunst in den beiden aus der Vergangenheit so eindrucks-
voll erzählenden Provinzen, in einer ganz seltenen Weise
vereinigt, zur Anschauung gebracht werden sollen.
uas Gebäude erhebt sich unweit des Kunstakademie-
Gebäudes und kehrt seine stolze 132 m lange Hauptfront
dem Rhein zu. Es wurde nach den preisgekrönten Plänen
des Architekten A. Bender von der Firma Philipp Holz-
mann & Cie. in Frankfurt a. M. ausgeführt. Die Bear-
beitung der Ausführungs-Zeichnungen und die Bauleitung
lagen unter dem Beirath von Prof. Schill und Prof.
Kleesattel in den Händen der Architekten E. Rückgaue, r
und Kraefft. Die überbaute Fläche beträgt rd. 8000 gro,
die grösste Tiefe 90®, die Höhe der Fassade 18 bezw.
22“. Im Inneren sind ausser der unter der Kuppel be-
findlichen Empfangshalle 7 grössere und 7 kleinere, z. Th.
im Obergeschoss des Vorderhauses (Loggien und Säle im
Mittelbau) gelegene Ausstellungshallen enthalten.
Das Gelände für den Palast ist eine Zuwendung der
Stadt Düsseldorf an die Künstlerschaft im ungefähren
Werthe von 800000 M.; die Baukosten betrugen etwa
1300000 M., auch an ihnen hat die Stadt Düsseldorf we-
sentlichen Antheil genommen. Im Inneren hat namentlich
die Kuppelhalle eine reichere Ausstattung erhalten. Die
Baumaterialien sind für das Aeussere Tuffstein, Sandstein,
Granit und Basalt, für das Innere Marmor und vergoldeter
Stuck. Die Kuppel ist mit Kupfer eingedeckt. Die grossen
Oberlichtsäle können durch leicht verstellbare Holzwände
in Einzelabtheilungen getrennt werden. Für die erste
deutsch-nationale Kunstaustellung sind die Säle auf der
rechten Seite der Düsseldorfer Kunst, die- Säle links vom
Eingang Berlin, München, Dresden, Wien und den übrigen
deutschen Kunststädten gewidmet worden. Im ersten
Saale rechts schliesst sich die Ausstellung der Architekten
an, die sich in den oberen Räumen der Loggien fortsetzt.
Ein Flügel ist der kunsihistorischen Abtheilung Vorbehalten.
Die Abmessungen der grösseren Hallen sind 55 bezw.
58“ Länge zu 22“ Breite bei Höhen von 8—9“. Die
Empfangshalle des Mittelbaues hat 16“ Seitenlange.
Ein besonderer Schmuck ist der inmitten des Ge-
bäudes liegende, einen Garten umschliessende Ehrenhof,
in den ein Marmorbecken eingefügt wird. Der stille,
in italienischer Hofarchitektur mit Säulenstellungen ge-
haltene edle Hof ist in echtem weissgeibem Sandstein
ausgeführt und dient als Skulpturensaal, sowie zur Ver-
anstaltung grosser Künstlerfeste. Der südliche Anbau,
der in reizvoller und farbenfroher Einrichtung überall das
Anmuthige mit dem Zweckmässigen verbindet — auch er
ist gleich der Dekoration aller Innenräume von E. Rück-
gauer geschaffen — enthält die Restaurationsräume, die
schon seit längerer Zeit dem freien Besuche zugänglich
waren. Das in Putzarchitektur ausgeführte Restaurations-
Gebäude hat eine Länge von 52“. — O. Vorlaender.
lieber Radfahrwege,
Bach dem Bericht über die vorjährige Versammlung
des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheits-
pflege zu Rostock in No. 77, 1901 d. Dtschn. Bztg.,
spricht Stadtbrth. Genzmer-Halle a. S. in seinem Vor-
trage „Strassenbefestigungs-Materialien und Ausführungs-
arten, sowie ihr Einfluss auf die Gesundheit“ sich dahin
aus, dass es in grossen Städten geboten sei, besondere
Wege für Reiter, Radfahrer und Fussgänger zu schaffen.
Als Radfahrwege empfiehlt er i “ breite Streifen in der
Nähe der Strassengosse. Er bemerkt, dass in den Stadt-
verordneten-Versammlungenfür gewöhnlich wenig Geneigt-
heit für die Anlage solcher Wege vorhanden sei und dass
er mit einem diesbezüglichen Anträge in der Halle’schen
Stadtverordneten-Versammlung keinerlei Entgegenkommen
gefunden habe.
Diese Mittheilung veranlasst den Unterzeichneten Ver-
fasser zu einigen Bemerkungen über die Bedeutung von Rad-
fahrwegen in der Umgebung von grossen Städten, wobei
auf eine Erörterung über die Wichtigkeit dieser Wege im
Stadtinneren allerdings nicht näher eingegangen werden
soll. Man kann leicht die Beobachtung machen, dass auf
den Chausseen in der Umgebung grosser Städte und
auf den Strassen, die nach deren Vororten führen, sowie
auf den Strassen dieser Vororte selbst, die Zahl der Rad-
fahrer die Zahl der auf diesen Wegen verkehrenden
Fuhrwerke oft erheblich tibertrifft, was au.ch durch poli-
zeiliche Verkehrs-Zählungen wohl schon mehrfach fest-
gestellt sein wird. Man ist daher fast versucht, sich die
Frage vorzulegen, ob der. Radfahrerverkehr auf manchen
dieser Strassen für die Allgemeinheit nicht schon eine
grössere Wichtigkeit erlangt hat, als der Verkehr der Fuhr-
werke sie besitzt. Jeden Abend nach der Stunde des
Arbeitsschlusses, mit Ausnahme weniger Frostmonate des
Jahres, kann man auf den genannten Strassen in der Um-
gebung Berlins ganze Züge von Handwerkern und Ar-
beitern sehen, die auf ihren Rädern von ihren im Stadt
inneren gelegenen Arbeitsplätzen ihren in den umliegen-
den Ortschaften befindlichen Wohnungen zueilen. Aehn-
liche Erscheinungen werden in der näheren Umgebung
anderer grosser Städte sicher auch zu beobachten sein.
Es ist bei einer Reihe von Geschäftsleuten und Hand-
werkern, als Gas- und Wasserleitungsarbeitern, Tape-
zierern, Gärtnern usw. Regel geworden, dass sie auch
innerhalb ihrer Wohnorte alle weiteren Wege auf dem
Fahrrad zurücklegen.
Auch die Zahl der Personen ist eine ausserordentlich
grosse geworden, bei denen die durch das Fahrrad ihnen
gebotene Leibesübung für die Erhaltung ihres Wohl-
befindens und der Gesundheit unersetzlich ist, da sie
durch ihren Beruf auf eine sitzende Lebensweise ange-
wiesen sind.
Die Chausseen sind, wenn sie noch eine unversehrte
Steindecke haben, was allerdings öfters nicht der Fall ist,
für das Fahrrad leidlich gangbar. Die Strassen der Vor-
orte und der Vorstädte sind dagegen wegen ihres meist
unebenen Pflasters mit diesem Beförderungsmittel in der
Regel nur mit grossen Unbequemlichkeiten und erheb-
lichem Zeitverlust zu durchfahren. Mit Rücksicht hierauf
und weil der Gebrauch des Fahrrades für einen sehr aus-
schlaggebenden Bruchtheii der breitesten Bevölkerungs-
schichten der Grosstädte eines der wichtigsten Geschäfts-
undLebensbedürfnisse geworden ist, erscheint die Schaffung
geeigneter und zahlreicher Radfahrwege an den besproche-
nen Stellen als durchaus dringlich und unabweisbar. Eine
Erleichterung und Ermöglichung des Radfahrverkehres
durch Schaffung besonderer Wege würde eine Wohlthat
sein, die von sehr weiten Kreisen der Bevölkerung ganz
besonders dankbar empfunden werden würde.
Was die beste Art der Anlage und Befestigung dieser
Wege betrifft, darüber möchte Verfasser eine bezügliche
Erörterung einer berufeneren Feder überlassen, wobei
vielleicht auch entsprechende Einrichtungen ausserdeut-
scher Grosstädte zur Mittheilung sich eignen würden.
Der Verfasser hat in einem Vororte von Danzig kürz-
lich derartige Bahnen gesehen, die in allereinfachster Weise
dadurch hergestellt sind, dass nächst der Strassenrinne ein
etwa 0,50 “ breiter Auftrag von Zementbeton von etwas
abgerundetem Querschnitt auf das Strassenpflaster auf-
gebracht worden ist. Selbst diese einfach hergestellten
Radfahrwege werden als eine sehr schätzenswerthe Er-
leichterung des Radfahrverkehrs anzusprechen sein. Voll-
kommener sind ja etwas breitere Asphaltbahnen mit regel-
mässigen seitlichen Grenzen.
Die Ausgaben für Herstellung von Radfahrwegen wer-
den meist nicht sehr hohe werden und werden sehr oft
eine vorzügliche Geldanlage für die Gemeinden darstellen
ausser dem Nutzen, der schon in Vorstehendem gekenn-
zeichnet ist. Durch Erleichterung des Fahrrad Verkehrs
wird der Gesammtverkehr vieler Ortschaften in erheb-
lichem Maasse erhöht werden und es ist doch Verkehrs-
Erhöhung gleichbedeutend mit Wachsen und Blühen jener
Ortschaften. Ein Beispiel dafür, zu welchem bedeuten-
den Umfang der Radverkehr durch gute glatte Wege ge-
steigert werden kann, bieten die mit Asphaltpflaster ver-
sehenen Strassen, welche von Berlin nach einigen seiner
Vororte führen. Auch nach einer anderen Richtung wird
der Herstellung von Radfahrwegen eine volkswirthschaft-
liche Bedeutung beizumessen sein. Seit lange haben sich
Bestrebungen geltend gemacht, welche der lebhaftesten
Unterstützung werth sind, nämlich die fehlenden Wohnun-
gen der Arbeiter der Grosstädte thunlichst in deren Vor-
orten zu errichten, da in diesen der Baugrund billiger ist
und da dort die in gesundheitlicher Beziehung so drin-
gend erwünschte weiträumige Bauweise auch für Arbeiter-
häuser noch eher durchführbar ist. Die Frage der Be-
siedelung hierzu geeigneter Vororte mit Arbeiter-Familien
ist indessen eng verknüpft mit der Lösung der Verkehrs-
frage durch die Herstellung von Vorort-Eisenbahnen usw.
Wenn nun auch die Radfahrwege die Vorort-Eisenbahnen
im allgemeinen nicht werden ersetzen können, so wird
No. 22.
.142
die Herstellung der ersteren in zahlreichen Fällen erheb-
lich zur Lösung der vorerwähnten Verkehrsfrage und zur
Förderung der Errichtung von weiträumigen Arbeiter-
Ansiedelungen in Vororten beitragen.
Als Beweis übrigens dafür, dass die Stadtverwaltun-
gen usw. sich nicht überall auf einen so ablehnenden
Standpunkt gegenüber der Anlage von Radfahrwegen
stellen, wie in dem Eingangs angeführten Beispiel, möge
die Angabe dienen, dass im vergangenen Jahre der
hamburgische Staat der dortigen Baudeputation 240000 M.
für zu beiden Seiten der Strassen anzulegende Radfahr-
wege zur Verfügung gestellt hat. Auch kann angeführt
werden, dass die Hauptstrassen des Bebauungsplanes der
königlichen Domäne Dahlem bei Berlin 3,25 m breite Rad-
bahnen aufweisen. - Oehmcke.
Das Besprengen chaussirter Strassen mit Roh-Petroleum.
Eas Verfahren, die Chausseen mit Rohpetroleum zu
tränken, findet in Nordamerika mehr und mehr Auf-
nahme, da der Zustand der Strassen dadurch ver-
bessert und die lästige Staubplage fast ganz beseitigt
werden soll. So ist beispielsweise die Stadt und Land-
schaft von Sacramento ausschliessüch zu diesem Verfahren
anstelle der Besprengung der Strassen mit Wasser über-
gegangen. Das Rohöl wird in kaltem oder warmem Zu-
stande verwendet, letzteres wird vorgezogen. Man pumpt
oder giesst das Oel nach der Erwärmung in den Spreng-
wagen, welcher die Begiessung der Strassen ausführt. (Dass
für kleinere oder Versuchsarbeiten auch die Giesskanne
genommen werden kann, ist selbstverständlich.) In dem
technischen Blatte „Scientific American“ 1901 II S. 187
ist ein in Amerika angewendeter, hierfür besonders kon-
struirter Sprengwagen abgebildet, welcher nahezu 8,5m
Sprengbreite haben soll; man kann aber auch jeden ge-
wöhnlichen Sprengwagen fürWassersprengung verwenden,
wenn der Ausfluss des Oeles regulirbar ist.
Das Verfahren stellt sich bei den amerikanischen Preisen
für Rohöl billiger als die häufige Wassersprengung und die
Unterhaltungskosten der Chaussirung werden vermindert.
Der erste Ueberguss erfordert mehr Oel als die
späteren, welche in Zwischenräumen von etwa 6 Monaten
angewendet werden. Da die Abnutzung der Chausseen
durch das Oelverfahren vermindert werden soll, findet es
auch auf Landchausseen Verwendung, wo die Rücksicht
auf Staubbildung weniger entscheidend sein würde. In
der Landschaft Kern hat man bei einer Chaussirungsbreite
von 3,6 m für den ersten Ueberguss etwa 60 Fass, für die
weiteren Güsse etwa 40 Fass Petroleum für 1 verwendet.
Die Strassen in Los Angeles, welche dem Touristen
wegen ihres aussergewöhnlich guten Zustandes auffallen,
werden ebenfalls so behandelt.
In San Francisco hat man mit bestem Erfolge einen
Versuch in dem Golden Gate Parke gemacht, dessen
chaussirte Strassen sehr starken Wagenverkehr haben
und wegen ihres Staubes berüchtigt waren. Man hat die
7 2 km lange, 10,5“ breite Hauptchaussee in ganzer Aus-
dehnung geölt, das erste Mal allerdings unter Verwendung
von 6000 Fass Petroleum (zum Preise von 4 M. f. d. Fass),
sodass die Oberfläche ganz gesättigt war; dann hat man
das Verfahren dort in kurzen Zwischenräumen wiederholt.
Zuerst war der Geruch sehr unangenehm, verlor sich aber
bald unter der Wirkung des Windes und der Sonne. Der
Fahrweg wurde in der ersten Zeit von den Radfahrern
gemieden, welche wohl Schäden für die Radschläuche
fürchteten, aber bald waren die Vortheile in die Augen
springend. Die Oberfläche ist fest und glatt geworden, an
eine Asphaltstrasse erinnernd. Der Staub ist verschwunden,
und die Bäume des Parkes, welche früher ganz verstaubt
waren, behalten wieder ihre frische natürliche Farbe. Jetzt
wird jene Strasse jährlich zweimal geölt und die Parkver-
waltung rechnet gegenüber der Wassersprengung mit einer
Ersparniss von 2000 M. monatlich, ausser dem früheren
Verbrauch von täglich 300^^111 Wasser.
Nach solchen Berichten möchte es sich doch sehr
empfehlen, auch bei uns mit dem Verfahren Versuche zu
machen, namentlich dort, wo man unter der Staubent-
wicklung auf den Strassen leidet. Die Wirkung des Oelens
beruht wohl darauf, dass die dickflüssigeren Theüe des
Rohpetroleums im Strassenkörper verbleiben, nicht ver-
dunsten und den Schotter wie das kiesige Füllmaterial
der Steinfugen überziehen und tränken. Dadurch fällt die
schmirgelartige Wirkung des scharfen Kieses auf die Stein-
flächen beim Ueberfahren der Wagen fort, wodurch sich
die Abnutzung vermindert Bei fortgesetzter Anwendung
des Oeles verstopfen sich die Fugen schliesslich ganz und
die Dicktheile des Oeles bleiben auf der Oberfläche; die
Strasse bekommt Aehnlichkeit mit den vom Unterzeich-
neten wiederholt in der Fachpresse besprochenen Pech-
makadams.
Da die dickflüssigen Theile des Rohpetroleums von
besonderer Wichtigkeit zu sein scheinen, möchte es sich
empfehlen, dem Rohpetroleum Theer, womöglich Theer
mit Pechzusatz beizumengen, da die Gewinnung einer
dichten und glatten Decke dadurch beschleunigt wird.
Ein grosser Vortheil liegt schliesslich auch darin, dass
durch die Abdichtung der Steinfugen das Eindringen von
Wasser erschwert und somit das Aufweichen der Strasse,
das Lockerwerden der Steine und die starke Schmutz-
bildung verhindert werden. Die günstige Einwirkung eines
Uebergusses von Steinkohlentheer auf Chausseedecken
ist übrigens auch anderweitig erprobt worden, so in der
Nähe von Ravenna, wo nach dem Bulletin des italie-
nischen Ing.- und Arch.-Vereins für einen einmaligen
Ueberguss etwa 250 M. für das Kilometer aufgewendet
wurden und die Oberfläche allmählig völlig dicht und
ebenwrde. - E. Dietrich,
Mittheilungen aus Vereinen.
Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin, In der Sitzung
vom II. Februar theilte der Vorsitzende, Hr. Wirkl. Geh.
Ob.-Brth. Streckert u a. mit, dass der Verein seinem
Mitgliede, Hrn. Staatsminister von Thielen, zu dessen 70.
Geburtstage ein Glückwunschschreiben übermittelt habe.
Aus dem Bericht über die Prüfung der Jahresausgaben
ist hervorzuheben, dass die Zinserträge des etwa 28000 M.
betragenden Vereinsvermögens mit einem Theile der lau-
fenden Einnahmen zur Prämiirung der vom Verein ge-
stellten Preisaufgaben verwendet werden.
Hr. Eisenb.-Bauinsp. Frankel aus Guben hielt einen
Vortrag über „Dampf-Lokomotive und Schnellver-
kehr*’. Er führte etwa Folgendes aus:
Die Einführung elektrischen Betriebes auf Vollbahnen
wird häufig wegen der zu erwartenden wirthschaftlichen
Vortheile empfohlen, die man sich insbesondere durch
die in grossen Zentralen billig herzustellende Kraft ver-
spricht, die nach Umwandlung in Elektrizität und Hinleitung
nach den betr. Bahnlinien zur Zugförderung nutzbar ge-
macht werden soll. Hierbei entstehen selbstverständlich
Kraftverluste, welche ein solches Maass erreichen, dass
die Krafterzeugung in der Lokomotive bereits eine etwas
günstigere wird; dieses Verhältniss vergrössert sich aber
wesentlich zu Ungunsten des elektrischen Betriebes, weil
die vom Betriebe bedingten langen Züge, die sich nicht
gleichmässig über die Tagesstunden vertheilen, sehr grosse
Kraftschwankungen im Gefolge haben, denen die elektr.
Uebertragung weder wirthschafilich noch technisch ge-
wachsen ist. Bestehende Fahrpläne einer stark befahre-
15. März 1902.
nen Bahn weisen Schwankungen im Kraftbedarf von
1200 bis 6000 P.S. auf, es lassen sich auf solchen Linien
kaum mehr kleinere Züge fahren, da die Zugfolge schon
eine dichte ist und auf den Bahnhöfen für Rangirzwecke
gewisse Zeit bleiben muss, auch die Stationsbeamten für
die Betriebs- und Sicherheits-Vorrichtungen die nöthige
Zeit und Müsse haben müssen, wenn nicht Unfälle ein-
treten sollen. Ist die Wirthschaftlichkeit der elektr. Bahnen
aber eine ungünstige, so bleiben, abgesehen von der schon
der Beseitigung nahen Rauchplage, nur noch ungünstige
Eigenschaften der elektr. Bahnen übrig, vor allem die be-
sonders in Kriegszeiten verhängnissvolle Abhängigkeit von
den elektr. Drahtleitungen. Auch im Auslande, z. B. Ame-
rika, wo man von jeher für elektr. Vollbahnen schwärmte,
ist eine starke Ernüchterung eingetreten, so ist die wohl
älteste elektr. Linie der Pennsylvania-Bahn wieder mit
Dampfbetrieb versehen worden. Auchfür den „elektrischen
Schnellverkehr“ ist wenig Aussicht vorhanden, da die
Krafiverluste hier wegen der grossen erforderlichen Kräfte
besonders gross und kostspielig, die Motorenwagen sehr
schwer und ebenfalls theuer sind und endlich, wie theo-
retisch und praktisch nachgewiesen, die Betriebssicher-
heit wegen der Zerstörung des Oberbaues eine geringe
ist; der elektrische Betrieb würde für VoUbahnen bei der
heutigen Technik einen Rückschritt bedeuten. Viel günsti-
ger nach allen Richtungen verhält sich die für Schnell-
verkehr ausgerüstete Dampflokomotive, welche ausser-
dem den Vortheil bietet, mehrere Wagen auf einmal zu
befördern, was beim Bahnbetriebe erforderlich ist. Will
die Elektrotechnik die Bahn erobern, so muss sie bei den
ländlichen Nebenbahnen anfangen, wo kleinere Kräfte er-
M3
forderlich sind und wo, zur Verbilligung der Krafterzeu-
gung, aus den Zentralen die gerade nach dieser Richtung
nothieidende Landwirthschaft der Umgegend mit Kraft
für die verschiedenen Maschinen und für das elektrische
Pflügen versehen werden müsste.
Bei diesen ländlichen Kraftzentralen wäre auch die
Möglichkeit vorhanden, die bisher zu wenig verwendeten
Wasser- und Windkräfte in einem einheitlichen elektr.
Sammelnetze auszunutzen, und so die Unkosten zugunsten
der Landwirthschaft und der Nebenbahnen weiter zu ver-
billigen. Hierzu wäre freilich die Bildung einer „Studien-
gesellschaft“ erforderlich, um die Grundbedingungen für
ein solches Unternehmen festzulegen.
Den Ausführungen des Vortragenden gegenüber be-
tonte Hr. Geh. Brth. Lochner die volle wirthschaftliche
und technische Berechtigung der Versuchsfahrten der
„Studiengesellschaft für elektr. Schnellbahnen“ • und em-
pfahl, an die Lösung der Frage weniger mit hypothe-
tischen Betrachtungen als vielmehr, wie es die Gesell-
schaft gethan, mit praktischen Versuchen heranzutreten.
Hierauf sprach Hr. Ing. Joh. Zacharias über
„Sprechende Photographien“. Aus dem Vortrage
ist folgendes zu erwähnen; Eine Bildersprache ist wohl
allgemein bekannt, auch die Sprechmaschinen, welche auf
mechanischem Wege wirken, aber, dass eine völlig ebene
Photographie auch sprechen könne, ist neu und eine Er-
findung des 20. Jahrhunderts. Nachdem 1877 Edison sei-
nen Phonographen und Berliner das Grammophon erfunden
hatten, konstruirte 1880 Prof. Beil das Photophon, das eine
Telephonie ohne Draht mit Hilfe des lichtempfindlichen
Selens darstellt. Prof. Simon erfand i8q8 die sprechende
Bogenlampe, deren Einrichtung und Schaltung später noch
von Duddel und Ruhmer vereinfacht wurde. Damit war
die Möglichkeit der Photographie von Schallwellen gegeben,
die sich auf einem schnellaufenden, lichtempfindlichen Bande
wie beim Kinematographen im sogen. Photographophon
hersteilen lassen. Diese Licht- und Schattenstreifen ent-
haltenden Bilder lässt Ruhmer zwischen einer Bogenlampe
und einer Selenzelle fortlaufend sich bewegen, wobei in
einem Telephon Stromschwankungen entstehen, die man
als Schallwellen wieder vernehmen kann. Diese sprechen-
den Bilder sind viel geeigneter zur genauen Wiedergabe
von Lauten als die Sprechmaschinen, da elektrische und
Lichtwellen kein störendes Geräusch verursachen, wie
z. B. der Membranstift im Phonographen.
Sodann wies noch Hr. Oberstleutn. a. D. Buchholtz
auf die grosse Zahl von Unglücksfällen hin, welche noch
ramer beim Besteigen und Verlassen der elektr. Strassen-
bahnwagen verkämen, und wirft die Frage auf, ob sich
nicht durch zweckentsprechende Aenderungen in der Ein-
richtung der Wagen dieser Uebelstand würde beseitigen,
oder doch die Zahl der Unglücksfälle vermindern lassen.
Er sprach mit Bezugnahme auf die Einrichtung der seit
mehr als 30 Jahren in Berlin verkehrenden Omnibus
die Ansicht aus, ob nicht die seitlichen Zugänge zu den
Strassenbahnwagen die Schuld an den Ünglücksfälien
trügen. Hier Hesse sich vielleicht Abhilfe schaffen durch
Anordnung zweckmässiger Eingänge an den Schmalseiten,
also an den beiden Kopfenden. Bei Benutzung von An-
hängewagen würde allerdings beim vorderen Wagen das
Besteigen von der Seite beibehalten werden müssen, es
Hesse sich aber eine Verbindung beider Wagen, ähnlich
der in den D-Zügen, zur bequemen Vertheilung der Mit-
fahrenden herstellen.
Die Versammlung beschloss, auf die angeregte wichtige
Frage später zurückzukommen.
In üblicher Abstimmung wurden in den Verein auf-
genommen als einheimische ord. Mitgl. die Hrn. Eisenb.-
Bau- u. Betr.-Insp. C. Schwarz, Betriebsdir. Ad. Lieb-
mann, Ob.- u. Geh. Brth. Alfr. Goepel; als auswärtige
ord. Mitgl. die Hrn. Prof. H. Wegele in Darmstadt und
Ing. Charles 0. Gleim in Hamburg. —
Vermischtes.
Die neue Rheinwerft ln Düsseldorf, deren Schlusstein
am 8. d. M. in feierlicher Weise in Gegenwart des Hrn.
Minister von Thielen verlegt wurde, bildet den Abschluss
von Arbeiten, die durch den Bau des Rheinhafens, der
im Jahre 1896 vollendet worden ist, eingeleitet wurden.
Diese Arbeiten, die als eine nothwendige Ergänzung der
sich bereits eines lebhaften Verkehrs erfreuenden Hafen-
anlagen anzusehen sind, haben eine völlige Umgestaltung
des Rheinufers der Stadt zurfolge gehabt, das sich bis
dahin in einem vernachlässigten Zustande befand, haben
der Stadt anstelle der alten Schiffbrücke die im Jahre
1898 vollendete feste Rheinbrücke gebracht und schützen
die Altstadt nunmehr gegen die Ueberschwemmungen bei
Hochwasser. Gewonnen ist der Platz zu diesen Anlagen
durch eine erhebliche Vorschiebung des Rheinufers bei
entsprechender Abgrabung am gegenüberliegenden linken
Ufer. Es sind etwa 184001“ dem Strom abgewonnen,
der hier stellenweise Tiefen bis zu 17 “ aufweist, die mit
Baggergut im Schutze einer Steinschüttung ausgefüllt wur-
den. Die ersten Regulirungsarbeiten wurden seinerzeit
schon im Anschlüsse an die neue Brücke ausgeführt, in-
dem damals die Werftstrasse vom Kohlenthor auf 500 “
abwärts um 30 “ vorgeschoben wurde. Hinter der tieferen
Werft wurde eine 26 “ breite, 3 “ höhere und völlig hoch-
wasserfrei liegende Strasse hergestellt, der alte Sicher-
heitshafen zugeschüttet und mit den vorhandenen alten,
unansehnlichen Bauten dieser Gegend aufgeräumt.
Die neue, über Sommerhochwasser liegende 20“ breite
Werft ist mit einer Ufermauer auf Betongründung einge-
fasst. Sie hat zwei an den Hafenbahnhof angeschlossene
Gleise erhalten und besitzt elektrisch betriebene Portal-
krahne von je 3 1 Tragfähigkeit. Hinter der Werft, wieder-
um 3 “ höher, liegt eine 25 “ breite, mit Bäumen be-
pflanzte Uferstrasse, deren nach dem Rhein zu belegener
8,6 “ breiter Promenadenweg unterkellert, also zu Lager-
zwecken der Werft zu verwenden ist.
Die obere Uferstrasse hat architektonischen Schmuck
durch einige von Hrn. Stadtbrth. Radke ausgeführte
Baulichkeiten, den sog. Hafenvogt, ein Pegelhäuschen und
das „Düsseischlösschen“ erhalten.
Die gesammten wasserbaulichen Arbeiten, deren Lei-
tung dem zu diesem Zwecke aus dem Staatsdienste be-
urlaubten Wasser-Bauinsp. Hrn. Ottmann oblag, wurden
von Ph. Holzmann & Cie. ausgeführt. Die Kosten belaufen
sich auf über 3 Mill. M.
Eine weitere Verbesserung hat die Stadt ferner durch
die diesjährige Ausstellung erhalten durch Anschüttung,
Vorschiebung und Sicherung des Ufers der sogen. Golz-
heimer Insel, eines tief liegenden Uferstreifens unterhalb
der neuen Rheinbrücke, auf welchem zurzeit die Aus-
stellungsbauten errichtet sind und der dann später ebenfalls
zuLadezweckenbezw.zurBebauungbenutzt werdenkann. —
Deutsche Städteaussteliung in Dresden. Für die 1903
in Dresden stattlindende Deutsche Städte-Ausstellung sind
die Anmeldungen in der Hauptsache eingegangen. Die
Betheiiigung der deutschen Städte an der Ausstellung
wird danach eine ausserordentlich umfangreiche werden
und schon jetzt lässt sich erkennen, dass der städtische
Ausstellungspalast vollständig von den Ausstellungs-Ge-
genständen der Städte besetzt werden wird. Die Zahl
der betheiligten Städte ist auf 126 gestiegen. —
Preisbewerbtmgen.
Wettbewerb des Vereins deutscher Maschinen-Inge-
nieure. Der Verein hat ein Preisausschreiben erlassen,
das, mit drei Preisen von 5000, 3000 und 2000 Mk. aus-
gestattet, folgende Bedingungen stellt: Es wird der Ent-
wurf einer Lokomotive verlangt, die imstande ist, auf
gerader Bahn einen Zug im Gewicht von etwa 180 1 mit
einer Geschwindigkeit von 120 km in der Stunde auf die
Dauer von 3 Stunden ohne Aufenthalt zu befördern. Die
Wasseraufnahme kann im Fahren in Abständen von etwa
120 km statifinden. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit
des Zuges soll 150 km in der Stunde betragen. Es werden
ferner verlangt die vollständigen Entwürfe von Eisen-
bahnwagen, die noch bei Geschwindigkeiten von i5o km
in der Stunde einen durchaus betriebssicheren und ruhi-
gen Gang haben und so eingerichtet sind, dass sie den
Reisenden auch bei Unfällen den grösstmöglichen Schutz
bieten. Auf gute Durchbildung der Einrichtungen zur
Lüftung, Beheizung und Beleuchtung der Wagen ist Werth
zu legen; die Bremseinrichtungen sollen so beschaffen
sein, dass durch sie der Zug auf dem kürzesten Wege
zum Halten gebracht werden kann. Der Zug soll nur
•eine Klasse führen und mindestens 100 Reisende mit
ihrem Gepäck aufnehmen können. Einrichtungen zur
Verabreichung von Erfrischungen während der Fahrt
sollen vorhanden sein. —
Brief- und Fragekasten.
Stadt. Tielbauamt Fr. Die in unserem Anzeigentheil ge-
nannten grösseren Firmen für Kunstschmiede- Arbeiten sind fast
sämmtlich in der Lage, die genannten Arbeiten zu übeimehmen. —
Inhalt: Berliner Neubauten, No. 102. Die Umwandluog und die Neu-
bauten des Zoologischen Gartens. — Von der Industrie- und Kunstausstellung
in Düsseldorf 1902. — Lieber Radfahrwege. — Das Besprengen chaussirter
Strassen mit Roh-Peiroleum. — Mittheilungen aus Vereinen. — Vermischtes.
— Preisbewerbungep. — Brief- und Fragehasten.
Hierzu eine Bildbeilage; Das Verwaltungs-Gebäude und
der Haupteingang des Zoologischen Gartens in Berlin.
Verlag der Deutschen Bauzeitun^ G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert I-T 0 fm ann, Berlin.- Druck von Wilh. Greve, Berlin.
T44
No. 22.
IE UMWANDLUNG UND DIE NEUBAU-
TEN DES ZOOLOGISCHEN GARTENS IN
BERLIN * DAS VERWALTUNGS-GEBÄU-
DE UND DER HAUPTEINGANG * ARCHI-
TEKTEN: ZAAR & VAHL IN BERLIN * *
= DEUTSCHE BAUZEITUNG^
* XXXVI. JAHRGANG 1902 — NO- 22 *
jrr
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 23. Berlin, den 19. März 1902.
Die katnolische Westminster-Kalhcdralc in London. Architekt: John F. Bentley f.
John Francis Bentley *j*. (Hierzu die Abbildungen auf S 147.)
m 2. März d, J. starb in London,
unmittelbar vor Empfang der gröss-
ten Auszeichnung, welche die engli-
sche Architektenschaft zu vergeben hat
— der auf Vorschlag des Royal Institute of
British Architects zur Verleihung gelan-
genden königlichen Goldenen Medaille
— der Architekt John Francis Bentley,
unseren Lesern durch die Vorführung
des Entwurfes zu seinem bedeutendsten
Werke, oder, wie die englischen Fach-
blätter mittheilen, zu dem bemcrkens-
werthesten Werke, welches in London
seit dem Parlamentshause errichtet
wurde, zu der neuen römisch-katholi-
schen Westminster-Kathedrale in Lon-
don, in No. 62 Jahrgang 1895 unserer
Zeitung, kein Fremder mehr. Bentley
ist im 63. Lebensjahre einem Schlagaii-
fall erlegen, der ihn am i. März be-
troffen hatte. Mit ihm scheidet eine der
ausgesprochensten der älteren Künstler-
gestalten aus der Reihe der zeitgenössi-
schen englischen Fachgenossen aus, ein
Architekt, der im allgemeinen zu der
englischen neugothischen Schule gezählt
wird, jedoch in seinem letzten und viel-
leicht bedeutendsten Werke, das er lei-
der nur bis zum Rohbau fördern konnte
und unvollendet hinterlassen musste, sich
als ein selbständiger Eklektiker von
scharf umrissencr persönlicher Eigenart
erwiesen hat.
Bentley wurde im Jahre 1839 gebo-
ren und machte seine fachlichen Stu-
dien bei Henry Clutton, Er gehörte mit
Pearson, Bodley, Austin und anderen zu
jener Gruppe englischer Neugothiker,
welche sich von dem starren Schulprin-
zip, wie es Charles Barry bei seinem in
dem Jahrzehnt von 1840—1850 errichteten
Parlamentshause durchgeführt hatte und
welchem auch noch G. Gilbert Scott
huldigte, lossagten und unbeengt von
einseitigem Stilzwang versuchten, über
den Stilen zu stehen. Die letzte Frucht
dieser befreienden Bestrebungen Bent-
ley’s waren die Entwürfe zur West-
minster-Kathedrale. Dieses bedeutende
Werk krönt eine erfolgreiche Laufbahn,
welche mit nur wenigen Ausnahmen
im Dienste der sakralen Baukunst stand.
Von seinen hervorragendsten Werken
seien in dieserBeziehung genannt die 1859
eingeweihte, in Sandstein und Ziegelbau
errichtete, aus Kirche und Kloster be-
stehende Gebäudegruppe der „Unbe-
fleckten Empfängniss“ und von St. Fran-
cis in Bocking Bridge, Essex; die 1900
geweihten kirchlichen Gebäude zum
„Heiligen Kreuz“ in Watford; ihnen folg-
ten kirchliche Werke in Brixton. Kensal
Green, Clapham, Windsor, Hammer-
smith, Notting-Hill , Bayswater, Leeds,
Yorkshire, Holborn, Chelsea usw. Für
Kardinal Vaughan baute er in West-
rainster ein Wohnhaus. Anseinen zahl-
reichen Werken war Bentley entweder
als Architekt sowohl für den Aufbau
wie für die gesammte Ausschmückung
beiheiligt, oder es wurde ihm sehr häufig
für bestehende Gebäude auch die letz-
tere allein übertragen. Seine reiche Be-
gabung für dekorative Ausschmückung
Das Schinkelfest des Architekten -Vereins zu Berlin.
enn ein Verein, wie der Architekten-Verein zu Berlin,
auf ein 78jähriges Bestehen zurückblicken kann,
wenn seine Mitgliederzahl von wenigen Personen
auf über 2000 gestiegen ist, wenn ferner die Ziele und
Bestrebungen eines solchen Vereins auf einem Gebiete
liegen, das eine derartige beispiellose Entwicklung und
Umwandlung erfahren hat, wie dasjenige der Technik,
dann ist es begreiflich, wenn auch das Vereinsleben
mancherlei Umgestaltungen im Laufe der Jahre durch-
machen musste. An einer Einrichtung jedoch hat der
Verein bisher unverbrüchlich festgehalten, das ist die fest-
liche Versammlung am 13. März, am Geburtstage des vor
nunmehr 60 Jahren dahingeschiedenen Altmeisters Schinkel.
Auch in diesem Jahre fand sich zu diesem Jahresfeste
am 13. d. M. eine, wenn auch nicht sehr zahlreiche Ge-
sellschaft aus Mitgliedern, Gönnern und Freunden des
Vereins in dem mit der Kolossalbüste Schinkels und
reichem Blumenflor geschmückten grossen Saale des
Architekten-Hauses zusammen. Der Hr. Minister d. öffentl.
Arbeiten von Thielen war persönlich erschienen, vom
Reichseisenbahnamt Wirkl. Geh. Ob.-Brth. Streckert,
vom Ministerium d. öff. Arb. Hr. Ministerialdir. Schröder,
ferner die Hrn. Ob.-Baudir. von Dömming und Hinckel-
deyn, letzterer gleichzeitig in seiner Eigenschaft als Prä-
sident der Akademie des Bauwesens, von der Technischen
Hochschule der Rektor Geh. Brth. Prof, ßubendey und
Geh. Reg.-Rth. Prof. Müller-Breslau. Anwesend waren
ferner die Hrn. Dir. Ewald und Prof. Julius Lessing als
Vertreter des Kunstgewerbe-Museums, Hr. Maler Wend-
ling als Vertreter des Künstler- Vereins, Hr. Geh. Brth.
vonderHudeals Vorsitzender der VereinigungBerl.Arch.,
ausserdem waren auch die dem Fache angehörigen Abgeord-
neten Daub,Felisch, Kindl er und Macco der Einladung
gefolgt. Von den Ehrenmitgliedern des Vereins nahmen die
Hrn. Excellenz Wiebe und Wirkl. Geh. Ob.-Brth.Prof. Ad 1 er
an der Feier theil.
Der Vereins-Vorsitzende, Hr. Dir. Beer, eröffnete die
.Sitzung mit kurzen Worten der Begrüssung und erstattete
in . üblicher Weise den Bericht über das .Vereinsleben im
vergangenen Jahre. Wir entnehmen aus dem.selben die
folgenden Angaben:
Die Mitgliederzahl betrug am i. Januar 1901 imganzen
2075, davon 5 Ehrenmitgl., 716 einheimische und 1354 aus-
wärtige Mitglieder. Trotzdem eine. Anzahl, namentlich
auswärtiger Mitglieder, ausschied und der Tod nicht weniger
als 38 Opfer forderte, war die Zahl am i. Jan. 1902 auf
2104 gestiegen. Unter den Verstorbenen sind nicht nur
alte und treue Mitglieder des Vereins, sondern auch eine
ganze Reihe von Namen zu finden, die einen guten Klang
in der Baukunst und im technischen Leben hatten. Wir
nennen nur Geh. Reg.-Rth. Prof. Jacobsthal, Berlin,
Wirkl, Staatsrath Exc. Victor Schroeter, St. Petersburg,
Geh. Brth. August Orth, Geh. Brth. Prof. H. Garbe,
denen wir schon an anderer Stelle Worte ehrender Er-
innerung gewidmet haben.
Erfreulicher Weise kann der Verein auch auf eine
grosse Anzahl von Mitgliedern zurückblicken, die ihm be-
reits mehr als 50 Jahre angehören. Im vergangenen Jahre
konnte das Diplom des Vereins für 50 jährige Mitgliedschaft
verliehen werden an die Hrn. Geh. Brth. Theod. Düster-
haupt in Freienwalde a. O., Brth. Leopold Petri in Det-
mold, Wirkl. Geh. Ob.-Reg.-Rth. Kinel in Berlin, der dem
Verein ausserdem als Ehrenmitglied angehört, und Geh.
Ob.-Brth. Theod. Kozlowski in Eberswalde.
Eine besondere Auszeichnung wurde den Mitgliedern
Geh. Brth. Wilhelm Böckmann, Berlin, dem verdienst-
vollen Förderer des Berliner Bauwesens und des Archi-
tekten-Vereins, und Ob.-Baudirektor Franzius in Bremen,
dem hervorragenden Vertreter der Wasserbaukunst, durch
Verleihung der Ehrenmitgliedschaft zutheil, gelegentlich
der Feier ihres 70. Geburtstages*).
Der Bericht erstreckte sich dann noch auf die wirth-
schaftlichen Verhältnisse des Vereins, die Stiftungs- und
Unterstützungskassen desselben, die Vergrösserung und
den Bestand der stattlichen, werthvollen Bibliothek und
schliesslich auf das Vereinsleben, wie es in den Versamm-
lungen, Vortragsabenden, Besichtigungen und auch in den
geselligen Veranstaltungen zum Ausdruck kommt.
Zum Schlüsse ging der Vorsitzende zu dem Ausfall
der diesjährigen Schinkel- Konkurrenz über und bat den
Hrn. Minister, den Siegern**) die Medaillen überreichen
zu wollen, was mit Worten der Anerkennung und An-
spornung zu weiterem Streben geschah. Daran knüpfte
der Vorsitzende selbst noch die Glückwünsche des Vereins
und bat dann den Festredner des Tages, Hrn. Dir. Dr.
Jessen, Vorsteher der Bibliothek des Kunstgewerbe-
Museums in Berlin, mit seinem Vortrage zu beginnen.
Redner hatte sich das Thema der „Erziehung des
Raumsinnes“ gestellt. Seinen Ausführungen, die mit
Beifall aufgenommen wurden, entnehmen wir den folgen-
den, kurzen Gedankengang.
Redner knüpfte an die im Hochbau gestellte Schinkel-
aufgabe an, die ein durchaus zeitgemässes Thema berührte,
da ein Gebäude zur Volkserziehung zu schaffen war, also
eine Frage behandelt wurde, die zusammen mit der Jugend-
bildung im Mittelpunkt des heutigen Interesses stehe. Mit
der hohen Bewerthung, deren sich die Schule heute erfreut,
treten andieselbe aber auch von allen Seiten neue Ansprüche
heran. Auch eine Vertiefung der künstlerischen Erziehung
soll angebalint werden, denn die Kunst hat keinen festen
Boden, nicht das richtige Verständniss im Volke, und als
Folge davon haben sich unsere Künstler z. Th. von der
Allgemeinheit abgewendet und pflegen eine unfruchtbare
Kunst für die Künstler. Die Erkenntniss, dass hier etwas
geschehen muss, ist allgemein. Ein Bild von den mannich-
fachen darauf gerichteten Bestrebungen gab der i. deutsche
Kunsterziehungstag, der im Herbst v. J. in Dresden stattfand.
*) Vergl. Dtsch. Bztg. 1902 S. 4a \rad 114.
Vergl. die Namen S. 128.
war in gleichem Maasse geschätzt, wie seine Begabung
für die Bewältigung der grossen Massen seiner umfang-
reichen Bauaufgaben.
Die römisch-katholische Kathedrale von Westminster,
zu welcher noch der Kardinal Manning den Grund erwarb
und zu welcher am i. Juli 1895 der Grundstein gelegt
wurde, ist das Werk des Künstlers, welches seine Eigen-
art: freie, eklektische Verwendung der Stile und ein reiches
dekoratives Vermögen, am sprechendsten zum Ausdruck
bringt. Wenn wir in den beistehenden Abbildungen ein
Bild des Werkes geben, so kann dies nur ein ungefähres
sein, denn auch Bentley gehörte zu den zurückgezogenen,
stillen Künstlernaturen, welche in der Einsamkeit der
Zeichenstube so völlig in ihrem Werke aufgehen und mit
ihm verwachsen, dass seine Gestaltung erst dann als ab-
geschlossen gelten darf, wenn das Werk vollendet dasteht.
Gleichwohl sind sie geeignet, die Meisterschaft des Ver-
storbenen wenigstens anzudeuten. Bei der Kathedrale
ging Bentley durchaus auf altchristliche Vorbilder, in erster
Linie auf die alte, konstantinische Basiliska von St. Peter
in Rom zurück. Die Pläne hierzu, sowie die ravennatischen
Bauten und die altchristlichen Kirchen in Venedig, auf
Murano, in Mailand usw. studirte er während eines länge-
ren Aufenthaltes in Italien, welcher den Ausführungs-Ent-
würfen voranging. Auf dieser Grundlage entstand das,
was unsere Skizzen andeuten. Bentley war leider nicht
zu bewegen, mehr über das Werk zu veröffentlichen, als
was der Einzeichnungsbogen für die Beiträge zum Kirchen-
bau enthielt. Nicht er hatte das Werk, sondern das Werk
hatte ihn in solchem Maasse, dass er erst dann eine innere
Befriedigung darüber fand, wenn es fertig war. Um so
mehr muss man bedauern, dass es dem Künstler nicht
mehr beschieden war, nach dem Rohbau auch die innere
Ausschmückung zu vollenden, von welcher Grosses er-
wartet werden konnte.
Die allgemeine Anlage und die stattlichen Maasse des
Gotteshauses gehen aus unserer Grundriss-Skizze hervor.
Die Kirche liegt nur an ihrer Vorderseite völlig frei; an
ihren beiden Langseiten ist sie eingebaut und an der Chor-
seite auf geringe Entfernung durch hohe Häuser umbaut. Die
Choransicht, welche wir nach dem „Builder“ wiedergeben,
stellt die künstlerische Haltung des Aufbaues am treuesten
dar und lässt, mit der Skizze der Vorderansicht zusammen-
gehalten, erkennen, dass Bentley im Laufe der Ausführung
von einer etwas zu heterogenen Stilmischung auf eine
strengere Einheitlichkeit zurückging. Der Glanzpunkt des
Werkes ist das Innere mit seiner einfachen Linienführung,
seinen Kuppeln und seiner grossen Weiträumigkeit. Die
Konzentration der künstlerischen Kraft und Mittel für das
Innere war bei den ungünstigen Eigenschaften der Baustelle
naheliegend. Und gerade dieser bedeutendste Theil des
W erkes ist nunmehr fremden I-Iänden überlassen. Möchten
sie eingehende Vorarbeiten dafür vorfinden und wenn es
der Fall ist, so möge ihnen die grösste Pietät zur Pflicht
gemacht werden. Denn hier hat ein Grosser seine Spuren
hinterlassen.
Mit der Feierlichkeit, die seiner künstlerischen Be-
deutung entsi^rach, wurde Bentley am 5. März bei St. Mary
in Chapham durch Kardinal Vaughan der Erde über-
geben. Diese schliesst nun einen der besten Künstler
des neuen England ein. —
146
No. 23.
Auch die Baukunst hat ein Interesse an diesen Bestre-
bungen, denn es geht ihr wie den übrigen Künsten; auch
bei ihr ist das. was die Schule bisher lehrte, mehr eine Ein-
prägung von Einzelheiten, als ein Eindringen in das Wesen.
Worin liegen nun eigentlich das Wesen und die Wir-
kung eines Bauwerks? Nicht sowohl im Stil, im Material
oder im Schmuckwerk, als vor allem in der „Macht des
Raumes'*, wie das Lucae schon vor 30 Jahren betonte;
der Raumgedanke ist es, der das Bauwerk von innen nach
aussen durchdringen soll, den wir andererseits erfassen
müssen, wollen wir das Wesen des Bauwerks verstehen und
den vollen Genuss von seiner Schönheit haben. Das gilt
das Verständniss für die Einwirkung des Stoffes auf die
Formgebung zu gewinnen und Handfertigkeits-Unterricht
sind werthvolle Hilfsmittel.
Das Verständniss des Raumes, namentlich des Innen-
raumes, kann jedoch nur am Bauwerk selbst, in diesem
Falle dem Schulgebäude geweckt und geübt werden.
Deswegen können wir unsere Schulgebäude — für die
ärmeren Klassen oft das einzige Gebäude, das sie ausser
ihrem ärmlichen Heim betreten — nicht künstlerisch genug
ausstatten, um so schon in die Kindesseele den Keim
zum Verständniss der Kunst zu legen.
Wie dann die Fachschulen und technischen Hochschulen
in dem heranwachsenden Bau-
künstler den Raumsinn weiter zu
erziehenhaben, das sei eineAuf-
gabe, deren Lögung Redner den
berufenen Vertretern des Faches
selbst überlassen wolle.
An die Festrede schlossen
sich, wie üblich, ein Rundgang
durch die vorderen Säle zur
Besichtigung der ausgestellten
Wettbewerbs - Arbeiten , sowie
schliesslich das Festmahl an,
das dieTheilnehmer noch einige
Stunden in froher Stimmung zu-
sammenhielt. — £
MittheiluQgen aus Vereinen.
Die kathol. Westminster- Kathedrale in London. Architekt; John Francis Bentley f-
Arch.- u. Ing.-Verein zu Ham-
burg. Vers, am 10. Jan. 1902.
Vors. Hr. Zimmermann. Auf-
gen. Hr. Ing. C. Hunvik, In den
Ausschuss über Aufnahme der
Streikklausel in die Verträge mit
Unternehmern werden die Hrn.
Hennicke, Heubel, Carl El-
vers, Reichardt, Ruppel,
Vering u. Dr. Wenzel gewählt.
Den Jahresbericht stattet Hr.
Goebel ab. — Es schliesst sich
daran der Vortrag „Ueber den
Hafenbau in Kiautschou“
von firn. Ing. Kleinrath, der
bei der Firma Vering in Ham-
burg, dem Unternehmer für die
Hafenbauten, beschäftigt ist (s.
Pläne Jahre. 1900 S. 124 u. 127.)
Der Hafen in der Nähe der
vollständig neu entstandenen
Europäerstadt Tsingtau, an der
nordöstlichen Spitze der Kiaut-
schou-Bucht, soll ein grosses
Becken von rd. 200 Grösse,
etwa gleich der Aussenalster,
und ein kleineres von 35 ha er-
halten bei 10® bezw. 6“ Wasser-
tiefe, die vor dem Werftgebiet
für ein Schwimmdock auf 15“
vergrössert wird für Schiffe von
14000 Reg.-Tons = rd. 40000
ZumSchutze der Schiffe werden
Steindämme als Wellenbrecher
geschüttet und nur einige Molen
mit festen Kaimauern versehen,
so die Kohlen- und die Handels-
mole und am Werftgebiet eine
längere, frisch zu schüttende
Landzunge. Dazu sind rd.
4 000 000 cb® Boden zu baggern,
rd. 3,7 Kaimauern zu bauen
und rd. 7 Steindämme zu
schütten. Diese von der Reichs-
regierung geplante ctossc An-
lage wird durch die Molen gegen
besonders auch von unserer deutschen Baukunst. Wollen
wir also das Verständniss für unsere Baukunst in breitere
Schichten eindringen lassen, so müssen wir schon die
Jugend zu künstlerischem Raumgefühl erziehen.
Kann man nun aber den „Raumsinn“ erziehen? Bis
zu einem gewissen Grade ja. Er schlummert im Kinde und
braucht nur geweckt, nur gestärkt zu werden. Die Schule
kann auf diesem Geoiete Manches leisten. Verständniss-
voller, wieder mehr der Natur, als dem besten Vorbilde
zugewendeter Zeichenunterricht, frühzeitiges Formen in
Thon, dann aber auch später in härterem Material, um
den die Bucht gefährdenden
NW- Wind geschützt. Die Kai-
mauern müssen 1903 fertig werden, so dass mit den Kai-
anlagen und Oberbauten begonnen werden kann.
Der Bau wird dadurch erschwert, dass der nächste
Ort, der für Bezugsquellen inbetracht kommt, Shanghai ist
und alles Wichtigere von Europa aus beschafft werden
muss ; ausserdem hindern schwere Stürme und grosse Kälte
den schnellen Fortgang der Arbeiten, ebenso längere
Regenzeit und die geringe Anstelligkeit der einheimischen
Arbeitskräfte, denen nur wenige europäische Handwerker
und 22 Beamte von hier aus beigegeben sind. Wohl aus-
gerüstete Reparatur-Werkstätten, Wohngebäude, Arbeiter-
19, März 1902.
147
Baracken und i Bagger von der Akt.-Ges. „Weser" sind
vollständig zerlegt und für 15000 M. an Ort befrachtet
worden. — Die Landung der Geräthe war im Anfang
mangels irgendwelcher Entlade-Vorrichtungen sehr schwie-
rig und wird jetzt durch einen 25 t Tragfähigkeit besitzen-
den Schwimmkrahn sowie 4 fahrbare Dampfkrähne von
2,5—15 1 bewältigt.
Das Baggern wird durch 2 ältere und i neuen Bagger
„Hephaistos" bewirkt, letzterer erbaut von A. F. Mulders
in Rotterdam, 45 m lg., 8,5 ^ br., 2,6 m Tiefgang, 3,6 ™ Ramm-
tiefe, 390 Reg.-T. (zu 2,832 cbm). Das Baggerschiff hat in
der Längsaxe einen nach hinten offenen Schlitz, in welchem
sich die Eimerleiter auf und nieder bewegt. Der Bagger
ist ein Seitenschütter und kann „vor Kopf", also sich selbst
seine Fahrrinne baggern. Die Leiter ermöglicht bei einer
Neigung von 45 ^ gegen den Wasserspiegel eine Baggerung
von II “ Tiefe, 'kann aber um noch 4 m tiefer gerückt wer-
den, sodass es möglich ist, bei einer Schrägstellung der
Leiter unter 60 0 bis zu 18 ''' Tiefe zu baggern. Zum Heben
und Senken der Leiter dient eine Dampfwinde ; die aus
Stahlblech konstruirten Eimer fassen je 500 k Der Antrieb
des Eimerwerkes erfolgt zweiseitig durch Winkelzahnräder
und Riemenantrieb von einer der beiden beliebig auszu-
schaltenden Hauptmaschinen von je 250 P.S. Zwischen
Maschinen und Eimerwerk wird die Ein- und Ausschaltung
durch eine von Deck zu bedienende Reibungs-Kuppelung
bewirkt, welche bei plötzlich auftretenden Widerständen
und Hindernisseu das Eimerwerk augenblicklich zum Still-
stehen bringt. — Die Kohlenbunker fassen 30 1, die drei
Stisswassertanks zusammen 18 cbm. Zwei Zentrifugalpumpen
dienen zur Förderung des Baggergutes vom Bagger über
See und über Land nach der Ablagerungsfläche. Nach
Art der Pumpen, die auch als Säugpumpen verwendet
werden können, besitzt der Bagger dreifache Verwendungs-
art; als Eimerbagger für Entladung in Transportgefässe
mittels Schütteimern; desgl. in Verbindung mit einer Spül-
vorrichtung; als Saugbagger mit Spülvorrichtung für den
dort vorherrschenden Klaiboden. Die zugesicherte Leistung
des Baggers beträgt 300 cbm in der Stunde. Die ganze Ein-
richtung und Ausstattung des Baggerschiffes entpricht den
Anforderungen an ein Seeschiff.
Zur Bedienung der Bagger sind 2 Dampfer vorhanden,
auf deren einem eine grosse Taucherglocke aufgestellt ist,
sowie 8 in Holland gebaute Klappschuten.
Die Rohrleitung von'5oomm D. ist (mit Rücksicht auf
den Bohrraum) auf eisernen Doppel-Schwimmkörpern ge-
lagert. — Die Rohre sind mit Universal-Gelenken nach
Patent C. Vering verbunden, welche Krümmungen der
Leitungen nach allen Richtungen um einen Ausschlag-
winkel von 35 0 ermöglichen. Die Konstruktion beruht auf
der sogenannten cardanischen Aufhängung in 2 Achsen
eines Ringes und zeigt als elastisches. Zwischenglied bei
den Gelenken Lederschläuche der Firma F. Otto Gehrkens-
Hamburg mit Doppelschellbändern auf Winkeleisenflan-
schen. Gummischläuche sind wegen Klima und Seewasser
dort nicht brauchbar, daher auch Asbest dichtungen zwischen
den Flanschen nöthig wurden. Die Schwimmkörper aus
Eisen sind pontonartig gebaut mit einer zylindrischen Aus-
sparung in der Mitte, um einen Abfluss überschlagenden
Wassers_ zu ermöglichen und innen durch 4 Abtheilungen,
mit je einem Mannloch getheiit.
Der Bagger kostet rd. 490000 M., davon Versicherung
und Transport 110 000 M. , Rohrleitung frei Hamburg
80000 M., beide zusammen an Ort rd. 600000 M.
Im Jahre sind 450 000 cbm Boden gebaggert bei
etwa 200 Arbeitstagen und 200 000 cbm Steindämme ge-
schüttet mit rd. 800 Arbeitern ausschl. der Steinbruch-
Arbeiter an dem etwa i Stunde Weges von der Küste
liegenden Bismarck-Berge. Von hier bringen 3 Loko-
motiven mit 60 cm und 6 mit 90«“ Spurweite auf rd. 20 tm
Gleis in 80 Muldenkippwagen und 75 eisernen Transport-
wagen mit 3 cbm Fassungsraum die Steinmassen herbei.
Die Kaimauern zeigen noch wenig Fortschritte wegen er-
forderlicher Felsbohrungen. Die zu verwendenden Spund-
bohlen sind in Eisenbeton hergestellt, d. i. als ein Gerippe
von 2 Doppel-T-Trägern, die in Abständen wieder mit
I-Eisen verbunden sind, eingehüllt in Beton. Zum siche-
ren Einführen in den Klaiboden werden bei 25/45 Bohlen-
querschnitt 30 cm weite Löcher vorgebohrt und die rd. 3^^
wiegenden Bohlen mit besonderen Rammen und 372^^
wiegendem Bär eingeschlagen. Die Dampframme nach
Patent der Firma Menk & Hambrock in Altona hat bis
Unterkante des hochgezogenen Bars 18 Höhe und er-
möglicht eine Schrägstellung der Läuferruthe bis 1:4 nach
hinten, 1 ; 10 nach vorn. Die am Ort in bedeckten Räu-
men hergestellten, hochgestellt aufgestapelten und in einer
von der Firma F. H. Schmidt-Altona eigens dazu herge-
richteten Deckschute transportirten Bohlen werden durch
noch weitere 4 Dampf-Rammen wie oben mit i6oo kg Bär-
148
gewicht und eine Schwimm-Ramme mit 1400 kg Bär ein-
gerammt und schützen den hinter ihnen liegenden Pfahlrost
vor dem gefährlichen Bohrwurm, welcher es erforderlich
macht, dass die hölzernen Fahrzeuge der Chinesen alle
2—3 Wochen auf den Strand gesetzt, abgebrannt und neu
getheert werden müssen.
Der äusserst lehrreiche Vortrag, zu dessen Verständ-
niss eingehende Zeichnungen und Photographien aushin-
gen, erntete den lebhaften Dank des Hrn. Vorsitzenden
und der Versammlung. Gbl.
Vers, am 17. Jan. 1902. Vors. Hr. Zimmermann,
anwes. 168 Pers. Aufgen. die Hrn. Ing. M. Temme,
Brandmstr. W. Herzog, Volontär bei der Feuerwehr L,
Schiunk und Ing. J. H. Brandt.
Es spricht Hr. Haller in eingehender, höchst fesseln-
der Weise über den Wettbewerb für ein Bismarck-Denk-
mal in Hamburg.
Es giebt ferner Hr. Necker eine geschichtliche Dar-
stellung der Entstehung und Entwicklung der Innungen
und Zünfte, um zum Schluss deren Bestand in Hamburg
und ihren Einfluss auf das althamburgische Bauwesen an
zahlreichen Beispielen zu schildern. Er erwähnt dabei
eine ganze Reihe früherer hamburgischer Baugewerks-
meister und bespricht ihren Wirkungskreis durch Hin-
weis auf die wichtigeren von ihnen geschaffenen Bauten.
Beide Redner ernten reichen Dank der Versammlung. —
. Hm.
Vermischtes
Ein internationaler kunsthistorischer Kongress in Inns-
bruck findet in den Tagen vom 9.— 12. Sept. d. J. statt.
Mit dem Kongress ist eine Ausstellung von Werken lebender
Tiroler Künstler sowie älterer Kunstwerke Tirols und aus
tirolischem Privatbesitz verbunden und es werden Aus-
flüge nach landschaftlich und künstlerisch anziehenden
Oertlichkeiten veranstaltet. Alle Auskünfte vermittelt Hr.
Prof. Dr. Hans Semper in Innsbruck, Sillgasse No. 21. —
Preisbewerbungen.
Einen Wettbewerb betreffend Entwürfe für ein Stifts-
gebäude der Elly Hölterhoff-Böcking Stiftung in Honnef wird
von dem bez. Kuratorium zum i. Juli d. J. für deutsche
Architekten erlassen. Es gelangen 3 Preise von 2000,
1500 und 1000 M. zur Vertheilung; ein Ankauf nicht preis-
gekrönter Entwürfe für je 500 M. ist Vorbehalten. Unter
dem aus 10 Mitgliedern bestehenden Preisgerichte sind
die Hälfte Sachverständige des Baufaches, und zwar die
Hrn. kgl. Brth. Schulze, Stdtbrth. Schultze, Stdtbrth.
a. D. V. Noel, Reg.-Bmstr. Thoma und Landesbauinsp.
Weyland, sämmtlich in Bonn. —
Ein Preisausschreiben betr. Entwürfe für ein Sparkassen-
gebäude- ln Schluckenau in Böhmen erlässt die Direktion
zum 15. Mai d. J. Es gelangen 3 Preise von 2000, 1200
und 800 Kr. zur Vertheilung und es behält sich die Di-
rektion das Recht vor, nicht preisgekrönte Entwürfe „im
Höchstbetrage von40oKr.in ihr Eigenthum zu erwerben“. —
Brief- und , Fragekasten.
{Hrn. Bmstr. F. W. in Eschweiler. Schiefe Thürme mit
mehr oder weniger Abweichung von der Senkrechten finden Sie
noch in einer ganzen Reihe von italienischen Städten, wir nennen
zunächst nur Bologna, Venedig usw. Ueber den Grad der Ab-
weichung sind wir nicht unterrichtet, die Standfähigkeit erscheint
im allgemeinen nicht beeinträchtigt, denn mehrere der Thürme
stehen schon seit Jahrhunderten schief. —
Hrn. B. K. in Eltville. Für die von Ihnen beabsichtigten
konstruktiven Maassnahmen sind die Vorkehrungen maassgebend,
welche man bei den Tresoren anzuwenden pflegt. Im Anzeigen-
theil unserer Zeitung finden Sie hier einschlägige Firmen genannt. —
Hrn. Ach. S. G. in S. Ihre Angelegenheit entbehrt des all-
gemeinen Iiitevesse.Si welches wir für Briefkasten-Beantwortungen
voraussetzen müssen. —
Hrn. R. G. in Oelsnitz. „Vor“ dem Wassermesser liegt
derjenige Theil der Leitung, der das Wasser aus dem Strassenrohr
in das Grundstück einführt; dagegen liegen die sogen, häuslichen
Leitungen „hinter“ dem Wassermesser. Hiernach werden Sie
nicht im Zweifel sein können, wo die verlangte Absperrung anzu-
bringen ist. —
Anfragen an den Leserkreis.
1. Welche Erfahrungen sind mit „Sanitas“, fugenloser Fuss-
boden, gemacht? Ist die Haltbarkeit gleichwerthig mit gewöhn-
lichen Hobeldielen?
2. Es wird beabsichtigt, Sanitas in Schankwirthschafts-Räumen
zu verwenden; ist der Belag zu diesem Zwecke zu empfehlen?
Arch. O. in Münster.
Inhalt; John Francis Bentley f. — Das Schmkelfest des Arcliitekten-
Vereins zu Berlin. — Mittheiluagen aus Vereinen. — Vermischtes. —
Preisbewerbungen. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeltun^ G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Ho fm ann, Berlin. Druck von Wiih. Greve, Berlin.
No. 23.
Das Elephantenhaus. Architekten: Ende & Böckmann. (Nach: „Zeitschrift für Bauwesen“.)
Berliner Neubauten.
No. 102, Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens.
(Fortsetzung) Hierzu die Abbildungen S. 152, 153 und 155.
■" ei dem bis dahin herrschenden Zustande des
■ I ^^^1 Zoologischen Gartens zunächst als Garten
1 1 war eine dauernde Beseitigung der Ursachen,
I welche immer und immer wieder zu den am
”*^**^' Schlüsse unseres ersten Theiles erwähnten
Klagen führten, nur möglich, wenn durchgreifende
Aenderungen mit freilich auch erheblichem Kosten-
aufwande unternommen wurden. In erster Linie galt
es, im Garten eine grössere Ordnung zu schaffen, und
der Anlage die mangelnde Uebersichtlichkeit, über die
von den zahlreichen Sonntagsbesuchcm hauptsächlich
geklagt wurde, zu geben. Fast ein Drittheil des Gar-
tens lag für seine eigentlichen Zwecke unbenutzt da
und bildete Lagerplätze für Kohlen und für Materialien
aller Art, soweit dieser Theil nicht überhaupt Wildniss
war. Es galt daher zunächst, die zerstreuten Lager- und
Kohlenplätze zu einem Wirthschaftshof und zu einem
zentralen Kohlenlager zu vereinigen und aus dem frei
werdenden Raum, sowie aus den aufgeschlossenen
Theilen, die verwildert dalagen, Baugelände für neue
Thierhäuser zu schaffen. Zu ersterem Zwecke wurden
rechts neben dem Haupteingang am Kurfürstendamm
ein Maschinen- und ein Kohlcnhof und links vom
Haupteingang ein umfangreicher Wirthschaftshof an-
gelegt. Durch diese Vereinigung des wirthschaftlichen
Betriebes an zwei bestimmten Stellen wurde dieser
Betrieb nicht nur vereinfacht, sondern es wurde für
denselben auch eine leichtere Ueberwachung möglich.
Diese Neuordnung des Wirthschaftsbetriebes bezw.
die Beseitigung der zerstreuten Lagerplätze war zu-
gleich der erste Schritt zur Erhöhung der Uebersicht-
lichkeit des Gartens. Letztere hatte naturgemäss an die
drei Haupteingänge, sowie an die bestehenden Haupt-
gebäude anzuknüpfen. Es wurde, wie der Lagcplan
S. 140 zeigt, im Herzen des Gartens die sogenannte
„Dreisternpromenade“ derart angelegt, dass vom
Haupteingang am Kurfürstendamm aus eine breite
Allee in das Innnere des Gartens geführt wurde, auf
welche von der Richtung des zweiten Haupteinganges
an der Lichtensteinbrfleke her, sowie für die Besucher,
welche durch den dritten Haupteingang gegenüber
dem Bahnhof „Zoologischer Garten“ den Garten be-
treten, zwei weitere Alleen inform eines dreitheiligen
Sternes stossen. Im Schnittpunkte wurde eine Leucht-
fontaine angelegt, die fortan den scharf hervortreten-
den Mittelpunkt des Gartens bildet. Die Dreistern-
promenade wurde in reichster Weise mit Beleuchtung
und Blumenanlagen ausgestattet und in ihren Breiten-
abmessungen in einer über das einfache Bedürfniss
so beträchtlich hinausgehenden Weise angelegt, dass
sie vielleicht den eindruckvollsten Theil des Gartens
als solchem bildet. Unsere Abbildung S. 152 zeigt die
Anlage und die Eintheilung des vom Haupteingang
ausgehenden Theiles dieser Promenade; zur Linken
werden die Gebäude des Wirthschaftshofes sichtbar, im
Hintergründe der schöne chinesische Musikpavillon,
der nach den Entwürfen der Architekten Kayser &
V. Groszheim errichtet wurde und auf welchen wir
noch zurückkommen werden.
Ausser der Dreisternpromenade wurde ein grosser,
den Grenzen des Gartens ungefähr parallel laufender
Rundweg angelegt, welcher durch die Art seiner Be-
festigung leicht erkennbar gemacht wurde und ge-
wissermaassen einen Leitfaden für die im Garten nicht
149
bekanaten Besucher bilden soll. Dieser Weg sowie
einige abzweigende Strecken wurden zugleich als
Fahrwege ausgebildet und mit Mosaikpflaster auf
Zement-Beton befestigt; die Länge der so befestigten
Wege erreicht heute schon etwa 7700“. Durch die
Anlage der Alleen und des Rundweges wurde einmal
den dichteren Waldgruppen des Gartens Licht und
Luft zugeführt, sodass Blumenanlagen,. , selbst mit
tropischen Pflanzen, ein gedeihliches Fortkommen
finden, und es wurde andererseits die früher herr-
schende Staubplage auf ein geringstes Maass ver-
mindert. So lange die Gartenwege lediglich in ein-
facher Art befestigt waren, suchte man sich gegen
die Staubplage zu schützen, indem man die Kieswege
fast bis zum Morast einwässerte; und doch dauerte es
nicht lange, bis die Nässe unter dem Einfluss eines
Menschenstroraes von 80 — 100000 Besuchern und
darüber aufgesaugt und der alte Zustand wieder
herrschend war.
Mit solchen ßesuchsziffern rechnet die Verwaltung
an den sogenannten billigen Sonntagen, an welchen
das Eintrittsgeld auf nur 25 Pfg. für den Besucher
festgesetzt ist. Der normale Wochenbesuch bleibt
natürlich hinter diesen Zahlen erheblich zurück. Den
Stamm der ständigen Besucher des Gartens bilden
die etwa 2000 Aktionäre, welche saramt ihren Familien-
Mitgliedern freien Eintritt geniessen; hierzu treten die
Abonnenten mit über 3000 Familien. Allein aus den
Aktionären und den Abonnenten ist dem Garten eine
tägliche, nur vom Wetter beeinflusste durchschnittliche
Besuchsziffer von 5 — 10 000 Köpfen gesichert. An ge-
wöhnlichen Wochentagen empfängt der Garten ausser-
dem den Besuch von etwa 3 — 4000 das volle Ein-
trittsgeld zahlenden Gästen, zu welchen noch etwa
2000 Personen kommen, welche Abends nach 7 Uhr
für das halbe Eintrittsgeld die Konzerte hören und in
den Gartenanlagen Erholung suchen wollen. An den
Wochentagen der guten Jahreszeit schwankt demnach
die Besuchsziffer zwischen 10 und 15000 Personen.
lhnen"stehen -To-boo-Stühle der Terrassen des Restau-
rations-Gebäudes und derUmgebungder Musikpavillons
zur Verfügung. An den Sonntagen mit normalem
Eintrittsgeld erreicht die Zahl der Besucher die Höhe
von 30 — 40 000 Köpfen, um an den billigen Sonntagen
auf die angegebene Höbe von oft mehr als 100000
Köpfen emporzuschnellen.
Es liegt auf der Hand, dass für die Unterbringung
solcher Menschenmassen bei plötzlichem Regenvvetter
sowie für ihre Verpflegung ungewöhnliche Maass-
nahmen getroffen werden mussten. Das geschah ein-
mal dadurch, dass man entlang des Kurfürstendamraes,
wieder nach den Entwürfen der Architekten Kayser
& von Groszheim, eine ausgedehnte Halle erbaute,
und dass man zum anderen die alte. Waldschänke
durch geräumige Hallen in Naturstäramen sowie durch
einen im Charakter der ba3'^erischen Bauernhäuser
gehaltenen Anbau, beide nach den Entwürfen der
Architekten Zaar & Vahl, erweiterte. Bei den Ver-
pflegungs-Möglichkeiten des Gartens sind ausserdem
die sozialen Gesichtspunkte und die Lebensverhält-
nisse der Gartenbesucher in der Weise berücksichtigt,
dass in der Waldschänke eine Gelegenheit zur Er-
frischung für die geringer bemittelten Besucher zu
massigen Preisen gegeben ist.
Neben den vorstehend erwähnten Arbeiten war
es die schwerwiegende Sorge der Verwaltung, die
Teiche und Seen mit frischem Wasser zu versehen.
Zu diesem Zwecke musste die Maschinenanlage ver-
grössert werden, welche mittels Zentrifugalpumpe den
Wasserbecken das Wasser aus Tiefbrunnen zuführt.
Das auf diesem Wege gewonnene Wasser enthielt
jedoch so viel Eisen, dass eine besondere Enteisenungs-
Anlage geschaffen werden musste.
Alle diese umfangreichen Veränderungen wurden,
da der Garten im Sommer seiner Bestimmung nicht
entzogen werden durfte, zwar nach einem einheit-
lichen Plane, jedoch nicht auf einmal ausgeführt-;
es waren dazu mehrere Winterhalbjahre nöthig.
Die Mittel wurden durch eine Ausgabe neuer Aktien
im Nennwerthe von i Million Mark beschafft, eine
Summe, die sich durch das Agio auf 1300000 M. er-
höhte. Eine weitere Obligationsschuld, die der Garten
im Begriff steht aufzunehmen, soll in erster Linie da-
zu dienen, nach dem Entwürfe der Architekten Zaar &
V ahl einegrosse, looooPersonen fassende Ausstellungs-
halle zu schaffen, ferner dazu, umfangreiche Stallungen
für alle Rassen inländischen Nutzviehes zu erstellen,
und zwar unter Aufsicht und mit Unterstützung des
kgl. preuss. landwirthschaftlichen Ministeriums und nach
den Entwürfen des Hrn. Arch. Fritz Gottlob. Es soUen
weiterhin durch sie die Mittel beschafft werden für ein
neues Seelöwen-Bassin mit Grotten, für den Umbau
und die Vergrösserung des alten Affenhauses, für ein
Flaus für Nagethiere und eine Reihe anderer Ge-
bäulichkeiten; wir werden diese neuen Gebäude zum-
theil noch im Einzelnen berühx'en. (Fortsetzung folgt.)
Die Kanalisation von Paris.
Von Stadlbauinspektor
Stadt Paris bedeckt innerhalb der Enceinte eine
Fläche von 780011^1 und wird von 2600000 Ein-
'• wohnern bewohnt, die täglich 400 000 cbm Leitungs-
Wasser (154^ für den Kopf) verbrauchen und 550 000 cbm
Schmutzwasser {212 1 für den Kopf) liefern.
Die Kanalisation von Paris ist wie diejenige von Berlin
zur Aufnahme der, sämmtlichen Regen-, Industrie-,
Wirthschafts- und Klosetwässer bestimmt, und es
erfolgt zurzeit auch die Reinigung der Schmutzwässer wie
in Berlin auf Rieselfeldern. Während aber in Berlin
dieses System nach Ueberwindung des anfänglichen Wider-
standes der Abfuhrfreunde von vornherein geplant war
und einheitlich zur Durchführung gebracht wurde, sind die
leitenden Ingenieure der Pariser Kanalisation erst nach
jahrzehntelangem Kampfe und nur schrittweise im Stande
gewesen, dieses Ziel zu erreichen.
Bis zum zweiten Kaiserreich unterlag der Anschluss
der Grundstücke an die Strassenkanäle keinem Zwange.
Von diesen Kanälen bestanden etwa 136 die an 50 ver-
schiedenen Punkten innerhalb der Stadt in die Seine mün-
deten und sie verpesteten. Das zweite Kaiserreich hat
das zweifellose Verdienst, diesen Zustand beseitigt zu
haben. Unter ihm schnitt der Ingenieur Beigrand, der
Chef der Kanalisation und der Wasserwerke, die Einläufe
der Kanäle in die Seine innerhalb der Stadt durch den
Bau dreier grosser Abfangekanäle ab, die sich unterhalb
der Stadt bei Clichy und bei St. Denis in die Seine ergossen.
Durch das Gesetz vom 26. März 1852 wurde der Anschluss
der Grundstücke an die Strassenkanäle vorgeschrieben,
die - Einführung der menschlichen Auswurfstoffe Jn die
150
Karl Meier in Berlin.
Kanäle aber grundsätzlich verboten. Die Aufnahme der
flüssigen Abgangsstoffe wurde dann durch Präfektur-Erlass
vom 2. Juli 1867 gegen eine Gebühr von 30 Fres. für Jahr
und Abfallrohr gestattet, und erst das Gesetz vom 10. Juli
1894 machte auch den Anschluss der festen Auswurfstoffe
zur Bedingung für alle diejenigen Strassenzüge, die durch
Präfektur-Erlass dazu aufgerufen wurden.
Dieses Gesetz ist auch sonst von entscheidender Be-
deutung für die Entwicklung der Pariser Kanalisation ge-
wesen. Es stellt gewissermaassen das Endglied und die
Krone in der langen Reihe von Kämpfen dar, die seitens
der leitenden Ingenieure der Stadtverwaltung gegen die
Voreingenommenheit der Bevölkerung von Stadt und Land
bis zur endgütigen Anerkennung des Grundsatzes der Ein-
führung sämmtlicher menschlichen und thierischen Aus-
wurfstoffe in die Kanäle und ihrer Reinigung durch das
Verfahren der Bodenberieselung geführt werden mussten.
Letzteres Verfahren war schon seit der Mitte der 70 er
Jahre von den Ing. Mill e und Durand-Claye, die unter
dem Nachfolger Belgrand’s, dem Chefingenieur Alphand,
als ausführende Ingenieure thätig waren, unausgesetzt als
das allein inbetracht kommende- und Erfolg versprechende
Mittel für die Reinigung der Schmutzwässer und die Rein-
machung und Reinerhaltung der Seine verfochten.^ Der
ungemein heftige Widerstand der Bevölkerung Hess es
jedoch erst im Gesetz vom 4. April 1889, in dem der
Stadt Paris das Recht verliehen wurde, das bei St. Germain
gelegene Acheres als Rieselfeld einzurichten, zur theil-
weisen Anerkennung des Grundsatzes derBoäenberieselün.g
kommen. Das Gesetz vom 10. Juli 1894 verrichtete dann
No. 24,
endlich volle Arbeit, indem es die Bodenberieselung all-
gemein vorschrieb, den weiteren Ausbau des Kanalnetzes
anordnete und jedwede Einführung von Schmutzwässern
in die Seine vom lo. Juli 1899 verbot.
Die durch die beiden letztgenannten Gesetze den Tech-
nikern gestellten Aufgaben sind von den leitenden Ing.
Bechmann und Launay in musterhafter Weise gelöst
und rechtzeitig zur Ausführung gebracht werden. Am
8. Juli 1899 konnte die feierliche Einweihung der neuen
Anlagen erfolgen und seit diesem Zeitpunkt fliesst der
Seine, abgesehen von Gewitterregen, kein Schmutzwasser
mehr zu.
Nicht d.assejbe schneidige Tempo konnte bei den Haus-
anschlüssen eingehalten werden. Die alten Entwässerungs-
ganze Netz der Rohrpostleitungen und eine ungezählte
Menge von Telegraphen- und Telephonkabeln unterge-
bracht. _ Die Vorzüge dieser ßelgrand’schen Anordnungs-
weise- liegen in der sofortigen Auffindbarkeit und leichten
Ausbesserungsfähigkeit aller undichten Stellen in den
Leitungen und in der Vermeidung von Strassenaufbrüchen
bei Ausbesserungen und Neuanlagen, sowie von Draht-
brüchen bei Sturmen, ihr Nachtheil in der erheblichen
Vermehrung der Anlagekosten.
Nothwendige Voraussetzung bei der Annahme dieser
Ausführungsweise war die Begehbarkeit der Kanäle und
zu ihrer Verwirklichung die Verwerfung aller Thonrohr-
Leitungen die Ausbildung einer Schmutzwasserrinne in
der’SönFe" und die Anordnung besonderer Fussteige neben
Abbildg. 6. Anordnung der Strasseneinläufe.
Einrichtungen in den Häusern
sind : höchst mangelhafter Art
und ■ bedürfen fast durchweg
der Erneuerung. Die hiermit
verknüpften nicht unbedeuten-
den Kosten machen den Haus-
besitzer zum natürlichen Gegner
des Anschlusses und veranlassen
ihn, denselben mit allen gesetz-
lichen Mitteln so lange wie mög-
lich hinauszuschieben. Diese
Verhältnisse, denen auch die
Verwaltungen Rechnung tragen
müssen, bringen es mit sich, dass
trotZ; aller vorhandenen techni-
schen Einrichtungen noch eine Reihe von Jahren verfliessen
werden, bevor aus Paris die Abfuhr verschwinden wird.
Am 31, Dez. 1899 waren von den 86000 Häusern von
Paris erst 18000, d. .h. 21%, angeschlossen. Ausserdem
bestanden noch: 54668, Abtrittsgruben, 12996 Tonnen,
27 142 Filtertonnen.
Nachdem so vorstehend der allgemeine Entwicklungs-
gang der Pariser Kanalisation geschildert worden ist, soll
nunmehr zur Beschreibung der baulichen Anlagen über-
gegangen werden. Das Pariser Kanalnetz erhält sein eigen-
thümliches Gepräge dadurch, dass es von seinem Schöpfer
Beigrand nicht nur für die Abführung der Schmutzwässer,
sondern auch für die Unterbringung sämmtlicher ande-
ren städtischen Versorgungsnetze mit einziger
Ausnahme der Gasleitungen bestimmt wurde, die der
Explosionsgefahr wegen ausgeschlossen werden mussten.
In den Ende 1899 vorhandenen 1090,45 Kanälen waren
2974km Wasserleitungsrohre, 279^™ Pressluftrohre, das
derselben. Bei den 15 zur An-
wendung gekommenen Normal-
profilen schwankt die lichte Höhe
zwischen 2 und 5,45 die lichte
Weite zwischen 1 und 6 Die
kleineren Kanäle sind eiförmig,
die grösseren habenTunnelquer-
schnitt mit halbkreisförmigem
oder elliptischem Gewölbe. Der
grösste Stamrakanal, der Clichy-
Sammler, hat eine lichte Weite
von 6ra und eine lichte Höhe von
5 elliptisches Gewölbe und
eine Schmutzwasserrinne von
4 ™ Breite und 2 Tiefe. Die
Abbildungen 1—3 zeigen den kleinsten Kanal von 2 “ Höhe,
den Canal du Centre und den Sammler des Boulevard
Sebastopol.
Für alle Strassen unter 20“ Breite ist nur ein Kanal
in der Axe der Strasse vorgesehen, auf den die Einsteige-
Brunnen des Verkehres wegen nicht unmittelbar aufgesetzt
sind; diese sind vielmehr seitwärts unter den Bürgersteigen
angeordnet, wie es Abbildg. 4 zeigt. Ein begehbarer Stich-
kanal von 2 ® Höhe stellt die Verbindung mit dem Strassen-
kanal her. Ebenso sind auch die Hausanschluss-Leitungen
sowohl für die Zuführung des frischen Wassers als auch
für die Abführung des Schmutzwassers nach Abbildg. 5
in einen begehbaren Stichkanal gelegt, der jetzt bei seiner
Einmündung in den Strassenkanal durch eine Stirnwand
geschlossen ist, die früher fehlte.
Die Strasseneinläufe sind nach Abbildg. 6 als offene
ausgefuhrt, um den Strassenschlamm unmittelbar in die
Kanäle abstürzen und abspülen zu können. Ein Stichkanal
Abbildg. 5. Anordnung der Hausanschlüsse.
22- März T902.
15t
mit stark geneigter Sohle führt die Wasser- und Schlamm-
massen dem Strassenkanal zu. Die Schnelligkeit, mit der
hierbei die Strassenreinigung erfolgen kann, wird allerdings
durch hohe Betriebskosten für die Kanalreinigung erkauft.
Während in Berlin im Jahre 189g die Reinigungskosten
397 M. für I km betrugen, beliefen sie sich in Paris auf
2292 Frcs. = 1833,6 M. für i km.
Am Schluss des Jahres 1899 waren imganzen 19496 Ein-
steigebrunnen, 13234 Gullies und 48498 Hausanschluss-
kanäle vorhanden.
Die Schlammbeseitigung erfolgt in den kleinen Kanälen
ist und vermöge seiner Schwimmfähigkeit am Scheitel des
Dückerrohres entlang rollt, unter sich an der Sohle den
Spülschlitz offen lassend. Die Reinigung wird weiter durch
die seit dem Jahre 1882 von Durand-Claye eingeführten
Spülkammern von 8 — 10 cbm Inhalt unterstützt, deren Ent-
leerung selbstthätig durch Heberanordnungen verschie-
dener Ausführungsart (St. Genest und Herscher, Aimond,
Parenty) erfolgt und deren Anzahl jetzt bis auf 3500 an-
gestiegen ist.
Ende 1899 waren von Wagen- und Prahmschützen
IT3 bezw. 24 im Betrieb. Sie schaffen den Schlamm nach
durch Vortreiben mittels Handkrücken; in den grösseren
Kanälen wird hierzu die Spülkraft des aufgestauten Kanal-
wassers benutzt. Der Aufstau wird durch Schützen be-
wirkt, die von auf den Kanten der Schmutzwasserrinne
laufenden Wagen oder von in der Rinne schwimmenden
Prähmen aus derartig in die Rinne hinabgelassen werden,
dass am unteren Rande des Schützes noch ein Spülschlitz
verbleibt, durch den das aufgestaute Kanalwasser mit
grosser Geschwindigkeit herausschiesst und die Schlamm-
massen dünenanig vor sich her treibt. Bei den Dückern
tritt an die Stelle der Schützen der Belgrand’sche Holz-
ball, der etwas kleiner als der Dückerquerschnitt gehalten
besonderen Schlammkammern, die an geeigneten Punkten
der Stadt gleichlaufend mit den Kanälen neben denselben
mit um I ™ vertiefter Sohle angeordnet und des Wechsel-
betriebes halber stets in doppelter Anzahl vorgesehen sind.
In der einen Schlammkaramer setzt sich der Schlamm ■ ab,
während er aus der anderen durch Bagger auf Wagen oder
Schiffe übergeladen wird. Es sind auf diese Weise 1898
nicht weniger als 27 237 Sand beseitigt worden.
An Strassenkanälen waren bis zum Schluss des Jahres
1899 imganzen 1090,45 km, an Stichkanälen für die Ein-
steigebrunnen, Gullies und Hausanschlüsse 421,51 km vor-
handen. Abbildg. 7 zeigt das Netz der Stammkanäle mit
No. 24.
152
den Hauptnebensammlern in seinem jetzigen Zustand. Es'^schmiedeisernen Rohren von 20 «nm starken Blechen be-
sind 4 Stammkanäle vorhanden. Von Westen nach Osten steht und auf einem 40 starken Betonbett mit 70 cm Ueber-
folgen sich der Reihe nach: deckung hergestellt ist, deren Oberkante mit der Seine-
I. Der Marceau-Sammler, der den westlichen Theil sohle zusammenfällt.
Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens In Berlin.
von Paris entwässert. Die Abwässer des linken Ufers, die 2. Der Asniferes-Sammler, dem vom linken Ufer
im Rapp- und Bosquetsammler vereinigt sind, werden ihm die Abwässer des Osttheiles aus dem Bi^vre und dem
durch den von Belgrand 1868 hergestellten Dücker an der linken Ufersammler durch den Dücker an der Concordien-
Alma-Brücke zugeführt, der aus zwei im Lichten weiten Brücke zugeführt werden. Dieser Düdcer ist im Jahre
22. März 1902.
153
1896 durch den Unternehmer Berlier unter der Oberleitung
von Bechmann, Lannay und Legouez unter Verwendung
von Pressluft mit dem Greathead-Schüd 10 m unter dem
Seinebett vorgetrieben worden. Er hat einen lichten Durch-
messer von 1,8“ und besteht ausgusseisernen, mit Innen-
Abbildg. 7.
Uebei'sicht des Kanalnetzes,
flanschen versehenen Ringen von 50 cm Länge, die mit
einander verbolzt werden. Jeder Ring setzt sich aus 5
ebenfalls mit Flanschen versehenen Theilen zusammen.
Auf dem rechten Ufer fliessen ihm der rechte Ufer-, der
Rivoli-Strassen- und der Mittelsammler zu.
3. Der Clichy-Sammler, der mit 6“ lichter Weite
und 5 m lichter Höhe der grösste aller Kanäle ist und nach
den Plänen von Bechmann in den Jahren 1895—1899 aus-
geführt wurde. Er war zur Entlastung des vorher stark
beanspruchten Asniferes-Sammlers nothwendig und dient
als Vorfluth für den grossen Bergsammler, der das
Wasser der hochgelegenen nördlichen Stadttheile
aufnimmt, soweit dieselben nicht zum Entwässe-
rungsgebiet des Nordsammlers gehören. Bei einem
Gefälle von führt er in der 4m breiten und
2 m tiefen Rinne 12 Sek./cbm^ bei einer Füllung von
75 cm über den Fussteigen bis zu 25 Sek./cbm. Der
Sammler durchschneidet die Batignolles- Kuppe;
während er in Clichy ausserhalb der Enceinte fast
unmittelbar unter dem Pflaster liegt, hat er unter
dieser eine Tiefenlage bis zu 40 m, an seinem An-
fang auf dem Trinitd-Platz eine solche von 8m.
Sehr beachtenswerth ist seine bauliche, Her-
stellung. Sie erfolgte selbst auf den flachen
Strecken aus Verkehrsrücksichten durchweg unter-
irdisch im Tunnelbetriebe unter Verwendung
offener, eiserner Vortriebschilde, die mittels Druck-
wasser-Pressen vorwärts gedrückt wurden. Der
ausserhalb der Enceinte auf der flachen Strecke
benutzte Chagnaud-Schild schnitt nur das ellip-
tische Gewölbe aus dem Erdreich heraus, der in
Paris selbst verwandte Fougerolles-Schild dagegen
den ganzen Tunnelquerschnitt.
Der zu den Kanal-Besichtigungen durch das
Publikum in der Regel benutzte Sebastopol-Samm-
1er, dessen Querschnitt die Abbildg. 3 zeigt, ver-
bindet den Berg-, Mittel-, Rivoli- und rechten Ufer-
sammler untereinander zu Entlastungszwecken.
4. Der Nordsammler, der die hochgelege-
nen nordöstlichen Stadttheile Menilmontant, Belle-
ville, La Vülette, La Chapelle und Montmartre
entwässert und früher bei St. Denis in die
Seine floss. Diese Vorfluth ist jedoch schon
seit vielen Jahren durch eine andere ersetzt, die
bei St. Ouen mittels zweier öo.cm starker Rohre die
Seine überschreitet und unmittelbar mit freiem Gefälle
auf das Rieselfeld Gennevilhers führt. Im Jahre 1899
musste die Leitung der stärkeren Zuflüsse wegen ver-
doppelt werden. — (Schluss folgt.)
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- u. Ing.-Verein zu Hamburg. (Feste und Aus-
flüge 1901.) Das erste Fest wurde am 15. März zu Ehren
des nach Koblenz versetzten langjährigen Vereins- und
Vorstands-Mitgliedes Geh. Brth. Franz Gerstner inform
einer Abschiedskneipe veranstaltet. Der Vorsitzende, Hr.
Baudir. Zimmermann, feierte in herzlichen Worten den
Scheidenden, welcher in der Zeit seiner Mitgliedschaft
durch seine stets gleich bleibende Liebenswürdigkeit und
durch sein eifriges Vereinsinteresse es verstanden hatte,
sich die allgemeine Beliebtheit im Verein zu erwerben
und hob zum Schluss noch die hervorragende Thätigkeit
Gerstners bei der Herausgabe des Verbandswerkes über
das deutsche Bauernhaus hervor. Sodann erschien auf
einen Wink des Redners eine hübsche Vierländerin, die,
dem erstaunten Gerstner einen hübschen echten Vierländer
Bauernstuhl übergab.
Am Sonnabend den 19. April feierte der Verein unter
recht guter Betheiligung seiner Mitglieder und ihren Damen
in den Sälen der Erholung sein 42. Stiftungsfest.
Am 8. Nov. wurde in den schönen Räumen des Logen-
hauses in der Welkerstr. ein seltenes und in schönster
Art verlaufenes Fest abgehalten. Um den 70. Geburtstag
des hochverehrten Vorsitzenden unseres Vereins, des Hrn.
Baudir. Zimmermann, in würdiger Weise zu feiern,
hatten sich eine sehr grosse Anzahl von Vereins- Mitgliedern
mit anderweitigen Freunden und den in Hamburg an-
wesenden Verwandten des Gefeierten mit ihren Damen
in den festlich geschmückten Räumen zu einem Mittags-
mahle eingefunden, bei dem Hr. Classen, als zweiter
Vorsitzender, in schönen Worten den herzlichen Gefühlen
aller Anwesenden Ausdruck gab. Nach einer tief em-
pfundenen Antwort des Gefeierten und einigen weiteren
Reden traten junge Mädchen vor, um die Städte Elbing,
Königsberg, Berlin, Breslau und Hamburg darzustellen, in
denen Hr. Zimmermann gelebt und gewirkt hat. Theils
durch Gesang, theils durch poetischen Vortrag wurden in
sinnreichster Weise seine Erlebnisse und -seine Wirksamkeit
in diesen Städten zur Darstellung gebracht.
Am 27. Dez. wurde in den unteren, weihnachtlich ge-
schmückten Räumen des Patriotischen Hauses die übliche
Jahresschluss - Kneipe abgehalten, welche in fröhlicher
Stimmung verlief. — ■
An Ausflügen wurden, in . dem . verflossenen Jahre 7
mit Damen und 7 ohne diese unternommen.
Unter Betheiligung der Damen wurde am 6. Febr.
die Parfumeriefabrik von Georg Dralle in Altona besucht
und am 31. März auf einem besonders gecharterten Dampfer
eine Elbfahrt nach Krautsand zur Besichtigung des der
Hamburg-Amerika-Linie gehörenden Schnelldampfers
„Deutschland“ unternommen. Die gewaltige Ausdehnung
dieses schnellsten und grössten Dampfers der Welt, mehr
aber noch die luxuriöse Ausstattung der Kajüten, welche
nach den Plänen des verstorbenen Mitgliedes Georg
Thielen ausgeführt sind, dann die Küchen-Einrichtungen
und endlich die mächtigen Maschinen erregten die unge-
theilte Bewunderung aller Theilnehmer.
Eine weitere Elbfahrt mit Damen fand, ebenfalls mit
besonderem Dampfer, am 15. Mai nach dem Kirschenlande
Lühe bei herrlichstem Wetter zur Besichtigung des neuen
eisernen, etwa 80“ hohen Leuchtthurmes statt, von
dem man eine herrliche Aussicht auf den belebten Elb-
strom und landeinwärts einen entzückenden Rundblick
auf das in voller Kirschblüthe prangende Binnenland hatte.
Nach einer Durchwanderung des im 13. Jahrhundert durch
Holländer eingedeichten Marschlandes, in dem seit undenk-
lichen Zeiten eine Kirschbaumkultur gepflegt wird, wie sie in
wenigen Gegenden zu sehen ist, wurde ein fröhliches
Mahl eingenommen.
Als besonders schön gelungen ist die am 6. Juli unter-
nommene Fahrt nach Kiel unter Betheiligung unserer
Damen zu bezeichnen. Durch Zuvorkommenheit unseres
Mitgliedes, des Hrn. Eisenb.-Präs. Jungnickel, konnte
die Reise in Inspektions- und D -Wagen, welche dem
Schnellzuge angefügt waren, nach Kiel zurückgelegt werden ,
wo sich etwa 30 Herren und Damen von dem Schleswig-
Holsteinischen Ing.-Verein anschlossen. Hier wurden zu-
erst die Kaiserzimmer des dortigen Bahnhofes , dann die
kaiserlichen Werften und die Germaniawerft besichtigt.
Leider war die Zeit durch die lange Fusswanderung etwas
kurz, sodass beide Werften nur rasch durchschritten wer-
den konnten. Immerhin wurden alle Sehenswürdigkeiten
mit Interesse in Augenschein genommen. Unter diesen
sind besonders die . mächtigen überdeckten Hellinge der
Germaniawerft hervorzuheben, auf denen 4 Schiffe von.
verschiedener Grösse gleichzeitig in Angriff genommen
werden können. Dieser in Europa einzig dastehende Bau
151 No. 24..
ist jedenfalls ein hervorragendes Beispiel für die Energie, herrlichen Fahrt in See wurde ein fröhliches Mahl aul
welche man jetzt in Deutschland in allen Schiffbau-Ange- Bellevue eingenommen.
legenheiten entfaltet.
Auch das Model _
glocke ausgeführt ist, mit der die
Am IO. Juli folgte eine grosse Anzahl von Vereins-
Auch das Modell, nach welchem die grosse Taucher- mitgliedern mit ihren Damen der Einladung der Hrn.
Firma Ph. Holzmann & Co. Aug. F. Richter zum Besuch ihrer Goldwaarenfabrik
inBarmbeck, und am 24. Sept. der
Aufforderung der Hrn. Architekten
Lorenzen & Stein zur Besich-
tigung der neu erbauten Wands-
becker Kirche. —
Der letzte Ausflug mit Damen
war am 9. Nov., bei dem das ganz im
modernen Stil eingerichtete und
theils nach den Plänen der Darm-
städter Künstler ausmüblirte Haus
desTapetenhändlersHrn.C. W.Iven
an der Flottbecker Chaussee in
Altona besucht wurde. Gleichzeitig
wurdeaufEinladungdasan der Elbe
neu erbaute sog. Schiffsbaus eines
Hrn. Harder besichtigt, welches
einen meikwürdigen Gegensatz zu
dem Iven'schen Hause bildet. Das
Treppenhaus dieses Schiffshauses
Ist nämlich in reizvoller und ausser-
ordentlich getreuer Weise einem
Kajütenaufgange und der Empfangs-
salon dem Kajütensalon eines gros-
sen Passagierdampfers nachgebil-
det, wozu Hr. Harder die nach und
nach angekauften Schiffsreste der
gestrandeten deutschen Schiffe
Fulda und Geliert und der engli-
schen Schiffe Nervonia, Servonia
und Cassius verwendet hatte.
Der erste Ausflug ohne Damen
fand am 13. April statt im An-
schluss an einen Vortrag des Hrn.
Bauinsp. Richter über den Bau
derStammsiele. EswurdedieimHau
begriffene Tunnelstrecke bei dem
Berliner Thor besichtigt, welche mit
einem Brustschild, aber z. Z. noch
ohne Luftdruck vorgetrieben wur-
de. Es musste diese Baustrecke ge-
zeigt werden, weil der unter Luft-
druck ausgeführte Tunnelbau am
Neuen Pferdemarkt sich zu einer
Besichtigung einmal wegen der Ar-
beitsstörung, dann wegen der mög-
lichen Gefahr für den Einzelnen
beim Durchschleusen nicht eignete.
Nach Besichtigung der Tunnel-
strecke und der Brustschilder führte
der Vertreter der den Tunnelbau
ausführendenFirmaPhil. Holzraann
Co., Hr. Ing. Beck, ein ihm pa-
tentirtes Brustschild vor, dessen Vor-
züge besonders auf dem Prinzip
der Spülung beruhen. Da sich diese
Spülung bei näherer Auseinander-
setzung als eine Bierspülung er-
wies, so wurde die Besichtigung
dieses vorzüglichen Brustschildes
eingehend vorgenommen , umso-
mehr, weil demselben auch delikate
Butterbröde entnommen werden
konnten.
Dem Vortrage des Hrn. Obering.
Harald Wallern aus Nürnberg über
die Entwicklung der Hamburger
Elektrizitätswerke anschliessend,
wurden am ii.Maidiebeidenneuer-
bauten elektrischen Zentralstationen
in Barmbeck und im Hammerbrook
besucht.
Am 8. Juni machte Hr. Obering.
C u li n von der Hamburger Strassen-
bahn-Gesellschaft im Verfolg seines
im Verein gehaltenen Vortrages auf
dem Lagerplatz der Gesellschaft an
der Isestrasse eine Schienen-
schweissung mittels Thermit nach
dem Goldschmid’schen Verfahren,
Die Besichtigung der hochinter-
essanten Eisenbahnumbauten zwischen dem Oberhafen und
Rothenburgsort unter Führung des Hrn. Geh. Brth. Caesar
fand am 24. Oktober statt.
Die von der Hamburg-Amerika-Linie neuerbaute Aus-
Das Elephantenhaus. Architekten: Ende & Böckmann.
Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens in Berlin.
die umfangreichen Betonschüttungen der zwei Docks für
die kaiserliche Marine in bedeutender Tiefe unter Wasser
ausführt, wurde mit grossem Interesse besichtigt. Nach
einem Frühstück in dem sogen. Werfthause und einer
22. März 1902.
155
Wanderer -Halle auf der Veddel, unweit der Freihäfen,
wurde am ii. Dez. auf Einladung des Erbauers, des Hrn.
Arch. Wilhelm Schmidt, von einer Anzahl von Vereins-
mitgliedern in Augenschein genommen. Diese Hallen sind
erbaut, um den Massen-Auswanderern aus Russland, Ga-
lizien usw. während ihres Aufenthaltes bis zur Abreise
nach Uebersee ein billiges und gutes Unterkommen zu
geben, ohne dass die Leute genöthigt sind, die Stadt Ham-
burg selbst zu berühren. Diese Maassregeln sind von
den Hamburger Behörden schon vor der Cholera im Jahre
1891 vorgesehen und es wurden zu dem Zweck von der
Schiffsgesellschaft damals provisorische Hallen in der Nähe
des Amerika-Kais errichtet. Da nun dieser Platz ander-
weitig gebraucht werden soll, wurden die oben erwähnten
Hallen auf einem vom Staate auf 25 Jahre überwiesenen
2500 <3® grossen Platze neu erbaut. Die Hallen zerfallen
in die sog. unreine und die reine Abtheilung. Tn der ersteren
werden die neu angekommenen Auswanderer in 2 Ba-
racken, nach Geschlechtern getrennt, für eine Nacht unter-
gebracht. Am nächsten Morgen werden dann alle diese
Leute nach einem Bade durch einen Arzt untersucht, wäh-
rend Gepäck und Kleidung innerhalb dieser Zeit desinfizirt
werden. Nun erst werden die gesund Befundenen in die
von der unreinen Abtheilung streng geschiedene sog.
reine Abtheilung gelassen, wo sie nach Geschlechtern und
Religion getrennt in 9 Baracken und 2 Logirhäusern für
Bessergestellte, untergebracht werden. Diese Gebäude,
ein jüdischer Betsaal, eine Speisehalle, in welcher christ-
lich und jüdisch getrennt gekocht und gegessen wird, und
ein Verwaltungsgebäude gruppiren sich um eine kleine in
nordischen Anklängen erbaute Kirche, in deren getrennten
Räumen protestantischer und katholischer Gottesdienst
abgehalten wird; es bildet die gesammte, von einer hohen
Planke umgebene Anlage, in welcher 1000 Personen unter-
gebracht werden können, eine eigenartige, von der Aussen-
welt getrennte Kolonie. Da ferner bei dem Bau aller
dieser Gebäude die strengsten hygienischen Vorschriften
beobachtet sind, so erweckte die gesammte Anlage das
Interesse der Anwesenden in hohem Grade. —
Den Schluss der vorjährigen Ausflüge machte die Be-
sichtigung der für den Hamburger St. Pauli-Turnverein
neuerbauten Turnhalle am 19. Dez., bei welcher der Er-
bauer, Hr. Arch. H. Groothoff, die Erklärung und die
Führung übernommen hatte. — — rt.
Vermischtes.
Zur Urheberschaft des Kunstausstellungs-Gebäudes in
Düsseldorf theilt uns Hr. Arch. E. Rückgauer in Düssel-
dorf mit Bezug auf die entsprechenden Aeusserungen
S. 142 unserer Zeitung mit, dass es nicht zutreffend sei,
dass- der Fassaden-Entwurf des Hrn. A. Bender „bei dem
jetzt stehenden Bau zur Ausführung gebracht wurde“.
Bereits Ende 1900 sei Hr. Rückgauer seitens der Firma
Ph. Holzmann & Co. und im Einverständniss mit dem
Ausstellungs- Ausschuss mit der Bearbeitung des Entwurfes
betraut worden und habe bei dieser Bearbeitung für die
Fassade nur das übernommen, was durch die allgemeine
Anlage des Grundrisses bedingt war. Hr. Rückgauer sei
also nicht allein der entwerfende Architekt des Inneren
des Gebäudes, sondern ausser dem Entwurf des Aufbaues
rühre auch die gesammte Einzelbearbeitung von ihm her. —
Eine Ausstellung künstlerischer Gasbeleuchtungs-Gegen-
stände in Düsseldorf soll mit der diesjährigen Versamm-
lung des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfach-
männern vom 25. bis 27. Juni verbunden werden. Die
4 Wochen dauernde Ausstellung wird im Kunstgewerbe-
Museum in Düsseldorf angeordnet und es findet eine Preis-
vertheilung durch ein Preisgericht statt, dem u. a. die Hrn.
Prof. W. Cremer-Berlin, Dir. C. Frauberger und Prof.
Schill in Düsseldorf angehören. —
Effektbogenlampen mit farbigem Licht der Firma Siemens
& Halske leisten bei gleichem Energieverbrauch erheblich
mehr als gewöhnliche Bogenlampen. Sie werden hergestellt
für gelbes Licht (Gleichstrom mit dem 2fachen, Wechsel-
strom mit dem 3 fachen Lichteffekt), ferner für rothes und
milchweisses Licht (ausschl. Wechselstrom mit dem 1^2-
fachen Effekt gegenüber den Lampen mit gewöhnlichen
Kohlen). Sie eignen sich in erster Linie für Reklamezwecke,
Hervorhebung einzelner Punkte, wie Eingänge von Ver-
kehrsanstalten, Theatern usw., ausserdem aber auch für
die Beleuchtung von Strassen, Plätzen usw. Näheres ent-
hält No. IO der Mittheilungen von S. & H. —
Die Einfügung ständiger Krankenräume in die Mieth-
wohnungen wird von Geh. Med.-Rth. Dr. E. Roth in Jahrg.
1901, Heft 4 der „Krankenpflege“ (Verlag- von Georg
Reimer in Berlin) empfohlen, wenn es sich darum han-
156
delt, Kranke mit übertragbaren Krankheiten von den
übrigen Familienmitgliedern abzusoridern, und wenn diese
Absonderung innerhalb der Wohnungvollzogen werden soll.
Zu diesem Zwecke schlägt der Verfasser vor, die mehr-
räumige Wohnung so einzurichten , dass je nach der
Himmelsrichtung ein in der Nähe des zweiten Zuganges
oder des Haupteinganges am Ende des Korridors gele-
gener, von den übrigen Räumen durchaus getrennter
Raum als Krankenraum vorgesehen wird, in dessen Vor-
und Nebenraum sich die Badeeinrichtung befindet. Dieses
Krankenzimmer müsste bis auf 2“ Höhe einen abwasch-
baren Anstrich erhalten, einen fugendichten Fussboden
haben, grosse Fenster und eine entsprechend wirkende
Lüftungseinrichtung besitzen und dürfte nur Möbel ent-
halten, die nach ihrer Form leicht zu reinigen sind. Nord-
seite ist auszuschliessen, Loggien oder Veranden vor dem
etwa 50 — 60 cbm haltenden Zimmer sind sehr zu empfehlen.
Auch für die grossen Familienhäuser der gemeinnützigen
Baugesellschaften wird die Anlage eines solchen Raumes
empfohlen. —
Personal-Nachrichten.
Baden. Versetzt sind: Der Bahnbauinsp. Brth. Straub in
Eberbach an die Gen.-Dir. der Staatseisenb. nach Karlsruhe, der
Bahnbauinsp. Schwarzmann bei der Gen.-Dir. nach Eberbach;
die Reg.-Bmstr. Blum in Heidelberg z. Bahnbauinsp. in Bruchsal
und Joachim in Bruchsal z. Bahnbauinsp. II in Heidelberg.
Bayern. Versetzt sind: Die Ob.-Bauinsp. Stumpf von
Weiden nach Eger, Sperr in Neuulm zur Eisenb.-Betr.-Dir.
Weiden, Liederer v. Liederskron von Schweinfurt nach
Neuulm, Riedenauer in Würzburg als Vorst, der Eisenb.-
Bausekt. nach Schweinfurt, der Dir.-Ass. Happ in Aschaffenburg
zur Eisenb.-Betr.-Dir. Würzburg; — die Ob-Bauinsp. Frank in
Donauwörth als Vorst, zur Eisenb.-Bausekt. das., v. Bezold von
Augsburg nach Donauwörth, der Dir.-Ass, Gg. S c h m i d in Lands-
hut zur Eisenb.-Betr.-Dir. Augsburg, der Eisenb.-Ass. Stegner
von Nürnberg nach Landshut; — die Ob.-Bauinsp. Zahn von
Ingolstadt nach Salzburg, Kui'fer von Bamberg nach Ingolstadt.
Zu Eisenb.-Ass. sind ernannt: Die Staatsbauprakt. Mühlbauer
bei d. Eisenb.-Betr.-Dir. Roscnlielm und Jäger bei d. Eisenb.-
Betr.-Dir. Kempten.
Preussen. Der vortr. Rath Geh. Ob.-Brth. v. Münster-
mann ist z. ordentl. und der Eisenb.-Dir. Präs. Jungnickel in
Altona z. ausserord. Mitgl. der Akademie des Bauwesens ernannt.
Die Reg.-Bfhr. Fel. Kunath aus Nagy-Bocszko, Heinr. Siebern
aus Dorum, Alb. Zimmermann aus Nauen und Paul Rost aus
Kottbus (Hochbfeh.), Max H u ra ra e 1 1 aus Dreye (Wasser-Bfeh.),
— Kurt Ziegler aus Stannaitschen (Wasser- u. Strassenbfeh.),
— Hugo Pieper, aus Hannover und Willy Lucht aus Stettin
(Eisenbfeh.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Der Geh. Brth. Quantz in Münster i. W. ist gestorben.
Sachsen. Der Eisenb.-Dir. Ob;-Brth. Andrae in Dresden
ist als Mitgl. in die Gen.-Dir. der Staatseisenb. versetzt.
Württemberg. (Techn. Hochschule in Stuttgart.)
Dem Baudir. Prof, von Bach ist das Kommenthurkreuz II. Kl.
des Friedrichsordens verliehen. Dem Privatdoz. Hohenner in
München ist unt. Verleihung des Tit. u. Ranges eines Prof, auf der
VII. Rangstufe die Hilfslehrstelle für geodät. Fächer übertragen.
Briet- und Fragekastea.
Hrn. H. in B. Zum Anstrich solcher Wände dürfte sich am
besten die sogen. Emailfarbe eignen, die jeder Anstreicher kennt.
Damit die Farbe aber haltbar sei, muss der Auswitterungs-
Vorgang des Zementputzes durch vielleicht einjähriges Stehen zu
Ende gekommen sein. Eine gewisse Abkürzung dieser Dauer ist
dadurch erreichbar, dass der Putz mit einer schwachen Schwefel-
säure-Lösung bestrichen und dann mit i'einem Wasser abgewaschen
wird. Das Absäuern und Abwaschen darf aber niemals unter-
bleiben, auch wenn der Zementputz i Jahr und länger gestanden hat.
Hrn. J. P. in Gelsenkirchen. Die zehnjährige Frist beginnt
von dem Tage, an welchem Ihr Nachbar das Dasein der Fenster
erkennen musste oder erkannt hat. Wann dieser Zeitpunkt in
Ihrem Falle eingetreten ist, ist eine Frage thatsächlicher Natur, die
der Richter aufgrund der thatsächlichen Verhältnisse nach eigenem
pflichtschuldigen Ermessen zu beantworten haben wird. Muth-
maasslich würde die Ingebrauchnahme bezw. Gebrauchsabnahme
als der entscheidende Tag bezeichnet werden. Uebrigens wurde
die Verjährung bereits an dem Tage unterbrochen, an welchem Ihr
Nachbar das erste Mal dem Fortbestände der Fenster widersprochen
und deren Schliessung gefordert hat, sofern damals die Verjährungs-
frist noch nicht abgelaufen war. — K. H-e.
Hrn. Arch. Joh. K. in Freiberg. Bezugsquellen für aus-
ländische Hölzer vermögen auch wir Ihnen nicht anzugeben. Viel-
leicht kann Ihnen die Firma Heinrich Freese, Berlin, Rungestr. i8a,
Auskunft ertheilen, die für ihre Holzpflasterungen vielfach aus-
ländische Hölzer bezieht. —
R. 1902. Wir nennen Ihnen das eingehende Werk über die
Markthallen Berlins von Stadtbauinsp. Baurath Lindemann, Verlag
von Julius Spiinger in Berlin. —
Inhalt: Berliner Neubauten. No. 102- Die Umwandlung und die Neu-
bauten des Zoologischen Gartens (Fortsetzung). — Die Kanalisation von
Paris. — Mittheilungen aus Vereinen.' — Vermischtes. — Personal-Nach-
richten. — Brief- und Fragekasten..
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 24.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 25. Berlin, den 26. März 1902.
Ueber Zementrohre mit verstärkter Wandung.
Von Prof. Max Möller, Braunschweig.
jor 10 Jahren ersuchte mich die Firma Drcnckhahn
] & Sudhop in Braunschweig, die Bruchfestigkeit ge-
- ' wöhnlicher Zementröhren durch Rechnung festzu-
stellen. Ein Jahr später folgten Belastungsproben. Auch
in den folgenden Jahren halte ich wiederholt Gelegenheit,
praktische Uniersuchungen über diesen Gegenstand unter
verschiedenen Verhältnissen auszuführen.
An den Stellen ir (vergl. Abbildg. 1) entstehen Mo-
menten-Nullpunkie; es sind das Wendepunkte der elasti-
schen Linie. In den Punkten H’ tritt nur eine Vertikalkraft
und zwar hier im Betrage auf. Das Scheitelstück ir, Il'o
■wirkt als Balken. Die SeitenstQcke 11« und h’i
bilden exzentrisch beanspruchte Stützen. Die gezogene
Faser liegt bei A und B an der inneren, bei C' und D an
der äusseren Laibung des Rohres. Dementsprechend er-
folgen auch an diesen Stellen schliesslich die Rissebildungen
und der Bruch, vergl. Abbildg. 2. Bei allen nachfo'gen-
den Bruchproben zeigte sich dasselbe. Die vier Stellen
Ueberschüttung erhalten, ist für die Ausführung der
Werth « = 45® maassgebend gewesen. Für den günstigen
Ausfall von Probebelastungeu mit konzentrirter Scheitel-
last wäre es zweckmässiger gewesen, die Scheitelstrecke
kürzer zu halten, also n etwas grösser als 45^ zu wählen.
Das hätte aber dem Gebrauchslall nicht entsprochen
Das erste Rohr dieser Art wurde auf dem Bahnhof
in Harburg im März 1900 geprüft. Es zeigte einen inneren
Durchmesser von 70*^«’, 100 cm Baulänge, Wand-
siäike an den verstärkten Stellen und 6‘icm Eiseneinlage
auf I »n Baulänge. Das Rohr trug freiliegend eine in der
Scheitellinie konzentrirt aufgebrachte Last von Q = 12000
Starke Risse waren eingetreten. Das Rohr befand sich
nahe vor dem Zusammenbruche; jedoch fehlte weiteres
Belastungsmaterial, um diesen ganz herbeizuführen.
In Erde eingebettet, 50 cm überschüttet uud über dem
Scheitel unter Vermittelung eines in der Längsrichtung
des Rohres auf den Boden gelegten Schwellenstückes von
I m Länge belastet, trug das Rohr Q = 15000 ‘cg. Die innere
Abbildg. 4.
A, B, C und D sind gefährdete, weil am meisten auf Bie-
gung beanspruchte Stellen des Rohres.
Vor gut 3 Jahren fragte die oben genannte Firma bei
mir an , wie sich die Bruchfestigkeit von Zementrohren
wohl am besten steigern Hesse. Es galt damals, Rohre
herzustellen, welche unter Gütergleisen des Bahnhofes
Harburg verlegt werden sollten. Ich schlug eine Ver-
stärkung der 4 gefährdeten Stellen vor und die Anwen-
dung von Eiseneinlagen, letztere bei A und B nahe der
inneren, bei C und D nahe der äusseren Laibung (vergl,
die gestrichelte Linie Abbildg. 3). Diese Konstruktion ist
der Firma Drenckhahn & Sudhop
durch Pateul geschützt worden.
Die Lage der Wendepunkte IV'
der elastischen Linie in einer Bogen-
höbe « (vergl. Abbildg. 3) findet sich
aus der Gleichung der elastischen
Verbiegungen. Für jeden Punkt des
•Querschnittes ist die Winkeländerung
dieselbe, einerlei, ob man die Be-
rechnung aus dem Scheitelstück oder
dem Seilenstück ableitet. Für den
Wendepunkt tritt noch die beson-
dere Beziehung hinzu, dass für ihn
das Biegungsmomeni Null ist. Für eine im Scheitel kon-
zentrirte Last eines freiliegenden Rohres findet man
« = 50^/2°. Bei vertheilter Last wird n etwa 45^. Da die
Rohre nun allemal im Boden eingebettet werden und
Abbildg. 3.
Untersuchung ergab bei dieser Belastung einen ganz feinen
inneren Scbeitelriss. Ein Zu.sammenbruch wäre voraus-
sichtlich erst bei mehr als 30 000 k? Belastung erfolgt.
Um das Verhalten der Rohre weiter festzustellen, sind
desgleichen unter meiner .Mitwirkung von der Firma
Drenckhahn & Sudhop im September 1900 Rohre von
150 innerem Durchmesser in Braunschweig und alsbald
auch in Peine, ferner im Juni 1901 verschiedene Rohre
von 70 innerem Durchmesser mit und ohne Wandver-
stärkung und mit und ohne Eiseneinlagen einer Prüfung
unterzogen. Ohne Eisen und bei nicht verstärkter Wand
fand sich die Bruchgrenze bei einer Last von S'mo Die
grösste Bruchlast wurde seiteus der Firma Holm & Molzen
in Flensburg im April 1901 erreicht. Die dort herge-
stellten Rohre mussten besonders stark sein, da sie mit
geringfügiger Ueberschüttung in schlechtem, häufig über-
schwemmtem Boden unter Eisenbahngleisen Verwen-
dung finden sollten. Bei 100 innerem Durclimesser,
75 cm Baulänge, 138’»*'« Wandstärke an den verstärkten
Stellen und 7 qcm Eiseneinlage auf 75'=® Baulänge er-
reichten die Rohre eine Bruchlast von Q = 14 800 kg. Das
macht Q = 19700kg Scheitellast auf i lfd.
Abbildg. 4 zeigt die Vornahme der Belastung. Längs
des Rohrscheitels ist ein Eisenstab von 2x2"" Querschnitt
gelegt, dessen Ende hier nur als hellerer Punkt erscheint.
Darüber sind 4 Balken gestreckt, welche atn Ende auf
einem schmalen Eisen ein 2. Auflager besitzen. Das andere
Ende der Balken schwebt bei dem Versuch frei; es ist
157
nur unterstapelt, um das Fallen der Last bei eintretendem
Rohrbruch abzukürzen. Auch die durchgesteckte Schwelle
dient diesem Zweck. Das Belastungsmaterial war Roheisen.
Die Last wurde so ausgeglichen, dass derselben das
Rohr traf und i/jß das feste Auflager. Diese Anordnung
war getroffen, um ein Kippen der Last zu hindern.
Es ist noch hervorzuheben, dass bei der Einbettung
eines Rohres in Boden ausser der Widerstandsfähigkeit
gegen Biegung und Bruch auch eine Widerstandsfähigkeit
durch Gewölbewirkung hinzukommt. Eingebettet und
fest mit Boden umstampft trugen Rohre 2 — 3 mal so viel
als freiliegend, bei sehr guter Umstampfung ferner doppelt
so viel, als bei mangelhaft ausgeführtem Stampfen.
Es sind inzwischen 2250 lfd. “ Rohre mit verstärkter
Wand in Weiten von 50—150 c® Durchmesser verlegt
worden. Auch sind Siele von 2,5 ^ Weite in ähnlicher
Bauweise von mir entworfen. Die Verwendung der Rohre
erfolgte seitens der Stadtbauämter in Harburg, Braun-
schweig und Flensburg, von dem Magistrat der Stadt Peine
und von der Firma Lenz & Co., von letzterer für Eisen-
bahn-Durchlässe, ferner von dem Kreisbauamt Neuhaldens-
leben und dem Landesbauamt Celle. —
Mittheilungen aus Vereinen.
Vereinigung Berliner Architekten. Gesellige Zusammen-
kunft vom 6. März. Vors.iHr. Wolffenstein. — Hr.Stiehl
besprach seine Entwürfe für die architektonische Ausge-
staltung der Kühlhäuser der „G esellschaft für Mark t-
und Kühlhallen“ an der Luckenwalder- und an der
Trebbinerstrasse in Berlin. Die Anlagen sind auf einem
umfangreichen Gelände errichtet, welches auf die beiden
genannten Strassen mündet und von der elektrischen Hoch-
bahn durchschnitten wird. Die Baugruppe besteht aus
dem Verwaltungsgebäude und dem Maschinen- und Kessel-
haus, deren ar-
chitektonische
Ausgestaltung
durch Hrn. J.
W ellmann be-
arbeitet wurde,
und aus den bei-
den durch Hrn.
Stiehl bearbei-
teten grossen
Kühl - Häusern.
Die mit einem
Aufwande von
rd. 4 Mill. M. er-
stellte Anlage
hat die Bestim-
mung, in ver-
miethbarenRäu-
men die lange
Erhaltung leicht
verderblicher
Lebensmittel zu
sichern. Die
wohlgelungene
architektonische
Ausbildung
schliesst an die
Formensprache
des märkischen
Backsteinstiles
an. Ausserdem
wurden die Ent-
würfe des Red-
ners für das im
Stile der deut-
schen Renais-
sance errichtete
Kaufhaus
„Neu - Kölln“ Fürstliches Theater in Gera,
an der Waisen-
brücke in Berlin sowie einige seiner litterarischen Ver-
öffentlichungen berührt. —
Es gab darauf in einer mehr als zweistündigen Rede
Hr. Heinr. Seeling einen Ueberblick über seine ungemein
reiche und fruchtbare Thätigkeit auf dem Gebiete des
Theaterbaues, welche mit der Errichtung des Stadt-
theaters in Halle für laooBesucher in den Jahren i884bis
1886 begann (Dtsch. Bztg. 1886 No. 93 ff). Nach einer länge-
ren Pause folgte in den Jahren i8go - 92 das für 700 Personen
entworfene Stadttheater in Essen (S. 160), zu welchem
gleich dem Hallenser Hause der Auftrag auf dem Wege
des allgemeinen Wettbewerbes errungen wurde. Aus
einem unmittelbaren Auftrag entstand in dieser Zeit das
Neue Theater in Berlin für rd. 900 Personen {Dtsch.
Bztg. 1893 No. 76}, während das Jahr 1894 das Stadt-
theater in Rostock als Ergebniss eines engeren Wett-
bewerbes brachte. Dasselbe fasst 1000 Personen und be-
anspruchte eine Bausumme von 600 000 M. Wieder aus
einem unmittelbaren Auftrag entstand 1896 mit einer Bau-
surame von nur 450000 M. das Stadttheater in
Bromberg (Dtsche. Bztg. 1897, No. 77). Dann kamen in
rascher Folge die engeren Wettbewerbe um Entwürfe für
die Stadttheater in Frankfurt a. M. und Kiel. In
beiden Wettbewerben blieb Seeling Sieger. Das Frank-
J58
furter Schauspielhaus (s. Abbildg. S. 159) ist eine umfang-
reiche Bauanlage auf einer bevorzugten Baustelle, auf
welcher neben dem Theater und im Einklang mit diesem
eine Wohnhausgruppe mit Cafe usw. angelegt wurde. Das
Theater soll im Herbst d. J. eröffnet werden. Dazwischen
entstand das umgebaute Stadttheater in Aachen; es
ist am ]6- Sept. igor festlich und unter grossen Ehrungen
für den Architekten eingeweiht worden. Das alte Gebäude,
ein Werk Schinkels, genügte den Anforderungen des
modernen Bühnenbetriebes nicht mehr und verwahrloste
im Laufe der Zeit so sehr, dass ein E^mbau dringend er-
forderlich wurde. Da eine neue und gute moderne
Bühnen-Einrich-
tung vorhanden
war, so erstreck-
te sich der Um-
bau in derHaupt-
sache auf das Zu-
schauerhaus und
eine Erweite-
rung der Büh-
nen - Nebenräu-
me. Der Umbau
war so tiefgrei-
fend, dass das
Zuschauerhaus
kaum hinter ein-
erNeuanlage zu-
rücksteht (1898,
No. 39). Einen
ähnlich weitge-
henden Umbau
wird mit einem
Kostenaufwande
von I 300000 M.
das Hofthea-
ter in Braun-
schweig erfah-
ren.Für dieDau-
er des Umbaues
wird nach dem
Entwurf des Hrn.
Ob.-Brth. Lilly
inBraunschweig
ein provisori-
sches Theater-
gebäude errich-
tet. Der Umbau
belässt nur die
Umfassungs-
mauern, das
Dach, das Foyer
und einige Bühnen-Nebenräume in ihrem alten Zustande,
während der Zuschauerraum, die Treppenhäuser, die
Kleiderablagen usw. völlig neu eingebaut werden. Es
erhält ferner die Bühne eine neue Maschinerie mit elek-
trischem Betriebe und es wird an der Rückfront des
Theaters ein grosser Handmagazinbau mit darüber liegen-
der Probebühne und mit Malersaal neu angebaut. Der
Zuschauerraum wird nach seiner Neugestaltung 1650 Per-
sonen fassen. Etwa gleichzeitig mit den schon seit länge-
rer Zeit bearbeiteten Umbau-Entwürfen für Braunschweig
entstanden Entwürfe für ein Stadttheater in Posen,
sowie für ein fürstliches Theater in Gera. Letztere
Anlage, welche wir hier im Grundriss wiedergeben und
welche im Herbste d. J. eröffnet wird, ist besonders da-
durch interessant, dass sie unter einem Dache mit einem
grossen Konzertsaale vereinigt ist. Das Theater enthält
1000 Sitzplätze, der Konzertsaal 1600. Die Bausumme be-
trägt nur I Mill. M. Die Vereinigung zweier selbständiger
Unternehmungen war den Stuttg. Tagesblättern zufolge
auch infrage bei dem Urtheil, welches Seeling für den
Neubau des Hoftheaters in Stuttgart abzugeben be-
rufen wurde. Er schlug hier vor, ein Opernhaus für 1400
und ein Schauspielhaus für 800 Personen zu vereinigen,
um dadurch an Betriebskosten insbesondere zu sparen.
No. 25.
Architekt: H. Seeling in Berlin.
Das Stadttheater
in Frankturt a. M,
Bei dem Stadttheater in Nürnberg, welches Seeling
wieder als freien Auftrag erhielt una welches zurzeit
Parketthöhe erreicht hat, plant man die Anlage eines
grossen Festsaalbaues nicht in so engem Zusammenhang
wie bei Gera, also unter einem Dache, wohl aber als ge-
schlossene, harmonische Baugruppe mit der Möglichkeit
gleichzeitiger Benutzung beider Anlagen bei grossen Festen.
Wieder auf dem Wege des Sieges in einem engeren
Wettbewerb wurde der Auftrag zur Auführung des Stadt-
theaters in Freiburg
i. Br. gewonnen, für wel-
ches bei einer Sitzzahl von
1280 Plätzen die bedeu-
tende Summe von 2 700 000
M. aufgewendet werden
soll. Neben dieser reichen
praktischen Thätigkeit
übte Seeling auch eine
vielbegehrte gutachtliche
Thätigkeit aus. Neben
Stuttgart, das schon er-
wähnt wurde, wurde er
u. a. nach Karlsruhe, nach
Mannheim, Dortmund, so-
wie nach mehreren ande-
ren Städten zur Beurthei-
lung der einschlägigen
Theaterverhältnisse be-
rufen. Auch das Ausland
bewarb sich um seine Mit-
wirkung. Ein von demAr-
chitekten Lilljequist ge-
schaffenerEntwurffürden
Neubau eines kgl. Schau-
spielhauses in Stockholm
wurde Seeling zur Begut-
achtung und Bearbeitung
desGrundrisses vorgelegt.
Es war ein reiches Bild
fruchtbarer künstlerischer
Gestaltungskraft und
scharfsinniger technischer
Erfahrung, welches der
Redner vor einer zahlrei-
chen und beifallfreudigen
Versammlung
entwickelte. —
V. ordent.Ver- \
Sammlung v.
20. März. Vors.
Hr. von der
Hudej anwes.
37 Mitgl. und
mehrere Gäste.
Die Hrn. Jos.
Moser und Rieh.
Bielenberg wur-
den alsneueMit-
glieder aufge-
nommen. In die
Jury betr. Be-
urtfieilung der
nach Düsseldorf
gehenden archi-
tektonischen
Ausstellungsar-
beiten werden
die Hrn. Alb.
Hofmann, G.
Roensch und
H.Solf berufen.
Hr. Solf berich-
tet über den er-
folgreichenFort-
gang der Arbei-
ten für die Archi-
tektur - Abthei-
lung der grossen
Berliner Kunstausstellung 1902. Im Anschluss daran er-
läutert Hr. Reuters den von ihm aufgestellten Ent-
wurf zur architektonischen Gliederung und Ausschmückung
des Raumes, bei welcher die Hrn. Bildh. Prof. Riegel-
mann und Giesecke, sowie Hr. Maler Kellner mit-
wirken werden. Die Mittheilungen des Hrn. Wittich
über die künstlerische Ausschmückung der elek-
trischen Hoch- und Untergrundbahn in Berlin,
sowie die sich ihnen anschliessenden Erläuterungen der
Hrn. Dinklage, Solf und Wolffenstein über die von
i hnen gestalteten Bahnstrecken und Bahnhöfe erregten
das lebhafteste Interesse der Versammlung. Der Vor-
sitzende gab der besonderen Anerkennung der Vereinigung
darüber, dass man hier zum ersten Male und mit bestem
Erfolge versucht habe, ein umfangreiches Werk der In-
genieurbaukunst durch künstlerische Mittel zu veredeln,
warmen Ausdruck und stattete unter dem lebhaften Bei-
fall der Versammlung der „Gesellschaft für elektrische
Hoch- und Untergrundbahnen“ für das weitgehende Ent-
gegenkommen, welches einen Wendepunkt in der Ge-
staltung der Ingenieurbau-
werke bedeutet, den Dank
Architekt: H. Seeling ^er Fachgenossenschaft
behalten uns vor,
auf die architektonische
Ausgestaltung der neuen
Bahnanlage eingehender
zurückzukommen. An die
Vorträge schliesst sich
eine kurze Besprechung,
an welcher die Hrn. Rei-
mer und Böckmann
theilnahmen und in wel-
cher letzterer die Aussich-
ten und Hoffnungen bei
Gründung der Berliner
Stadtbahn streift und den
weitschauen den wirth-
schaftlichen Plänen des
damals leitenden Archi-
tekten Hartwig Worte
wärmster Anerkennung
zollt. Wenn die als Privat-
unternehmung gegrün-
deteStadtbahnnichtgleich
von dem Erfolge begleitet
war, den ihre Begründer
erwarteten, so liegt das an
der engherzigen Wirth-
schaftspoliiik, mitweicher
man den Plänen Hartwigs
entgegenwirkte. —
Vermischtes
Zum Gesundheitsschutz
ln öffentlichen Lokalen ist
von einer er-
freulichen An-
ordnung des Mi-
nisters des Inne-
ren Kenntniss
zu nehmen und
nur zu wün-
schen,dass diese
Anordnung na-
mentlich in den
Lokalen geringe-
rer Art rück-
sichtslos durch-
geführt werde.
Aber auch in
den feinerenLo-
kalen wird sich
oft Anlass finden
von der Anord-
nung Gebrauch
zu machen, da
es nicht selten
vorkommt, dass
die erste An-
forderung: ge-
sunde Luft! hin-
ter der anderen,
möglichst auffal-
lende und luxu-
riöse Ausstat-
tung, zurücktre-
ten muss. Der
an die Regie-
rungs-Präsidenten gerichtete Min isterial- Erlass lautet:
Es ist neuerdings zur Sprache gekommen, dass immer
noch, selbst in vielen grösseren Städten, Restaurations-
räume hergestellt werden, die jeder geeigneten Lüftungs-
Vorrichtung entbehren, obwohl in ihnen täglich die An-
sammlung zahlreicher Menschen stattfindet.
In § 3 der durch die Rundverfügung vom 26. August
1886 mit^etheilten Anforderungen, die in baulicher und
gesundheitlicher Beziehung an die Gast- und Schankwirth-
schaften zu stellen sind, ist darauf hingewiesen, dass die
Gastzimmer ausser mit Fenstern, die einen hinreichenden
25. März 190Z.
159
Zutritt von Luft und Licht unmittelbar von der Strasse
oder vom Hofe aus gestatten, auch, soweit nöthig, mit
sonstigen zur Herstellung eines genügenden Luftwechsels
erforderlichen Einrichtungen versehen und überhaupt ihrer
ganzen Anlage nach so beschaffen sein müssen, dass sie
die menschliche Gesundheit in keiner Weise gefährden.
Es wird ersucht, diese Vorschriften den Konzessions-
Behörden in Erinnerung zu bringen. Die Herstellung von
Lüftungsvorrichtungen, welche durch natürliche Tempe-
raturdifferenz — auch ohne schädlichen Zug zu verur-
sachen — wirken, könnte ohne nennenswerthe Belastung
der die Konzession Nachsuchenden stets vorgeschrieben
werden. Inwieweit die
Anbringung vonVorrich-
tungen , welcne durch be-
sonders erzeugten Wär-
me - Unterschied oder
durch die mechanischen
Kräfte wirken, zu for-
dern ist, wird in je
dem einzelnen Falle un-
terBerücksichtigung der
Zweckbestimmung der
Räume und der etwa
zur Verfügung stehen-
den Betrieb.skraft zu
prüfen sein. —
Zustände an der Tech-
nischen Hochschule in
Wien. Nach einer Mit-
theilung in den österrei-
chischen Tagesblättern
ist ein Theil der Studi-
renden in den Ausstand
eingetreten, weil die
Raumverhältnisse, über
die bekanntlich seit vie-
len Jahren Beschwerden
laut geworden sind, die
ordnungsmlssige Theil-
nahme an den Vorlesun-
gen nicht mehr gestatten.
Am 8 d. M. begab sich
eine Abordnung der Stu-
direnden des 3. Jahr-
ganges der Maschinen-
bauschule zum Rektor,
um demselben darzule-
gen, dass der Lehrsaal
des Professors Englän-
der nur für 144 Hörer
ausreiche, während für
dessen Vorlesung 258
Hörer eingeschrieben
seien. Der Rektor ver-
mochte baldige Ab-
hilfe nicht in Aussicht
zu stellen, weil auch alle
anderen Hörsäle über-
füllt seien. Nach Ent-
gegennahme des Be-
richtes der Abordnung
haben die Hörer des 3.
Jahrganges der Maschi-
nenbauschule beschlos-
sen, den Vorle.sungen so
lange fernzubleiben, bis
Abhilfe geschaffen wird,
um nicht gezwungen
zu sein, während der
heissen Sommermonate
den Vorlesungen in
einem allen An.sprüchen
der Gesundheitspflege
widersprechenden Saale beiwohnen zu müssen ; dem Rektor
wurde von diesem Beschlüsse Mittheilung gemacht.
Zeitweilige Ueberfüllungen von Hörsälen sind auch
an anderen Hochschulen häufige Erscheinungen; in Wien
aber scheint das Ucbel längst chronisch zu sein. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Rathhaus Schmalkalden. Unter 44 Ent-
würfen errang den I. Preis der mit den Kennzahlen
„1419-1902" des Hrn. Rieh. Aurich in Dresden; den II.
Preis der Entwurf „Pro nihilo“ der Hrn. Rieh. Drach
und A. Möllinghoff in Karlsruhe. Zum Ankauf ge-
langten die Entwürfe der firn. Rud. Koch in Charlotten-
burg und Joh. Roth in Kassel. —
Briet- und Fragekasteo.
Hrn. Arch. M. in Würzburg. Wir setzen Ihre Frage, die
für viele Fälle zweifellos von grosser Bedeutung ist, hierher, um
dadurch zur Mittheilung etwaiger Erfahrungen in diesem Blatte an-
zuregen. Unsere eigene Ansicht tragen wir der Frage, die folgen-
dermaassen lautet:
„Welche Mittel und Wege sind einer städtischen Verwaltung
an die Hand gegeben, um ein hervorragend gelegenes Bauland
(Hochkai-Slrasse), dessen ästhetischer Ausbau die Zierde der Stadt
würde, nach bestimmten Entwürfen oder Vorschriften
zu ermöglichen, ohne auf die Bauunternehmer einen Einfluss
durch eigenen Besitz daselbst ausüben zu können?“ unmittelbar
wie folgt nach: Nach dem in Preussen geltenden Recht (Th. 1, Tit. 8,
§66A. L. R.) sind nur Bau-
ten untersagt, die zum Scha-
den oder zur Unsicherheit
des gemeinen Wesens oder
zur Verunstaltung der
Städte und öf (e 11 lUchen
Plätze vorgenommen wer-
den. In der Rechtsprechung
ist der hier aufgcstellte
Grund.salz theils in er-
weiterndem, thcils in ver-
engerndem Sinne ausgelegt
worden. Verengernd inso-
fern, als festgesleilt ist, dass
als „Verunstaltung“ nur ein
Zustand gilt, der das Auge
positiv beleidigt, nicht
aber schon ein solcher, bei
dem das Ange einen Mangel
an Schönheit empf ndet, bei
dem es sich um ein Mehr
oder Weniger davon han-
delt Erweiternd ist die
Rechtsprechung thätig ge-
wesen, indem sie unter dem
Begriff „zum Schaden des
gemeinen Wesens“ neuer-
ding.s Dinge gebracht hatte,
die früher ausserhalb des-
.selben gelassen wurden. Sie
hat auerkaniit, dass das
Uebereinanderschichten der
Bev'ölkerung in vielgeschos-
sigen Gebäuden und die Ent-
behrung von frischer Luft
und Licht auch zum Scha-
den des gemeinen Wesens
dient, und gestützt hierauf
haben O rts - Polizei - Ver-
ordnungen Rcclitsgiltigkeit
gewonnen, durch die Fa-
brikbauten von bestimmten
Stadttheilen ausgesdilo.ssen
werden bezw. durch die für
andere Stadttheile nur be-
stimmte Bauweisen der
Wohngebäude (landhaus-
mässige Bebauung) als zu-
lässig erklärt worden sind.
Dies ist aber auch alles, und
Vorschriften rein ästheti-
scher Natur, die vereinzelt
in Baupolizeiordnungen Vor-
kommen, sind verschiedent-
lich durch die Rechtspre-
chung als rechtsuiiverbind-
lich erklärt worden.
Dass durch ortsstatu-
l a r i s c h eVorschrilteii mehr
als durch Polizeiverordnun-
generreichbarsei, erscheint
uns (in Preussen) ausge-
schlossen, weil ein Orts-
statut zu seiner Giltigkeit
der Hinzufügung polizei-
licher Straf bestimmungen
bedarf.
Ein einziger Weg mag
ausnahmsweise gangbar
sein : Befindet sich das betr.
Gelände im Besitze einer
Gesellschaft, .so ist die Stadt
unbehindert, ihre Genehmigung zu auszuführenden Strassen- usw.
Anlagen an Bedingungen auch ästhetischer Natur zu
knüpfen. Derartige Fälle sind bekannt.
Hrn. Ing. G. B. ln Bilbao. Umfassende Versuche über die
Elastizität des Zementmörtels und Betons sind von Prof. Bach,
Stuttgart, in der Ztschrft. d. Vereins deutsch. Ing 1895, 1896 und
1897 veröffentlicht. Diese Versuche erstrecken sich jedoch nur auf
Druck, nicht auf Zug. Eine Zusammenstellung verschiedener Ver-
suchs-Ergebnisse ist auch in dem Werke „Der Portland-Cement
und seine Anwendung im Bauwesen“, Berlin, Verlag der Dtschn.
Bauztg. wiedergegeben. —
Inhalt: Ueber Zemeotrolire mit verstärkter Wandung. — Mittheilungen
ans Vereinen. — Vermischtes — Preisbewerbuugen. — Brief- u. Fragekasteo.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Ho fm an n, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
Das Stadttheater in Essen. Architekt: H. Seeling in Berlin.
160
No. 25.
AUZEITUNG.
GANG. * * NO- 26. ^
Berliner Neubauten.
No. 102. Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens.
(Fortsetzung.) Hierzu die Abbildungen S. 163 und eine Bildbeilage.
BTSCftl Zoologischen Gartens im Garten antrat, legte er sich die für den Thiergärtner
im Allgemeinen und seiner Besiedelung wichtigste Grundfrage vor, „ob bei den Bauten im
durch ausgesuchte Exemplare der verschic- Zoologischen Garten nur die Sicherheit der Besucher
denen Thiergattungen sind es in erster und des Wärters und das Wohl der Thiere in Betracht
Linie die Baulichkeiten, welche die An- kommen dürfen, oder ob man mit diesen Bauten — un-
ziehungsln-aft der Thiere auf den Besucher ergänzen, beschadet der genannten, ohne Zweifel nothwendigsten
Erfordernisse
ihm das Thier,
soweit irgend
möglich, mit
einer Andeu-
tung seiner hei-
mathlichenUm-
welt umgeben
und es ihm
so näher brin-
gen. Wir ha-
ben schon die
Grundsätze be-
rührt, nach wel-
chen die Archi-
tekten Ende &
Böckmann die
erste grosse
Bauperiode im
Garten einlei-
teten. Diese
Grundsätzewa-
ren so ideale
und das, was
auf ihnen auf-
gebaut wurde,
zeigte eine so
reiche Erschei-
nung, dass sich
hier und da
Stimmen erho-
ben hatten, wel-
che besorgt vor
einem Zuviel
warnten und
es nicht gerne
sahen, dass die
Ställe, die sie
den Thieren
nur zugestehen
wollten, sich in
Paläste ver-
wandelten.Und
es blieb auch
nicht aus, dass,
als der erste be-
deutendeTliier-
gärtner des
Gartens, als Dr.
Bodinus starb,
unter seinem
Nachfolger Dir.
Schmidt die
Verwaltung des Gartens in das entgegengesetzte Extrem
verfiel und „nüchterne Ställe und öde Scheunen baute“.
Man glaubte, „dass das Hässliche nothwendiger Weise
auch praktisch und das Schöne nothwendiger Weise auch
unpraktisch sein müsse“. Diese Periode hat den Zoolo-
gischen Garten wahrnehmbar zurQckgebracht und als
daher der heute noch mit so grossem Erfolge seines
Amtes waltende Direktor Dr. L. Heck seine Thätigkcit
Musikpavillon an der üreisternpromenade. Architekten: Kays
— auch noch
höhere Zwecke
undidealeZiele
verfolgen kann
und soll, die auf
dem Gebiete
der künstleri-
schen Anreg-
ung und Volks-
erziehung lie-
gen“. Es liegt
auf der Hand,
dass ein Thier-
gärtner mit
grösseren Ge-
sichtspunkten
sich dieseFrage
unbedingt be-
jahen musste
und so ist denn
auch Heck „aus
begeisterter
Ueberzeugung
zu dem Ergeb-
niss gekom-
men: Ja, wir
sind auf dem
rechten Wege!
Die Bauten im
Zoologischen
Garten sollen
auch an sich
etwas bedeu-
ten, weil sie so
vielen Tausen-
den vor Augen
treten, die Geld
bezahlt haben,
um etwas Se-
henswertheszu
sehen, und na-
mentlich müs-
sen die grossen
Thierhäuser ar-
chitektonische
Sehenswürdig-
keiten sein, um
auch solche Be-
sucher anzu-
Groszheim in Berlin, ziehen und ZU
befriedigen, die
nicht geneigt sind, sich in die Einzelheiten des Thier-
bestandes zu vertiefen.“ Der ungewöhnliche Erfolg
des Gartens hat diese Ansicht bestätigt und hat dazu
geführt, dass durch die von die.sen Anschauungen erfüll-
ten leitenden Persönlichkeiten die Baugeschichte des
Gartens mit Ausnahme jener kurzen Periode künstle-
rischer Kleinmüthigkeit eine stetig aufsteigende wurde
und noch fortwährend ihrem Zenith entgegenschrcitet.
Als Ende & Böckmann die erste grosse Bauperiode
des Gartens eröffneten, da stellten sie für die Einrich-
tung der Thierhäuser eine Reihe grundlegender Bedin-
gungen auf, an die man bis dahin kaum mit dieser
Sorgfalt gedacht hatte, die sich aber im Laufe der
Zeit als für das Wohlbefinden der Thiere und die
damit innig zusammenhängende Familienbildung als
unerlässlich erwiesen haben. Sie forderten zunächst
eine gute Beleuchtung des Hauses, eine Lage des-
selben gegen Südosten, damit im Winter die Sonnen-
strahlen, die ein wichtiges Lebensmoment auch für
die Thiere sind, das Haus für einige Stunden durch-
scheinen und erwärmen können. Oberlicht ist die
zweckmässigste Art der Beleuchtung, namentlich für
die Thiere, die sich durch Farbenreiz besonders aus-
zeichnen. Den Raubthieren ist dabei die Möglichkeit
zu geben, im dunkeln Schatten zu lagern. Der Raum
für die Besucher ist gedämpfter zu beleuchten, wie der-
jenige für die Thiere, weil dadurch die Möglichkeit
durch die ammoniakalischen Gase, welche die Aus-
würfe der Thiere entwickeln, fast überall vereitelt wor-
den. So ist die Verbindung namenüich einer bezüg-
lichen heimischen Pflanzenwelt mit den Thierhäusern
ein auch heute noch ungelöstes Problem.
Den Thieren, welche den heissen Zonen ent-
stammen, ist ein warmer Fussboden durch künstliche
Erwärmung zu bereiten. Asphalt-Fussboden hat sich
für Raubthier-Käfige bei den zersetzenden Eigen-
schaften des Urins nicht bewährt, hier ist Holz-Fuss-
boden vorzuziehen. Der Sandboden der Sommer-
käfige ist vor Feuchtigkeit undSchlagregen zu schützen.
Um die Thiere dem Beschauer in ihrer günstigsten
Ansicht vorzuführen, erhalten die Fussböden eine be-
stimmte Höhenlage, bei Raubthieren 1,2 — 1,3"', bei
Wiederkäuern, grossen Vögeln usw. 0.3 bis 0,6"*. Be-
sondere Beachtung verdient die Grössenbemessung
der Sommerausläufe der Thiere. In Ihnen geniesst das
Thier wenigstens bis zu einem gewissen Grade die
einerSteigerung des Ein-
druckes gegeben ist.
Die Heizung ist zeit-
lich wie örtlich möglichst
gleichmässig einzurich-
ten; es empfiehlt sich
daher eine der üblichen
Zentralheizungs - Arten
auch schon deshalb, weil
sie die, Möglichkeit einer
guten Lüftung gewäh-
ren. Bei dem penetran-
ten Geruch , den die
meisten Thierarten ent-
wickeln, wird sich diese
jedoch nicht ohne Zu-
hilfenahme künstlicher
Mittel, wie Absaugung,
Ventilatoren usw. er-
möglichen lassen. Ein
wirksames Mittel, wenn
man grössere Geldbe-
träge aufwenden kann,
ist in der Absonderung
der Thierräume von den
Zuschauerräumen durch
Glas zu finden, ein Mittel,
welches für einzelne’
Thiergattungen geradezu gefordert wird. Ohne Zweifel
ist die durch eine solche Anordnung erreichte Erschei-
nung eines Thierhauses, wie die neueren Häuser für
grosse Vögel der Architekten Kayser & v Groszheim
bewiesen haben, eine ungleich gefälligere, wie die dei
Thierhäuser ohne absondernde Spiegelscheiben. Sie
wird aber wegen der bedeutenderen Mittel nur von
den grössten Gärten angestrebt werden können. Auch
die Einführung von ozonhaltiger Pflanzenluft in die
Häuser oder Gelasse solcher Thiere, welche gewöhn
heitsmässig im Walde leben, ist nicht ohne Erfolg ver-
sucht worden. Man hat hier und da es zu diesem Zwecke
unternommen, in den Thierhäusern Pflanzen-Anord-
nungen zu treffen, und dadurch das Bild um einen
neuen, werthvollen Reiz vermehrt. Das Seite 153 dar-
gestellte Antilopenhaus der Arch. Ende & Böckmann
erhielt einen zentralen, durch Oberlicht beleuchteten
Raum, welcher die Möglichkeit zu Pflanzen-Anordnun-
gen darbietet. Leider aber sind diese Versuche
Freiheit, "die in der Ge-
fangenschaft überhaupt
möglich ist. Daher hat
man wohl danach ge-
trachtet , die Ausläufe
möglichst geräumig und
andererseits so anzule-
gen, dass sie in Verbin-
dung treten m it den inter-
essantesten landschaft-
lichen Theilen des Gar-
tens. Die Grösse der
Ausläufe findet aber in
der Forderung eine na-
türliche Grenze, dass das
Thier dem Beschauer
nicht zu sehr entzogen
werden soll. Wichtig
sind die Lage der Aus-
läufe gegendieSonne, et-
was Baumbestand schon
innerhalb der Ausläufe
und ■ namentlich die
Bodengestaltung durch
Schaffung von Rasenflä-
chen, Felsgelände usw.,
wie es die verschiedenen
Thierarten zu ihrem
Wohlbefinden verlangen. Besonders in Felspartien hat
die neue Bauperiode dem Garten Anordnungen gebracht,
welche, mit Glück der Natur abgelauscht, mit ihrem male-
rischen Gepräge werthvolle Bei'eicherungen des Gartens
•sind. Wir kommen noch auf Einzelnes dieser Art zurück.
Ein wesentlicher Umstand für die Darbietung der
Thiere ist der Anstrich der Käfige. Wenn es auch,
namentlich bei schön gefärbten Thieren, erwünscht
erscheint, dem Anstrich gegensätzliche oder Komple-
mentärfarben zu geLc*^. um das Thier möglichst günstig
abstechen zu lassen, so haben sich doch für die Rein-
lichkeit und aus Gründen leichter Erneuerung neu-
trale lichte Farben als zweckmässig erwiesen, wenn sie
auch nicht als eine unbedingte Regel aufzustellcn sind.
Von besonderem Interesse sind bei den Raubthier-
Käfigen die Verschluss-Vorrichtungen; auf sie im ein-
zelnen einzugehen, würde hier zu weit führen, zumal
sie am anschaulichsten an der Ausführung studirt
werden können. — (Fortsetzung folgt.)
Das Straussenhaus. Architekten: Kayser & von Groszbeini.
No. 26.
162
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseidort 1902.
II. Vorge.schichte, Bedeutung und allgemeine
Anordnung der Ausstellung,
ährend noch die Vorbereitungen für die Weltaus-
stellung in Paris des Jahres igoo im Gange waren
und Deutschland sich rüstete, um dieses Mal dort
an dem friedlichen Wettkampfe der Völker theilzunelimen,
tauchten zuerst Gerüchte von einer für 1902 in Düsseldorf
geplanten Ausstellung auf. Diese nahmen greifbare Gestalt
an, als im Sommer J898 drei grosse Vereinigungen: die
nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und
Stahündubtrieller , der Verein deutscher Eisenhüttenleute
und der Verein zur Wahrung der wirthscliaftlichen Inter-
essen in Rheinland und Westfalen den Entschluss fassten,
Die Gründe für ein solches Vorgehen lagen einerseits
darin, dass man von der Theilnahme an der Ausstellung
in Paris nicht einen Erfolg erwartete, der den grossen,
dafür aufzuwendenden Opfern entsprochen hätte und weil
der deutschen Industrie dort ausserdem nur ein Raum
gewährt wurde, der nicht entfernt den gestellten An-
sprüchen nachkam, nicht ausreichte, um ein richtiges Bild
von der Bedeutung und Leistungsfähigkeit unserer Gross-
industrie namentlich auf dem Gebiete des Bergbaues, der
Eisen- und Stahlfabrikation und der damit zusammenhän-
genden Betriebe zu geben. Die Rheinisch-Westfälische
Montanindustrie blieb der Weltausstellung völlig fern,
von der Eisenindustrie fehlten z. Th, die bedeutendsten
Vertreter. Maassgebend war wohl ferner die immer mehr
ira Jahre 1902 in der Voraussetzung, dass ein geeignetes Ge-
lände durch die Stadt zur Verfügung gestellt und ausserdem
die Mittel für das Unternehmen gesichert würden, in Düssel-
dorf eine „Industrie- und Gewerbe-Ausstellung
für Rheinland und Westfalen und benachbarte
Bezirke“ zu veranstalten, mit welcher, einer Anregung
aus Künstlerkreisen folgend, eine allgemeine deutsche Kunst-
ausstellung verbunden werden sollte.
an Boden gewinnende Anschauung, dass eine Weltaus-
stellung überhaupt nicht der Ort sei, um ein abgerundetes
Bild eines grossen Industriezweiges zu geben, dass dies
nur kleinere, in sich abgeschlossene nationale, oder noch
enger begrenzte Ausstellungen zu thun vermögen.
Düsseldorf hat bereits im Jahre 1880 eine rheinisch-
westfälische Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in Ver-
bindung mit einer Kunstausstellung in seinen Mauern ge-
29 März Jfyv2.
163
sehen, eine Ansstellang von unbestrittenem Erfolge, der
auch in dem finanziellen Abschluss zum Ausdruck kam,
da dieselbe — eine seltene Erscheinung auf diesem Ge-
biete — einen Reinüberschuss von 260000 M. ergab.
Damals, vor 22 Jahren, zählte Düsseldoff keine 100000
Einwohner, die Bevölkerung der beiden Provinzen etwa
6 Mill.; jetzt hat Düsseldorf über 200000 Seelen, während
die Bevölkerung der beiden Provinzen fast auf 9 Mill. an-
gestiegen sein dürfte, also fast V4 der gesaramten Be-
völkerung Preussens ausmacht. Von den 13 Städten, die
seit 1882 eine Bewohnerzahl von 100 000 Seelen überschritten
haben, entfallen nicht weniger als 7 auf die Rheinprovinz
und Westfalen, Auf allen Gebieten der Industrie und des
Gewerbes hat eine Entwicklung stattgefunden, die vor
22 Jahren nicht entfernt vorauszusehen war. Es sei nur
auf die beiden wichtigsten Industrien der Gegend, den
Bergbau und die Eisenindustrie hingewiesen.*)
Bei ersterem steht die Steinkohlenförderung voran,
die in den beiden Provinzen von 28 Mill. t im Jahre 1880
auf nicht weniger als 59 Mill. t, also mehr als das Doppelte
im Jahre 1897 gestiegen ist und 220000 Personen be-
schäftigt. Noch bedeutender ist der Aufschwung in der
Eisenindustrie. Die deutsche Roheisenerzeugung hat die
englische von 1880 bis 1898 nicht nur fast eingehoh, son-
Abbildg. I. Lagcplan von Düsseldorf.
dem gewissermaassen überflügelt. Denn während England
1880 schon 8 Mill. t im Jahre erzeugte, war Deutschland
eben auf 2V2* gekommen, 1898 hatte England dagegen
erst 9 Mill. », Deutschland aber eine Höhe von 7,4 Mill.
also fast das 3 fache des früheren erreicht. Von dieser
Menge lieferte Rheinland-Westfalen allein 3,6 Mill. ‘, der
Saarbezirk, Lothringen, Luxemburg 2,5 Mill. k Gleiche
Fortschritte sind auf dem Gebiete der Eisenverarbeitung,
des Maschinen- und Kesselbaues, der chemischen, Glas-,
Papier- und Textil-Industrie zu verzeichnen, deren Fabri-
kationsmethoden ausserdem vielfach eine völlige Umge-
staltung erfahren haben.
Diese Fortschritte, diese Entwicklung der Leistungs-
fähigkeit der beiden Provinzen, die in dem industriellen
und gewerblichen Leben Deutschlands wohl an erster
Stelle stehen, vorzuführen, das ist der Zweck, der mit
dieser Ausstellung verfolgt, und nach dem Umfang, welchen
dieselbe angenommen hat, nach der Art und Weise, wie
*) Wir entnehmen dieses statistische Material und die Angaben Ober
die Vorgeschichte der Ausstellung z. Th. der von dem Generaisekretfir
derselben, Hm. Job. von Wildenradt, als verantwortlichem Schriftleiter
geleiteten AusstellnnCT-Zcitung, die auch der baniecbnischen und tech-
nischen Seite der Unternehmung in anerkennenswerther Weise gerecht
zu werden sucht. —
Gruppe I. Bergbau und öalineuwesen. II. Hültenweseo. IlL Metallindustrie. IV. und V. Maschinenwesen und Elektrotechnik.
VI. Transportmittel. VII. Chemische Industrie. VIII. Nahrungs- und Genussmittel und Apparate zu ihrer Herstellung.
IX. Stein-, Thon-, Porzellan-, Zement- und Glaswaaren. X. Holz- und Möbelindustrie, Haus- und Zimmer-Einrichtungen.
XI. Galanterie- und Kurzwaaren- Industrie. XII. Textilindustrie. XIII. Bekleidungs-Industrie. XTV. Leder-, Gummi- und
Asbestwaaren. XV. Papierindustrie. XVI. Polygraphische Gewerbe. XVII. Wissenschaftliche Instrumente. XVIII. Musik-
instrumente. XIX. Bau- und Ingenieurwesen. XX. Schul- und Unterrichtswesen. XXL Gesundheitspflege und Wohlfahrts
Einrichtungen. XXII. Sport. XXllI. Gartenbau. XXIV. Land- und Forstwirthschaft. XXV. Kunstgewerbe.
164
No. 26.
das Unternehmen angegriffen und bisher durchgeführt von denen das Westf. Kohlensyndihat, die Rheinprovinz
worden ist,_ wie man trotz der inzwischen eingetretenen und die Stadt Düsseldorf je looooo M., Westfalen 60000 M.
wirthschaftlichen Krise hoffen darf, auch erreichen wird, beisteuerten, und ein sog. Beitragsfonds (uut.Umst. rückzahl-
Während sich im Jahre 1880 die Grossindustrie dem bar) von ebenfalls 400000 M., sowie schliesslich ein Ga-
Gedanken einer Ausstellung nur zum Theil und ohne son- rantiefonds von 3 Mill, M., letzterer hauptsächlich aus den
derlichen Enthusiasmus anschloss, ist sie dieses Mal die trei- Kreisen der Düsseldorfer Bürger gezeichnet, waren in
bendeKraftgewesen, an ihrer Spitze Hr. Geh. Kommerzien- kürzester Zeit sicher gestellt.
rath H. Lueg, Düsseldorf, bereits im Jahre 1880 der ge- Auch die Vorarbeiten des aus den Kreisen der In-
schickte Leiter der Ausstellung, hat sie in verhältnissraässig dustrie, der Künstlerschaft und Vertretern der Gemeinde
kurzer Zeit alle Hindernisse glücklich überwunden und und staatl. Behörden gebildeten Ausstellungs- bezw. Ar-
zwar wiederum in einmüthigera Zusammengehen mit der beits-Ausschusses, an dessen Spitze Hr. Geh. Kommerz.-
Dusseldorfer Künstlerschaft. Rath H. Lueg, Düsseldorf, steht, während der Beigeord-
Für die Veranstaltung der Ausstellung war von vorn- nete Dr. Wilms die geschäftliche Leitung der Ausstellung
herein Düsseldorf als das Zentrum der Industriegegend, übernommen hat, waren bald so weit gefördert, dass be-
• Abbildg. 16. Rolirkonstruktion des Dückers
Abbildg. 8. Uebersichtsplan der Rieselfelder mit dem Zuleitungs-Kanal. von Maurecourt.
Abbildg. 9. Längsschnitt des Zuleitungs-KanaLs,
Abbildg.'ii. Anordnung der Druckrohre bei Argenteuil. Abbildg. 12. Freie Gefälleitung bei Argenteuil.
Die Kanalisation von Paris.
ausserdem günstig zu einer Reihe von wichtigen Haupt- reits im Sommer 1899 ein Ideen-Wettbewerb für die Ge-
Verkehrslinien gelegen, ins Auge gefasst. Auch die Frage sammt-Ausgestaltung der Ausstellung abgehalten werden
des Ausstellungs-Geländes war rasch erledigt, da sich un- konnte, aus welchem der inzwischen leider verstorbene
mittelbar an der festen Rheinbrücke längs des Rhein- Hamburger Arch. G. Thielen bekanntlich als Sieger her-
ufers und im Zusammenhänge mit dem prächtigen Hof- vorging=*=), der dann auch bis zu seinem vorzeitigen Ende
garten ein geeignetes, freiliegendes und der Stadtgemeinde als leitender Architekt der Ausstellung thätig war. Nach
gehöriges Gelände in der sogenannten Golzheimer -Insel seinem Tode haben die Hrn. Arch. Prof. Kleesattel und
bot, das in seinem Umfange den Anforderungen entsprach Schill die künstlerische Oberleitung ehrenamtlich über-
und mit dem städtischen Hafen und den Bahnhöfen durch nommen. Die Leitung des Baubureaus der Ausstellung
Gleisanschlüsse in einer dem Bedürfniss entsprechenden ist dem 1. Arch. Hrn. Fischer übertragen, während Hr.
Weise in Verbindung gesetzt werden konnte. Estner als r. Ingenieur des Maschinen-Baubureaus thätig
Auch die Finanzirung des Unternehmens ging rasch
vonstatten. A fonds perdu wurden 400 000 M. aufgebracht, Vergi. Dtsche. Bauztg. 1899, s. 352.
29 März 1902. 165
ist, beide selbstverständlich unterstützt noch durch eine
grössere Anzahl von Architekten und Ingenieuren. (Es
sei dabei übrigens vorweg bemerkt, dass die besonderen
Ausstellungs-Gebäude einzelner Aussteller von diesen selbst
nach eigenen Plänen hergestellt sind.)
Das Ausstellungs- Gelände wird, wie schon erwähnt,
gebildet von einem unmittelbar am rechten Rheinufer
unterhalb der festen Rheinbrücke gelegenen, früher bei
Hochwasser überschwemmten und fast ungenutzten Land-
streifen, der sog. Golzheimer-Insel. Es liegt also am
Nordende der Stadt (vgl. den Uebersichtsplan Abbildg. i)
und zwar in unmittelbarem Zusammenhänge mit dem
Hofgarten, dem Glanzpunkt Düsseldorfs, von dem noch
ein kleiner Theil in die Ausstellung einbezogen ist. Das
Gelände liegt also soweit von den Bahnhöfen entfernt,
dass sich die Herstellung eines besonderen Gleisanschlusses
zur Bewältigung des grossen Verkehres der von ausser-
halb zuströmenden Besucher (man rechnet imganzen auf
etwa 3 Millionen) als nothwendig erwies. Die Mittel zur
Herstellung dieses Gleisanschlusses nebst einem Personen-
Bahnhofe am Nordende der Ausstellung wurden in der
Sitzung des preuss. Abgeordnetenhauses vom 5. März
1900 in Höhe von 1618000 M. bewilligt. Ein Theil dieser
Gleisanlage wird übrigens nach Angabe des Hrn. Ministers
d. off. Arbeiten erhalten bleiben behufs 4gleisigen Aus-
baues der ersten, stark überlasteten Strecke nach Duis-
burg, der 2. als Anschluss an vorhandene, bezw. im Ent
stehen begriffene industrielle Anlagen, sodass nur ein Theil
nach Schluss der Ausstellung vollständig wieder beseitigt
wird, falls nicht schliesslich auch dieser liegen bleibt als
2. Anschluss an die Rheinwerften der Stadt. Für den
Stadtverkehr ist ein theilweiser Ausbau der Strassenbahn-
linien durchgeführt, um die Ausstellung mit den Haupt-
verkehrs-Mittelpunkten in Verbindung zu setzen. Schliess-
lich bietet der Rhein einen weiteren Zugangsweg. Ver-
schiedene Anlagestellen an der Ausstellung ermöglichen
den Zugang zu Schiff. Für den Nachbarverkehr dienen
ausserdem Strassenbahnen nach Kaiserswerth bezw.
Duisburg und Krefeld.
Das Ausstellungs -Gelände, das eine Gesammt-Fläche
von etwa 55 ha umfasst, ist z. Th. dem Rheinstrom abge-
wonnen durch Vorschieben der rechten Uferlinie bei gleich-
zeitiger Abgrabung vom linken Ufer. Diese Arbeit bildet
den Abschluss der bedeutenden Wasserbauten, welche
Düsseldorf seit dem Jahre 1896 ausgeführt hat. Es sind
dies die Anlage des Rheinhafens am Südwestende der
Stadt^J (vgl. Abbildg. i) und die Regulirung des rechten
Rheinufers zur Gewinnung einer niedrigeren über Sommer-
hochwasser gelegenen Werft und einer völlig hochwasser-
freien Uferstrasse, die im 'Zusammenhänge mit der festen
Rheinbrücke**) begonnen, vor kurzem zum Abschluss
kam***) und das Stadtbild von der Rheinseite her völlig
umgestaltet hat.
Zur Vorschiebung des Ufers und zur Aufhöhung so-
wie Regulirung der Golzheimer-Insel ist von der Gemeinde
Düsseldorf im Dezember 1898 ein Betrag von fast 4 Mill. M.
bewilligt worden. Davon entfallen allein 1100 000 M. auf
die Aufhöhung des Geländes bis auf -f 6 m am Düssel-
dorfer Pegel, bezw. im hinteren, von den eigentlichen
Ausstellungs-Gebäuden besetzten Theilebis -f 9m. Eswaren
hierbei etwa 700 000 cbm Kies zu bewegen und einzubauen
(aus dem Rhein gebaggert) und 70000 cbm Mutterboden, eine
Arbeit, die von der Firma Philipp Holzmann & Co. in
Frankfurt a. M. ausgeführt wurde. Von diesen Anschüttun-
gen muss ein Theil nach der Ausstellung wieder beseitigt
werden, im wesentlichen aber sind diese Aufwendungen
von bleibendem Werthe für die Stadtgemeinde durch
Nutzbarmachung des Geländes.
In Abbildg. 2 geben wir den Uebersichtsplan der Aus-
stellung, der die klare einheitliche Gestaltung derselben
erkennen lässt. Wie schon hervorgehoben, besitzt das
Gelände eine Gesammtfläche von 55 wovon etwa 10 ha
bebaut wurden. Als Vergleich sei angeführt, dass Berlin
1896 zwar 120 ha Gesammt-Fläche besass, dass davon je-
doch nur 7,5 ha bebaut waren. Alle neueren Ausstellungen
in Lübeck, Leipzig, Glasgow usw. waren auch in der Ge-
sammtfläche erheblich kleiner.
Die Ausstellung, zu welcher lediglich die Provinzen
Rheinland und Westfalen, ausserdem Frankfurt a. M. und
der Reg.-Bezirk Wiesbaden zugelassen sind, wird also
schon räumlich zu einer sehr bedeutenden. Aber auch
baulich hat man bei aller dem Zweck und den Mitteln
entsprechenden Einfachheit nicht nur von Seiten der Aus-
stellung selbst, sondern auch von Seiten der einzelnen
Aussteller erhebliche Aufwendungen gemacht. Dement-
sprechend ist denn auch, abgesehen von den Kosten die-
ser von den Ausstellern hergestellten Einzeianlagen (zus.
einige 90 grössere Gebäude und Pavillons), der Etat der
Ausstellung, der 1880 sich auf 2 Mill. M. belief, für 1902
auf 7 Mill M. festgesetzt worden.
Es sei hierbei gleich erwähnt, dass im Gegensätze zu
manchen anderen Ausstellungen, alles nicht zur Ausstellung
selbst gehörige Beiwerk auf ein Mindestmaass beschränkt
ist. Selbstverständlich sind die Anlagen zur leiblichen
Stärkung, also Restaurations-Gebäude, neben dem gleich-
zeitig als Festhalle dienenden Haupt-Bierrestaurant und
dem Haupt-Weinrestaurant noch in grösserer, Anzahl an-
gemessen vertheilt und den verschiedenartigen Ansprüchen
genügend, vorhanden; die Schaustellungen sind aber im
wesentlichen beschränkt auf das am Südende, nahe der
Rheinbrücke (vgl. den Uebersichtsplan Abbildg. 2) er-
richtete Panorama, enthaltend den Uebergang Blüchers
bei Caub über den Rhein (gemalt von den Malern Wend-
ling und Ungewitter), ein Aipenpanorama (Zillerthal
mit Dorfanlage), am Nordende des Haupt-Ausstellungs-
gebäudes, eine Orientstrasse westlich davon am Rhein-
ufer und schliesslich die schon von anderer Stelle be-
kannten Marineschauspiele neben dem Staatsbahnhof. —
(Schluss folgt.)
Die Kanalisation von Paris.
(Schluss.) Hierzu die Abbildungen auf Seite 165,
fflieStammkanälesindals im wesentlichen gleichlaufende
Abfangekanäle aufzufassen, die stufenförmig überein-
ander angeordnet sind. Der am höchsten gelegene
Nordsammler führt unmittelbar mit freiem Gefälle nach
Gennevüliers, die drei übrigen vereinigen sich auf der
Pumpstation von Clichy, wo der Marceau- und Asni^res-
Sammler vor dem 8. Juli 1899 in die Seine flössen, wäh-
rend jetzt das Abwasser aller 3 Sammler auf die Riesel-
felder gedrückt wird.
Die Abwässer der beiden Seine-Inseln La Cite und
St. Louis sind durch Seinedücker an den linken und
rechten Ufersammier angeschlossen, diejenigen der tief-
gelegenen Arrondissements XII. und XV. werden auf den
Pumpstationen Mazas und La Convention in den rechten
Ufer- und Rappsammler gehoben.
Die Sohlengefälle schwanken bei den Stammlcanälen
zwischen i,5®/oo> bei den Nebensammlern Zwischen
5 und 30 O/oQ. Die Kanäle werden jetzt durchweg unter
Verwendung von langsam abbindendem Portlandzement
aus unbehauenem Kalksteinmauerwerk auf einer Beton-
unterlage hergestellt und in den Rinnen und auf den
Steigen mit 3 cm starkem, im Widerlager und Gewölbe,
sowie auf den Anssenflächen mit 1 — 2 starkem Rapp-
putz aus Vassy-Zement bekleidet. Am Widerlager sind
in Handhöhe auf den Fussteigen Handleisten aus ver-
zinktem Rundeisen zur Verhinderung des Abstürzens in
die Schmutzwasserrinne angebracht.
*) Verg]. Dtsch. Pztg. Jahvg. 1896 S. 641, 652-
•»*) Vergl. Dtsch. Bztg, Jahrg. 1898 S. 629.
***) Vergl. Dtsch. Bztg. Jahrg. 1902 S. 144.
Der Berechnung der Schmutzwasserrinne hat Beigrand
einen Regenfali von nur 6 Stunden mm. mit der weiteren
Einschränkung zugrunde gelegt, dass dieser Regen erst
in der dreifachen Zeit zum Abfluss in die Kanäle gelangt.
Es giebt dies eine Wassermenge von 5^/ßSi/iia. Beigrand
konnte mit einer so niedrigen Zahl rechnen, da ihm als
Aushilfe der ganze Kanalquerschnitt oberhalb der Fuss-
steige zur Verfügung stand.
Die Ueberfallschwelle der Nothauslässe liegt wenig
über den Fussteigen und wird in der Regel durch Damm-
balken atif 75 cm über den Steigen gehalten. Die Noth-
auslässe arbeiten nach den Berichten 8 bis lomal im Jahr
und meistens nur für kurze Zeit.
Auf der Pumpstation von Clichy wird das Wasser
der 3 westlichen Sammler durch 6 Kreiselpumpen mit
senkrechter Achse und 3,4 m Durchmesser theils auf 10 bis
II m Höhe nach dem Rieselfeld Gennevilliers, zum Weitaus
grösseren Theil aber nur auf 4 — 5 “Höhe in den grossen
Zuleitungskanal nach den neuen Rieselfeldern Achferes,
Möry-Pierrelaye und Carriöres gehoben. Die Pumpen
werden durch 4 liegende Farcot-Maschinen 3facher Ex-
pansion von je 250 P.S. und 2 kleinere Maschinen von
je 130 P.S. angetrieben.
Abbildg. 8 zeigt die Lage der Rieselfelder und den
W'eg des Zuleitungskanales, Abbildg. 9 den Längsschnitt
des letzteren. Die bis jetzt für die Berieselung einge-
richteten Felder umfassen eine Fläche von 5000 ha von
denen auf Gennevilliers 900 ha ^ Achöres 1000 ha ^ Mery-
Pierrelaye 2150 ha^ Carrieres 950 ha entfallen. Im Eigen-
thum der Stadt befinden sich in Achöres 1000 ha ^ Möry
166
No. 26.
520 Carrieres looba^ zus. 1620 iia; der Rest der Fiäche
gehört Privatbesitzern, die sich vertraglich zur Abnahme
von Rieselwasser verpflichtet haben.
Das Gesetz vom 4. April 1889 sieht eine bestimmte
Höchstbelastung von 40000 cbm für ba und Jahr = ii Tagesmm.
vor. Die Berieselung erfolgt im Wechselbetrieb, so dass
jede Fläche nur jeden 4. oder 5. Tag berieselt wird.
Die Vertheilungsrohre sinken von dem Durchmesser
der Hauptzubringer von 1,25 — i in Stufen von 20 und
10 cm bis auf 30 cm herab. Der Baustoff passt sich den
verschiedenen Druckverhältnissen an; es kommen guss-
eiserne, Beton-Eisenrohre mit innerer schwacher Blechhaut
und reine Betonrohre vor. Auf rd. 3,4 ba Fläche wird ein
Ausfluss gerechnet, der nicht als Schieber ausgebildet ist,
sondern aus einem 30 cm starken stehenden Rohr besteht,
das oben durch einen Teller geschlossen ist. Der Teller
kann durch eine Spindel fest gegen das Rohr gedrückt
werden; die Mutter der Spindel sitzt in einem am Rohr
angebrachten Bügel. Bei einigen Auslässen wird der
Teller nicht durch die Spindel, sondern durch ein an einem
einarmigen Hebel wirkendes Gewicht nach Art der Sicher
heitsventile der Dampfkessel angepresst, so dass sie sich bei
einem gewissen Innendruck selbstthätig öffnen. Diese Aus-
lässe übernehmen somit die Aufgabe unserer Standrohre
und verhindern einen Ueberdruck in den Leitungen.
Die Pariser Felder sind nicht in unserem Sinne drainirt,
d. h. mit einem Netz von engen, dicht bei einander liegen-
den Quer- und Längsdrains versehen; es sind vielmehr
nur Hauptentwässerungsgräben und Drainleitungen grösse-
ren Durchmessers geschaffen, denen das Wasser der an-
stossenden Flächen mit dem Gefälle des durch die Beriese-
lung erhöhten Grundwasserspiegels zufliesst. Die Drain-
rohr-Leitungen bestehen aus 30—45 cm starken, mit Löchern
versehenen Betonrohren von 4,5 cm Wandstärke.
Es verbleibt nunmehr nur noch, den Zuleitungskanal
zu den neuen Rieselfeldern zu beschreiben, der in den
Jahren 1893—99 von Bechmann und Launay geschaffen
wurde und der eine Fülle technisch beachtenswerther
Einzelheiten bietet (vgl. Abbildgn. 8 und 9). Er hat eine
Gesammtlänge von 28 km und zerfällt in die 2 Hauptstrecken
von Clichy bis Colombes und von Colombes bis Triel.
Auf der Pumpstation von Clichy wird das Wasser 4—5"^
gehoben, welche Höhe ausreicht, um es durch den Seine-
Ducker bei Clichy in eine Leitung zu heben, die mit freiem
Gefälle quer über die Halbinsel Gennevilliers fort zur
Pumpstation in Colombes führt. Hier findet eine aber-
malige Hebung statt und zwar diesmal um 36“, die zur
Ersteigung des steilen Abhanges am rechten Seineufer
bei Argenteuil erforderlich sind. Die erstiegene Höhe
reicht aus, um die Leitung mit freiem Gefälle weiter zu
führen. Nach Unterdückerung der Oise und Durchfahrung
des l’Hautie-Hügels endet sie jetzt bei Triel am rechten
Seineufer; für später ist eine Fortsetzung auf das linke
Seineufer bis les Mureaux in Aussicht genommen. Von
der Hauptleitung zweigen 3 Seitenarme ab; der erste bei
Herblay zur Speisung vonAchöres, der zweite für Pierrelaye
und der dritte in Cnanteloup für Carriöres. In Pierrelaye
ist ferner eine dritte Pumpstation erforderlich, um das
Wasser auf das hoch gelegene Plateau von Möry zu heben.
Der Zuleitungskanal ist für eine Leistung von 9,75 Sek./cb*n
berechnet, während sich der augenblickliche Bedarf auf nur
etwaö, 4 Sek./cbm beläuft. DieDruckrohre sind auf die eigent
liehen Druckstrecken beschränkt und in der Nähe der Ort-
schaften zur Verhinderung von Ueberschwemmungen bei
Undichtigkeiten und Rohrbrüchen in besondere Tunnel
gelegt. Das Gefälle auf den freien Gefällstrecken beträgt
V2 *^/oo‘ stets kreisförmige Querschnitt wechselt je
nach den Verhältnissen des Längsschnittes. Er hat 3111
Durchmesser auf den freien Gefällstrecken, bei welcher
Grösse der Querschnitt bei obiger Leistung bis zu V4 der
Höhe gefüllt wird. Als Druckrohr hat er im Clichy-Dücker
2,3 m lichte Weite; auf der Druckrohrbrücke von Argenteuil
liegen 4 je i,i m starke Rohre, auf dem Abhang von Argenteuil
2 je 1,8“ weite Rohre, bei der Durchquerung des Thaies
vonChenneviöres und der Oise nur ein Rohr von 2°iStärke.
Auf der Ebene von Conflans endlich sind auf Anordnung
des Generalstabes aus strategischen Gründen anstelle des
einen 3“ weiten Kanales zwei Kanäle von 2“ Weite vor-
gesehen, deren Sohlengefälle zur Erzielung der erforder-
lichen Leistung auf 0,95 O/qq erhöht ist.
Der Clichy-Dücker war das Vorbild des bereits be-
schriebenen Dückers an der Concordien- Brücke. Von
einem 24 tiefen, 3,5 ™ im Lichten weiten Schacht auf
dem rechten Seineufer aus wurde er auf 463 “ Länge in
15,8 “ Tiefe unter dem Seinespiegel mittels Pressluft unter
Verwendung des Greathead-Schildes nach dem linken Ufer
vorgetrieben. Seine Wandung besteht aus einzelnen, 50cm
breiten, 25““! starken gusseisernen Ringstücken von 2,5 m
Aussen-Durchmesser mit 100 langen Innenflanschen,
29. März 1902.
an denen die Verbolzung der einzelnen Ringe stattfindet.
Jeder Ring besteht wieder aus 5 mit Innenflanschen ver-
sehenen Kreisabschnitten und einem Passtück. Der Raum
zwischen den Flanschen wird auf 75 ““ Stärke mit Zement
ausgefüllt, so dass die Lichtweite 2,3“ beträgt.
Die freien Gefälleitungen von 2 und 3“ lichter Weite
werden auf den Strecken mit offener Baugrube in Kalk-
stein-Mauerwerk in Zementmörtel, auf den Tunnelstrecken
in Beton-Mauerwerk hergestellt. Auf letzteren Strecken
war die Wandstärke durchweg 30 auf ersteren die
Scheitelstärke 27 — 30, die Widerlagsstärke 33, die Sohl-
stärke 35 cm. Die Sohlbreite schwankte je nach den Unter-
grund-Verhältnissen zwischen 2 und 3,76“. Der für das
Kalkstein-Mauerwerk benutzte Mörtel hatte auf i cbm Sand
300 kg Zement; der Beton der Tunnelstrecken bestand aus
3 Theilen Kies und 2 Theilen Mörtel von 400 kg Zement
auf I cbm. Aussen und innen wurden die Kanäle mit einem
3 cm starken Rapputz versehen. Für die Aussenflächen
hatte der Mörtel 400 kg, für die Innenflächen im Gewölbe
900 kg Vassy Zement, für Widerlager und Sohle 650 kg
Portland-Zement auf 1 cbm gesiebten Sand.
Die 1,10“ starken Druckrohre auf der Brücke von
Argenteuil sind aus 6“ langen Rohren aus genieteten;
xomm starken Stahlblechen hergestellt, die durch den in
Abbildg. 10 dargestellten Gibaultstoss mit einander ver-
bunden werden, bei dem zwei Ringe winkelförmigen
Querschnitts durch 30 Schraubenbolzen zwei Gummiringe
fest gegen die Stirnenden eines den Stoss deckenden, aus
zusammengeschweisstem Stahlblech angefertigten Ueber-
schiebers pressen.
Auf dem steilen Ufer von Argenteuil liegen zwei 1,8“
weite Rohre in einem elliptischen Tunnel von 5, 16“ Weite
und 3,34“ Höhe (Abbildg. ii). Die Rohre sind in der
unteren, dem stärkeren Druck ausgesetzten Strecke wieder
6“ lange Stahlrohre mit dem Stoss der Firma Charles
Gibault & Co. in Paris, in der oberen aber mit Eisen ver-
stärkte Zeraentrohre nach der Anordnung von Aime Bona.
Derselbe verwendet kreuzförmige Formeisen von 40/22““
und 3.5““ Stärke in den Querlagen, solche von 20/14““
und 3 mm Stärke in den Längslagen. Die Länge der Rohre
betrug 2,5“, die Deckung der Stösse erfolgt durch Ueber-
schieber derselben Ausführung. Die Wandstärke war loc“
und die Maschen weite der Eiseneinlage schwankte je nach
der Belastung zwischen 05 und 204““.
Der Tunnel selbst ist in äusserst kühner Weise eben-
falls in Beton-Eisenkonstruktion, aber in der Ausführungs-
weise Coignet hergestellt, .bei dem die Eiseneinlagen aus
Rundeisen bestehen. Die Querstäbe von 16““ Stärke
stehen unten in im Widerlager eingebetteten U-Eisen; die
Längsstäbe von 8““ Stärke liegen im Widerlager auf der
inneren, im Gewölbe auf der äusseren Seite der Quer-
stäbe. Die Maschenweite beträgt ri cm, die Wandstärke
nur 8 cm. Der im Gewölbe verwandte Mörtel hat die
Mischung 900 kg Vassy-Zement auf i cbm gesiebten Sand,
derjenige im Widerlager eine solche von 600 kg Portland-
Zement auf I cbm Sand.
Nach derselben Bauweise ist auch eine 561“ lange
Strecke der freien Gefälleitung von 3“ lichter Weite auf
der Höhe von Argenteuil hergestellt, die zumtheil im Auf-
trag liegt. Die Stärke der Rundeisen beträgt hier durch-
weg 8““, die Masnhenweite wieder II cm, die Wandstärke
einschliesslich des Rapputzes 9 cm; die Mörtelmischung ent-
hält 450 kg auf I cbm Sand, Das Rohr wiegt nur iVm. In
Abständen von 4,2“ wird es in der in Abbildg 12 gezeig-
ten Weise durch schuhähnliche Rippen gestützt, die bis
zum Kämpfer reichen.
Der Dücker von Chenneviöres ist ebenfalls in Beton-
Eisenkonstruktion unter Verwendung von Querstäben n- und
T-förmigen Querschnitts hergestellt. Der Oisedücker, der
15 m unter dem Oise-Spiegel liegt, ist vollständig dem Clichy-
Dücker nachgebildet, während der 2“ weite Dücker von
Maurecourt aus den in der Abbildg. 13 dargestellten guss-
eisernen Rohren der Bauweise Jacquemart besteht, bei
dem das 4“ lange Rohr ausser an der Muffe noch an
5 Stellen mit Verstärkungswulsten versehen ist (tuyeaux
en fonte frettee), deren nutenförmige Aussparungen mit
ausgeglühtem, 6““ starken Stahldraht fest umwickelt
werden. Die Drahtumwicklungen erhöhen die Wider-
standsfähigkeit des Rohres gegen Bruch, verhindern ein
Auseinanderfallen der Rohrstücke bei einem Bruch und
vermindern dadurch in solchem Falle die Bodenausspü-
lungen. Die Rohre werden von der Socidtö d’Aubrives
et Villerupt hergestellt. —
Der zur Verfügung stehende Raum erlaubt es nicht,
auf weitere Einzelheiten einzugehen. Wie die vorstehende
Darstellung zeigt, ist das grosse Werk der Pariser Kanali-
sation im wesentlichen vollendet Was noch fehlt, ist die
Ausnutzung der geschaffenen Einrichtungen, die Durch-
führung des Anschlusses von noch fast 80% sämmtlicher
167
Grundstücke und damit die endliche Verwirklichung des hatte. Den Ingenieuren der Stadt Paris wird es für immer
„Tout ä l’ögout", das der Schlachtruf gewesen ist in dem zum Ruhme gereichen, dass sie in diesem Kampfe als Führer
langen Kampfe, den die von richtigen hygienischen Ge- an erster Stelle standen, ebenso wie die von ihnen geschaffe-
sichtspunkten geleitete Stadtverwaltung gegen die Vor- nen technischen Lösungen der gestellten Aufgaben immer
eingenommenheit breiter Bevölkerungsschichten zu führen als Musterleistungen der Ingenieurkunst gelten werden. —
Vermischtes.
Technisch vorgebildete Verwaltungs-Beamte. In der
bayerischen Abgeordnetenkammer wurden kürzlich bei
der Berathung des Etats für das k. Staatsministerium des
Inneren Klagen vorgebracht über die zu geringe Vor-
bildung der Verwaltungs-Beamten in wirthschaftlichen
Dingen und betont, dass diese Beamten vielen zu ihrem
Wirkungskreise gehörigen Dienstaufgaben fremd gegen-
überstünden. Auf diese Angriffe erwiderte der Minister,
dass es heutzutage unmöglich sei, den Verwaltungs-Beamten
in allen den Zweigen auszubilden, mit denen er in der
Praxis zu thun habe, und fügte hinzu, dass, wenn man dies
thun wollte, der Beamte dabei so alt werden würde, dass
er bald nach seiner Anstellung pensionirt werden müsste.
Diese Ausführungen hat ein Abgeordneter schlagfertig
widerlegt mit dem Hinweise, dass die Landleute keine
Versuchsobjekte sein dürften für unzeitgemäss vorge-
bildete Beamte. Er wünsche für diese Beamten eine
technische Vorbildung, da der Schwerpunkt ihrer Thätig-
keit auf technisch -wirthschaftlichem Gebiete liege und
befinde sich mit dieser Ansicht in Uebereinstimmung mit
dem k. Universitäts-Professor Mayer in Würzburg, welcher
den Polizei-Beamten ebenfalls durch einen technisch vor-
gebildeten Beamten ersetzt wissen möchte.
Der Schwerpunkt der Thätigkeit des Verwaltungs
Beamten erstreckt sich auf die Ausführung bezw. Unter-
haltung von Hochbauten, Strassenbauten, Wasserleitungen,
von Wasserbauten, Kanalisations-Anlagen, Brunnenanlagen,
von Ent- und Bewässerung von Ländereien, Obstbaumzucht,
Viehzucht, Landwirthschaft im engeren Sinne, Beleuchtungs-
und Feuerungs-Anlagen u. dergl. m. Nun ist aber der
heutige Beamte mit seiner nur juristischen Vorbildung
nicht imstande, derartige Aufgaben und Fragen zu bear-
beiten oder der Bevölkerung Aufschlüsse darüber zu er-
theilen. Die Bevölkerung fühlt es, dass der Beamte für
ihre Bedürfnisse und Wünsche nicht volles Verständniss be-
sitzt und hält deshalb vielfach mit Neuerungen und Verbesse-
rungen zurück. Der Verwaltungs-Beamte sollte der Vater
seines Bezirkes sein und nicht blos den Wünschen der
Bevölkerung nachkomraen können, sondern Neuerungen
und Verbesserungen selbst anregen und der Bevölkerung
in dieser Hinsicht mit Rath und That an die Hand gehen.
Bei seiner jetzigen Ausbildung ist er dazu bei dem besten
Willen nicht imstande. Dieser Misstand Hesse sich auf
einfache Weise beseitigen. Es wäre nur nothwendig, statt
lauter juristisch vorgebildete Beamte vielleicht die Hälfte
derselben als ingenieur-technisch vorgebildete anzustellen.
Jedes Bezirksamt hat mindestens zwei Beamte für den
höheren Dienst und es könnte daher leicht einer derselben
technisch vorgebildet sein. Eine wesentliche Verminderung
der Vielschreiberei und eine einfache Geschäftsabwicklung
würden die Folge sein. Beide Beamte zusammen würden
alle Dienstaufgaben des Bezirkes beherrschen.
Als zweckmässigste technische Vorbildung für den
Verwaltungs-Beamten würde die eines Kultur-Ingenieurs
erachtet, welcher leicht die wenigen juristischen Kennt-
nisse, die er braucht, sich an der Hochschule und in der
Praxis dazu erwerben könnte. Nur nebenbei sei bemerkt,
dass bei Einführung dieser Neuerung eine nennenswerthe
Zahl von Beamten erspart werden könnte. — X.
Die Fenersicherheit der Balkendecken In Wohn- und
Geschäftsräumen kann dadurch erheblich gesteigert wer-
den, dass der übliche, leicht verbrennliche Rohrdecken-
putz auf Schaalbrettern durch eine feuersichere, bei
einem Brande haltbare Deckenbekleidung ersetzt wird.
In dieser Hinsicht scheinen die Hrn. Reg.-Bmstr. See-
mann in Berlin N.W. 23 ges. gesch. Hartgipsplatten mit
haibeingegossenem Wellendrahtgewebe, welche auf der
gerauhten Unterseite überputzt werden, einen Fortschritt
herbeizuführen, da bei ihrer Befestigung an den Balken
zwischen Platten und Balken ein freier, durch das Wellen-
drahtgewebe begrenzter Luftraum verbleibt. Dieser Luft-
raum erschwert von unten her die Uebertragung der
Feuersgluth auf die Balken und auch die Uebertragung
des Schalles. —
Neuerung an Klosets. , Eine Neuerung, welche die
Firma Wippermann & Holzer in Dortmund auf den
Markt bringt, betrifft ein Kloset, welches nach der
Angabe der Firma durch die Art seiner Konstruktion
durch Frost nicht zerstört werden kann und den Namen
Westfaiia frostfrei erhalten hat. Strenge • Kälte ist
der grösste Feind aller Klosets aus Porzellan, Steingut
oder auch aus Eisen; denn stehen solche nicht in geheizten
oder angewärmten Räumen, so gefriert das in dem Ein-
laufstutzen oder in dem Rande stehen bleibende Wasser
und das sich bildende Eis zerstört den Klosetkörper. Ein
Ersatz des letzteren ist störend und mit Kosten verknüpft.
Bei dem Kloset Westfaiia frostfrei soll dieser Misstand
dadurch vermieden sein, dass das Wasser mittels eines
Einlauf-T-Stückes aus Messing eingeführt und durch ein
besonders eingelegtes elastisches Spülrohr auf der inneren
Klosetwand vertheilt wird. Ein Entzweifrieren des Ein-
laufes des Spülrohres oder des Klosets ist hierbei ausge-
schlossen. Dabei ist dieses Kloset kaum theurer, wie die
bis jetzt im Gebrauch gewesenen. —
Preisbewerbungen.
Ein Preisausschreiben betr. eine Vorspann-Maschine
mit Spiritusmotor erlassen die preussischen Ministerien
des Krieges und der Landwirthschaft und setzen 3 Preise
von 10000, 5000 und 2500 M. aus. Die Bereitstellung der
Fahrzeuge zur Prüfung hat zum i. Febr. 1903 zu erfolgen.
Die Maschine, deren Gesammtgewicht einschl. Bemannung
und allem Zubehör 7500 nicht übersteigen darf, soll auf
guten Strassen mit nicht über 1 : 10 Steigung imstande sein,
eine Brutlolast von 15 000 kg’ mit einer mittleren Ge-
schwindigkeit von 5 km in der Stunde täglich 70 km weit
zu schleppen. Bezüglich des Betriebsstoffes ist Bedin-
gung, dass der Motor in erster Linie mit Spiritus gleich-
massig und wirthschaftlich arbeitet und stets sofortige
Betriebsbereitschaft besitzt. Es ist beabsichtigt, nicht preis-
gekrönte Fahrzeuge zu dem von der bez. Firma angege-
benen Preise zu erwerben.
Ein Preisausschreiben zur Erlangung von Ent’würfen
für ein städt. Hallen-Schwimmbad in Pforzheim erlässt der
Oberbürgermeister mit Frist zum i. Aug. 1902. Es ge-
langen 3 Preise von 3000, 2000 und 1000 M. zur Verthei-
lung. Dem Preisgericht gehören ausser Hrn. Ob.-Brgrrastr.
Habermehl in Pforzheim an die Hrn. Ob.-Brth. Prof.
Dr. O. Warth und Ob.-Brth. Stolz in Karlsruhe, Prof.
K. Hocheder in München und Stdtbmstr. Kern in
Pforzheim. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. H. K. in Bremen. Vorausgesetzt, dass der Lehm
nicht auf einer Rutschfläche liegt, so dass er in Bewegung gerathen
kann, würden wir ihn als Baugrund höher bewerthen, als Baugrund,
der aus einer Aufschüttung von Bauschutt besteht. Denn der Lehm
ist im Vergleich zu Schutt immer als sogen, reiner Boden anzu-
sehen, dem im gesundheitlichen Sinne der Vorzug zukommt.
Bei niedriger Lage hat der gewachsene Lehmboden auch darin
einen Vorzug, dass er weniger leicht Wasser aufnimmt, als aufge-
schütteter Boden, daher dem zu errichtenden Gebäude die grössere
Sicherheit gegen Feuchtigkeit gewährt. Muss ein Hausbruniieu an-
gelegt werden, so ist derselbe, wenn die obere Bodenschicht aus
Lehm besteht, besser gegen Zutritt von Auslaugungen und Schmutz
gesichert, als in dem Falle, dass der Brunnen eine Schicht aus
Bauschutt durchfahren muss. —
Hrn. Arch. F. St. in Bernburg. Wenn der Baugi'und aus auf-
gefüllten Massen besteht, die also jedenfalls nur mit geringem Druck
belastet werden dürften, ist eine Sandschüttung im vorliegenden
Falle kaum am Platze. Richtiger würde es hier sein, das Gebäude
auf einzelne Pfeiler mit Erdbögen zu stellen, welch’ erstere bis
zum guten Baugrund herabzuführen wären. Bei gleichmässigem,
aber nicht genügend tragfähigem Untergrund hat sich die Anwen-
dung einer Sandschicht im übrigen sehr gut bewährt. Zu ihrer Be-
rechnung ist zunächst die Sohlenbreite zu bestimmen aus der für
den Untergrund noch zulässigen Belastung. Dann bestimmt sich
die Höhe der Sandsclncht (gew. i — 2 m) aus der Annahme, dass
sich der Druck von der Mauersohle aus im Trocknen etwa unter
einem Winkel von 40° gegen die Senkrechte nach beiden Seiten
vertheilt und unter 24® unter Wasser.
Ihre 2. Anfrage würde die Abgabe eines Gutachtens, Auf-
stellung einer Taxe bedingen, eine Arbeit, die durch den Brief-
kasten nicht erledigt werden kann. —
Inhalt: Berliner Neubauten. No. 102. Die Umwandlung und die Neu-
bauten des Zoologisclien Gartens (Fortsetzung). — Von der Industrie- und
Kunstausstellung in Düsseldorf 1902. II. — Die Kanalisation von Paris
(Schluss.) — Vermischtes. — Preisbewerbuegen. — Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage; Das neue Straussenhaus im
Zoologischen Garten zu Berlin.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmanu, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
168
No. 26.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 27. Berlin, den 2. April 1902.
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902.
..u Tij. jii Stellung, Abbildg. 2 in No. 26). Es ist so vor dem Ge-
II. Vorgeschichte Bedeutung und allgemeine bände eine grosle Platzanlage von etwa 15000?» Fläche
Anordnung der Ausstellung. (Schluss.) geschaffen, luf der sich bei besonderen Veranstaltungen
Sie Gesammtanordnung der Baulichkeiten war durch eine Menschenmenge bis zu 25000 Personen aufstellen kann,
die Lage, Form und Ilöhengestaltung des gewählten Die Mitte dieses Platzes nimmt ein Wasserbecken ein,
' Geländes in gewisser Bezi^ung gegeben. Da der das eine grosse Zahl von Fontainen, die sich bis zu 20
Aussteliungsplatz sich in einer Länge von mehr als 1,5 Höhe steigern, enthalten soll. Ursprünglich war von dem
bei nur etwa 250™ mittlerer Breite längs des Rheinufers Architekten Thielen eine noch viel grossartigere Anlage von
erstreckt, so ergab sich naturgemäss die Anordnung, dass 2Wasserbecken geplant, deren oberes, ähnlich dem Chäteau
sich die Bauten in langer Reihe längs des Rheines hin- d’eau der letzten Pariser Weltausstellung, sich unmittelbar
der Mitte des Hauptge-
bäudes vorlagem und sei-
ne Wassermassen dann
unterirdisch an das zweite,
tiefere Becken abgeben
sollte. Die Schwierigkeit
der Wasserbeschaffung
un d dieKostenfrage brach-
ten diesen PlanzumSchei-
tern. Trotzdem soll die
ausgeführteAnlage, deren
Fontänen in wechselndem
Licht erstrahlen werden,
alles an Grossartigkeit
übertreffen, was bisher in
Deutschland an ähnlichen
Ausführungen geleistet
worden ist. — Einschliess-
lich des Hauptgebäudes,
das noch durch zwei Er-
weiterungs-Hallen (siehe
den Plan) mit je 3400 q«“
und schliessl. noch durch
eine dritte kleinere Halle
ergänzt wird, sind imgan-
zen 93 Einzelpavillons für
Aussteilungszwecke er-
richtet, die zusammen et-
wa 99000 qm Grundfläche
bedecken.
Von den Einzelbauten,
die von Privaten bezw.
Behörden ausgeführt sind,
ist das Gebäude des Ver-
eins für bergbauliche
Interessen für den
Ober • Bergamts - Be-
zirk Dortmund mit rd.
6400 q“ Grundfläche das
bedeutendste. Ihm reihen
sich an die Bauten von
Krupp (3400 q®),derG Ute
Hoffnungshütte in Ge-
meinschaft mit der Deut-
zerMaschinen-Fabrik
(3500 q™), des Hörder
Bergwerks - Vereins , des
Bochumer Vereins, der
Vereinigten W^gon-
undLokomotiv-Fabri-
ken, Düsseldorf (6000 q«),
derDüsseldorf erHand-
werkskammer u. a. m.
Während die Industrie-
hallen der Ausstellungs-
Verwaltung grösstentheils
in Holz mitEisen-Verstär-
Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens ln Berlin. kungen hergestcllt sind,
® smd die vorgenannten
Baulichkeiten meist ganz
ziehen, letzterem ilire ocnauseite zuKehrend. .Dieterrassen- in Eisen erstellt worden. In Eisen ausgeführt ist auch die
förmige Gestalt des Geländes, das 2 Stufen auf -{- 6 bezw. grosse Maschinenhalle, deren Bauplatz sich aus dem Aus-
-f- 9 ™ D. P. aufweist, gestattete dabei einen wirkungsvollen stellnngsgelände heraus östlich in die Stadt einschiebt. Die
Aufbau in der Weise, dass die Hauptbauten auf dem bebaute Fläche dieser Halle mit allen ihren Nebenanlagen
hinteren höheren Streifen errichtet sind, die anderen kommt auf 14 500 q®, die Kosten der vom Unternehmer
sich, ohne sie ganz zu verdecken, ihnen vorlagern. Vor nur vorgehaltenen Halle stellen sich auf 600 000 M. Hier
dem Hauptausstellungs-Gebäude, das mit allen nachträg- werden auch die Maschinen für den Kraft- und Licht-
lichen Anbauten 28 000 q™ Fläche bedeckt und mit einem verbrauch, annähernd je 6000 P.S., aufgestellt. Ein 17
Kostenaufwande von 1,2 Mill. M. aufgeführt wird, ist da- langes unterirdisches Kabelnetz vertheilt von hier die
bei der vordere Streifen ganz frei gehalten und nach dem elektrische Energie nach den verschiedenen Verwendungs-
Ufer zu allmählich abgedacht (vergl. den Plan der Aus- stellen des Ausstellungsplatzes.
169
Ausser den Baulichkeiten, welche den eigentlichen
Ausstellungszwecken dienen, und abgesehen von dem
schon besonders geschilderten dauernden Kunstpalast*),
sind noch diejenigen zu erwähnen, welche dem Vergnügen
und der leiblichen Erfrischung geweiht sind. Die ersteren
sind bereits kurz bezeichnet worden. Von den letzteren
sind 2 Gebäude, das Haupt-Bierrestaurant, das gleichzeitig
als Fest- und Konzerthalle dient und 2800 q™ Flächeninhalt
besitzt, und das Haupt-Weinrestaurant mit 1900 q™ Grund-
fläche von der Ausstellungs-Verwaltung selbst errichtet.
Beide sind ebenfalls im wesentlichen als Holzbauten, das
erstere mit bedeutender Spannweite des Daches über dem
Hauptraura, erstellt und zur Rechten und Linken der
Industriehalle nach dem Rheinufer vorgeschoben. Um
sie wirkungsvoller in die Erscheinung treten zu lassen,
ist das auf -j- 9“^ D.P. liegende Gelände hier soweit nach
dem Rhein vorgezogen, dass diese Bauten noch in hoher
Lage hergestellt werden konnten, sodass man die freie Aus-
sicht auf den hier zwar der landschaftlichen Reize entbeh-
renden, aber durch seine rastlos dahinströmenden Wasser-
massen doch Eindruck machenden und durch seinen Ver-
kehr fesselnden Rheinstrom geniesst. Abgesehen von den
in anderen Gebäuden mit untergebrachten Erfrischungs-
räumen sind nicht weniger als 23 Cafes und Restaurationen
verschiedenster Art ausgeführt, in den mannichfachsten
Formen theils alte Bauten nachahmend, theils in neuesten
Stilformen gebildet. Sie gruppiren sich theils um den
Mittelplatz vor dem Hauptgebäude, theils sind sie über
das ganze Ausstellungsfeld zerstreut.
Ausser den Baulichkeiten galt es noch, Verkehrsanlagen
innerhalb des Ausstellungsplatzes zu schaffen und auf dem
bisher wüsten, baumlosen Gelände Gartenanlagen entstehen
zu lassen, Bäume anzupfianzen, um den Besuchern auf
dem langen Wege längs des Rheinufers, der im Sonnen-
brände nicht zu den besonderen Annehmlichkeiten gehört
haben würde, Schatten zu spenden.
Die Weganlage war wiederum gegeben durch das
Gelände. Ein grosser Hauptweg durchzieht die Anlage
nach ihrer ganzen Länge, und von ihm zweigen sich die
Querwege ab. Aus dieser Hauptstrasse ist in ihrem ganzen
südlichen Theile bis zum Hauptausstellungs-Gebäude eine
4reihige Allee geschaffen, aus Bäumen, die zumtheil
weither herangeholt und auf das sorgfältigste verpflanzt
werden mussten. Hier und an den beiden Hauptrestau-
rations-Gebäuden sind etwa 400 z. Th. schon recht statt-
liche Ulmen, Linden, Kastanien eingesetzt worden. Wie
schon erwähnt wurde, ist ausserdem ein Theil des Hof-
gartens mit seinem schönen, alten Baumbestände mit in
das Ausstellungs - Gelände einbezogen und, abgesehen
von kleinen Einbauten, ganz der Erholung bezw. dem
Sport gewidmet.
Zur Heranschaffung der Materialien während ' des
Baues und der An- und Abfuhr der Ausstellungs-Gegenstände
ist ein Gleisanschluss von den südlichen Rheinwerften her
(also bis zum Rheinhafen führend) hergestellt worden. Von
hier verzweigen sich dann die eingepflasterten Gleise
durch das ganze Feld nach den einzelnen Bauten hin.
Schliesslich ist noch der Verkehrs-Erleichterungen für
die Ausstellungsbesucher zu gedenken. Sie bestehen in
der Anlage einer mit Akkumulatoren betriebenen, normal-
spurigen elektrischen Rundbahn, zu welcher die Ges.
Helios in Köln die Wagen, Gottfr. Hagen in Kalk die
Akkumulatoren stellt. Linienführung und Haltestellen sind
aus dem Ausstellungsplan ersichtlich.
Selbstverständlich ist das Ausstellungsgelände ange-
schlossen an die städtische Kanalisation , an Gas- und
Wasserleitung. Letztere liefert das Trink- und Wirth-
schaftswasser, während für technische Zwecke eine Pump-
station am Rhein errichtet ist. Die Beleuchtung des Ge-
ländes selbst ist elektrisch. Es sind 1000 Bogenlampen
und 40000 Glühlampen für die Platz- und Illuminations-
Beleuchtung vorgesehen. Ein Hauptstück letzterer Be-
leuchtung wird die Rheinbrücke werden, die an festlichen
Abenden im Glanze von 2500 Glühlampen in ihren Um-
risslinien erstrahlen soll. — ir i?
Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes.
'eher die Frage des Umbaues des Stuttgarter Haupt-
bahnhofes, die schon seit Jahren eine brennende
geworden ist, scheint, nach den Stuttgarter Tages-
blättern, eine vorläufige Entscheidung dahin gefallen zu sein,
dass es, entgegen anderen fachmännischen Stimmen, die
dafür eintraten, die jetzigeKopfstation aufzugeben und unter
Hinausrückung der gesummten Bahnanlagen um etwa
600“ eine Durchgangs -Station zu schaffen, vorgezogen
wurde, den Bahnhof als Kopfstation an seiner jetzigen
Stelie zu belassen und hier die baulichen Umgestaltungen vor-
zunehmen, die den Betriebs-Bedürfnissen der Gegenwart
und der nächsten Zukunft entsprechen. Die General-
Direktion der Staatseisenbahnen hat mit der Aufstellung
der vorläufigen Entwürfe die Hrn, Baudir, vOn Fuchs
und Prof. H. Jassoy betraut. Nach deren 'Entwurf soll
der Haupteingang wie bisher unmittelbar an die Schloss-
strasse zu liegen kommen; an ihn reihen sich die Warte-
räume usw. an; von diesen gelangt man nach dem Verbilde
des Frankfurter Bahnhofes auf einen über die ganze Breite
der Gleishallen sich hinziehenden Querbahnsteig, an den
sich Bahnsteige für die verschiedenen Fahrrichtungen und
besondere Gepäckbahnsteige anschliessen. An die Steile
der jetzigen beiden Gleisnallen und des Mittelbaues mit
den Wartesälen würde eine dreitheilige Halle mit I4(bisher8)
Gleisen treten. Gegen die Friedrichs- und die Königsstrasse
sind Ausgänge vorgesehen mit Droschken-Aufstellplätzen.
Der Bahnhof soll wcmlKopfbahnhof bleiben, jedoch sollen die
Gleisverbindungen den Durchlauf ganzer Züge und einzelner
Wagen nach ahen Richtungen und mit geringstem Zeit-
aufwand ermöglichen.
Der Gedanke der Schaffung eines Durchgangs-
Bahnhofes wurde von dem Ing. Alb. Sprickerhof in
Gemeinschaft mit den Architekten Lambert & Stahl,
sämmtiieh in Stuttgart, vertreten. Unter Anpassung an
die jetzigen Einfahrten ist der neue Bahnhof auf den Ge-
länden der Zuckerfabrik, des Zollamtes und eines kleinen
Theiles der Reiter-Kaserne geplant; das Bahnhof-Gelände
würde eine Länge von etwa 1100™ erhalten und es würde
auf den Bahnhof eine breite Zufahrtsstrasse führen. An
seinem nordöstlichen Ende, in der Nähe der unteren
Wolframstrasse, münden die von Cannstatt kommenden
Züge in einer Höhe ein, welche etwa 5,5“ über dieser
Strasse liegt. Am südwestlichen Ende der Bahnhofhalle
verlassen die durchgehenden Züge die Halle auf den nach
Ludwigsburg und Böblingen führenden Gleisen, die etwa
*) Vergl. No. 22, Seite 141.
7 “ tiefer als die Bahnhofstrasse liegen. Diese Gleise
werden zunächst durch einen etwa 960 bezw. 1400'“ langen
Tunnel geführt, in einem Bogen von 350“ Halbmesser,
welcher den Güterbahnhof, die gegenwärtigen Gleise der
von Böblingen und Ludwigsburg k^ommenden Linien, die
Strassen und schliesslich den Kriegsberg selbst unterfährt.
Am Tunnelausgang in der oberen Bahnhofstrasse wird
der 6“ tiefer liegende Güterbahnhof, mittels eines 150“
langen Viaduktes überschritten und unmittelbar darauf
werden diese beiden neuen Linien oberhalb der Wolfram-
strasse mit den bestehenden Böblinger und Ludwigsburger
Gleisen verbunden. Gegen .den genannten Tunnel richten
sich die Bedenken der Gegner des Sprickerhof sehen
Planes. Sie befürchten Betriebserschwerungen und Ge-
fährdungen durch den Steinköhlenrauch der Lokomotiven,'
der eine Beleuchtung der Tunnelstrecke erschwere, welche'
Einwände Sprickerhof durch den Hinweis auf andere
Tunnelanlagen sowie auf die Möglichkeit des elektrischen:
Betriebes zu entkräften sucht. Als besonderer Vorzug des
geschwungenen Tunnels wird bezeichnet, dass er eine Thei-
lung der Stadt durch seine unterirdische Führung vermeide.
In grossen Abmessungen ist der Personen-Bahnhof ge-
dacht ; seine Fassadeliegt in einer Linie mit der neuen Bahn-'
hof-Zufahrtstrasse. In der Mitte erhebt sich ein Kuppelbau,
flankirt von zwei hohen Seitenthürmen, die romanische An-
klänge zeigen. Das Gebäude selbst enthält drei grosse Ein-
gangshallen, Wartesäle usw. Die beiden Restaurationssäle)
r.undll. Klasse, sowie III.Klasse, liegen links und rechts vom'
Haupteingang, zwischen beiden dieWirthschaftsführung. Die'
erste, dem heutigen Bahnhof nächste Eingangshalle ist'
dem Nahverkehr gewidmet, die untere dem Fernverkehr.
Beide Hallen sind durch breite Quersteige verbunden,
die sich auf gleicher Höhe wie Strasse und Wartesäle be-
finden. Die Bahngleise liegen 6“ tiefer. Zu ihnen und
zu den dazu gehörigen Bahnsteigen führen 5“ hohe Treppen
herab, die von dem Quersteige herabgehen. Diese sämmt-
liche Bahnsteige verbindenden Quersteige sind nach dem
Vorbilde des neuen Hamburger Zentral-Bahnhofes mit
dem Zwecke geplant, eine Uebersicht über die tiefer
liegenden Gleise und Bahnsteige der Halle zu gewinnen,
so dass eine leichte Zurechtweisung der Reisenden möglich
ist. Die Quersteige sind dem Publikum noch frei zu-
gänglich; von dem Abstiege zu den tieferliegenden Bahn-
steigen beginnt die Bahnsteigsperre. Auf dem Gelände
des Bahnhofes sind ein eigener Zugang für den könig-
lichen Hof, sowie ein neues Postgebäude geplant. Die
Kosten sind mit rd. 31 Mill. M. geschätzt, von welchen
No. 27.
170
jedoch ein grosser Theü aus dem frei werdenden jetzigen
Bahngelände erhofft wird.
Es lässt sich nicht leugnen, dass mit diesem weit-
gehenden Plane ungleich günstigere Betriebsverhältnisse
erzielt werden können, als mit der Wiederanlage einer
Kopfstation auf dem alten Gelände, welche allerdings
eine möglichste Schonung der bestehenden wirthschaft-
lichen und städtischen Verkehrs-Verhältnisse gestattet. Denn
es spielt, wie in zahlreichen anderen Städten so auch hier,
die Verschiebung der wirthschaftlichen Werthe durch
Verlegung des Bahnhofes eine so bedeutende Rolle, dass
sie sorgfältig mit in Erwägung gezogen werden muss. —
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch - u. Ing.-Verein zu Wiesbaden. Die II. ordentl.
Versammlung fand unter Vors, des Hrn. Brth. Genzmer
am 3. Dez. v. J. statt. Anwes. waren 17 Mitgl. u. 2 Gäste.
Es sprach Hr. Stdtbnh. a. D. Brix in Wiesbaden über „Die
Abwasserreinigung durch das biologische Klär-
verfahren“, Nach einer allgemeinen Uebersicht über
die verschiedenen Reinigungs- Verfahren der Abwässer
und einem historischen Rückblick auf die Entwicklung des
biologischen Reinigungsverfahrens, dessen Wiegein England
gestanden hat, wurde das wissenschaftliche Prinzip dieser
auf natürlichen Selbstreinigungs - Vorgängen beruhenden
Klärmethode erläutert und betont, dass durch dieses Ver-
fahren, welches keinerlei Chemikalien oder präparir-
ter Filter-Stoffe bedarf, die grösste Reinigungswirkung
unter allen Klärmethoden erzielt wird. Redner zeigt eine
Reihe Pläne der von der „Allgem. Städtereinigungs-Ge-
sellschaft" geplanten und ausgeführten biologischen Klär-
anlagen vor; es war hieraus zu ersehen, dass es sich um
in Bau und Betrieb sehr einfache Bauten
handelt. Ueberrascht waren die Anwesen-
den durch die Proben der Abläufe dieser
Kläranlagen, welche sich als farbloses, ge-
ruchloses und völlig klares Wasser zeigten,
das auch bei monatelanger Aufbewahrung
keine faulige Trübung oder Schlammbildung
bekommt, sondern dauernd klar bleibt. Wäh-
rend des Vortrages wurde Wiesbadener Ka-
nalwasser, welches seitens des städtischen
Kanal-Bauamtes zur Verfügung gestellt war,
in einem Modell-Filter nach dem System der
„Allgem. Städtereinignngs- Ges.“ einer Klä-
rung unterworfen mit dem Ergebniss, dass
sich die trübe stinkende Kanalflüssigkeit
nach Verlauf einer Stunde in ein geruch-
loses klares Wasser verwandelte. Man
hat es zweifellos in der biologischen Klä-
rung mit einem hochbedeutendenFortschritte
auf dem Gebiete der Abwasserreinigung zu
thun, wie die Ausführungen des Vortragen-
den und die von ihm verlesenen Analysen
der in den ausgeführten Kläranlagen der
„Allg. Städtereinigungs-Ges." erhaltenen ge-
reinigten Kanalwässer ergaben. In die leb-
hafteßesprechunggriffen namentlich die Hrn.
Geh. Brth. Böttger und Ing. Bethäuser ein. Ersterer
machte darauf aufmerksam, dass bei jeder Kläranlage der
Desinfektionsfrage gleichmässig grosse Aufmerksamkeit
zugewendet werden müsse und man sich, sofern eine
günstige, die ausreichende Verdünnung der Abwässer ge-
währleistende Vorfluth vorhanden sei, mit mechanischer
Sedimentirung begnügen könne; andererseits würde wie-
der überall da, wo geeignetes Gelände für Rieselfelder
vorhanden sei und die Kosten derselben nicht grösser
seien, als diejenigen des biologischen Reinigungs-Verfah-
rens, den altbewährten Rieselfeldern zur Kanalwasser-
Reinigung der Vorzug zu geben sein. Mit diesen Aus-
2. April T902.
17t
führungen befand er sich im Einklang mit den An-
schauungen des Vortragenden.
Hr. Bethhäuser erkundigte sich nach dem Carboferrit-
Verfahren, nach dem Vortragenden auch ein biologisches
Verfahren und wahrscheinlich ein früher unter dem Namen
Ferrozonpolarit-Verfahren aufgetretenes System, welches
aber in Deutschland nach eingehenden Üntersuchungen
keinen Anklang finden konnte. Man sei bei diesem Ver-
fahren an ein besonderes, wahrscheinlich künstlich er-
zeugtes Filtermaterial gebunden, während bei dem
durch die „Ailg. Städtereinigungs-Ges.“ vertretenen bio-
logischen System in Deutschland kein präparirtes, son-
dern nur ein gut ausgewähltes, sowie richtig gemischtes
und gelagertes Filter-Material erforderlich sei. — G,
Todtenschau.
Hofrath Joseph Ritter von Storck In Wien ist am
27. März der ehemalige Direktor der Kunstgewerbeschule
des Oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie,
Hofrath Josef Ritter von Storck, im 72. Lebensjahre einem
Schlaganfall erlegen. Mit ihm scheidet einer der letzten
der Männer aus, welche an der zweiten grossen Renaissance
der Kaiserstadt an der Donau der zweiten Hälfte des ig. Jahrh.
thätigen und erfolgreichen Antheil genommen haben. Ob-
gleich noch in voller Rüstigkeit, starb er nicht im Amte;
auch er ist der so ungestüm einsetzenden neuen Bewegung
in Wien vorzeitig zum Opfer gefallen. Joseph Storck war
in Wien geboren und machte seine fachlichen Studien
unter van der Nüll und Siccardsburg. Im Jahre 1866
wurde er Dozent für Ornamentik an der Technischen
Hochschule in Wien. Im Jahre 1868 wurde er zu seiner
Lebensaufgabe berufen: er wurde zum Professor und
später zum Direktor der Kunstgewerbeschule des Oester-
reichischen Museums ernannt. Hier wirkte er ungemein
segensreich länger als 30 Jahre, bis er im Jahre 1899 der
neuen Bewegung, die rücksichtslos über ihn hinwegging,
nicht ohne Erbitterung unterlag. Es ist beispiellos in der
Geschichte der Kunstentwicklung, wie damals die ange-
sehensten Kräfte, die auf ein Menschenalter an Verdiensten
zurückblicken konnten, von der gleich einem Orkan ein-
setzenden Bewegung einfach weggefegt wurden. Man
darf an diesem Umstande nicht das grosse Verdienst Storcks
11m die Entwicklung des österreichischen Kunstgewerbes
messen. Mit dem früh verstorbenen Valentin Teirich zu-
sammen hob er es in den siebziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts zu einer Bedeutung, die ihm Weltruhm ver-
schaffte. —
Preisbewerbungen.
Ein internationaler Wettbewerb zur Erlangung von Ent-
würfen für ein Denkmal zur Erinnerung an die Begründung
des Weltpostvereins in Bern ist in Aussicht genommen.
Für das Denkmal steht eine Summe von 200 000 frcs. zur
Verfügung. Das Preisgericht besteht aus den Hrn. Geh.
Postrath Hacke, Architekt in Berlin, Prof. E. Helmer,
Bildhauer in Wien, Arch. Graf Laling in Brüssel, Arch.
Prof. Mehldahl in Kopenhagen, Arch. Uriote-Velada
in Madrid, Bildh. Bartholdi in Paris, H. H. Amstead
in London, Bildh. Alois Strobl in Budapest, Prof H.
Ximenes in Rom, Arch. Prof. Bluntschli in Zürich und
dem Direktor des internationalen Postbüreaus E. Ruffy
in Bern. —
Personal-Nachrichten.
Bayern. Dem Bauamtm. Wehrle in Würzburg ist der
Verdienstorden IV. Kl. vom hl. Michael verliehen.
Der Eisenb.-Ass. W ö r n e r bei der Gen.-Dir. der Staatseiseob.
ist aus dem Staatsdienst ausgetreten. 1
Pfalz. Eisenbahnen. Versetzt sind; Ing. Schnabl von
Neustadt z. bautechn. Bür. der Dir. in Ludwigshafen und Emrich
von Altenplan nach Neustadt.
Preussen. Dem Kr.-Bmstr. Müller in Stolp i. P. ist der
kgl. Kronen-Orden IV. Kl. verliehen.
Die Erlaubniss zur Annahme und z. Anlegen der ihnen verlieh,
fremdländ. Orden ist ertheilt und zw.: dem Reg.- u. Brth. Beck-
mann in Kassel des fürstl. waldeckschen Verdienstkreuzes III. KL,
demPräs der kgl. Eisenb.-Dir.inSt Johann-SaarbrückenSchwering
des kais. russ. St. Annen-Ordens II. Kl , dem Reg.- u. Brth. F r i e d e -
richs in St. Joh.-Saarbrücken des kais. russ. St. Annen-Ordens
III. Kl, dem Reg.- u. Brth. R a s c h in Wiesbaden des Offizierskreuzes
des franz. Ordens der Ehrenlegion.
Der Reg.-Bmstr. Wix in Aurich ist z. Wasser-Bauinsp., die
Reg.-Bfhr. Paul Schmidt aus Pfalzburg {Eisenbfcb.) u. Ludw.
Schnorbusch aus Münster i. W. (Masch.-Bfch.) sind zu Reg.-
Bmstrn. ernannt. Den Reg.-Bmstrn. Wal. Janetzki in Oppeln
und Ernst Lipmann in Capetown (Südafrika) ist die nachges.
Entlass, aus dem Staatsdienst ertheilt.
Sachsen. Dem Brth. Oehme ist die Stelle eines techn.
Hilfsarb. bei der Gen.-Dir. der Staatseisenb., unt. gleichzeit. Weiter-
führung der Vorst.-Geschäfte des Elektrotechn. Bür., und dem Betr.-
Insp. Brth. Müller die Leitung der Betr.-Dir. Dresden-Altstadt
übertragen. Der Bauinsp. Schramm ist bei der Betr.-Dir.
Zwickau wieder in den Dienst getreten. Dem Reg.-Bmstr. P 0 k 0 r n y
ist die Leitung des Baubür. Dresden-Neust. I übertragen.
Versetzt sind die Reg.-Bmstr. Benndorf in Chemnitz zum
Betr.-Masch.-Bür., Hallenberg in Chemnitz zur Masch.-Insp.
Chemnitz und Colberg in Dresden zur Betr.-Dir. Dresden-A. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. Gr. in Dortmund. Die Anfrage, ob es Muster
zu Werkverträgen giebt, wie sie zwischen Bauherrn und Unter-
nehmern abzuschliessen sind, die in ihren allg. Bedingungen die
Bestimmungen des neuen bürgei liehen Gesetzbuches genau berück-
sichtigen, ist schon mehrfach an uns gestellt worden. Nach Aus-
kunft unseres juristischen Mitarbeiters ist ein wirklich brauchbarer
Entwurf noch nicht veröffentlicht. Jedenfalls aber kann die Auf-
stellung eines solchen nur in gemeinsamer Arbeit des Technikers,
und eines in Bausacheii erfahrenen Juristen bewirkt werden. — ^
Hat vielleicht einer unserer Leser schon etwas derartiges zu Gesicht
bekommen? —
Hrn. P. Schm, ln Witten. Au den Baugewerkschulen, mit
welchen Abtheilungen für Wiesenbau verbunden sind, z, B. an der
kgl. Baugewerkschule in Königsberg i. Pr.
Fragebeantwortungen aus dem Leserkreise
Hrn. R. B. in Westfalen. Zu Ihrer Anfrage in No. 15 der
Dtschn. Bztg. über Strassen mit einer Kiesdecke auf
Faschinen als Packlage gehen uns folgende, sich allerdings wlder-
spi'echende Antworten zu;
1. Buschen (Busch) oder Faschinen können nie den Zweck der
Packlage in Kunststrassen erfüllen; Erfahrungen damit sind nicht
bekannt, Werke und Zeitschriften handeln darüber nicht. Nur in
solchen Ausnahmefallen, wo es sich darum handelt, eine Strasse
zur vorübergehenden Benutzung schnell herzustellen und durch
nassesMoor oder Sumpf zu führen, wird die Anordnung vonFaschinen
als Unterlage für den Strassenkörper zweckmässig sein. Es wer-
den dann zunächst Faschinen in Verband in der Richtung der
Strasse und dann quer darüber zu legen sein. Die Stärke der
ganzen Faschinenpackung würde so zu bemessen sein, dass das
Gewicht des durch die Faschioenlagen verdrängten Moor- oder
Sumpfbodens mindestens mit dem Gewicht der Faschinen sammt
dem darüber herzustellenden Strassenkörper und der darauf zu
führenden Last übereiustimmt. Die Faschinen dürften zunächst mit
Rasen zu bedecken sein, weil Kies leicht durch die Faschinen fällt
und die alsdann frei werdenden Aeste nicht ohne Gefahr für die
Zugthiere sind. Gleiche Gefahr ist vorhanden, wenn die Strasse
so lange benutzt wird, bis die Faschinen faulen. Die Fragestellung
lässt nicht erkennen, warum Faschinen verwendet werden solleoj
da, wenn Kies in ausreichender Menge für angemessenen Preis vor-
handen ist, die Faschinen entbehrlich erscheinen. — t. —
2. Ich habe wiederholt solche Strassen mit vortrefflichem und
nachhaltigem Erfolge ausgeführt und bin gerne bereit, die nöthigen
Mittheilungen zu geben, wenn mir gefälligst bekannt gegeben wird,
wohin ich selbe zu adressiren habe.
August Bernatz, Reg.- u. Kreisbaurath in Regensburg.
Inhalt: Berliner Neubauten. No. 102. Die Umwandlung und die Neu-|
bauten des Zoologischen Gartens. — Von der Industrie- nnd Kunstaus)
Stellung in Düsseldorf 1902, II. (Schluss). — Umbau des Stuttgarter Haupt-
bahnhofes. — Mittheilungen aus Vereinen. — Todtenschau. — Preisbe-
werbuugen. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten- ^
Verlag der Deutschen Bauzeitimg, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Hofmana, Berlin. Druck von Wüh. Greve, Berlin.
Conrad Wilhelm Hase 'j*.
Am Charfreitag, den 28. März, entschlief in Hannover im 84. Lebensjahre der Altmeister
der gothischen Baukunst in Deutschland, der Geheime Regierungs- und Baurath, Kousistorial-Bau-
meister a. D. Conrad Wilhelm Hase, nachdem er schon vor längeren Jahren seine Thätigkeit als
Architekt wie als Lehrer aufgegeben und in stiller Zurückgezogenheit gelebt hatte. Der Höhepunkt
seines Schaffens lag in der Mitte der sechsziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und wurde
seinem Umfange und seiner Bedeutung nach auch in diesem Blatte mehrmals, zuletzt bei Gelegenheit
der Feier seines achtzigsten Geburtstages im Jahrgang 1898 gewürdigt. Wir werden aber jedenfalls
Veranlassung nehmen, demnächst noch einmal etwas eingehender auf die Person des verstorbenen
grossen Meisters und die Art seiner Wirksamkeit zurQckzukommen , an dessen Bahre heute tiefbe-
wegt eine grosse Zahl von Schülern und Verehrern trauernd sich vereinigt. —
172
No. 27.
AUZEITUNG.
GANG. * * N2: 28. *
APRIL igo2.
'«stÄSr
Die Strassenbrücken der Stadt Berlin.*)
ünfundzwanzig Jahre waren am i. Jan. 1901 verflossen,
seit die Stadtgemeinde Berlin die bis dahin im wesent-
lichen dem Fiskus obliegende Strassen- und Brücken-
baulast übernahm und damit auch das Eigenthums-
recht an diesen Verkehrsanlagen einschl. des Grund
und Bodens erwarb, über welchen die Gemeinde bis
daliin keinerlei Verfügungsrecht besass. Es wurde da-
mit Verhältnissen ein Ende gemacht, die bei dem
raschen Aufblühen der Stadt schon seit Anfang der
60 er Jahre ein ausserordentliches Hinderniss für die
Verkehrs-Entwicklung bildeten und geradezu unhalt-
bar wurden, seit man an Berlin als Reichshauptstadt
Ansprüche stellte, denen man mit den knappen Mitteln,
welche vom Landtage für die Verkehrsanlagen Berlins
und vielfach noch sehr ungern bewilligt wurden, in
keiner Weise mehr gerecht werden konnte.
Diese Verhältnisse und die Anschauung, dass
man „auch um den Preis bedeutender Opfer auf jenen
der Gemeinde naturgemäss zustehenden Besitz und
auf ein so wichtiges Stück der Selbstverwaltung nicht
verzichten“ wollte, führten nach langen Verhandlungen
zum Abschluss des Vertrages vom ii. 30./31. Dez.
1875, nach welchem mit wenigen Ausnahmen die
Strassen und Plätze, sowie die sämmtlichen Brücken
in den Besitz und die Unterhaltungspflicht der
Stadtgeraeinde gegen eine jährlich vom Fiskus zu
zahlende Rente von 556431,22 M. übergingen, die im
Jahre 1882 durch eine einmalige Abfindungssumme
von II 128 624 M. abgelöst wurde. Diese Summe ent-
sprach allerdings nicht entfernt den Aufwendungen, die
Berlin allein für seine Brücken machen musste, um
diese nicht nur in einer dem Verkehrsbedürfnisse in
vollem Maasse entsprechenden, sondern auch ästhe-
•) Herausgegeben vom Magistrat. Verlag von Julius Springer.
Berlin 1902. (Die beigegebenen beiden Abbildungen sind dem
Werke entnommen.)
tische Ansprüche erfüllenden Weise umzugestalten;
wurden doch von 1876 — 1899 allein 26,5 Mill. M. von
der Stadt für Brücken-Um- und Neubauten aufgewendet.
Mit der Uebernahme dieser Verpflichtung erwuchs
der Stadtgemeinde eine schöne bauliche Aufgabe;
denn wenn auch die Wasserläufe, welche die Stadt
durchziehen, im allgemeinen zu einer schon allein
durch die Abmessungen wirkenden Entwicklung der
Brücken wenig Gelegenheit geben, wenn auch die
Untergrund- Verhältnisse im wesentlichen so gestaltet
sind, dass aus denselben bauliche Schwierigkeiten
nur ausnahmsweise folgten, so zwangen doch die Rück-
sicht auf möglichste Einschränkung der Konstruktions-
höhe, um bei den niedrigen Ufern an kostspieliger
Rampenentwicklung zu sparen und trotzdem den An-
sprüchen einer ausserordentlich regen Schiffahrt zu
genügen, ferner die Rücksicht auf die Unterbringung
der den Strassenkörper mehr und mehr in Beschlag
173
nehmenden Leitungen und Kabel des städtischen Ver-
sorgungsnetzes zu stellenweise sehr interessanten Kon-
struktionen und zu einer sehr sorgfältigen Erwägung
aller inbetracht zu ziehenden Umstände. Dazu kam .
die Schwierigkeit, den ausserordentlich gesteigerten
.Landverkehr, namentlich der an feste Bahnen gebun-
denen Strassenbahnen, und ebenso den Schiffsverkehr
während der Bauzeit möglichst ungestört aufrecht zu
erhalten, eine Aufgabe, die ganz besonderes Interesse
bot und z, Th. auch nicht ohne Rückwirkung auf die
ganze Brückenanlage bleiben konnte. Schliesslich kam
dazu, dass die Stadtgeraeinde von vornherein sich die
Aufgabe stellte, nicht nur Nützlichkeitsbauten auszu-
führen, sondern durch die künstlerische Ausbildung
der Brücken auch das Stadtbild zu bereichern, ein Ziel,
.das abgesehen von einigen Fehlgriffen und einer bei
der Fülle der Aufgaben und der Schnelligkeit der Aus-
führung begreiflichen, nicht immer ganz gleichwerthigen
Durchbildung der Einzelforraen, unzweifelhaft erreicht
wurde. So entstanden, trotz einer durch die örtlichen
und natürlichen Verhältnisse gegebenen gewissen Gleich-
artigkeit der Gesammtanlage und trotz der grossen
Anzahl — sind doch in dem 25-jährigen Zeitabschnitt,
abgesehen von einigen hölzernen Fussgängerbrücken,
nicht weniger als 48 Brücken in Eisen und Stein her-
gestellt worden — , dennoch Bauwerke von einer ziem-
lichen Verschiedenheit der äusseren Erscheinung und
von einer grossen Mannigfaltigkeit der Ausbildung im
Einzelnen.
.. Dieses reiche Material nicht in den Akten zu be-
graben, vielmehr der Allgemeinheit zugänglich zu
machen, erschien der Stadtgemeinde als eine vor-
nehme Pflicht. Auf Antrag des Magistrates beschloss
daher die Stadtverordneten-Versammlung im Jahre
1896, ein Werk über die Strassenbrücken der Stadt
Berlin herauszugeben, das „neben dem technischen
Zwecke gleichzeitig auch den Mitgliedern der städti-
schen Behörden, welche zu dem Erfolge mit Rath und
That beigetragen haben, als werthvolle Erinnerung
an' eine Zeit voller Arbeit dienen sollte“.
Dieses Werk liegt jetzt in 2 stattlichen, vornehm
ausgestatteten Grossquart-Bänden voruns. Der doppelte
Zweck desselben, einestheils dem Fachmanne ein ver-
werthbares Material zu bieten und andererseits auch
den Nichtfachmann, ohne ihn zu ermüden, über die
Bedeutung der städtischen Bauthätigkeit auf dem ge-
nannten Gebiete zu unterrichten und ihn durch schöne
Illustrationen zu erfreuen, hat dabei auf Anordnung und
Inhalt des Werkes entscheidenden Einfluss ausgeübt.
Zweckmässiger Weise hat man zunächst alle, kon-
struktiven Zeichnungen^.; also das für den Techniker
weithvollste Material, in einem Bände für sich vereint.
Auf 41 Tafeln (davon 25 Doppeltafeln) ist die Kon-
struktion von 30 verschiedenen Brücken in Uebersichts-
Zeichnung und in Einzelheiten zur Darstellung ge-
bracht, ausserdem sind 3 Pläne der Stadt aus dem
Jahre 1685 (in verkleinertem Maasstabe gestochen
nach dem Plane von La Vigne), 1688 (Photojitho-
graphie nach der Vogelperspektive von Joh. Bernhard
' Schultz) und 1901, sowie Längenprofile der Spree und
der 4 die Stadt durchschneidenden Schiffahrtskanäle
beigegeben. Sämmtliche Konstruktionsblätter sind in
trefflicher, klarer Darstellung in der lithographischen
Anstalt von Bogdan Gisevius in Berlin hergestellt.
, Als Grundlage der Tafeln dienten Zusammenstellun-
gen nach den Revisions-Zeichnungen. Es war da-
durch möglich, die Pläne in der Hauptsache in ein-
' heitlichem Maasstabe, i : 200 für die Uebersicht, bezw.
1 : 100 für die Querschnitte und i : 40 für die Einzel-
heiten, darzustellen. Nur einige, in ihren Grössen-
verhältnissen sich nicht in den gegebenen Rahmen
einpassendeBauwerke mussten in abweichendem Maass-
stabe wiedergegeben werden. Bei der Fülle des Stoffes
sind natürlich nur besonders charakteristische Beispiele
vorgeführt, so einige der vor 1876 erbauten, eisernen
Bogenbrücken und die Augusta-Brücke (eiserne Klapp-
brücke), dann eine grössere Anzahl der nach 1884
erbauten Steinbrücken, darunter als bedeutendste, nach
Ausdehnung und Aufwand die Oberbaum -Brücke,
interessant durch ihre eigenartige Grundrisslösung
und demzufolge schwierige Gewölbe-Konstruktion die
Kaiser Wilhelm-Brücke, ungewöhnlich durch die be-
sonderen Vorkehrungen zur Aufstellung des Schlüter’-
schen Reiterstandbildes die Kurfürsten-Brücke, neu-
artig durch die bei ihrer Ausführung angewendeten
Hilfskonstruktionen (eisernes Lehrgerüst mit Ausleger-
trägern und eingehängtem Mittelstück behufs Ge-
winnung möglichsterDurchfahrtshöhe) die Gertraudten-
Brücke. Unter den Brücken mit eisernem Ueberbau
aus demselben Zeitabschnitt sind hervörzüheben die
durch die Verzwicktheit ihrer Konstruktion und die
Schwierigkeit der stückweisen Ausführung beistärkstdra,
ununterbrochenem Verkehr interessanten Anlagen am
Mühlendamm, als eleganter Bogen die Ebertsbrücke
und als Auslegerbrücke mit sehr beschränkter Kon-
struktionshöhe die Weidendammer Brücke. Der In-
genieur wird in diesen Zeichnungen, die namentlich
in den Einzelheiten mancherlei bemerkenswerthe An-
ordnungen zeigen, ein schätzenswerthes Material finden.
Der Textband umfasst 220 Seiten und enthält
203Textabbildungen, Autotypien bezw. Strichätzungen,
sowie 52 Heliogravüren, meist nach eigens zu dem
Zwecke gefertigten, trefflichen Aufnahmen von Herrn.
Rückwardt, Berlin, von der Firma Meisenbach,
Riffarth & Co., Berlin, in vorzüglicher Wiedergabe
in Kupferdruck hergestellt. Um ein abgerundetes Bild
' von der Entwicklung des Berliner Brückenbaues zu
geben, ist auch die Zeit vor 1876 mit in den Rahnien
des Werkes einbezogen. Neben anderen Quellen sind
dabei namentlich die Akten des kgl. Geh. Staats-
Archivs herangezogen worden, während für die spätere
Zeit die städtischen Akten, Verwaltungsberichte und
auch Veröffentlichungen in den technischen Zeit-
schriften benutzt sind.
Die Darstellung der Vorgeschichte ist eingetheilt
in die Zeitabschnitte bis 1640, von 1640 — 1740 (Be-
festigung der Stadt durch den Grossen Kurfürsten,
Bau der Kurfürsten-Brücke) 1740 —1824 (Entfestigung
der Stadt, Stadterweiterung, Bauten Friedrichs des
Grossen, Bau der Schlossbrücke durch Schinkel),
1824 — 1860 (Beginn der Selbstverwaltung, Aufhören
der Fürsorge des Herrscherhauses, Bewilligung nur
knapper Mittel durch den Landtag, daher ausschliess-
lich Herstellung einfachster Nutzbauten), 1860 — 1876
(gesteigerte Verkehrs-Entwicklung, dementsprechend
gesteigerte staatliche Bauthätigkeit , Moltke - Brücke,
Alsen-Brücke, Belle-Alliance-Brücke, private Bauthätig-
keit, kräftigeres Einsetzen der städtischen Initiative).
. Ein zweiter Abschnitt ist dem Zeitraum von 1876,
also von derUebernahme der gesammten Brückenbaulast
auf die Stadt bis 1884 gewidmet. Während die Stadt-
gemeinde bis 1876 nur 21 Brücken, darunter die Mehr-
zahl unbedeutender Natur, in Unterhaltung hatte, über-
nahm sie jetzt 77 weitere Brückenbauwerke, von denen
nur der kleinste Theil, in Konstruktion und baulichem
Zustande dem Verkehrs-Bedürfnisse genügte, sodass
von vornherein zu übersehen war, dass der weitaus
grössere Theil einem völligen Neubau zu unterziehen sein
würde. Dieser Umbau ist bei den 17 Spree-Brücken
(von denen nur die Schillingsbrücke von der Stadt 1870
bis 1874 massiv hergestellt war) durchgeführt, bei den
Kanal-Brücken theils erfolgt, theils eingeleitet bezw.
in Aussicht genommen; eine bedeutende Leistung, na-
mentlich wenn man berücksichtigt, dass sich die Haupt-
bauthätigkeit der Stadt auf dem Gebiete des Brücken-
baues zusammendrängt in die Jahre 1885 — 1897, d. h. in
die Zeit, in welcher der Geh. Brth. Di-. J. Hobrecht
als Stadtbaurath die Tiefbau-Abtheilung leitete.
Diese beiden Zeitabschnitte, 1876—1884 und 1885
bis 1897, geben eine eingehende Schilderung von der
Entwicklung des städtischen Brückenbaues, den Grund-
sätzen, welche die Stadt bei der Konstruktion und bei
der Ausgestaltung im Einzelnen, sowie bei der Aus-
schmückung leiteten. Ergänzt werden diese Mitthei-
lungen durch ein besonderes Kapitel über die Kana-
lisirung der Unterspree, da diese, welche den Jahr-
hunderte lang dem Schiffahrtsverkehr durch den Stau
am Mühlendaram verschlossenen Hauptspreearm wieder
No. 28
U4
eröffnete, damit auch gleichzeitig die Hochwasser-Ver-
hältnisse der Berlin durchziehenden Wasserläufe wesent-
lich änderte. Es wurde dadurch möglich, die Scheitel
der Brücken nunmehr erheblich tiefer zu legen, bezw.
anstelle der Eisenkonstruktion vielfach den Massivbau zu
setzen, der seitdem von der Stadt überall da angewendet
worden ist, wo das die Verhältnisse irgend gestatteten.
Erläutert werden diese Abschnitte durch die Beschrei-
bung der einzelnen Brückenbauwerke, wobei auch
namentlich dem Material, der künstlerischen Aus-
schmückung, stellenweise auch einer besonders inter-
essanten Bauausführung nähere Mittheilungen gewid-
met werden, sodass auch hier sich dem Fachmann
manche schätzenswerthenAufschlüssedarbieten werden.
Den Beschluss des Ganzen bildet eine zusammenfassende
Darstellung der Baukosten, der Verding-Ergebnisse und
ein Verzeichniss der sämmtlichen Brücken.
Das Werk ist entstanden unter der Mitarbeit der
bauleitenden Baumeister der einzelnen Brückenbauten.
Die Zusammenstellung, geschäftliche Leitung und Re-
daktion lagen dem Stadtbauinsp. G. Pinkenburg ob,
dem langjährigen Leiter des städtischen Brückenbau-
Büreaus. Von seinen Mitarbeitern ist namentlich
Stadt-Bmstr. Max Neumann hervorzuheben. Dieend-
giltige Fassung erhielt das Werk im Büreau des Stadt-
brths. Fr. Krause unter besonderer Mitarbeit des
Stadtbauinsp. Brth. Gottheiner.
Bei der Beurtheilung des Werkes ist der doppelte
Zweck desselben zu berücksichtigen, einem Laien-
PubÜkum und dem Fachmann gleichzeitig etwas zu
bieten. Diese, nicht einfache Aufgabe, ist durch die
Stoffvertheilung, die reiche Ausstattung des Buches
mit photographischen Aufnahmen und mit Konstruk-
tions-Zeichnungen, sowie durch den klaren, knappen
Text in geschickter Weise gelöst, und wenn der Fach-
mann für sich allein wohl manchmal ein tieferes Ein-
gehen auf die Materie gewünscht hätte, so wird er
doch eine Fülle von Anregung und manchen praktischen
Wink aus dem Werke entnehmen können, das der
Stadtgemeinde, den Mitarbeitern, sowie dem Verleger
und den Firmen, die es ausgestattet haben, zur Ehre
gereicht. — P
Berliner Neubauten.
No. 102. Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens.
(Fortsetzung.) Hierzu die Abbildungen S. 176 u. 177.
en voraufgegangenen Erörterungen allge-
meiner Natur lassen wir nunmehr eine
kurze Einzel-Darstellung der hauptsächlich-
sten Thierhäuser und Neubauten folgen,
für deren Schilderung wir, was die Werke
der Bauperiode des Anfanges der siebziger Jahre an-
belangt, die ausführliche Beschreibung benutzen, welche
die Architekten Ende & Böckmann in der „Zeitschrift
für Bauwesen“ gegeben haben, während für die Be-
schreibung der späteren Bauten unmittelbare Mitthei-
lungen der Architekten oder Nachrichten von der Ver-
waltung des Gartens als Unterlage dienten.
1. Der Bärenzwinger. (Abbildg. S. röa.)
Architekten : Ende & Böckmann in Berlin.
Der Bärenzwinger hat im Grundriss eine fächer-
förmige Gestalt erhalten, welche zumtheil noch ver-
ändert wurde, um dem Beschauer eine möglichst grosse
Schaufläche darzubieten. Da die Bären dem Tempe-
raturwechsel leicht widerstehen, so bedurfte es keiner
besonderen Winterräume, wohl aber sind Räume ge-
schaffen, um der Reinigung wegen einen Wechsel des
Aufenthaltes der Thiere herbeiführen zu können. Die
Architektur, in Ziegelfugenbau, ist schwer gehalten,
um dem Beschauer das Gefühl der Sicherheit einzu-
flössen. „Ein Löwe oder Tiger wird selten seine
Kräfte gegen die ihn umgebenden Gitter oder Wände
zur Anwendung bringen, dagegen unterlässt der Bär
nie, die Festigkeit seines Gefängnisses einer fortwäh-
renden Prüfung zu unterwerfen.“ Infolge dessen haben
sich auch nur massive Scheidewände und stärkere
Eisengitter, als sie im Raubthierhaus zur Anwendung
gelangten, als sicher erwiesen. Der etwa 0,7“ über
Gelände liegende Boden der Käfige wurde als Roll-
schichtpflaster in Zement erstellt. Von zwei Seiten
führt eine etwa 1,6“ breite Treppe zu einer hochge-
legenen Plattform, von welcher die Besucher des Gartens
die Thiere von oben beobachten können. Wie bei den
meisten Käfigen, so ist auch hier den Thieren die
Möglichkeit geboten, sich den Blicken der Beschauer
entziehen zu können. Der Bau wurde in den Sommer-
monaten des Jahres 1870 mit einem Aufwande von
27 000 M. für rd. 370 bebauter Fläche erstellt. —
II. Das grosse Raubthierhaus. (Abbiidg. S. 163)
Architekten: Ende & Böckmann in Berlin.
Die Anziehungskraft der grossen Raubthiere
namentlich während der Fütterung hat die Anlage
eines Zuschauerraumes von grösseren Abmessungen,
von 58“ Länge und 5,7'" Breite, zur Folge gehabt.
Die Hauptaxe des Hauses ist in der Richtung Südost
gewählt, um den Thieren reichliches Sonnenlicht zu-
5. April 1902.
führen zu können. Aus diesen beiden Bedingungen
ergab sich die langgestreckte Form des Hauses, welche
lediglich aus malerischen Gründen in der Queraxe
einen halbrunden Ausbau erhalten hat, der die für
die Einwirkungen des Sonnenlichtes weniger empfind-
lichen Raubthiere aufnimmt. Für die hervorragend-
sten Individuen dieser Raubthiergruppe sind sechs-
eckige, pavillonartige eiserne Sommerkäfige angelegt
worden, welche den Thieren freie Bewegung und dem
Beschauer freie Beobachtung gewähren. Die Winter-
käfige haben geölten Bohlenbelag mit leichter Neigung
und mit einer vor dem Käfig hinziehenden Rinne, die
Sommerkäfige Pflaster aus harten Ziegelsteinen mit
einer darüber gebreiteten Sandschicht erhalten. Die
Winter- und die Somraerkäfige sind durch hohe
und 0,65“ breite Fallthüren mit einander verbunden,
um den Thieren einen leichten Wechsel der Aufent-
haltsräume zu ermöglichen. In ähnlicher Weise sind
für die Zwecke der Reinigung die Sommerkäfige unter
sich verbunden. 4 Wurfkäfige haben den Zweck, die
Jungen von der Mutter, 'deren Fürsorge oft eine Ge-
fahr für ihr Leiben bedeutet, zu trennen und sie für
die ersten Tage nach der Geburt den Blicken der Be-
sucher zu entziehen. Vor den Käfigen, deren Fuss-
boden rd. über dem Fussboden des Zuschauer-
raumes liegt, zieht ein 1,35*” breiter Wärtergang hin,
welcher die Besucher zugleich von der zu nahen Be-
rührung mit den Käfigen abhält. Das Innere ist in
der schlichtesten Weise mit offenem Dachstuhl durch-
gebildet, das Aeussere zeigt Zicgelverblendung. Das
Haus bedeckt eine Fläche von etwa 1500 und kostete
etwa HO 000 M. Es wurde in den Wintermonaten
der Jahre 1870/1871 errichtet. —
III. Das Antilopenhaus. (Abbildungen S. 152 und 153.)
Architekten: Ende & Böckmann in Berlin.
Das Antilopenhaus ist dadurch ausgezeichnet, dass
in seine Anlage grundsätzlich das Pflanzeneleraent
einbezogen wurde, um mit der Vorführung des Thieres
auch eine Andeutung wenigstens der es umgebenden
heimischen Landschaft zu bieten und den Thieren
Pflanzenluft zu verschaffen. Zu diesem Zwecke wurde
das Pflanzenbaus in der Mitte des Hauses angelegt und
die 21 Ställe zentral um dasselbe gruppirt, um die Zu-
führung der Ptlanzenluft zu einer möglichst gleich-
massigen zu machen. Es hat sich nun aber in der
praktischen Verwerthung dieser Anordnung gezeigt,
dass Palmengruppen, welche hier in erster Linie als
Pflanzenschmuck infrage kamen, wie bereits früher
berührt, unter den ammoniakalischen Ausdünstungen
nicht gedeihen wollten und dass es selbst für andere,
weniger empfindliche Pflanzen schwer war, sie fortzu-
^75
bringen. Es musste daher auf dieses so wirkungsvolle
Mittel zur Einrahmung der Thiere verzjchtetwerden. Es
wäre noch der Ausweg geblieben, die grossen Bogen-
öffnungen S. 153 zu verglasen, ein Versuch, der nun-
mehr unternommen wurde, obgleich damit nur ein
Theil des beabsichtigten Zweckes erreicht wird. Man
darf gespannt sein, wie die Pflanzen nunmehr sich
erhalten.
Die Beleuchtung ist derart gewählt, dass man aus
einem im Lichte gedämpften Vorraum in den Umgang
für die Besucher kommt, welcher von dem zentralen
Pflanzenhause reichliches Licht erhält. Die Ställe, die
durch Anlage eines rückwärtigenWärterganges frei in
den Raum gebaut erscheinen, von welchem sie nur
durch Eisengitter getrennt sind, erhalten unmittelbare
Beleuchtung. Der hinter den Käfigen angelegteWärter-
gang hat den doppelten Zweck, durch die notliwen-
Die Architekturtheile sind in Ziegelfugenbau mit
sparsamen Putzflächen unter Verwendung von Fayence-
gemälden für den Haupteingang gehalten. Der Stil
schüesst sich in freier Weise an orientalische Vor-
bilder an und sucht die Heimathformen der beherberg-
ten Thiere wieder zu geben. Das Haus selbst be-
deckt eine Fläche von rd. 2000 q™; mit den Sommer-
ausläufen erreicht diese Fläche 4100 q™. Die Bau-
kosten betrugen rd. 180000 M. Die Bauzeit be-
schränkte sich auf den Winter 1871/1872. —
IV. Das Elephantenhaus. (Abbildgn. S. 149 u. 155.)
Architekten: Ende & Böckmann in Berlin.
Das Elephantenhaus hat seinen Namen nach dem
bedeutendsten Vertreter der Familie der Dickhäuter er-
halten, obwohl es zum vergleichenden Studium Indi-
viduen dieser ganzen Familie beherbergt. Da die her-
' ' * Ä
rW* J
.M
digen Verrichtungen und durch die Wartung der
Thiere die Besucher nicht zu stören und die Ställe
von den der Witterung und der Temperatur ausge-
setzten Umfassungsmauern* zu isoliren. Soll das Thier
in den Auslauf treten, so legt sich die innere der
Doppelthüren als Brücke über den vertieft liegenden
Wärtergang. Die Erwärmung erfolgt durch eine
Zentralheizung auf etwa 20*^0. Der Giraffenstall hat
einen Bohlenbelag und darüber eine Sandschüttung
erhalten. Durch die Erwärmung der letzteren wird
den Thieren der warme Wüstensand ersetzt.
vorragendsten Dickhäuter in Asien ihre Heiinath haben,
so lag es nahe, für das Haus den bis dahin bekanntesten
asiatischen Baustil, den vorderindischen, zu wählen.
Das Haus selbst bedeckt eine Fläche von rd. 1130^®,
seine Ausläufe eine solche von rd. 2000 q®. Auch bei
dieser Anlage, die sich im Grundriss mit grösster Ein-
fachheit entwickelt, wurde der Grundsatz befolgt, den
Zuschauerraum mit gedämpftem Licht in einen wir-
kungsvollen Gegensatz zu bringen zu dem vom hellen
Sonnenlicht durchflutheten Thierstall. Die Ställe liegen
rd. 0,5“ über dem Fussboden der Halle für die Be-
No. 28.
176
Kleines Hirscbhaus. Archilekten: Kayscr & v. Groszheim in Berlin.
5. April 1902.
177
Sucher und unmittelbar an den Umfassungsmauern des
Hauses, Mit den. .Ausläufen sind sie durch hölzerne
Schiebethüren verbunden. Ein Wärtergang fällt hier
fort, weil die grossen Zwischenweiten der starken
Stäbe der Trennungsgitter dem Wärter ermöglichen,
ohne Benutzung einer Thüre unmittelbar von einem
Abtheil in das andere zu gelangen. Der unge-
heuren Kraft des Elephanten gegenüber haben sich
Eisenrundstäbe von 8 Durchmesser als noch nach-
giebig gezeigt, sodass nichts anderes übrig blieb,
als die Stäbe in ihrer ganzen Höhe mit Stacheln zu
versehen, vor welchen die Thiere zurückscheuen. Die
Elephanten-Fallthüren sind 35 schwer und nur mittels
einer Windevorrichtung zu öffnen, falls der Wärter
nicht vorzieht, das Oeffnen unter seiner Aufsicht vonJ
den Elephanten selbst besorgen zu, lassen. , Die Heizung
ist eine Zentralheizung.
Das Aeussere strebt durch grosse und kleine
Kuppelaufbauten, durch Vor- und Rücklagen nach
malerischer Gruppirung; an ihm spielt die Farbe eine
reichliche Rolle. Hier wurde für die aus der Ziegel-
forra heraus stilisirten Thier- und anderen Ornamente
in mosaikartigem Eindruck die damals neu auftretende
Silikatfarbe der Gesellschaft Vieille Montagne ver-
wendet, während die Gold- und Silberflächen durch
Aufkleben von vergoldetem oder versilbertem Staniol
erlangt wurden. Das Haus ist im Jahre 1873 errichtet
worden und stand inbezug auf seine Baukosten unter
dem Einfluss der baulichen Hochkonjunktur dieses
Jahres. Daraus erklärt sich dieSumme von 300000M, —
(Fortsetzung folgt.)
Der Wasserbau in den deutsch-afrikanischen Schutzgebieten.
Von Schwabe, Geh. Reg.-Ralh a. D.
Hlle Bemühungen zur Anlage von Eisenbahnen in den
deutsch-afrikanischen Schutzgebieten sind bisher nur
von geringem Erfolge begleitet gewesen. Bei der
Abneigung des Reichstages gegen den weiteren Bau von
Kolonialbahnen auf Reichskosten' und bei den ausser-
ordentlichen Schwierigkeiten, deutsches Privat-Kapital zum
Bahnbau zu gewinnen, sowie bei den nicht minder grossen
Schwierigkeiten und Kosten, mit welchen die Anlage von
fahrbaren Wegen in den Tropen verbunden ist, werden-'
wir daher zunächst auf die Benutzung der natürlichen
Verkehrsstrassen, der Flüsse, vorzugsweise Bedacht neh-
müssen. Leider ist unsere Kenntniss der Häfen, so-
wie der schiffbaren Flüsse und des Grades ihrer Schiff-
barkeit noch sehr gering und mangelhaft, wie dies auch
nicht anders sein kann, da wir die afrikanischen Schutz-
gebiete erst seit dem Jahre 1884 besitzen, ihr gesamrater
Flächenraum von 2407400^01 den des Deutschen Reiches .
von 540484 A« um mehr als das 4fache überlrifft, und
daher grosse Landstriche vorhanden sind, die noch nie
der Fuss eines Weissen betreten hat. So mangelhaft in-
dessen auch unsere Kenntnisse darüber sein mögen, so
macht sich "doch’ in zahlr'eicheri'wirthschaftiichen Fragen,
wie bei der Anlage von Bahnen, Plantagen usw. das ße-
dürfniss geltend, über die Landungs Verhältnisse und die
Schiffbarkeit der Flüsse unterrichtet zu sein. Aus diesem
Grunde habe ich Veranlassung genommen, das darüber
vorhandene Material übersichtlich zusammenzustellen und
unter der Bezeichnung „Die Schiffahrtsverhältnisse
der deutsch-afrikanischen Schutzgebiete“ in der
„Zeitschrift für Binnenschiffahrt“ zu veröffentlichen, in der
Hoffnung, dass dadurch nicht nur die Kenntniss unserer
afrikanischen Kolonien erleichtert werden, sondern, dass
diese Arbeit auch zur Berichtigung und Vervollständigung
derselben anregen möchte und somit nach und nach eine
wissenschaftliche Grundlage dafür gewonnen wird.
Inbezug auf den Charakter der Flüsse im allgemeinen
ist zu bemerken, dass bei der meist schon in geringer
Entfernung von der Küste beginnenden Bodenerhebung
und der dann in mehreren hohen Terrassen ansteigenden
Gestaltung des Landes die Schiffbarkeit der Flüsse am
Fusse jeder Terrasse durch Schnellen unterbrochen wird
und daher vielfach schon in geringer Entfernung vom
Meere aufhört. Ausserdem ist die Schiffbarkeit der Flüsse
durch den grossen Wasserwechsel zwischen dem Niedrig-
wasser und dem während der Regenzeiten eintretenden
Hochwasser starken Schwankungen unterworfen und viel-
fach überhaupt nur während der Regenzeiten ausnutzbar.
Die in unseren Schutzgebieten ausgeführten Wasser-
bauten haben sich bisher ausschliesslich auf Anlagen zum
Schutz und zur Erleichterung der Schiffahrt an der Küste
beschränkt. Es sind hergestellt worden; i. Sudwest-
Afrika: eine Plafenanlage bei S wakopmund. 2. Togo;
eine Landungsbr’ücke bei Lome. 3. Kamerun: eine
Landungsbrücke bei Kamerun, jetzt Duala. Zur Aus-
besserung der Schiffe von der an dieser Küste üblichen
Grösse sind ein i Slip und eine Werkstätte vorhanden.
4. Ostafrika; Landungsbrücken bei Tanga und bei
Dar-es-Saläm. ;
Von diesen Bauten ist die Hafenanlage bei Swakop-
mund, zuerst auf; 1200 Ö00M., demnächst auf 2 000 000 M.
veranschlagt, unter Leitung des Reg.-Brastrs. Ortloff,
welcher sich seit Dezember 1898 an Ort und Stelle be-
findet, in der Ausführung bereits so weit vorgeschritten,
dass die Vollendung in diesem Jahre zu erwarten ist. In
Lome, weiches infolge der starken Brandung sehr un-
günstige Landungsverhältnisse-hat, wird die vom Sturm.,
fortgerissene hölzerne Landungsbrücke nunmehr durch
178
eine Eisenkonstruktion zu dem veranschlagten Kostenbe-
träge von 800000 M, ersetzt. Die Landungsbrücke in
Tanga ist umgebaut und erweitert worden. In Dar-es-
Saläm ist die zu 600000 M. veranschlagte Anlage eines
Schwimmdocks für Fahrzeuge von 1 800 ^ Tragfähigkeit zwar
bereits erfolgt, aber noch nicht betriebsfähig, da das Dock
gesunken war und erst wieder gehoben werden musste;
die Anlage einer befestigten Kohlenstation ist in Aussicht
genommen. Im Hafen von Tanga ist im Anschluss an die
Bahnanlagen der Bau eines eisernen Piers bereits in An-
griff genommen und soweit gefördert, dass die Fertig-
stellung nahe bevorsteht.
Was den Ausbau des Hafens von Dar-es-Saläm be-
trifft, so sind zwei Sachverständige, die Reg.-ßfhr. Böcke-
mann und Brandes von der kaiserl. Werft in Kiel, an
Ort und Stelle thätig, um nach sorgfältigen Aufnahmen
. der Wasser- und Uferverhältnisse die Unterlagen zu liefern,
aufgrund deren ein allen Erfordernissen Rechnung tragen-
der, einheitlicher Bauentwurf für die Ausgestaltung des
Hafens ausgearbeitet werden kann. Insbesondere wird
angestrebt, durch den Bau von Kai- und Pieranlagen, so-
wie zweckmässigen Einrichtungen für Kohlen- und Wasser-
einnahme, den an einen brauchbaren Seehafen zu stellen-
den Anforderungen zu genügen.
Was dagegen die Regulirung der in Togo, Kamerun
und Ost-Afrika vorhandenen Flüsse zum Zwecke ihrer
Schiffbarkeit betrifft (Südwest-Afrika hat keine schiffbaren
Flüsse), so haben darüber bisher amtliche Ermittelungen
irgend welcher Art nicht stattgefunden, auch haben die
zahlreichen Forscher in ihren Reise-Beschreibungen dieser
wichtigen Frage eine iiurgeringeAufmerksamkeitgesctienkt.
Unsere Kenntniss über die Schiffbarkeit der Flüsse ist
daher eine sehr oberflächliche und lückenhafte, was, um
nur ein Beispiel anzuführen , daraus hervorgeht, dass die
bisherige Annahme, der für die wirthschaftliche Er-
schliessung von Nordwest-Kamerun wichtige Cross-Fluss
. sei nur von der Mündung bis zu den Schnellen bei Nssakpe
' schiffbar, dadurch widerlegt worden ist, dass in neuester
Zeit eine englische Kriegsschaluppe die Schnellen passirt
und oberhalb derselben zum Zeichen ihrer Anwesenheit
Schiessübungen abgehalten hat. Es wird daher zunächst
nothwendig sein, in den Etat der drei Schutzgebie.te Togo,
Kamerun und Ost-Afrika die Mittel einzustelien, um den
Zustand der Ströme inbezug auf ihre Schiffbarkeit durch
je einen Wasserbau-Techniker zu untersuchen und Vor-
schläge zu ihrer Regulirung zu machen.
Dass die dafür aufgewendeten Mittel nicht vergebens
sein, sondern im Gegentheil' reiche Früchte tragen würden,
kann daraus geschlossen werden, dass es durch die bis
auf eine kleine Strecke erfolgte Beseitigung des Sedd, der
den Oberlauf des Nil viele Jahre hindurch verstopft hatte,
nunmehr gelungen ist, die Fahrstrasse des Nil bis in den
Kongostaat hinein benutzbar zu machen. Infolgedessen
hat bereits der Gouverneur des Sudan mit der „Egyptian
and Soudane Development Company“ einen Vertrag ge-
schlossen, für eine Zeit von 10 Jafiren einen Personen-
Dampferverkehr zwischen Kartum und verschiedenen
Plätzen am oberen Nil bis Lago hinauf zu unterhalten.
Wird es auch nicht immer gelingen, mit so geringen
Mitteln einen so grossen Erfolg zu erzielen, so lehrt doch
u.'-a. auch der Hinweis eines Forschers, der den Mungo
(Kamerun) wiederholt befahren hat, dass schon durch Be-
seitigung der Aeste der im Flussbett liegenden Baumstämme
die Schiffahrt von Mund am e bis zur Mündung wesentlich
verbessert werden könne, dass es unter Umständen nur
einfacher MitteLund geringer Kosten bedarf, um die Schiff-
fahrt zu verbessern.
No. 28.
Von besonderer Wichtigkeit sind in dieser Beziehung
auch die Erfahrungen, die der berühmte amerikanische
Kundschafter Major Burnham nach halbjährigem Gold-
suchen in den Sümpfen und Wäldern der Goldküste in-
bezug auf die Schiffahrt des die Grenze von Togo bilden-
den Voltaflusses gemacht hat. Burnham sagt: „Der Volta
wird von beständigen Ufern begrenzt und ist frei von
Sandbarren; zwei Meilen Eisenbahn um eine Stromschnelle
werden ihn auf 500 Meilen von der See schiffbar machen.
Ich hoffe, bald eine Flotte Flusschiffe, Heckraddampfer,
wie auf dem Nil, bei der Arbeit zu sehen, zusammen mit
leichten Eisenbahnen, die von den verschiedenen Berg-
werken an die Ufer des Volta das Erz zur Weiterbe-
förderung zum Dampfer bringen.“
Ich schliesse mit dem Wunsche, dass diese Mittheilun-
gen den Erfolg haben mögen, den deutschen Wasser-
Bautechnikern ein neues, wenn auch sehr schwieriges, so
doch hoch interessantes Feld der Thätigkeit zu eröffnen
und dadurch die wirthschaftliche Erschliessung unserer
Schutzgebiete wesentlich zu fördern. —
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- u. Ing.-Vereln zu Hamburg. Vers, am 24. Jan.
1902. Vors. Hr. Zimmermann, anwes. 14t Pers.
Es erhielt das Wort Hr. Vermehren über „Den
neuen Stadt- und Vorortbahn-Entwurf“, den der
Senat am 24. Dez. 1901 der Bürgerschaft zur Beschluss-
fassung vorgelegt hat.
Die Bahn war zuerst i. J. 1893 von Ob.-Ing. F. Andr.
Meyer als Vollbahn im Anschluss an die Hamburg- Alton aer
Verbindungsbahn geplant. Angeregt durch einen Entwurf
von Siemens & Halske und der Allg. Elektricitäts-Ges.,
dessen Urheber die Ing. Gleim und A ve-Lalleman,t
waren, entschlossen sich- die Hamburgischen Behörden,
statt einer Vollbahn ein selbständiges Hamburgisches Klein-
bahnnetz in der Art der Berliner Hoch- und Untergrund-
bahn vorzusehen, über dessen Linienführung jahrelange
Verhandlungen stattgefunden haben. Der gegenwärtige
Entwurf von Siemens & Halske, der Alig. Elektricitäts-
Ges. und der Strassen-Eisenbahn-Ges, zu Hamburg ist aus
den früheren Entwürfen entstanden durch Einbeziehung
eines Entwurfes der letztgenannten Gesellschaft, der einen
grossen Strassendurchbruch vom Rathhausmarkt nach dem
Steinthor und dem neuen Hauptbahnhof enthielt und da-
durch eine fast geradlinige Durchquerung der inneren
Stadt ermöglichte. Die Bahn wird als Hochbahn von den
Landungsbrücken in St. Pauli längs der Elbe bis zum
Baumwall und über den Rödingsmarkt nach dem Mönke-
damm führen. Hier ist eine Rampe mit einer Neigung
von 1 : 20,7 vorgesehen, mit welcher die Bahn zur Unter-
grundbahn übergeht. Die Börse wird nach Südosten frei-
gelegt und erweitert. Der Neubau wird in Höhe der Keller-
sohle von der Bahn durchfahren. Der Tunnel folgt der Gr.
Johannisstrasse bis zum Rathhausmarkt, biegt in den er-
wähnten Strassendurchbruch nach dem Steinthor ein, unter-
fährt den Hauptbahnhof und folgt der Grossen Allee bis
zum Berliner Thor. Dann schwenkt die Bahn nach der
Lübeckerstrasse hinüber und erhebt sich, indem sie sich
dem Eilbeckkanal nähert, auf bequemer Rampe zur Hoch-
bahn, überschreitet den Eilbeckkanal und durchzieht den
Vorort Barmbeck als Hochbahn. An der Pestalozzistrasse
in Barmbeck biegt die Bahn nach Westen um, durchfährt
Winterhude und Eppendorf und wendet sich südwärts
über die Schlankreye nach der Sternschanze. Hier tritt
die Bahn wieder in den Tunnel ein, unterfährt den künfti-
gen Bahnhof Schanzenstrasse und führt durch den Schlacht-
und Viehhof und unter dem Heiligengeistfeld nach dem
Millernthor. Sich durch den Elbpark im Tunnel hindurch-
windend, erreicht die Bahn ihren Ausgangspunkt an der
Elbhöhe unterhalb der Seewarte. Eine. Anschlussbahn
einfachster Bauart führt von Eppendorf nach Ohlsdorf.
Haltestellen werden in durchschnittlich 800“ Entfernung
an allen Hauptverkehrspunkten, insbesondere am Rath-,
hausmarkt und am Steinthor errichtet. Letztere Haltestelle
erhält eine unmittelbare unterirdische Verbindung mit dem
Hauptbahnhof. Der grössere Theil der insgesammt 22,7 km
langen Bahn ist einfacher Erdbau, der Rest besteht aus
Viadukten (4,5 km) und Untergrundstrecken (5 km).
Der für den Betrieb erforderliche elektrische Strom
wird in einem besonders zu erbauenden Kraftwerk erzeugt.
Die Abmessungen der Bahn sind wenig grösser, als die-
jenigen der Berliner Ploch- und Untergrundbahn, die im
übrigen als Muster genommen wird. An der sich dem Vor-
trage anschliessenden Besprechung betheiligten sich die
Hrn. Gleim, Röhl, Schimpff und Stein. — St.
Vers, am 31. Jan. 1902. Vors. Hr. Zimmermann,
anwes. 34 Pers., aufgen. die Hrn.: Brandmstr. Krüger
und Fischer, sowie Arch. Ernst Rentsch und Ernst Walter.
Der Vorsitzende theilt mit, dass Hr. Dr. Albrecht be-
absichtige, einen Wettbewerb zur Erlangung von Fassaden-
Entwürfen für ein von ihm zu erbauendes Geschäftshaus
am Alsterdamm unter den Vereinsmitgüedern zu veran-
stalten. Hr. Ohrt erstattet Bericht über die Thätigkeit
des Geselligkeits-Ausschusses im abgelaufenen Jahre Hier-
auf verliest Hr. Himmelheber den von Hrn. Kohf ahl
verfassten Jahresbericht des Bibliothek- Ausschusses und
Hr. Groothoff erstattet den Kassenbericht.
5. April 1902.
Weiterhin berichtet Hr. Hagn über eine Druckschrift
des Hrn. Brth. Unger in Hannover betr. „Die Gebühren
der Architekten und Ingenieure in deren Thätigkeit als
gerichtliche Sachverständige“. Der Berichterstatter erörtert
eingehend die für die Beschlussfassung des Vereins inbe-
tracht kommenden Gesichtspunkte und gesetzlichen Be-
stimmungen, unter denen namentlich auch der § 413 der
C. P. O. Und der § 84 der Str. P. O., auf deren Anwend-
barkeit Ilr. Unger in seinen Erläuterungen aufmerksam
gemacht hat, genannt werden. Der Berichterstatter theilt
ferner seine eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiete mit
und beantragt: i, die Frage ad I durch das dem Hannover-
schen Verein diesseits eingesandte Material für erledigt zu
erklären; 2. die Fragen ad II und III mit Ja; 3. die Frage
ad IV a mit Nein , diejenige ad IV b dagegen mit Ja und
endlich 4. die Frage ad V mit Ja zu beantworten. Die
Versammlung beschliesst dem Anträge gemäss.
Endlich macht Hr. Martens einige Mittheilungen über
Einrichtungen für elektrische Licht-, sowie für Dampf-
bäder, die sich bezüglich des Preises und der gedrängten
Anordnung vortheilhaft von denjenigen unterscheiden
sollen, welche er vor kurzem bei Gelegenheit der Be-
sichtigung des Gramko’schen Institutes gesehen habe.
Während für die dort benutzten Lichtbade-Einrichtungen
ein Preis von 800 M. angegeben worden sei, könne man
solche Apparate bei einer hiesigen Firma bereits zum
Preise von 350 M. haben. Auch für den Bezug äusserst
billiger Einrichtungen für amerikanische Dampfbäder em-
pfiehlt Redner eine hiesige Firma, wo solche zum Preise
von 25 M. zu haben seien. Endlich macht Redner noch
auf die von der Firma Knackstädt und Näther herausge-
gebene Sammlung von Photographien Hamburger An-
sichten aufmerksam, deren Anschaffung er Liebhabern
empfiehlt. — tt
Vermischtes.
Ahornfussböden. Der Fussboden aus dem Holz des.
amerikanischen Zuckerahornbaumes (acer saccha-
riniim wangenh.), über den wir bereits vor einigen Jahren
(siehe Jahrgang 1896, Seite 183) berichtet haben, recht-
fertigt mehr und mehr die schon s. Z. gleich anfangs auf
ihn gesetzten Erwartungen. Das völlig ausgetrocknet
und durchaus astrein hier eintreffende Atiornholz besitzt
fast gar keine Poren und kann sich weder ziehen, noch
schwinden oder reissen. Die Prüfungsergebnisse der
kgl. Versuchsanstalt in Charlottenburg haben dargethan,
dass das Ahornholz alle anderen Plolzarten, sogar auch
das Eichenholz, an Widerstandsfähigkeit bei Weitem über-
trifft und auch bei feuchter Behandlung nicht wie letz-
teres schwarz wird. Alle Bretter sind 83 breit und
können in Riemen von 1,2 “ bis 4,9 “ Länge geliefert
werden. Sie sind stets beiderseits gehobelt und an allen
4 Seiten gespundet, sodass es nicht darauf ankommt, dass
die Enden der mit wechselnden Stössen zu verlegenden
Bretter gerade jedesmal auf einen Balken treffen. In-
folgedessen i't die Nagelung durchweg eine verdeckte,
und die Riemen lassen sich sowohl unmittelbar auf die
Balken, wie auf Blindboden bezw. auf abgängia gewordenen
alten Fussboden verlegen. Im letzteren Falle bedient
man sich statt der 22 starken Riemen solcher von 9,
12 oder 16 min Stärke. Für massive Decken hat es sich
andererseits auch sehr bewährt, anstelle der ehedem in
Asphalt verlegten Eichenholzriemen innerhalb flacher
Nuten der Betondecken, wie unsere Abbildung zeigt,
Lattenlager in Asphalt zu verlegen und auf diesen den
Ahornfussboden zu vernageln. Die Gehlläche gestaltet
sich hierdurch bei weitem elastischer und angenehmer.
179
In Hamburg sind Ahornfussböden bereits seit . 1894
besonders bei Staatsbauten vielfach angewendet, In Berlin
sind u.,a. in der Fabrik von Ludwig Loewe &• Co. grosse
Speicherböden damit belegt, wobei sich der Ahornboden
für das Transportiren von schweren Maschinentheilen
vorzüglich bewährt hat. Der Preis stellt sich in Hamburg
auf 3,50 M. für das qm für die 22 mm starken Riemen, für. die
schwächeren: entsprechend billiger. Bei allen Fabrik- und
Speicherräumen, wo die:Böden nur gefegt werden, oder
bei Wohnräumen, wo dieselben stets gescheuert werden,
lässt man sie ganz ohne Anstrich einfach in der natür-
lichen weissen Farbe des Holzes stehen. Wo sie viel-
facher .oder dauernder Nässe ausgesetzt sind, können sie
mit 2/g Terpentin und V3 Leinöl geölt werden. In bes-
seren Räumen mit geringer Benutzung wird der Boden
ohne vorheriges Oelen lackirt und bildet dann eine tadel-
los gleichmässige, fugenlose nahezu weisse Fläche, die sich
in allen Fällen billiger :Und haltbarer stellt als jeder, andere
Stabfussboden. Den Vertrieb für Deutschland besorgt die
Firma Koefoed & Isaakson in Hamburg. — Fw.
Im grossherzogl. hessischen Finanzministerium ist die
Stelle eines technischen Vortragenden Rathes neu ge-
schaffen, dessen Thätigkeit vorwiegend auf dem Gebiete
der Wasserversorgung und Abwässer-Beseitigung liegen
wird (der also einen Theil der Funktionen auszuüben hat;, die
in Preusseii der neu errichteten Versuchs- und Prüfungs-
anstalt für Wasserversorgung und Abwässer -Reinigung
zugetheilt sind). Zu dieser Stelle ist der auf diesem Ge-
biete schon länger erfolgreich thätige Zivil-Ing. Reg.-Bmstr.
Rudolf Schmick aus Frankfurt a. M. mit dem Titel Ober-
Baurath berufen worden. —
Ehrenbezeugungen an Künstler. , Die theologische Fakul-
tät. der kgl. Universität zu Berlin hat den Architekten,
Wirkl. Geh, Ob.-Brth. Friedrich Adler in Berlin,. Professor
an der Technischen Hochschule z.u Charlottenburg und
Mitglied der kgl. Akademien der Künste und für Bau-
wesen in Berlin, zum Ehrendoktor ernannt, weil er
durch Errichtung . und Wiederherstellung von Kirchen-
bauten dem Vaterlande neuen Glanz verliehen, sowie die
Geschichte und die Denkmäler der Baukunst in Bild und
Wort gelehrt und klar und gehaltreich, dargesteUt habe. —
P.reisbewerbungen.
Der Wettbewerb betr. Entwürfe für ein Stiftsgeb.äude
nebst Küchen- und Gärtnerhaus der Elly Hölterhoff-Böcking-
Stiftung ln Honnef bietet an 'sich eine nicht uninteressante
Aufgabe dar, ist aber in einigen Punkten zu beanstanden.
Zunächst erscheint das Arbeitsmaass, namentlich die For-
derung der geometrischen Zeichnungen 1:100, grösser,
als es üblich und zur Beurtheilung der Entwürfe nöthig
ist. • Die dem Baufache angehörigen Mitglieder des Preis-
gerichtes bilden ferner . nicht die Mehrzahl, ihre Zahl ist
nur gleich der der übrigen Mitglieder des Preisgerichtes.
Hinsichtlich der Ausführung ist vollständig freie Hand Vor-
behalten. Die Preise können auch in anderen Abmessun-
gen vertheilt werden.
Es handelt sich um die mit einer Summe von 300000
bis 350000 M. zu errichtende Baugruppe eines Stiftshauses
für 12 Damen, die sich mit der Unterrichtung junger
Mädchen in der Haushaltung befassen, In einem Neben-
hause sind Küche, Schulzimmer usw., in einem weiteren
Nebenhause der- Gärtner und die seiner Verwaltung unter-
stehenden Stallungen unterzubringen. Der Baustil ist
freigestellt; hinsichtlich des Materiales ist bestimmt, dass
Fachwerksbau ausgeschlossen sein soll und die Gebäude
in Haustein mit Putz, oder mit Backstein- oder Tuffstein-
Verkleidung entworfen, wer den sollen. Sollte.es gelingen,
das Preisausschreiben etwas mehr den bisher bewährten
Grundsätzen anzupassen, so würden wir die Theilnahme
an ihm wohl empfehlen können. —
Einen Wettbewerb, betr. Entwürfe zu einer Bronze-
plakette, Grösse 16 : ii bis i6: 2ocm erlässt das Oester-
reichiche Museum für Kunst und Industrie in Wien für
Künstler österreichischer Staatsangehörigkeit oder solche,
die in einem der im Reichsrathe vertretenen Königreiche
und Länder. ansässig sind. Es. gelangen 3 Preise von 2500,
1500, und 800 Kr. zur Vertheilung; dem zur Ausführung
gewählten Entwurf wird ein. besonderer Preis von 500. Kr.
zuerkannt. . — •
Chronik.
Die Errichtung eines neuen, Stadttheaters in Freiburg
i. Br. nach .den Entwürfen des Hrn. Ärch. Heinr. Seeling in Berlin
ist nunmehr von den Stadtverordneten einstimmig beschlossen vi?orden.
Ein Gesetz betr. die Erhaltung- der. Kunstalterthümer. ist
•von dem Berner Volk, angenommen worden. Sämmüiche beweg-
lichen Kunistgegenstände des, Staates, der Gemeinden' und .öffentlich-
, rechtlichen Körperschaften, die als, geschichtliche ..Denkmäler oder
kulturgeschichtliche Alterthümer einen Werth haben, werden in ein
durch die Regierung zu führendes Inventar aufgenommen und dürfen,
ohne Bewilligung dieser Behörde nicht veräussert werden. Das
Gesetz bezweckt hauptsächlich, den Verkauf von Alterthümern
nach dem Auslande zu verhindern. —
Der Bau einer .Thalsperre bei Nordhausen mit einem Auf-
w.ande von öooooo.M, ist von den dortigen Stadtverordneten be-
schlossen worden —
Ein neues Opernhaus für . St. Petersburg für 2300 Per-
sonen und mit einem Aufwande von 1900000 Rbl. soll errichtet
werden. Ob es sich dabei um den mehrfach erörterten Entwurf
des verstorbenen Arch. Prof. V. Schröter (s. igoi, No. 38) han-
delt, ist aus unserer Quelle nicht ersichtlich. —
Ein Stadt. Elektrizitätswerk in Fürth soll nach den Ent-
würfen des Hrn. Brth. Uppenborn in München mit einem Auf-
wande von 420000 M. erbaut werden. —
Die künstlerische Umgestaltung des Palais des Gross-
fursten Sergius' in' St. Petersburg ist dem Architekten Prof.
J. M. Olbrich in Darmstadt übertragen worden. —
Ein neues Polizeigebäude in Augsburg, welches mit einem
Kostenaufwande von rd. . i Mül. M. nach dem- Entwurf des Hrn.
Stdtbrth. Steinhä.u.sser .und unter Mitwirkung des Hrn. Prof.
Friedr. v. Thiersch in München errichtet wurde, ist seiner Bestim-
mung übergeben worden. Das an der Maximilianstrasse errichtete
Gebäude schliesst sich sowohl im Aeusseren wie insbesondere
in seiner malerischen Hofanlage der Architektur Augsburgs an. —
Das neue eidgenössische Parlaments-Gebäude in Bern
(Arch. Prof. Hans Auer in Bern), ist am i. April d. J. feierlich
eingeweiht worden. Aus diesem Anlass wurde sein Schöpfer zum
Ehrenbürger von Bern ernannt. —
Herstellung kleiner 'Wohnungen in Berlin. Die Stadtge-
meinde Berlin gewährte der Aktien-Gesellschaft „Verein zur Ver-
besserung der kleinen Wohnungen in Berlin“ .ein mit 3^2% zu ver-
zinsendes Darlehen von 500000 M. mit der Verpflichtung, kleine
Wohnungen mit einem Miethwerthe herzustellen, welcher nur der
Verzinsung und Amortisation des für die Herstellung aufgewendeten
Kapitals, der Kosten für Instandhaltung und Verwaltung entspricht. —
Der Durchschlag des Albula - Tunnels ist im, Mai, des
Jahres zu erwarten. Der 5,8 km lange Tunnel ist zur Durchführung
einer Schmalspurbahn nach dem Engadin bestimmt. Man wird dann
in 3 Stunden von Chur, in 6 Stunden von. Zürich nach dem Engadin
gelangen können. Die Fertigstellung der Bahnlinie ist für 1903 in
Aussicht genommen. —
Die Errichtung eines neuen Krankenhauses der Stadt
Charlottenburg am Spandauer Berg- erfolgt nach den Entwürfen
der Architekten Schmieden & ,Boethke in Berlin mit einer
Bausumme von rd. 3025000 M, —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Reg.-Bmstr. Hagen ist z. Mar.-Garn.-
Bauinsp. in Kiel ernannt.
Baden. Zugetheilt sind die Ing. -Praktik. ; Spiess der Wasser-
u. Strassen-Bauinsp. Donaueschingcn, Nesselhauf derj. in Bonn-
dorf, Walther dem bautechn. Bür. der Ob. -Dir. des Wassei'- u.
Strassenbaues, Hopp der Kultur-Insp. Heidelberg, Schüler
derj. in Konstanz und Menningen derj. in Waldshut.
Preussen. Dem Landbauinsp. Fülle s in Wittlich ist der
Rothe Adler-Orden IV. Kl. verliehen. —
Der Reg-Bmstr. Dethlefsen in Königsberg i. Pr. ist zum
Prov. -Konservator der Prov. Ostpreussen bestellt.
Die Reg.-Bfhr. Paul Ramme aus Rendsburg, Paul Zipler
aus Berlin (Eisenbfch.), — Heinr. Pontani aus Eschwege, Alb.
Proske aus Namslau (Masch.-Bfch.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Den Reg.-Bmstrn. Ad. Jörgensin Oberhauseo, Matth. Wein-
garten in Köln, Fel. Klöpel in Berlin und Herrn. Ludowieg in
Landsberg a. W. ist dienachges. Entlass, aus dem Staatsdienst ertheilt.
Der Geh. Brth. Lükcn in Stettin, der Eisenb.-Dir. G ö tz e in
Frankfurt a. O. uad der Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Gremler in
Gleiwitz sind gestorben.
Sachsen. Dem Geh. Brth. Bergmann bei der Gen.-Dir.
der Staatseisenb. ist das Offizierkreuz des Aibrechtsordens und
dem Ob.-Brth. Pagenstecher bei ders. Behörde der Tit. und
Rang eines Geh. Brths. verliehen.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. A. St. in Medebach. Sofern Sie das Recht zur Anlage
der Fenster und zur Traufe urkundlich nachweisen können, be-
dürfen Sie keiner Erlaubniss des Nachbars, im Neubau Fenster an-
zulegeh und das Dach so zu gestalten, dass das Wasser herabfällt.
Wir glauben indess aus Ihrer Sachdarstellung annehmen zu dürfen,
dass es sich um ein Zwischenraumsrecht handeln wird und dass
zu diesem Z-wischeuraum jeder der beiden Nachbarn Land herge-
geben hat. Zwar ist der Zwischenraum an den verschiedenen
Stellen ungleich, dagegen liegt die Grenze von Ihrem Grundstücke
durchweg. 50 cm, also etwa iV-iFuss zurück. Wahrscheinlich wird
also Ihr Grundstück zuerst aufgeführt sein und den landrechtlichen
Abstand ringehalten haben, wonach der Nachbar baute, der aus
irgend welchen Erwägungen mit seinen Baulichkeiten weiter zu-
rückgeblieben ist. Weil somit die Rechtsnatur der einschiagenden
Verhältnisse sehr verschieden sein kann, sind wir zu einem un-
trüglichen Urtheile ausser Stande und rathen Ihnen, einen dortigen
Anwalt zu befragen. . — K. tl-e.
Inhalt: Die Strassenbrücken der Stadt Berlin. — Berliner Neubauten.
No. 102. Die. Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens
(Fortsetzung). — Der tVasserbau in den deutsch-afrikanischen Schufzge-
Ueten..—, Mittheilungen aus Vereinen. — Vermischtes — Preisbewerbun-
gen. — Chronik. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
-Verlag der Deutschen Bauzeitun^ G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmaan, Berlin. Druck von 'Wilh. Greve, Berlin.
180
No. 28.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 29. Berlin, den 9. April 1902.
Kleines Hirschhaus. Architekten; Kayiser & v Groszheim in Berlin.
Berliner Neubauten.
No. 102. Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens.
(Fortsetzung.) Hierzu die Abbildungen S. 183, 184 u. 185.
V. Das neue Vogelhaus. (Abbildgn. S. 184 u. 185.)
Architekten: Kayser & v. Groszheim in Berlin,
las die erste mit der zweiten grossen Bau-
V Periode des Gartens verbindende neue Vogel-
; haus, welches nach den Entwürfen der Archi-
tekten Kayser & von Groszheim in zier-
' lichem maurischen Stile errichtet wurde, steht
an der grossen Rundpromenade des Gartens und ge-
langte zunächst nur in seinem östlichen Theile zur
Ausführung. Die gesammte Anlage ist aus dem Grund-
riss S. 184 ersichtlich ; siehatn-Form und schÜesst eine
malerisch gelagerte Reiher- und Schwimmvogel- Voliere
zwischen den beiden Flügeln ein. Die Anordnung ist
so getroffen, dass man nach der Vollendung des ganzen
Gebäudes aus 4 Vorhallen in die Schauräume tritt; der
östliche und der westliche Schauraum sind gewisser-
maassen zweischiffig gehalten. An beiden Seiten der
grossen Schauräume entlang sind die Käfige aufge-
stellt, hinter welchen sich die Wärtergänge hinziehen.
Auch hier ist der Versuch unternommen, durch ange-
baute Pflanzenhäuser mit der Darbietung des Thieres
gleichzeitig eine Belebung durch Pflanzen zu geben.
Der die beiden Flügelbauten verbindende Zwischen-
theil soll die Raubvögel aufnehmen. Bei ihnen ist
der Wärtergang vor den Käfigen geplant, um die
Berührung der Besucher mit den Raubvögeln zu ver-
meiden. Die verhältnissmässig schlichte, gegen das
reichere Aeussere abstechende Durchbildung des
Inneren mit seinen vorwiegend weissen Tönen, von
welchen sich das bunte Gefieder der Vögel wirkungs-
voll abheben soll, geht aus der Abbildung S. 185
hervor. Das Plätschern der aufgestellten Marmor-
brunnen w'ird in dem Ohren betäubenden Konzert der
tropischen Vögel nicht vernommen. Die Darbietung
der Thiere erfolgt hinter Spiegelscheiben. —
VI. Das neue Stelzvogelhaus. (Abbildgn. s. 169 u. 17t.)
Architekten: Kayser & von Groszheim in Berlin.
Gegenüber dem neuen Vogelhause liegt das neue
Stelzvogelhaus. Für die Durchbildung desselben wur-
den die Kunstformen des äussersten Osten gewählt.
In seiner Grundrissanlage ist es von grösster Ein-
fachheit: ein Rechteck mit einem durchziehenden Mittel-
gang, an dessen rechter Seite, vom Beschauer durch
Glas abgeschlossen, sich die Käfige der fischfressenden
Stelzvögel befinden, während die Käfige der linken Seite
durch Drahtgitter abgeschlossen sind. Die farbige und
die ornamentale Behandlung sind sowohl im Aeusseren
wie im Inneren reich und, namentlich was das Aeussere
anbelangt, mit grossem Glück japanischen Vorbildern
nachgebildet. Mit dem leuchtenden Roth des Holz-
werkes vereinigen sich in der Wirkung die goldenen
Löwenköpfe sowie farbige naturalistische Pflanzcn-
Ornanicnte in einer interessanten Antragetechnik. Der
ornamentale und figürliche Theil des Hauses entstand
unter der geschickten Hand des Hrn. Prof. G, Ricgel-
mann, während die Malereien sowie die übrige farbige
Behandlung durch Hrn. Maler J. Senft (in Firma
181
M. J. Bodenstein) ausgeführt wurden^ Die Rohb-au-
arbeiten hatte die Firma Held & Francke über-
nommen, während die durch ..den Stil bedingte
schwierige Eindeckung des Daches mit grün glasirten
Ziegeln (Nonnen und Mönchen) durch die Firma
W.. .Neumeister erfolgte. Das Haus wird durch eine
Warmwasserheizung erwärmt, welche von Herrn.
Lieb au in Magdeburg ausgeführt wurde.
Der dekorative Schmuck des Inneren wird in
schöner Weise ergänzt durch die Aufstellung eines
japanischen Götterbildes in Bronze, eines Geschenkes
•des Vorsitzenden -des 'Gartens, Hrn. Geh. Brth. W.
Bö ckmann,- sowie durch 2 japanische Tempellaterneii,
welche Rex & Co. in, Berlin dem Hause widmeten.
In der Ueberwindung der nicht leichten Aufgabe,
die Bedürfnisse eines heizbaren Thierhauses in unse-
rem Klima mit den Formen und Mitteln- des japani-
schen Stiles zu befriedigen, war der Direktor des Gartens,
Hr. Dr. L. Heck,, in der Lage, die Architekten in
der wirksamsten Weise zu unterstützen. Aus dieser
gemeinsamen Arbeit ist ein anziehendes und vorbild-
liches Werk des Gartens entstanden. —
(Fortsetzung folgt.)
Mittheilungen aus Vereinen.
Dresdner Architekten-Verein. Am ii. Febr. d. J. hielt
Hr. Ob. -Ing. Meng einen höchst interessanten Vortrag
über „die Anwendung des elektr. Starkstromes
im Hochbau", in welchem Redner, wie er vorweg be-
tonte, eine Reihe von an sich nicht zusammenhängenden,
die Architekten aber besonders interessirenden Einrichtun-
gen zusammenfasste.
Zunächst ging er auf das Gebiet der Beleuchtung ein
und besprach zuerst die neuerdings besonders in Stettin
vielfach eingeführte^ sich selbstthätig beim Oeffnen der Thür
einschaltende und nach einigen Minuten wieder ausschäl-
tende Treppenbeleuchtung. Er ging Sodann auf die neuer-
dings sehr modernen Deckenbeleuchtungen ein^ bei denen
besondere Vorsichtsmäassregelri mit Rücksicht auf did,
Peuergefährlichkeit, namentlich eine -gute VentilatioHj ah-,
züwenden sind. Der Vortragende erläuterte dann einige
neuere Erscheinungen auf dem Gebiete der elektrischen,
Beleuchtung, im besonderen die bekannte Nernstlampe,
die Osmium-Lampe von Dr. Auer,, Erfinder des Gas-
glühlichts, dann die bisher noch nicht über Laboratoriums-
Versuche hinausgekömmene Elektrolyt-Lampe von Dr.
Rasch und eine elektrische Quecksilber- Dampf-,
lampe des Amerikaners Co Oper Hewit. Letztere Lampe
ist ebenfalls noch nicht über den Versuch hinausgekommen.
Das Licht geht von einer in ganzer Länge leuchtenden
Quecksilberröhre aus, nähert sich also dem zerstreuten
Tageslicht. Die- Osmiurn-Lampe soll demnächst in den
Handel gebracht werden; Sie arbeitet nur mit ganz ge-
ringer Spannung (20 Volt), sodass. ihre Anwendung bei
Gleichstrom Sch-wierigkeiteii bietet;
Von neuen Bogenlampen ist jetzt vielfach die
Bremerlarape, namentlich in Berlin, zur Verwendung
gekommen, deren Licht ein überaus helles, goldgelbes ist.
Die Lampe würde jedoch im geschlossenen Raume nicht
zu verwenden sein. Ihre Wirkung wird durch Zusätze
von Chemikalien zu den Bogenlichtkohlen erzielt und
scheint auf den gleichen Grundsätzen wie die Rasch’sche
Elektrolyt-Lampe zu beruhen.“ s Kr:' =- -
Interessant ist ein Vergleich der erzeugten Hitze bei
den genanntenLampen. Es entstehen folgende Hitzegrade:
Lichtbogen der Bogenlampe 3750—4200, Faden der Nernst-
lampe 2200 — 2480, Gasgiühlichtlampe 2200 — 2450, Kohlen-
glühlampe 1875—2100, während eine Stearinkerze 1750 bis
1960° C liefert. Auffallend ist die Uebereinstimmung der
Nernstlampe mit der Gasgiühlichtlampe, was auf die gleich-
artige chemische Beschaffenheit der Glühkörper zurück-
zuführen ist.
Zur Kraftübertragung wird die elektrische Kraft
im Hochbauwesen sowohl während der Bauausführung,
wie als dauernde Einrichtung im fertigen Bau, verhältniss-
mässig noch wenig in Anwendung gebracht. Es gilt dies
namentlich von den Ausführungen, trotzdem sich die
elektrische Kraft zu Hebungen von Lasten, Betrieb von
Baupumpen sehr gut eignet. Sehr weitgehender Gebrauch
von Elektromotoren ist im Dresdener neuen Johannstädter
Krankenhause gemacht worden. Diese Anlagen arbeiten
dort tadellos. Auch bei Waschhäusern hat der Betrieb
mit Elektromotoren Anwendung gefunden. Am ver-
breitetsten ist aber jedenfalls ihre Anwendung zum Be-
trieb von Aufzügen für Personen und Lasten. Bei tief-
liegenden Grundstücken empfiehlt sich ferner die An-
wendung selbstthätiger elektrischer Pumpen zum Her-
ausschaffen der Abwässer nach den höher liegenden
Schleusen, die Betriebskosten sind dabei sehr gering,
Die Verwendung der Elektrizität zu Heizzwecken
macht ebenfalls Fortschritte, in Dresden allerdings .noch
wenig, da der Preis des Stromes ein zu hoher ist. 'Prak-
tische Verwendung der Elektrizität zu Heizzweoken ist
auch in der Küche möglich. Die elektrische Küche ist als
das Ideal einer Küche zu bezeichnen, da alle die störenden
Nebenerscheinungen, wie Stauberzeugung durch Kohlen
und Asche usw. in Wegfall kommen. Der Hr. Vortra-
gende führte das Beispiel einer solchen, seit mehreren
Jahren in Betrieb stehenden Küche an. In derselben kostet
für einen Hausstand’ von 4 — 5 Personen die Koch- und
Brat-Einrichtung jährlich ungefähr 1500 M. Die Betriebs-
kosten stellen sich bei elektrischem Strome, allerdings noch
50 — iooO/q höher, -Jals bei Verwendung von. Gas zu Koch-
zwecken, eine Vertheüerung, die den Vortheilen, gegen-
über in zahlreichen Haushaltungen keine so bedeutende
Rolle spielt. Der Vortrag wurde durch Vorlage von Ab-
bildungen und Modellen unterstützt und fand den leb-
haften Beifall der Versammlung. ‘ O. H.
Arch.- u. Ing.-Verein zu Hamburg. - Vers, am 7. Febr.
1902. Vors. Hr; Zimm-ermann, anwes.-v88 :Pfers.--c ;
Der m Verfolg der Tagesordnung gehaltene Vortrag
der Hrn. Melhop und Schüler über die Alster und
Thre Zuflüsse unter besonderer Berücksichtigung des
im Bau begriffenen Osterbeck-Kanals mit Ausstellung Von
Planen und Vorführung von Lichtbildern führte die Zu-
hörer unter Leitung des Hrn. Melhop in das Quellengebiet
der Alster im Henstedter Moor, wo sie auf -f- 31,20“ über
Hamburger Null entspringt. Ihr Lauf misst eine ^ Länge
■von 59 k.“ bis zur GraskellerschleuSe in. Hamburg und er-
leidet ein Gefälle von 24“; 40 k“ sind schiffbar und von
Haidkrüg bis Fuhlsbüttel- mit 8 Schleusen versehen, die
als Fluth- oder Staüschleusen 1,4 bis 2,2“ Gefälle .haben.
Früher reichte die Schiffbarkeit weiter als bis Haidkrug,
nämlich bis Stegen, von wo der Alster -Tratte-Kanäl aD-
zweigte, der bei Oldesloe in die Trave mündete.
Derselbe wurde aufgrund des Vertrages zwischen
König Friedrich von Dänemark als Herzog von Schleswig
und den Hansestädten 'Hamburgiubeck irri Jahre 1525
als „Nige Waterfart" zwischen Hamburg ' und Lübeck in
Angriff genommen und nach dem Muster ähnlicher hol-
ländischer Bauten trotz aller wegen des moorigen Unter-
grundes entstehenden Bauschwierigkeiten i. J 1530 glück-
lich zu Ende geführt. Er kostete nach heutigem Gelde
etwa 860000 M.
Die Zahl der Schleusen, die ein Gefälle von 28“ über-
winden mussten, betrug 24 — 26, deren Lage heute vielfach
nicht mehr festzustellen ist. Es waren Kasten- und Fang-
oder Stauschleusen.
Aus den Ueberlieferungen er-giebt sich, dass an den
Schleuse'n und anderen Bauwerken des Kanals bald grosse
Schäden auftraten, die aus den Erträgnissen des Schleusen-
geldes nicht gedeckt werden konnten. Auch liessen ,es
die an den Nebenflüssen und Kanalufern anliegenden be-
güterten Adeligen nicht an Plackereien fehlen; sie hielten
Schiffe an, wollten Zölle erheben usw. Nur etwa 30 Jahre,
bis gegen 1560, wurde diese Wasserstrasse, .auf . durch-
gehender Fahrt benutzt. Um 1612 waren . manche Schleu-
sen schon ganz verfallen, andere ihrer Lage nach nicht
mehr bekannt. — Das unbefriedigende Ergebiiiss war be-
sonders begründet in der unzureichenden Kenntniss der
Geländeverhältnisse und der Wasserläufe, sowie in üh-
richtiger Ermittelung über das für die Kanalspeisung er-
forderliche Wasser. — Immerhin brachte die' Schiffbar-
machung der Alster auch in späteren Zeiten Vortheile für
Hamburg, welches von deren oberen Lauf her Kalk, Holz
und Torf billig .beziehen konnte. Heute ist der Verkehr
von- Kähnen, die theils auf Leinpfad gezogen,, theils ge-
stossen werden,' sehr gering, weil der Bedarf an Torf mst
-ganz aufgehört hat und fristet nur noch mit wenig Fahr-
zeugen sein Dasein.
Um so regeres Leben entwickelt sich im unteren
Alsterlauf und seinen beiden grossen Becken in der Stadt
sowie auf den Kanälen, welche von diesen abz'weigen.
Hr; Schüler berichtete so eingehend darüber an der Hand
. von Karten und ßau-Theilzeichnungen, dass deren Wieder-
gabe hier zu weit führen würde. Für den Bau des Oster-
•beck-Kanals, welcher bei 2 “Tiefe von 23“ auf 30“ ver-
breitert werden soll, sind 3 Mill. M. in Aussicht genommen,
ohne Grunderwerb, der durch -vorhandene Staatsankäufe
■erleichtert wird.
182
No. 29.
Beide Theile des Vortrages waren durch äusserst ge-
lungene Lichtbilder verdeutlicht und ernteten den vollsten
Beifall der Versammlung. — Gbl.
Vers, am 14. Febr. 1902. Vors. Hr. Zimmermann,
anwes. 64 Pers. Der Vorsitzende gedenkt des unerwarteten
llinscheidens unseres langjährigen fleissigen Mitgliedes
Ch. Westendarp, Ziviling. in Hamburg, und des Ablebens
des auswärt. Mitgl. Carl Hellström, Ing. in Stockholm.
Es spricht Hr. Faulwasser über das neue, bisher
am Jungfernstieg Np. 34 belegene, 1866 gegründete Heine-
Asyl am Holstenwall, welches rd. 260000 M. gekostet
hat, d. h. für das cbm bis Ob.-K.-Hauptgesims 27,40 M., bis
Ob.-K.-Mansarde 21.66 M. Ferner macht er Mittheilung
von einem neuen, mit allen Erfahrungen der Neuzeit herge-
stellten Kuhstall des Hrn. Lippert in Hohenbüchen
bei Hamburg, in welchem besonders die gute Lüftung durch
65 cm weite John’sche Sauger aus verzinktem Eisenblech
mit Ummantelung bemerkenswerth ist und die massive
Deckenkonstruktion, bestehend aus 12 cm starker „Kleine’-
scher Decke", belegt mit 9«“ Stichtorf, 3 cm Sägespähnen,
6 cm Torfsteinen und 5 cm Kiesbeton, zusammen 35 cm stark
zwecks Wärmehaltung gegen den 2000 cbm fassenden Futter-
9. April 1902.
boden hin, in welchem für jede Kuh rd. 60 cbm Futter und
Stroh lagern, letzteres in solcher Menge, weil täglich die
Streu erneuert wird — sonst rd. 14 cbm für jede Kuh — .
Durch besten Klinkerfussboden und Kachelbekleidungen an
den Wänden ist die Erhaltung grösster Sauberkeit gewähr-
leistet und durch Krippenscheidewände gegen Krankheits-
Uebertragungen Fürsorge getroffen. In gleichem Sinne
wirkt schützend, dass jede Kuh ihren eigenen Trinkbehälter
hat, dessen Deckel sie selbst öffnen kann. Ein Maschinen-
baus sorgt für Eisbereitung und elektrisches Licht. Schie-
nenstränge erleichtern die Dungabfuhr zu den Dunggruben.
Stalikosten rd. 60000 M. bei 4000 cbm
Fassungsraum,.
c Hr. Haller macht Mittheilungen i. über
c 2 das Haus des verstorbenen Hrn. Gottlieb
n " Jänisch, welches Ende der 1820er Jahre
n ^ von Forstmann erbaut wurde. Die Tochter
c - des ersteren wohnte sehr lange in dem
g g Hause, bis es vor 3 Jahren von Hm.
- S Amsing-Hamburg-Newyork gekauft und
js auf dessen Wun.sch von Haller zu einem
S ^ Junggesellenheim umgebaut wurde. Weit-
2 g g^ehende Unterfangungen der schlechten
O -g Grundmauern, Aenderung der Einfahrt
> « zwecks bequemen Ein- und Aussteigens,
^ o sowie Anlage von Wohn- und FrühstOcks-
0 zimmern in Verbindung mit Schlafstube,
2 N usw. im I. Obergeschoss, schliesslich
^ to eine Erhöhung des Dachgeschosses zu
-o einem vollen Geschoss für Fremden- wie
Dienerzimmer waren nöthig,
um das Gebäude, in welchem
Kaiser Wilhelm I. bei seinem
Besuche in Hamburg auf
einige Stunden Gast des Frl.
Jänisch gewesen war, den
vermehrten Ansprüchen ent-
sprechend zu gestalten.
2. Ueber eine Villa auf
dem Krähenberg beim Bahn-
hof in Blankenese, welche für
ihren ersten Besitzer Blaker
1794 von dem Kopenhagener
Arch. Hansen sen. als Fach-
werkbau im Tempelstil mit
Holzsäülen erbaut wurde und
nur Keller- nebst Erdgeschoss
fasste. 1807 kaufte es Hr.
Ross, dessen Tochter hier
voni8o7— iSgöwohnte. Dann
erwarb es Hr. Gossler, der
jetzige Besitzer; er liess es
1897 ausbauen. 1901 brannte
es infolge seiner wenig feuer-
sicheren Bauart ganz nieder
und ist nunmehr von Haller
massiv wieder erbaut unter
vollem Festhalten an dem
c g altenGrundriss und der Architektur vor dem
a Brande. Im April 1902 wird es bezogen.
~ ^ 3- Ueber das Afrika-Haus in der
■g g R.eichenstrasse, meist Büreauräume für
^ 2 die Firma Woermann u. Bohlen enthal-
« tend, dessen Umbau aus einem alten Ge-
« bäude wegen der unausgesetzten Be-
^ ■o nutzung des letzteren, dem Fortschritt
■ü 3 des Neubaues entsprechend, sehr schwie-
E rig war.
tS o 4- Ueber die Tuberkulosen - Heil-
„ -o Stätte in Edmundsthal bei Geesthacht
Q n und Bergedorf, welches 1890—99 für die
1 Männer-Abtheilung errichtet wurde, mit
j“ Maschinenbaus, Warmwasserheizung, elek-
^ tnschem Licht ausgesiattet und herrlich
5 gelegen ist. Liegehallen nach Süden. Die
Mittel waren von Hrn. Siemers gestiftet
und beliefen sich auf 396000 M. einschl.
Doktorwohnung usw. Kosten für das Bett
des Krankenblocks 1960 M. Seit 1901 wird an einer Frauen-
abtheilung gebaut, die 1902 fertig werden soll und für dasBett
wegenEinrichtungkleinererZimmer2566M.kostet,imgan2en
154 000 M., die ebenfalls Hr. Siemers bereit gestellt hat.
5. Ueber den Neubau des Büreaugebäudes für die
Amerika - Linie zwischen Ferdinandstrasse und dem
Alsterdamm, welches im Herbst 1902 bezogen werden soll.
Grundstücksgrösse 2685 q®, die für 570 M. f. i q® erworben
wurden. Eingehende Zeichnungen erläuterten beide Vor-
träge, welche von der Versammlung mit grossem Beifall
und Dank entgegengenommen wurden. — Gbl.
183
Arch.- u. Ing.-Verein zu Düsseldorf. Vers. v. 17. Dez.
1901. Vors. Hr. Radke. Aufgen. Hr, Beigeordn. Geusen.
Der Ausschuss für die Architektur- Ausstellung auf der
deutsch-nationalen Kunstausstellung 1902 zu Düsseldorf
erstattet eingehenden Bericht über die Vorbereitung-
Arbeiten in Gemeinschaft mit der Kölner Abordnung. Ks
anlässlich des Darmstädter Dokumentes Über Aufgabe und
Ziele der Architektur und des Kunstgewerbes und deren
Ausartungen. —
Vers. V. II. März 1902. Vors. Hr. Radke. Hr. Salz-
mann berichtet über die weiteren Fortschritte des Aus-
schusses für die Architektur-Ausstellung. Die Versammlung
EIRDGCSCHOSI
Das neue Vogelhaus. Architekten: Kayser & v. Groszheim in Berlin.
Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens ln Berlin.
wurde einstimmig beschlossen, die von der Ausstellungs-
Leitung angebotenen Räume im Palast als unzulänglich
zu bezeichnen und um die (inzwischen erfolgte) Mitüber-
weisung des südlichen, an der Hauptfront gelegenen Ober-
saales zu bitten. Hierauf folgte ein sehr anregender
Meinungsaustausch zwischen den Hrn. Radke und Fuchs
beschliesst, dem bisherigen Vorstands-Mitgliede, Geh. Brth.
Dreling, zu seinem 70. Geburtstage die Ehrenmitglied-
schaft des Vereins zu verleihen und zur Ueberreichung
des Diploms eine Feier zu veranstalten. —
Vers. V. 25. März 1902. Vors. Hr. Peiffhoven. Die
Vorstandswahl ergiebt die Wiederwahl des Vorsitzenden
184
No. 29.
9 April 1902-
Hm. Radke und der Vorstands-Mitglieder Peiffhoven und
Tharandt. Das Vereinsjahr 1901 brachte 14 Versamm-
lungen und 2 Ausflüge und schloss mit einem Bestand
von 75 Mitgliedern ab. Die Rechnungsprüfung ergab die
Entlastungs - Ertheilung an den Kassenwart. Das Baar-
vermögen beträgt 657 M. Aufgen. die Arch. Hrn. Goos
und. Fettweiss. Hierauf werden die Vorschläge für Neu-
regelung der Gebührenordnung für gerichtliche Zeugen
und Sachverständige nach Vortrag des Hrn. Tüshaus
durchberathen und es wird dem Anträge des Hrn. Unger
in Hannover im Wesentlichen zugestimmt. — Xh.
Vermischtes.
Der niederösterreichische Ingenieur- und Architekten-
Verein und die staatliche Kunstpflege in Oesterreich. Der
genannte Verein hat auf Antrag des Hrn. Hofrth. R. von
Gruber die Einsetzung eines Ausschusses beschlossen,
welcher Fragen der staatlichen Kunsttörderung berathen
und nach Zustimmung der Völlversammiung der Regierung
entsprechende Anträge vorlegen soll. Dem Ausschuss ge^.-
hören an: ;Chef-Arch. Karl Theod. Bach, Brth. Lud. Bau-
mann, Ob. Brth. Stadtbaudir. Franz Berger, Brth. Prof,
jul. Deininger, diplom. Arch. Max Fabiani, Ob. -Brth.
Mich. Fell'ner, Min-Rth. Emil R. v., -Forst er, ■ Hofrth,
Prof. Fran2: R. v. Gruber, Brth. Herrn. Helmer, , Brth.
Dombmstr. Jul. Hermann, Brth. Prof. Jul. Koch, Prof.
Karl König, Arch. Franz Freib. v. Krauss, Prof. Vict.,
Luntz, Prof. dipl. Arch. Karl Mayreder, Brth, Franz
R. V. Neumann, Prof. Fried. Ohmann, Bauinsp. Hans
Peschl, Hofrth. Prof. Aug. Prokop, Reg.-Rath Dir.
Camillo Sitte, Brth. Andr. Streit, Ob.-Brth. Prof. Christ.
Ulrich, Brth. Ludw, Wächtler, Ob.-Brth. Prof. Otto
Wagner, Arch. Ant. Weber -und Ob.-Brth. Alex, von
Wielemans. Bei der Begründung des Antrages er-
innerte v. Gruber daran, dass der Ausschuss für die bau-
liche Entwicklung Wiens mit A.ufmerksamkeit die Vor-
gänge bei dem Ausbau des letzten Theiles der Ringstrasse,
zwischen dem Wientlusse und der ehemaligen Dominikaner-
bastei, verfolge und sich darum veranlasst sah, nach Wegen
zu suchen, durch welche es möglich wäre^ in letzter Stunde
zu retten, was noch -zu retten ist. Mit dem Baugesetze
könne man derart wichtigen künstlerischen Fragen gegen-,
über nicht Vorgehen, der Ausschuss habe also unwillkür-
lich sein Augenmerk auf die im Ministerium für Kultus
und Unterricht bestehenden Körperschaften des Kunst-
rathes und der Kunstkommission gerichtet. Nun sei aber
von Künstlern, die denselben angehören, in Erfahrung
gebracht worden, dass ihnen jede Möglichkeit des Ein-
greifens in dieser und ähnlichen Angelegenheiten be-
nommen sei, und dass dem nur durch eine Neu-Organi-
sation der :staatlichen Pflege der bildenden Künste in
Oesterreich abgeholfen werden könnte. Durch eine solche
Organisation würden zweifellos auch Fragen berührt,
welche bei der baulichen Ausgestaltung Wiens zur Sprache
kommen; jene Organisation müsse aber viel weiter aus-
greifen und sich nicht nur auf die bei neuen Kunst-
schöpfungen zu ■ erledigenden Angelegenheiten beziehen,
sondern auch auf die staatliche Kunstpfiege im Allgemeinen,
auf den Kukstunterricht, die Erhaltung der vorhandenen
Kunstdenkrriiäler usw. ’ Für das .Studium dies.es ausgedehn-
ten Gebietes empfehle der Ausschuss'für die bauliche Ent-
wicklung Wiens einen besonderen Ausschuss. Gruber
giebt der Meinung Ausdruck, es möge wohl Manchem
idealistisch erscheinen, jetzt wieder an .das Studium einer
im öffentlichen Interesse gelegenen .Organisation zu schrei-
ten, nachdejTt die vor nahezu zehn Jahren . vom Vereine
unternommenen Schritte .behufs Errichtung eines obersten
Baurathes ^nz erfolglos geblieben sind, obschon sich in
Preussen die seit nahezu -einem VierteJjahrhundert be-
stehende Akademie des Bauwesens und der noch ältere
österreichisdh.e oberste .Sanitätsrath, welche dem Wesen
nach ganz ähnliche Fachräthe sind, in jeder Beziehung'
bewährt haben. Der Ausschuss glaubte aber, dass der.
Verein dieser neuen Frage nicht ausweichen solle. . Dem
Ausschüsse solle es Vorbehalten bleiben, unt. Urast. durch
Veranstaitur g einer Enqugte, Vorschläge für jene Orgam-
sation auszu^rbeiten, sowie die Wege zu berathen, weiche
man einschlagen müsste, um diese Vorschläge, falls- sie
vom Verein^ genehmigt wenden, allenfalls gemeinsam -mit
den Künstlerveremen Wiens und den Organen der.StaatSr
Verwaltung zur Vorlage zu 'bringen.
Billige Wohnuügen im Erbbaurecht ln Leipzig will, wie
wir in Eigänzung einer bez.,Notizin.No. 45, ipoi mittheilen
können, die'. „Gemeinnützige. Gesellschaft“ mit Hüle der
Stadt erstellen. Der Gesellschaft wird von der Stadt in ge-
sunder und bequemer Lage ein Gelände von rd. 82 400 q“
zum Baue von etwa 120 zweistöckigen Häusern in offener
Bauweise mit Vorgärten, Turn- undSpielplätzen, sowie park-
186^
artigen Anlagen auf die Dauer von, 100 Jahren zu Erbbau-
recht gegen einen Erbbauzins von jährlich 12 Pfennigen für
iq“ überlassen, während welcher Zeit die Gesellschaft das
Aktienkapital und die Hypotheken bequem tilgen kann.
Nach Ablauf von 100 Jahren gehen sämmtliche Gebäude
ohne Entschädigung an die Stadt über.. In den letzten
50 Jahren übt die Stadt das Aufsichtsrecht aus^ um einer
Verwahrlosung der Häuser vorzubeugen. Die Landes-Ver-
sicherungsanstalt gewährt ein Darlehen von 1200000 M.
zu massigem -Zinsfuss gegen Hypothek. , Der Gewinn der
Gesellschaft idarf 4% nicht -übersteigen. Die Wohnungen
sind für die ärmsten Klassen der Bevölkerung, vorzugs-
weise für Arbeiter, welche bei der Landes-Versjcherungs-
anstalt versichert sind, bestimmt. Jede Wohnung soll nur
einer Familie öder Person dienen; Aftermiethe ist ohne
Gen'ehmitiung der Landes-Versicherungsanstalt nifht ge-
stattet. Keine der Wohnungen darf mehr als 3. ausnahms-
weise 4 Wohn- und Schlafräume, einschl der Küche, ent-
halten. Eine fühlbare Konkurrenz für den sonstigen Grund-
besitz wird nicht entstehen, da derartige kleine Wohnun-
gen nur in sehr geringer Anzahl gebaut werden, ein be-
klagenswerther Umstand, der das Unternehmen der Ge-
meinnützigen Gesellschaft als dringend nothwendig und
unaufschiebbar erscheinen liess. —
•Sonnenbrand der Basalte. Bei den Pflastersteinen
zeigt sich bisweilen eine Krankheits-Erscheinung, infolge
deren die von ihr heimgesuchten Steine wenige Monate
nach ihrer Verwendung zerfallen und Lücken im Pflaster
hinterlassen. Dieser mit „Sonnenbrand“ bezeichneten Er-
scheinung hat Hr. Landesgeologe Dr. Leppla in Berlin
in der bei Julius Springer in Berlin erscheinenden „Zeit-
schrift für praktische Geologie“ .(Mai 1901) eine längere
Untersuchung gewidmet, aufgrund deren er zu der Ver-
muthung komrnt, dass der Sonnenbrand bei den Basalten
höchstwahrscheinlich auf der Gegenwart eines leicht zer-
setzbaren Natronsilikates in der Grundmasse der Basalte
beruht. Dieses Silikat hat die Neigung, an der Atmo^phäre
Wasser aufzunehmen und in Zersetzung überzu^ehen,
wobei sich der Raumgelialt vergrössert und durch Bildung
von Rissen der Zerfall eingeleitet wird. Bei frisch ge-
brochenem Gestein lässt sich die Anwesenheit des schäd-
lichen Silikates nur mit dem Mikroskop nachweisen, bei
Basalten, die bereits längere Zeit an der Luft lagen, er-
scheint es in der Gestalt von hellen Flecken in der dunklen
Gesteinsmasse. Die Erkennung auf chemischem Wege
erfolgt durch eine warme Lösung von kohlensaurem
Ammoniak oder durch verdünnte Essigsäure, welche die
hellen Flecken hervorrufen. —
Desinfizirende Wandanstriche. Den Versuchen über
desinfizirende Wandanstriche, die vor einiger Zeit an dem
hygienischen Institut der Universität Halle a. S. durch
Stabsarzt Dr. E. Jacobitz, sowie an anderer Stelle durch
Stabsapotheker Dr.Rapp inMünchen angestellt wurdeii und
über welche wir imJahrg.i9oiNo.54,56 und 102 berichteten,
sind nunmehr weitere Versuche des erstgenannten For-
schers gefolgt, über deren Ergebniss derselbe in No. 5
des XII. Jahrganges der „Hygienischen Rundschau" be-
richtet und auf welche wir, da uns der Raum zu ausführ-
licherer Wiedergabe mangelt, Interessenten verweisen. —
Techniker als besoldete Stadträthe. Am > . April d. J. ist in
.Leipzig Hr. Gasdirektor Wunder in sein neues Amt als
Stadtrath .eingeführt worden. Mit ihm hat die Stadt Leip-
’zig nunmehr 4 besoldete Stadträthe, die Techniker sind
..und zwar die Hrn. Stadtbrth. Prof. H. Licht, Stadtbrth.
' Scharenberg, .Stadtbrth. Franze und Gasdirektor Wunder.
Mit hoher Genugthuung wird der gesammte Stand der Tech-
niker von den Worten Kenntniss nehmen, mit welchen
Hr. Ob.-Bürgermstr. Dr. Tröndlin den neuen Stadtrath
in sein Amt einlührte. Er begrüsste es, nach den Leip-
. ziger Tagesblättern, mit Freuden, dass man bei der fort-
schreitenden Entwicklung und der hohen Bedeutung
s.des technischen Gebietes den Gedanken verwirklicht
; habe, die Stelle mit einer fachmännischen Kraft zu besetzen ;
^■man habe ja mit den technischen V.ertretern des
tRathes so a,uss,eror,den.tlich günstige Erfahrungen
gemacht. Die technischen Anforderungen würden immer
...bedeutender; die Stadtgemeinde stehe jetzr vor Fragen
der höchsten Wichtigkeit und die Wahl, welche die Stadt-
Kverordheten getroffen hätten, bedeute gewissermaassen
^die ;K,r.ö.n un.g einer Anschauung, welche man
früher nic.h't glaubte ver.w.irklichen zu können.
.nDer Redner gab' .der Zuversicht Ausdruck, dertieue Stadt-
rath werde sicher seinen Platz voll und ganz, ausfüllen.
Wie,.wohlthuend heben sich djese Worte .des unbe-
fangen und grossdenkenden Leiters eines vornehmen
städtischen Gemeinwesens ab von den engherzigen Zunft-
anschauungen, wie sie gelegentlich in ähnlichen Fragen in
der „Deutschen Juristenzeitung“ nach Ausdruck ringen. —
No. 29. ■
Der Korkstein ltn Wohnhausbau ist der Gegenstand
eines von der Firma Grünzweig & Hartmann, Ludwigs-
liafen a, Rh., herausgegebenen kleinen Schriftchens, das
in klaren Zeichnungen und kurzen Erläuterungen an dem
Beispiel einer grösseren Villa die vielfache Anwendbar-
keit, des in seinen Vorzügen — gute Isolirung gegen
.Fduehtigkeit und Temperatur-Einflüsse bei grosser Leichtig-
keit — ja hinlänglich bekannten Materials darthut. —
Zur Fortsetzung der Wiederherstellungs-Arbeiten am
Heidelberger Schloss. Um bei dem, Widerstreit der An-'
schauungen über die Fortsetzung der Wiederherstellungs-
Arbeiten am Heidelberger Schloss für die EntschlieSSun-
gen der grossh. badischen Regierung eine genügend sichere
Grundlage zu geben, ist für die zweite Hälfte des Monats
April die Einberufung einer neuen Kommission von Sach-
verständigen eingeleitet, die lediglich vom technischen
Standpunkte aus aufgrund einer Untersuchung des Baues
selbst die Frage beantworten soll, ob der Otto Heinrichs-
Bau mit ästhetisch vertretbaren Mitteln auf eine längereZeit-
dauer in seiner dermaligen Gestalt erhalten werden kann. —
Die 27. Versammlung des Deutschen Vereins für öffent-
liche Gesundheitspflege inMünchen findet vom 17, — 2o.,Sept.
d. J; statt. Auf der Tagesordnung befinden sich u. a. die
folgenden Gegenstände: „Die hygienische Ueberwachung
der Wasserläufe“ (Berichterstatter: Geh. Hofrth. Prof. Dr.
A. Gärtner in Jena und Wasserbauinsp. Schümann in
Berlin) ; „Die Wechselbeziehungen zwischen Stadt und
-Land inbezug auf ihre Gesundheitsverhältnisse und die
Sanirung der ländlichen Ortschaften“ (Berichterstatter:
•Geh. Med.-Rth. Dr. E. Roth in Potsdam); „Feuchte Woh-
nungen: Ursache, Einfluss auf die Gesundheit und Mittel
zur Abhilfe“ (Berichterstatter: Med.-Rth. Dr. Abel-Berlin
und Bauinsp. Olshausen in Hamburg). —
Ehrenbezeugungen an Künstler. Aus Anlass der Vollen-
dung des neuen Parlamentsgebäudes in Bern wurde dessen
Erbauer, Prof. Plans Auer in Bern, von der philosophischen
F akultät derUniversitätBasel zum Ehre n d o kt o r ernannt. —
Preisbewerbungen.
Der Verein deutscher Elsenbahnverwaltungen erlässt
ein Preisausschreiben für wichtige Erfindungen und Ver-
besserungen im Eisenbahnwesen mit einer Gesammtpreis-
Summe von 30 000 M. (ein solches Ausschreiben soll alle
4 Jahre veranstaltet werden). Je 3 Preise von 7500, 3000
und 1500 M. sind ausgesetzt für Arbeiten aus dem Gebiete
der baulichen und. mechanischen Einrichtung der Eisen-
])ahnen, einschl. ihrer Unterhaltung, bezw. für das Gebiet
des Baues und der Unterhaltung der Betriebsmittel. Ein
Preis von 3000 M. und zwei Preise von je 1500 M. sind
gemeinsam zu vergeben für Verbesserungen und Er-
findungen betr. die Verwaltung, den Betrieb und die
Statistik der Eisenbahnen bezw. für hervorragende schrift-
stellerische Arbeiten über Eisenbahnwesen. Das Pro-
gramm schlägt eine Reihe von Arbeiten zur Lösung vor,
ohne dadurch jedoch die Bewerber oder den vom Verein
deutsch. Eisenb.-Verwaltungen eingesetzten, aus 12 Mitgl.
bestehenden Preisausschuss festlegen zu wollen. Die Preise
können sowohl in derselben Gruppe gegebenenfalls anders
vertheilt, bezw. auch anderen Gruppen zugetheilt werden.
Mit Preisen können nur Erfindungen bezw. Schrift-
werke bedacht werden,, die in der Zeit vom 16. Juli 1895
bis 15. Juli 1903 ausgeführt, bezw. erschienen sind. Wich-
tig ist ferner die Bestimmung, dass jede Erfindung oder
Verbesserung, um zum Wettbewerbe zugelassen zu werden,
auf einer zum Verein dtsch. Eisenb.-Verw. gehörigen Eisen-
bahn bereits vor der Anmeldung zur Ausführung ge-
, bracht sein und der Antrag auf Ertheilung des Preises
durch die betr. Verwaltung unterstützt werden muss. Die
Bewerbungen, sind durch Beschreibungen,. Zeichnungen,
Modelle entsprechend zu erläutern und in der Zeit vom
i. Jan. bis 15. Juli 1903 an die geschäftsfülirende Ver-
waltung des Vereins dtsch. Eisenb.-Verw. ernzureichen.
Die übrigen Programm-Bestimmungen sind mehr formaler
Natur. Die Veranstaltung derartiger (übrigens nicht neuer)
Wettbewerbe kann nur mit Freuden begrüsst werden und
erscheint auch als geeigneter Weg, um zu eingehender
Arbeit auf den bezeichneten Gebieten anzuregen, sicherlich
niclrt. zum Nachtheile der Eisenbahntechnik. — .
Einen Wettbewerb betr. Entwürfe für eine Sparkasse
.in Laibach, erlässt die bez. Direktion mit Frist zum 10. Mai
d. J. .Es gelangen 3 Preise von 1400, 1000 und 600 Kr.
zur Yertheilung; ein Ankauf nicht preisgekrönter Entwürfe
für je 500 M. ist Vorbehalten. —
Zu einem Wettbewerb betr. ein Kossuth-Mausoleum in
Budapest liefen 12 konkurrenzfähige Arbeiten ein. Von
ihnen erhielt den I. Preis von.'Söoo, Kr.' die ‘der 'Hrni'Ko-
loman Gerster & Alois Strobl; den II. Preis von 4000 Kr.
.9. April 7902.
die Arbeit der Hrn. Bela-Leiterdorfer, Stefan To.th &
Eduard Telcs; den HI. Preis van 3000'Kr. die Arbeit der
Hrn. Rud. Hikisch'& Ludw. Matrai. 'Zum Ankat^ für
je lobo Kr. wurden 5 Entwürfe vorgeschlagen. Bei der
Thätigkeit des Preisgerichtes ereignete sich ein Zwischen-
fall, indem 3 der Preisrichter öffentlich erklärten, ' dass
nach ihrer Ueberzeugung die Beurtheilüng der Entwürfe
nicht von. künstlerischen Gesichtspunkten geleitet worden
sei ünd sie .daher für die Entscheidung die moralische Und
künstlerische Verantwortung nicht übernehmen könnten.
Dieser Aufsehen . erregenden Erklärung setzte der Vor-
sitzende des . Preisgerichtes zwar eine Erklärung mit der
•Versicherung . völliger Korrektheit des Verfahrens ent-
gegen, es wird aber doch vielleicht nicht ausbleiben, dass
die öffentlichen Erörterungen über die Angelegenheit sich
fortspinnen . Thatsächlich sind Bestrebungen im Gange,
das Urtheil des Preisgerichts aufzuheben.' —
Das akademische Reisestipendium der kgl. Akademie
der bildenden Künste in . Dresden Tm Betrage von 6000 M.
für eine zweijährige Studienreise wurde dem Architekten
Joh. Zimmermann aus Zwickau, einem Schüler Wallots,
verliehen. ^ —
Bücherschau.
Eduard Knoblauch. Ein Abriss seines Lebens. -Aus An-
lass des 100. Geburtstages seines Stifters ara'25. Sept.
1901 dem Architekten -Verein zu Berlin gewidmet
von Prof. P. Walle. Mit Knoblauchs Bildniss und
18 Abbildungen seiner hauptsächlichsten Werke.
Berlin 1902. Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn. —
Die Bedeutung von Eduard Knoblauch im Berliner
Kunstleben der ersten Hälfte des 19. labrhunderts is.t mit
an dem Umstande zu messen, dass er einmal ein von den
staatlichen Faktoren unabhängiger Vertreter der Privat-
Architektur war und dass er seinem ersten Vortrage in
dem von ihm begründeten Architekten-Verein zu Berlin
das Thema über die griechische und die deutsche Archi-
tektur zugrunde legte und die Geringschätzung der aus
der Eigenthümlichkeit des Volkes hervorgegangenen deut-
schen Architektur bekämpfte. Im Jahre 1824! Wallö, der
diese und ähnliche Eigenschaften und Aeüsserungen
Knoblauchs mit Recht mit Nachdruck hervorhebt, giebt
von ihm ein ausführliches Lebensbild und einen Ueberblick
über sein Schaffen, in welchem die freie Unabhängigkeit
des Künstlers, für deren Wahrung er gelegentlich mit
Entschiedenheit eintritt, vielfach durchleuchtet. Wir be-
grüssen die reich illustrirte Schrift als einen interessanten
Beitrag zur Berliner Baugeschichte der ersten Hälfte des
vergangenen Jahrhunderts. —
Zeitschrift für Mathematik und Physik. 45. Bd. 1900.
Herausgegeben von den Prof. Dr. Mehnke und
Dr. M. Cantor. Leipzig. Verlag von B. G. Teubner.
Von dieser auch für den Techniker wichtigen Zeit-
schrift ist Band 43 im Jahrgang 1899 S. 399 und Band 44
im Jahrgang igoo besprochen. Der vorliegende Band ent-
hält folgende für Techniker beachtenswerthe Aufsätze:
1. Karl Heim: Neue Methode zur approximativen Integration
der Differenzialgleichungen einer unabhängigen Veränderlichen.
2. C. Runge: Ueber die Vergleichung empirischer Formeln.
Flierin wird gezeigt, dass zwischen dem hyperbolischen und dem
parabolischen Ausdruck für die Beziehungen zwischen Spannung
und elastischer Dehnung eines Baustoffes betreffs der Genauigkeit
kein wesentlicher Unterschied besteht. Die in Dtsch. Bztg. 1897
S. 58 angegebene hyperbolische Form dürfte demnach vorzuziehen
sein, weil sie auch die Wärme-Einflüsse bequem einzubegreifen
gestattet.
3. Somoff: Ueber Gebiete von Schrauben-Geschwindigkeiten
eines starren Körpers bei verschiedener Zahl von Stützflächen.
4. Jolies: Die charakteristischen Parabeln des einfachen,
gleichmässig belasteten Balkens.
5. H. Lorentz: Die Dynamik der Kurbelgetriebe, Schluss
zum vorigen Jahrgang (jetzt auch in Buchform erschienen).
6. j. Kühler: Beitrag zur Knick-Elastizität d. Festigkeit. Be-
merkt sei hierzu, dass Auszüge aus diesem Aufsatz auch in der
Deutschen Bauzeitung 1900 S. 368 mitgetheilt sind unter dem Titel:
■„Die richtige Knickformel“, dass aber sofort Fehlernachweise von
Kriemler und Prandtl erschienen (1900 S. 610) und dass auch im
Bd. 46 der besprochenen Zeitschrift S. 362/9 Beric'htigungen von
Kriemler und Pilgrim folgen, die durch Kühlers Entgegnung S. 370
nicht entkräftet werden.
7. Mehmke bietet wieder eine gute Uebersicht der im Jahre
1899 in technischen Zeitschriften, erschienenen Aufsätze über Ge-
biete der angewandten Mathematik.
Aus der „historisch litterarischen Abtheilung“ seien noch
Besprechungen erwähnt über: • x. Die Funktion des Auges bei
Leonardo da- Vinci; 2. Fischer: Der Gang des Menschen, — ein für
die Berechnung der Arbeitsleistungen unserer Bauarbeiter wichti-
tiges Werk.
Die zuletzt erwähnte historisch litterarische Abtheilnng
.wird in den folgenden Jahrgängen wegfallen, da der ver-
. dienstvolle M. Cantor die Redaktion .niedergelegt und an
't87
seiner Stelle Prof. Dr. C. Runge getreten ist, auch hervor-
ragende Techniker als Mitarbeiter gewonnen sind. Die
kommenden Jahrgänge versprechen daher für den Tech-
niker noch wichtiger als bisher zu werden, da^ sie ganz
der angewandten Mathematik sich widmen und- den von
uns' 1899 S. 397 ausgesprochenen Wünschen und Bedürf-
nissen der Techniker in noch stärkerem Maasse als bisher
entgegenkommen ■wollen. — Lang. -
Praktische Beispiele aus der darstellenden Geometrie für
■ Lehranstalten mit bau- oder kunstgewerblicher
• , , Richtung. Mit Unterstützung' des k. k. Unterrichts-
Ministeriums heräusgegeben . von k. k. Schülrath
■ Josef Wildt, Prof, aii der,k.:k. Staatsgewerbeschule
; in. Reichenberg. 12 grosse Blätter; mit erklärendem
, Text. Preis 18 Krönen. Verlag von A. Pichler’s
Wittwe. und. Sohn in Wien;,
Die bereits vor 6 Jahren' erschienene i. Lieferung des
genannten Vorlagenwerkes hat. von fachlidier Seite aus-
nahmslos die günstigste Beurtheüung g.efünden. und ist
seither, vielen, Lehrern der darstellenden Geometrie ein
werthvolles Unterrichtsmittel geworden. Kürz-lich ist nun
die 2. Lieferung erschien"en7 welche wieder aus 12 elegant
ausgeführten Vorlagen nebst erläuterndemText besteht. An
dem verspäteten Erscheinen der . 2. Lieferung., trägt der
Wechsel des Verlegers schuld, Die Ausführung der Tafeln
•besorgte die Firma Meisenbach, Riffarth & Co. in Berlin-
Schöneberg; sie wird den höchsten Anforderungen ge-
recht... Ein, Vergleich der beiden Lieferungen zeigt, dass
die zweite die erste übertrifft hinsichtlich .der Wahl des
behandelten Stoffes und der Reichhaltigkeit der daraus
erwachsenden Einzelaufgaben,
Ein anderer Umstand, welcher zu Gunsten der -2.,Lie-
ferung • spricht, ist ■ der, dass in, ihr alle Selb'stschatten mit
einerlei -Ton und alle Schlagschatten gleichmässig lasirt
sind,, während auf einigen Blättern der früheren Lieferung
zur, Erzielung einer grösseren Plastik auf die ' Vertiefung
der schattirten Flächeiitheile Rücksicht genommen War.
Abgesehen davon, dass eine gewisse Luftperspektive bei
Gegenständen von geringer -Vertiefung kaum . zur'; Geltung
kommt und dass sie sich -mit Parallel-Pröjektion nicht gut
verträgt, erschwert die verschiedene Abtönung dem Stu-
direnden die zeichnerische Wiedergabe des Blattes, viel-
leicht auch die Auffassung. Wir können feststellen, dass
die neuen Blätter durch die erwähnte Vereinfachung nur
gewonnen , haben und an Anschaulichkeit den früheren
nicht im- geringsten nachstehen; diese Verbesserung- steht
im, Gegensätze zum Vorgänge vieler anderer Werke. ,
Die in Anwendung kommenden Konstruktionen' über-
raschen durch ihre Einfachheit und'beruhen trotzdem auf
strenger Wissenschaftlichkeit. Die angewendeten archi-
tektonischen Formen befriedigen selbst strenge Anforde-
rungen. -Das Textbuch ist klar und verständlich und bietet
einen sicheren Leitfaden für die Durchführung der einzel-
nen Konstruktionen. Wir können jeder technischen Lehr-
anstalt, selbst solchen höheren Ranges, das inredestehende
Werk nur bestens empfehlen. — M. Hacker.
Bei der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten:
Beiden, C. W. Rabatt-Tabeljen für Fabrikanten und
Grosshändler, welche mit Rabatt verkaufen. Text in Deutsch
und Französisch. Hannover igoa. Gebr. Jänecke. Pr. 2,50 M.,
Bennstein, .Alexander. Die R e in i g u n g der S c h u 1 z i m m e r.
Dt.-^ilmersdorf 1902. Selbstverlag. Pr. 60 Pf;
Borrmann, R. & R. Graul. D i e B a u k u n s t- 8. Heft, II. Serie.
Mauern und Thore des . alten Nürnberg von K. Schaefer;
Berlin. 1902. W. Spemann., Pr. 4, M.
Buls, Chr., Bürgermstr. Aesthetik der Städte. Autorisirte
Uebersetzung von Ph. Schäfer. 2. Aufl. Giessen 1898. Emil
Roth. Prv I M.
Ehlerding, W. D e r K u n s t s c h ra i e d. Vorlagen für Schlosser-
und Schmiedearbeiten. 3 u. 4. Heft. Ravensburg. Otto,
Maier. Pr. des Heftes 50 Pf. ,
Feuerherd, Franz. Die Entstehung . der Stile aus der
politischen Qekonomie. i. Th. Die bildende Kunst der. Grie-
chen und Römer. Braunschweig 1902. Rieh. Sattler. Pr. 3,60 M.
Grossmann, E. Billige Wohnhäuser in moderner
Bauart. Mustergiltig ausgeführte Ein- und Zwei-Familien-
häuser zu Baupreisen von 8 — 15000 M. 5. u. 6. Liefrg.
Ravensburg. Otto Maier. Pr. der Liefrg. (vollst. in 10 Liefrg.)
1,50 M. ' ; ;
Gutheil, j. R., Bücherrevisor. Buch! üb r u n gs - Unterricht.
(Methode Gutheil). Kaüfmännische'ünterrichtsbriefe. 4. Kursus.
Berlin- igo2. Selbstverlag. Pn geh. 1,20 M,, geb. 1,80 M.
Haase, U., Ing. Erfirnder-Taschenbuch. Ein Rathgeber
für Jedermann über Erfindung, Erfindungsschutz^ Erfindungs-
yerwerthung. Leipzig - 1992. Rudolf- Uhlig. ' Pr. 1,40 M.
Haberland, Georg. Für das Bauhandwerk. Kritik der
. neuesten Gesetzentwürfe des Reichsjustizamtes. Berlin 1902.
Leonhard Simion. Pr. 50 Pf.
Joseph, Prof. Dr. p. W;as muss man von der Architek-
tur der Neuzeit wissen? Leitfaden der Archittkten-
Gesehichte der . Renaissance, des Barock, Rokoko, Klassizis’-
. ;tnus und des 19. Jahrhunderts.. Berlln-.igoi. . Hugo .Steinitz.
Kanitz, F. Katechismus der Ornamentik. Leitfaden
über die Geschichte , Entwicklung und charakteristischen
Formen der Verzierungsstile aller Zeiten. ,6. Aufl. Leipzig
1902. J. J. Weber. Pr. 2,50 M.
Kunstgewerbe-Museum zu Berlin, Bibliothek-
Katalog, Heft 2. Dekorative Malerei. 2. Aufl. .Berlin
1902. W. Spemann. Pr. 25 Pf.
Keck, Wilh., Geh. Reg.-Rth. Vorträge über graphische
S t a'tik' mit Anwendung auf die Festigkeits-Berechnung der
Bauwerke. 2. Auflage. -Hannovei 1902. Helwing’sche Ver-
.lagsbchhdlg. Pr. 3 M. ; ; . . . . . ;
Kempf, , Friedr., A'rch., , Das. Münster zu Freiburg irn
Breisga.u und seine ■Wiederherstellung. Freiburg i. Br.
1902. '.Herdef’sche Verlagsbchhdlg. Pr.'r M.. .'
Mi'ethe,'Prof. Dr. A.' Lehrbuch der p r ä kti s ch e n- Ph 0 1 o-
graphie. 2. Auflage. Halle a. S. 1902. Wilhelm Knapp.
,Pr. -ID M. • ' ^ .
Personal-Nachrichten. ^
Deutsches Reich. Die Regi-Bmkr. ,C i e c i e r s k i än Strass-
burg i. E. und So'ehring in' Chateaü-Salins sind zu Eisenb.-Bau-
ü. Betr.-Insp. bei der Reichseisenb. in Els.-Lothringen ernannt. •
Garni s.on-Baüv er Walt uh g.; Versetzt sind: der Int- u.'^Brth.
Koch von der Int, des V. Armee-Korps .zur Int .des X. A.-K.;
der Garn.-Bauinsp. Brth. Kni tt e r s c h e i d in Metz zur Int, des
V. A.-K.' und mit Wahrnehmung der Geschäfte, des Int.- u. B.rths.
■beauftragt; die Garn.-Bauinsp. Brthe. Reimer in Frankfurt a; M.
näch Metz II, Schwenck in- Magdeburg zur Int. des XVin. A--
K. -und mit Warnehniung der -Geschalte eines Int- u. Brths. be-
auftragt, RohlfingVin Köln nach- Paderborn; die Garn.-Bauinsp.
Stahr in Glo'gau nach Köln I, Zappe in Magdeburg nach Magde-
burg I, Liebenau bei der Int des -XV. A.-K. dach Glogau,
Wiesebaum bei der Int. des XVL A.-K. nach Magdeburg III,
Bender iri der Bauabth. des'Kri'egsminist nacK BerlinTI (Militr
Institute), Wefel-s'bei der Int. des XVIIL A.-K;, nach Frankfurt
•a;-M., Krebs -bei der Int des- Garde-Korps zur-Int; der. Militär.
Inst und als techn. Hilfsarb. in dife Bauabth.- des-'Kriegsminist • - ■
Bayern. Der Dir.-Rath Voltz in Augsburg ist gestorben.
Preussen. Versetzt sind: die. Reg.- u. Brthe. Richter. in
.Speldorf als Vorst der Masch.-Insp. i nach .'Schheide'mühl und
Baum in Hannover nach Leinhausen als Vorst'ein'er Werkst-Insp.
bei -der -Hauptwerkst • das.; — die Eisenb.-Bau-- u. Bett.'-Insp.
M eil ly in Gandersheim zur kgh Eisenb.-Dir. in Hannover, Jaspers
in Köln als Vorst, der Bauabth.. nach Nideggen, Richard in Essen
als Vorst der Bauabth. nach Lünen, Schürmann in Köln als
.'Vorst' der Bauabth. nach M.-Gladbach, H ah n'z 0 g in Koburg nach
-Vacha zur- Anfertigung ausführl. Vorarb. • für Vacha-Wenigentaft-
Geisa, Müller in Wipperfürth zur:kgl. Eisenb-.-Dir. in Elberteld,
Gehth' in Duisburg zur kgl-. Eisenb.-Dir. in Essen, Krause in
Seh-weldnitz nach-Berbn zur Beschäftigung im techn. Eisenb.-Bur.
'.des Minist, der öffentl. Arb., R i e b e n s a h ui in Danzig als'Vorst.
der Bauabth.- nach Reinerz - und , S c h i e f l e r in' Hjrsehberg rals
Vorst der Bauabth^ -nach Sch-weidnitz ; die Eisenh.-Banüisp.
Glimm in Schneidemubl ah Vorst der Masch.-lnsp. 2 nach Hanno-
ver, Paschen in Königsberg i. Pr. als Vorstjauftrw.) der Masch.-
Insp. nach Lissaund Blindo w in Lissa zur kgl. Eisenb.-Üir, in
Königsberg i. Pr.
Dem grossh. hess. Eisenb.-Dir. Querner in Darmstadt ist
die Stelle des Vorst, der Werkst -Insp. das. und dem grossh. hess.
Eisenb.-Bauinsp. Stiel er in Darmstadt die Stelle des Vorst der
Masch.-Insp. das. verliehen.
Die Geh. Brthe. Robrmann in Bromberg und Doülin in
Breslau, der Reg.- u. Brth. Danziger in Posen, der Eisenb.-Dir.
z. D. Becker in Hannoverj der Brth. z. D. , S t e i g e r t h a 1 in
Stettbi die Kreis-Bauinsp., Brthe. M e b us in Drossen u. Gn u s c hk e
in Quedlinburg sind in den Ruhestand getreten.
Den Reg.-Bmstrn.ßrunoG au e r in Schlochau, PaulD r e s ch e r
in Elberfeld und Heinr. Siebern in Hannover ist die nachges.
Entlass, aus dem Staatsdienst ertheilt, — -
Brief- und Fragekasten.
Hrn. W. R. in B.uxtehude. In , hannoverschen Städten, be-
stand vielfach ein Gewohnheits- oder Ortsrecht, wonach Baulich-
keiten in gewissem Abstand yon einander zu errichten waren. Zu
diesem Abstande musste jeder Nachbar die Hälfte hergeben. Diese
Bauweise beruhte auf der Annahme, dadurch der Feuersgefahr
wirksamer vorzubeugen und das Uebergreifen des Feuers auf das
Holzvi?erk des Nachbars zu verhindern. Ob in den Städten des
Reg.-Bez. Stade dieses Gewohnheitsrecht gegolten hat, können wir
hier nicht feststellen, glauben es jedoch aus den Wahrnehmungen
aonehmen zu dürfen, dass vielfach derartige Z-vyischenräume vor-
. handen sind. 'Besteht ein Zwischenraumsrecht, so bildet die dafür
liegen gebliebene Fläche eine Gemeinschaft, die einseitig nicht be-
schränkt werden kann. Sie dürfen . also auf der Grenze nur im
Einverständniss des Nachbars Baulichkeiten oder Grenzscheidungen
aufführen. Wir verweisen Sie nach dieser, Richtung auf den kürz-
lich . von uns gebrachten Aufsatz . über Zwischenraumsrecht,
(No. roi, jährg. ippr), aus dem Sie die einschlagend.en Rechtsver-
hältnisse entnehmen und die Richtschnur für Ihr 'Verhalten ge-
winnen können. — K. H-e.
Hrn. Arch. H. in M.-Gladbäch. Es giebt zur Vertreibung
des Geruches kein arideres Mittel, als andauernde Lüftung. —
Inhalt: Berliner Neubauten. ,No. 102. DieUm-wandlimg md die Neu-
bauten des Zoologischen Gartens (Fortsetzung). Mittheilungeri aus Ver-
einen. — Vermischtes' — Preisbewerbüngen. — Bücherschäu. — Personal-
Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.- • ; ;
Verlag der-Deutschen Baüzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
•verantwortl. -Albert H-of-üiann:, Berlin. - Druck von Wilh. Greve, Berlih,
No. 29.
,188
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN ^
AUZEITUNG.
GANG. * * NQ; 30. ^
DEN 12. APRIL 1902.
is:s:st«rss!K«2jÄSfÄ9tsra:
Villa Stroblberger in Thalkirchen bei München.
Architekten; Gebr. Rank in München.
(Hierzu eine Bildbeilage und
eneBewegung, welche, vonEngland kommend,
seit einigen Jahren die jüngeren Kräfte des
Kunstgewerbes mit fortgerissen hat und voll-
ständig im Bann hielt, hat auch in der Ar-
chitektur ihre Spuren hinterlassen und so
sehen wir in München, welches gewissermaassen der Hort
mittelalterlicher Bauweise und einer Kunstanschauung
ist, begründet einerseits
auf den ehrwürdigen
Vorbildern glanzvoller
Vergangenheit, ande-
rerseits auf einer für
München typisch ge-
wordenen Stilform,
man könnte sagen dem
Münchener Stil, auch
einige Vertreter der
Baukunst, deren künst-
lerisches Schaffen aus
diesem Rahmen her-
austritt und eigene Bahnen wandelt. Allen voran steht
hier der Name Martin Dülfer, der in seinen neueren
Arbeiten sein ihm liebgewordenes Empire verleugnet
und nur ab und zu Erinnerungen daran durchblicken
lässt. Als Beispiel einer anderen Richtung, welche aui
dem Studium klassischer Formensprache aufgebaut,
jedoch mit modernem Beiwerk durchsetzt ist, möge
die hier vorgeführte, im Jahre 1900 erbaute Villa
Stroblberger in Thalkirchen dienen.
Da jedes architektonische Bauwerk unter normalen
Verhältnissen auf eine Lebensdauer von mehr denn
die Abbildungen auf Seite 193-)
hundert Jahren rechnen darf, so soll auch sein Gewand
so gewählt sein, dass es, über dem wechselnden Zeit-
geschmack stehend, stets seinen ästhetischen Werth
behalten wird, d. h. es muss künstlerisch durchdacht
und seelisch empfunden sein. Und es wird dies umso
mehr der Fall sein, wenn es alte Formen zur Grund-
lage hat, wenn diese Formen im Geiste der gegen-
wärtigen Zeit umge-
staltet und den prak-
tischen Bedürfnissen,
sowie dem zur Aus-
führung gewählten Ma-
terial angepasst sind.
Das Bedürfniss nach
Flächenbildung und
nach vornehmer Ein-
fachheit, wie wir sol-
ches im klassischen Al-
terthum finden, später
in der Renaissancezeit
und derSchinkelpcriodewieder auftauchen sehen, ist ein
Kennzeichen unserer modernen Kunstanschauung. Und
mit Recht, denn die Fläche ist das günstigste Moment
zur Belebung und Betonung des dieselbe umgebenden
Ornamentes; je sparsamer mit letzterem und je aus-
giebiger mit ersterer gearbeitet wird, um so günstiger
wird die Wirkung beider ausfallen. Aegyptische Bau-
denkmäler, die Rathhäuser der deutschen Renaissance
und namentlich das einfache Bauernhaus mit seinen
grünen Fensterläden sind packende Beispiele hierfür.
Einer ausgiebigen Behandlung der Fläche kommt in
189
München der Mangel eines in der Nähe auffind-
baren natürlichen, wetterbeständigen Hausteines zu-
gute, dessen verschieden- und eigenartige Behandlung
auch eine solche der Fläche ermöglichen würde. Der
weichere, sich besser formende Kalkmörtel hat den
Zementmörtel mit seinen selbst bei grösstem Sand-
zusatz nicht zu vermeidenden Haarrissen vollständig
verdrängt. Zu welch’ künstlerischer Gestaltung der
Fläche ersterer'nöch zubringen ist, haben in München die
Behandlung des Innenraumes im neuen Schauspielhause
durch Littmann und Theodor Fischer's Schulhäuser ge-
zeigt, und scheinbar stehen wir erst in den Anfangs-
stadien der Entwicklung dieses billigsten Dekorations-
mittels. Auch der zur Ausführung solcher Arbeiten ge-
rufene Münchener Maurer setzt bereits seinenEhrgeizund
sein jedem Menschen mehr oder minder angeborenes
Schönheitsgefühl darein, durch neu erfundene Arten
und Schablonen der Fläche Belebung und Abwechse-
lung zu geben. In vorliegendem Entwurf hat sich die
Behandlung auf Kalk-Riesel wurf undFiizzug beschränkt,
während das Ornament eingesetzt wurde. Die aus-
schliessliche Verwendung der Farben Ocker, Grün und
Grünblau auf weissgetünchtem Fassadengrunde bei
vollkommener Vermeidung von rothen Tönen geben
dem Aeusseren dieser Villa eine harmonische, frische
Farbenstimraung. Roth leuchtet aber doch zur Sommer-
zeit aus dem grünen Blätterhintergrunde, das feurige
Roth der Geranien und Begonien, für deren Anbringung
an fast jedem Fenster und am oberen Theil der Baikone
durch eisengeschraiedete Bluraengitter Vorsorge ge-
troffen ist. Die Motive des Ornaments sind der Flora
und ' Fauna des Waldes entnommen, stilisirtes Moos
und Löwenzahn, Eber, Schlange und Hirschkäfer, so-
dass auch in dieser Beziehung Einheitlichkeit herrscht.
Die schiefe Lage der Hausaxe zur Baulinie er-
schwerte die Grundrisslösung, ermöglichte aber an-
dererseits eine malerische Lösung der Südecke. Die
Trennung der Wirthschaftsräume von den Wohn-
räumen erfolgt durch eine Nebentreppe, welche Keller,
Küche und Speicherräume verbindet.
Der Wunsch des Bauherrn ging dahin, für sämmt-
liche Räume Abwechselung in den Stilformen zu haben
und je nach, der -Bestimmung des Raumes denselben
strenger oder gemüthlicher zu gestalten. Deshalb ist
die Diele in klassischen Formen, mehr als Empfangs-
raum gedacht; um diese Diele gelagert sind ein
gemüthliches Wohnzimmer in gothisirender Holz-
architektur, die Herrenzimmer als romanische Studir-
Idosterstube und als Jagdzimmer mit vorherrschender
grüner Farbe, im Biedermeier-Charakter, hieran an-
Eine charakteristische Eigenschaft der neueren
Baukunst.
ass die Baukunst des neunzehnten Jahrhunderts, als
ein Ganzes betrachtet, einen ausgesprochenen Cha-
rakter erkennen lasse, wird bekanntlich von vielen
Seiten überhaupt bestritten, oder es wird zum wenigsten,
wo man die Möglichkeit zugiebt, die Feststellung der cha-
rakteristischen Merkmale gewöhnlich als z. Z. noch nicht
angängig oder auch überflüssig einer zukünftigen Kunst-
forschung anheimgestellt. Nun ist aber die Selbsterkennt-
niss, d, h. die Erkenntniss des relativen Werthes unserer
eigenen künstlerischen Errungenschaften, für unser dem-
nächstiges Thun und Lassen jedenfalls von Bedeutung,
sodass man schon heuteeinen Versuchmachenkann, dieneu-
zeitliche Baukunst auf etwaige charakteristische Besonder-
heiten hin zu untersuchen. Und so lange es nicht fest-
steht, dass dieses angenommene Charakteristikum ein ein-
ziges und für den gesammten Bereich der modernen
Architektur gemeingiliiges ist, darf es schon als ein Ge-
winn angesehen werden, wenn der Nachweis gelingt, dass
zum wenigsten ein grosser und wesentlicher Theil aller
jener baukünstlerischen Erzeugnisse, welche entstanden
sind unter der Herrschaft des neuzeitlichen Eklektizismus
auf stilistischem Gebiet, ein bestimmtes gemeinsames, von
der jeweiligen Stilart unabhängiges Unterscheidungs-Merk-
mal trägt, durch welches diese angeblich im Geiste der
Antike, des Mittelalters oder der Renaissance erfundenen
Werke klar und deutlich vor ihren „echten" Vorbildern
gekennzeichnet sind.
Ein solches Unterscheidungs-Merkmal soll im Folgen-
den nachgewiesen werden in einer gewissen baulichen
190
schliessend der Salon, der Musikraum des Hauses,
mit' bewegten Linien und Kreisen, in blau gehalten,
sodann, mit diesem durch ein kleines Pförtchen ver-
bunden, der Wintergarten. Ira Obergeschoss liegen
die Schlafzimmer in Empire, das Damenzimmer
und die anderen Räume in Barock und fröhlichem
Rokoko.
Wird der Eintretende durch die strengen Linien
der klassizirenden Formen der Diele einen Augenblick
in Bann gehalten, so löst sich dieser bald durch das
Murmeln und Plätschern eines gegenüber dem Eingang
befindlichen Brunnens. Durch Einlegen der Differenz-
treppe in den Dielenraum wurde ein bemerkens werthes
malerisches Moment gewonnen. Desgleichen wurde die
Haupttreppe mit ihrem Anfänge ausserhalb des Raumes
angelegt, wodurch dieser intimer und für sich abge-
schlossener erscheint, sodass der Diele der Eindruck
eines Treppenhauses genommen ist. Hier, als der Fort-
setzung von Aussen, ist wieder mit der etwas derben
Putzmanier gearbeitet; ein in gleiche Felder getheilter
Thierfries urasäumt den oberen Theil der Wände; ein
nicht allzubreit angelegter Podest, zugleich Vorplatz
der oberen Räume, gestattet dem Eintretenden den
Blick nach dem Obergeschoss. Die Tagesbeleuchtung
des Raumes erfolgt von der Schmalseite, an deren
entgegengesetzter Wand ein grosser Spiegel die Diele
räumlich bedeutend grösser erscheinen lässt. Die
Nachtbeleuchtung dagegen geschieht durch herab-
hängende Glühlampen, welche an einem eisenge-
schmiedeten Ständer befestigt sind, der durch Ketten
mit der den Podest tragenden Säule verbunden ist.
Die gleiche einheitliche Durchbildung im Stil erfuhren
auch die Heizkörper-Verkleidungen.
Im Wohnzimmer ist durch eine kleine, durch das
Buffet begehbare Wendeltreppe die Verbindung mit
der im Keller liegenden Kegelbahn gebildet. Lauschige
Winkel und ein um öo'^“ erhöhter Runderker mit
Sitzbank, desgleichen die braungebeizte Holzbeklei-
dung von Decke und Wänden theils in Föhren-, theils
in Zirbelholz erhöhen den Eindruck der Wohnlichkeit.
An der Schmalwand des Wohnzimmers neben dem
Eingang, somit in der Langaxe des Raumes, herrscht
der weissgeputzte Kamin, dessen mittlere Oeffnung
die offene Feuerung birgt, während in den seitlichen.
Theilen, durch gestanzte Bleche verdeckt, die Heiz-
körper Aufnahme gefunden haben. Durch Tieferlegen
dieses Raumes um 3 Stufen ist nicht allein die Höhe
des Zimmers bedeutend vergrössert; dieser Höhen-
unterschied bildet auch ein vorzügliches Mittel zum
besseren Ueberblick.
Eigenart, welche man als die Neigung zu dekorativer
Gliederung der Massen bezeichnen kann; und wenn
dieser Nachweis auch nicht oder wenigstens nicht in allen
Einzelheiten den Werth einer Neuentdeckung in Anspruch
nimmt, so möge er hingenommen werden als eine gerade
im gegenwärtigen Augenblick vielleicht nicht unnütze
Erinnerung.
Vor uns liegt eine Abbildung der alten Mauthalle zu
Nürnberg; daneben das Bild eines italienischen Palastes,
etwa des Palazzo Albergati zu Bologna. Zwischen diesen
beiden Werken welch’ ein Abstand in dem praktischen
Zweck, dem zu dienen sie einst errichtet wurden, in den
vorauszusetzenden künstlerischen Absichten ihrer Meister,
in dem Stil und dem Reichthum ihrer schmückenden
Bekleidungsformen! — Und doch weckt ihr Anblick
wenigstens in einer grossen Beziehung nahe verwandte
Stimmungen. Es ist ganz gewiss nicht allein der dunkel-
farbige Niederschlag der Jahrhunderte auf den wuchtigen
Steinmauern, wodurch unser seelisches Empfinden er-
griffen wird wie von einer Geistererscheinung aus der
Zeit unserer baukünstlerischen Ahnen: sondern wir fühlen
es lebhaft, dass in der architektonischen Haltung selbst
ein Etwas verborgen liegt, das unserer heutigen Art zu
entwerfen im Innersten fremd ist. Auch der unbe-
fangenste Beurtheiler, auch der nicht kunstverständige
Laie wird mit Bestimmtheit erklären; das sind alter-
thtimliche Bauten, so pflegte man vor Jahrhunderten zu
bauen, für unser modernes Gefühl sind sie zu ungefüg,
zu schwer! — Und das alles, obwohl die Stilformen der
einen wie des anderen uns auch heute wieder durchaus
geläufig sind, wie im allgemeinen auch die ursprüngliche
Zweckbestimmung und nicht minder die hauptsächlichen
No. 30.
Die herrliche Lage des Bauplatzes mit dem ent-
zückenden Blick in das waldbewachsene Isarthal und
dem Rundblick über die ganze Alpenkette waren Ver-
anlassung, dem Atelier im zweiten Obergeschoss eine
grössere, theils gedeckte, theils ungedeckte Veranda
vorzulegen. Zur Verhinderung zu starker Abkühlung
der darunter liegenden Zimmer wurde unter der Beton-
decke eine Luftisolirung eingefügt. Einen vollständi-
gen Blick auf das Weichbild der Stadt einerseits und
die bewaldete südlich gelegene Landschaft andererseits
gestattet der obere runde, am Dachfirst angelegte
Austritt, in dessen Mitte der Blitzableiter das ganze
Gebäude gegen elementare Gefahren zu schützen hat.
Wäsche- und ' Bügelkammer, sowie Fremden-
zimmer und .Mägdekammern sind im zweiten Ober-
geschoss untergebracht, die Küche im Erdgeschoss,
Kesselraum und Eiskeller im Untergeschoss. Das Ge-
bäude hat Warmwasserheizung und elektrisches Licht.
Leider ist bis zu diesem Punkte die Kanalisation
Münchens noch nicht vorgedrungen, sodass noch das
Grubensystera angewendet werden musste, i cbm um-
bauten Raumes von Kellersohle bis Oberkante Dach-
geschoss stellt sich auf 23,40 M. einschl. Einzäunung.
— Die Ausführung stammt, wie der Entwurf, von der
Firma Gebr. Rank. — tt p
Die Stellung der bayerischen Staatsbahn-Ingenieure.
ie etwas veraltete Gliederung der bayerischen Staats-
' eisenbahn-Verwaltung hat zur Folge, dass der grösste
Theil der technischen Beamten dieser Verwaltung
zeitlebens in ganz untergeordneten Steilungen aushalten
muss. Es untersteht nämlich das bayerische Staatsbahn-
netz, zu dessen Betrieb eine beträchtliche Anzahl von
Beamten und Bediensteten nöthig ist, der Leitung der im
Ranae nur einer Kreisregierung gleichkommenden General-
direktion, welcher als Ausführungs- und Vollzugs-Behörden
unter anderen 10 Eisenbahn-Betriebsdirektionen im Range
von Bezirksämtern untergeordnet sind. Diesen Betriebs-
direktionen sind wieder als Ausführungs- und Vollzags-
dienst-Stellen für den Betrieb die Bahnstationen und Be-
triebswerkstätten, für die bauliche Unterhaltung und Bahn-
bewachung die Staatsbahn-Ingenieure und schliesslich die
Bahnmeister untergeordnet. Die Staatsbahn-Ingenieure, von
deren Stellung wir sprechen wollen, sind Beamte im Range
und Gehalte der Vorsteher der Bezirksämter. Während aber
diese Amtsvorstände mit ziemlich weitgehenden Befug-
nissen ausgestattet sind, , ist die Zuständigkeit der Staats-
bahn-Ingenieure als Vorstände der gleichbenannten Dienst-
stellen eine nur sehr beschränkte, die sogar hinter jener
der Betriebswerkstätten zurückbleibt, obwohl die Vor-
standschaften dieser den Staatsbahn-Ingenieuren gleich-
geordneten Dienststellen vielfach mit Beamten niedrigeren
Ranges besetzt sind.
Das Missliche dieser Verhältnisse wohl fühlend, suchte
man früher die Härte, die in der untergeordneten Stellung
der Staatsbahn-Ingenieure liegt, dadurch etwas zu mildern,
dass man dieselben zu Referenten der Oberbahnämter
machte, wodurch ihnen ein grösserer Einfluss auf den
Gang der Geschäfte und besseres Ansehen gewährt wurden.
Allerdings befanden sich dabei die Staatsbahn-Ingenieure
in einer Zwitterstellung, indem sie auch Ausführungs- und
Vollzugs-Beamte blieben. Immerhin konnten sie sich im
Rahmen der damaligen Gliederung der bayerischen Staais-
bahnen mit dieser Geschäftszutheilung zutrieden geben. —
Nun hat aber das mit der Oberleitung der bayerischen
Grössenabmessungen beider Gebäude. Auch heutzutage
errichtet man ja wieder allenthalben gothische Profange-
bäude und Renaissancepaläste von gewaltiger Ausdehnung,
wenn auch der Schwerpunkt von denprivaten Werken auf die
öffentlichen gewandert ist; aber wenn ein Meister unserer
Tage, und wäre es der berufenste, sein Parlamentsgebäude,
sein Rathhaus, seinen Justizpalast oder auch nur sein
grosstädtisches Lagerhaus — also einen nach seinem
praktischen Zweck der Nürnberger Mauthalle verwandten
Bau — mit derselben ungegliederten Wucht zu umkleiden
wagte, so würde sein Werk von der Laienkritik zweifels-
ohne als nicht „gefällig" gescholten werden und auch
seitens der Kunstverständigen dem Vorwurf eines ge-
suchten Anachronismus schwerlich entgehen.
Freilich ist jene einfachste prismatische Gestalt, die
man als Blockbau bezeichnen könnte, auch bei den älteren
Werken nicht immer die Regel oder auch nur unbedingt
vorherrschend gewesen. Zahllose auf das reichste ge-
gliederte Kirchen des Mittelalters und der Renaissance,
aus den verschiedensten Bautheilen zusammengeflickte
Burgen, die wunderlichsten Ecken, Krümmungen und
Winkel in den Strassenwandungen alter Städte scheinen
sogar eher auf das Gegentheil zu deuten. Allein bei
näherem Zusehen wird uns zunächst das Folgende klar:
diese scharfen Knicke und einspringenden Winkel in den
alten Strassen sind verhälmissmässig selten durch Vor-
und Rücksprünge an den einzelnen Gebäuden selbst her-
vorgerufen, sie entstehen viel häufiger da, wo zwei ver-
schiedene Häuser zusammenstossen; ebenso offenbart
sich der gegliederte Burgenbau keineswegs als die von vorn-
herein geplante Zergliederung eines einheitlich gedachten
Ganzen, sondern vielmehr als eine (manchmal sogar in
12. April 1902.
Staatseisenbahnen betraute Staatsministerium des k. Hauses
und des Aeusseren gelegentlich der im vorigen Herbste
vorgenommenen Aenderung der Bezeichnungen der Bahn-
Behörden und -Beamten die Staatsbahn -Ingenieure unter
Zuweisung despersönlichen Titels „Oberbauinspektor“ ihrer
Referenten-Eigenschaft entkleidet, während gleichzeitig die
Zuständigkeit der in „ Eisenbahnbetriebs-Direktionen“ urabe-
nannten Oberbahnämter nicht unbeträchtlich erhöht wurde.
Hiermit nicht genug, sind die Staatsbahn-Ingenieure, nach-
dem man ihnen das selbständige Referat entzogen hat,
nunmehr gehalten, die Referatsgeschäfte in der Eigenschaft
als Hilfsarbeiter der Referenten nach wie vor fortzuführen.
Hierdurch mussten sich die Staatsbahn-Ingenieure un-
verdient zurückgesetzt und gekränkt fühlen. Aber ihre
Schritte um Rückgängigmachung der betreffenden Verord-
nung sind erfolglos geblieben. Jedenfalls hatte das Ministe-
rium bei der Zutheilung der neuen Amtsbezeichnungen schon
die zukünftige Neugliederung der bayerischen Staatsbahn-
Verwaltung im Auge. Man will nämlich dem Muster der
preussischen Staatsbahn-Verwalmng nicht folgen, da man
die Bezirke der Betriebsinspektionen für zu klein für die
Durchführung eines entsprechenden Bahnbetriebes hält,
und glaubt durch Errichtung getrennter Betriebs- und Ban-
inspektionen von grösserer Ausdehnung bessere Erfolge
zu erzielen. Dies wäre aber wieder nur auf Kosten der
Staatsbahn-Ingenieure möglich, welchen einerseits der den
Ingenieuren gebührende Betriebsdienst vorenthalten würde,
während andererseits ihre Anzahl durch Vergrösserung
der schon jetzt nicht kleinen Bezirke eine Verminderung
erfahren soil. Dies sind sehr wenig tröstliche Aussichten
für die bayerischen Staatsbahn-Ingenieure und wir be-
sorgen nur, dass durch die fortwährende Zurücksetzung
dieser Beamten, die neuerdings auch dadurch wieder zum
Ausdruck gekommen ist, dass Oberbauführer zu Vorstän-
den von Betriebswerkstätten ernannt wurden , ohne dass
der Rang dieser Dienststellen erniedrigt wurde, der Dienst-
eifer der Staatsbahn-Ingenieure so erlahmen muss, dass,
hierunter der Dienst Schaden leidet. — — n.
sehr verschiedenen Zeitabschnitten erfolgte) Angliederung
oder Zusammensetzung, als eine Aneinanderschiebung
mehrerer mit der Fähigkeit zu einer selbständigen Existenz
ausgestatteter Baukörper zu einer mehr oder weniger zu-
sammenhängenden Gruppe; und an dieser Thatsache kann
auch die bisweilen zutage Iretendelörmiiche Verschmelzung
der zusammeiigerückten Massen, wie sie besonders das
spätere Mittelalter liebt, grundsätzlich nichts ändern. Es
gilt hier eben die nur ausnahmsweise verlassene Regel,
dass das abgesondert Scheinende auch wirklich ein selb-
ständiges Einzelwesen darstellt, dass der Thurm kein blosser
sozusagen krankhafter Auswuchs eines Wohnhauses und
der vorspringende Giebelbau nicht etwa eine launische Aus-
buchtung ist, sondern dass beide thatsäch lieh das Ineinander-
wachsen zweier verschiedener Körper verrathen. Ein frühes
und besonders interessantes Beispiel einer solchen Massen-
gruppirung bietet u a. schon das athenische Erechtueion;
die Theile — drei in einander verwachsene, z. Th. imaginäre
„Blockbauten“ — sind hier auffallend unähnlich durchge-
bildet, und der Eindruck eines — scheinbaren — Organis-
mus ist streng vermieden. Auch die an unsere Kirchen
angegliederten Thürme bewirken schliesslich eine sehr
verbreitete Art von Massengruppirung; hier erkennt man
es ja an den ältesten in Italien vorhandenen Beispielen
ganz deutlich, dass Basilika und Thurm nicht aus der
Zergliederung eines in der Idee schon vorher vorhanden
gewesenen ursprünglichen Ganzen entstanden sind.
Trifft dasselbe nun aber auch für säramtliche Gliede-
rungen des eigentlichen Kirchengebäudes zu? Offenbar
nicht; denn während sowohl der Thurm wie die Kirche
auch getrennt und etwa in einiger Entfernung neben ein-
ander aufgestellt im Wesentlichen dasselbe bleiben, lässt
191
Kosten der elektrischen Beleuchtung nebst . vergleichenden Bemerkungen.
n No. 73 der Dtschn. Bztg. 1901 ist eine Mittheilung
über .Kosten der verschiedenen Beieuchtungsarten“
wiedergegeben, nach welcher das Gasglühlicht als
das gegenwärtig billigste Beleuchtungsmittel hingestellt
wird. Aus der aufgeführten Preisskala geht das nicht un-
mittelbar hervor, denn darnach wäre das Acetylen-Gas-
glühlicht das billigste Beleuchtungsmittel. Jedoch wird der
Verfasser bei Abgabe obigen Unheils wohl auch die Be-
quemlichkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit, mit welcher
ein Beleuchtungsmittel verwendet werden kann, in An-
schlag gebracht haben, und in diesem Zusammenhänge
kann ihm vollständig zugestimmt werden. Die Zahlen-
angaben des angezogenen Artikels sind jedoch nur durch
knappe Angaben begründet und namentlich ist ihre Ent-
stehung unerörtert geblieben, was den in der Praxis stehen-
den Bau-Fachmännern, denen solche Angaben nicht so
geläufig sind, wohl erwünscht gewesen wäre. Die nach-
stehenden Ausführungen sollen hierin eine gewisse Er-
gänzung bieten und zugleich zeigen, dass das elektrische
Licht doch nicht so aussergewöhnlich theuer ist, wie dort
angegeben ist.
Das Gasglühlicht hat seit seinem Auftauchen vor
etwa 8 Jahren eine ungemein schnelle Verbreitung ge-
funden und sich trotz grössten Wettbewerbes anderer
Beleuchtungsarten, hauptsächlich vonseiten der Elektrizität,
vollständig zu behaupten gewusst. Dieser Erfolg war auch
voll begründet; führte doch die Verwendung der Glüh-
strümpfe zwecks Erhöhung des Lichteffektes des Gases
einen selbst jedem Laien in die Augen fallenden Fortschritt
herbei, so dass man sich dem gebotenen Vortheile nicht
lange verschliessen konnte.
Die grosse Lichtfülle des Gasglühlichtes rührt von der
grossen Verbrennungs- und Strahlungsfläche her, welche
durch den Strumpf dem ausströmenden Gase geboten wird.
Das in den Brenner eintretende Gas reisst bei Austritt aus
dem Zuführungsrohr Luft mit sich und erzeugt, durch den
in der Luft enthaltenen Sauerstoff in der Verbrennung
unterstützt, mittels des über dem Brenner hängenden
Strumpfes ein strahlendes weisses Licht. Das Gasglühlicht
wird nun durch die kürzlich auf den Markt gebrachten
Gas - Intensivlampen (Gasglühlicht in vergrössertem
Maasstabe) eine weitere Verwendung finden. Durch eine
solche Lampe können etwa 8 kleine Gasglühlichter ersetzt
werden, was insbesondere für Saal-, Strassen- und Schau-
fenster-Beleuchtung wichtig ist.
Hat nun das Steinkohlen- Gaslicht solche Fortschritte
zu verzeichnen, so ist die Elektrizität auch nicht müssig
gewesen. Sie hat, nach Vervollkommnung strebend, zu-
nächst dahin gewirkt, alle Einrichtungen möglichst ökono-
misch zu gestalten, um dadurch imstande zu sein, billigere
Verkaufspreise für den elektrischen Strom stellen zu
können. Dies ist denn auch in mancher Hinsicht gelungen;
während vor etwa 10 Jahren Strompreise von 65 ja 70 Pfg.
für die Kilowattstunde die Regel waren, sind solche heute,
wenn nicht ganz verschwunden, so doch zu den grössten
Seltenheiten geworden. Man rechnet heute mit etwa
50 Pf. für die Kilowattstunde elektrischer Energie, wenn
sich ein Gleiches z. B. von der Apsis des Chores nicht
sagen. Denn bei dem eigentlichen Kirchengebäude selbst
liegt zumeist wirklich die — in der Idee — nachträgliche
Gliederung eines architektonischen Individuums vor. Aber
eine willkürliche, blos dekorative ist diese Gliederung auch
nicht, sondern es folgt nur die äussere Schaale getreulich
den Ausweitungen des seinem Wesen nach einheithchen,
aber als Basiüka, als Kreuzanlage, als Zentralbau mit dar-
über schwebender Hochkuppel ausgebildeten Kirchen-
raumes. Also die Masse erscheint hier gegliedert, weil
die Gliederung als solche eine wesentliche Eigenschaft der
den Gebäudeinhalt ausmachenden einheitlichen Raum-
bildung ist. Bei der Basilika sind z. B. die niedrigeren
Abseiten bestimmend für das Wesen der basilikal genannten
Raumbildung; und wenn die HagiaSophia in Konstantinopel
anstelle ihrer Jichtzuführenden Kuppel etwa mit einer
wagrechten Glasdecke abgeschlossen würde, so wäre gleich-
zeitig die Existenz der für dieses Gebäude charakteristischen
Raumart vernichtet: und nicht etwa blos die Vollständigkeit
der inneren und der äusseren Erscheinung.
Wo dagegen bei einem gegliederten, seiner Natur nach
einheitlichen Ganzen durch ein Unterlassen dieses Gliederns
zwar die Form verändert, nicht aber diesem Ganzen ein
ihm eigenthümlicher räumlicher Sonderbegriff genommen
würde; wo mit anderen Worten die Gliederung willkürlich
erfolgt ist, etwa um der Gebäuderaasse ein lebendigeres
Ansehen zu geben, den Anschein einer Gruppirung oder
eines organisch gegliederten Raumes hervorzurufen: da
ist eine „dekorative Massengliederung“ anzunehmen.
der gewöhnlich gewährte Rabatt mit in Berechnung ge-
bracht wird.
Betrifft dieser Fortschritt hauptsächlich die innere
Einrichtung einer elektrischen Zentrale und den Strom-
verkäufer, so hat die Elektrotechnik auch auf dem Gebiete,
das den Verbraucher besonders angeht, solche wirth-
schaftlichen Fortschritte zu verzeichnen. Die verbesserten
Konstruktionen der elektrischen Lampen weisen gegen
früher eine Energie-Ersparniss bis zu 30 o/,, auf. Der erste
Schritt hierzu wurde mit Kohlenfaden-Glühlampen
erreicht, indem es gelang, solche Lampen mit einem Ver-
brauch von 2,5 Watt gegenüber von 3,5 .Watt für die Normal-
kerze herzustellen. Jedoch sah man ein, dass auf diesem
Wege, also durch Verfeinerung der Kohlenfäden in dat
Glühlampen, ein weiterer Fortschritt nicht mehr i\
erzielen sein würde.
Die Konstruktion der Nernst-Glühlampe lenkte
dann das Streben nach sparsamerer Erzielung einer
entsprechenden Lichiwii'kung in andere Bahnen. Die
Nernstlampe beruht auf dem Prinzip, solche Stoffe
als Leuchtkörper (wie z. B. Magnesium) zu verwenden,
die erst bei höherer Temperatur elektrisch-leitend wer-
den und bei Glühtemperatur, die zu erreichen und zu er-
halten nur einen geringen elektrischen Energie-Aufwand
erfordert, an der Luft ziemlich beständig bleiben. Um
mit Verwendung solcher Materialien elektrische Glühlampen
■herzustellen, musste eine Vorrichtung zum Anwärmen des
• Glühstäbchens innerhalb der Lampe geschaffen werden,
wollte man nicht wieder zum Laternen- Anstecker zurück-
greifen. Gegenwärtig wird das Erwärmen des Glühstabes
durch eine denGlühstab umgebende, vomelektrischenStrom
durchflossene Heizspirale besorgt. Mittels eines kleinen,
ebenfalls in der Lampe untergebrachten Elektromagneten,
wird nach erzielter Erwärmung des Glühstabes die Heiz-
spirale selbstthätig aus- und der Glühstab in den elektrischen
Stromkreis eingeschaltet. Diese Anordnung ist nach vielen
Versuchen nun soweit vervollkommnet, dass man mit der
Nernstlampe bei der Beleuchtung rechnen kann, namentlich
soweit die grossen Lampen mit 135 Kerzen Lichtstärke in-
betracht kommen. Die Nernstlampe verbraucht j,8 Watt
für die Normalkerze und besitzt eine verwendbare Lebens-
dauer von rd. 150 Stunden. Sie eignet sich mehr zur
allgemeinen Beleuchtung von Räumen, weniger zur be-
sonderen Platz -Beleuchtung, da ihre Leucntkraft nach
100 Stunden nur noch 70% beträgt und weiterhin stetig
abnimmt.
Das Neueste auf dem Gebiete der elektrischen Glüh-
lampen ist die Osmiumlampe. Diese wurde von dem
Erfinder des Glühstrumpfes, Hrn. Auer von WeJsbach,
konstruLrt. Dem Aussehen nach unterscheidet sich die
Osmium- von der Kohlenfaden-Glühlampe nicht, es ist nur
anstelle des Kohlen- ein Osmiumfaden getreten. Da das
Metall Osmium einen geringen elektrischen Widerstand
hat, so ist es bis heute nur gelungen, Lampen für eine
Betriebsspannung von höchstens 50 Volt herzustellen.
Käuflich sind Osmiumlampen noch nicht erhältlich, da das
Metall Osmium sehr theuer und vorläufig auch noch schwer
■ Es lässt sich nun an der Hand der Geschichte der
Architektur und nach Maassgabe der noch vorhandenen
Denkmäler ohne besondere Schwierigkeit der Nachweis
führen, dass wohl zu keiner Zeit, solange es eine Bau-
kunst giebt, die Neigung zu dieser Art der Massenbe-
lebung — und zwar im wagrechten Sinne, also im Grund-
riss — auch nur annäherungsweise so vorherrschend ge-
^ wesen ist, wie in den zuletzt vergangenen hundert Jahren.
Von der Entstehungszeit der Pyramiden an durch das
Zeitalter der hellenischen Tempel ' hindurch bis zu den
mittelalterlichen Kirchen und den Palästen der Renaissance
sind derBIockbau, derGruppenbau und die natürliche Raum-
und Massengliederung unbedingt als Regel anzusehen. Bel
manchen besonderen Arten, wie bei den grossen monu-
mentalen Tempelbezirken Altägyptens, könnte man allen-
. falls darüber imZweifel sein, ob man es mit einer Gruppirung
oder mit einer natürlichen Gliederung zu thun hat, aber
willkürlich und nur dekorativ ist diese in keinem Fall; die
von Säulenstellungea umschlossenen hypäthralen Säle und
Vorhöfe sind dabei — wie beiläufig auch alle Atrien, die
Kreuzgänge und Hallenhöfe späterer Zeiten — dem natür-
lichen Gliederbau, manches Andere dagegen, so die An-
reihung der Pylonen, offenbar der Gruppirung zuzurechnen.
Beinahe auffallend ähnlich ist übrigens das Verhältniss bei
, der Langhäuskirche mit zwei Thürmen an der schmalen
Eingangsfront. Dafür aber ist in vielen Fällen, ja in ganzen
Kun^tperioden eine der modernen gerade entgegen gesetzte
Neigung zu beobachten, nämlich das offenkundige und zum
(Fortsetzung auf S. 194 )
192
No. 30.
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zu beschaffen ist. Die Eigenschaften
dieser neuen elektrischen Lampen in
wirthschaftlicher Hinsicht sind sehr
grosse. Der Energie- Verbrauch für
I Kerze beträgt nur 1,5 Watt und die
Lebensdauer rd. 1000 Stunden, wäh-
rend welcher die Leuchtkraft, was sehr
wesentlich ist und die Osmium- vor
der Nernst-Lampe auszeichnet, nahe-
zu konstant bleibt.
Auf dem Gebiete der elektrischen
B o g e n 1 i c ht - B eleuchtun g sind
ebenfalls einige Fortschritte zu ver-
zeichnen, jedoch beruhen diese mehr
auf Erzielung einer längeren Brenn-
dauer der Kohlenstifte. Es ist gelungen,
Bogenlampen zu konstruiren, deren
Brenndauer loo und mehr Stunden
mit einem Kohlenpaar beträgt; es ist
diese für manche Verhältnisse sehr
günstige Eigenschaft aber auf Kosten
der Wirthschaftlichkeii erzielt worden.
Die neueste Bogenlampen - Kon-
struktion, die sogenannte Bremer-
Lampe, scheintauf dem Gebiete der
besseren Lichtausbeute grosse Erfolge
zu haben. Diese Lampen haben auf der
Pariser Weltausstellung am Eiffelthurm
geleuchtet und allgemeines Aufsehen
erregt, ebenso in Berlin, wo sie jetzt
mehr und mehr Aufnahme finden.
Das Licht der Lampe ist ein sehr
kräftiges; es füllt die ganze Glocke
gleichmässig ohne Schatten aus und
ist von etwas röthlicher Färbung. Der
Lichteffekt ist, bezogen auf die Ein-
heit, etwa 100% grösser, als der ge-
wöhnlicher Bogenlampen. Ein Nach-
theil haftet diesen Lampen noch inso-
fern an, als sie wegen lästiger Gas-
entwicklung in geschlossenen Räumen
nicht Verwendung finden können. —
Nach diesem kurzen Ueberblick soll
nun zu demNachweis derBeleuchtungs-
kosten übergegangen werden. Aus-
führlich werden wir dabei nur die elek-
trische Beleuchtung behandeln, da die
Angaben in No. 73 Jhrg. 1901 — für
100 Kerzen 5 Pf. — für Steinkohlengas-
Beleuchtung als zutreffend zu erachten
und die anderen Beleuchtungsarten
noch nicht für so weit ausgebildet
anzusehen sind, dass es sich verlohnte,
dieselben hier zu erörtern.
Die üblichenEinheitspreise für elek-
trische Energie betragen mit Berück-
sichtigung des Rabattes, wenn von
einem Elektrizitätswerk bezogen:
a) 1 Kilowattstunde = 1000 Watt-
stunden aus einem Elek-
trizitätswerk bezogen . . 50 Pf.
b) Desgleichen durch Ver-
mittelung einer Akkumu-
latoren-Batterie .... 28 „
c) I Kilowattstunde bei Her-
stellung in eigener Anlage 20 „
Der praktische Energie-Verbrauch
für die verschiedenen Lampen beträgt :
1. Kohlenfaden - Glühlampe 2,5 Watt
für die Kerze,
2. Nernst-Glühlampe 1,8 Watt für die
Kerze,
3. Bogenlampe gewöhnlich 0,8 Watt
für die Kerze,
4. Bogenlampe, Bremer 0,4 Watt für
die Kerze.
Diese Werthe sind der Praxis ent-
nommen. Hier möchte ich gleich noch
bemerken, dass ein Strompreis von
66V3 Pf-, wie er sich aus den An-
gaben in No. 73 Jahrg, 1901 berechnen
lässt und wodurch hauptsächlich der
so hohe Preis für die elektrische Be-
leuchtung herausgerechnet wurde,
kaum noch vorkommt, mindestens zu
den Ausnahmen gehört, sodass er nicht
Ansichten des Wobnzinmiers und des oberen Theiles der Diele. für allgemeine Berechnungen ange-
Villa Stroblberger in Thalkirchen bei München. Arch.; Gebr. Rank in München.’ nomraen werden sollte.
12. April 1902.
193
Unter Zugrundelegung der vorstehendenEinheitszahlen
kosten nun loo Kerzenstunden in Pfennigen:
,a.
b. 1 c.
. ■
■ b.
Kohlenfaden-Glüblicht n
or 1
Nernst-Glühiieht n
30.1,8
0.028 : 0,02 1
Bogenlampe, gewöhnl. n
30.0,8 '
0,028 1 0,02
—
' 2,24-
1,6
„ Bremer k
30 . 0,4 .
0,028 j 0,02 j
! “
; 1,12
0,8
Aus dieser Tabelle ersieht man, dass die elektrische
Beleuchtung für den Konsumenten nur in 4 Fällen theurer
wird als Steinkohlen-Gasglühlicht (100 Kerzenstunden 5 Pf.),
nämlich für das gewöhnliche Kohlenfaden- und.Nernstr^
Glühlicht im Falle a. und b. Bogenlampen-Licht ist . mit
Bezug auf den Beleuchtungs-Effekt stets billiger als Gas-
glühliciit; und .nie -theurer -als ^Nernst-Licht. .Rechnet man
zu, obigen , Kosten, noch den Lampen-Brenner bei Nernsf-
Lampen,-. und;den Kohlen-Ersatz bei den Bogen^Lampen,
so erhöhein sich' dieselben für.; !
- Kphienfaden-Glühlkht um .... 0,6 Pf. i
Nernst-Glühlieht um ...... 1,0
Bogen-Licht 0,4 „
Diese Berechnung zeigt, auch, dass man bei einiger-
maassen umfangreichen-Anlagen sich wohl überlegen soll,
wie man den elektrischen Strom sich am billigsten ver-
schaffen kann. Eine Regel lasst sich. .. hierfür, nicht giit
aufstellen,, da jeder. Fall seine Eigenheiten hat und deirl-
ftaeh auch stets , für sich behandelt werden muss. —
Friedenauib. Berlin. , J.^Wolgien,’ Ingenieur
Mittheilungen aus Vereinen.
Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin. In der Sitzung
vom II. März d. J. gedachte der Vors., Hr. Wirk!. Geh\
Ob.-Brth. Streckert, des Ablebens des früheren Präs,
d. kgl. Eisenb.-Dir. Berlin, Wirkl. Geh. Ob.-Brths. Wex,
und des Eisenb.-Bauinsp. a. D. Albrecht. Dann sprach
Hr._ Major im Eisenbahn-Regiment No. 3 Bauer über
,, DieThätigkeit der deutschen Eisenbahn truppen
in China 1900 igoi. “ Der Vortragende, der dem Stabe des
Grafen Waldersee während der China-Expedition ange-
hörte. schilderte zunächst die Schwierigkeiten, die schon
beim Transport der Truppe in Bremerhaven und noch mehr
bei der Landung auf der völlig ungeschützten-Taku-Rhede -
sich ergaben und dazu führten, dass die Kompagnien ohne
Feldgeräih und Materialien ausgeschifft werden mussten.
Die erste hinausgesandte Kompagnie Neumann traf am
15. Sept. in Tientsin ein' und baute daselbst zunächst pine
3 lange Schmalspurbahn vom Bahnhof nach dem
deutschen Lager an der Universität; .ihre ausgiebige
Thätigkeit beginnt aber erst mit dem Eintreffen des ober-
kommandirenden Feldmarschalls am 25. Sept. und dessen
energischer Betreibung der Wiederhersiellungsarbeiten der
im grossen Umfange zerstörten Bahnlinien Tshilis.
Wie gründlich namentlich die 100 lange Strecke
Jangtsun-Peking zerstört war, schildert Vortragender ein-
gehend an der Hand vieler Lichtbilder. Diese Zerstörung
erstreckte sich sowohl auf die eisernen Brücken von z. Th,
bedeutender Spannweite, den Oberbau, die rollenden Ma-
terialien und die Bahnhöfe, ja selbst auf die Eisenbahn-
dämme, die streckenweise abgetragen waren. Tausende
von Menschen mussten an dieser gründlichen Zerstörung
mitgewirkt haben. Zur Wiederherstellung der Bahn stan-
den dem Vortragenden zur Verfügung eine Kompagnie
der britischen Bengal Sappers and Miners, eine starke,
japanische Eisenbahnbau-Kompagnie, und die deutsche
Eisenbahnbau-Kompagnie Neumann ; zwei weitere deutsche
Kompagnien waren Anfang November zu erwarten. Unter
diese wurden die Arbeiten vertheilt, wobei den Deutschen
aber der bei weitem schwierigste Theil, der Vorbau von
Jangtsun über Lofa-Langfang nach Anting, zugedacht wurde
mit zahlreichen Brücken, darunter 3 über den Peiho und
Tunho von 315, 105 und 210® Konstruktionslänge, von
denen das ganze Trägerwerk in den Fluss abgestürzi 'war.
ästhetischen Gesetz erhobene Bestreben, mögliclist viele
räumliche Bestandtheile in ein grosses Ganzes zu ver-
schmelzen und für dieses wenigstens nach den Haupt-
schauseiten hin den Eindruck eines einfachen Blockbaues
zu wahren. Ein grosser Gedanke, den wir u. a. an den
gewaltigen Schaubauten der Römer und wohl am ent-
schiedensten im italienischen Palasibau verwirklicht sehen.
Aber auch in der Art, wie unsere spätgothischen Hallen-
kirchen mit ihren allbeherrschenden Riesendächern und
wie manche Werke der norddeutschen Backsteingothik
sich aufbauen und fast gewaltsam einheitlich zusammen-
schliessen, ist die nämliche Absicht ganz unverkennbar.
Und nun zu den modernen Bauten! Was sehen wir
z. B, an den gothischen Kirchen aus der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts, insonderheit an den so zahlreichen
Backsteinwerken? Auch das kleinste Kapellchen glaubt'
noch der weitgehendsten Gliederung zu bedürfen; und
wenn sich auch diese Gliederung hier in der Regel mit
nicht willkürlichen Abtheilungen des Innenraumes be- '
gründen lässt, so beweist doch, der Vergleich mit dem
Mittelalter das- Vorherrschen einer veränderten Ab-
sicht. Und zwar ist es für die Volksthümlichkeit die-
ser alles zergliedernden Richtung sehr bezeichnend, dass
bei dem grossen Publikum fast immer diejenigen Kirchen
und Kirchenentwürfe den meisten Beifall finden, bei denen
der unvermeidliche Thurm am kühnsten und schlanksten
über das kirchliche Gebäude hinausragt und daher das
Kirchendach, um diesen Anblick zu ermöglichen, entweder
Nach Üeberwindung -zahlloser: Hindernisse, die nicht nur
aus technischen Schwierigkeiten, sondern oft auch aus
Missverständnissen, oder dem UebelwoUen der. anderen
Nationen entsprangen, gelang es,. -die gestellte Aufgabje
innerhalb denilesieesetzten Frist zu losen, eine. Leistung,
auf die alle BetheÜigten- mit berechtigtem Stolze zurück-
blicken können. Am, 15. Dez. vollzog sich die feierliche
Eröffnung des Betriebes, der zunächst auf der Strecke
Jangtsun-Peking von der deutschen Kompagnie Neumanh
bewerkstelligt wurde, während die Russen mit ihreih
Ussuri-Eisenbahn-Bataillon den Betrieb auf der Strecke
Tonku-Jangtsun und, nach Wiederherstellung der Strecke
Tonku-Hanku, auch auf dieser Linie und jenseits des
GhacAo vpn-R-ankul-bis-rShanliaLkvv^ ,aiiSLÜb.tejiv....:_..
: Nach einer lebhaften Schilderung .der Schwierigkeiten,
die, eine solche, internationale Betriebsführung, mit sich
brachte, ging der Vortragende zu einer eingehenden
Darstellung der Wiederhefstellungs- Arbeiten an der grossen
Brücke über den Chaoho bei, Hanku über, die von sach-
kundiger Hand durch Sprengung der hölzernen Pfahljoch-
unterstützungen über dem niedrigsten Ebbewasserstand in
ihrer ganzen 200,® ausmachenden. Konstruktionslänge von
Grund auf zerstört war. Auch hier galt es, ausserordent-
licher Schwierigkeiten Herr , zu werden, wie wohl am
besten daraus hervorgeht, dass die Russen ihre wiedelr-
holten Versuche, diesen Brückenbau in Angriff zu nehmen,
immer wieder eingestellt haben.
• Hr. Major Bauer schloss seinen mit lebhaftem Beifdll
aufgenommenen Vortrag mit dem Hinweis, die junge
deutsche. Eisenbahntruppe habe drüben in China auf allen
Gebieteri des derzeitigen. Kriegseisenbahnwesens bewiesen,
dass sie auf der Höhe der Situation steht und verdient,
als kriegsbrauchbares W.erkzeug in der Hand .der obersten
Heerführung angesehen zu werden: das sei von- allen
Seiten vollauf anerkannt -word'en. — • Auch mit der. Waffe
in- der Hand bei grösseren .Ünternehmungen ihre Kriegs-
tüchtigkeit zu beweisen, sei der Truppe leider versagt
geblieben, trotzdem sich ihre Thätigkeit keineswegs immer
friedlich abgespielt habe. Aus diesen Schlussworten klang
es, wenn auch nur verdeckt, wie ein Bedauern, dass die
verdienstvolle Thätigkeit dieser Truppe doch mehr nur
vom technischen Standpunkte gewürdigt ist. —
Hr. Prof. Siegm. Müller von der Techn. Hochschule
in CUa'rtQt,tehbtirg\'wir3.- älsl.einh..ord.. Mitghe.d aufgen. —
stilwidrig flach . gehalten oder m ein System von lauter
kleineren Dächern zerklüftet werden musste.
Immerhin . tritt- gerade im Kirchenbau das Streben
nach architektonischer Wahrhaftigkeit und die Gelegenheit
zu natürlicher , Gliederung und Gruppirung der reinen
Willkür vielleicht noch am häufigsten mit . Erfolg ent-
gegen. Bei den meisten, Profanbauten dagegen, öffent-
lichen, und privaten j ist, die dekorative Massengliederung
namentlich von der Mitte des Jahrhunderts an so allge-
mein verbreitet gewesen und ist es zum, grossen Theil
noch heute, dass man wohl befugt ist, geradezu von einer
Herrschaft derselben zu sprechen, Und zwar ist bei den
Wohnhäusern zumeist eine weniger schematische, oft un-
regelmässige und scheinbar zwanglose Weise im Ge-
brauch, während, sich bei den öffentlichen Monumental-
bauten schon bei Zeiten ein ganz bestimmter Typus her-
ausgebildet hat, weicher seither die monumentale Profan-
Architektur der ganzen gesitteten Erde unter sein Szepter
zu beugen wusste.
Als Grundregel dieser typischen Formbildung kann
die besondere Anordnung gehen, dass die einzelnen Theile
der zergliederten Gebäudemasse nicht unter einander gleich-
werthig auftreten, sondern einen fortlaufenden Rhythmus
bilden, bei welchem Glieder erster und zweiter Ordnung
wechselweise auf. einander folgen; dabei sind die Haupt-
glieder — Pavillons — durchaus als selbständige Baukörper,
als Einzelgebäude gekennzeichnet, während die übrigen
zu mehr oder weniger untergeordneten Verbindungs-
No. 30.
194
Vermischtes.
Geh. Reg.-Rath Wilhelm. Launhardt, Prof, an derTechn.
Hochschule in Hannover, feierte am 7. d. Mts,, trotz der
Osterferien unter reger Theilnahme des Professoren-
Kollegiums und der Studentenschaft, seinen 70. Geburts-
tag in voller Rüstigkeit und geistiger Frische. Geborener
Hannoveraner, war Launhardt nach abgelegten Studien
an der Polytechnischen Schule zu Hannover vorwiegend
in seiner Heimath bei Strassen- und Brückenbauten thätig
und wurde 1869 anstelle v. Kavens auf den Lehrstuhl
für Strassen-, Eisenbahn- und Brückenbau an der genann-
ten Anstalt berufen. Als Nachfolger von Karmarsch
war er dann der letzte Direktor der Polytechn. Schule
und der erste Rektor dei* Technischen Hochschule nach
1879. Ununterbrochen ist er seitdem dort thätig gewesen.
Seine Verdienste um die Technik wurden durch Berufung
als ausserordentl, Mitglied in die Akademie des Bauwesens
und im Vorjahre durch Berufung in das preuss. Herren-
haus, als einer der drei ersten Vertreter des technischen
Berufes in dieser Körperschaft, ausgezeichnet. —
Holz-Fachwerksbogen von Ph. Stephan in Düsseldorf.
Während im allgemeinen für weitere Räume die Holz-
konstruktionen gegen solche aus Eisen mehr und mehr
zurücktreten müssen, ist es dem Zimmermeister Hrn.
Philipp Stephan in Düsseldorf gelungen, aus Brettern und
Latten einen Fachwerkbogenträger zusammenzusetzen,
der sich für die Ueberdeckung von Spannweiten von 12
bis 40 “ eignet. Die Anordnung ist gesetzlich geschützt
und gewährt neben ihrem billigen Herstellungspreis ein
so zierliches Aussehen der Bogendecke, dass dieselbe
schon vielfach für Reithallen, Exerzierhäuser, Säle usw.
Verwendung gefunden hat. Unsere Abbildung zeigt die
Einzelheiten dieser Konstruktion an dem 17.9 ^ weiten
Exerzierschuppen in Neu-Ruppin. Der Fachwerk-
träger ist aus einem 5 cm und vier 3 cm starken Brettern
zusammengesetzt und mittels 5 zu 7 cm starker Latten aus-
gesteift. Den Zug nimmt eine Verankerung aus zwei 9
zu IO cm starken Hölzern auf. Die Verankerung des Auf-
lagers ist aus der Abbildung ersichtlich. Die Binder sind
in Abständen von 4,70 “ angeordnet und tragen Pfetten,
die 2™ von einander entfernt liegen. Die hauptsächlich
durch das Patent betroffene Eigenart des Daches besteht
nun darin, dass auf diese Pfetten 4 cm starke Bretter ver-
nagelt werden, die Dank der Krümmung im Stande sind,
die Sparren zu ersetzen und die Dachschalung aufzu-
nehmen. Jede Einzelheit dieser trefflich durchgebildeten
Konstruktion ist statisch zuverlässig bestimmbar, sodass
der Ausführung auch für bleibende Bauten gerade nichts
entgegengestellt werden kann. — Fw.
Der IX. internationale Schiffahrts-Kongress findet in
den Tagen vom 29. Juni bis 6. Juli d. J. in Düsseldorf
statt. Mit dem Kongress ist eine Ausstellung für Schiff-
fahrt verbunden. Aus den Verhandlungen seien hervor-
gehoben: „Die Ueberwindung grosser Höhen“ ; „DieAnlage
und Unterhaltungskosten eiserner und hölzerner Schleusen-
thore“; „Der Verkehr mit See-Prähmen“; „Die Dock-An-
lägen“ usw. Von den in Aussicht genommenen Besichti-
gungen sind hervorzuheben eine solche der Düsseldorfer
Hafenanlagen, eine Fahrt nach Ruhrort und Duisburg, Be-
sichtigungen des Dortmund-Ems-Kanales bei Herne, des
Hebewerkes bei Henrichenburg, der Anlagen von Krupp
in Essen, der Müngstener Brücke und der Remscheider
Thalsperre. Den Schluss des Kongresses bildet ein Aus-
flug nach dem_ Kaiser Wilhelm-Kanä. und nach den Hanse-
städten. — j
Bücherschau.
Die graphische Statik der Baukonstruk-
tionen von Müller -Breslau. Band I.
3. Aufl. Baumgärtner’s Buchh. Leip-
zig 1901. Pr. broch. 18 M., geb. 20 M.
Die Kunst des Eisenbaues hat in
Deutschland eine hohe Stufe der Aus-
bildung erreicht; die Weltausstellungen
in Chicago 1893, in Paris 1900 zeigten
deutlich, dass Deutschland mit seinen
Leistungen in erster Reihe steht. Das
günstige Ergebniss ist zum grossen Theile
erreicht durch die wissenschaftliche Aus-
bildung der Ingenieure, durch die ernste
ununterbrochene Arbeit auf dem Gebiete
der Theorie sowohl seitens der Praktiker,
wie der Theoretiker. In unseren grossen
Brückenbau - Anstalten sind ausgezeich-
nete Ingenieure ständig bemüht, die ihnen
erwachsenden Aufgaben in streng wissen-
schaftlichem Sinne zu lösen. Erleichtert,
ja in vieler Hinsicht ermöglicht wurde ein
erfolgreiches Arbeiten auf den einschlägi-
gen Gebieten durch die ausgezeichneten
und grundlegenden Arbeiten des Ver-
fassers vorstehend genannten Werkes.
Die beiden Hauptwerke von Müller-
flügein — Rücklagen — herabsinken. Diese Art bildet
mancherlei Wechselformen aus und ist, wie erwähnt,
insonderheit zur Vorstufe des eigentlichen Typus gewor-
den, jener uns so hervorragend geläufigen Form des
Giiederbaues, bei welcher der die Mitte der Fassade
einnehmende Pavillon als „Mittelbau“ besonders liervor-
gehoben und als selbständige Palastfassade (bisweilen
nochmals gegliedert!), als Tempelfront, als thurmartiger
oder kuppeltragender Baukörper oder sonstwie repräsen-
tativ behandelt wird. Eine Abart dieses Systems könnte
man übrigens die bei modernen Strassenkreuzungen so
überaus beliebte Anordnung nennen, bei welcher an die
Stelle des „Mittelbaues“ die Eckpartie tritt, wobei dann
häufig, zumal bei Mietbs- und Geschäfsbäusern, diese Eck-
partie sich etwas gewaltsam in einen „Thurm“ oder ähn-
lichen Aufbau von vorherrschend aufstrebender Richtung
zu verwandeln pflegt.
Wo diese Grundform zum erstenMal auftritt, würde sich
vielleicht nachweisen lassen; so viel ist gewiss, dass, so
modern sie auch im übrigen sein mag, gerade sie in früheren
Perioden ihre unmittelbaren Vorläufer hat. So nament
lieh hier und da in England, besonders aber in manchen
französischen Schlossanlagen, als man anfing, diese regel-
mässiger und wohnlicher zu bauen, und schon häufiger
in gewissen Barockbauten. Zur vollen Herrschaft aber
gelangt auch diese Form erst im Verlauf des neunzehnten
Jahrhunderts, zumal in dessen zweiter Hälfte. Das Capitol
zu Washington wie die Parlamentspaläste, im alten Europa,
12. April 1902.
die monumentalen Neubauten für die mancherlei Behörden
und anderen Körperschaften, welche das vielfältig zusam-
mengesetzte moderne Staats- und Wirtlischaltsleben schuf,
die oft nicht weniger repräsentativ behandelten Gebäude für
den öffentlichen Unterricht, für hohe und minder hohe Schu-
len, Museen, die riesenhaften Paläste der Weltausstellungen
usw. — sie alle sind einzelne Figuren in diesem grossen
Triumphzuge, welcher gradezu als monumentale Versinn-
lichung des ungeheuren Siegeslaufes der modernen Zivili-
sation betrachtet zu werden verdient; schon richtete diese
fern im äussersten Ostasien wie auf den letzten Insel-
gruppen des Grossen Ozeans ihre steinernen Sieges-
zeichen auf, und alle fast zeigen dieselbe t3'’pisch-moderne
Hauptform.
Und einer Kunstperiode, welche einen so weit ver-
breiteten architektonischen Typus ausgebildet hat, wie es
sonst nur noch allenfalls der Peripteraltempel und die
Langhauskirche waren : einer solchen Periode der Baukunst
wollte mau jeden Charakter absprechen? —
Nur dass eben das charakteristische Kennzeichen ab-
seits der üblichen Stileintheilung liegt. Auch hierfür
ein lehrreiches Beispiel: man betrachte darauf hin den Platz
vor dem Rathhause in Wien, wie hier derselbe dekorative
Grundgedanke in drei bezw. vier verschiedenen „Stilarten“
in vierfacher Wiederholung zum monumentalen Ausdruck
gelangt — es ist jedesmal derselbe durchaus moderne
Grundsatz, nur in drei verschiedenen historischen, wenn
man will „toten“ Sprachen ausgedrückt. — (Schluss folgt.)
^95
Breslau; „Die graphische Statik der Baukonstruk-
tionen" und „Die neueren Methoden der Festig-
keitslehre“, dürfen auf dem Tische des konstruirenden
Ingenieurs nicht fehlen. Von dem erstgenannten Werke
liegt die 3. Auflage des f. Bandes vor. — Die 2. Auflage
des Bandes ist 1887 erschienen; sie bildete eine so um
fangreiche Neubearbeitung der i. Auflage, dass man sie
als ein neues Werk bezeichnen konnte. Auch die neue
Auflage ist in -wichtigen Punkten bereichert und umge-
arbeitet. Von einer Empfehlung dieses ausgezeichneten
Werkes kann hier abgesehen -werden; dasselbe ist in den
weitesten Kreisen anerkannt und bekannt; der Bericht
darf sich auf die Hervorhebung der Abänderungen be-
schränken, welche das Buch bei der Neubearbeitung
erfahren hat. —
Der vorliegende Band umfasst die allgemeinen Unter-
suchungen über Zusammensetzung und Zerlegung von
Kräften in der Ebene, Trägheits- und Zentrifugal-Momente
ebener Querschnitte, die Spannungen in geraden Stäben,
endlich das grosse Gebiet der statisch bestimmten Träger.
In dem Kapitel über Trägheits- und Zentrifugal-Momente
ist der Trägheitskreis nach Mohr eingehend behandelt
eine Hilfskonstruktion, welche gestattet, die Lage der Null-
Linie und die grössten auftretenden Spannungen ausser-
ordentlich leicht zu ermitteln. Für die Spannungen in
geraden Stäben sind einfache Ausdrücke erstrebt, die An-
wendung derselben auf Mauerpfeiler von zusammenge-
setzten Querschnittsformen auch an Zahlenbeispielen vor-
geführt. Neu in dieser Auflage ist ferner die Standsicher-
heits-Untersuchung gemauerter, runder Schornsteine. Der
Verfasser stellt bei diesen die Forderung auf, dass die Null-
Linie höchstens den Querschnitt halbiren dürfe, sodass bei
Ausserachtlassung der Zugspannungen stets wenigstens die
Hälfte derQuerschnittsfläche wirksam sei.Uebereinstimraend
mit dem Beschluss der Akademie des Bauwesens hält er es
für ausreichend, im Binnenlande einen Winddruck von
125 kg/qm einzuführen; wenn aber grössere Annahmen bis
zu 200 kgy'qm (an der Seeküste) erforderlich werden, so
empfiehlt er, hohe Pressungen als grösste Inanspruch-
nahmen zuzulassen. Für die zu Schornsteinbauten be-
sonders geeigneten schweren, dichten Lochsteine bezw.
gute Hartbrandsteine in verlängertem Zementmörtel (i R.-
T'h. Portland-Zement, i— 2V4 R.-Th. Kalk und 4— 9 Raum-
theile reiner scharfer Sand) hält er eine Inanspruchnahme
von 12— 3okg/qcm als zulässig: natürlich ist dabei Rücksicht
auf die Herstellungsart zu nehmen. — Sehr eingehend ist
die Theorie der statisch bestimmten Träger behandelt und
stets das Bestreben nach möglichster Einfachheit erkennt-
lich; überall ist die Anwendung durch Vorführung von
durchgerechneten Zahlenbeispielen erleichtert. Bei Be-
sprechung der Gerber’schen Fachwerkbalken (Ausleger-
und Koppelträger) sind auch die Gerber’schen Balken mit
Hängegurtung aufgenommen, wie sie zuerst bei dem Mann-
heimer Wettbewerb im Jahre 1887 von Gerber und
Rieppel vorgeschlagen und auch dort ausgeführt sind. —
Bogen- und Hängebrücken sind wie in der früheren Auf-
lage eingehend behandelt; eine wichtige Bereicherung des
betr. Kapitels bildet der Paragraph über die Verwerthung
der Kettenlinie zur Ermittelung angemessener Linienführung
für die Gurtungen. Das angegebene Verfahren hat der
Verfasser zuerst bei der von ihm entworfenen Fussgänger-
Brücke über die Oberspree bei Oberschöneweide ange-
wendet: die Linien der Gurtungen wurden als Seilecke
lothrechter Lasten gebildet, wobei die Lasten nach einer
gewissen Gesetzmässigkeit gewählt wurden (s. Zeitschr. f.
Bauw. igoo, S. 65. Centralbl. d. Bauverw. 1900, S. 257).
Dieser neue Weg für die Bestimmung der Gurtform ist
auch für Bogenbrücken, Gewölbe usw. gangbar. — Wesent-
lich .bereichert und umgearbeitet ist der Abschnitt über
allgemeine Theorie des statisch bestimmten ebenen Fach-
werkes. Aus praktischen Rücksichten ist dieser Abschnitt
an den Schluss des Bandes gestellt. Es ist hier besonders
auf das Verfahren der Ersatzstäbe hinzuweisen, welches
zur Untersuchung der statischen Bestimmtheit bezw. Brauch-
barkeit des Fachwerkes sowie der in demselben aufireten-
den Stabspannungen stets ausreicht. Dasselbe wurde uns.
Wissens von dem Verfasser zuerst im Jahre 1891 im Centralbl.
d. Bauverw. (S.439) in dem Aufsatze über räumliche Fach-
werke veröffentlicht. Als Beispiel für die Anwendung des
Verfahrens sind in dem vorliegenden Bande mehrfache
Netzwerke untersucht, eine Trägerart, welche früher viel-
fach, seit mehreren Jahrzehnten aber bei uns nur aus-
nahmsweise verwendet ist. Neuerdings scheinen diese
Träger für zerlegbare Brücken grössere Bedeutung ge-
wonnen zu haben und zwar mit Diagonalen, die an den
Kreuzungspunkten mit einander vernietet sind. Diesen
Fall behandelt der Verfasser allgemein. Den Schluss bildet
die kinematische Theorie des Fachwerkes, welche bereits
in der 2. Auflage vorgeführt war, aber in der vorliegenden
196
Auflage bedeutend erweitert ist; sehr fruchtbar erweist
sich dieselbe für die Berechnung der mehrtheiligen Fach-
werke, für welche eine Reihe wichtiger Beispiele vor-
geführt ist.
Auch in dem hier besprochenen Bande treten die
Vorzüge der Arbeiten des Verfassers in die Erscheinung:
es ist stets ein allgemeines Verfahren gefunden, durch
dessen Benutzung sich eine ganze Reihe von Aufgaben
lösen lässt; die Richtigkeit des Verfahrens ist streng nach-
gewiesen, die Ausnahmefälle sind ins Auge gefasst; dann
ist die Anwendung des allgemein angegebenen Verfahrens
an einer Reihe von Beispielen gezeigt. So ist das Buch
nicht nur von hervorragender wissenschaftlicher, sondern
auch ausserordentlicher praktischer Bedeutung. —
Th. Landsberg.
Preisbewerbungen.
Volksheilstätte der Stadt Leipzig in Sorg bei Adorf.
Unter Bezugnahme auf den im öffentlichen Wettbewerbe
mit dem I. Preise ausgezeichneten Entwurf für die seitens
der Stadtgemeinde Leipzig zu errichtende Volksheilstätte
in Sorg b. Adorf im Voigtlande sind wir in der erfreu-
lichen Lage zu berichten, dass der Rath der Stadt Leipzig
die Ausarbeitung der Pläne den Verfassern dieses Ent-
wurfes, den Hrn. Architekten Reichel & Kühn in Leipzig
übertragen hat. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Mar.-Bfhr. Jensen ist zum Mar.
Maschinen-Bmstr. und die Ing. Stade und W. Wolf sind zu
techn. Hilfsarb. beim kais. Pat.-Amt ernannt.
Hessen. Der Wasserbau-Ass. Spam er in Darmstadt ist z.
Sekret.-Assist beim Min. der Fin. mit der Berechtigung zur Fahrung
des Tit. Reg-Bmstr. ernannt.
Preussen. Versetzt sind; Die Reg.- u. Brthe. Saran von
Königsberg i. Pr. nach Wiesbaden, Bohnen von Aurich nach
Königsberg i. Pr. und Behrndt von Berlin nach Aurich; — die
Wasser-Bauinsp., Brthe. Hasenkamp von Kuckerneese nach
Saarbrücken, G r a e v e 1 1 von Posen nach Breslau u. Werneburg
von Saarbrücken nach Trier; die Wasser-Bauinsp Thiel ecke
von Wittenberge nach Potsdam, Berg haus von Breslau nach
Hannover, Reichelt von Köpenick nach Potsdam, Knispel
von Posen nach Köpenick, Hefe r mehl von Hannover nach
Kuckerneese und Rosskothen von Einlage nach Halle a. S.; —
die Kreis-Bauinsp. Brth. Ochs von Magdeburg nach Quedlinburg
und Böttcher von Pillkallen nach Langenschwalbach; der Land-
bauinsp. Jaensch von Arnsberg als Kr.-Bauinsp. nach Drossen;
der Kr.-Bauinsp. Rohr von Langenschwalbach alsLaudbauinsp. nach
Wiesbaden; — der Bauinsp. Beck in Osnabrück nach Dortmund.
Der Amtssitz der Kreis-Bauinsp. Czarnikau ist nach Schneide-
mühl verlegt.
Die Reg.-Bfhr. Emil Hartmann aus Göttingen, Wilh. Ger-
bens aus Bochum und Leo Rudolph aus Dramburg (Hochbfch.),
— Alb. Scheel aus Berlin u. Joh. Seiffert aus Braunschweig
(Eisenbfch.), — Frz. Kurzak aus Sakrau u. Erich Menge aus
Holzminden (Masch.-Bfch.) sind zu Reg.-Brnstrui ernannt.
Sachsen. Den Geb. Brthn. Peters, Bergmann und
Pagenstecher bei der Gen. -Dir. der Staatseisenb. ist die nach-
ges. Versetzung in den Ruhestand bewilligt.
Die Eisenb.-Dir., Ob.-Brthe. Ho milius in Leipzig u. Löser in
Chemnitz sind als Mitgl. in die Gen.-Dir. der Staatseisenbahn versetzt.
Ernannt sind: Der Ein.- u. Brth, Buschmann zum Mitgl.
der Gen.-Dir. der Staatseisenb., die Betr.-Insp. Müller, Rühle
V. Lilienstern und Weidner zu Eisenb.-Dir. in Dresden-A.,
Leipzig I und Chemnitz ; — die Reg.-Bmstr. Heim, Otto, Rothe
und K. E. Schneider zu Bauinsp.; der Reg.-Bmstr. Meyer
Masch.-Insp.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Maurermstr. W. i. Nach Ihrer eigenen Darlegung der
Sachlage haben Sie weder an die Gemeinde noch an den Bürgermeister
irgend welchen Anspruch. 2. Da im geltenden Verwaltungsrechte
nicht einmal den Städten mit mehr als 10000 Einwohnern oder den
Polizeibehörden derartiger Gemeinden vorgeschrieben ist, dass sie
nur Reg.-Baumeister als bautechnische Sachverständige benutzen
dürften und sich noch weniger ein Verbot findet, in Städten unter
10000 Einwohnern geprüften Baugewerksmeistern Geschäfte bau-
technischer oder baupolizeilicher Natur zu übertragen, so ist in
Ihrem Falle dem Bürgermeister unverwehrt, bei Auswahl bau-
kundiger Beamten geeignete Baugewerksmeister zu verwenden, so-
weit nicht etwa, was an Ihrem Orte nicht vorliegt , die staatliche
Aufsichtsbehörde oder ein Ortsstatut Ausnahme-Bestimmungen ge-
troffen hat. — H. H-e.
Inhalt: Villa Stroblberger in Thalkirchen bei München. — Eine cha-
rakteristische Eigenschaft der neuen Baukunst — Die Stellung der baye-
rischen Staatsbahn-Ingenieure. — Kosten der elektrischen Beleuchtung nebst
vergleichenden Bemerkungen. — Mittheilungen aus Vereinen. — Vermisch-
tes — Bücherschau. — ■ Preisbewerbungen.. — Personal-Nachrichten. —
Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage; Villa Stroblberger in Thalkirchen
bei München.
Verlag der Deutschen Bauzeitui^ G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 30.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 31. Berlin, den 16. April 1902.
Das städtische Elektrizitätswerk in Worms.
Architekt; Stadtbaumeister Metzler ii
n 2. Januar 1900 fasste die Stadtverordneten^ Ver-
sammlung von Worms den einstimmigen Beschluss,
ein Elektrizitätswerk zur Licht- und Kraftabgabe und
Betrieb der Strassenbahn auf städtische Kosten zu er-
Worms. (Hierzu die Abbilduog S. jgg.)
bauen und zu betreiben. Die Vergebung der elektrischen
und motorischen Einrichtung des Werkes erfolgte am
20. Juni 1900 an die Elektrizitäts-Aktien-Gesellschaft vormals
Schuckert & Co. in Nürnberg. Die Hochbauten wurden
durch das Stadtbau-
amt aufgrund der
von Hrn. Geheim-
rath K i 1 1 1 e r in
Darmstadt gegebe-
nen Gesichtspunk-
te und im Einver-
nehmen mit der
genannten Gesell-
schaft nach den rait-
folgenden Abbil-
dungen errichtet.
Als Bauplatz des
Werkes wurde ein
vomVangionenring,
der Kloster- und
der Aulstrasse um-
schlossenes Gelän-
de bestimmt, wel-
ches die Möglich-
keit späterer Er-
weiterungen der
Anlage darbot. Die
Gruppirung des
Aufbaues ergab sich
aus der Bestim-
mung der einzelnen
Theile der Anlage;
ohne' den Zusam-
menhang zu stören,
war es möglich, je-
dem Bautheile eine
ihm charakteristi-
sche Gestaltung zu
geben. DieStrassen-
ecke fand eine be-
sondere Berück-
sichtigung durch
Zurücksetzung des
Akkumulatoren-
hausesura eine Vor-
gartentiefe , sodass
hier einebewegtere
Gestaltung der An-
lage möglich war.
Die einzelnen Ge-
bäudetheile gruppi-
ren sich um einen
kleinen Innenhof. —
Für die dem Betrieb
des Werkes dienen-
den Gebäudetheile
wurden romani-
sche Formen, für
das Verwaltungsge-
bäude gothische
Formen mit Be-
standth eilen imStile
der deutschen Re-
naissance gewählt.
Der Sockel besteht
aus einer unteren
Schicht aus Nie-
dermendiger Ba-
saltlava, sowie aus
mit dem Hammer
bearbeitetem Mau-
erwerk aus Neckar-
sandstein. Die Fas-
sadengliederunger-
folgte durch Lise-
nen in Neckarsand-
stein und Putzflä-
chen, während die
architektonischen
Gliederungen in
197
Pfälzer Sandstein ausgeführt wurden. Kragsteine und Ge-
simse sind in sparsamer Weise mit Ornament belebt. Die
Dächer des Verwaltungsgebäudes und des Akkumulatoren-
hauses sind in blauem, deutschem Schiefer, die Dächer
auf dem Maschinenhause mit braun glasirten Ludovici-
Ziegeln gedeckt. Sparsam angebrachtes Fachwerk unter-
bricht in gefälliger Weise die Steinarchitektur. Es ist mit
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten-Verein zu Berlin. Vortragsabend mit Damen
am 1.7. März 1902. Vors, Hr. Plathner, anw. 174 Personen
einschl. der Damen und Gäste. Hr. P. Gerhardt sprach
unter Vorführung ausgezeichneter Lichtbilder, theiis nach
eigenen Aufnahmen, theiis nach solchen des Hrn. Dir.
Görke der Urania bezw. der Firma Minzloff in Tilsit
über „Die Kurische Nehrung und ihre Dünen".
Redner verwies zunächst diejenigen, welche mehr in die
Einzelheiten des Gegenstandes einzudringen wünschten,
auf das seinerzeit im Aufträge der Regierung von ihm
in Gemeinschaft mit anderen herausgegebene Werk „Hand-
buch des Deutschen Dünenbau-s" und schilderte
dann in anziehender Weise Land und Leute, sowie die
systematisch durchgeführten Arbeiten zur Wiederauf-
forstüng der Dünen, durch welche allein dem verderben-
bringenden Wandern der letzteren ein Halt geboten werden
kann. Die Zuhörer gewannen ans den Ausführungen in
Verbindung mit den prächtigen Aufnahmen eine lebendige
Vorstellung von der Eigenthümlichkeit dieses landschaftlich
keineswegs aller Reize haaren Landstriches, seiner zähen,
an der Schölle haftenden Bevölkerung und von der mühe-
vollen Kleinarbeit, mit welcher der fast unüberwindlich
erscheinenden Kraft des Windes und des rieselnden Sandes
Schritt für Schritt' der Boden streitig gemacht wird.
Die Kurische Nehrung besitzt eine Längenausdehnung
von 98 bei grösster, 0,44 k” geringster Breite.
Rossitten, Nidden und Schwarzort, letzteres ein
aufblühender Badeort, im übrigen Orte, deren Bewohner
hauptsächlich von der Haffischerei, ausserdem von den
geringen Erzeugnissen des schmalen anbaufähigen Land-
streifens an der Binnenseite der Düne leben, sind die
Haüptplätze der Halbinsel, die man am bequemsten mit
dem Dampfschiffe erreicht, das zwischen Cranz (d. h. vom
Binnenhafen) und Memel in 5—6 Stunden regelmässig ver-
kehrt. Sonst ist man auf den Wagen angewiesen, die
kurische Post oder sonstiges Fuhrwerk, mit dem sich auf
.dem nassen, seeseitigen Strande, bezw. auf der Palwe,
d. h. dem hinter der Vordüne gelegenen, wüsten, aber
ebenen Landslfeifen leidlich vorwärts kommen lässt. Die
mit breiten Felgen ausgestatteten Wagen werden mit 3
Pferden, falls 4-sitzig schon mit 4 Pferden bespannt.
Der Querschnitt der Nehrung zeigt zunächst seeseitig
einen schmalen Strand, dahinter die Vordüne, die jetzt
durchweg befestigt wird, dann die schon genannte Palwe,
weiter einen etwas hügeligen Streifen, das kupsige Ge-
lände,. aus dem sich flach ansteigend die Wanderdüne er-
hebt, die nach der Haffseite steil abfällt und nur noch ein
schmales Vorland übrig lässt. Einst lagen diese Dünen
viel weiter zurück, sie waren bewaldet, wie noch heute
Spuren von Waldboden in den Sandmassen, Reste alter
verschütteter Wälder, die mit dem Fortschreiten der Düne
wieder freigelegt sind, beweisen. Unvernünftige Abholzun-
gen in früherer Zeit werden hieran die Hauptschuld tragen,
jetzt bemüht man sich, dem losen Sande, der unter
dem Einflüsse des Windes langsam, aber unwiderstehlich
fortschreitet, Dörfer verschüttet und später wieder freilegt,
von neuem einen festen Halt zu geben durch mühevolle,
aber erfolgreiche Arbeit. Zunächst wird die Vordune be-
festigt, dann die Binnendüne durch Aufforstung. Zu diesem
Zweck wird die ganze Fläche des seeseitigen Hanges durch
niedrige Reisighecken in Quadrate von 4 “ Seitenlange, das
sog. Besteck, getheilt. In jedes dieser Quadrate wird in
einzelnen Löchern Lehmboden eingebracht, in den dann
kleine Kiefern eingesetzt werden, die bald dem losen
Boden. Halt geben. —
Ausserord. Vers, vom 7. April. Vors. Hr. Beer,
Gegenstand des Abends bildete neben geschäftlichen Mit-
theilungen die Frage, in welcher Weise der Verein Stellung
nehmen solle zu den Uebergangs-Bestimmungen betr. die
Zulassung der Reg.-Bauführer zur Doktor-Promotion an
den techn. Hochschulen. Nach den Mittheilungen, die von
amtlicher Stelle im Abgeordnetenhause gemacht wurden^
ist eine Verschmelzung der Bauführer- und der Diplom-
prüfung für die Zukunft geplant, so dass es nur noch ein
einziges akademisches Abgangs -Examen giebt. Die bis-
herigen Reg.-Baumeister sollen dann ohne Weiteres, die
Reg.-Bauführer nach Nachlieferung einer der Diplomarbeit
■*) Vergl. die Besprechung des Werkes in No. 52, Jahrg. 1901 der D. Bzfg.
Anerkennung zu bemerken, dass das mit einem Gesammt-
aufwand von 1 100000 M. erbaute Werk in seiner archi-
tektonischen Haltung über den Charakter eines einfachen
Nutzbaues hinausgeht und sich den bewährten Ueberliefe-
rnngen, welche die Stadt Worms bei ihren neueren
Bauten mit so viel Glück aufgenommen hat, würdig
anschliesst. —
entsprechenden häuslichen Arbeit zur De ktor- Promotion
zügelassen werden. Die Versammlung beschloss, eine vom
Vorstande des Vereins eingebrachte Resolution, weiche den
bisherigen Standpunkt des Vereins und des Verbandes d. A.-
u. I.-V. (unbedingte Zulassung der Reg -Bauführer) währt,
den Abgeordneten zuzustellen. DieseResolution soll auf An-
trag des Plrn. Graef auch noch den Hrn. Ministern des
Kultus und der öffentl. Arbeiten überreicht werden. —
Im Anschluss an diese ausserordentl. Versammlung
fand, wiederum unter sehr starker Theilnahme, ein Vor-
tragsabend mit Damen statt. Es sprach Hr. Ob. -Ing. Arlt
bei der Allg. Elektr.-Ges. über „Die Erzeugung der
Elektrizität und ihre Verwendung für Beleuch-
tung und Kraftübertragung“. Der Vortrag war von
Experimenten und der Vorführung von Lichtbildern be-
gleitet. Der Zusammensetzung der Zuhörerschaft ent-
sprechend ging der Redner weniger auf die Begründung
und die Ursachen, als auf die Vorführung der Folge-Er-
scheinungen ein und führte die seinen Ausführungen mit
Interesse folgende Versammlung dann im Bilde durch die
Werkstätten und die Zentralen der genannten Gesellschaft
in Berlin. — Fr. e.
Arch.- und Ing.-Verein zu Magdeburg, ln der sehr
stark besuchten Versammlung am 12. Febr. d. J. hielt Hr.
Landbauinsp. Hesse einen Vortrag über „Die Magde-
burger Justizneubauten". Unter Vorlegung von zahl-
reichen Zeichnungen führte er etwa Folgendes aus: Die
verschiedenen Gerichtsbehörden sind bisher in mehreren
entfernt von einander liegenden Gebäuden innerhalb der
Altstadt untergebracht. Hierdurch sowohl wie durch die
Unzulänglichkeit der alten Häuser wird der dienstliche
Verkehr sehr erschwert. Man fasste daher zu Ende der
achtziger Jahre den Entschluss zu einem gemeinsamen
Neubau und suchte ein zweckentsprechendes Grundstück.
Die Unmöglichkeit, ein geeignetes Gelände innerhalb der
Altstadt zu finden, führte zu dem Erwerb des Grund-
stückes an der Halberstädter-Strasse, das neben seiner
annehmbaren Lage in der Nähe der Stadt den Vortheil
eines preiswürdigen Ankaufes bot, obschon die sehr eng
angrenzende Nachbarschaft und die knapp bemessene
Strassenbreite vor der Hauptfront nicht gerade alle Wünsche
in vollem Maasse befriedigen. Der Preis des Bodens be-
trug 700 000 M. bei einer Grösse von annähernd 3,45
Der Baugrund ist gut und erfordert keine besonderen Grün-
dungsarbeiten. Auch der Grundwasserstand, der bis 6 und
7 ” unter Strassenkrone liegt, ist günstig. Schwierigkeiten
stellten sich aber hinsichtlich der Entwässerung der Ge-
bäude ein durch die geringe Tiefenlage des vorhandenen
Entwässerungskanaies. Man musste sich zur Anlage eines
neuen Kanales verstehen, der auf fiskalischem Boden
unterhalb der Eisenbahn eingebettet wurde. Redner giebt
nun eine allgemeine Uebersicht über das Raumbedürfniss,
über die Vertheilung der einzelnen Verwaltungszweige auf
die verschiedenen Gebäude und ferner über die Gruppirung
der letzteren im Gelände, bei welcher Bedacht auf die
spätere Erweiterungsfähigkeit zu nehmen war. Das Haupt-
gebäude mit seinen fünf grossen umschlossenen Höfen
nimmt die hervorragendste Stelle an der Hauptverkehrs-
strasse ein, enthält die grossen Sitzungssäle mit den zuge-
hörigen Dienst- und Nebenräumen und getrennte Zugänge
für den Geschäftsverkehr und für das Publikum. Sein
Hauptraum, der Schwurgerichtssaal, ist in die Mittelaxe
der Gesammtanlage verlegt und bildet hier das bestimmende
Motiv für die äussere architektonische Erscheinung. Zu
ihm führt der Hauptzugang. Stattliche und übersichtlich
angeordnete Treppen in den Längs- und Queraxen ver-
mitteln den Verkehr im Inneren. Die äussere Gestaltung
des Hauptgebäudes mit seiner ruhigen, monumentalen
Massenvertheilung zeigt in ihren Einzelheiten Anklänge an
spätgothische Motive und bringt in würdiger Weise die
Zweckbestimmung des Bauwerkes zum Ausdruck. Lehr-
reich wirkten einzelne der ausgestellten Studienblätter,
welche die verschiedenartigen Lösungen der architektoni-
schen Aufbauten und des Hauptportales iri meisterhafter
Darstellung zur Anschauung brachten. Den Erläuterungen
zu den inneren Ausführungsarbeiten, den Konstruktionen,
den Grössenverhältnissen, der Bauzeit und den Baukosten
schloss der Vortragende die Beschreibung des_ Zellenge-
fängnisses, des Verwallungs- Gebäudes mit dem eingefügten
Betsaale, des Lazareths mit Aerzte- und Krankenzimmern,
No. 31.
198
und desDienstwolingebäudes für Unterbeamte an. Reicher
Beifall und Dank lohnten die werthvollen Ausführungen.
Eine gemeinsame Besichtigung des bereits bis zum Erd-
geschoss gediehenen Bauwerkes ist für die nächste Zeit
geplant. — Th.
und Hannover abgehalten werden sollen, haben erstmalig
staugefunden. In Hannover trugen die Hrn. Prof. Nuss-
baum bezw. Ob.-Stabsarzt Dr. Schumburg in der
Zeit vom lo.— 22. März vor, während in Berlin die Vor-
lesungen am 7. d. M. begonnen haben. Sie werden ab-
Vermischtes.
Die Kurse über Bau- und Wohnungshygiene welche
nach unserer früheren Mittheilung (vgl. No. 15) für ältere
Baubeamte an den technischen Hochsdmlen zu Berlin
16. April 1902.
gehalten von Hrn. Landesbrth. Th. Goecke bezw. für den
ärztlichen Theil von Hrn. Reg.-Rth. Prof. Dr. Kossel. Die
bautechnischen Vorträge befassen sich mit: Bebauungs-
p^lan, Bauordnung, Bauplan, Bauart und wirthschaftlichen
Fragen, die ärztlichen Vorlesungen behandeln: die Ent-
199
.Wicklung der heutigen Gesundheitslehre und ihre Ver-
werthung für die Volksgesundheit, Statistik, Infektions-
Krankheiten, Forderungen für ein gesundes Wohnen. Mit
den Vorlesungen sind Besichtigungen verbunden. —
Die Errichtung einer zweiten bayerischen technischen
Hochschule in Nürnberg, welche das bayer. Kultusministe-
rium beim Landtag beantragt hat, hat sich immer dringender
als ein Bedürfniss herausgestellt. Nürnberg zählt mit seiner
Nachbarschaft Fürth rd. 320000 Einwohner, es bildet den
wirthschaftlichen Mittelpunkt der drei fränkischen Pro-
vinzen, Bayerns und hat zu seiner Nachbarschaft die in-
dustriereichen Städte Schwabach und Erlangen. Sonach
bildet Nürnberg den Mittelpunkt des bedeutendsten Indu-
striegebietes Süddeutschlands, dessen Industriezweige, wie
die Maschinen-Industrie, die Elektrotechnik, der Brücken-
bau, die chemische Industrie, die Metall-, Farben- und
Spielw'aaren-Industrie an erster Stelle des Weltmarktes
stehen.; Die architektonische Bedeutung der Stadt, wie ihre
künstlerische Bedeutung, im allgemeinen sind nicht minder
weltberühmt; als Sitz dreier grosser Anstalten, wie des Ger-
manischen National-Museuiris, des Bayerischen Gewerbe-
Museüfns und des Verkchrs-Museums bietet sie dem Stu-
direnden wie dem Lehrer reiche Anregung. Eine Reihe
grosser industrieller Werke ist imBesitzypn Versuchs-Labo-
ratorien und Betriebs-Einrichtungen, deren Kennfniss den
Studirenden nicht vorenthalten würde. Zu der Einfluss-
sphäre Nürnbergs darf auch ein grosser Theil der Ober-
pfalz mit seiner Porzellan-, Glas- und Eisenindustrie, na-
mentlich die Gegend von Weiden, Sulzbach,' Neümarkt
us'w. gerechnet werden. Die Studirenden, deren Zahl für
den Anfang auf etwa 500 (.gegen 380, mit 'welchen die
technische Hochschule in München eröffnet wurde) ange-
nomrnen wird, dürften sich aus den Hörern Baj^.erns zu-
samm'ensetzen, welche bisher die Hochschulen der kleine,-
ren Städte wie Karlsruhe, Darmstadt, Stuttgart usw. wegen
ihrer angenehmen Lebensbedingungeh aufsuchten, sodann
iiameDtlich aber ' auch aus Hörern aus Thüringen, ins-
besondere, so lange hier nicht eine eigene technische
Hochschule errichtet wird. Die Stadt Nürnberg stellt den
Bauplatz unentgeltlich zur Verfügung; sie hat sich ein Ge-
lände von rd. 2 ha von dem .früheren Gelände der Ma-
schinenbau-Akt.-Ges. an der Ring- und Kesslerstrasse vor-
läufig gesichert; daneben hat die Stadt noch einen zweiten
Bauplatz gegenüber dem Stadtparke Maxfeld angeboten.
Nicht ohne Bedeutung für die künftige technische Hoch-
schule ist die Thatsache, dass in Nürnberg bereits die
Johann Friedrich Klett’sche Polytechnikums-Stiftung be-
steht, welche zum Zwecke der Errichtung einer polytech-
nischen Hochschule in Nürnberg mit der Bestimmung
ins Leben gerufen wurde, dass, solange dies nicht mög-
lich sei, die Stiftung zu Stipendien für die Studirenden
technischer Hochschulen verwendet werden solle. Das
Stiftungsvermögen beträgt zurzeit über 400 000 M. Im
Studienjahre 1900/1901 flössen aus der Stiftung 11 iio M.
Stipendien an Studirende der technischen Hochschule
München. Diese bedeutende Stiftung würde stiftungsge-
mäss an die Nürnberger technische Hochschule überzu-
gehen haben. Ferner ist im Jahre 1898 die Carl’sche
Stiftung mit einem Kapital von 200000 M. errichtet wor-
den, deren Renten u. a. auch zu Stipendien für Schüler
Nürnberger technischer Unterrichts-Anstalten bestimmt sind.
Und schliesslich besteht mit dem gleichen Zwecke die
Kohn’sche Stiftung im Betrage von 200000 M., welcher
in der neueren Zeit |ein gleich grosser Betrag zugeführt
wurde. So erfolgt die Gründung der Hochschule auf
guter Grundlage. —
Deutsche Gesellschaft für Volksbäder. Die diesjährige
Hauptversammlung findet am 26. Mai in Weimar statt.
Aus dem reichen Material erwähnen wir; „Wie gelangen
kleinere und mittlere Gemeinden am besten in den Besitz
einer Badeanstalt mit Brausebädern?" (Landger -Rth. Dr.
As chrott- Berlin); „Grundsätze für Bauanlage und Einrich-
tung von Volksbadeanstalten als Programm zum Gebrauch
bei der Ausschreibung und Aufstellung der Entwürfe".
(Brth. Peters-Magdeburg und Ing. Oslender-Düsseldorf.)
Zur Fortsetzung der Wiederherstellungs-Arbeiten am
Heidelberger Schloss. Die S. 187 erwähnte Kommission
tritt am' 17. April d. J. im ersten Obergeschoss des Fried-
richsbaues des Heidelberger Schlosses zusammen. Der
Kommission sind, 21 Fragen fast ausschliesslich technischer
Natur zur Berathung vorgelegt. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Elly-Hölterhoff-Böcklng-Stiftung in Bonn.
Man übersendet uns von verschiedenen Seiten und unter
lebhaften Klagen eine gedruckte Postkarte, welche das
Kuratorium der genannten Stiftung an die um die Unter-
lagen sich Bewerbenden schickte. Die Karte hat abge-
sehen von Anrede usw. folgenden Wortlaut:
„Nachdem infolge unseres öffentlichen Aufrufs 468
Gesuche um Ueberlassung der Bedingungen für den Wett-
bewerb um den Stiftsbau an uns gelangt und berücksichtigt
sind, sehen wir im Interesse einer sachgemässen Prüfung
der gewiss zahlreich eingehenden Entwürfe von einer
weiteren Ausdehnung des Wettbewerbs ab und haben die
Versendung der Bedingungen eingestellt".
Mit Recht wird hierzu bemerkt, dass, abgesehen
von der gewiss eigenartigen Begründung, durch dieses
Verfahren der allgemeine Wettbewerb zu einem beschränk-
ten wird und dass es durchaus nicht ausgeschlossen sei,
dass unter den Abgewiesenen gerade derjenige sich be-
finden könnte, der den glücklichsten und durchschlagend-
sten Gedanken hat. Jedenfalls liegt die vorgenommene
Beschränkung, von welcher es nicht feststeht, ob sie mit
Zustimmung der Preisrichter unternommen wurde, weder
im Interesse der Sache, noch in dem der Theilnehmef des
Wettbewerbes. Wollte sich das Kuratorium gegen einen
Missbrauch in der Forderung von Unterlagen schützen,
so war ihm der bewährte Ausweg gegeben, diese Unter-
lagen nur gegen eine angemessene, im Falle der Betheili-
gung am 'Wettbewerbe zurückzuerstattende Summe abzu-
geben. Da das nicht geschehen ist, so musste das Kura-
torium auch alle aus dieser Unterlassung sich ergebenden
Folgen tragen, selbst wenn eine Auflage der Unterlagen
von 1000 und mehr Exemplaren nöthig wurde. Die be-
scheidene Ausgabe hierfür würde immerhin in einem nur
verschwindend kleinen Verhältnisse stehen zu dem Arbeits-
aufwande der Wettbewerbenden. —
Ein Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein
Landeshaus in Wiesbaden, für welches eine Summe yon
800000 M. in Aussicht genommen ist, soll für deutsche
Architekten eröffnet wer-den. —
Infolge eines engeren Wettbewerbes betr. Entwürfe für
eine evangelisch -lutherische Kirche in Frankfurt a. M.,
welcher unter den Verfassern der 3 prämiirten und der
2 angekauften Arbeiten des allgemeinen Wettbewerbes
stattgefunden hat, wurde der Entwurf des Hrn. Prof.
Fr. Pützer in Darmstadt zur Ausführung gewählt. —
Der Wettbewerb betr. Entwürfe für eine Passade des
Stiftungshauses der Familie von Besser in St. Petersburg
endigte mit der Vertheilung der ausgesetzten 3 Preise an
die Entwürfe der Hrn. Muntz, Dietrich und Dmitrijew.
Mit den Verfassern der aus Deutschland eingegangenen
Entwürfe „Gute Nachbarn“ und „International“ wurden
Ankaufsverhandlungen angeknüpft. —
Wettbewerb Verwaltungsgebäude der Hamburger Frei-
hafen-Lagerhaus-Gesellschaft. Unter 35 Entwürfen fielen
die beiden gleichen I. Preise von je 3000 M. an die der
Hrn. J. Grotjan und B. Hanssen & Meerwein in
Hamburg; mit dem II. Preise von 2000 M. wurde der
Entwurf des Hrn. E. Döring, z, 2t. in Heidelberg, aus-
gezeichnet; mit dem III. Preise von 1000 M. der Entwurf
des Hrn. C. W. Martens in Hamburg. Sämmtliche Ent-
würfe sind bis einschl. 24. April Alter Wandrahm 12 von
9—5 Uhr öffentlich ausgestellt. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. X. in D. Die „Grundsätze“ des Verb, deutsch.
Arch.- und Ing.-Ver. „über das Verfahren bei 'Wettbewerben" ent-
halten über Ihre Fragen keine bestimmten Angaben. Sowohl für
den Zusammentritt des Preisgerichts, der allerdings häufig erst
nach einer Vorprüfung durch die ausschreibende Stelle selbst wird
erfolgen können, wie für die Ausstellung der Arbeiten wird aber
eine thunlichst schleunige Erledigung erwartet. Auch bezüglich
der beiden anderen Fragen geben die „Grundsätze“ (abgedr. im
Dtschn. Baukalender Th. I. und als Sonderdruck ersch. im Verlag
d. Dtsch. Bztg.) keine Vorschrift. Die Arbeit des Preisgerichts ist
beendet nach der Feststellung der Reihenfolge der zu prämiiren-
den Entwürfe und der Ausarbeitung des Gutachtens'. Alles weitere
erfolgt durch den Ausschreibenden selbst; doch ist es jedenfalls
üblich, die Namen der Sieger schon bei der Entscheidung in Gegen-
wart der Preisrichter zu ermitteln. Bezüglich des Schutzes der
nicht preisgekrönten oder angekauften Arbeiten kommen nur die
gesetzlichen Bestimmungen inbetracht. —
Hrn. Bmstr. H. M. ln Brünn. Angaben über die Kon-
struktionen von Sonnenuhren finden Sie in Lueger, Lexikon der
gesammten Technik, Hd. VII. S. 406 f. Im Briefkasten können wir
eine ausführliche Darstellung darüber nicht geben. —
Hrn. O. W. in Chemnitz. Wir bitten Sie, Ihre Frage un-
mittelbar an die Bauschule in Zerbst zu richten, welche Ihnen wohl
auch die gewünschten Beweise liefern würde. —
Inhalt : Das städtische Elektrizitätswerk in Worms. — Miltheilungen aus
Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbuogen. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veraotwortl. Albert Hofmanji, Berlin.. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 31.
2C0
AUZEITUNG.
GANG. * * N2: 32. *
Das Elektrizitätswerk am Rheinhafen. Architekt: A. StOrzenacker in Karlsruhe i. B.
Neue Karlsruher Verkehrsanlagen.
Regierungszeit für das Land eine unvergleichliche
Periode des geistigen und materiellen Aufschwunges
bedeutet, seine Weihe erhalten soll, werden davon ein
vorbildliches Zeugniss ablegen. —
I. Die geplanten neuen Bahnanlagen.
Der in seiner Hauptanlage aus dem Jahre 1842
stammende, den Ansprüchen des Eisenbahnwesens ent-
sprechend aber mehrfach erweiterte Bahnhof Karlsruhe
ist für die Haupt-Verkehrs-Richtungen Frankfurt-Basel
und München-Paris mit ihren Ausläufern Durchgangs-
Bahnhof. Er liegt auf der Südseite der Stadt, in nächster
Nähe ihres Verkehrsmittelpunktes, und läuft mit seiner
Längsaxe parallel zur Kaiserstrasse, der die Stadt von
Osten nach Westen in der stattlichen Länge von 2.5
durchziehenden Hauptverkehrsader. Da der Bahnhof
selbst, wie natürlich auch die von ihm auslaufenden
Bahnlinien, in Geländehöhe liegt, so konnte es nicht
ausbleiben, dass er einer Ausdehnung der Stadt nach
Süden hin, sobald diese einmal einen lebhafteren Auf-
schwung nahm, sehr hinderlich werden musste. Nach-
dem dieser Aufschwung zu Anfang der 70er Jahre
des vorigen Jahrhunderts eingetreten war, ist die ehe-
mals so stille Hauptstadt des badischen Landes in be-
ständigem Wachsthum verblieben. Je mehr ihr Aus-
dehnungs-Bestreben aber wuchs, um so lästiger musste
die Behinderung einer Ausdehnung über den Bahnhof
und die Bahnlinien hinaus empfunden werden. Diese
Behinderung einer Ausdehnung der Stadt nach Süden
hin fällt um so schwerer ins Gewicht, als die 'ganze
Nordseite der Stadt eingenommen ist durch den im
Besitz der Krone befindlichen ausgedehnten Hardtwald,
sodass ein ungehindertes Wachsthum nur nach zwei
Richtungen hin möglich blieb, nach Osten und nach
Westen. Im Westen ist das ehemals selbständige
Städtchen Mühlburg schon erreicht und als neuer
Stadttheil angegliedert worden, im Osten erfolgt mehr
und mehr eine Annäherung an die Nachbarstadt
n dem wirthsch ältlichen Auf-
schwung, dessen sich Deutsch-
land im Laufe des letzten Jahr-
zehntes erfreute, haben neben den
grösseren auch die mittleren und
kleineren Städte des Reiches in
einem solchen Umfang theilge-
nommen, dass diese gleich den
ersteren vielfach gezwungen wa-
ren, ihre Verkehrseinrichtungen, deren erste Anlage
in den meisten Fällen um Jahrzehnte zurückging, zu
erweitern oder neue Verkehrseinrichtungen zu schaffen.
Für die Residenzstadt des Grossherzogthums Baden,
deren Verkehrseinrichtungen hier in Rede stehen,
kamen zu diesem Grunde der natürlichen Entwicklung
noch zwei weitere Gründe, welche die Veranlassung
waren, dass einerseits die Bahnverhältnisse von Grund
aus umgestaltet wurden und andererseits die Neuanlage
eines Rheinhafens zur unaufschieblichen Nothwendig-
keit wurde. Diese Gründe waren einmal die Lage
Karlsruhes an einer Weltverkehrsstrasse, an der Bahn-
linie Frankfurt-Basel, einer Linie, an welche der mehr
und mehr sich entwickelnde Schnellverkehr die gröss-
ten Anforderungen an die sämmtlichen Einrichtungen
stellt, und andererseits seine Lage in nächster Nähe
des Rheines, aufgrund welchen Umstandes Karlsruhe
in natürlichen Wettbewerb trat mit Strassburg und
mit Mannheim und Ludwigshafen. Den Anforderun-
gen, die aus diesen beiden Umständen sich ergaben,
sind die infrage kommenden Faktoren, Staat und Stadt,
in für die Verhältnisse des Grossherzogthums und der
Stadt glänzender Weise gerecht geworden. Die nach-
folgenden Veröffentlichungen über das, was in bahn-
technischer Beziehung in grösstem Umfange geplant
ist, und das, was an wasserbautechnischen Arbeiten
einschliesslich der dazu gehörigen Hochbauten jüngst
vollendet wurde und zur Feier des 50jährigen Re-
gierungs-Jubiläums des Grossherzogs Friedrich, dessen
201
Durlach. So hat Karlsruhe allmählich in der Richtung
von Osten nach Westen eine Längsausdehnung von
nahezu erlangt, während im Verkehrsmittelpunkt,
eingeengt im Norden durch das Schloss und den Hardt-
wald, im Süden durch den Bahnhof und die Bahnlinien,
in der Richtung von Norden nach Süden immer noch
die alte Breite von nur etwa 600 ^ vorhanden ist. Es
leuchtet ein, dass diese langgestreckte, gerade in ihrer
Mitte so engbrüstige Form der Stadt für die Abwicklung
des Verkehres höchst unbequem sein muss. So wurde
die an sich ausserordentlich günstige Lage des Bahn-
hofes in grösster Nähe des Verkehrsmittelpunktes der
aufstrebenden Stadt gerade verhängnissvoll.
Mit dem wachsenden Strassenverkehr wurden
ausserdem die Unterbrechungen desselben durch den
sich in Geländehöhe bewegenden, ebenfalls stetig zu-
nehmenden Eisenbahnverkehr immer lästiger. Hieran
besserte auch die Anlegung zuerst einer Fussweg-
Ueberführung und später die von zwei Fussgänger-
Tunneln wenig oder nichts; denn gerade dem eiligen
Wagen- und Fahrrad- Verkehr kommen diese Anlagen
ja nicht zustatten.
Der stetig zunehmende Werth der Grundstücke
im Inneren der Stadt hatte die Miethspreise inzwischen
höher und höher hinauf getrieben und die Nachfrage
nach billigeren Wohnungen hatte dazu genöthigt, nicht
nur am Ost- und Westende, sondern auch jenseits der
Bahnlinien neue Gelände der Bebauung zu erschliessen.
Mit fortschreitender Anbauung dieser südlich des Bahn-
hofes gelegenen Flächen tauchte sehr bald auch das
Bedürfniss nach einer besseren Verbindung derselben
mit den anderen Stadttheilen, vor allem mit dem Inneren
der Altstadt auf. Aber je dringender die Forderung
einer Strassenbahn-Verbindung zwischen Südstadt und
Altstadt auch mit der Zeit wurde, ihre Erfüllung schei-
terte dennoch an dem Widerstande der grossherzogl.
General-Direktion der badischen Staatseisenbahnen,
die freilich aus sehr triftigen, aus betriebstechnischen
Gründen einer Fortführung der Strassenbahn über die
Gleise der Staatsbahn hinweg sich dauernd widersetzte.
So lange aber die General-Direktion diesen von ihrem
Standpunkte aus sehr berechtigten Widerstand auf-
recht erhielt, so lange war an ein inniges Verwachsen
der neuen Südstadt mit den älteren Stadttheilen nicht
zu denken und so lange war somit auch eine gedeih-
liche Weiterentwicklung der Stadt nach Süden hin
unmöglich gemacht.
Als diese Zustände allmählich unerträglich zu
werden begannen, beantragte die Gemeinde Karlsruhe
bei der Gen.-Direktion ihre baldige Abstellung. Ueber
die Frage, in welcher Weise die Uebelstände ihrer
Meinung nach am besten abzuändern seien, Hess die
Stadt sich zunächst noch nicht aus. Die Gen.-Direktion
erkannte die Beschwerden der Stadt als berechtigt
an und Hess einen Entwurf ausarbeiten, nach welchem
die zumeist in ihrem Verkehr behinderten Strassen
mittels Rampen über die Bahngleise hinweggeführt wer-
den sollten. Um hierbei auch die Interessen der Babn-
verwaltung bei einer später etwa nöthig werdenden
Bahnhofs-Erweiterung zu berücksichtigen, wurden die
Strassenkreuzungen in diesem Entwürfe beiderseits des
Bahnhofs um je 100*” nach aussen verschoben, sodass
dann eine erwünschte Verlängerung des Bahnhofes
möglich geworden wäre.
Mit diesem Rampen-Entwurf erklärte sich die Stadt
nicht einverstanden, da ihrer Meinung nach die mächti-
gen Rampen-Anlagen die Stadt, in erster Linie den
sehr hübschen Bahnhof-Stadttheil, in hässlicher Weise
verunstaltet haben würden. Da eine Senkung der
Bahngleise ausgeschlossen und für die Rampen eine
Steigung von i : 40 vorgesehen war, so hatten die
Rampen-Ungethüme herzlich wenig Bestechendes. Die
Stadt erklärte weiter, dass sie eine wirklich befriedi-
gende Lösung nur in einer Höherlegung des ganzen
Bahnhofes und einer Unterführung der Strassen an
ihrer ursprünglichen Stelle und in ihrer jetzigen Höhen-
lage unter den Bahngleisen her erblicken könne. Diese
Lösung erschien aber der Gen.-Direktion, die sich zu-
nächst ausserdem auf den Standpunkt stellte, dass sie
selbst gar kein Interesse an der Sache habe, der hohen
Kosten wegen für unausführbar. Um den Nachweis
zu erbringen, wieviel theurer sich die beantragte Hoch-
legung gegenüber den von ihr vorgeschlagenen Rampen-
Anlagen stellen würde, Hess sie indessen auch einen
Entwurf für einen Hochbahnhof ausarbeiten, dessen
Ausführungskosten auf rd. 15 Mill. M. veranschlagt
wurden, während der Kostenanschlag für die Rampen-
überführungen mit nur 4V2 Mill. M. schloss. Der Hoch-
bahnhof wäre demnach 10V2 Mill. M. theurer gewor-
den. Die Aufwendung so bedeutender Mehrkosten
aus Staatsmitteln lediglich zum Vortheil der Stadt
Karlsruhe glaubte die Regierung dem ganzen Lande
gegenüber nicht verantworten zu können, Lehne die
Stadt also die Ueberführung der Strassen ab, so könne
ihr nicht geholfen werden und alles müsse beim
Alten bleiben. Die Stadt beruhigte sich bei dieser
Entscheidung nicht und forderte zunächst drei hoch-
angesehene Fachmänner, den hiesigen Ob.-Brth. Bau-
Eine charakteristische Eigenschaft der neueren
B aukuns t . (s cUuss.)
lEä’Mlndessen ist hier noch ein vielleicht nahe liegender Ein-
Ira ra zu erörtern. Es möchte nämlich scheinen, als ob
bei vielen der genannten Beispiele von einer blos
dekorativen Anordnung garnicht einmal die Rede sein
könne. In Wahrheit sind die Fälle handgreiflicher Willkür
nur seiten. Ungleich häufiger umfassen thatsächlich die
vortretenden Pavillons usw. abgesonderte Einzelräume
oder für sich abgeschlossene Raumgruppen; der Mittelbau
enthält vielleicht die auch im Grundriss ein selbständiges
Dasein führende Eintrittshalle, darüber den grossen Haupt-
raum, die Eckpavillons etwa Nebensäle von grösserem
Tiefenmaass; man könnte sagen, dass hier verschiedene
selbständige Baukörper aneinander geschoben oder in
einander verwachsen seien, demnach eine ganz naturge-
mässe Zusammensetzung, eine Gruppirung vorliege. Auch
bei den meisten unregelmässig gegliederten Gebäuden,
Villen usw,, ist etwas Aehnliches zu bemerken. Man wird
denn auch nicht müde, namentlich in Laienkreisen, die
„natürlich ungezwungene Gruppirung“ solcher Landhaus-
bauten dem früher üblichen „Kasten'' und der ungefälligen
„Scheune“ lobend gegenüber zu stellen. Und gewiss, der
„Kasten“, die annähernd regelmässige Würfelgestalt, ist
zumal für ein freistehendes Landhaus kein dankbarer
Vorwurf.
Allein es wird bei dem Entwerfen eines nach einheit-
lichem Bauprogramm zu schaffenden Gebäudes wohl nur
ausnahmsweise — etwa aus gewissen praktischen Grün-
den — der natürliche Anlass sich darbieten, schon von
vornherein an eine Zerlegung in eine Anzahl selbständiger
Einzelkörper zu denken; man sollte im Gegentheil an-
nehmen, dass es im allgemeinen das Nächstliegende, natür-
lich Gegebene sei, vor allem anderen die Idee des Hauses
an sich, des baulichen Individuums, zum Ausdruck zu brin-
gen, wie es denn auch in allen naiv schaffenden Kunstzeiten
geschehen ist. Wer aber nichtsdestoweniger die Thatsache
der Zusammensetzung aus einer Vielheit von Einzelräumen
für das wichtigere Moment ansehen wollte, der müsste
folgerichtig dazu gelangen, eine Herausgliederung jedes
einzelnen "Raumes als den höchsten Grad von Natürlich-
keit anzustreben, denn mit dem Zusammenfassen einer
jeweilig beliebigen Anzahl von Räumen in einzelne ge-
schlossene Abtheilungen ist ja doch die Willkür in keinem
Fall vermieden; es wäre dann überdies garnicht einzu-
sehen, warum die Eintheilung des Ganzen in überein-
ander liegende Geschosse nicht mit ebenso grossem Recht
eine Gruppirung in senkrechter Richtung erheischen sollte!
Wir werden es demzufolge in der Regel nicht mit einer
folgerecht entwickelten oder zufällig gewordenen Gruppe,
sondern in Wahrheit mit einem seinem Begriff nach ein-
heitlichen Ganzen zu thun haben.
Noch viel weniger wird aber andererseits eine solche
Gliederung dieses einheitlichen architektonischen Ganzen
als eine natürliche angesprochen werden können, denn
dieselbe ist ja nicht wie bei dem Hallenhof oder der
Basilika durch die besondere Art eines einheitlichen Raum-
systems von selbst gegeben, vielmehr gerade durch die
gegenseitige Lagerung mehrerer von einander unabhän-
giger Räumlichkeiten hervbrgerufen. Als besondere Aus-
nahraefälle, wo die natürliche Gruppirung, gewöhnlich
neben der dekorativen Zergliederung, auch bei ganz mo-
dernen Bauten regelmässig vorzukommen pflegt, seien
hier beiläufig die Theater, ferner manche grosstädtischen
Bahnhofsgebäude genannt.
202
No. 32.
meister, den Ing, Gleim ausHamburgunddenGeneral-
Dir. der bayerischen Staatseisenbahnen v. Ebermayer
zur Abgabe eines Gutachtens über die beiden Entwürfe
auf. Die Sachverständigen kamen zu dem Schluss, dass
in dem Hochbahnhof unzweifelhaft die vollkommenere
der beiden Lösungen zu erblicken sei. Die Schluss-
Summen der beiden Kosten-Anschläge der Gen.-Direk-
tion könnten ausserdem nicht so ohne Weiteres mit
einander verglichen werden, weil in den Kosten des
Hochbahnhofes selbstverständlich die Kosten für den
völligen Umbau des Bahnhofes mit enthalten seien,
in dem Rampenentwurf diese dagegen fehlten. Wollte
man den über kurz oder lang doch erforderlichen
Bahnhof-Umbau auch hier mit berücksichtigen, so
würden die Kosten des Entwurfes mit Rampenanlagen
sogar noch etwas höher anzusetzen sein, als diejenigen
des Hochbahnhofes, der bei bescheidener Ausführung
sich auch wohl noch etwas billiger herstellen lassen
möchte, wie für 15 Mill. M. Die Gen. -Direktion Hess
ihren Rampenentwurf nun endgiltig fallen, sie war in-
zwischen wohl selbst zu derUeberzeugung gelangt, dass
er keine idealeLösung der Aufgabe darstellte. Etwa zwei
Jahre , lang ruhte die öffentliche Erörterung der Bahn-
hofsfrage ganz; bis im Frühjahr des vergangenenjahres
die Gen. -Direktion mit einer neuen Lösung hervortrat.
Diese Lösung war übrigens so ganz neu eigentlich nicht,
denn sie war im Laufe des Streites um den Bahnhof
schon vereinzelt aus der Mitte der Bürgerschaft, aller-
dings noch ziemlich unklar und verschwommen, aufge-
taucht, hätte aber wohl schon damals greifbarere Gestalt
angenommen, wenn die Regierung sie nicht zunächst
als völlig unmöglich weit von der Hand gewiesen hätte.
Um so überraschender musste es wirken, diese früher
von ihr als unmöglich bezeichnete Lösung nun von
der Eisenbahn-Verwaltung selbst nicht nur als die
verhältnissraässig beste, sondern nun sogar als die
einzig mögliche vorgeschlagen zu sehen. Diese Lösung
bestand in nichts anderem, als einer Verlegung des
Bahnhofes. Bei näherem Zusehen und bei vorur-
theilsfreier Beurtheilung aller Verhältnisse verliert diese
veränderte Stellung der Regierung, die anfänglich
Jedermann verblüffte, mehr und mehr das Ueber-
raschende. Die Regierung hatte den zweijährigen
Waffenstillstand eben nicht unbenutzt verstreichen
lassen. Sie hatte die ganze Angelegenheit noch ein-
mal von ihren ersten Anfängen an mit aller Unbe-
fangenheit durchgesehen, noch einmal alle einschlägigen
Verhältnisse einer eingehenden Prüfung unterzogen,
die Anforderungen der Eisenbahn-Verwaltung an einen
Es liegt also thatsächlich auch bei diesen anscheinend
so natürlich entwickelten modernen Grundrissbildungen
lediglich eine dekorative Gliederung vor und zugleich ein
Fall jener „künstlichen Natürlichkeit“, der wir ja im mo-
dernen Kunstschaffen auch sonst öfters begegnen. Der
Entwerfende begeht ja schon damit einen Akt der Willkür,
dass er — immer mit jenem dekorativen Ziel im Auge —
zunächst das Bauprogramm nach einem Anlass untersucht,
um sich vielleicht durch Betonung irgend welcher Eigen-
thümlichkeit desselben einen Behelf zu schaffen, kraft
dessen er alsdann die gewünschte Gliederung mit einer
an sich unanfechtbaren Folgerichtigkeit hervorzaubert. Es
genügt, dass ihn die dekorative Absicht leitet, auch wenn
sie ihm im einzelnen Fall gar nicht melu- deutlich zum
Bewusstsein kommen, die ganze Sache ihm vielmehr schon
als etwas Gewohnheitsmässiges, Selbstverständliches er-
scheinen sollte. Wäre es denn aber ohne Annahme einer
solchen latent vorhandenen Absicht überhaupt zu erklären,
dass bei fast allen öffentlichen Profangebäuden ohne Unter-
schied der jedesmaligen praktischen Aufgabe immer wie-
der genau dieselbe typische Anordnung herauskommt?
Würde der Architekt wohl auch ohne diese dekorative
Absicht darauf verfallen sein, jenen Hörsaal genau in die
Mitte des Traktes zu legen oder dieses eine Sitzungs-
zimmer um 0,5™ tiefer zu machen als alle übrigen, und
musste etwa nicht blos darum in allen darunter und dar
über liegenden Geschossen jene sonst unverständliche und
daher so gekünstelt scheinende Raumgruppe ersonnen
werden? Man gebe sich nur keiner Selbsttäuschung hin:
die bewegte Grundrissanlage ist um der Fassadengliederung
willen da, nicht umgekehrt! Ursprünglicher und wahr
haft natürlich dachten jedenfalls die älteren Meister, indem
sie der konstruktiv leichter herzustellenden, dauerhafteren
19. April 1902.
neuen Karlsruher Bahnhof sehr sorgfältig ermittelt und
war so, nicht halsstarrig und eigensinnig an früher
abgegebene Erklärungen sich anklammernd, zu dem
Schluss gelangt, dass, wenn der Karlsruher Bahnhof
doch schon einmal einer völligen Umgestaltung unter-
zogen werden müsste — und der Ueberzeugung von
der zwingenden Nothwendigkeit einer durchgreifenden
Erneuerung des Bahnhofes konnte auch sie sich nun
nicht länger mehr verschliessen, — dass es dann unter
allen Umständen auch durchaus gerathen sei, gleich
ganze Arbeit zu machen und den neuen Bahnhof von
vornherein so anzulegen, dass er einerseits, auf lange
Jahrzehnte hinaus allen Anforderungen des stetig zu-
nehmenden Verkehres gewachsen sei und dass er auch
andererseits dem Ausdehnungs-Bestreben der Stadt
in absehbarer Zeit nicht hinderlich im Wege stehe.
Nun bietet das Gelände des jetzigen Bahnhofes,
das nur zur einen Hälfte seiner Breite von Bahnhofs-
gleisen, zur anderen von Lokomotiv-Schuppen, Ver-
waltungs-Gebäuden usw. eingenommen wird, bei einer
Verlegung dieser Anlagen an eine andere Stelle zwar
noch Platz für eine ziemHch bedeutende Vermehrung
der Bahnhofsgleise, und bei einer Hochlegung des
Bahnhofes an der alten Steile würde auch wohl die
sehr wünschenswerthe Verlängerung des Bahnhofes
nach beiden Seiten hin in ziemlich befriedigender
Weise zu erreichen gewesen sein; auch ein Umbau
des Bahnhofes während des Betriebes würde, zumal
unter Zuhilfenahme des jetzt noch nicht für die eigent-
lichen Bahnhofszwecke in Anspruch genommenen Ge-
ländes, nicht durchaus unmöglich gewesen sein, wenn
er auch, besonders im Hinblick auf die am Ostende
des Bahnhofes liegenden Güter- und Werkstätten-
Bahnhöfe, der Bauleitung ganz ungewöhnliche Schwie-
rigkeiten verursacht und der mit der Aufrecbterhaltung
eines ungestörten und vollkommen gesicherten Be-
triebes betrauten Verwaltung eine ungeheuer schwere
Verantwortung aufgebürdet haben würde. Unaus-
führbar war die Hochlegung des Bahnhofes während
des Betriebes also wohl nicht; sicher aber würde der
unter so überaus schwierigen Verhältnissen auszu-
führende Neubau des Bahnhofes durch die mit ihnen
unvermeidlich verknüpften häufigen Störungen des
Baues eine unverhältnissmässig lange Bauzeit erfordert
haben. Gerade mit Rücksicht auf den sehr lebhaften
Zugverkehr war die möglichste Abkürzung der Bau-
zeit aber dringend geboten. Bei Belassung des Bahn-
hofes an seiner jetzigen Stelle hätte man also, um den
Neubau völlig ungestört und möglichst rasch ausführen
und zudem sparsameren Blockform auch bei zusammen-
gesetzten räumlichen Bedingungen meist so lange den
Vorzug gaben, als eine gruppenweise Anlage aus den nicht
dekorativen Gründen der Geländebeschaffenheit, der besse-
ren Lichtzuführung, der Vertheidigung usw. nicht über-
wiegende Vortheile versprach. Bleibt doch selbst der
italienische Palastbau, welcher die mannigfaltigste Raum-
zusammenscharung nach attssen hin einer einheitlichen
künstlerischen Fiktion, aber einer deutlich als solche er-
kennbaren, unterwirft, damit immer noch offenherziger
und innerlich wahrhafter, als der moderne Schein-
verismus! —
Ein Kind der neueren Zeit ist diese Art, hervorge-
gangen aus der zusammentreffenden Wirksamkeit jüngst-
vergangener Kunstübung und echt moderner geistiger
Strömungen. Es wurde schon erwähnt, dass in dem
Schlossbau der französischen Renaissance eine der wich-
tigsten Quellen der dekorativen Massengliederung zu suchen
sei. Ungefähr in demselben Maasse nun, wie der franzö-
sische Geschmack in die Architektur der übrigen euro-
päischen Kulturländer eindringt und dieselbe beeinflusst,
beginnen auch mehr und mehr die starren Massen der
italienischen Barockpaläste, der deutschen Schlösser und
Ordensbauten usw. sich zu lösen und nach einem ge-
wissen Schema zu zergliedern. Immerhin noch sehr ge-
mässigt; denn die am weitesten gehende Form, das da-
mals so beliebte Hufeisen, ist vermuthlich — Palazzo
Pitti — aus dem durch umfassende Hallengänge gebildeten
Binnenhof hervorgegangen und mithin eher als natürliche
Gliederung anzusprechen. Vielmehr kündigt sich die
Neigung, durch ein so nachdrückliches Mittel, wie es die
Massenzergliederung ist, dekorativ zu wirken, zunächst
fast allein durch schwache Fassaden-Vorsprünge an, wäh-
203
zu können, zur Anlage eines einstweiligen Bahnhofes
weit draussen vor der Stadt und zur Verlegung des
gesammten Bahnhofsverkehres dorthin für die "ganze
Dauer der Bauzeit schreiten müssen. Die Anlegung
und die nachträgliche Wiederbeseitigung eines aus-
reichend grossen, weit entlegenen Nothbahnhofes ein-
schliesslich der für die Umleitung der Züge nothwen-
digen sehr umfangreichen Linien verlegungen aber würde
für die kurze Zeit von 5 — 6 Jahren keine geringen Sum-
men verschlungen haben, ganz abgesehen davon, dass
mit der Herstellung dieser Nothanlagen auch wieder
ein gut Theil kostbarer Bauzeit verloren gegangen
wäre. Wenn eine Verlegung des Bahnhofsverkehres
aber überhaupt schon einmal vorgenommen werden
sollte, war es dann nicht in der That das einzig Rich-
tige, den Verkehr gleich endgiltig da draussen zu be-
Lageplan von Karlsruhe i. B. mit der geplanten neuen Bahuhofsanlagc.
rend die grossen Massen der Gebäude gewöhnlich immer
noch zusammengehalten werden, im Norden besonders
durch die Herrschaft des einheitlichen Daches. Allein
durch die Gewöhnung an starke Verkröpfungen aller Art,
wie sie die Barockkunst ohnehin liebte, durch das Ueber-
handnehmen des französischen Pavillonbaues im Zeit-
alter des Rokoko und schliesslich durch die weit ver-
breitele Vorliebe für Garten- und Parkarchitekturen, bei
denen ja schon die früheren Italiener in ausgesprochen
dekorativer Absicht von ihrer sonstigen strengen Grösse
abgewichen waren: durch diese eigenthümliche Gewohn-
heit der Künstler, das Zergliedern selbst als einen be-
deutungsvollen Faktor zu reicher und zugleich erleichtern-
der Wirkung zu benutzen, waren die historischen Grund-
lagen für die allgemeine Ausbreitung dieser Tendenz ge-
geben, welche dann im neuen Jahrhundert nicht eben
selten bis zu einer völligen Massenzerklüftung des Archi-
tekturwerkes fortschreiten sollte. Und gar manches Neue
kam dem bereitwilligst entgegen.
Man würde sicherlich zu weit gehen, wenn man den
Bruch in der bisherigen Stilentwicklung um die Wende
des 18. Jahrhunderts einem allgemeinen Nachlassen des
künstlerischen Formensinnes zuschreiben wollte; aber es
ist vielleicht anzunehmen, dass die vorwiegend auf litte-
rarische Bethätigung und auf wissenschaftliche Forschung
gerichtete Geistesströmung der neuen Zeit wenigstens
mittelbar das Schaffen der bildenden Kunst beeinträch-
tigte. In der That schien die Unbefangenheit dieses
Schaffens für lange Zeit verloren, an dessen Stelle trat
einerseits die Sucht, die Einzelformen der Baukunst wissen-
schaftlich zu analysiren, andererseits die sentimentale
Schwärmerei bald für diese, bald für jene längst ent-
schwundene Kunstepoche.
Die zuerst genannte Richtung ging bekanntlich meistens
davon aus, alle architektonischen Kunstformen auf die in
der Materie wirksamen Gesetze der Statik zurückzuführen;
man vernachlässigte dabei die ebenfalls und bei der Mehr-
zahl moderner Bauten sogar in erster Linie Berücksich-
tigung erheischenden Gesetze des Raumumschliessens, in-
dem man die Aussenseite der Umfassungswände einfach
mit einem System von scheinbar tragenden und getra-
genen Gliedern schmückte. Man glaubte dabei — und
auch das kam wieder dem modernen Scheinverismus ent-
gegen — man glaubte nur der architektonischen Wahrheit
zum Siege zu verhelfen, wenn man dabei jedem Geschoss,
auch den untergeordneten, seine besondere Stützenordnung
zueignete. Dieses Mittel der Dekoration war freilich schon
früher bekannt gewesen, aber erst die neue wissenschaftliche
Art mit ihrer strengen Folgerichtigkeit brachte es zuwege,
dass nunmehr auch bei geringen Geschosshöhen sämmt-
liche wagrechten Gesimse, Gebälke, Friese u. dergl. ott um
das ganze Gebäude in vollständiger Ausbildung gleich-
mässig herumgeführt wurden; dieser lebhaften Betonung
(Fortsetzimg auf S. so6.)
204
No. 33,
lassen und die ganze Nothanlage gleich zu einer Lösung bot unter Wegfall jeder Notlianlage den Vor-
ständigen auszubauen? Der ganze Bahnhofsverkehr theil grösstmöglicher Abkürzung der Bauzeit und gleich-
konnte ungehindert durch den Neubau ruhig an seiner zeitig noch andere, nicht minder werthvolle Vortheile,
alten Stelle verbleiben und der Neubau konnte unge- Bei einer endgiltigen Verlegung des Bahnhofes
stört durch den Betrieb in kürzester Zeit soweit voll-
kommen fertiggestellt werden, dass die Ueberleitung
des Zugverkehrs auf die Neuanlage mit Leichtigkeit
in einer einzigen Nacht zu bewerkstelligen war. Diese
19. April 1902.
wurde das in unmittelbaier Nähe des Mittelpunktes
der Stadt belegene, also sehr werthvolle alte Bahn-
hofgelände frei. Aus seinem Erlös war eine nicht
zu unterschätzende Beisteuer zu den Baukosten des
205
neuen Bahnhofes zu erwarten und diese Beisteuer war-
um so willkommener, als die gründliche Vertiefung in
die Ausarbeitung eines ausführlichen Entwurfes für die
neue Bahnhofsanlage immer neue Bedürfnisse zutage
gefördert hatte, deren Befriedigung unabweisbar er-
schien, so dass die Kosten des .Neubaues von den.
früher veranschlagten 16 MilL M. inzwischen bereits
auf 28 Mill. M. angewachsen waren. Zudem hätte ein
Ausbau des Bahnhofes auf alter Stelle zwar dem Bedürb
nisse der Jetztzeit, aber keinesfalls dem einer späteren
Zukunft genügen können. Eine Vergrösserung durch
Grunderwerb wäre aber schon jetzt unerschwinglich
gewesen, während bei einer Verlegung ausreichendes
Gelände zu angemessenem Preise zu haben war.
Ein weiterer Umstand, der die Verlegung des
Bahnhofes der Eisenbahn-Verwaltung aus Betriebsrück-
sichten als grossen Gewinn erscheinen lassen musste,
war der, dass die in den jetzigen Bahnhof einmün-
denden Bahnlinien sowohl dicht vor, wie dicht hinter
dem Bahnhof sehr scharfe Krümmungen beschreiben,
die für den Betrieb schon jetzt sehr ungünstig sind,
bei einer Erweiterung des Bahnhofs und der hierbei
nothwendig werdenden Verlängerung desselben aber
noch sehr viel unbequemer werden müssten. Bei einer
Hinausschiebung des Bahnhofs aber weiter ab von
dem Mittelpunkt der Stadt würde, selbst bei Einlegung
einer mehr als ausreichend langen Bahnhofsgeraden,
die Einführung der Linien in den Bahnhof von Osten,
wie von Westen her sich einwandfrei gestalten lassen.
Schliesslich konnte auf der neuen Baustelle der
Bahnhof sogleich als Hochbahnhof angelegt wer-
den, so dass in Zukunft sowohl das Wachsthura der
Stadt wie auch die Entwicklung ihres Strassenbahn-
netzes durch die Bahnanlagen voraussichtlich nicht
mehr eingeschränkt und gehemmt werden würden. —
(Schluss folgt.)
Ueber die Verwendung von Druckluft-Betriebsmitteln bei Kleinbahnen und städt. Strassenbahnen.
Von M. Buhle-Charlottenburg und G. Schirnpff-Altoua.
ie in Deutschland gebräuchlichen, Mittel der Kraft-
übertragung auf grössere Entfernungen beschränken
sich, abgesehen von der Seil-Transmission, im We- -
sentlichen auf den Dampf und den elektrischen^ Strom,
ferner auf Gas und Druckwasser. Während als ein weite-
res, den übrigen ebenbürtiges Mittel, besonders in Frank-
reich und den Vereinigten StaatenNordamerikas dieDruck-
luft zu nennen ist, hat sich dieselbe bei uns bisher noch
kein so ausgedehntes Arbeitsfeld erringen können. Das
ist eigentlich verwunderlich und auch- nicht durch den
beispiellosen Aufschwung der elektrischen Kraftübertragung
zu erklären; denn in vielen Fällen ist die Druckluft zweb
fellos dem elektrischen Strom mindestens ebenbürtig, in
manchen ihm sogar überlegen. Man kennt bei uns allge-
mein in der Hauptsache nur zwei Anwendungen der
Druckluft: einmal zum Tunnelbau, bei welchem häufig mit
dem Antrieb der Bohrmaschinen zugleich die Lüftung und
Kühlung der Stollen vor Ort verbunden ist, sodann zweitens
für die selbstthätigen Bremsen der schnellfahrenden Per-
sonenzüge. In Frankreich tritt uns in ausgedehnterem
Maasse die Druckluft in der Pariser Kraftübertragung der
Compagnie Parisienne de l’Air Comprirae entgegen. In dem
bekannten Krafthause am Quai de la Gare (mit 8000 P. S.)^)
wird mittels Riedler’schen Dampf-Luftpumpen, von Schnei-
der & Co. in Le Creusot, auf 5 at gespannte Druckluft er-
zeugt, die in einem über die ganze innere Stadt verzweig
ten Rohrnetz zur Vertheilung kommt und zu den ver-
schiedensten Zwecken dient: zum Antrieb aller Arten
von Motoren, zum Heben und Befördern von Lasten (be-
1) Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingenieure, 1889—1893.
sonders bei Personen-Aufzügen), zur Kälteerzeugung usw.
Wesentlich ausgedehnter noch ist die Verwendung
der Druckluft in den Vereinigten Staaten, insbesondere
zum Betriebe von Werkstätten-Hebezeugen. Sowohl die
kleinsten als auch die grössten Fabriken entbehren selten,
selbst wenn im übrigen die elektrische Kraftübertragung
vorherrschend ist, daneben einer mehr oder weniger aus-
gedehnten Anlage zur Druckluft-Erzeugung. Fast aus-
schliesslich wird Druckluft benutzt für jede Art von Bohr-
und Nietarbeit sowohl in Werkstätten als auch auf Bau-
stellen, desgl. zum Verstemmen, Dichten, Meissein usw.2),
und ferner sind zu nennen die wichtigen Anwendungen
für die Stellung der Weichen und Signale bei den Vor-
richtungen der Union Switch and Signal Co. in Swissvale^),
und neuerdings der Internationa] Pneumatic Railroad Co.
in Rochester.4)
^ Ohne weiter auf die zahlreichen weiteren Anwen-
dungen der Druckluft, wie die Hebung und Beförderung
von körnigen und staubförmigen (stückigen) Stoffen und
von Flüssigkeiten, den Betrieb von Signalen und Läute-
werken usw. einzugehen, sei als eigenartige Verwendung
hoch erwähnt, dass in den Werkstätten verschiedener
Erfreulicherweise hat in Deutschland die Grossindustrie jetzt eben-
falls begonnen, auf diesem Gebiete Nutzen zu ziehen aus den unzweifel-
haft grossen Vortheilen der Druckluft-Werkzeuge. Sehr interessant und
lehrreich sind die kürzlich in der Potsdamer Eisenbahn-Hauptwerkstätte
gemachten diesbezügl. Versuche. Vergl. auch Organ für Eisenbahnwesen
1901, S. 66 und Glasers Ann, 1899, S. 77 ff.
3) Vergl. der Verf. Aufsatz „Der neue Haupt-Personenbahnhof in St.
Louis“, Dlsche. ßauzlg. rSgp“ S. 321. Ferner; Annalen für Gewerbe und
Bauwesen, r. Juli igoi, „Bostoner Süd-Bahnhof“.
*) Organ für Eisenbahnwesen 1900, S. 308 ff.
der wagrechten Richtung gegenüber vertraten ausser den merei für Ritter- und Klosterwesen von grossem und noch
jetzt nicht selten völlig kahlen Fensteröffnungen die nur viel nachhaltigerem Einfluss auf die Anlage des Wolin-
inschwachemRelief angedeuteten tragenden Glieder, und hauses, namentlich des freistehenden, und zwar bis auf
auch diese häufig nur an den Ecken, allein die Vertikal- den heutigen Tag. Anstelle des Florentiner Palastes traten
tendenz, zumal jede Verkröpfung der strengen wissen- nunmehr als Ideal der äusseren Erscheinung die englische
schaftlichen Auffassung ebenfalls widerstrebt hätte. Nicht un'd die deutsche Burg, und nicht etwa blos für schloss-
aber widerstrebte dieser scheinbaren Wahrhaftigkeit, artige Herrensitze; und wieder musste, indem man den
welche sich ja nur auf das der Antike entlehnte Gerüst mittelalterlichen Gruppenbau in dem Einheitsbau des
bezog, eine Zergliederung der ganzen Masse des Gebäu- modernen Wohnhauses nachzuahmen suchte, das Ergebniss
des, und man konnte sich dabei zur Noth sogar auf Bra- eine rein dekorative Zergliederung der Masse sein; be-
rnanles Cancellaria berufen! Das Ergebniss waren aller- sonders, da man die innere Verwandtschaft mancher
dings noch ein paar scharfe Linien mehr in der Fassade, neuzeitlichen Erfordernisse auf dem Gebiete des Ein-
was aber dem vorherrschenden Sinn für nüchterne Be- familienhauses mit gewissen alten Vorbildern, wenigstens
stimmtheit vielleicht als ein Gewinn erscheinen mochte, in Deutschland, erst sehr viel später praktisch verwerthen
Aber viel unmittelbarer kam die dekorative Massen- lernte. Einstweilen blieb es wesentlich der malerische
gliederung den Wünschen der romantischen Schule ent- Reiz der Aussen-Erscheinung, dem man huldigte, und den
gegen. Glaubte man doch in der ausgesprochenen Verti- man durch eine scheinbar zwanglos angeordnete Gliede-
kaltendenz der kirchlichen Gothik, in dem pflanzenhaften rung am leichtesten nachahmen zu können glaubte. Dies um
Emporschiessen der zergliederten Massen, in dem Himmel- so mehr, als sich der Städtebau, die Anlage der Strassen
anstreben der Thürme und Fialen einen der bedeutend- und Plätze, dem Einfluss der Kunst nach und nach ent-
sten Werthe zu verehren, aus denen sich der geistige In- wunden hatte und allenthalben einer langweiligen Oede
halt der mittelalterlichen Kunst zusammensetze. Da nun verfallen war; was Wunder, wenn der Architekt, und zwar
aber die meisten modernen Aufgaben profaner Natur ge- jeder auf seine Art, der geschickte wie der minder ge-
rade das Entgegengesetzte, nämlich eine in die Breite schickte, diesen lebenbringenden Einfluss hinfort um so
strebende Entwicklung verlangten, so war das Zertheilen kräftiger an dem einzelnen Gebäude selbst zu erweisen
der Massen ein hochwillkommenes Mittel, um wenigstens ,sich bemüssigt fand! Und da innere Gründe in der Regel
einigen bevorzugten Stücken ein aufstrebendes Ansehen nicht Vorlagen, so griff er denn abermals auf eine deko-
zu verleihen, und es bot sich dazu besonders das typische rative Gliederung. der einzelnen architektonischen Gegen-
Pavillonsystem wie von selbst dar. . stände zurück — und wäre es auch, wie meistens beiReihen-
Und wie der hehre Ueberschwang der gothischen^häusern, nur andeutungsweise, d. h. nur im Aufbau. —
Kathedral- Baukunst auf die Architektur der öffentlichen Wird doch eine solche rein theaterraässige Gliederung
Monumental-Gebäude, ebensoward dieroman'tischeSchwär- durch gewisse gutgemeinte Bauvorschriften in manchen
206 No. 32,
Eisenbahnen (beispielsweise in denen der Manhattan-Hoch- und zwar in weit höherem Maasse, als die für das Erwärmen
bahn in New-York) zum Bewegen kalter Lokomotiven der Luft verbrauchte Energie beträgt. Die obere Grenze für
innerhalb der Werkstatt die Kessel mit Druckluft von die Einströmungs-Temperatur ist hierbei dadurch gegeben,
etwa Pressung gefüllt werden.^) dass das zum Schmieren des Kolbens benutzte Oel bei
Das leitet über zur Betrachtung der Druckluftverwen- etwa 270 ^ verdampft. Indem so die Anfangstemperatur so-
dung zum Betriebe von Eisenbahn-Fahrzeugen, wie sie wohl wie die Endtemperatur, d. h. das Temperaturgefälle,
insbesondere bei Kleinbahnen in Frankreich und in den bestimmt ist, andererseits die Ausströmungs-Spannung zur
Vereinigten Staaten in grösserem Umfange zur Anwen- Vermeidung eines hörbaren Auspuffs nicht wesentlich
düng gelangt ist.®) höher als der Atraosphärendruck sein darf, so ist damit zu-
Bevor wir im Einzelnen auf die Bauart der verschie- gleich das dem Temperatur-Unterschiede entsprechende
denen durch Druckluft bewegten Betriebsmittel (Lokomo- Druckgefälle und demnach die Einströmungs-Spannung ge-
tiven und Treibwagen) eingehen, mögen einige theoretische geben. Will man die letztere steigern und dabei den
Erläuterungen vorangeschickt werden, welche das Ver- Auspuff vermindern, so muss man zur Verbundanordnung
halten der Druckluft besonders beim Betrieb von Fahr- greifen und die Luft zwischen den beiden Ausdehnungs-
zeugen kurz zusammenfassen sollen. stufen nochmals erwärmen.
Die Druckluft giebt ihre Energie in einem Motor ab, Die Erwärmung der Luft im Zylinder während der
indem sie sich ausdehnt wie der Dampf im Zylinder einer Ausdehnung etwa durch ein Dampfhemd ist nicht mög-
Dampfmaschine. Man benutzt demnach zweckmässig als lieh, da die Luft ein sehr schlechter Wärmeleiter ist.
Motor eine Kolbenmaschine, in welche die Luft mit 10 bis Allein man kann theilweise eine Nachwärmung erreichen,
20 at Pressung eingelassen wird. Arbeit leistend dehnt die indem man die Luft vor der Einströmung mit Wasser-
Luft sich aus und kühlt sich dabei erheblich ab; beispiels- dampf mischt, der während der Expansion sich verdichtet
weise beträgt die Endtemperatur, wenn sich Luft von und seine hierbei frei werdende Wärme an die Luft ab-
15 OC. und loa-t Spannung bis auf den äusseren Atmo- giebt. Die hierdurch erzielte Ausdehnung liegt etwa in
Sphärendruck ausdehnt, — 257 0. Da nun die Luft stets der Mitte zwischen der adiabatischen und isothermischen
mehr oder weniger und die für die Beimengung des Wasserdarapfes
mehr oder weniger
F euchtigkeit enthält,
und der Wasserdampf
bei der Abkühlung
eine Eisbildung in den
Zylindern hervorrufen
würde, die leicht zu
einer Verstopfung der
Kanäle usw. führen
könnte, so ist man ge-
nöthigt, die Luft vor
dem Eintritt in die
Zylinder zu erwärmen.
DieVorwärmung bietet
zugleich um deswillen
einen erheblichen Vor-
theil, weil die bei der
Ausdehnung erzeugte
Energie mit derTempe-
ratur erheblich wächst.
®) So ist es in Amerika j|
auch allgemein üblich, nach J
Festlegung der Laufräder das
Triebwerk von Lokomotiven j
auf Ausstellungen usw. durch i
Druckluft in Bewegung zu j
setzen (BaldwininParisigooj, i|
gleichwie die Lokomotiv-Mo- A=
delle im South -Kensington- AKLildo-
Museum in London durcli
Druckluft betrieben werden.
Vergl. auch der Verf.
Aufsatz in d. Ztschrft. d. Ver.
Dtsch. Ingen. igo2, No. 17;
„Druckluft-Lokomotiven“.
Druckluft-Trockner.
Abbildg. 2. Diagramm der Luftverdichtung und Ausdehnung.
erforderliche Energie ist im Verhältniss zu dem
erzielten Gewinn ebenso unbedeutend wie die
durch die Vorwärmung verbrauchte; ein weite-
rer Vortheil der Wassereinspritzung liegt darin,
dass der Unterschied zwischen der Anfangs-
und der Endtemperatur der Luft nicht so gross
ist, man also die Temperatur der Vorwärmung
ermässigen kann.
Die Vorwärmung der Luft und die Bei-
mengung von Wasserdampf geschieht auf zwei
Weisen : entweder dadurch, dass der in einerHeiz-
schlange erwärmten Luft nachträglich aus einer
zweiten Pleizschlange entnommener Wasser-
dampf zugesetzt wird, oder einfacher derart, dass
die Luft durch ein Bad von heissem Wasser
von etwa 200® geleitet wird, in dem sie sich
während der Erwärmung mit Wasserdampf
sättigt.
Die Antriebsluft wird in Behältern auf dem
Fahrzeuge mitgeführt. Um die Grösse dersel-
ben möglichst zu beschränken, ohne die Länge
der Entladestrecke zu vermindern, wird die
Luft in den Vorrathsflaschen der Betriebsmittel
in einem Vielfachen des Arbeitsdruckes aufge-
speichert und vor dem Gebrauch durch ein
zwischen Behälter und Zylinder eingeschaltetes
Ventil auf den Anfangs-
Arbeitsdruck herunter-
gesetzt, was keine nen-
’ i''- nenswerthe Abkühlung
und Ausdehnung. zurfolge hat. Der Weg
Städten auch heute noch geradezu künstlich zum Gemein-
gut gemacht! Und dass ein so drastisches Motiv in end-
loser Wiederholung auch bei der grössten sonstigen Stih
Verschiedenheit überaus ermüdend wirkt und wirken muss,
ist vielleicht schuld daran, wenn man bisweilen versucht
sein möchte, die ästhetische Berechtigung dieses Motives
an sich in Zweifel zu ziehen.
Auf den strengen Klassizismus und die Schule der
Romantiker folgte dann im Laufe des 19. Jahrhunderts
noch so manche Stilwandlung; die Formen der Einzelheiten
wechselten wie nie zuvor, der Geist der neueren Zeit
aber sprach sich um so entschiedener aus in dem allge-
meinen Festhalten an jener eigenartigen Behandlung der
grossen Massen. Jawohl, der Geist der neuen Zeit;
denn die dekorative Massengliederung kommt ohne Zweifel
dem Bedürfniss nach Eleganz entgegen: und wer wollte
es leugnen, dass die Eleganz, das Streben nach dem „Ge-
fälligen", in der Kultur des 19. Jahrhunderts, ja in der
modernen Kultur überhaupt eine beherrschende Stellung
eingenommen hat und noch fortgesetzt behauptet!
Vielleicht ist die Eleganz überhaupt ein wesentlich
moderner Begriff; vielleicht hat man in ihr jenes noch
unbekannte allumfassende Kennzeichen der neueren Ar-
chitektur zu erblicken, von welchem auch die Neigung
zu dekorativer Massengliederung nur eine Folgeerschei-
nung wäre. Ist doch noch so manche andere Eigenart
der modernen Baukunst im wesentlichen auf das Streben
nach Eleganz zurückzuführen: so z. B., dass die Wirkung
der Massen auch sonst nicht mehr ein -volles Ausleben zu
vertragen scheint; dass daher u, a. die Dächer sehr oft
künstlich unterbrochen und theilweise unterdrückt werden
also dass die zuweilen sehr beträchtlichen Tiefenentwick-
19. April T903.
langen moderner Gebäude fast nie zur vollen majestäti-
schen Geltung gelangen; so auch zum anderen, dass die
Fensteröffnungen überall annähernd dieselbe rechteckige
Gestalt aufweisen und dadurch, im Gegensatz zum Mittel-
alter und der italienischen Renaissance, eine künstlerische
Einheitswirkung namentlich der Wohnhaus-Fassaden so
oft gründlich vereiteln!
Im übrigen wird die Frage nach dem künstlerischen
Werth oder Unwerth der dekorativen Massenzergliederung
vermuthlich sehr verschieden beantwortet werden, je nach-
dem man z. B. überhaupt das rein Dekorative in der
Kunst als mehr oder minder berechtigt oder auch gar
nicht gelten lassen wird; einstweilen genügt es wohl, diese
Errungenschaft anzuerkennen als das, was sie wirklich
ist, nicht was sie öfters zu sein vorgiebt. Man wird auch
vielleicht im allgemeinen jene Lösungen für die dank-
barsten erkennen, bei welchen der Architekt bemüht war,
alles zu vermeiden, was auf eine organische Raumgliederung
zu deuten scheint, wie beispielsweise das Schmücken der
ganzen gegliederten Masse nach einem einheitlichen System;
und man wird ferner erkennen, dass diese Gliederungs-
Methode oft ihre grössten ästhetischen Triumphe feiert,
wenn die Gesammtmasse in wenige grössere, deutlich
unterschiedene Abtheilungen zerlegt, dem Eindruck
einer aus mehreren Bauten zusammengesetzten Gruppi-
rung sich nähert. Am allerwenigsten aber wird man un-
gestraft die Erfahrung ausseracht lassen dürfen, dass eine
Zergliederung der Masse gegenüber der schlichten Block-
form eine Abschwächung des Grösseneindrucks zu be-
deuten pflegt; denn Einheit ist Grösse und daher „ein-
heitlich" im Sinne der künstlerischen Wirkung .meistens
gleichbedeutend mit „gross". — -Hans Freude.
207
der Luft ist also für gewöhnlich; Vorraths - Behälter,
Druckverminderungs -Ventil, Erwärmer, Arbeitszylinder,
Auspuff.
Die Vorgänge bei der Zusammenpressung der Luft
entsprechen den bei der Ausdehnung der Druckluft be-
schriebenen und es gelten dafür die gleichen theoretischen
Erwägungen. Da es sich indessen dabei um die Herstellung
des ziemlich hohen Behälterdruckes (in Frankreich in
Amerika bis zu löoat) handelt, so wäre bei einmaliger
Kompression der entstehende Wärmegrad zu hoch, so
dass man — entsprechend den Verbund-Dampfmaschinen
— eine mehrstufige Verdichtung wählt und die Luft auf
jeder Stufe wieder auf den Wärmegrad der Aussenluft
abkühlt. Der Wirkungsgrad der Verdichtung ist um so
grösser, je niedriger die Anfangs-Temperatur ist, so dass
man möglichst kalte Luft in die Luftpumpen eintreten
lässt. Je grösser man die Anzahl der Stufen wählt, um
so mehr kann man sich der isothermischen Kurve der
Verdichtung nähern; praktisch geht man indessen bis jetzt
nicht über vier Stufen hinaus. Die Kühlung erreicht man
durch Wasserumspülung der Zylinder oder durch Ein-
spritzung kalten Wassers, das während der Verdichtung
der Luft verdampft und dadurch die Wärme bindet. Die
wirkliche Verdichtungskurve liegt wiederum zwischen der
adiabatischen und der isothermischen Linie.
Um die auf diese Weise der Luft beigemengte Feuchtig-
keit wieder zu entfernen, wendet man Trockner (Abb. i)
an, in denen die bei C einströmende Luft gegen ein Rohr B
trifft, an welchem sich das Wasser niederschlägt. Die
Entnahme der Luft erfolgt bei D.
Ein Diagramm von einer in 4 Stufen erfolgenden Ver-
dichtung mittels Dampfluftpumpen, sowie von der zuge-
hörigen Ausdehnung der Druckluft im Betriebsmittel zeigt
Abbildg. 2. Die Abscissen stellen die Volumina, die Ordi-
naten die Spannungen dar. Die einzelnen wagrechten
Abschnitte der Gesammtkurvenfläche sind die entsprechen-
den Indikator-Diagramme der betreffenden Zylinder, und
die wagrechten Absätze in der Verdichtungs- und Aus-
dehnungshnie entsprechen den durch die Kühlung bezw.
Vorwärmung hervorgerufenen Volumenänderungen. In
den Vorrathsbehältern im Kraftwerk, sowie in den Wagen,
und ferner beim Füllen der letzteren aus ersteren beläuft
sich der Spannungsverlust auf das in der Ausdehnungs-
kurve gezeichnete Maass 2-3, während 4-5 den Spannungs-
abfall bedeutet, welcher durch das Druckverminderungs-
Ventil der Fahrzeuge bewirkt wird. — (Fortsetzung folgt.)
Todtenschau.
Wilhelm Streckert, Wirkl. Geh. Ob.-Baurath f. Als
vor 1I/2 Jahren Wilhelm Streckert seinen 70. Geburtstag
feierte (vgl. Dtsch. Bztg. 1900, S. 592), da sprachen wir
den Wunsch aus, dass dem Jubilar noch manches Jahr
fruchtbringender Thätigkeit vergönnt sein möge. Es ist
anders gekommen. Nach kurzer Krankheit ist er am
13. d. M. am Herzschlag verschieden. Wir haben damals
schon die Thätigkeit des Entschlafenen gewürdigt, die vor-
wiegend auf organisatorischem und betriebstechnischem
Gebiete lag, und während seiner 28-jährigen Arbeit im
Reichseisenbahnamt in hohem Maasse der einheitlichen
Ausgestaltung, sowie der Hebung der Betriebssicherheit und
der Leistungsfähigkeit der deutschen Eisenbahnen im Frie-
den und im Kriege zugute gekommen ist. Es sei noch kurz
der Lebensgang in seinen Hauptpunkten wiedergegeben
Streckert wurde am 22. November 1830 in Kassel
geboren, legte seine technischen Studien in Kassel, Berlin
und München ab und war seit 1865 als Ingenieur bei Eisen-
bahnarbeiten in seiner Heimath, sowie inPreussen, Bayern
und auch Russland thätig. 1868 trat er in den preussischen
Dienst über und zwar in das eisenbahntechnische Büreau
des Handelsministeriums. Im Jahre 1873 erfolgte unter
Ernennung zum Reg.-Rath seine Berufung als techn. Hilfs-
arbeiter in das Rei<3iseisenbahnamt, dem er fortan bis zu
seinem Tode angehört hat. Seine Tüchtigkeit und Arbeits-
kraft Hessen ihn rasch aufrücken. Schon 1875 wurde er
zum Geh. Reg.-Rath und Vortragenden Rath ernannt und
schliesslich 1895 zum Wirkt Geh. Ob.-Baurath befördert.
Neben anderen Auszeichnungen wurde ihm 1880 die Be-
rufung als ordentliches Mitglied in die preuss. Akademie
des Bauwesens zutheil. Die Anerkennung der Fachge-
nossenschaft kam darin zum Ausdruck, dass ihm mehrere
Jahre hindurch der Vorsitz im Architekten-Verein zu Berlin
und später lange Jahre bis zu seinem Ende derjenige im
Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin übertragen war. —
Jules Dalou J. In diesen Tagen starb in Paris der
Bildhauer Jules Dalou, ein Künstler, der mit wenigen
Anderen an der Spitze der modernen Denkmalbewegung
in Frankreich stand. Im Jahre 1840 in Paris geboren,
machte er seine Studien an der Ecole des Beaux Arts in
Paris. „C’est lä, que mon esprit a ete döflorö, que Ton
m’a detournö de la nature pour m’apprendre ä composer
selon des formules sous pretexte de me faire faire mes
humanites“. So klagte der Künstler und er fand an dem
Bildhauer Jean Baptiste Carpeaux ein Vorbild, welches
seinen Muth wieder belebte. Der Krieg von 1870 zwang
Dalou zur Flucht nach London; er kehrte nach Paris zu-
rück mit dem Entwurf zu einem Denkmal des Triumphes
der Republik, welcher seinen Ruf begründete. Das Denk-
mal wurde zunächst nur in Gips ausgeführt und stand so
einige Zeit auf der früheren Place du Tröne, der jetzigen
Place de la Nation; seine Ausführung in Bronze wurde
erst 1899 vollendet und gefeiert. Vorher schon schuf er
das eigentliche Denkmal der Republik auf der früheren
Place du Chäteau-d'Eau, der heutigen Place de la Re-
publique. Beide Denkmäler sind Werke von grossem
Wurf und reichem plastischem Können. Von kleineren
Werken schuf der Künstler eine Statue von Lesseps für
den Suez-Kanal, ein Gambetta-Denkmal für Bordeaux,
ein Standbild Mirabeaus für die französische Deputirten-
kammer, das Basrelief des Friedens an der Mairie des
X. Arrondissements, die Denkmäler Blanqui’s und von
Viktor Noir auf dem Phre-Lachaise, das Denkmal La-
voisiers in der Sorbonne, die Denkmäler für Jean Le-
claire, Boussingault, das schwungvolle Denkmal für De-
lacroix im Jardin du Luxembourg in Paris usw. Das
Hauptwerk seines letzten Lebensabschnittes ist das Denk-
mal für Alphand in der Avenue du Bois de Boulogne,
zu welchem Formigö die Architektur entwarf. Es zeigt
Alphand in amtlicher Thätigkeit, am Sockel seine Mit-
arbeiter, den Maler Roll, den Architekten Bouvard, den
Ingenieur Huet und den Bildhauer Dalou, den Künstler
selbst. Dalou hat an diesem Werke seine Eigenart viel-
leicht etwas übertrieben, gleichwohl ist es eines der be-
deutendsten der neueren französischen Denkmalkunst.
Dalou war ein würdiger Nachfolger von Carpeaux, etwas
gemässigter, von etwas geringerer Initiative, dafür aber
vielleicht von monumentalerer Gesinnung, jedenfalls ein
seltener Meister in der Beherrschung der plastischen Aus-
drucksmittel. In ihm hat die französische Kunst der
Gegenwart einen ihrer bedeutendsten und selbständigsten
Charaktere verloren. — — H.
Personal-Nachrichten.
Bayern. Der Bez.-Ing. Hinlein in Nürnberg ist s. Ans.
entspr. in den Ruhestand versetzt.
Mecklenburg-Schwerin. Die Reg.-Bfhr. Schondorf in
Güstrow u. Wachenhusen sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Preussen. Dem Geh. Reg.-Rath Prof. Hartmann im Reichs-
versicherungsamt ist die Erlaubniss zur Anlegung des ihm verlieh.
Offizierkreuzes des franz. Ordens der Ehrenlegion ertheilt. —
Dem Kr.-Koramunal-Bmstr. Creutzfeldt io Kalbe a. S. ist
der Char. als Bith. verliehen.
Die Reg.-Bnistr. R 0 t z o 1 1 in Posen, S e e f 1 u t h in Liegnitz
und Hier au in Kaukehmen sind zu Mel.-Bauinsp. ernannt und ist
denselben je eine etatm. Mel.-Baubeamtenstclle übertragen.
Die Stadtbmstr. Tietze u. Knopff in Berlin sind zu Stadt-
bauinsp. und die Reg.-Bmstr. Broniatowski u. Jautschuss
zu Stadtbmstrn. ernannt.
Dem Reg.- u. Gewerberath Pufahl in Oppeln ist die er-
betene Entlass, aus dem Amt unt. Verleihung des Rothen Adler-
Ordens IV. Kl. ertheilt. Dem Gew .-Rath Kusch elbauer in
Osnabrück ist aus Anlass der von ihm nachges. Entlass, aus dem
Amt der Rothe Adler-Orden IV. Kl. verliehen.
Der Gew .-Rath Mangelsdorff in Potsdam ist z. Reg.- u.
Gew.-Rath ernannt und ist deras. die etatm. Stelle eines gewerbe-
techn. Raths bei der Reg. in Potsdam verliehen.
Der Gew.-Insp. Böhmer in Oppeln ist mit der Wahrnehmung
der Geschäfte eines Reg,- u. Gewerberaths bei der Reg. in Oppeln
beauftragt.
Dom Gew.-Rath Stromeyer in Stettin ist die etatm. Stelle
eines gewerbetechn. Hilfsarb. bei der Reg. in Arnsberg übertragen.
Versetzt sind; Die Gew.-Räthe Lau risch in Arnsberg nach
Düren, Menzel in Halberstadt nach Halle a. S., Haeusler in
Halle nach Halberstadt; die Gew.-Insp. K o z e r in Lüneburg nach
Göttingen, Lampe in Düren nach Celle und Steinhäuser in
"Wesel nach Stettin I.
Die Baugewerkschullehrer Salzer in Breslau, Zander in
Buxtehude, Reg.-Bfhr. Schulte und Friedrichs in Eckern-
förde sind zu kgl. Oberlehrern ernannt.
Der Reg.- u. Brth. Nowack in Berlin ist gestorben.
Sachsen- AltenbuTg. Dem Ob.-Bauinsp. Bernhardi in
Altenburg ist das Prädikat Brth. verliehen.
Inhalt: Neue Karlsruher Verkehrsanlagen. — Eine charakteristische
Eigenschaft der neueren Baukunst (Schluss). — lieber die Verwendung von
Druckluft-Betriebsmitteln bei Kleinbahnen und städu Strassenbahnen. —
Todtenschau. — Personal-Nachrichten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
vcrantwortl. Albert Hof mann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 32.
208
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 33. Berlin, den 23. April 1902.
Ilaupieingang zum Lagerhaus (Werfthalle). Architekt: A. S tflrzen ack er in Karlsruhe i. B.
Neue Karlsruher Verkehrsanlagen.
I. Die geplanten neuen Bahnanlagen. (Schluss.)
iür eine Verlegung des Bahnhofes sprachen
also die folgenden, sehr gewichtigen Gründe :
I, Die schon heute sehr grossen und sich
noch beständig steigernden Anforderungen,
' welche die Neuzeit an die Bequemlichkeit,
Schnelligkeit und Sicherheit der Verkehrsabwicklung
stellt und welche Weiträumigkeit und Uebersichtlichkeit
für jeden grösseren Bahnhof zur unerlässlichen Bedin-
gung machen.
2. Die Unmöglichkeit, auf dem heutigen, räumlich
sehr beschränkten Bahnhofsgelände einen solchen,
auch auf längere Zeit hinaus allen Bedürfnissen des
Verkehrs entsprechenden Neubau errichten zu können.
3. Der unerschwingliche Preis der Grundstücke
in der nächsten Umgebung dieses Geländes, der eine
Vergrösserung desselben für eine spätere Erweiterung
des Bahnhofs verhindert und damit über kurz oder
lang doch zu dessen Verlegung genöthigt haben würde.
4. Der mit wachsender Ausdehnung der Stadt be-
ständig steigende Bodenwerth, der heute noch den
Grunderwerb für einen allen Anforderungen nicht nur
der Jetztzeit, sondern auch einer absehbaren Zukunft
vollauf genügenden Bahnhof in nicht allzu weiter Ent-
fernung von der Stadt zu massigem Preise möglich
macht, bei einer späteren Verlegung des Bahnhofes
aber sicher sehr viel höhere Kosten verursachen, oder
aber zur Anlage des Bahnhofes in sehr viel weiterer
Entfernung von der Stadt nöthigen würde.
5. Die Aussicht, durch eine Verlegung des Bahn-
hofes eine für die Sicherheit des Betriebes sehr viel
günstigere Einführung der Bahnlinien in den Bahnhof
gewinnen zu können.
6. Die Ueberzeugung, dass nur die Verlegung des
Bahnhofes die sichere Gewähr für eine wirksame Ab-
stellung des heutigen, allmählich der Stadt wie der
Eisenbahn-Verwaltung gleich, unerträglich gewordenen
(Fortsetzung.)
Misstandes der gegenseitigen lähmenden Abhängig-
keit von einander bietet, indem sie allein die Stadt von
den cinengenden Fesseln der Bahnlinien, die Eisen-
bahn-Verwaltung aber gleichzeitig von jedem Zwange
durch die beständige Rücksicht auf den, den Zugverkehr
störenden, ja selbst ernstlich gefährdenden Strassen-
verkehr mit einem Schlage völlig frei machen kann.
7. Die Möglichkeit einer ungehinderten, weder den
Zugverkehr gefährdenden, noch durch ihn gestörten
Ausführung des Neubaues unter Vermeidung aller
kostspieligen und zeitraubenden Nothanlagen.
8. Die hieraus entspringende möglichste Abkür-
zung der Bauzeit, die frühzeitige Inbetriebnahme der
Neuanlage und mit ihr eine rasche und durchgreifende
Verbesserung der heutigen Misstände: der unzuläng-
lichen Bahnhofsverhältnisse einerseits und der Aus-
dehnungs-Behinderung der Stadt andererseits.
9. Die aus dem Fortfall aller Nothbauten, der Ab-
kürzung der Bauzeit und dem damit verbundenen
früheren Beginn der Verzinsung des Baukapitals mit
Sicherheit zu erwartende bedeutende Ersparniss.
10. Schliesslich der aus dem Verkauf des alten
Bahnhofsgeländes zu erhoffende nicht unbedeutende
Beitrag zu den sehr hohen Kosten des Neubaues.
Dies die Gründe für eine Verlegung; gegen
dieselbe wird angeführt:
1. die aus der weiteren Entfernung des Bahnhofes
vom Mittelpunkte der Stadt der Gesammtheit der Be-
wohner Karlsruhes erwachsenden Unbequemlichkeiten ;
2. die zu befürchtende Abnahme des Fremden-
verkehrs und die hierdurch herbeigeführte Benach-
theiligung der Geschäfte im Inneren der Stadt;
3. die Entwerthung der Gasthofsgrundstücke in
der Nähe des alten Bahnhofes.
Als Baustelle für den neuen Bahnhof, der gleich-
falls wieder als Durchgangs-Bahnhof angelegt werden
soll, weil ein Kopfbahnhof den entschieden vorherr-
schenden Durchgangsverkehr nur unnöthig aufhalten
209
würde und auch nicht näher an die Stadt herangerückt
werden könnte, hierzu ist die dicht hinter dem Stadt-
garten sich ausbreitende Fläche in Aussicht genommen ;
vergl. den Lageplan, den wir bereits in No. 32, Seite 204,
wiedergegeben haben. Der Bahnhof soll gegen seine
jetzige Lage also in der Hauptsache nach Süden hinaus
geschoben werden, so dass er auch an seiner neuen
Stelle ungefähr in der Hauptqueraxe der Stadt liegen
würde. Bei dieser Verschiebung wird die Entfernung
des Mittelpunktes der Stadt vom Bahnhofe sich aller-
dings gegenüber dem jetzigen Zustande vervierfachen.
Zunächst will aber diese grössere Entfernung von 2,8
für eine Stadt von der Grösse Karlsruhes schon an
sich nicht allzuviel bedeuten; sie verliert aber bei-
nahe jede praktische Bedeutung, wenn man die lang-
gestreckte Form des Karlsruher Stadtbildes ins Auge
fasst. Je weiter wir uns in der Längsaxe der Stadt,'
gleichviel ob nach Osten oder nach Westen, aus ihrer
Mitte entfernen, desto günstiger wird das Verhältniss
der beiden Wege zum alten und zum neuen Bahnhof.
Beträgt es vom Marktplatz aus, wie gesagt, 1:4, so
stellt es sich vom Durlacher Thor, dem Mittelpunkt der
Oststadt aus, nur noch auf 1:2,6, vom Mühlburger
Thor, ;dem Mittelpunkt der Weststadt aus, gar nur
noch auf 1 : 1,3. Dabei kommt noch inbetracht, dass
diejenige Richtung, nach welcher die Stadt sich am
ungehindertsten ausdehnen kann, nicht die nordöst-
liche, sondern die südwestliche ist; für den auf dieser
Seite entstehenden Stadttheil wird die Lage des neuen
Bahnhofes aber nicht nur nicht ungünstiger, sondern
im Gegentheil eher noch günstiger werden, als die
alte es gewesen wäre. Nimmt man dann noch hinzu,
dass nach dem Verschwinden, der Bahnlinien, welche
die Stadt jetzt im Süden einengen, das Netz der elek-
trischen Strassenbahn ungehindert weiter ausgebaut,
vor allem auch durch nord-südliche Querlinien vervoll-
ständigt und, dass das alte Bahnholsgelände der Be-
bauung erschlossen und damit die Südstadt auch mit
der Ostseite der Altstadt enger angegliedert werden
kann,, so. wird -man schon in, naher Zuloin-ft -kaum noch
berechtigt sein, die Behauptung einer Benachtheiligung
der Gesammtheit der Karlsruher Einwohnerschaft durch
die Bahnhofsverlegung aufrecht zu erhalten.
Dagegen kann nicht geleugnet werden, dass die
Gasthofs-Grundstücke in der Nähe des alten Bahnhofes
durch die Verlegung desselben wohl thatsächlich eine
Verminderung ihres Werthes, wenn auch nicht in der
befürchteten Höhe, erleiden werden; aber ohne Ver-
letzung der berechtigten Ansprüche Einzelner ist wohl
noch keine dem Allgemeinwohl dienende Anlage, am
wenigsten die eines neuen, grossartigen Verkehrs-
mittels, möglich geworden. Wird doch auch die Stadt
Karlsruhe, so viele und so grosse Vortheile sie auch
sonst von der Verlegung des Bahnhofes ziehen mag,
durch sie eine bleibende, auf keine Weise wieder
wett zu machende Einbusse erleiden: Bis hart an die
Grenze des neuen Bahnhofes hin, dessen Baustelle für
die Verkehrsverhältnisse so günstig wie nur irgend
möglich liegt, erstreckt sich der Stadtgarten, eine von
der Stadt mit grossen Kosten geschaffene, herrliche
Parkanlage, die in Deutschland wenigstens ihres
gleichen sucht. Die sehr freundliche landschaftliche
Lage dieses zärtlich gehegten und unermüdlich ge-
pflegten Lieblingskindes der Stadt wird ihres lieb-
lichsten Reizes, des wunderschönen Blickes auf die
im Hintergründe aufragenden blauen Berge des nahen
Schwarzwaldes durch den dicht hinter dem Garten
sich erhebenden Hochbahnh'of schmählich beraubt
werden. Auch sonst wird die Nachbarschaft des
Bahnhofes sich unangenehm bemerkbar machen und
den heutigen Werth des Gartens als eines vielbenutzten
Erholungsortes mindestens stark beeinträchtigen. Man
mag auch das als unabänderlich ansehen, wird es aber
trotzdem schmerzlich bedauern müssen.
DieKarlsruher Bahnhofsfrage geht aber nicht allein
die Gasthofsbesitzer in der Nähe des alten Bahnhofes,
sie geht auch nicht einmal die Stadt Karlsruhe allein
an, sie ist eine Angelegenheit des ganzen badischen
Landes. Nicht nur weil dieses die Mittel zu dem
Neubau aufzubringen hat, sondern auch um deswillen,
weil von dem Grade der betriebstechnischen Voll-
kommenheit des Karlsruher Bahnhofes, des bedeutend-
sten Knotenpunktes des badischen Eisenbahnnetzes, der
Ertrag aus den Eisenbahnen des Staates in hohem
Maasse abhängig ist.- Denn es wäre so unmöglich gar-
nicht, dass -wenn die Leistungsfähigkeit des Karlsruher
Bahnhofes hinter den Anforderungen des grossen
Durchgangsverkehrs, besonders der beiden wichtigen
Weltverkehrslinien Berlin — Genua und Wien — Paris
nur im geringsten zurückbliebe, dass dann dieser Ver-
kehr den badischen Eisenbahnen durch Umleitung
über andere, leistungsfähigere fremde Bahnlinien ent-
zogen und dadurch das I,.and in seinen Einnahmen
schwer geschädigt werden würde. Diese Gefahr ist
durchaus nicht zu unterschätzen; wird doch schon
heute ein nicht unbedeutender Theil des Verkehrs
zwischen Norddeutschland und der Schweiz über die
Reichseisenbahnen geleitet. Das Wohl und Wehe des
ganzen Landes ist mit der Lösung' der Karlsruher' Bahn-
hofsfrage also eng genug verknüpft. Bei der Stellung
Karlsruhes als eines wichtigen Knotenpunktes des
Weltverkehrs gewinnt die bei oberflächlicher Betrach-
tung als eine rein örtliche Angelegenheit erscheinende
Karlsruher Bahnhofsfräge eine ganz ungewöhnliche
Bedeutung, die es durchaus als gerechtfertigterscheinen
Hesse, wenn die Theilnahme an dieser zwei grosse
Hauptstrassen Mittel-Europas so' nahe berührenden
Frage nicht auf das Badener Land beschränkt bliebe,
sondern wenn ihre .weitere Entwicklung auch jenseits
der roth-gelben Grenzpfähle mit Aufmerksamkeit ver-
folgt werden würde. , Die von der General-Direktion
der badischen Staätseisenbahnen vorgeschlagene und
als beschlossene Sache anzusehende Lösung der Bahn-
hofsfrage bietet mit der Möglichkeit, die Leistungs-
fähigkeit des Bahnhofes auf die zur, Zeit höchste er-
reichbare Stufe betriebstechnischer. Vollkommenheit zu
bringen, auch die Gewähr für eine Abwendung der
dem ganzen badischen Lande drohenden Gefahr einer
Ausschliessung von dem nach tausend Richtungen
hin Segen stiftenden Weltverkehr.
Wenn nun aber schon eine solche einschneidende
Umgestaltung in die Wege geleitet wird, so wäre es
wünschenswerth, dass dem aus dem Mittelpunkte der
Stadt verschwindenden Personenbahnhof der jetzt an
seinem Ostende dicht vor ihm liegende Gtüerbahnhof
möglichst bald an die Weichbildgrenze . der Stadt
nachfolgen möge, damit auch dieses Gelände der Be-
bauung erschlossen werden könnte. Für einen Güter-
bahnhof, dessen Verkehr mit der Stadt doch im
wesentlichen durch Fuhrwerke vermittelt wird, fällt
die Entfernung von der Stadt sehr viel weniger ins
Gewicht, wie für einen Personenbahnhof, der von der
überwiegenden- Mehrzahl aller Reisenden zu Fuss
aufgesucht und verlassen wird. Würde mit dem
Güterbahnhof auch noch der hinter ihm liegende
Werkstätten-Bahnhof aus der Stadt hinaus verlegt
werden können, so würde die so nothwendige, jetzt
aber beinahe gänzlich mangelnde Verbindung der
Oststadt mit der Südstadt durch einen zwischen ihnen
sich, einschiebenden neuen Stadttheil sich von selbst
hersteilen; die Stadt würde auch diese Lücken füllen
und, nun nur noch im Norden durch das Schloss und
den Hardtwald in ihrer Ausdehnung beschränkt, nach
allen übrigen Richtungen hin sich ungehindert aus-
breiten, um den Stadtgarten als neuen Mittelpunkt
sich immer dichter zusammenschliessen und so ihren
Grundriss mehr und mehr abrunden können.
Wer darauf entgegnen wollte, das höre sich zwar
sehr schön an, sei aber doch Zukunftsmusik, die
heute noch nicht auf allgemeines Verständniss rechnen
könne, wo in aller Welt denn aucli der Bevölkerungs-
zuwachs herkommen solle, um diese grossen, durch
Verlegung aller drei Bahnhöfe aus der Stadt heraus
frei werdenden Gelände zu besiedeln, — dem wäre
zu erwidern, dass, sobald diese zum Mittelpunkt der
-Stadt so bequem gelegenen Gelände erst einmal ver-
fügbar geworden wären, man ihnen, unbedingt den
V orzLig geben würde vor den weitentlegenen Gegenden,
No. 33.
210
dem Bannwald im Westen und der Nachbarschaft des
Fasanengartens oder der Durlacher Landstrasse im
Osten; wenn die Baulust heute schon so ungünstig
gelegene Gelände aufsucht, thut sie es doch sicher
nur der Noth gehorchend und es ist wohl kein Zweifel,
dass sie diese Felder ihrer Thätigkeit in demselben
Augenblick verlassen würde, in dem ihr ein anderes,
so viel günstiger gelegenes erschlossen würde. Selbst-
verständlich wäre die Bebauung eines so ausgedehnten
Geländes wie dasjenige der drei Bahnhöfe nicht von
heuteauf morgenzu erwarten. EinegrosstädtischeStadt-
verwaltung muss aber weitausschauende Pläne haben;
sie darf nicht nur, sie soll sogar Zukunftsmusik pflegen,
wenn auch Gevatter Schneider und Handschuhmacher
die Köpfe dazu schütteln, dass die Zöpfe fliegen.
Karlsruhe, im Nov. 190t. Otto Schultz.
23, April 1902.
Mittheilungen aus Vereinen.
Mecklenburgischer Arch.- und Ing, Verein. In der Vers,
am 13 Febr. d. J. gedachte man zunächst ehrend des am
Eckthurm am Lagerhaus. Architekt: A. Stürzenacker in Karlsruhe i. B.
Neue Karlsruher Verkehrsanlagen.
30. Jan. zu Rostock verstorbenen dortigen Stadtbaudir. a. D.
Julius Studemund, langjährigen Mitgliedes des Vereins
und dessen Vorstandes, erledigte die vorliegenden geschäft-
lichen Angelegenheiten und stellte die Beantwortung der
Verbandsfrage betr. die Gebühren der Architekten und
Ingenieure als gerichtliche Sachverständige nach Maass-
gabe des vom Landbmstr. Dreyer vorgetragenen Aus-
schussberichtes fest. Neben anderen Mittheilungen brachte
der Vorsitzende zur Kenntniss, dass er dem Magistrate
und Bürgeraus-schusse der Stadt Parchim die Denkschrift
des Verb, deutsch. Arch.- u. Ing.-Vereine über die Stellung
der höheren städt. Baubeamten übersendet und dabei das
Ersuchen ausgesprochen habe, zur Wiederbesetzung der
dort zurzeit offenen, mit den städtischen Kämmerei- und
Bauangelegenheiten betrauten Magislratsstelle neben den
Meldungen von Vermessungs-Ingenieuren auch solche von
Architekten und Bauingenieuren zuzulassen. —
Die Versammlung am 8. März d. J. war die hun-
dertste seit Heraustreten des Ver-
eins als besondere Arbeitssektion
aus dem von den Fachgenossen
am 3. März 1840 in Schwerin ge-
gründeten Verein der bildenden
Künstler und Kunstfreunde und
der am 15. März 1890 gehaltenen
ersten Versammlung. Aus den
erledigten Geschäfts- Angelegen-
heiten ist die Aufnahme des Ing.
Weber in den Verein zu erwäh-
nen. Das Hauptinteresse des
Abends bildete der Vortrag des
Hrn. Hafenbaudir. Kerner-Ro-
stock über „DieUmgestaltung
des Rostocker Hafengebie-
tes“, welchen Redner durch zahl-
reiche Karten und Baupläne ver-
deutlichte und durch eineSchilde-
rung der Verhältnisse des Warnow-
flusses in früheren Jahrhunder-
ten einleitete; Abdämmung des
Flusses durch ein Mühlenwehr
bei Rostock und Verlegungen der
Flussmündung in dem am Seeufer
liegenden Dünenstriche stellten
im wesentlichen den jetzigenFluss-
lauf unterhalb Rostock her, in wel-
chen dieStadtverwaltung seitdem
Jahre 1830 mit einem Durchstich
und Baggerungen korrigirend ein-
griff; in den sechziger Jahren er-
langte man durch die Baggerei
4,20"» Wassertiefe, aber erst seit
1885, als der Vortragende in den
städt. Dienst eintrat, hat man plan-
niässig unter Aufwendung erheb-
licher Geldmittel mit Herstellung
geordneterVerhältnisse begonnen,
was man um 1904 errreicht haben
dürfte. Das Fahrwasser hält jetzt
von Rostock bis zur See 5,20 ™
Tiefe bei Normalwasserstand in
mindestens 30«" Breite mit 5 bis
8-fachenBöschungen. Der Strom-
querschnitt ist in dem Durchstich
auf 300 und neben der Ostmole
durch Fortnahme ihrer strom-
seitigen Böschung auf 150 er-
weitert. Mit den Baggermassen
sind in derNähe von Warnemünde
im sog. Breitling (dem Haff) 75 ha
Land aufgeschüttet und zumtheil
als Gartenland bereits verpachtet.
DieWestmole wurde um rd. 120 m
verlängert, und der Warnemün-
der Leuentthurm in verstärkter
Wirksamkeit neugebaut. Das
Flussufer vor der Stadt Rostock
wurde um etwa 10 ™ vorgescho-
ben und theils mit einer Kai-
mauer, theils mit Bollwerken und mit Faschinenwerk bis
auf die Schiffstiefe hinab begrenzt.
Redner schilderte dann die Verhandlungen, welche
geführt wurden, um im Anschluss an die 1885 von einer
belgischen Gesellschaft gebaute Lloydbahn Neustrelitz-
Warnemünde einen Trajeklverkehr für Eisenbahnzüge von
Rostock nach Dänemark einzurichten. Um jede Störung
und Beeinträchtigung des übrigen Schiffsverkehres auf
der Warnowmündung zu verhindern, verhielt sich die Stadt
gegen diesen Gedanken so lange ablehnend, bis die Re-
gierung einen Plan zur Vorlage brachte, nach welchem
eine Verlegung des ganzen Bahnhofes in die Nähe der
Mündung auf die Ostseite des jetzigen Stromes mit dreh-
barer Ueberbrückung desselben vorgesehen war. Auf-
2tl
griinri dieses vom. Vortragenden mit den Vorzügen der
verschiedenen Regierungs - Vorschläge verschmolzenen
Planes ist der von der Stadt Rostock und der Regierung
angenommene Entwurf zustande gekommen, welcher jetzt
in Ausführung begriffen ist. Behufs Ueberführung der
Eisenbahn nach der Ostseite des jetzigen Stromes wurde
dieser unterhalb des Bahnhofbeckens mit einem Damme
abgeschnilten, und an der Ostseite des zu erbauenden
Bahnhofes ein neuer Strom für die Rostocker Schiffahrt
ausgehoben, welcher durch eine neue Ostmole nach der
entsprechend verbreiterten jetzigen Strommündung ge-
leitet wird. Der jetzige Strom bleibe als Warnemünder
Hafen erhalten; zwischen ihm und dem neuen Strom
würde der Bahnhof mit den Fährbecken seitens der. gross-
herzoglichen Eisenbahn-Verwaltung angelegt werden. Zu
besserer Ablenkung des. Küstenstromes soll dieAVestmole
noch um iro “ als ein niedriger Sandfang verlängert, auch
über den alten Strom zwischen Warnemünde und dem
neuen Bahnhofe eine Drehbrücke erbaut werden. Zu dem
im Interesse der grossherzogl. Staatsbahn für diese Ver-
vollkommnung der Verbindung mit Dänemark aufzuwen-
denden Kostenbeträge von rd. 5 Mill. M. leistet die Stadt
Rostock wegen erzielter Verbesserungen ihrer Schiffahrts-
strassen einen Beitrag von 500000 M. und hat die Aus-
führung der wasserbaulichen Arbeiten für eine von der
Regierung ihr zu zahlende Pauschsumme übernommen.
Diese Arbeiten konnten gleich nach erfolgter Bewilligung
durch den Landtag noch im Spätherbst 1900 beginnen, und
es ist bis jetzt die Aushebung des neuen Warnowbettes, so-
weit dieselbe imTrocknen zur vollen Tiefe geschehen konnte,
nebst den beiderseitigen theils als Kaimauern, theils als
Faschinendeckung ausgeführten Uferbefestigungen vollen-
det, ein erheblicher Theil der Baggerei beschafft und die
neue Ostmole bis auf die obere Aufmauerung fertig ge-
stellt worden. — H.
Vermischtes.
DieFragederWasserversorgungundAhwässer-Reittlgung;
hat bekanntlich in Preussen eine wesentliche Forderung
dadurch erfahren, dass am i. April v. J. eine staatliche
Versuchs- und Prüfungsanstalt für diese Zwecke ins Leben
getreten ist (vgL.Dtsche. Bztg. 1901 S. 358), die unter der
Direktion des Hrn. Prof. Dr. Günther und der Oberleitung
des Hrn. Geh. Ob.-Mediz.-Rths. Pr. Schmidtmann be-
reits eine lebhafte Thätigkeit entfaltet hat. Angeregt wurde
die Einrichtung dieser Anstalt durch die im Frühjahr 19,00
erfolgte Eingabe einer grossen Anzahl von Stadtmagistraten
sowie Vorständen von industriellen und technischen Ver-
bänden. Für die Zwecke dieser Anstalt ist im Staats^
haushalt jedoch nur eine Summe von 45000 M. jährlich
ausgeworfen, die nach Anschauung der betheiligten Kreise
nicht ausreicht, um die Aufgaben der Anstalt in vollem
Maasse zu erfüllen. Ausserdem erschien es wünschens-
werth, einen Weg zu finden, der er es ermöglichen soEte,
einerseits' auch die technischen und wirthschafilichen Kennt-
nisse privater Kreise der Anstalt nutzbar zu machen, an.de^
rerseits den letzteren die Möglichkeit zu gewähren, ihre
Wünsche und Anschauungen in angemessener Weise zum
Ausdruck zu bringen. Es sind daher sofort nach der Be-
willigung der staatlichen Mittel die Männer, welche auch
die erste Bewegung eingeleitet haben, wieder zusammen
getreten, um einen Verein zu gründen, der mitarbeiten
sollte bei den Aufgaben der staatlichen Anstalt und, wenn
erforderlich, die Mittel aufbringen sollte für grössere Ziele.
Dieser „Verein für Wasserversorgung und Ab-
wasserreinigung“ ist unter dem Vorsitz des Brths.
Herzberg-Berlin als Vertr. d. Vereins Dtsch. Ing. ge-
bildet worden und besitzt z. Zt. 65 Mitgl. (keine Einzel-
personen, sondern nur Gemeinden, Verbände), die für
5 Jahre einen Beitrag von rd, 38 000 M. zugesichert haben.
Im vorigen Monate sind Verhandlungen eingeleitet wor-
den zwischen dem Vorstande des Vereins und dem be-
theiligten Ministerium, die zu einem solchen vorläufigen Er-
gebnisse geführt haben, dass eine für beide Theile gedeih-
liche Art der gemeinsamen Arbeit und gegenseitigen
Unterstützung der Interessen mit voller Voraussicht ge-
schaffen werden wird. —
Zur Fortsetzung der Wiederhersteliungs- Arbeiten am
Heidelberger Schloss. An der S. 200 erwähnten Berathung
nahmen unter Vorsitz des Hrn. Geh. Ob.-Fin.-Rath Göller
vom grossh. bad. Ministerium der Finanzen theil die Hrn.
Geh. Ob.-Brth. H. Eggert, Geh. Brth. W. Böckmann und
Geh. Reg.-Rath H. Lutsch aus Berlin, Prof. Bluntschli
aus Zürich, Prof. H. Jassoy und Prof. Theod. Fischer
aus Stuttgart, Stadtbmstr. Thoma aus Freiburg, sowie die
beiden früheren Vorstände des Schlossbaubüreaus, Brth.
Koch und Arch. Fr. Seitz aus Heidelberg. Hr. Eggert
war Vertreter des Schlossvereins, Hr. Geh. Brth. Prof.
Wallot in Dresden war als Vertreter der Stadt Heidel-
berg erwählt; da er erkrankte, so trat Prof. Bluntschli für
ihn ein. —
Kurse übei Bau- und Wobnungsbygiene. Zu unserer
kurzen Notiz, über diesen Gegenstand auf S. 199 erhalten
wir noch die ergänzende Mittheilung, dass bei den Vor-
trägen des Hrn. Landesbrth. Goecke an der Berliner
Technischen Hochschule über „Hygiene des Städte-
baues“ der Bebauungsplan im Vordergründe der Erörte-
rungen stand. Es wurden dabei nicht nur die gesundheit-
lichen und wirthschaftlichen, sondern auch die damit un-
zertrennlich verbundenen gesellschaftlichen und künstle-
rischen Fragen des Stadtbauplanes und der Bauordnung
besprochen. Der Rahmen war also weiter gesteckt, als
obige Uebersicht vermuthen lässt. —
Preisb ewerbungen.
Zwei Preisausschreiben des Vereins deutscher Verblend-
stein-uudTerrakotten-Fabrikanten InBerlinbetreffen: i.eine
Abhandlung, in welcher die ästhetischen und praktischen
Vorzüge des Verkleidens der Fassaden mit Baumaterialien
aus gebranntem Thon, in erster Linie mit Verblend- und
Formsteinen, aber auch mit Terrakotten, glasirten Steinen
undPlatten anderenBaumaterialien gegenüber erörtert wer-
den sollen. Für die beiden besten Arbeiten im Umfang von
höchstens 24 Druckseiten stehen zwei Preise von 300 und
200 M. zur Verfügung. 2. Fassaden-Entwürfe im modernen
Stil zu einem- Wohn- und Geschäftshaus einer Mittelstadt.
Als Material sind auss-chl. gebrannte Thonsteine zu ver-
wenden. Als Preise stehen 300 bezw. 150 M. für die beiden
besten Entwürfe zur Verfügung. Zugelassen sind Deutsche
in Deutschland lebende Architekten. Zu. Preisrichtern sind,
für beide Wettbewerbe gewählt dre Hrn. Prof. Rieh. B o r r -
mann inBerlin, Prof.K. MohrmanninHanniover; kgLBrth.
Chr. Schramm in Los.chwitz, kgl. Brth. Fr. Sehwechten'
in Berlin^, sowie der Vorstand des. genannten Vereins, be-'
stehend aus den Hrn. Ing. O. Rot her in Liegnitz, Arch.
G. Benfey in Hermölheim,. Dir. R. Gallasch in Hangelar,
F. Hauers jun. in Hannover, Reg.-Bmstr.. K. Hoffmann
in Sigersdorf, Areh K. Dummler und Chem. Ph. Krei-
ling inBerlin. Frist für beide Wettbewerbe der 2. Aug. d. J;
ln einem Wettbewerb des k. k. Österr. Ministeriums
für Kultus und Unterricht betr. Entwürfe für eine katholische
Pfarrkirche, welcher ausgeschrieben war, um dem Klerus
geeignete Vorbilder für eine moderne Gestaltung des ka-
tholischen Gotteshauses, zu geben, erhielten die Architekten
Jos. Zasche in Prag-Weinberge, Leop. Bauer und Wuni-
bald Deininger in Wien die 3 gleichen Preise. Dem
Preisgerichte gehörten an die Hrn. Ob.-Brth. Prof. Otto
Wagner, Prof. Friedr. Ohmann, Prof. Jos. Neuwirth
und Brth. Jordan, sämmtlich in Wien,, sowie Vertreter
des genanntenMinisteriums und der geistlehenBehörden. —
Der Wettbewerb betr. Entwürfe für efti Hallenschwimm-
bad in Pforzheim bietet den Fachgenossen eine anziehende
Aufgabe, leidet aber auch unter zu hohen Ansprüchen.
Mit Ausnahme des Lageplanes sind die sämmtlichen Zeich-
nungen X : 100 verlangt, ein Maasstab, der, wenn es sich
nicht um eine Auswahl zur Ausführung geeigneter bis da-
hin unbekannter Kräfte handelt — und das ist hier nicht
der Fall, denn über die Ausführung ist völlig freie Wahl
Vorbehalten — eine für einen allgemeinen Wettbewerb
unbedingt zu hohe Arbeitsleistung darstellt. Dazu kommt,
dass ein Erläuterungsbericht gefordert wird, „der sich auf
die Art der Erwärmung des aus Brunnen oder der Wasser-
leitung zu entnehmenden Wassers, auf die Einführung der
Zu- und Ableitungen in das Bassin,, die Art der Lüftung
und Heizung, die Unterbringung der Maschinen, Reser-
voire, die Rohrleitungen und auf die gesammte Ba.deein-
richtung erstreckt“. Mit anderen Worten; Wer die Ab-
sicht hat, einen wirklich konkurrenzfähigen Entwurf ab-
zuliefern, dem wird nichts anderes übrig bleiben, als sich
mit einer Firma für Einrichtung von Bädern zu verbinden
oder sich von einer solchen Firma einen vorläufigen rein
technischen Entwurf ausarbeiten zu lassen. Und das ist
unseres Erachtens doch vielleicht etwas zu viel verlangt.
Es ist uns nicht unbekannt geblieben, dass Preisrichter
mit Erfolg bemüht waren, die Anfangs noch grösseren
Anforderungen an die Theilnehmer des Wettbewerbes zu
ermässigen; vielleicht gelingt es ihrem Eingreifen, noch
weitere Ermässigungen durchzusetzen. Es würde nur im
Interesse des Erfolges des Wettbewerbes liegen. —
Inhalt: Neue Kailsruher Verkehrsanlagen (Fortsetzung). — Mitthei-
limgea ans Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veraatwortl, Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 33.
212
AUZEITUNG.
GANG. * % N2.- 34. ^
Neue Karlsruher Verkehrsanlagen.
(Schluss.) Hierzu eine Bildbeilage.
II. Der Rheinhafen.
A. Die Anlage und technische Ausgestaltung
des Hafens.
Von Rosshirt, Grossherzogi. Baurath.
it der zunehmenden Entwicklung des Ver-
I kehres auf den Wasserstrassen überhaupt
I und insonderheit nach dem Oberrhein in
den letzten Jahrzehnten, namentlich aber im
Hinblick auf die in Aussicht stehende Ver-
besserung des Fahrwassers daselbst durch Regulirung
des Niederwasserbettes hat sich in der Haupt- und
gang genommen werden infolge der Schwierigkeiten,
die_ sich in diesem Falle aus dem Höhenunterschiede
zwischen dem Wasserstande des Rheines und jenem
in dem Hafen von durchschnittlich etwa 10® ergaben.
Nach verschiedenen anderen Versuchen kam man da-
her zu dem nunmehr ausgeführten Entwürfe des Hafens
in der Niederung westlich vom Stadttheil Mühlburg,
wie der Lageplan (S. 216) zeigt, mit Verbindung nach
dem Rhein durch einen offenen Stichkanal in west-
licher Richtung, der etwa 2^® oberhalb der Schiff-
brücke bei Maxau in den Rhein mündet. Wie aus
dem Hafenplan selbst, S. 216, und dem Querschnitt
Residenzstadt Karlsruhe das Bestreben geltend gemacht
nach einer besseren Verbindung mit der Schiffahrt-
strasse des Rheins und Schaffung einer grösseren
Hafenanlage mit modernen Einrichtungen für den Um-
schlag und für die Lagerung der Güter.
Bisher hatten die benachbarten Hafenplätze Maxau
und Leopoldshafen den Verkehr der Stadt Karlsruhe
mit dem Rheine vermittelt. Dieser war indessen von
ziemlich geringer Bedeutung infolge der beschränkten
Raumverhältnisse und mangelnden Verkehrs-Einrich
tungen in den beiden gedachten Häfen, sowie nament
lieh infolge der beträchtlichen Entfernung der letzteren
von der Stadt von 5 und ii
Von der früher geplanten Anlage eines Hafens in
unmittelbarer Nähe von Karlsruhe auf dem Hochge-
stade, auf welchem die Stadt selbst liegt, musste Um-
durch die Hafenbecken, an gleicher Stelle, hervorgeht,
besteht die Anlage aus zwei Hauptbecken — dem in der
Kanalaxe liegenden Mittel- und dem Südbecken — und
einem kleineren Becken für den Petroleumverkehr. Die
Vereinigungsstelle der drei Hafenbecken vor dem
Uebergang in den Kanal dient als Schiffswendeplatz.
Für die künftige Vergrösserung des Hafens ist ein
weiteres, zum Södbecken symmetrisch auszubildendes
Hafenbecken auf der Nordseite in Aussicht genommen.
Die Gesammtanlage des Hafens sararat dem Stich-
kanal nach dem Rhein, den zugehörigen Dämmen,
Wegverbindungen u. dergl. nimmt eine Fläche von
135 1»» in Anspruch, wovon etwa 19^» auf die der-
zeitige Wasserfläche entfallen.
Das Mittelbecken besitzt eine Länge von 1050®
(einschl. des Wendeplatzes) bei 80 ® Sohlenbreite, das
213
Südbecken eine solche von 740“ bei 65"’ Sohlen-
breite und das Petroleumbecken 250 Länge und 38^
Breite. Die Wasserfläche des letzteren ist zur Ver-
hütung des Austrittes brennenden Petroleums durch
ein Bauwerk mit 12,5“ weiter Durchfahrt, die mittels
eines ausdrehbaren eisernen Pontons abgeschlossen
wird, von den übrigen Hafentheilen feuersicher ge-
trennt Für Lagerplätze und industrielle Anlagen
stehen 37 Nutzfläche (nach Abzug der Strassen
und Gleise) zur Verfügung. Durch den späteren Aus-
bau des nördlichen Beckens kann diese Fläche noch
um etwa 10 die Wasserfläche aber um 7 ver-
grösscrt werden.
Die Uferlänge an den Hafenbecken beträgt derzeit
insgesammt 4,5'^'", wovon 500”^ am Mittelbecken als
Kaimauer ausgebaut, die übrigen Strecken aber ab-
geböscht und durch Pflasterung und Steinablage be-
festigt sind. Die Kaimauer
(vgl. beisteh. Abbildg.) —
aulBetonzwischenSpund-
wänden gegründet — be-
steht auch im oberen
Mauertheil aus Beton mit
Sandstein-Verkleidung in
der Sichtfläche; sie ist mit
einer Anzahl von Anmähr-
vorrichtungen, sowie von
Reibhölzern zum Schutze
der anlegenden Schiffe
ausgerüstet. ZuraVerkehr
nach den letzteren sind
7 Treppen nischenförmig
in die Mauer eingebaut.
Die Sohle der Hafen-
becken und des Kanals
nach dem Rhein liegt auf
der Höhe der verglichenen
Rheinsohle an der Mün-
dungsstelle, entprechend
dem Nullpunkt des Maxau-
er Pegels unter Berück-
sichtigung des Stromge-
fälles. Das Hafenplanum
liegt 8,60 “ über der Sohle,
d. h. nahezu auf der Höhe des Hochwassers von 1882.
Zum Schutze der umliegenden Niederung gegen das
Hochwasser im Inneren des Hafens, welches sich bei
offener Verbindung jenem im Rheine stets gleichstellt,
ist die gesammte Hafenfläche einschliesslich des Kanals
von durchaus hochwasserfreien Dämmen umschlossen.
Der Kanal nach dem Rhein {vgl. den Querschnitt
S. 216) besitzt 2^“ Länge bei 20™ Sohlenbreite und
gestattet auch bei niedrigen Wasserständen die Be-
gegnung zweier grossen Schiffe. Die Uferböschungen,
auf welchen sich die Hochwasserdämme unmittel-
bar aufsetzen, sind mit Steinen und im oberen Theil
ebenso wie die Dämme mit Rasen abgedeckt. Süd-
lich von der Mündung in den Rhein ist ein Vorhafen
von 350“ Länge und 95“ Sohlenbreite angeordnet,
der die Einfahrt grosser Schleppboote gestattet.
Infolge der Hineinschiebung der Hafenanlage auf
nahezu 4 vom Rhein ins Innere des Kulturlandes
wurden mehrfache Abänderungen an Wasserläufen,
Be- und Entwässerungs - Anlagen, Wegen u. dergl.
nöthig. Die Alb, ein kleines Flüsschen, welche das
Hafengelände durchquert hatte, musste um die Ost-
seite des Hafens herumgeführt werden unter Erstellung
eines neuen, bei höheren Wasserständen der Alb nieder-
zulegenden Wehres von 1,8“ Stauhöhe zu Bewässe-
rungszwecken. Ein weiterer Abzugsgraben, die alte
Federbach, wurde mittels eines eisernen Dükers unter
dem Kanal zum Rhein unterführt. Die durch die Hafen-
becken und den Kanal durchschnittenen Wegeverbin-
dungen sind durch die Erstellung einer Fähranlage
(s. den Lageplan) über den Kanal aufrecht erhalten.
Sämmtliche Uferstrecken und Hafenflächen sind
mit Gleisen ausgestattet, welche an die Staatsbahn
anschliessen, und mit Strassenanlagen ausgerüstet. An
Gleisen liegen im Hafengebiet rd. 15,5 mit gpWeichen
und 2 elektrisch betriebenen Schiebebühnen ; an Strassen
sind 5,5 vorhanden. Die Hafengleise sind mit dem
Karlsruher Westbahnhofe in Verbindung gesetzt, wäh-
rend der Landverkehr durch eine 27“ breite Zufahrt-
strasse von dem Stadttheil Mühlburg her vermittelt
wird. Bahn und Strasse überschreiten den neuen
Lauf der Alb auf neben einander liegenden Brücken
des Hafens. Das ganze Hafengebiet ist mit Wasser-
versorgung, Abwasserkanälen, sowie mit elektrischer
Leitung von dem städtischen Elektrizitätswerke aus
für die Kraft- und Lichterzeugung ausgestattet.
Dieses Elektrizitätswerk liegt am Ostende der Hafen-
anlagen, der Stadt zugewendet, die es ebenfalls mit Licht
und Kraft versorgt, Die Anlage ist mit einem Kostenauf-
wande von 2,5 Milk M. nach den Plänen der Verwaltung
der städtischen Gas- und Wasserwerke ausgeführt wor-
den. Die architektonische Ausgestaltung lag dabei, wie
bei allen Hochbauten des Hafens, der städtischen Hoch-
bauverwaltung ob (vgl. den Grundriss S. 215).
An Betriebseinrichtungen sind im Hafen vorhan-
den 3 elektrisch betriebene Portalkrahne, 3 ebensolche
Drehkrahne (der stärkste von 4^ Tragfähigkeit) und
ein Dampfkrahn, sowie 2 feststehende Hochbahnen
zur Kohlenvertheilung. Zur Lagerung dienen eine
unterkellerte zweistöckige Werfthalle, sowie einige
kleinere Schuppen ; ein Getreidespeicher mit Silozellen
und Schüttböden für zusammen 12000 ‘ steht z. Zt. im
Bau. Die Werfthalle (vergl. die Abbildungen S. 213)
bedeckt eine Grundfläche von 70 zu 23 und besitzt
in Keller-, Erd- und Obergeschoss eine Lagerfläche von
etwa 4000
Die durchweg in Beton ausgeführte Gründung
reicht 5,5“ unter das Hafenplanum. Gegen das Grund-
wasser und den Auftrieb bei Hochwasser ist die ganze
Grundfläche des Kellers durch eine go starke Beton-
platte mit Einlage einer Asphaltfilzschicht, sowie eines
Bandeisennetzes gesichert.
Ueber dem Kellergeschosse befindet sich eine
zwischen eisernen Trägern gespannte Koenen’sche
Voutenplattendecke, auf Betonpfeilern ruhend. Im
Uebrigen ist auf Eisen verzichtet und im Erdgeschoss
eichenes, im Obergeschoss tannenes Gebälk verwendet.
Zur Verbindung der verschiedenen Stockwerke sind
zwei elektrisch betriebene Waarenaufzüge vorgesehen.
Für die Verwaltung des Hafens ist in der Nähe
der Werfthalle ein besonderes Gebäude (vergl. den
Plan S. 216 und den Grundriss S. 213) mit Wohnung
für den Hafenvorstand errichtet.
Unternehmerin des Baues und Betriebes der Hafen-
anlage ist die Stadtgemeinde Karlsruhe. Zu den Bau-
kosten hat der Staat einen Beitrag von 2 000 000 M.
geleistet, auch sind die Zufahrtsgleise durch die Eisen-
bahn-Verwaltung aus staatlichen Mitteln erstellt. Die
Fertigung des Hafen-Entwurfes, sowie die Leitung des
Hafenbaues mit allen Ingenieurbauten erfolgte durch
die staatliche Wasserbau-Behörde, während sämmtliche
Hochbauten von derStadtentworfen und hergestelltsind.
Die Arbeiten waren aufgrund öffentlicher Verdingung im
August 1898 unter 7 Bewerbern an die Firma Philipp
Holzmann & Cie. in Frankfurt a. M. als mindestfor-
dernde übertragen. Mit dem Bau wurde alsbald begonnen
und derselbe so gefördert, dass die Anlage zum Jahres-
schluss 1900 in der Hauptsache fertig gestellt wmr
und am i. Mai 1901 bereits dem Verkehr eröffnet werden
konnte. Die Erdmassen-Bewegung belief sich dabei auf
2 137 000 cbm, wovon 241 000 cbm guter Bodcn zur Her-
stellung der Dämme regelmässig eingebaut werden
mussten. Das Uebrige diente zur Aufhöhung des früher
tiefliegenden Hafengeländes um etwa 2,70“.
Der Bauaufwand für die gesammte Hafenanlage
hat sich folgendermaassen gestellt: Es wurden auf-
gewendet von Seiten der Stadtgemeinde für Gelände-
erwerbung 928000 M., für Tiefbauten 2449000 M.,
für Hochbauten (mit Ausschluss des erst im Bau
stehenden Getreide - Lagerhauses) 326 000 M. , für
Betriebs - Einrichtungen und maschinelle Anlagen
530000 M., zusammen also 4233000 M. Die grossherz.
Eisenbahn-Verwmltung hat aufgewendet 330000 M.
(davon 144 000 M. für Gleisanlagen, welche der Stadt-
No. 34.
214
gemeinde zur Last kommen). Die Gesammtkosten des
Hafens stellen sich also auf 4563000 M. _
Die Hafenanlagc ist in der kurzen Zeit seit ihrer
Betriebseröffnung bereits lebhaft benutzt worden. Es
stellte sich nämlich der Umschlagsverkehr am Jahres-
schluss 1901 auf 120 820 ‘ Zufuhr und 13552* Abfuhr,
zusammen also 134372*, vornehmlich Steinkohlen, dann
Getreide, Holzwaaren und andere Baumaterialien. Von
dem Hafengelände sind bis jetzt 80 450 Q“ verpachtet
für einen Jahrcszins von 41 335 M. —
B. Die Architektur der Hochbauten.
Arch.: Bauinspektor A. Stürzenacker in Karlsruhe.
I. Das städtische Elektrizitätswerk.
(Vergl. die Abbildgn. S. 201, 205, sowie die Bildbeilage.)
Den städtischen Gas- und Wasserwerken, an deren
SpitzeHr.Brth. Reich ard steht, wardieAusführungder
Betriebsanlagen des Baues
übertragen, während dem
städtischen Hochbauamte
die Aufgabe zufiel, auf-
grund der von maschinen-
technischerSeite aufgestell-
ten Grundrissanlage und
Höhen - Querschnitte das
Ganze in architektonische
Formen zu kleiden. In gros-
ser, beinahe quadratischer
Grundrissumrahmung von
60:60® Front sind die Bau-
theile aneinander gefügt: im
Mittelpunkt das Maschinen-
baus, die Anlage beherr-
schend, einerseits der ßu-
reaubau mit Schalterraum,
andererseits, terrassenför-
mig sich angUedernd, Kes-
selhaus und Arbeitsräume
mit Magazinen. Das Bestre-
ben, einem Fabrikbau die-
ser eigenen Art ein male-
risches Gepräge zu geben,
wurde wesentlich unter-
stützt durch Verwendung
der nahe Karlsruhe gebro-
chenen rothen Pfinzthäler
Sandsteine. Die Verwen-
dung dieses Materiales in
hammerrechter Bearbei-
tung, die Anwendung ro-
manischer Stilformen geben
dem Bau ein wuchtiges Ge-
präge. Es hat
für sämmtliche
bis heute aus-
geführten Ha-
fenbauten der
frühe mittel-
alterliche Stil
Verwendung
gefunden. In
dem verhält-
nissmässig jun-
gen Karlsruhe
ist ja die Anwendung dieses Formenkreises nicht
begründet; allein hier, wo es darauf ankam, unter
Verzicht auf reiche Ausbildung der Einzelform ledig-
lich durch Gruppirung der Massen Gefälliges zu bieten,
griff man gerne auf ihn zurück. Das romanische Würfel-
Kapital einfachster Form, ein Flechtwerkfries Geln-
hauser Musters, eine von einem Rundbogenfries um-
rahmte Inschrifttafel bilden die einzigen schmückenden
Zugaben. Die Maulbronner Hausteinarbeit, ein dunkel-
rotbes, schokoladenfarbenes Material mit derbem mittel-
alterlichem Schlag, kommt dem gewählten Formenkreis
zustatten. In ungezwungener Weise sind die einzelnen
Bautheile aneinander gereiht: der Strasse, dem Be-
schauer zunächst, der massige Rundthurra mit Eingang,
im Hintergründe, die Umrisslinie belebend, der 60“
hohe Schornstein. In stilistischem Zusammenhänge
mit dem Bau stehen die 40 in der Stadt vertheilten
Transformatoren (Stromumschalter).
Die Lieferung der gesammten maschinellen Anlage
war der Gesellschaft für elektrische Industrie in
Karlsruhe übertragen. —
2. Das städtische Lagerhaus. (S. 209, 211 u. 213.)
Das städtische Lagerhaus besteht im Wesentlichen
aus einer grossen Halle; diese misst in den Grund-
abmessungen 70 zu 23“, in der Höhe etwa 10“. Die
mittlere Brandmauer, baupolizeilich verlangt, theilt den
Bau, dem Zwecke des inneren Betriebes entsprechend,
in die östliche Hallenhälfte, ausschliesslich als Zoll-
niederlage benutzt, und die westliche, dem freien Ver-
kehr offen. Am östlichen Kopfende liegen die Arbeits-
räume der Zollverwaltung mit anschliessendem Dekla-
ÄaälFiailGCBlI^^ KSBBSGlffiE.
rantenzimmer und 2 Arbeitsräume, z. Zt. einer Privat-
gesellschaft vermiethet; am westlichen Ende der Halle
befinden sich die Arbeitsräume der Eisenbahn, die
Räumevon zwei Speditionsfirmen und ein Arbeiterraum.
Die wasserseitig gelegene Laderampe misst 1,9“, die
landseitig gelegene 0,8® in der Breite. In 3 Stockwer-
ken, dem Kellerboden, dem Erdgeschoss und dem Ober-
geschossboden stehen etwa 4000 q® nutzbarer Lager-
fläche zur Verfügung. Die Höhe der einzelnen Stock-
werke misst, vom Kellerboden ab gerechnet, 3, 4,5
und 4®; den Personenverkehr vermittelt eine 85<=®
breite, im Keller beginnende, im Obergeschoss mün-
dende Holztreppe. Das Verbringen der Güter in die
einzelnen Stockwerke besorgen 2 elektrisch betriebene
26. April 1902
2>5
Aufzüge; Waaghaus mit eingebauter Waage stehen an der dem Wasser
zugekehrten Front. Die Gründung des Baues bot bei der ungünstigen
Bodenbeschaffenheit einige Schwierigkeiten, lieber sie ist bereits S. 214
berichtet worden.
Das Fassadenmauerwerk ist rothes Pfinzthäler Bruchsteingemäuer
gewöhnlicher Ausführung. Das Hausteinmaterial, Maulbronner Ursprungs,
ist aus finanziellen Gründen in bescheidenen Grenzen gehalten. Ausgiebiger ist von
dem grauen Schwarzwaldpanit, der hierzulande um wohlfeilen Preis zu erstehen ist,
Gebrauch gemacht. Die Laibungen der grossen Thoröffnungen im Erdgeschoss, das
ganze Eingangsportal, sämmtliche Unterlagsquader und der Sockelfuss sind in diesem
Material ausgeführt. Der grauschwarze gestockte Granit in Verbindung mit dem rothen
Bruchsteingemäuer der Fronten verleiht dem ganzen Bau einen derben Charakter.
No. 34.
EUE KARLSRUHER VERKEHRSANLAGEN ^ *
DAS VERWALTUNGS-GEBÄUDE UND EIN THEIL
DES ELEKTRIZ. -WERKES DES RHEINHAFENS *
ARCHIT.: A. STÜRZENACKER IN KARLSRUHE
= DEUTSCHE BAUZTG. XXXVI. JAHRG. NO-34. =
Grosse Formen, einfache Massengruppirung und 8 Wohn- und Diensträume: im Erdgeschoss 2 Ar-
völliger Verzicht auf Einzelheiten sollen den Bau beitsräume, so gelegen, dass der Betrieb im Hafen
auch auf den Fernerstehenden wirken lassen. bequem übersehen werden kann, und nWohnräume-
Die 4 Flankirungsthürme, entsprechend den 4 Eck- im Obergeschoss 3 Zimmer, Küche und Bad; im
zimmern, bezeichnen in energischer Weise die Ecken Dachstock als Giebelzimmer ausgcbildet Fremden-
des grossen Rechtecks. Sie beleben in Verbindung zimmcr und Magdkammer. Getrennte Eingänge führen
mit den in hellem Bruchstein ausgemauerten Nischen, zu den Arbeitsräumen wie zu der Privatwohnung.
Abbildg. 7. Druckluft-Lokomotive der Westbahn in Paris.
Abbildg. 3. Druckluft-Lokomotive vom Bau des Simplon-Tunnels.
Abbildg. 4 u. 5. Druckluft-Lokomotive von Hardie.
Ueber die Verwendung von Druckluft-Betriebsmitteln bei Kleinbahnen und städtischen Strassenbahnen.
dem grasgrün glasirCen Ziegeldach und dem landseitig
2,75® ausladendenflachenHolzzenient-Dachin wirkungs-
voller Weise den sonst einfachen Nützlichkeitsbau. —
3. Das Verwaltungsgebäude.
(Vergl. die Abbildgn. S. 205, 313 und die Bildbeilage.)
Dieses Gebäude, zugleich Wohnhaus des Hafen-
amts-Vorstandes , enthält in zwei Stockwerken die
a6. April 1903.
Die Art der Gründung und Isolirung des Baues
gegen Hochwasser gleicht in der Hauptsache der des
Lagerhauses. Besonders vermerkt sei hier nur die
Anordnung der Sohlenmauern, die in paralleler Rich-
tung in 2™, 1,8® und 1,5® Stärke aufgeführt sind.
Von einem in Stichbogenform ausgeführten Betonge-
wölbe sind die Mauern überspannt, im Scheitel 50«^®
an Stärke messend. Der Rücken des Gewölbes ist
317
wagrecht abgeglichen und trägt die Kellermauern,
gleichviel welcher Richtung. Das Gründungsmaterial
ist Beton i : 6 • — 1:9, zumtheil im Grundwasser zwischen
6 cm starken Spundwänden eingebracht.
Gegen Feuchtigkeit, Grund- und Hochwasser ge-
schützt ist der Keller durch eine über dem Rücken
der Kappengewölbe aufgelegte 7““- starke Asphalt-
ülzlage; eine starke Bandeisen -Einlage in dem Ge-
wölbegemäuer selbst soll es gegen den Auftrieb des
Wassers widerstandsfähiger machen.
Das über dem Sockel aufsteigende Fassaden-
geraäuer ist mit dem Hammer gerichtetes rothes
Bruchstein-Mauerwerk, im Tone der Steine selbst
ausgefugt. Der Maulbronner Haustein ist dem ro-
manischen Gepräge entsprechend scharrirt, gestockt
oder geflächt.
Die ornamentalen Zuthaten an den Baugliedern
bestehen nur in geringen romanischem Blattwerk an
einigen Würfelkapitälen und den Regendurchlässen.
Den Mittelpunkt für das Auge bildet das Giebelrelief,
im Dreieckrahmen einen Schiffer mit schwer beladenem
Boote darstellend. Der Gnom auf dem der Stadt zu-
nächst gelegenen Ecke trägt unter jedem Arm einen
10000 M.-Geldsäckel, den monatlichen Reingewinn,
und bringt damit auch den mittelalterlichen derben
Humor zum Ausdruck. Die Farbenfreudigkeit des
Stils zeigt sich auch, wenn auch sparsam, am Aeusseren
des Baues: die 3 Halbrundschilder in der Erkerbrüstung
zeigen Karlsruher Wappen im Zeichen des Handels und
Verkehrs; mit den heraldischen Farben tönen roth, grün,
gelb, blau und gold ist die Reliefwirkung der Embleme
gehoben. In reicherer Farbenpracht sind die eisenge-
schmiedeten Eingangsthüren und einige Fensterver-
gitterungen gehalten.
Die Bildhauermodelle des Aeusseren sind in üppi-
gem Farbenschrauck an bevorzugten Stellen des Inneren
wieder zu Ehren gekommen. Ein romanisches, in
blauem Grundton gehaltenes Flechtwerk mit sattem
Roth und Grün schmückt die Tonnengewölbe-Decke
der Vorhalle vor den Arbeitsräumen. Im übrigen ist
bei der Ausstattung weniger auf Schmuck, als auf
edles Material gesehen. Eichene Thüren führen von
den Vorplätzen zu den Zimmern. Bad, Küche und
Speisekammer sind weiss lackirt, auf Brüstungshöhe
mit weissen Platten verkleidet; das Esszimmer ist in
den einfachsten Formen Tiroler Gothik gehalten.
Organisch dem Bau angefügt ist der in nächster
Nähe des Büreau-Einganges gelegene Plakatstock, be-
stimmt Bekanntmachungen verschiedener Natur aufzu-
nehmen. In dieser soliden Steiiiform mit kleinem Bogen-
fries, 2“ hoch, soll er die leider so oft gewählten Holz-
tafeln ersetzen. Zwei weitere Stöcke flankiren als Pylonen
das granitene Eingangsportal des Lagerhauses. —
Nützlichkeitsbauten, wie die vorbesprochenen,
müssen natürlich in erster Linie den Anforderungen
der Zweckmässigkeit und Billigkeit entsprechen, in
zweiter Reihe erst kommt die ästhetische Seite. Es ist
bei Erstellung der bis heute ausgeführten Bauten mit
äusserster Sparsamkeit zu Werke gegangen, von Vor-
theilen, welche die Hand des Zufalls bot, ist daher gern
und ausgiebig Gebrauch gemacht worden. — Ver-
gleichende Zahlen mögen hier selbst reden. Es stellt
sich I umbauten Raumes des Lagerhauses auf rd.
10,5 M., der des Verwaltungsbaues auf rd. 20 M., ge-
messen von Oberkante Kellerboden bis Oberkante des
verglichenen Dachgesimses, mit Rücksicht auf die
schwierige Gründung und die Wahl dauerhafter Mate-
rialien, für Auf- und Ausbau gewiss ein massiger
Satz. Der Gesarnmtaufwand beträgt für das Lagerhaus
235000 M., für den Verwaltungsbau 63500 M.
Dass man in Stil und Material die Bauten einheit-
lich zu gestalten suchte, lag bei der gleichzeitigen Aus-
führung und dem gleichen Zwecke in der Natur der
Sache. Kaum wenige Monate ist der Rheinhafen dem
Betrieb übergeben und schon erweisen sich die Hoch-
bauten als nicht mehr ausreichend; die Errichtung
eines Getreidespeichers mit einem Aufwande von rd.
I Milk M. ist bereits im Gange, die Erbauung eines
neuen Lagerhauses bald nöthig, will man eine zeit-
gemässe, zweckentsprechende Anlage besitzen. Mit
Freude und Genugthuung mag dies hier festgestellt
und als günstige Vorbedeutung für die Zukunft unse-
res Hafens mag es betrachtet werden, wenn in jedem
Jahre ein Mehr an Anforderungen für die weitere
Ausstattung dieses Werkes nöthig werden wird. —
A. Stürzenacker in Karlsruhe.
Ueber die Verwendung von Druckluft-Betriebsmitteln bei Kleinbahnen und städt. Strassenbahnen.
(Fortsetzang.) Hierzu die Abbildungen auf S. 217.
I. Lokomotiven.
Eie ältesten Druckluft-Fahrzeuge waren Lokomotiven,
welche sich wenig von Dampf-Lokomotiven unter-
schieden'^). Man wählte diese Art von Betriebs-
mitteln wie seinerzeit so auch heute noch, um beim Tunnel-
bau die dort so störende Entwicklung von Rauch zu ver-
meiden. Während indessen die beim Bau der Gothard-
bahn benutzte meterspurige Mekarski’sche Druckluft-Loko-
motive 8) von Schneider & Co. in Le Creuzot einen einzigen
Luftbehälter besass, der 76 Druckluft von laatHöchst-
spannung fasste, ist für die zurzeit beim Simplon-Tunnel-
bau verwendete, von der Schweizerischen Lokomotiv-
Fabrik in Winterthur gebaute Lokomotive (Abbildg. 3)
eine Höchstspannung von 80 at für die Druckluft ange-
nommen, die infolge dessen in Flaschen von geringerem
Durchmesser mitgeführt werden muss.
Die Hauptdaten der Lokomotive, 0) von der zunächst
je 3 für jede Bauseite beschafft wurden, sind:
Spurweite 800 mm
Zyhnderdurchmesser .... 125 „
Kolbenhub 150 „
Raddurchmesser 620 „
Radstand 1200 „
Uebersetzung i : 3,25
Behälterdruck 70^1
Gesammtinhalt der Luftbehälter 2000 1
Arbeitsdruck 15 at
Gewicht der Lokomotiven . . 6200 kg
Vergl. Fussnote ®) auf S. 207.
Rapports du conseil federal Suisse aux gouvernements des Etats,
qui ont participe ä la Subvention de la ligne du St. Gothard, Zürich 1877.
®) Isäheres über diese interessante Maschine ist in dem in Fussnote
S. 207 angezogenen und in der Schweizerischen Bauzeitung vom 5. April
190S veröffentlichten Aufsatz zu finden.
ai8
In Abbildg. 4 und 5 ist eine 1897 von Hardie in Rome
(im Staate New-York) entworfene und zeitweise auf der
Manhattan-Hochbahn in New-York ira Betrieb gewesene
Druckluft-Lokomotive dargestellt. Bei einem Dienstge-
wicht von 21 1 besitzt sie einen aus 27 Mannesmann-Röhren
für 160 at Vorrathsdruck bestehenden Behälter, der ira-
ganzen 2900 1 Luft aufnehmen kann. Damit ist die Loko-
motive imstande, einen Zug von 130 t (5 Wagen) mit 72 km
Meistgeschwindigkeit auf 30 km Bahnlänge zu ziehen.
Wohl die bisher umfangreichste Verwendung von
Druckluft-Lokomotiven auf eigenem Bahnkörper ist vor-
handen in dem unlängst eröffneten Betrieb auf der West-
bahn in Paris. Die 2 km lange Stadtbahnstrecke dieser
Gesellschaft vom Gare des Invalides bis zum Marsfeld,
(vergl. den Uebersichtsplan Abbildg. 6, in welchem auch
die mit Druckluft betriebenen Strassenbahnlinien einge-
tragen sind), verläuft vollständig im Tunnel, es war also
die Anwendung von Dampflokomotiven so gut wie ausge-
schlossen. Die Strecke setzt sich in derselben Richtung
in der neuerbauten direkten Linie nach Versailles fort.
In ihr befindet sich ein 5km langer Tunnel TT, der in einer
Steigung von i : 125 liegt. Andererseits sollten Ringbahn-
züge zwischen dem Gare des Invalides und St. Lazare
über Passy und die Gürtelbahn verkehren; auch diese
Linie verläuft zum grossen Theil im Tunnel. Man wählte
nun für die von den übrigen Bahnen verhältnissmässig
unabhängige Linie nach Versailles elektrischen Betrieb
mit Lokomotiven, während für die Ringbahn, auf welcher
zahlreiche Dampfzüge anderer Verwaltungen verkehren
und manche Bahnhöfe mit vielen Weichenverbindungen
zu durchfahren sind, Stromleitungsschienen sehr hinder-
lich gewesen wären. Man entschloss sich daher, hier
Druckluft-Lokomotiven zur Anwendung zu bringen, die
ausserdem dazu dienen sollen, die Verschub-Bewegungen
No. 34,
auf dem theilweise überbauten Gare des Invalides auszu- für die Erzeugung des zur Erwärmung der Heisswasger-
führen, sodass auch hier nur einige Hauptgteise mit Strom- Behälter auf den Druckluft-Lokomotiven, zur Heizung der
leitungsschienen ausgerüstet zu werden brauchten. Gebäude und des zum Anheizen der Züge im Winter
Abbildg. 7 zeigt die auf dem technischen Bureau der erforderlichen Dampfes.
Westbahn entworfene und von der Socidtd St. Ldonard Mekarski’sche Strassenbahn-Lokomotiven werden in
in Lüttich gebaute Druckluft-Lokomotive, über welche hier Paris als auch in der Umgebung der Hauptstadt in grosser
folgende Hauptdaten angeführt seien: Zahl benutzt.'®) Eine sehr gebräuchliche Anordnung zeigt
Gesammtlänge 13,46“ Abbildg. 8, über welche genauere Angaben in dem in der
Abstand der Drehgestellzapfen 8,6 Fussnote 6 S. 207 angezogenen Aufsatz zu finden sind.
Radstand eines Drehgestelles 2,5 Diese Lokomotiven sind auf der Linie Louvre-St. Cloud-
Raddurchmesser 1,35 ,/ Sövres-Versailles der Compagnie Gendrale des Omnibus,
Dienstgewicht 60 ‘ sowie auf dem Netze der Chemins de fer Nogentais und
Durchmesser des Hochdruck-Zylinders .... 320™“ ferner für den Marktverkehr in Paris im Gebrauch”) und
1531 Anfangsdruck, 20 Anfahrdruck, können 4 Anhängewagen von zusammen 32 * Gewicht mit
Durchmesser des Niederdruck-Zylinders . . . 530 „ einer Geschwindigkeit von 201^“ in der Stunde befördern. —
7,5 at Anfangsdruck, Toat Anfahrdruck, (.Fortsetzung folgt.)
Hub 560 ““
Höchstleistung . . . 1300 P.-S.
Zahl der Behälter 33 zu je 700'
= 23 100 ' oder 2000 Luft,
Grösster Behälterdruck . ico at
Inhalt der Erwärmer 2260 • Wasser
(215® Anfangswärme).
Eine Ladung soll ausreichen, um
einen Zug von 120t (ohne Loko-
motive) auf einer 25 langen
Strecke zu befördern.
Die Energie für die mit elek-
trischem Strom und die mit Druck-
luft betriebenen Linien wird in
einem grossen Kraftwerke in Issy-
les Moulineaux (vgl. den Plan 6)
gewonnen, welches nach vollen-
detem Ausbau 12000 P.-S. leisten
wird. Es wird Drehstrom von
5000 Volt Spannung und 25 Pe-
rioden erzeugt, welcher 4 Unter-
stationen zugeführt wird. Drei
derselben (auf dem Marsfeld, in
Meudon und in Viroflay) von je Abbildg. 8. Strassenbahn-Lokomotive mit Druckluft-Betrieb in Paris. System Mekarski.
1600 P,-b. liefern Gleichstrom von
550 Volt für den Bahnbetrieb und
Beleuchtungsstrom; die vierte auf
dem Invaliden-Bahnhof dient
zur Speisung der Druckluft-Lo-
komotiven. In der letzteren be-
finden sich 3 Drehstrommotoren
für 5000 Volt. Ihre höchste Leistung
beträgt je 500 P.-S. bei 50 Ampöre
Stromstärke. Sie sind unmittelbar
gekuppelt mit je einer zweistufigen
Luftpumpe (System Mekarski).
Diese empfangen Druckluft von 6
aus dem Rohrnetz der Compagnie
parisienne de l’air comprime (Quai
de la gare) und verdichten sie
zunächst auf 30, dann auf 100 at.
Die Luft wird nach erfolgter Trock-
nung in 120 Behältern (zu je 500 1)
aufgespeichert, welche in 6 Grup-
pen angeordnet sind und etwa das
Dreifache einer Lo-
komoti v-F üllung als
Vorrath halten.
Ausserdem ent- J 'Zz:--- _ — Slekh-.^cikn.n.S’ersa.ilUs.
hält diesevierteUn- " -einUdcr^esdiahriaJLirdirSi-n^lin
terstation auf dem u- SlrUerstaticnen,. » SpasefiwJcU.
Gare des Invalides
eine Kesselanlage Abbildg. 6. Plan von Paris mit Eintragung der mit Druckluft betriebenen Eisen- und Strassenbahnen.
Vermischtes.
Geh. Baurath Peters, Mitglied der kgl. Generaldir. d,
sächs. Staatseisenbahnen, trat am i. April d. J. in den
Ruhestand. Am 30. März 1837 geboren, begann Hr. Peters
seine Laufbahn Anfang der sechziger Jahre bei Erweite-
rung der Gleisanlagen für den Kohlenbahnhof Zwickau.
Bei Ausbruch des Krieges 1870 war er Betr.-lngenieur in
Zittau und Löbau und ging als solcher zur Leitung des
Betriebsdienstes auf den besetzten Eisenbahnen mit nach
Frankreich, wo er besonders bei Metz thätig war. Nach
seiner Rückkehr trat er aus dem Staatsdienste aus und
bei der Leipzig-Dresdener Eisenb.-Gesellschaft als stellver-
tretender Ob.-lngenieur ein. In dieser Stellung bethätigte
er sich namentlich beim Neubau der Linie Bienenmühle-
Freiberg-Nossen-Riesa-Elsterwerda. Mit dem Ankäufe der
Leipzig-Dresdener Eisenbahn trat er 1876 in den Staats-
dienst zurück, zunächst als Bez.-Ingenieur in Leipzig, dann
als Ob.-lngenieur und Vorstand des Ingenieur-Hauptbureaus
26. April igo2.
in Dresden. Im Jahre 1888 wurde er Finanzrath und Mit-
glied der kgl. General-Direktion ebendaselbst.
Als zu Anfang des Jahres 1890 die Umgestaltung der
Dresdener Bahnhöfe beschlossen wurde, erhielt er im
Aufträge der Gen.-Direktion die oberste technische Leitung
dieser umfangreichen Bauten. Mit einem Kostenaufwande
von etwa 70 Mill. M. entstanden in einem Zeiträume von
IO Jahren unter der zielbewussten, thatkräftigen und ener-
gischen Bau-Oberleitung des Hm. Peters nacheinander der
Personen-Hauptbahnhof, das Generaldirektions- und Ver-
waltungsgebäude sowie der Abstellbahnhof in Dresden-
Altstadt, der Rangirbahnhof, der Werkstättenbahnhof, das
Elektrizitätswerk, der Verkehrs- und Winterhafen und die
Haltestelle Wettinerstrasse in Dresden-Friedrichstadt. Daran
schlossen sich der Umbau der Verbindungsbahn, sowie
1®) Vel. L’air comprimi appliqu^ & la tractioo des tramways par
L. A. Barbct, Paris 1896.
1^) Vgl. aucL Z. £. Kleinbahnen 1901 S. laa u. f.
ai9
die Ausführung der neuen viergleisigen Elbbrücke und
schliesslich die neuen Personen- und Güter-Bahnhofsan-
lagen in Dresden-Neustadt. Unterstützt durch tüchtige
Fachgenossen, förderte Hr. Peters in den Dresdener Bahn-
hofsbauten ein Werk, welches einen der grössten Triumphe
technischen Könnens weit über Sachsens Grenzen hinaus
darstellt. Die grossen Verdienste des Genannten fanden die
allerhöchste Anerkennung in der Verleihung des Titels und
Ranges als Geh. Baurath und verschiedener hoher Ordens-
auszeichnungen. Wir wünschen im Verein mit den zahl-
reichenFachgenossen, welche unter und mit Hrn. Geh. Brth.
Peters thätig gewesen sind, dass ihm noch ein recht langer
und froher Lebensabend vergönnt sei. — M
Glasmalereien aus dem Atelier Franz Riess in Dessau
sind im Architektenhause in Berlin seit längerer Zeit aus-
gestellt und zwar zunächst vier alte Scheiben aus der
Stadtkirche zu Herzberg N.-L. Die Origmalscheiben sind
Reste alter Glasmalereien und etwa Anfang bis Mitte des
XV. Jahrhunderts gefertigt. Es wurde den einzelnen
Handwerksgilden in Herzberg die Pflicht auf erlegt, der
Kirche je ein farbig gemaltes Fenster zu stiften und zu
erhalten. Nicht feststellen liess sich, aus welchen Gilden-
fenstern die hier aufgestellten Scheiben übrig geblieben
sind, da ein Vermerk nicht mehr vorgefunden wurde; die
Fenstertheile waren zuletzt in den drei Chorfenstern ver-
theilt. Die Chorfenster haben nun neue Scheiben erhalten
und es sind die alten Theile im Charakter der alten Scheiben
ergänzt und wieder hergestellt und sollen in den Fenstern
der Sakristei ihren zukünftigen Platz erhalten. Von ganz
besonderem Reiz sind die farbige Teppichwirkung und
die technische Behandlung. Mit einfachen Schraffurlinien
ist nicht allein die Zeichnung charakterisirt, sondern auch
eine wirkungsvolle Vermittelung der einzelnen Farbentöne
erzielt. Die anderen drei Fenster sind Kopien nach alten
Scheiben und zwar: „Die Kreuztragung“, aus einem im
genannten Atelier wieder hergestellten Chorfenster der
Jacobikirche zuStendal; „Die Madonna“, nach einer Scheibe
im Züricher Museum und „Der Johannes“, aus einem Fenster
im Mailänder Dom. —
Zur Umgestaltung der Bahnanlagen In Stuttgart, die
der Aufsatz S. 170 kurz berührte, meldet der St. Anz. für
Württemberg, dass am 15. April vier auswärtige Sachver-
ständige des Eisenbahnfaches, und zwar die Hrn. Geh.
Ob.-Brth. Blum- Berlin, kais. Ob.-Reg.-Rth. Franken-
Strassburg, Eisenb.-Betr.-Dir. Gen.-Dir.-Rth. Jäger-Augs-
buig, und Geh. Reg.-Rth. Prof. Dolezalek-Hannover,
in Stuttgart zusammengetreten sind, um den von der kgl.
General-Direktion der Staatsbahnen sowde den von Hrn,
Ing. Sprickerhof entworfenen Plan zu prüfen. —
Die 43. Hauptversammlung des Vereins deutscher Inge-
nieure findet in der Zeit vom 15.— 18. Juni d. J. in Düssel-
dorf statt. Am 19. Juni schliesst sich dann ein gemein-
schaftlicher Ausflug in das Siebengebirge an. —
Preisbewerbungen.
Einen Wettbewerb zur Erlangung von Fassaden-Ent-
würfen für Neu- und Umbauten in Danzig schreibt der
Verein zur Erhaltung und Pflege der Bau- und Kunst-
denkmäler in Danzig mit Frist zum 1. Sept. d. J. für alle
in Deutschland ansässige Architekten aus. Es handelt sich
um 3 Entwurfsgruppen, für deren jede 4 Preise von je
1200, 800, 500 u. 300 M. ausgesetzt sind. Preisrichter sind
als Bausachverständige die Hrn. Ob.-Brih. Prof. Schäfer
in Karlsruhe, Geh. Bnh. Breidsprecher, Reg.- u. Brth.
Leh mbeck, Stadtbrth. Fehlhaber, sämmtlich in Danzig,
ausserdem die Hrn. Ob.-Bürgermstr. Delbrück, stellv.
Stadtverordneten-Vorsteher Mün Ster b erg u. Reg.-Assess.
Auwers in Danzig. Programm gegen Zahlung von i M.,
die zurückerstattet wird, im Baubureau des Rathhauses. —
Die Stadtverwaltung von Astrachan beabsichtigt die
Anlage einer elektrischen Zentrale, sowie die Einrichtung
öffentlicher und privater Beleuchtung (zunächst 150 Bogen-
lampen, 6000 Glühlampen) im Wege des öffentlichen Wett-
bewerbes zu vergeben. Selbständige elektrotechnische
Firmen mit eigenen Bauanstalten, Fabriken usw. werden
aufgefordert, bis 7./20. Juni d. J. generelle Entwürfe, Kosten-
überschläge, Nachweise der Betriebskosten und der Ren-
tabilität einzureichen. Bei der Vergebung finden nur
solche Firmen Berücksichtigung, die rechtzeitig diese
Unterlagen eingereicht haben. Sie müssen sich verpflich-
ten, den Betrieb i — 2 Jahre selbst zu übernehmen. ■ —
Zum Wettbewerb des Vereins deutscher Verblendstein
und Terrakotten -Fabrikanten ist zu der Notiz in No. 33
noch berichtigend zu erwähnen, dass dem Preisgerichte
für die Beurtheilung der Fassadenentwürfe neben den
genannten Architekten nur zwei Vorstandsmitglieder des
genannten Vereins angehören. —
Personal-Nachrichten.
Baden. Versetzt sind; die Ob.-Bauinsp. Forschner von
Lörrach nach Baden und Bayer von Waldshut nach Lörrach, Bahn-
bauinsp. Riegger in Ueberlingen nach Karlsruhe zur Gen. -Dir. der
Staatseisenb.
Dem Reg.-Bmstr. Ritter in Karlsruhe ist der Tit. Bez.-Bau-
insp. verliehen und der Reg.-Binstr. Dahlin ger in Freiburg ist
unt. Verleih, des Tit. Bez.-Bauinsp. z. Vorst, der Bez.-Bauinsp. Walds-
hut ernannt.
Preussen. Verliehen ist: den Geh. Brthn. Rohr mann in
Bromberg und Doulin in Breslau aus Anlass des Uebertritts in
den Ruhestand der Rothe Adlei-Orden III. KL mit der Schleife;
dem Prov. -Konservator Dr. Reimers in tiannover, dem Landes-
Brth. Dr. Wolff in Hannover und beim Uebertritt in den Ruhe-
stand dem Brth. Gnuschke in Quedlinburg der Rothe Adler-
Orden IV. KL; dem Reg.- u. Brth. Geh. Brth. Wald hausen in
Kassel, dem Brth. Zölffel in Marburg, dem Brth. Stier, Prof,
an der Techn. Hochschule in Hannover, dem Landes - Bauinsp.
S u 1 1 e r in Schweidnitz und beim Uebertritt in den Ruhestand dem
Brth. Mebus in Dressen der kgl. Kroneu-Ordeii IIL KL
Der Geh. Brth, und Maschinenbaudir. A s s m a 11 n ist z. Mitgl.
des Techn. Prüf.-Amts in Berlin ernannt.
Die Rcg.-Bfhr. Wilh. Heine kamp aus Siegburg (Wasser-
u. Strassenbfeh.), Eug. G 0 e r k e aus Köslin (Wasserbfeh.), — Wilh.
Deetz aus Berlin, jul. Hagedorn aus Nienburg, Wilh. T r ü m -
pert aus Rödelheim und Friedr. Beblo aus Breslau (Hoclibfch.),
— Otto Laubschat aus Gr. Wersmeningken , Mart. Rewald
aus Rohr, Osk. Domke aus Berlin und Emil Ziem eck aus
Macharren (Eisenbfeh.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Den Reg.-Bmstrn. Herrn. M e i s s n e r in Czarnikau, Phil. N i t z e
in Halle a, S., Wilh. S c h ö n i a n in Trier , Erich Echternach
io Köln a. Rh., Dr. Herzfeld in Berlin und Reinh. K r a e f f t in
Breslau ist die nachges. Entlass, aus dem Staatsdienst ertheilt.
Briet- und Fragekasten.
Hrn. Bfhr. G. in Koblenz. Ob Ihr Beschäftiguugs-Verhält-
niss als Bauführer eines Architekten nach Gewerberecht zu beur-
theilen ist, und den Bestimmungen der Gew.-Ord. § 133a unter-
steht, hängt davon ab, ob Ihr Arbeitgeber als Gewerbeunternehmer
gilt, was bei Architekten nicht immer zutrifft. Unabhängig davon
können Sie jedoch nach B. G.-B. § 630 ein schriftliches Zeugniss über
die Dauer Ihrer Thätigkeit fordern, welches auf Ihr Verlangen sogar
auf die Leistungen und die Führung im Dienste au.szudehnen ist. Un-
aufgefordert brauchte Ihr Arbeitgeber Ihnen jedoch kein Zeugniss
auszustellen. Nachdem Sie ihn aber wiederholt dazu aufgefordert
haben, ist er im Leistungsverzuge und sind Sie befugt, gegen ihn
auf Ausstellung des Zeugnisses und Schadensersatz wegen bisher
verabsäumter Ausstellung klagbar zu werden, wolern Sie nämlich
einen Schaden nachzuweisen imstande sind. War Ihr Arbeitgeber
Gewerbeunternebmer, so ist vielleicht das Gewerbegericht zustän-
dig, wenn dessen Statut nämlich seine Wirksamkeit über das Be-
reich der gewerblichen Arbeiter hinaus auch auf die Gewerbe-
thätigen gemäss § 133a erstreckt. Das Uebergewicht der Wahr-
scheinlichkeit spricht jedoch dafür, dass Sie vor dem ordentlichen
Gerichte werden klagen müssen. Das Amtsgericht ist nur zuständig,
wenn der Streitwerth nur auf höchstens 300 M. zu bemessen ist,
während sonst das Landgericht anzurufen und ein Anwalt mit der
Streitführung zu beauftragen ist. — K. H-e.
Hrn. F. K. in St. Johann. Ihre Anfrage können Sie sich
leicht selbst beantworten, wenn Sie die letzten Bände unserer
Zeitung durchblättcrn. Sie linden darin Werke aller der bedeuten-
den Ateliers in Nord- unch Süddeutsch! and, welche für Ihre Zwecke
iüfrage kommen könnten und Sie sind dabei auch in der Lage,
sich die Namen auswählen zu können, welche Ihrer persönlichen
Neigung und Fähigkeit, die wir ja nicht kennen, am meisten ent-
sprechen. —
Hrn. H. W. ln. Saarbrücken. Entsprechende Gesuche wür-
den an die Kolonial-Abtheilung des Auswärtigen Amtes in Berlin
W. 8, Wühelmstr. 75 und 76, an die „Deutsche Kolonial-Gesell-
schaft“, Berlin W., Schellingstr. 3, an die „Deutsche Kolonial-Ge-
sellschaft für Südwestafrika“, Berlin S.W., Wilhelmstr. 45, oder an
die „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“, Berlin W. 64, Behren-
strasse 7 a, zu richten sein. —
Hrn. Ing. G. K. in Chemnitz. Zementputz, der im Freien
allen Temperatur- und Feuchtigkeitswechseln ausgesetzt ist, frei von
Haarrissen zu erhalten, ist eine wohl kaum lösbare Aufgabe. An-
ders bei Zementputz in geschlossenen Räumen, welchen Haarrisse-
frei zu erhalten leicht gelingt. Aber die Schwierigkeit der Auf-
gabe wächst, je fetter die Mörtelmischung genommen und je slärker
der Pntz geglättet wird.
Hrn. Arch. M. M. in Hamburg. Wann die erste Wohn-
hausgruppe mit gegen die Strasse vorgezogenen Seitenflügeln und
zurücktretendem Mitteltheil ausgeführt wurde, dürfte schwer zu er-
mitteln sein; die Hauptanwendung dieses Motives geht auf die
Barockzeit zurück. —
Hrn. Br. T. in Wiesbaden. Ueber die Anlage von Kre-
matorien empfehlen wir Ihnen insbesondere das bei E. Wasmuth
in Berlin erschienene schöne Werk: „Kunst und Architektur im
Dienste der Feuerbestattung“. —
Inhalt: Neue Karlsruher Verkehrsaulagen. (Schluss). — Ueber die
Verwendung von Druckluft- Betriebsmitteln bei Kleinbahnen und städt.
Strassenbahnen. (Fortsetzung). — Vermischtes. — Preisbewerbungen. —
Personal-Nachrichten. — Brief- nnd Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Verwaltungs- Gebäude und
Elektrizitätswerk in Karlsruhe.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 34.
220
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 35. Berlin, den 30. April 1902.
Ueber die Verwendung von Druckluft-Betriebsmitteln bei Kleinbahnen und städt. Strassenbahnen.
(Fortsetzung.)
II. Trieb wagen'2),
mür Strassenbahnen hat eine Druckluft-Lokomotive,
die nach Art der vorstehend geschilderten gebaut ist,
wenig Aussicht auf dauernde Verwendung, weil der
Verkehr dort meist häufige Verbindungen mit demzufolge
kleinen Einheiten verlangt und weil daher eine Viertel-
siundenfolge von Zügen, die aus
einer Lokomotive und 4 Anhänge-
wagen bestehen, in einer Stadt wie
Paris nicht mehr als den Anforde-
rungen der Gegenwart entsprechend
bezeichnet werden kann. Hier wird
das Schwergewicht immer auf den
einzelnen Triebwagen zu legen sein,
und daher haben sich schon verschie-
dene Konstrukteure seit einiger Zeit
bemüht, brauchbare Betriebsmittel
dieser Art herzustellen. Die Schwie-
rigkeiten liegen darin, dass erstens
die erforderlichen Energie- bezw.
Energie-Erzeugungsmengen in ver-
hältnissmässig beschränkten Räumen
unlerzubringen und dass zweitens
störende Geräusche und unange-
nehme Gerüche fernzuhalten sind.
Insbesondere soll der Auspuff un-
hörbar sein.
Eine ältere Gattung der Mekarski-
schen Triebwagen, welche in Paris
im Betriebe sind, zeigt Abbildg. p'S).
Im Gegensatz zu den oben beschrie-
benen Lokomotiven sind dieselben
einseitig ausgebildet, sodass sie auf
den Endstationen der Linien gedreht
werden müssen, falls keine Schlei-
fen vorgesehen sind. Die Führer-
platiform trägt den Erwärmer K und
die Handhebel; die Behälter (bei den
neuen Wagen 9 an der Zahl) liegen
quer unter dem Wagenkasten (Ab-
bildg. 10). Von
ihnen dienen 6
dem regelmässi-
gen Betrieb und
3 als Rückhalt, um
noch amEnde der
Fahrt beim An-
fahren auf der
Steigung usw. ge-
nügend hohen
Druck zur Verfü-
gung zu haben.
'ie Länge derBe-
hälter beträgt 1,2
bezw. 1,9®, ihr
Durchmessero,6®
und sie enthalten
zusammen 3000 l
Luft. Die Bauart
der Behälter ent-
spricht derjeni-
gen der Lokomo-
tiven, und ihr Ge-
wicht beläuft sich
auf 2,5 1.
Der Erwärmer
besteht bei den
älteren Wagen aus
einem einlachen
senkrecht stehen-
den zylindrischen Gefäss (Abbildg. ii), an dessen oberem
Ende das Druckverminderungs-Ventil befestigt ist. Beiden
neueren Wagen hat man, da die Wärmemenge des nur 200
fassenden Behälters verhältnissmässig schnell verbraucht
und die Nachfüllung von Dampl aufder Linieunbequem war,
in den Erwärmer einen kleinen Koksofen eingebaut, in
“j Vergl. Ztschr. d. V. Dtsch. lüg. 1893, S. 297 u. Org. f. Eiseab, -Wesen
1901, S 264.
*•) Vergl. Georg Meyer Gnmdz. d. Eiseab.-Masch.-B. IV, S. 201.
welchem ein mässiges Feuer unterhalten wird. Der Ver-
brauch an Brennmaterial beträgt für diesen Zweck nur
500 g auf I ktn. Die beiden Achsen des Wagens sind ge-
kuppelt. Die Trittstufen der hinteren Plattform sind über
Eck angebracht, um den Raum für den letzten Luftbe-
hälter nicht zu verkürzen; da stets nur beim Stillstand aus
dem Wagen aus- oder in denselben eingestiegen wird, so
ist diese Anordnung, auch wenn ein
Anhängewagen d^inter läuft, un-
gefährlich. Der Raddurchmesser be-
trägt 0,70 ®, der Radstand 1,9
Zylinderdurchmesser 0,16®, Kolben-
hub 0,28 Der Wagen ist insge-
samrat 8“ lang und wiegt voll be-
setzt 14.5 ^ Das Gewicht vertheilt
sich folgendermaassen:
Untergestell 8‘, Wagenkasten 2,5t,
also Leergewicht 10,5 Luft 0,2*,
Wasser 0,2 ^ , soPersonen 3,6 • , dem-
nach grösstes Gewicht 14,5 1 .
Der Anfangsdruck in den Behäl-
tern beträgt 80 a*, der Enddruck IO *t.
Die Eintrittsspannung der Luft in
den Zylindern ist für gewöhnlich auf
to at Bemessen, jedoch bis auf das
Doppelte zu steigern. MiteinerFül-
lung kann der Wagen allein eine
Strecke voni2 — 15^™, mit einem 8 bis
i2‘ schweren Anhängewagen 8— 12
zurücklegen entsprechend seinem
Arbeitsvermögen von 4800000
Die Aufladung dauert 2—3 Minuten.
So lange der Wagen auf ebener Bahn
fährt, ist ein Auspuff nicht zu hören;
auch beim Anfahren und auf Rampen
ist das Geräusch als verhältnissmässig
gering zu bezeichnen.
Während die Strassenbahn-Ge-
sellschaften in der Umgegend von
Paris, soweit sie Druckluft-Betriebs-
mittel benutzen, diese allmählich
durch elektrischen
Antrieb mittels
Oberleitung er-
setzen, wird der
Druckluft-Betrieb
seitens der Com-
pagnie Gdndrale
des Omnibus, da
für die in das In-
nere der Stadt
führenden Linien
der Oberleitungs-
Betrieb ausge-
schlossen ist, wei-
ter beibehalten
und als Ersatz für
andere mechan.
Betriebsweisen
neu eingerichtet,
ImSommeripoo
waren folgende, in
nachsteh. Tabelle
angegebenen Li-
nien im Betriebe
(Lageplan, Abb. 6
auf S. 219.)
Der Betrieb der
Linie i erfolgt so,
dass alle 15 Min.
ein Zug mit 3—4
Wagen vom Louvre bis Point du Jour geht, dort wird er ge-
theilt. Die Lokomotive fährt mit einem Wagen nach St. Cloud
weiter, eine andere befördert 2— 3 Wagen nach Sfevres und
fährt von dort alle Stunden mit i oder 2 Wagen nach Versailles.
Umgekehrt erfolgt die Vereinigung. Linie 4 ist eine Zweiglmie
zu I. Die Wagen laufen theilweise bis zum Louvre durch.
Für den Betrieb dienen 148 Wagen und 53 Lokomotiven.
Die Krafistation, welche die Druckluft für alle diese
Linien liefert, befindet sich zu Billancourt (vergl. Abb. 12),
221
gegenüber dem Westbahn-Kraftwerk am rechten Seineufer.
Ihre Leistungsfähigkeit beträgt im gegenwärtigen Ausbau
5000 — 7000 P.S. Sie liefert stündlich 16 1 Luft von 80 — 100 J'g
Spannung. Die Kohlenzufuhr geschieht auf dem Wasser-
wege, und das Speisewasser wird der Seine entnommen.
Zur Dampferzeugung dienen 16 Babcock-Wilcox-Kessel
pen zu je 10 geordnet sind. Die einzelnen Behälter haben
462 inneren bei 504 ““ äusserem Durchmesser und sind
3,17“ hoch. Der Gesammtinhalt aller Behälter beträgt
140 cbm Luft. Vom Behälterhause gehen zwei Rohrleitungen
nach den Ladestationen. An der einen liegen diejenigen
Abbildg. 9. Druckluft-Triebwagen alt. Syst, von Mekarski io Paris.
von Point du Jour, Auteuil, Mozart, Pont d’Alma; die
andere führt nach der Statiori Porte d’Orldans.
Am Point du Tour werden die Lokomotiven der Linie i
Abbiidg. II. Erwärmer von je 210 q“ Heizfläche. Es sind geladen, in Auteuil die Wagen für 4 und 6, in der Rue
der älteren Triebwagen von 7 liegende Verbund -Dampf -Ma- Mozart diejenigen für 2 und 3, an der Porte d’Orleans die
Mekarski. schinen vorhanden, deren jede für Linie 5. Die Ladestation am Pont d’Alma dient zur
700—1000 P.S. leistet. Aushilfe, besonders, wenn Triebwagen mit Anhängewagen
Die Luftpumpen arbeiten in 3 Stufen. Der erste auf den Linien i — 4 verkehren.
Zylinder ist liegend, die beiden anderen sind stehend an- Das Laden erfolgt zumtheil auf der Strasse, zumtheil
geordnet und zwar sind letztere doppelt. Der grosse am Ende der Linie auf dem Betriebs-Bahnhofe. Den
Luftzylinder und der Niederdruck-Dampfzylinder sind mit- Ladevorgang auf der Strasse veranschaulicht Abbildg. 13.
einander verbunden und die beiden anderen Dampfzylinder Der Umstand, dass der Mekarski-Wagen stets nur
unter sich in Tandem -Anordnung. Die stehenden Luft- nach einer Richtung laufen kann, erschwert naturgemäss
Zylinder sind so angeordnet, dass je ein Mittel- und ein den Betrieb. Beide Endplattformen mit Erwärmern und
Hochdruckzylinder nach Tandemart verbunden sind. Die Regelungsvorrichtungen auszurüsten, verbot sich bei der
Verdichtungsstufen liegen auf 4, 25 und 80% Pressung. Die üblichen Wagenform, bei welcher die hintere Plattform
Kühlung der Luft erfolgt während des Zusammendrückens zum Ein- und Aussteigen benutzt wird. Will man den
durch Wasserumlauf um jeden Zylinder, durch Wasser- Wagen zweiseitig benutzen, so lässt sich das nur so er-
Einspritzung in den Niederdruck - Zylinder und durch reichen, dass Erwärmer und Regelungs -Vorrichtungen
Kühlung in besonderen Behältern nach jeder Verdichtungs- unter dem Wagenkasten angebracht und von beiden Platt-
stufe. Zum Abscheiden des überflüssigen Wassers sind formen aus mittelbar bethätigt werden. Von diesen Er-
zwei Trockner vorgesehen. wägungen ausgehend, entwarfen Popp und Conti einen
Zum Aufspeichern der Luft dienen 280 Behälter, welche für die Strassenbahn in St. Quentin bestimmten Wagen,
in einem besonderen Gebäude untergebracht und in 28 Grup- welcher in seiner äusseren Erscheinung einem gewöhn-
222
liehen Strassenbahnwagen völlig gleicht. Die 8 Behälter R
liegen zu je 4 unter den beiden Plattformen (Abbildg. 14);
sie enthalten zusammen 1000 * Luft von 20— 25 at Spannung.
Der Energievorraih ist also verhältnissmässig gering. Der
Erwärmer G liegt quer unter dem Wagen und stellt einen
Ofen dar, in welchem ein von der Luft durchströmles
Schlangenrohr liegt. Das Druckverminderungs-Ventil ist
nicht regelbar. Zwischen ihm und den Zylindern strömt
die Luft durch die Veriheilungshähne D.
Die nach dem Verbundsystem gebaute Maschine wirkt
nach Art eines elektrischen Motors mit einer Uebersetzung
von etwa i : 2,4 auf eine der Achsen und ist am Unter-
gestell federnd aufgehängt. Die andere Achse ist mit der
Triebachse gekuppelt. Auf dem Wege vom kleinen zum
grossen Zylinder durchläuft die Luft nochmals in einem
zweiten Schlangenrohr den Erwärmer, sodass die Anfangs-
temperatur in beiden Zylindern i?o® beträgt bei einem
Arbeitsdruck von 8 bezw. 4at. Die Regelung der Zylinder-
füllung geschieht durch einen Schieber, der mittels Rad
und Kette vom Hebel V aus bewegt wird. Die Steuerung
wird mittels Luftdruckes vom Föhrerstand aus umgelegt.
Ein weiterer Hebel IF stellt die Verbindung mit den Ver-
theilungshähnen D her, welche dazu dienen, die Luft ein-
mal in dem kleinen Zylinder oder in beide Zylinder (beim
Anfahren auf der Steigung) oder in die Bremsen strömen
zu lassen. Durch einfache Drehung des Hebels TF lassen
sich diese drei Stellungen erreichen. Die Abmessungen
des Wages sind folgende: Gesammtlänge 7,4™, Radstand
1,5“, Raddurchmesser 0.8™, Gewicht leer 7 L Gewicht
des vollen Wagens (20 Sitzplätze) 9 t. — (Fortsetzung folgt.)
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten- und Ingenieur- Verein zu Magdeburg. In
der von Hrn. Reg - u. Brth. Mackenthun am 12. März d. j.
geleiteten Sitzung widmete zunächst Hr. Brth. Fritze dem
jüngst verstorbenen Mitgliede, Hrn. Kreisbauinsp. Schön-
feld, einen herzlichen Nachruf; das Andenken des Dahin-
geschiedenen ehren die Anwesenden durch Erheben von
ihren Plätzen. Unter den Eingängen ist als bemerkens-
werih ein Artikel in der Ztschrft. „Denkmalspflege" her-
vorzuheben, nach welchem die Stadt Augsburg zwecks
Erhaltung ihrer Baudenkmäler und Schutz des Stadtbildes
gegen Verunzierung durch missgestaltete Neubauten bau-
polizeiliche Bestimmungen erlassen hat.
Hr. Geh. Brth. Witte hielt sodann einen Vortrag
über „Thalsperren am Harz“, Einleitend besprach
er die allgemeinen Verhältnisse, die den Hochwasser-
ausschuss zu einer Besichtigung der infrage kommen-
den Gelände veranlasste. Er beschrieb die grossen Ueber-
schwemmungen und die durch sie hervorgerufenen Ver-
heerungen , die bereits in den achtziger und neunziger
Jahren des vorigen Jahrh. Abhilfe dringlich forderten. Unter
den Vorschlägen zu einer durchgreifenden Abhilfe, fand
den meisten Anklang, im oberen Theile des Gebirges durch
Anlage von Thalsperren das Wasser zurückzuhalten. Die
ähnlichen Ausführungen im Loiregebiete in Frankreich
seien hierfür vorbildlich. Am Harz war der Bau von Stau-
weihern in Aussicht genommen undes wurde das hier infrage
stehende Bodethal einer Besichtigung unterzogen. Wenn
auch die zuständigen Ministerien es ablehnten, dem Aus-
führungsgedanken näher zu treten, weil man eine Be-
einträchtigung der Naturschönheiten befürchtete, so liess
sich doch die Deutsche Thalsperrengesellschaft zu Hanno-
ver, die sich mit der Bearbeitung des Entwurfes inzwischen
weiter befasste, nicht hindern, den Plan weiter zu ver-
folgen. Auf höhere Anregung erfolgte abermals eine
Prüfung der Angelegenheit durch einen Unterausschuss
und eine Besichtigung derjenigen Stellen des Bodethaies,
für welche die Sperren geplant waren. Zunächst kam eine
Staumaueroberhalb des ßodekesselsbisTreseburg in-
frage, die bei einer Höhe von 55“ und einer Länge von
52 “ einen Slauweiher von 77,35 Fläche und von
11,4 Mill. cbm Wasserinhalt ergeben würde. Eine zweite
Sperre sollte bei Wendefurt mit einer Höhe von 26®
in einer Länge von 212 ® eine Wassermenge von 8,4 Mill. cbm^
die dritte oberhalb Rübeland beim Hahnenkopf mit 30b*
Fläche 4 Mill. cbm und eine vierte bei Rapbode ebenfalls
4 Mill. cbm Wasser zurückhalten. Man beabsichtigt ausser-
dem, diese ungeheure Wassermenge auch zur Erzeugung
elektr. Energie zu Kraft und Beleuchtungszwecken, zur
Trinkwasserversorgung, letztere sogar vielleicht bis Mag-
deburg, sowie zur Wiesenbewässerung auszunutzen.
Redner verbreitet sich noch über die aufzubringenden
Kosten, die Rentabilität und die in Aussicht genommenen
Beiträge seitens der Anlieger und Interessenten, ferner
über den von der Gesellschaft gestellten Antrag bezüglich
der Bildung einer Thalsperren-Genossenschaft, sowie über
das ablehnende Verhalten des Ministeriums. Hinsichtlich
der Gefahr des Durchbruches eines Stauweihers äussert
sich Redner dahin, dass bei dem heutigen vorgeschrittenen
Stande der Technik jede Befürchtung ausgeschlossen
erscheine. Weiter führt er aus, dass die vielfach im Eisass
und inFrankreich ausgeführten Beispiele und die 67 bei uns
vorhandenen Weiheranlagen den Beweis erbrächten, dass
durch sie keine Zerstörung, sondern eher eine Hebung
der Naturschönheit herbeigeführt werde. Ueber die Wich-
tigkeit des letzterwähnten Gesichtspunktes entspinnt sich
eine ausgedehnte Debatte unter den Hrn. Win ekler, Stolz,
Baczinsky,Priess u.a., wobei allgemein anerkannt wird,
dass eigenartige, der Gegend anzupassendeArchitekturen im
Verein mit den entstehenden Wasserfällen eine angenehme
Belebung und Steigerung der Naturreize ermöglichten.
Lebhafter Dank wurde dem Vortragenden zutheil. — Th.
30. April 1902.
Vermischtes.
Ein Lichtpaus-Apparat „Simplex“ ist der Firma Albert
Martz, Fabrik für Zeichenutensilien in Stuttgart, unter
D. R.-G -M. 147838 geschützt. Derselbe zeichnet sich durch
Leichtigkeit und Einfachheit in Anwendung und Hand-
habung vor den üblichen Konstruktionen aus und besitzt
dabei auch den Vorzug der
Billigkeit. Wie die Abbildung
zeigt, besteht der Verschluss-
deckel nicht, wie üblich, aus
in ganzer Länge durchgehen-
den Brettern, sondern aus
Brettslückchen, die nur lose
mit Drähten bezw. Charnieren
verbunden sind. Diese Brett-
chen werden nicht durch Eisen-
federn, sondern durch keilför-
mig zugeschärfte Querleisten
festgehalten, die unter entspre-
chend geformte eiserne Hal-
ter geschoben werden. Durch
diese einfache und daher halt-
bare Anordnung wird an allen
Stellen ein dichter Anschluss
an die Filz- bezw. Glasplatte
erzielt, sodass die Anwendung
leichterer Glasplatten, Doppel-
glas statt Kristallglas, möglich
wird. Die Oeffnung und Schliessung des Apparates ist
ausserdem in einfachster Weise rasch zu bewirken. Die
Apparate werden in Grössen bis 110/76 cm hergestellt
und sind dann noch handlich. —
Kautschukbutter. ( Unter dieser Bezeichnung stellte
die Chemische Fabrik Busse in Hannover-Linden ein
Präparat her, welches sie dem chemischen Laboratorium
für Thonindustrie der Hrn. Prof. Dr. H. Seeger und
E. Gramer in Berlin übergab, um zu ermitteln, wie weit
dasselbe dazu dienen kann, Zementkörper undurchlässig
gegen Wasser zu machen. Der Ausfall der Prüfungen
ermuntert, die Kautschukbutter weiteren Kreisen zu em-
pfehlen. Das zähe Präparat, welches zu dickflüssig ist,
um unmittelbar als Anstrich Verwendung zu finden, wurde
mit Petroleum verdünnt und zwar 2 Gew.-Theile Kaut-
schukbutter auf I Gew.-Th. Petroleum. Die nun ziemlich
dünnflüssige Mischung ist zum Anstreichen gut zu ver-
wenden. Die Versuche lehrten, dass i Tag alte Zement-
kuchen leicht und gut den Anstrich annahmen, er haftete
fest und ein Abblättern war in keinem Falle zu beo-
bachten. Die älteren Kuchen nahmen den Anstrich etwas
besser an, weil die Oberfläche die Flüssigkeit ansaugte.
Die Färbung der Körper erhält einen gelblichen Schein,
der jedoch meistens nicht störend wirkt. Um das Ver-
halten des Anstriches bei Zementmörtelmischung zu prüfen,
wurden Platten aus i Th. Zement, 5 Th. Normalsand und
I Th. Zement, 7 Th. Normalsand angefertigt und einseitig
bestrichen. Auf die Anstrichseite wurde eine weithalsige
mit Wasser gefüllte Flasche gesetzt, die Oeffnung nach
unten, um die Widerstandsfähigkeit gegen Durchdringen
von Wasser zu ermitteln. Das Ergebniss war folgendes:
I Th. Zement, 5 Th. Normalsand. Eine 3>/2 Tage alle
Platte wurde gestrichen und nach weiteren 2 Tagen in
der angegebenen Weise eine mit Wasser gefüllte Flasche
aufgesetzt. Das gleiche geschah mit einer 6 Tage alten
Platte ohne Anstrich. Letztere zeigte nach 5 Minuten
eine Tropfenbildung an der Unterseite, während die ge-
strichene Platte nach einem Monat noch kein Durchdringen
von Wasser erkennen liess. Nach dem Durchbrechen der
Platte konnte nicht das geringste Eindringen von Wasser
bemerkt werden.
I Th. Zement, 7 Th. Normalsand. Eine i Tag alte
und kaum trockene Platte wurde gestrichen, was keinerlei
Schwierigkeiten verursachte, und nach 2 Tagen wie an-
233
gegeben unter Wasser gesetzt. Bei derselben war nach
22 Tagen auf der Bruchfläche kein Eindringen von Wasser
zu sehen ; dagegen war die ungestrichene Platte nach
wenigen Stunden völlig durchnässt. —
Schadhafte alte Metall- bezw. Wellblechdächer werden
von der Firma Louis Lindenberg in Stettin nach einem ihr
patentirten Verfahren, das sehr erheblich billiger sein soll
als die Einziehung neuer Bleche, wieder instand gesetzt.
Nach gründlicher Reinigung der Oberfläche von Rost,
Dichtung offener Stellen mit Bleiplättchen und Asphaltkitt
wird die Fläche mit säurefestem Asphaltlack überzogen,
darauf Jutestoff geklebt und das Ganze nochmals mit Asphalt-
lack gestrichen und mit feinem weissen Sande bestreut. —
Ehrendoktoren der technischen Hochschule zu Dresden.
Zu Doktor-Ingenieuren ehrenhalber wurden ernannt; Geh.
Reg.-Rath Prof. O. Intze in Aachen, Mitgl. des preuss.
Herrenhauses, wegen seiner hervorragenden Verdienste
um die Begründung und Förderung der Wasserwirthschaft;
Prof. Dr. Karl von Linde in München und Geh. Rath Prof.
Dr. Gustav Zeuner in Dresden für ihre hervorragenden
Verdienste um die technischen Wissenschaften, ersterer
insbesondere für seine wichtige Erfindung zur Erzeugung
niedererTemperaturen, letzterer insbesondere für seine Ar-
beiten auf dem Gebiete der Thermodynamik und Hydraulik.
Auszeichnung von Künstlern. Zum Mitgliede der kgl.
Akademie der bildenden Künste in Dresden ist Hr. Prof.
Bruno Schmitz in Charlottenburg ernannt worden. —
Preisbewerbungen.
Ein Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
Kirche, Beetsaal bezw. Gemeindehaus und Pfarrerhaus der
evangel. luth. Gemeinde ln Striesen b. Dresden wird vom
Kirchenvorstand mit Frist zum 30. Aug. d. J. unter den
Architekten Dresdens und seiner Vororte ausgeschrieben.
Ausgesetzt sind 3 Preise von 2000, 1500 und 1200 M.,
während der Ankauf weiterer Entwürfe für je 300 M. Vor-
behalten ist. Preisrichter sind dieHrn. Prof.K.E.O. F ritsch
in Waren i. MeckL, Hofarch. Frölich, Brth. Richter
und Geh. Brth. Prof. Dr. Wallot in Dresden, sowie Brth.
Dr. Rossbach in Leipzig. —
Im Wettbewerb um Entwürfe zu einem evang. Gemeinde-
haus in Godesberg a. Rh. (vergl. S. 24. d. J.) ist von den
68 eingegangenen Entwürfen keinem der I. Preis verliehen
worden. Er wurde getheilt in 2 weitere II. Preise. Es
erhielten die II. Preise: die Arch. Pipper und Stüssel
in Charlottenburg, Krieger in Bonn und Lüngen und
Lüilwitz-Pohland in Deutsch-Krone, den III. Preis er-
hielt Arch. Dreiser in Bonn. Angekauft wurden die
Entwürfe der Arch. Drexel in Strassburg i. Eis. und
Helling in Koblenz. —
Im Wettbewerb um den Entwurf zu einer Festhalle in
Siegen (vgl. Jahrg. 190t S. 460 u. 492) erhielten den I. Preis
v. 1500 M. die Hrn. Arch. Ernst Marx u. Ph. Bachmann
in Dortmund, den II. Pr. v. 900 M. Arch. 0. Engler in
Dortmund, den III. Pr. v. 600 M. die Arch. Meissner u.
Liborius in Magdeburg. Zum Ankauf für je 300 M.
wurden vom Preisgericht empfohlen die Entwürfe mit
den Kennworten: „Lotto-“ und „Saure Wochen, frohe
Feste." —
Bücherschau.
Brockhaus’ Konversations -Lexikon. Neue revidirte Jubi-
läums Ausgabe (14. Aufl.) Verlag von F. A. Brock-
haus in Leipzig. —
In kaum Jahresfrist ist bereits der 6. Band dieser fast
vollständig umgearbeiteten Auflage erschienen, eine her-
vorragende Leistung des deutschen Buchgewerbes, Der
Band beginnt mit dem Worte Engler und schliesst mit
einer umfangreichen Darstellung über Frankreich. Er
enthält 1050 Seiten Text mit 245 eingedruckten Abbildungen,
ausserdem 54 Tafeln, Karten und Pläne. Aus dem reich-
haltigen Stoffe seien nur einige Artikel kurz hervorge-
hoben, so eine Darstellung über englische Kunst, aus dem
Ingenieurwesen der Erdbau, aus dem volkswirthschaft-
lichen Theile Enteignung, Erbbaurecht, Erwerbs- und
Wirthschafts-Genossenschaften, aus den Wohlfahrts-Ein-
richtungen der reich illustrirte Abschnitt Feuerwehr und
Feuerlöschwesen mit seinen verschiedenen Unterab-
schnitten. aus dem Verkehrswesen eine eingehende, sich
auf alle Einzelheiten beziehende und alle Neuerungen be-
ruhende Darstellung unseres modernen Verkehrsmittels
des Fahrrades. Vortrefflich illustdrt sind namentlich die
Aufsätze naturwissenschaftlichen Inhalts (z, B. das Stich-
wort Fische). —
Bei der Redaktion d. BI. eingegangene litterar. Neuheiten:
Monuments de l’Art Arabe. Exercice 7900. Fascicule dix-
septieme. Le Caire 1900. Imprimerie de l'Institut Fran^ais
d’Ärcheologie Orientale.
Müller, Gust., Techn. Karte zur Berechnung des Grund-
und Boden werthes in Berlin, Charlottenburg,
Westend, Weissensee, Wilhelm sberg nebst
einer Darstellung des Werthes massiver Wohngebäude in
den verschiedenen Baustadien und der Wohnungsmiethen.
8. Jahrg. Berlin 1902. Deutscher Verlag (G.m.b.H.). Pr. lo M.
Neumeister, A-, Prof. Deutsche Konkurrenzen. XIII. Bd.,
Heft 9 und 10, No. 153 und 154. Rathhaus und Töchter-
schule für Wilmersdorf. Leipzig 1902. Seemann & Cp. Pr.
des Heftes 1,80 M.; für den Bd. fi2 Hefte mit Beiblatt) 15 M.
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich, Der Mar.-Schiffbmstr. K lug e ist anstelle
des Mar.-Schifibmstrs. Lösche, der zur Werft in Kiel, zurücktritt,
zum Stabe des I. Geschwaders koramandirt.
Der Mar.-Ob.-Brth. und Schiffbau-Betr.-Dir. Kretschmer
wird mit dem i. Okt. d. J. zur kaiserl. Werft in Kiel versetzt.
Der Mar.-Schiffbmstr. Bockhacker in Danzig ist vom 22. Sept.
d. J. ab zur Konstrukt. -Abth. des Reichs-Mar.-Amts in Beidin kom-
mandirt und der Mar.-Schiffbmstr. Presse in Berlin ist mit dem
25. Sept. d. J. der kais. Werft in Danzig zugetheilt.
Der Wirkl. Geh. Ob-Brth. Streckert, vortr. Rath im
Reichs-Eisenb.-Amt, ist gestorben.
Baden. Die Versetzungen der Reg.-Bmstr, Blum von Heidel-
berg nach Bruchsal und Joachim von Bruchsal nach Heidelberg
sind zurückgenommen.
Bayern. Dem Prof. Fr. v. T h i e r s c h in München ist die
Bewilligung zur Annahme und z. Tragen des ihm verlieh. Offizier-
kreuzes des franz. Ordens der Ehrenlegion und dem Ob.-Bauinsp.
Bleibinhaus in Kirchseeon die gleiche Bewilligung des ihm
verlieh. Ritterkreuzes des päpstl. St. Gregorius-Ordens ertheilt.
Der Eisenb.-Ass. Zeis in Würzburg ist nach Aschaffenburg
berufen.
Preussen. Dem Wasser-Bauinsp. Ottmann in Düsseldorf
ist der Rothe Adler-Orden IV. Kl. und dem Poslbrth. Bettcher
in Strassburg i. E. der kgl. Kronen-Orden III. KL verliehen.
Der Reg.-Bmstr. Obergethmann in Berlin ist z. etatm.
Prof, an der Techn. Hochschule in Aachen ernannt.
Der Wasser-Bauinsp. Trieloff in Landsberg a. W. ist nach
Einlage versetzt.
Versetzt sind: die Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Oppermann
in Graudenz zur Betr.-Insp. in Danzig, Gassmann in St. Johann-
Saarbrücken als Vorst, der Bauabth. nach Mayen und Wittke
in Breslau als Vorst, der Bauabth. nach Sorau.
Sachsen. Den Strassen- u. Wasser-Bauinsp. Ringel in
Döbeln u. S e I f e r t in Freiberg — dem Landbauinsp., prädiz. Land-
bmstr. Krause in Dresden, dem Reg -Bmstr. R u m p e 1 in Losch-
witz und dem Arch. Pommer in Leipzig ist der Tit. und Rang als
Brth. in der IV. KL der Hofrangordnung unter No. 14 verliehen.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. D. in Witten a. R. Die Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichtes hat nach zuverlässigen Ermittelungen Ober
die Frage, ob und wann Architekten gewerbesteuerpflichtig
sind, keine grundsätzliche Aenderung erfahren. Noch immer ist die
Auf fassung raaassgebend, welche imUrtheile vom 17. Jan. 1895 nieder-
gelegt ist. Danach wird die Frage, ob im Einzelfalle der Geschäfts-
betrieb eines Architekten heranzuziehen sei, davon abhängig ge-
macht, ob seine Leistungen ausschliesslich oder überwiegend künst-
lerischer Art sind oder ob sie zu einem erheblichen Brucbtheile
in Verrichtungen bestehen, welche mehr handwerksmässig zu sein
pflegen. Eine unbedingte Freiheit des Geschäftsbetriebes der Archi-
tekten von der Gewerbesteuer hat bisher keine Anerkennung ge-
funden und wird dies nach der Begründung der neuesten Ent-
. Scheidungen füglich nicht so bald erhalten.
Ob Sie bei der Art Ihres Betriebes mit einem Angriff gegen
die geschehene Veranlagung Erfolg haben werden, kann von hier-
aus nicht beurtheilt werden, weil dafür die Gattung der Bauten be-
deutungsvoll ist, für welche Sie thätig waren. Der Versuch, von
der Steuer loszukommen, ist jedoch unverfänglich, weil erst das
Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Kosten verursacht,
während die Vorentscheidungen kostenlos ergehen. K. H-e.
Hrn. Arch. Mackensen in St. P, Selbstverständlich muss,
um eine tadellose und gleichmässig gefärbte Putzfläche zu erzielen,
der Sand gewaschen werden; auch darf derselbe nicht grob sein.
Das Waschen wird am einfachsten in einer einige Meter langen
Holzrinne mit plattem Boden ausgeführt, die man in einer solchen
Neigung an beiden Enden unterstützt, dass die Verunreinigungen
des Sandes vom Wasser mitgenommen werden, dagegen der Sand
auf dem Boden der Rinne liegen bleibt.
Als eine bekannte grössere Spezialfabrik für den Bau von
Mörtelmaschinen nennen wir Ihnen die Fabrik; Rhein und Lah n ,
Gauhe, Gockel & Co. in Oberiahnstein.
Wir würden es für eine grosse Unvorsichtigkeit halten, das
Dachwasser mit dem Klosettwasser durch ein gemeinsames Rohr
abzulcitcn, da leicht mögliche Hemmungen des Abflusses sehr
folgenschwer für das Gebäude werden könnten. —
Inhalt: Ueber die Verwendung von Drucklufc-Betdebsmitteln bei
Kleinbahnen und städt. Strassenbahnen. (Fortsetzung). — Mittheilungen aus
Vereinen — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Büclierschau. — Per-
sonal-Nachrichten. — Brief- und Kragekasteu.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H-, Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 35.
AUZEITUNG.
GANG. * * N2; 36. %
Jetziger Zustand des Domes zu Meissen. Weslfassade.
Die Westthürme des Meissener Domes.
(Hierzu die Abbildungen auf Seite 309.)
er Meissener Dombauverein veranstaltete in
diesen Tagen in Dresden eine Ausstellung der
Entwürfe für den Ausbau der Dom-Thürme,
die aus einem wiederholten engeren Wettbe-
werb hervorgingen. An dem ersten Wettbe-
werbe betheüigten sieb, nachdem mehrere der zu diesem
aufgeforderten Herren die Mitwirkung abgelehnt hatten,
Ob.-Brth. K. S ch ä f e r in Karlsruhe, Prof. A.Li n ne m an n
in Frankfurt a M. und Prof. G, v. Seidl in München.
Das Sachverständigen-Kollegium, das aus den Hrn.
Ilofbrth. Dünger, Prof.Gurlitt, Landbmstr. Schmidt,
Ob.-Brth. Temper und Geh. Brth. Wallot bestand,
gab am 3. Juli 1900 sein Gutachten dahin ab, dass
es „empfehle, aufgrund der Linnemann’schen Skizzen
in der weiteren Planung fortzufahren“. Es erkannte
zugleich die Verdienste des Entwurfes Schäfers an
und empfahl, diesen zu bitten, „eine anderweite Lösung
zu suchen“ und zwar eine solche, die den von dem
Kollegium ausgesprochenen Grundsätzen entspreche.
Diese aber lauten: „Es muss vor allem ein Motiv
gefunden werden, durch das die ganze Masse des
Schlossberges für die Ansicht von der Ferne, von der
Elbe und von der Stadt aus als geschlossenes
Ganzes nach oben ausgestaltet wird. Dieses darf
nicht in einer Wiederholung der Grundformen des
sogenannten „Höckerigen Thurmes“ bestehen, sondern
muss eine starke, aufsti'ebende und dabei doch aus
breiter Grundlage sich entwickelnde Dominante schaf-
fen.“ Der südlich vom Chor stehende Höckerige Thurm
ist von quadratischem Unterbau, hat ein achteckiges
Obergeschoss, Fialen über den frei bleibenden vier
Ecken und einen schlanken Helm. Aus diesen Ueber-
zeugungen heraus erschien den Sachverständigen der
Linnemann’sche Entwurf „als eine in den Umrisslinien
vorzügliche Lösung der gestellten Aufgabe, die auch
eine noch reichere Durchbildung in Stein und Blei, oder
in Blei allein zulässt“. Der Vorstand des Dombau-
Vereins schloss sich diesem Gutachten an und forderte
Schäfer und Linnemann zu neuen Entwürfen auf. Von
diesen fanden die Linnemann'schen Arbeiten nicht
wieder den gleichen Beifall. Sie erschienen nicht als
Verbesserungen des ersten Entwurfes. Schäfer aber
folgte den ihm gegebenen Direktiven nicht, sondern
schuf nur seinen zweithürmigen Entwurf in mancher-
lei Weise um. Damit fand er aber den Beifall einiger
Fachleute und der überwältigenden Mehrheit der Laien.
Man legte ihm nahe, doch noch einmal die dreithürmige
Anlage zu versuchen; aber, da er erklärte, hiervon einen
Erfolg sich nicht versprechen zu können, beschloss
die General-Versammlung gegen eine kleine Minder-
heit, den Schäfer'schen Plan anzunehmen. Da sich
gegen diesen in der Presse Widerspruch erhob, regte
das kgl. sächs. Ministerium für Kultus und Unterricht
zur Klärung der Ansichten die oben genannte Aus-
stellung der Pläne an.
Zunächst bedarf es einer kurzen Klarlegung der
Geschichte der Westfassade des Meissener Domes,
über die ich mir Vorbehalte, an anderem Orte aus-
führlicher zu berichten. Der Dom ist im 13. Jahrh. als
Basilika angelegt, im 14. Jahrh. aber als 1 lallenkirche
ausgebaut worden. Die Thürme waren in typischer
Form vorgesehen und zwar waren an der Westfront
deren zwei geplant und im 13. Jahrh. bis etwa ro“ über
dem Boden — vielleicht noch etwas mehr — aufgeführt
worden. Eine chronikalische Notiz berichtet uns, dass
um 1400 zwei Thürme errichtet worden seien, die
jedoch vor 1413 ein Windstoss herabstürzte. Dieser
Bauzeit gehören unverkennbar das Maasswerk über
dem zweiten Thurmgeschoss, sowie das Hauptthor der
Kirche und der heute noch erkennbare Rest des Maass-
werkes über der Fürstenkapelle an, die 1423 vor jenes
I lauptthor gerückt wurde. Die Kopfabbildung giebt die
2^5
Ansicht der Westfassade wieder, wie sie jetzt ist. —
Eine weitere chronikalische Nachricht sagt, dass seit
1479 die Thürme, und zwar nun deren drei, aus-
gebaut worden seien. Wir besitzen keinerlei Urkunden
über diesen Bau, ausser einer Notiz, dass noch 1501
Steine zum Dombau herbeigeführt wurden. Nur hören
wir, dass 1547 die drei Thürme abbrannten. Dass
drei Spitzen auf dem Domthurme gestanden haben,
besagen alle späteren Nachrichten, auch die von Leuten,
die den alten Zustand noch selbst sahen. Erst durch
das 1826 erschienene Werk von Schwechten über den
Meissener Dom kam die Ansicht auf, dass hier ein
Irrthum vorliege. Dieser erkannnte sehr richtig aus
dem Grundrisse, dass ursprünglich zwei Thürme ge-
plant waren, und glaubte deshalb die ältere Ansicht
verbessern zu müssen.
Es liegt nun ehe Frage nahe, ob es auch an
anderen Stellen vorgekommen ist, dass man von einer
zweithürmigen zu einer dreithürmigen Anlage überging,
und wenn dies geschah, aus welchen Gründen? Diese
Frage eingehend zu untersuchen, schien mir nicht
nur kunstgeschichtlich interessant, sondern auch von
grossem Werth für die Planung, selbst für den Fall,
dass man nicht das Hauptgewicht auf die historische
Richtigkeit, sondern mehr auf organische Fortentwick-
lung der in der Westfassade angeschlagenen künst-
lerischen Gedanken legen wollte.
Die Frage musste spezialisirt werden. Und da
stellte sie sich dann etwa wie folgt: Wie verhielten
sich die spätgothischen Meister, wenn an ältere, für eine
basikale Anlage bestimmte Zweithürme nachträgheh ein
in seinen Massen ja viel mächtigeres Hallenschiff ange-
baut wurde? Dieses Vorkommniss ist im mittleren
und nördlichen Ostdeutschland nicht eben selten. Ich
könnte gegen 30 Beispiele nachweisen. Sehr oft kam
es nicht zur Umgestaltung der Thürme: dann erscheint
der Giebel der Halle in erdrückender Schwere. Ein
typisches Beispiel hierfür ist die Stadtkirche zu Geit-
hain, deren romanische Thürme geradezu erstickt wer-
den vom Hallengiebel. Manchmal begnügte man sich
mit Höherführung der Thürme, wie z. B. am Dom zu
Görlitz, ohne aber zu einem befriedigenden Gesammt-
bild zu kommen. Die Regel jedoch ist, dass man zwi-
schen den beiden altenThürmen einen mittleren höheren
aufführte und so die dreithürmige Anlage anwendete.
Die Beispiele hierfür, die jedem Architekten sofort in
Erinnerung kommen, sind der Dom und die Severi-
kirche zu Erfurt. Dort zeigt sich das alte Bild noch
heute in seiner eigenartigen Schönheit. Die Masse des
Daches findet in der breit vorgelagerten Thurmmasse
ein überaus geistreich abgewogenes Gegengewicht. Die
Das erzieherische Element in der Architektur,
em Anscheine nach ist der Gemüthsantheil, den die
Laienwelt an den Architektur -Schöpfungen unserer
Zeit nimmt, geringer bemessen, als der den gleich-
zeitigen Mal- und Skulpturwerken zutheil werdende Antheil.
Es dürfte jedoch ein hoffentlich nicht aussichtsloses Unter-
nehmen sein, wenn man versuchte, der Architektur die
Gleichberechtigung neben Malerei und Skulptur wieder
zu erobern, die sie zu anderen Zeiten besass.
Ein kurzer Rückblick auf die Stellung der alten Archi-
tektur zum damaligen Empfinden der Völker, zugleich auf
die seelischen Wirkungen, welche von derselben ausge-
gangen sind und zumtheil noch bis heute fortdauern, wird
uns gut zustatten kommen, um das in dieser Art für mo-
derne Werke Erreichbare zu erkennen und zugleich maass-
voll zu begrenzen. Als bezeichnendes Beispiel für die
schon im Alterthum gelegentlich hervortretende geringe
Nachhaltigkeit der von den Werken der bildenden Kunst
ausgehenden Wirkungen ira Vergleich zu der bei weitem
längeren Geltungsdauer der Dichtungen mag hier das Ver-
halten der Griechen der historischen Zeit gegen die älteren
Ueberlieferungen kurz skizzirt werden.
Die Gestalten der homerischen Dichtung erfüllen noch
in der Blüthezeit und darüber hinaus das ganze Denken
und Bilden der Nation; sie bilden noch immer die Grund-
lage der religiösen Anschauungen; und selbst die Ge-
schichtsschreiber und Geographen wagen keinen Schritt
vorwärts zu thun, ohne in den homerischen Angaben eine
Bestätigung für ihre Forschungen zu suchen. Dagegen
scheinen die Kunstdenkmäler derselben Periode, welche
Thürme verzichten auf grosse Höhe, um ein echt künst-
lerisches Verhältniss zum Langhaus bezw. Chor zu
erlangen. Aber es sind dies nicht die einzigen Bei-
spiele, wenngleich bei anderen die Unbilden der Zeit die
alte "Wirkung zerstörten. Ich will hier noch die Dome zu
Nordhausen und zu Kolberg erwähnen und auf die Gott-
hardkirche zu Brandenburg hinweisen, bei der man so-
gar die drei seitlichen Mauern der Eckthürrae abbrach,
umdiesichgegenüberstehenden inneren alsHauptthürme
höher zu führen. Auch hier kam es nicht zu künst-
lerischer Ausgestaltung, da ja überhaupt die grossen
Zeiten der Thurmbau-Leidenschaft vorüber waren. Die
Renaissance behielt den Gedanken bei und gerade in
den sächsischen Städten wurde er an den Hauptkirchen
durchgeführt. So an der zerstörten Kreuzkirche zu
Dresden, an der Nikolaikirche zu Leipzig, an der
Kunigundenkirche zu Rochlitz, an den Kirchen zu
Oederan, Lommatzsch u. a, Man sieht deutlich, dass
es im Lande ein Vorbild gab, dem sich die späteren
Architekten anschlossen — und das muss eben die
Hauptkirche, der Dom zu Meissen, gewesen sein.
Es fragt sich nun, ob sich konstruktiv aus dem Vor-
handenen die Dreithürmigkeit nachweisen lässt. Es ist
nicht ganz leicht, die Geschichte des Thurmes aus
den Bauformen herauszulesen. Klar ist sie für die
beiden Untergeschosse. Diese decken sich fast genau mit
der zweithürmigenFront desMagdeburgerDomes. Aber
ein Blick auf die Kopfabbildung lehrt, dass der Architekt
des Obergeschosses, wahrscheinlich Arnold vonWest-
phalen, der berühmte Erbauer der nebenan sich er-
hebenden Albrechtsburg, etwas Anderes wollte, als die
einfache Fortführung der beiden Thürme. Im Inneren
hat er nicht minder die Massen verändert. Dabei
kommen gewisse konstruktive Eigenthümlichkeiten
Arnold’s inbetracht. Er hat auch auf der Albrechts-
burg auf äussere Strebepfeiler verzichtet; er konnte
das, weil er sie nach innen verlegte. Die Gewölbe-
ansätze des Untergeschosses tragen die verstärkten
Innenpfeiler, sodass die Massen nach oben immer
stärker werden. Der Gewölbeschub der Obergeschosse
wird bei geringerer Höhe der auflagernden Mauern
durch die Last breiterer Massen aufgefangen. So
werden auch im Thürme die Massen nach oben stärker.
Die Umfassungsmauern messen im Untergeschoss
oberen gegen 3"^. Sie sind dafür unten
geschlossen, oben durch mächtige Fenster unterbrochen.
So entstehen zwei quadratische Felder an der Nord-
und Südseite des Thurraes, die mit den Thurmquadra-
ten derUntergeschosse nicht übereinstimmen. Zwischen
diesen liegt ein oblonges Feld, das ein ungewöhnlich
schweres Rippengewölbe überdeckt. Zunächst be-
der Dichter schildert, ganz der Vergessenheit anheimge-
fallen zu sein. Pausanias, der Reisebeschreiber aus dem
2. Jahrhundert n. Chr., hält bereits die mykenischen und
und andere Kuppelgräber des griechischen Festlandes für
Schatzhäuser, indem er wahrscheinlich einer schon früher
aufgekommenen Meinung folgt. Zugleich äussert sich der-
selbe Schriftsteller über die geringe Beachtung, welche
den älteren Denkmälern unter den Griechen seinerzeit
zutheil wurde, in ganz an Modernes anklingenden Worten
wie folgt: „Die Griechen sind stark darin, das Auswärtige
mehr zu bewundern, als das Einheimische, so dass es
selbst berühmten Geschichtsschreibern beigekommen ist,
die ägyptischen Pyramiden auf das sorgfältigste zu be-
schreiben; das Schatzhaus des Minyas aber und die Mauern
vonTiryns haben sie nicht der geringsten Erwähnung würdig
gehalten, obgleich sie nicht weniger Bewunderung ver-
dienen“ (Paus. XI. 36, i). — Indess hüft Pausanias selbst
kaum diesem von ihm betonten Mangel ab, denn er weiss
wenig genug von den Denkmälern der mykenischen
Periode zu berichten, so dass sogar die Frage offen
bleibt, ob er dieselben überhaupt durcli eigene Augen-
scheinnahme kennen gelernt hat. —
Ganz allgemein finden wir durch alle Jahrhunderte
hindurch, dass sich die Werthschätzung der Baudenkmäler
und folglich auch ihre Gemüths-Wirkung auf das Volk in
abwechselnden Pulsen äussert: lebhafte Begeisterung und
tiefe Gleichgiltigkeit für dieselben folgen einander ohne
ersichtlichen Grund für das eine oder das andere. Auch
diese Thatsache kann zur Beleuchtung mancher Erschei-
nungen der Gegenwart auf demselben Gebiete dienen.
Zur Bestätigung der vorerwähnten Thatsachen ist die
No. 36.
226
freiiidet, dass hier, als Grundlage für einen Mittelthurm,
das Feld nicht quadratisch ist. Aber das wäre ohne
Beschränkung des letzten, zwischen den alten Thürmen
liegenden Joches des Mittelschiffes durch von unten
herauf geführte Mauern nicht möglich gewesen. Arnold
wird aber auch hier seine Massen auf die Gewölbe-
ansätze aufgebaut haben, wie eigentlich überall, wo
er Stockwerke übereinander errichtete, zumal, da nun
die Eckthürme ein völlig zuverlässiges Widerlager
boten. Die Nord- und die Südmauer des Mittelfeldes
machte er 2“ stark, indem er zur Verminderung der
Massen einen Blendbogen anbrachte. Zudem ist keines
Wegs gesagt, dass ein quadratisches Feld für die Lösung
des Mittelthurmes unbedingt nöthig sei. Auch in Erfurt ist
es oblong. Und bei dem eigenwilligen Geist, der Arnold
auszeichnete, kann man annehmen, dass die Schwie-
rigkeit in der Lösung ihn erst recht gereizt hat, ein
Werk von kühner Selbständigkeit zu schaffen.
Das erkannte auch Linnemann, der in seinem
Gutachten beklagte, dass „zur Lösung dieser Frage
eine Verständigung über die Baugeschichte der West-
fassade nöthig sei, die leider in genügendem Umfange
und in genügender Ausführlichkeit nicht vorliege“.
Mein wiederholtes Anerbieten, diese Arbeit zu liefern,
wurde leider vom Dombau-Verein nicht angenommen,
da diesem, namentlich den sehr zahlreichen architek-
tonischen Laien in seinem Vorstande, die Frage auch
ohnedies geklärt genug scheint. Linnemann kam selbst-
ständig zu ähnlichen Anschauungen, wie die hier auf-
grund umfassender Studien dargelegtcn. Schäfer ist
dagegen „fest davon überzeugt, dass der spätgothische
Meister die Magdeburger (zweithürmige) Anlage im
Sinne gehabt habe“. Dort sind freilich die Seiten-
thürme oben nicht durchbrochen, wohl aber der in
Meissen geschlossene Mittelbau; es ist also dasVerhält-
niss genau das umgekehrte wie in Meissen. Schäfer’s
Gründe für seine Ansicht sind: dass die Eckfelder ein
Quadrat bilden und ihre Pfeiler unter sich gleich sind;
dass keine Anstalten getroffen sind, einen quadratischen
Mittelthurm vorzubereiten, dass cs Schwierigkeiten be-
reiten würde, einen Thurm nach Art des Erfurter Dom-
thurmes aufzubauen. Der Irrthum Schäfers scheint
mir darin zu beruhen, dass er sich darauf versteift,
der Mittelthurm müsse sich auf quadratischer Basis
aufgebaut haben. Ein Blick auf die Grundriss-Ge-
staltungen der Albrechtsburg sollte den Fachmann aber
belehren, dass Arnold’s Gothik nicht mit dem Maass-
stabe der typischen Kunstformen zu messen ist, son-
dern dass dieser Meister mit Absichtlichkeit Eigen-
artiges erstrebte. Gefördert könnte die Klärung der
strittigen Punkte werden, wenn die jetzige Plattform des
Geschichte der wunderbaren Gruppe von Architekturge-
bilden, welche sich auf der Burgplatte von Athen im
perikleischen Zeitalter erhoben hat, vorzüglich geeignet.
Alle diese Bauwerke sind die greifbarste Verkörperung
für die heldenhaft erkämpften Siege der Griechen über die
Perser, in weiterer Bedeutung für den Sieg europäischer
Gesittungund freigeborener Männer über asiatische Barbarei
und über das Sklaventhum. Dieselben Bauwerke trugen in
der Folge wesentlich dazu bei, Athen zum Mittelpunkte der
damaligen Kulturwelt zu erheben, und es ist ganz unbe-
rechenbar, welche grossartigen Wirkungen Jahrhunderte
hindurch von diesen Meisterschöpfungen ausgeströmt sind.
Auf gemein -sittlichem, d. h. moralisch-bürgerlichem
Gebiete dürfen wir diese von der Höhe der Kunst aus-
gehenden Einflüsse allerdings nicht suchen; denn, wie
schon Göthe sagt, liegt das Erzieherische der Kunst allein
in dem Anreize zum Gewahrwerden und geläuterten Ge-
niessen einer höheren Sinnlichkeit und nicht in der lehr-
haften Ausbreitung sittlicher Grundsätze. Der Dichter
spricht zwar in diesem Sinne zunächst nur von den Auf-
gaben des Dramas, indess gilt wohl dasselbe von der ge-
sammten Kunst, selbstverständlich auch von der Architektur
Es liegt etwas Aufklärendes und Befreiendes in dem
angeführten Ausspruche über die wahren Aufgaben der
Kunst, denn es beseitigt gründlich eine Anzahl ihr sonst
gemachter Vorwürfe. Wenn man zugeben muss, dass die
Blüthe der Kunst gelegentlich mit einem Zeitalter der
Ueberverfeinerung und sogar der Sittenverderbniss zu-
sammenfällt, so braucht man deshalb keinen ursächlichen
Zusammenhang zwischen diesen Thatsachen anzunehmen,
da gegensätzliche geistige Strömungen recht wohl unbe-
3. Mai 1902
Thurnies abgedeckt und die darunter liegenden. Mauer-
theile untersucht würden.
Den künstlerischen Bedenken Schäfers möchte ich
ebensolche entgegen halten. Nach wie vor sind für
die künstlerische Ausgestaltung der Thürme für mich
die Grundsätze maassgebend, die das Sachverständigen-
Kollegium in seinem oben angeführten Gutachten von
1900 aussprach. Die Planung Schäfers hat sie mir
nur bestätigt. Mir will scheinen, als wären seine
Thürme viel zu massig für die ganze Gruppe. Das
wird besonders für den Anblick vom Schlossbevg
selbst aus auffallend sein. Die riesigen Wiederholungen
der an sich wenig schönen Lisenen der Thürme
erschlagen die Untergeschosse und die Kapelle. Das
Quadrat dieser Thürme ist so mächtig, dass das
Achteckgeschoss, das im Aufriss gut abgestimmt er-
scheint, ganz eingedrückt wirken wird. Die Ecklösung
durch die schwache Fiale ist kein organischer Ab-
schluss für die Lisenen. Die Gesammtmasse der Thürme
ist für die Helme viel zu schwer. In seinem ersten
Entwurf war denn Schäfer auch zu weit reicherer Ent-
wicklung, damit aber auch zu einer übermässigen Ent-
faltung der Thürme gekommen. Die Anordnung einer
offenen mittleren Glockenstube nach dem Vorbilde
von Braunschweig ist nach meinem W^issen ohne Bei-
spiel in der ostdeutschen Gothik des endenden 15. Jahr-
hunderts. Magdeburg zeigt, wie diese Form hier um-
zugestalten wäre. Die Ansicht der Sachverständigen-
Kommission, dass die Wiederholung des Höckerigen
Thurmes (Achteckgeschoss mit Fialen über den Ecken
des unteren Quadrates) nicht richtig sei, scheint mir
durch Schäfers Plan nur bestätigt.
Für die Lösung der Frage scheinen nur die ein-
fachsten Mittel die angemessensten, wenn durch sie
eine packende Form gefunden wird. Diese ist zurzeit
noch nicht vorhanden, darüber lässt die Ausstellung
kaum einen Zweifel aufkommen. Nachdem die Vor-
fragen erledigt sind, würde jetzt vielleicht ein öffent-
licher Ideenwettbewerb den besten Erfolg haben. Unter
einfachen Mitteln verstehe ich z. B. ein Satteldach
mit Dachreiter je über den Eckthürmen und einen
reizvoll entwickelten, nicht zu massigen Mittelaufbau,
der der Firstlinie des Langhauses einen guten Ab-
schluss giebt.
Abgesehen davon, dass ich für die „Erneuerung“
alter Bauformen an sich nicht viel übrig habe, will
mir also scheinen, als werde die Ausführung des
Schäfer’schen Entwurfes eine Schädigung des
Domes und mehr noch der Gesammtgruppe des
Meissener Schlossberges ergeben. —
Cornelius Gurlitt.
rührt nebeneinander gehen können. Indess wird gerade
der Kunst vorzugsweise die Aufgabe zufallen, auch in den
Zeiten der Sittenverderbniss die Würde der Menschheit
hochzuhalten und die ideale Seite des Kulturfortschrittes
durch die Thaten eines genialen Gestaltungstriebes zum
Ausdruck zu bringen. Man wird es auch nicht weiter
befremdlich finden, wenn die von den Bauten des Perikies
ausstrahlende harmonische Vollendung in dem gleichzeiti-
gen athenischen Staatsleben kein entsprechendes Gegen-
bild findet.
Es'hat noch später Zeiten gegeben, in welchen die Kunst-
mittel zu frivolen Zwecken missbraucht worden sind, jedoch
wird das innere Wesen der Kunst von diesen Vorgängen
nicht mitbetroffen: niemals haben despotische oder sitten-
lose Zustände einen neuen Stil hervorgebracht, sie ver-
treten nur eine die KuUurforderüngen verneinende Unter-
strömung der Geister und können deshalb nichts Positives
ins Leben rufen. Es ist hinreichend bekannt, zu welchen
Ausschreitungen des Geschmackes das Zeitalter Lud-
wigs XIV. die Pracht des Barocks und das der Regentschaft
die Grazie des Rokoko benutzt hat, aber das kann den
inneren Werth dieser Stilformen nicht beeinträchtigen.
Mindestens verdankt das Rokoko seine Ausbildung nicht
der Frivolität, sondern einer sehnsüchtigen Rückkehr zur
Natur, und sein Hauptmeister, Watteau, war eine sehr
ernsthaft zu nehmende, sogar eine tiefsinnige Künstlernatur.
Wenden wir uns noch einmal zu den schon oben
erwähnten athenischen Marmor-Prachtbauten zurück, so
darf nicht unerwähnt bleiben, dass sie, wie andere griechi-
sche Architekturwerke derselben Zeit, einen guten Theil
(Fortsetzung auf S. 230.)
227
Ueber die Verwendung von Druckluft-Betriebsmitteln bei Kleinbahnen und städt. Strassenbahnen.
(Fortsetzung.)
ie beiden amerikanischen Strassenbahn - Wagen-
Systeme, das von Hoadley-Knight und das von
Har die, gehen gleichfalls von der Benutzung für
beide Fahrrichtungen aus.
Den Anlass zur Erbauung und Inbetriebnahme von
Druckluftfahrzeugen gab der Ümstand, dass die Stadtver-
waltungen von New-York, Washington und Chicago die
Anwendung von elektrischer Oberleitung für das Stadt-
innere nicht zuliessen. Nachdem bereits in fast allen an-
deren amerikanischen Städten der elektrische Betrieb der
Strassenbahnen durchgeführt war, hatten sich für die Bau-
art der Räder, Achsen, Untergestelle und Wagenkasten
Abbüdg, 19. Schoitt- und Ansicht eines Drehgestelles mit Motoren.
Abbildg. 20. Querschnitt des Drehgestelles in der Mitte.
Abbildg. 24. Schematische Darstellung der Druckluftführung im Triebwagen.
Abbildg. 15 — 24. Luftdruck-
Triebwagen.
System Hoadley und Kn^ht.
i' engl = 0,305 m
I" „ = 2,540 cm
228
No'. 36.
Die Westthürme des Melssener Domes.
von Strassenbahnwagen gewisse Formen als marktgängig
ausgebildet, und so gingen Hoadley und Knight davon
aus, diese Formen für die Druckluftwagen möglichst un-
geändert zu verwenden. Sie gelangten infolgedessen zu
einer Ausbildung, welche dem Popp-Conti’schen Wagen
sehr ähnlich war (Abbildg. 15—24). Jede Achse wird für
sich von einem zweizylindrigen Motor mit 1:2,27 Ueber-
setzung angetrieben, dessen Triebwerk zur Fernhaltung
des Staubes vollständig in einem halb mit Oel gefüllten
Gusseisengehäuse mit abnehmbarem Deckel eingeschlossen
ist. Die beiden Gehäuse sind durch einen besonderen
Rahmen verbunden und ruhen ungefedert auf den Achsen.
Es wurde zunächst der eine Motor mit zwei Hochdruck-
Zylindern von 200 Durchmesser, der andere mit zwei
Niederdruck-Zylindern von 200““ Durchmesser und 150“»"
Kolbenhub ausgerüstet. Die Behälter liegen, wie bei elek-
trischen Akkumulatorwagen, unter den Sitzen und be-
stehen aus 6 Mannesmann-Flaschen von 6,55 Länge,
2170110 innerem und 235 äusserem Durchmesser; ihr
Gewicht beträgt leer 1,9 t, der Inhalt 1500 1. Für die
Anordnung des Erwärmers war die Erwägung maassge-
bend, dass beim Durchleiten der Luft durch das heisse
Wasser einmal, wenn der Druck im Erwärmer grösser
als der der Luft ist, zuviel Wasserdampf mit letzterer in
die Zylinder tritt, sodass der Auspuffdampf zu sehen ist;
andererseits, wenn der Druck im Erwärmer zu gering
geworden ist, überhaupt kein Wasserdampf absorbirt, und
dass ferner bei Vergrösserung des Arbeitsdruckes leicht
Wasser mitgerissen wird. Die Konstrukteure zogen des-
halb vor, eine trockene Erwärmung der Luft anzunehmen
d. h. dieselbe durch ein Schlangenrohr zu führen, welches
sich in dem Wasserbehälter befindet, und vor der Er-
wärmung eine bestimmte Menge Wasser-
dampf in die Luft einzuspritzen.
Abbildg. 23 zeigt den Injektor zum Bei-
mengen des Wasserdampfes. Bei a tritt die
trockene Luft, bei b der Dampf ein, welcher
aus dem Behälter des Erhitzers kommt;
bei c tritt die dampfgesättigte Luft aus. Das
Schlabberrohr führt die überflüssige Feuch-
tigkeit dem Erhitzer wieder zu. Die Tempe-
ratur des Dampfes im Erhitzer beträgt 200®,
der Behälterdruck 150 af, der Arbeits-An-
fan^druck im kleinen Zylinder 22 at.
Der Erhitzer liegt zwischen den beiden
Motoren in der Mitte und ist auf dem Rah-
men gelagert. Der Druck in ihm beträgt
15 sein Inhalt 170I. Die Luft wird in einem
25 mm weiten Rohr aus den Behältern zu-
nächst geradlinig durch den Erhitzer geführt,
um sie etwas anzuwärmen, und gelangt dann
nach dem Druckverminderungs- Ventil. Der
Weg der Luft ist in Abbildg. 24 schematisch
gekennzeichnet. A ist der Anschlusstutzen,
B und G bedeuten Ein- und Austritt der
Behälter und D das Druckverminderungs-
Ventil. Von D gelangt die Luft auf getheil-
tem Wege nach einem der Ventile E (das
in der Fahrrichtung hinten befindliche bleibt
geschlossen), welche zur Regelung des Ar-
beitsdruckes dienen, und von hier durch den Injektor F
in das Schlangenrohr des Erwärmers. Die Luft geht nun
nach den Zylindern und durchläuft auf dem Wege von
dem Hochdruck- nach dem Niederdruck-Zylinder {G—H)
zum dritten Mal den Erwärmer in einem Schlangenrohr,
um wieder auf 200° gebracht zu werden.
Die Regelung der Motoren geschieht durch zwei
wagrecht geführte Handhebel H, welche über einander
an dem Führerstande angebracht sind. Der eine bethätigt,
wie in Abbildg. 24 zu erkennen ist, das zunächst gelegene
Ventil E (das 2. Ventil E bleibt geschlossen), der andere
durch das mit R bezeichnete (jTestänge die Steuerung.
Diese Art der Kraftübertragung ist wesentlich einfacher
als bei den entsprechenden französischen Betriebsmitteln.
Die Steuerung (Veränderung der Füllung und der Fahr-
richtung) geschieht durch eine Steuerscheibe (Excenter),
welche auf einer Geradführung verschiebbar angeordnet
ist. Der Steuerhebel ist auf 25, 33 u. 60% Füllung ein-
stellbar nach Art der Lokomotiv-Steuerungen, so zwar,
dass der grösste Ausschlag der grössten Füllung entspricht,
sodass der Hebel von der mittleren Ruhestellung aus zu-
erst in die äusserste Lage gebracht und dann allmählich
zurückgestellt wird. Da auch für die Bremse in der
üblichen Weise ein besonderer Hebel vorgesehen ist, so
sind die vom Führer während der Fahrt zu bedienenden
Handgriffe sehr zahlreich und geeignet, seine Aufmerk-
samkeit vom Strassenverkehr abzulenken. Am Ende der
Fahrt werden wie beim elektrischen Wagen alle Hand-
hebel auf der einen Plattform abgenommen und danach
auf der anderen aufgesetzt.
Von der Anordnung eines Hochdruck- und eines
Niederdruck. Motors versprach man sich einen gleich-
Abbiklg. 22. Drehgestell mit Motoren. System Hoadley und Knight.
ihrer weitreichenden seelischen Wirkung einem anderen,
ganz eigentlich sprechenden Zweige der bildenden Kunst,
nämlich der Skulptur, verdankten. In der That enthalten
diese Figurenfelder der Tempelbauten, die Giebeldreiecke
Metopentafeln und sonstigen Friese Göttliches und Mensch-
liches in einer ausserordentlich packenden, jedem Griechen
verständlichen Art der Darstellung. — Nebenbei gesagt
findet dieser Schmuck eine Parallele in den mit Recht
als monumentale Biblia pauperum bezeichneten Skulp-
turen der glanzvollen Portale an den mittelalterlichen
Kathedralen. Zur vollen Geltung können diese Bildhauer-
werke, im einen wie in dem anderen Falle, aber doch
erst durch ihren untrennbaren Zusammenhang mit dem
sic umgebenden Architekturrahmen gelangen, und sind
deshalb mit Recht als ein Zubehör der Ar^iteklur selbst
anzusprechen.
Wenn wir nun heute noch geneigt sind, bewundernd
in den Quell griechischer Schönheit zu tauchen, obgleich
wir kaum imstande sind, einen schwachen Wiederschein
derselben durch die erhaltenen unscheinbaren Reste und
die mehr oder weniger unzulänglichen Abbildungen vor
unserer Phantasie entstehen zu lassen, so muss es umso
befremdlicher erscheinen, dass diese höchsten architek-
tonischen Kunstleistungen vor langen Jahrhunderten, wäh-
rend sie noch aufrecht standen und hinreichend erhalten
waren, so ganz in Vergessenheit gerathen und aller Wir-
kung nach aussen verlustig gehen konnten. Die Byzan-
tiner hatten im 5. Jahrhundert Parthenon und Erechtheion
noch mit einiger, vermuthlich unbeabsichtigten Schonung
des ursprünglichen Bestandes, jedenfalls ohne jedes Ver-
ständniss für ihre Schönheit, in christliche Kirchen umge-
wandelt; später, unter türkischer Herrschaft, war die
athenische Akropolis nur noch ein mit neuen Bastionen
umgebener fester Platz mit der in den Propyläen einge-
richteten Wohnung des Kommandanten, bis endlich durch
die um die Mitte des 17. Jahrh. erfolgende Belagerung durch
die Venezianer eine weitgehende, von explodirenden Ge-
schossen herbeigeführte Zerstörung eintrat. Indess er-
wähnt bis zu diesem Zeitpunkte keine Reisebeschreibung
die Bauten auf der Akropolis, sie waren für die ganze da-
maUge Kulturwelt verschollen. Und doch zeigen sich die
zwischen diesen Ereignissen liegenden Jahrhunderte als
Perioden einer unaufhaltsam fortschreitenden Kunstent-
wicklung, nur dass sich unterdess die Geister neuen
Idealen zugewendet hatten. Als dann endlich, am
Ende des 18. Jahrhunderts, das Gestirn der griechischen
Kunst wieder in frischem Glanze aufging, kam dies
einer vollständigen Neuentdeckung am Himmel der Kunst
gleich. — Weshalb hier die Schicksale der hervorragendsten
Gruppe griechischer Baudenkmäler etwas ausführlicher
geschildert sind? Weil sie typisch sind für das zeitweise
Erlöschen und Wiederaufblitzen der von den Kunstwerken
ausgehenden Wirkungen, und weil sie zugleich geeignet
sind, die Unsterblichkeit der grossen Kunstgedanken zu
beweisen. — (Schluss folgt)
230
No. 36
massigen Gang des Wagens; wenn beim Anfahren die
Hochdruck-Achse schleudern würde, so dachte man, dass
die dadurch dem Niederdruck-Motor zugeführte grössere
Luftmenge einen stärkeren Antrieb bewirken müsste.
Diese Erwartungen hat der Betrieb nicht erfüllt; man
konnte vielmehr bemerken, dass häufig beim Anfahren
die eine Achse eine ganze Reihe von Umdrehungen
machte, ehe die Wagen in Gang kamen. Das bewirkte
natürlich, abgesehen von der Abnutzung, ein ruckweises
erklang ein durchdringendes Geräusch wie von einer in
Schwingung versetzten Stahlplatte. Offenbar war die
Wahl zweier Motoren und das Fehlen der Achsen-
kuppelung für den Druckluftbetrieb ein Fehler. Auch
musste der Umstand, dass auf der Strasse eine Oelspur
das Gleis begleitet, als nicht gerade angenehm bezeichnet
werden. Trotz dieser Unannehmlichkeiten war das System
auf der Querlinie der 28. und 29. Strasse in New-York
mit 20 Wagen von 1897 bis 1900 im Betriebe.
Als Hauptzahlen der Wagen seien angeführt: Ge-
sammtlänge 9,40 Radstand 2,44 Raddurchmesser 762
Höhe der Plattform über Schienenoberkante 705 An-
zahl der Sitzplätze 20, Gewicht des Wagenkastens 2,7 t,
des Untergestells 2 \ der Luftbehälter 1,9 \ der übrigen
Ausrüstung 1,6 1, Leergewicht also 8,2 k
Für den Betrieb dieser Linie, den man als einen
Versuch in grossem Maasstab bezeichnen muss, hat die
Metropolitan-Strassenbahn-Gesellschaft an der Ecke der
24. Strasse und 13. Avenue (Lagepian Abb. 25) ein Kraft-
werk mit Behälterraum, Wagenschuppen, Ladestation und
Reparaturwerkstatt angelegt. Es sind vier Kessel von
Babcock & Wilcox vorgesehen, welche den Dampf liefern
für eine von E. P. Allis-Milwaukee gebaute, stehende Ver-
bundmaschine von 1000 P S. mit darunter liegender
4Stufiger Luftpumpe (Abb. 26). Der Vorhebe der Ameri-
kaner für grosse Einheiten entsprechend hat man hier
sogar auf jegliche Reserve verzichtet.
Die Zjdinderdurchmesser betragen 762 bezw. 1727
bei 1524 m™ Kolbenhub. Das j^Schwungrad besitzt einen
Durchmesser von 6706
Die vier Zylinder der Luftpumpen sind einfach wirkende
und zu je zwei in Tandem-Anordnung mit einem Dampfzy-
linder verbunden. Ihre Durchmesser betragen 1168, 610,
356 und 152 mm, die entsprechenden Endspannungen 2,8;
12,6; 56 und 196 at. Die Luftzylinder haben äussere Wasser-
kühlung; die Zwischenkühler der beiden ersten Stufen be-
stehen aus senkrechten Rohren zwischen den Zylindern,
die anderen beiden aus Schlangenrohren, welche durch
wassergefüllte Behälter geführt sind. Das Kühlwasser wird
dem nahen North-River entnommen. ’^ Die Maschinen-
Anlage wird durch den gegenwärtigen Betrieb nur zu etwa
ein Drittel ausgenutzt. Die Behälter zum Aufspeichern
der Druckluft liegen in einem besonderen Raum neben
Anfahren. Zur Behebung
dieses Uebelstandes er-
hielt nun versuchsweise
jeder Motor einen Hoch-
und einen Niederdruck-
Zylinder, und zwar arbei-
teten dabei stets dieZylin-
der einer Langseite hinter-
einander, wodurch die
Zahl der Rohrleitungen
und der etwaigen undich-
ten Stellen erheblich ver-
Abbildg. 25. Plan von New-York.
Abbildg. 26.
Druckluft-Zentrale der Metropolitan-Strassenbahn-Ges. io New-York.
grössert wurde. Im Betriebe trat in den Wagen ein starker der Maschinenstation und bestehen aus einer grossen Zahl
Geruch nach verbranntem Oel auf, das Arbeiten der Ma- von Mannesmann-Flaschen, die auf 350 d. h. etwa das
schinen und der Auspuff waren stark hörbar, und häufig Doppelte des Betriebsdruckes geprüft sind. —
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
Technisch vorgebildete Verwaltungs-Beamte, deren Nütz-
lichkeit in No. 26 einer Besprechung aus Bayern unter-
zogen worden ist, sind seit langer Zeit schon im Ham-
burger Staatsdienste in Thätigkeit. Abgesehen von den
technischen Baupolizei - Inspektoren, welche unmittelbar
unter dem Polizeiherrn der Stadt und ihrer Vororte, einem
juristischen Mitgliede des Senats, ihr Amt, ohne an die
3. Mai 1902.
Mitwirkung juristischer Amtskollegen gebunden zu sein,
dem Publikum gegenüber selbständig führen und nur in
besonderen und in Straffällen an ihren Chef heranzu-
treten genöthigt sind, ist auch das von einem Staatsmit-
gliede oder getheilt von mehreren derselben (Landherren)
verwaltete Landgebiet des haraburger ;Staates der Für-
sorge mehrerer juristisch und eines technisch ausgebilde-
ten Beamten fachweise anvertraut, f welche in der Regel
die Verhandlungen mit den einzelnen Gemeinden und
231
deren Angehörigen selbständig führen, jedoch die schrift-
lichen Ausfertigungen der Behörde ihrem Chef zur Ge-
nehmigung und Unterschrift vorzulegen haben. Nur selten
haben die Landherren, meistens kaufmännische Mitglieder
des Senats, neben ihrem eigenen Geschäfte und den kolle-
gialischen Senatsverhandlungen noch Zeit und Neigung
gehabt, sich bei den laufenden Angelegenheiten des Land-
gebietes in andauernder Arbeit zu bethätigen, für welche
innen der Staat ein vollgebildetes Beamtenpersonal zur
Verfügung gestellt. Als hamburgischer Wasserbau-Kon-
dukteur in Cuxhaven, ward ich im Jahre 1860 von einem
alterfahrenen juristischen Landherrn in das Amt des
Deich- und Baupolizei-Inspektors und technischen Beamten
der Landherrenschaft erwählt, welches ich bis zum Jahre 1873
verwaltet habe; neben der schriftlichen Ämtsinstruktion gab
er mir mündlich für die Führung des Amtes den Wunsch
mit auf den Weg, ich möge in den Landgemeinden nicht
lediglich als polizeilicher Aufseher und als Vollstrecker
obrigkeitlichen Willens auftreten, sondern mich bestreben,
das Vertrauen der seiner Fürsorge anvertrauten Land-
bewohner zu erwerben, sodass sie in mir, der ihnen bei
der Förderung ihrer Angelegenheiten mit seinem Rathe
hilfreich zur Seite stehe, einen patriarchalisch obrigkeit-
lichen Freund anerkennten. Die Nützlichkeit dieses Rath-
schlages für mein Amt wie für die mir anvertrauten
Gemeinden hat mir die Erfahrung meiner Amtsführung
vollauf bestätigt. Erleichternd tritt hier für Hamburg
freilich der Umstand hinzu, dass das Aufwachsen eines
künftigen Beamten in der Bürgerschaft einer freien Gress-
stadt von vorn herein eine allgemeinere, für Verwaltüngs-
angelegenheiten empfänglichere Vorbildung, die er schon
in sein späteres technisches Studium mitnimmt, zu ge-
währen vermag, als es in Städten monarchischer Staaten
vielfach möglich sein wird. — Hubbe.
Preisbewerbungen.
Einen Wettbewerb zur Förderung des Blumenschmuckes
der Wohnhäuser hat der Verschönerungs - Verein in
Garmisch erlassen, ein Vorgehen, welches wärmsten
Beifall verdient. Es handelt sich um den lebenden
Blumenschmuck an Hausfronten, Terrassen und Baikonen,
sowie um den Blumenschmuck einzelner Fenster. —
Zu dem Wettbewerb betr. Entwürfe für ein Brunnen-
Denkmal in Kempten waren 33 Modelle eingelaufen. Die
Ausführung wurde dem Entwurf „Schwaben" des Hrn.
Georg Wrba zugesprochen. Die beiden Geldpreise von
1500 und 1000 M. errangen die Bildhauer Hubert Netzer
und Ignatius Taschner, sämmtlich in München. —
Chronik.
Die Stadtgemeinde Aachen hat die Errichtung einer Lungen-
heilstätte im Preussenwalde endgiltig beschlossen. Zu dieser Heil-
stätte hat der Verein zur Förderung der Arbeitsamkeit 400000 M.
gestiftet. — ■
Der Plan einer Hafenanlage an der Oberspree in Berlin
mit Speichern und Silos, sowie mit Gleisanscliiuss, der schon seit
längerem die Stadtgemeinde beschäftigt, ist dem Vernehmen nach
von der städtischen Verkehrs-Deputation nach dem Entwürfe des
Stadtbaurathes Krause im Prinzip genehmigt und zwar mit einem
Kostenaufwande von 6,5 Mill. M., davon 1V3 Mill. M. Grunderwerb. —
Die Errichtung eines Konzerthauses in Dresden auf dem
Gelände des städt. Ausstellungsparkes am Grossen Garten ist mit
einem Aufwande von 400000 M. durch die Dresdener Stadtver-
ordneten beschlossen worden. —
Ueber die Errichtung einer technischen Hochschule in
Nürnberg ist dem bayerischen Landtag eine Denkschrift zuge-
gangen, nach welcher die Neubauten mit einem Kostenaufwande
von 4 M. in den Jahren 1904 — 1907 errichtet werden sollen und
die Eröffnung der Anstalt für 1907 bestimmt ist. —
Mit der Errichtung des Kaiser Friedrich-Denkmals in
Charlottenburg sind der Bildhauer Prof. J. Uphues und der
Architekt Prof. O. Schmalz betraut worden. Wir verzeichnen
mit Genugthuung, dass neben dem Bildhauer auch der Architekt
in der Oeffentlichkeit genannt wird, dem für die Gesammtanlage
des Denkmals eine nicht minder wichtige Aufgabe zufällt, wie dem
Bildhauer für den bildnerischen Theil des Werkes. —
Ein neues Zentralfeuerhaus in München hat die Gemeinde
zu errichten beschlossen. Der von Hrn. Brth. Reh len ausge-
arbeitete Entwui'f beansprucht 1260000 M., davon rd. 963000 M.
für das eigentliche Feuerhaus, 75 000 M. für den damit verbundenen
Marstall. Das Gebäude wird am Oberanger errichtet; etwa 223000 M.
der Bausumme sind zu einem Umbau vorhandener Häuser bestimmt. —
Die Vollendung der Ausschmückungs - Arbeiten der
Kaiser Wilhelm - Gedächtnisskirche in Berlin (Arch. Brth.
Franz Schwechten), wird zum 27. Fcbr. 1906, dem Tage der
silbernen Hochzeit des Kaiserpaares erwartet. —
Die Wiederherstellung des Erechtheions in Athen soll
durch die griechische archäologische Kommission beschlossen sein. —
Das neue Parlamentsgebäude in Budapest, das im gothi-
schen Stil gehaltene Werk des Prof. Steindl in Budapest, soll im
Oktober d J. vom ungarischen Reichsrath bezogen werden. Das
mit einem Aufwande von rd. 18 Mill. Gulden errichtete Gebäude
bedeckt eine Grundfläche von rd. 15 000 qm. —
232
Ein Denkmal König Ludwigs I. von Bayern in Regens-
Uurg (Bildh. Prof. Ferd. von Miller in Miinclien) wird am 8. Mai
enthüllt werden. —
Die Fortsetzung der Wiederherstellungs-Arbeiten an der
Marienburg erstrecken sich in der nächsten Zeit auf die Er-
neuerung der Schlossmauer, des Nordportales des Mittclschlosscs,
auf die Anlage neuer Zugbrücken, sowie auf Arbeiten zur Frei-
legung des Schlosses. —
Die Umwandlung des Metternich’schen Bades Königs-
wart bei Marienbad in Böhmen soll in grösstem Umfänge ge-
plant und zu den Entwurfsarbeiten Prof. J. M. Olbrich in Darm-
stadt berufen sein. Durch eine englisch-amerikanisch-österreichische
Aktiengesellschaft soll die Errichtung von Hotels, Restaurants,
Cafes, eines Theaters und Kasinos, einer Konzerthalle, von Tanz-
und Versamrnlungssälen , Ausstellungshallen, hydropathischen An-
stalten mit allen Nebenanlagen, wie elektrischen Licht- und Kraft-
werken usw. in Aussicht genommen sein. —
Zum Bezirks-Konservator des Regierungsbezirkes Kassel
ist anstelle des verstorbenen Bickell der ausserordentl. Professor
an der Universität Marburg, C. A. v. Drach, bestellt worden. --
Die Feier des Sojährigen Bestehens des Germanischen
National-Museums in Nürnberg findet am 16. Juni d. J. statt. Dei-
Umbau des ehern, Königsstiftungshauses ist vollendet und das Haus
am 26. April in Benutzung genommen worden. In ihm sind Biblio-
thek, Archiv und Kupferstichsammlung untergebracht. —
Eine Ausstellung vonWerken sächsischer und in Sachsen
lebender Künstler ist durch die Dresdener Kunstgenossenschaft für
das Jahr 1903 beschlossen worden; zu diesem Zwecke steht das
Ausstellungsgebäude auf der BrQhl’schen Terrasse zur Verfügung. —
Eine elektrische Schnellbahn Rom-Neapel soll als die erste
demnächst zur Ausführung kommen. Durch Umgehung der pon-
tinischen Sümpfe brauchten die schnellsten Züge zum Durchlaufen
der rd. 250 km langen Strecke bisher gegen 5 Stunden. Durch An-
lage eines direkten Weges durch die Sümpfe und durch Beschleuni-
gung der Fahrt hofft man die Fabrtdauer auf etwa 2 Stunden cr-
inässigen und die Züge vorwiegend am Tage laufen lassen zu
können. Durch diese Einrichtung würden die durch die pontinischen
Sümpfe vcranlassten gesundheitlichen Bedenken nach den Befür-
wortern des Planes nicht mehr ins Gewicht fallen. —
Personal-Nachrichten.
Preussen. Dem Eisenb.-Dir. Schnei dt io Beilin ist der
Char. als Geh. Brth. und dem Dir. der städt. Wasserwerke Beer
in Berlin der Char. als Brth. verliehen.
Ernannt sind: Die Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Struck in
Danzig , Scheibner in Bromberg , Roth in Krefeld , K a y s e r
in Königsberg i.Pr, Mertens in Kattowitz, Barzen in Frank-
furt a. M , K a u f m a n n in Altona , V o s s in Bromberg, Geber
in Essen a. R., Büttner in Magdeburg, S t e i 11 m a n n in Münster
i. W-, Kiel in St. Joh.-Saarbrücken , die Eisenb.-Bauinsp. Daus
in Berlin, Staud in Paderborn, Glasenapp in Washington
(z. Zt. in Chicago) und Meyer in Berlin zu Reg.- u. Brthn ; — die
Eisenb.-Telegr.-Iosp. Meyl in Erfurt und Hattemer in Stettin,
die Eisenb.-Masch.-Insp. U h 1 m a n n in Berlin, M a r t i n y iu Meinin-
gen und Schayer in Breslau zu Eisenb.-Dir. mit dem Range der
Räthe IV. Kl. und der Ing. Dieckhoff in Hamburg zum etatm.
Prof, an der Techn. Hochschule in Berlin.
Die Reg.-Bfhr. Friedr. Berghauer aus Berlin u. Hugo
Dormann aus Dierdorf (Wasser- u. Strassenbfeh.), — Anton
Ackermann aus Mayen u. Otto Z e n n i g aus Berlin (Eisenbfdi.),
— Heinr. Kahlen aus Vorst, Friedr, K 1 e i n aus Kassel und Paul
Reutener aus Danzig (Masch.-Bfeh.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Dem Reg.-Bmstr. Paul Rost in Mainz ist die nachges. Entlass,
aus deoi Dienste der allgem. Bauverwaltung und den Reg.-Bmstrn.
Herrn. Dernburg und Eug. Fabricius in Charlottcnburg die
nachges. Entlass, aus dem Staatsdienst ertheilt.
Der Wasserbauinsp. Brth. Brinkm an n in Steinau a. O. ist gest.
Sachsen. Verliehen ist: den Ob.-Brthn. Homilius, Klien
und v, Schünberg in Dresden das Ritterkreuz I. Kl. des Ver-
dienst-Ordens;— dem Geh. Hofrath Prof. Engels an der Teclin.
Hochschule in Dresden das Komthurkreuz II. Kl. des Albrecht-
Ordens; — dem Geh. Postrath Zopff in Dresden die Krone zum
Ritterkreuz I. Kl. des Albrecht-Ordens; — den Brthn. Cunrady
in Oelsnitz i. V., Harz in Chemnitz, Fleise in Rochlitz, Hole-
kamp in Chemnitz, Kaiser in Leipzig, Mehr in Zwickau und
Schimm er in Leipzig das Ritterkreuz I. Kl. des Albrechts-Ordens. —
Den Eisenb.-Dir. Dannen felsser in Leipzig u. Schön-
leber in Dresden ist der Tit. u. Rang eines Ob.-Brths., den
Bauiosp. C u n r a d i in Reichenbach, Decker in Bautzen, H a as e
in Dresden, Häbler in Freiberg, Pietsch in Zwickau und
Winter in Döbeln der Tit. u. Rang eines Brths. in der IV. KI.
der Hofrangordnung unt. No. 14 verliehen.
Briei- und Fragekasten.
Hrn. Arch. M. H. in Köpenick. Nach B. G.-B. §6i6 wird
ein Arbeitnehmer des Anspruchs auf Vergütung dadurch nicht ver-
lustig, dass er für eine verhältuissmässig nicht erhebliche Zeit
an der Dienstleistung verhindert wird. Dagegen wird achtwöchent-
liche Behinderung für „nicht erheblich“ kaum erklärt werden, selbst
bei zweijähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses. Mithin werden
Sie Ersatz der Ihrerseits gezahlten Vertretungskosten nicht zuge-
billigt erhalten und verspricht eine Klage, welche bei 240 M. bei
dem Amtsgerichte auszustellen wäre, keinen Erfolg. K. H-e.
Inhalt: Die Westthürme des Meisseuer Domes. — Das erzieherische
Element in der Architektur. — Ueber die Verwendung von Druckluft-Be-
triebsmitteln bei Kleinbahnen und städt. Strassenbahnen. (Fortsetzung). —
Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Chronik. — Personal-Nachrichten. —
Brief- und Fragekasfen.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert H o fm ann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 36.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 37. Berlin, den 7. Mai 1902.
Die Wiederherstellung der Stadtkirche in Friedberg in der Wetterau.
Architekt : Hubert Kratz in Friedberg.
(Hierzu die Abbildungen S. 236 u. 237.}
■Wie an Alterthümern reiche Stadt Friedberg be-
sitzt in ihrer Stadtkirche, der ehemaligen
jl I Liebfrauenkirche, ein Baudenkmal frühgoThi
I • I scher Kunst, welches nicht allein das kunst-
geschichtlich und architektonisch bedeu-
tendste Bauwerk des Grossherzogthums Hessen ist, son-
dern welches unter den deutschen Kirchenbauten über-
haupt eine hervorragende Stelle einnimmt. Die Vor-
läuferin dieser Kirche ist die St. Elisabethenkirche in
Marburg. Man geht nicht fehl, wenn man den Beginn
der Erbauung der Friedberger Kirche um die Zeit von
1260—1270 festlegt. Viele Architekturtheile am Chor
zeigen noch den romanischen Einfluss. Da, wo dicKirche
jetzt steht, stand früher eine romanische, zweifellos eine
Basilika. Die Fundamente derselben wurden bei den
Wiederherstellungs-Arbeiten gefunden. Sie sind im
Grundriss der Kirche (S. 234) eingezeichnet. Das in der
Kirche noch vorhandene Ciborium gehörte der früheren
Kirche an, ebenfalls zwei alte romanische Kapitale und
ein Taufstein, der sich jetzt im Nordkreuz befindet
Die Einweihung des Uauptaltars erfolgte im Jahre
1306 durch den Bischof Sifried von Cliur in Gegen-
wart der Königin Elisabeth, einer englischen Prin-
zessin, und der Herzöge von Sachsen und Oesterreich.
Es steht auch urkundlich fest, dass im Jahre 1410 noch
an der Kirche gebaut wurde, denn Kaiser Rupprecht
hat in diesem Jahre eine Verfügung erlassen, worin
er anordnete, dass der eine der beiden Hauptthürme
nicht höher gebaut werden sollte, als er jetzt ist, der
andere aber nicht höher als 40 Fuss hinaufgeführt
werden dürfe. Die Kirche stellt sich dar als drei-
schiffiger Hallenbau mit Querhaus, an das sich ein
fünfseitiger Chor, aus dem Achteck konstruirt, an-
schliesst. Charakteristisch für dieselbe sind ausser
den erwähnten Hauptthürmen an der Westseite, die
nicht ausgebaut sind, die südlich und nördlich ange-
(ügten Treppenthürme, die der ganzen Anlage eine
erhöhte malerische Wirkung und Kraft in der Struktur
verleihen. Diesen Eindruck unterstützen die in ge-
sunderDerbheit vorspringenden Strebepfeiler des Lang-
hauses, des Chores und des Querschiffes mit ihren
einfach schönen Fialenbekrönungen, deren Ornamentik
ebenso charakteristisch wie, dem Ganzen entsprechend,
schlicht ist. Lassen wir hierzu noch die auf dem
Hauptgesims ruhende Vierpassgallerie, die den Bau
gegen die Walmdächer wirkungsvoll abschliesst, in
ihr Recht treten, so haben wir ein Bild, wie es neben
der Elisabethenkirche in Marburg origineller in der Ge-
schichte der mittelalterlichen Baukunst nicht mehr be-
steht, denn dort, in Marburg, hat eine frühere Wiederher-
stellung, in Verkennung der Bedeutung der Walmdächer,
dieselben durch eine Dachkonstruktion ersetzt, welche
mit Rücksicht auf den spezifisch hessischen Charakter
des ursprünglichen Walmdach-Ausbaues, dessen Ori-
ginalität man anerkennen muss, eine künstlerische Be-
rechtigung so wenig wie eine historische besitzt. Auf-
fallend ist die Unscheinbarkeit des zwischen den Haupt-
thürmen liegenden Westportals. Dieselbe ist ja wohl
bedingt durch die massige Vorlagerung dieser Thürme
und wird ihren technischen Grund in der beabsichtigten
Benutzung der letzteren als Wehrthürme haben. Reich-
lich ausgeglichen wird jedoch dieser Mangel durch die
Halle unter denThOrraen, die in der Anlage eine Kühn-
heit zeigt, wie sie in Deutschland aus dieser Zeit einzig ist.
Vom Westportal aus betreten wir das Innere der
Kirche. Da sehen wir die zwölf mächtigen Pfeiler,
233
zwischen denen die Fenster des Langhauses und dessen
Wölbungen in reicher Abwechslung und Harmonie
erscheinen. Man blickt über den Lettner hinweg über
den lichtdurchflutheten Chor. Die herrlichen, Glas-
malereien aus der alten Zeit steigern bei hellem Sonnen-
schein die Wirkung in der Kirche zu einer grossartigen.
Nach Osten liegt der baugeschichtlich interessante
Lettner, wir durchschreiten denselben und erstaunen
über die Schönheit und den leichten Aufbau des uns
da entgegentretenden Sakramentshauses, das der §pät-
gothischen Zeit seine Entstehung verdankt. Dieses reiz-
volle Meisterwerk der dekorativen Steinmetzkunst ist
als aufsteigende Fiale gedacht, welche bis zu einery
Höhe von 14’” sich erhebt. Wie die Kirche über- 1
haupt, so hat auch das Sakramentshaus die Wirkung I
einer Kunstleistung ersten Ranges, ersonnen und aus-
geführt mit reicher Phantasie, wie sie den Werken ^
damaliger Zeit nicht allgemein eigen ist. Auf derselben
Stufe der höchsten Kunstfertigkeit steht das schmied-
eiserne Gitterwerk, welches das Sakramentshaus um-
giebt. Der ausserordentliche Werth desselben wird
durch die noch vorhandene ursprüngliche farbige Be-
handlung aller Theile erhöht. Die in den Chorwänden
eingebauten Sitzarkaden steigern die Wirkung und
den Reichthum in diesem Raume, der durch eine
mächtige und gliederreiche Anordnung der Dienste,
Fenstergewände und der Abwölbung wie aus einem
Guss erscheint. Auch das Langhaus wirkt architek-i
tonisch vornehm. Der Schlichtheit und Kraft der äusse- ^
ren Langhausanordnung entspricht die seiner Pfeiler
und Gewölbe im Inneren. Die Pfeiler wirken mit den
weitgesprengten Bogen anspruchslos und erhaben.
Die ganze Kirche hat eine Länge von 70“, eine
Breite von 24“. Die Höhe der Schiffe steht auf 17,80“
bis zum Gewölbeschlusstein. Die Kapitälhöhe steht
auf 12,10“. Das Mittelschiff ist 10“ breit, während
die Seitenschiffe 7“ Breite haben. . Vom Fussboden
bis zum Hauptgesims zählen wir 19,50“. Das Haupt-
gesims des Thurmes liegt 9“ höher. Die Kreuzblume
des Thurmes aber, die in Stein ausgeführt ist, befindet
sich in einer Höhe von 62“. Die Firstoberkänte des
Hauptdaclies und der Walme liegt 28“ über’ dem
äusseren Fussboden. Das Baumaterial ist Sandstein
aus dem Bruch in Bellmuth.
Die Gewölbe sind in Horizontalschichtung aus
Ziegelsteinen hergestellt, nur diejenigen im Querschiff
und Chor sind bei ihrer Wiederherstellung im Jahre 1899
in einer Stärke von 13*=“ in leichten Steinen ausge-
führt worden. Die mit Rippen versehenen Kreuz-
gewölbe der drei gleich hohen Schiffe werden von
runden und achteckigen, mit Diensten versehenen
Pfeilern getragen. Das Aeussere der Kirche ist der
schlichte Ausdruck des Inneren. Das Langhaus wird
durch 5 Strebepfeiler und durch die zwischen den-
selben liegenden Fenster angenehm bis zum Haupt-
gesims belebt. Ueber letzterem ist auf dem östlichen
Theile des Langhauses schon bei der Erbauung der
Kirche eine durchbrocheneMaasswerksgallerie mit Vier-
pässen angebracht worden, die aber erst bei ihrer
Wiederherstellung in den Jahren 1896 — 1901 um die
ganze Kirche geführt wurde. Das Mittelschiff des
Langhauses ist mit einem langen Dache überdeckt,
während über den Seitenschiffen jedes Joch ein Walm-
dach mit einer Kreuzblume trägt. Das Querhaus hat
an den äusseren Ecken der Westseite achteckige, vom
Inneren der Kirche aus zugängliche, durch Wasser-
schlagprofile in mehrere Geschosse getheilte und mit
beschieferten Holzpyramiden abschliessende Treppen-
thürme, die in zwei Abtheilungen mit Giebeln und
Fialen geziert sind. Ueber der Vierung erhebt sich
ein dem Dachstuhl aufgesetzter Dachreiter mit einer
Pyramide, die aus Holz hergestellt und mit Schiefer
bekleidet ist. —
Leider trug dieses Baudenkmal die Ursache seines
allmählichen Verfalles von Anfang an in sich. Wir wissen
von grösseren Reparaturen aus den Jahren 1503 und 1604,
aber nicht, welcher Art diese waren. Am Anfang
des vorigen Jahrhunderts zeigte sich der Verfall so
bedrohlich, dass man in den Jahren 1821 — 1824 ein-
gehende Ausbesserungen vornehmen musste, die sich
in der Hauptsache auf den Chor bezogen. Der mittel-
alterliche Stuhl auf dem Chore wurde damals leider
abgebaut, der Dachreiter aber gelassen und eine eiserne
Verankerung angebracht, welche die 4 Strebepfeiler
des Chores an ihrem oberen Haupte fasste. Man
mauerte ferner die beiden seitlichen Fenster des Chores
zu. Nachdem abe.r diese Maassnahmen einen weiteren
Verfall \richt hemmen konnten, schritt man 1842—1845
zu einer nochmaligen Wiederherstellung. Zwei Strebe-
pfeiler der am meisten gefährdeten Gewölbe und
Wände des Chores wurden in unförmlicher Weise
verstärkt; man lagerte ihnen mächtige Fundament-
quader unter und vor. Alles aber war umsonst, denn
der Grund des Verfalles lag anderswo. Endlich i. J. I884
begann man dem Uebel systematisch auf den Grund
zu gehen. Man beauftragte den grossherz. Kr.-Bmstr.
Schneller in Friedberg mit der Untersuchung der
Kirche. DasErgebniss dieserUntersuchung war ein sehr
betrübendes. Schneller hat nachgewiesen, dass die Ver-
ankerung, die den Chor der Kirche vor dem Aus-
234
weichen habe bewahren sollen, nichts genutzt habe,
und kam zu dem Ergebniss, dass sich der Chor in
seinem gegenwärtigen Zustande nicht mehr halten
lasse. Das Räthlichste wäre, denselben bis auf die
Fundamente abzubrechen oder, wenn dazu die Mittel
fehlen sollten, denselben durch eine ganz neue Ver-
ankerung mit der Westseite des gut erhaltenen Lang-
hauses in Verbindung zu bringen. Durcii den Vorstand
des Kirchenbauvereines wurde nun Kirchen-Bmstr.
Schwartze, welcher die Bauarbeiten der von Prof.
V. Schmidt in München wiederhergestellten Kirche zu
Oppenheim leitete, beauftragt, gleichfalls den Bau einer
Untersuchung zu unterwerfen. Infolge dieser Untersuch-
ung kam Prof. Heinr. v. Schmidt zur näheren Besich-
tigung der Stadtkirche nach Friedberg; derselbe hat ge-
meinsam mit seinem Vater, dem Dombmslr. v. Schmidt-
Dombmstr. v. Beyer in Ulm, Geh. Brth. Prof. Wagner
und Ob.-Brth. v. Weltzien in Darmstadt die Kirche
genau untersuchen und ein Gutachten über den bau-
lichen Zustand derselben ausarbeiten zu lassen. Das-
selbe wurde 1889 Obergeben. Imganzen w’ar dasselbe
mit dem Schneller’schen Berichte einverstanden, es
lautete aber inbetreff der Chorfrage zu unentschieden.
Dagegen betonte es, dass eine gründliche Wiederher-
stellung der Kirche nicht mehr aufgeschoben werden
dürfe und dass namentlich das Dach über dem Lang-
hause baldigst erneuert werden müsse, um letzteres
vor dem Verfall zu bewahren. In einer gemeinschaft-
lichen ^Sitzung der Staatsbehörde und des grossherz.
Ober-Konsistoriums einerseits, sowie des Kirchenvor-
standes und Kirchenbauvereines andererseits wurde
hierauf beschlossen, das Dach des Langhauses auszu-
Die geplante Erweiterung des Hafens ln Ruhrort.
Wien, dem Kirchenvorstande ein Gutachten übergeben,
in welchem der Abbruch des Chores und der Kreuz-
arme bis auf die Fundamentsohle empfohlen wurde.
Zu diesem radikalen und folgenschweren Umbau konnte
sich aber der Kirchenvorstand nicht so leicht und
schnell entschlicssen. Man war der Meinung, dass
der Bau doch erst gründlicher untersucht werden
müsse, che man zu einem solchen Schritte schreiten
dürfe, und veranlasste darum den Hrn. Ob.-Brth. Prof.
Schäfer, welcher damals in Berlin war, auch seiner-
seits den Bau zu untersuchen. Derselbe hat auch die-
sem Wunsche entsprochen und nach Einsichtnahme
der Verhältnisse mit aller Entschiedenheit vor dem
Abbruch des Chores gewarnt. So standen nun zwei
Meinungen einander gegenüber. Um zur Klarheit zu
kommen, beschloss nun der Kirchenvorstand, durch
bessern und neue Untersuchungen über die Haltbai'-
keit des Chores einzuleiten und auszuführen, Schwartze
sollte die Ausbesserung des Daches übernehmen. Der-
selbe unterliess es aber, den erhaltenen Auftrag aus-
zuführen. Das Dach ging daher seinem Verfall so sehr
entgegen, dass durch das Gewölbe hindurch das
Regenwasser in die Kirchenhalle cindrang. Andert-
halb Jahre mögen darüber hingegangen sein, als end-
lich im Frühjahr 1893 die Kirchenbehörde sich ent-
schloss, dem Kirchenvorstande vorzuschlagen, den
Arch. R. Opfermann-Mainz als Baumeister für die
Stadtkirche anzunehmen, dessen nächste Aufgabe die
Herstellung des Daches, die Aufnahme der Kirche und
die Ausarbeitung eines Bauplanes sein sollte. Der
Kirchenvorstand und der Kirchenbauverein gingen
auf diesen Vorschlag ein. — (Schin« folgt.)
7. Mai 1902.
»35
Die geplante Erweiterung des Hafens in Ruhrort.
(Hierzu der Plan auf Seite 335.)
Die Wiederherstellung der Stadtkirche
in Friedberg in der Wetterau.
Architekt: Hubert Kratz in Friedberg.
as preussische Abgeordnetenhaus hat vor rüstung. Die Mittel nun zur Erhaltung der Schiff-
kurzem in 3. Lesung einen Gesetzentwurf fahrtsstrasse sowohl wie zum Ausbau des Hafens
angenommen, nach welchem die Anlagen wurden bestritten aus den Schiffahrts- und Hafen-
des fiskalischen Hafens in Ruhrort mit abgaben, später aus den letzteren allein,^ ohne Inan-
einem Kostenaufwande von 13296800 M. spruchnahme allgemeiner Staatsmittel, hür grössere
eine zeitgemässe, durch die stetig wachsenden Ver- Ausführungen wurden mehrfach von der eine beson-
kehrs-Bedürfnisse dringend erforderte Erweiterung er- dere Stellung einnehmenden „Ruhrschiffahrts-Verwal-
“ tung“ Anleihen aufge-
nommen, Ueberschüsse
andererseits lediglich für
die Zwecke der Verwal-
tung zurückgelegt, ohne
dass sie den allgemei-
nenStaatseinnahmen zu-
gute kommen durften.
Diese Selbständigkeit
des „Ruhrschiffahrts-
fonds" ist durch Erlass
vom 28. Okt. 1850 aus-
drücklich bestätigt, wenn
auch dieRuhrschiffahrts-
Verwaltung seit dem
I. Jan, 1851 aufgehört
hat, eine besondere Be-
hörde zu bilden, viel-
mehr der Regierung in
Düsseldorf angegliedert
ist. Seit 1850 wurden alle
Hafenerweiterungeil le-
diglich aus den Ueber-
schüssen der Betriebs-
einnahmen ausgeführt.
Der Hafen von Ruhr-
ort, der verkehrsreichste
Binnenhafen Europas,
besass iSabeineWasser-
fläche von6,86^'*; i837bis
i842wurdeerauf 11,7
1860 — 68 auf 17 durch
Ausbau des Nord- und
Südhafens (vergl. den
Plan) und 1872 — 1890
durch allmählichen Aus-
bau des Kaiserhafens
auf 51,3 erweitert.
Ausser derWasserfläche
besitzt er 71 Fläche
zur Lagerungund4i,7‘'*‘
Wege-undGleisanlagen.
Seit 1890 hat der Ha-
fen keine Erweiterung
mehr erfahren, trotzdem
der Verkehr in demsel-
ben von 3435815 t fzu
1000^?) im Jahre 1890
auf 6 758 282.^ im Jahre
1901 angewachsen ist,
d. h. um 97 ”/o. Eine
weitere Steigerung des
Verkehrs ist aber mit
grosser Sicherheit zu
erwarten, wenn man be-
rücksichtigt, dass der-
halten sollen. Zu dieser
Summe kommt für den
Ausbau desHafen-Bahn-
hofes südlich von Mei-
derich noch eine unter
den einmaligen ausser-
ordentlichen Ausgaben
der Eisenbahn-Verwal-
tung aufgeführte Aus-
gabe von etwas über
5 Mill. M. hinzu, die sich
jedoch bei Ausführung
aller geplanten Anlagen
auf rd. 7 Mill. M. stellen
wird,
Die Kosten der Hafen-
erweiterungselbstsollen
durch eine Staatsanleihe
im Betrage von7 MillM.,
bezw. aus dem Kapital-
vermögen und den wäh-
rend der 4 — 5jährigen
Bauzeit zu erwarten-
den Einnahme - Ueber-
schüssen des „Ruhr-
schiffahrtsfonds "ge-
deckt werden, aus wel-
chem auch die Verzin-
sung mit 3V2 °/o und die
Tilgung mit i % der ge-
nannten Anleihe zu be-
wirken ist. {Die auf die
getilgten Anleihe - Be-
träge entfallenden Zin-
sen sind dabei ebenfalls
zur rascheren Tilgung
zu verwenden.)
Der Ruhrschiffahrts-
fonds ist eine eigenar-
tige, bis auf die Schiff-
barmachung der Ruhr
unter Friedrich dem
Grossen in den 70 er
Jahren des 18. Jahrh.
zurückreichendeEinrich-
tung. Durch den Bau
von Schleusen neben
den vorhandenen Müh-
lenstauen wurde eine
den damaligen Verhält-
nissen entsprechende
Schiffahrts-Strasse ge-
schaffen, die namentlich
der Entwicklung des
preussischen Hafens von
kuhrort, als dem älte-
sten und noch heute bedeutendsten Verschiffungs- selbe sehr wesentlich durch die Kohlenproduktion
platze für den rheinisch-westfälischen Kohlenbezirk, des rheinisch-westfälischen Kohlenbezirkes beeinflusst
zugute kam. Ging dann auch die anfangs überaus wird. An dieser hat der Hafen im zehnjährigen Durch-
lebhafte Schiffahrt auf der Ruhr selbst theils durch schnitt von 1890 —1900 mit rd. 10% theilgenommen.
Erschöpfung der unmittelbar an letzterer gelegenen Rechnet man für die riächsten 10 Jahre die gleiche
alten Kohlengruben, hauptsächlich aber durch den Zunahme von rd. 3 Mill. * jährlich für die Kohlen-
Wettbewerb der Eisenbahnen mehr und mehr zurück förderung (1890 im Oberbergamts-Bezirke Dortmund
35,5Mill.', im Jahre 1900 schon 59,6 Mill. wie für das ver-
und schliesslich vollständig ein, so wuchs andererseits
die Bedeutung des seit 1850 an die Eisenbahn ange-
gangene Jahrzehnt, so würde bei gleicher Antheilnahme
schlossenen Ruhrorter Hafens als Umschlagsplatz für desHafens einVerkehrszuwachs von jährlich 300000 »zu
das gesammte rheinisch -westfälische Kohlenbecken rechnen sein. Der Hafen ist aber schon jetzt an der
immer mehr, und dementsprechend steigerten sich auch Grenze seiner Leistungsfähigkeit angelangt, umso mehr,
die Ansprüche an die Hafenanlagen und ihre Aus- als die alten Hafenanlagen mit Rücksicht auf ihre
336
No. 37,
Grösse und Zugänglichkeit den modernen Ansprüchen
der Grosschiffahrt nicht mehr voll entsprechen. Durch
diesen Umstand namentlich ist Ruhrort hinter der
Nachbarstadt Duisburg, die mit vortrefflichen Hafen-
anlagen und mit den neuzeitlichen Ansprüchen ent-
gegenkommenden Einrichtungen ausgestattet ist, be-
reits verhältnissmässig zurückgeblieben; denn wäh-
rend 1890 von dem durch diese beiden Häfen ver-
mittelten Gesammt-Verkehr des rheinisch-westfälischen
Industriegebietes 66 %
auf Ruhrort, 34% auf
Duisburg entfielen, so
hat sich dieses Verhält-
niss 1900 auf 58%
bezw. 42% gestellt. Da-
bei ist die Ausnutzung
der Hafenanlagen in
Ruhrort für i nutz-
barer Uferlänge von
286 000 t umgeschlage-
ner Güter im Jahre 1890
auf 563 000 * im Jahre
1900 gestiegen. Trotz-
dem haben viele An-
sprüche nicht befriedigt
werden können; ver-
schiedene bedeutende
Firmen haben ihre Be-
triebe von Ruhrort ver-
legen müssen, die Ent-
stehung einer ganzen
Reihe von Umschlags-
plätzen, theils durch die
Nachbar - Gemeinden,
theils durch Private
für den eigenen Bedarf
geschaffen, ist eine Fol-
ge dieser Verhältnisse
und der erwarteten wei-
teren Verkehrs-Entwick-
lung. Eine Erweiterung
der Ruhrorter Hafenan-
lagen erscheint also als
eine Nothwendigkeit,
wenn diese ihre vorherr-
schende Stellung für
den Kohlen-Umschlags-
verkehr namentlich be-
haupten wollen.
Nach dem Entwürfe
soll östlich vom alten
Hafen die Erweiterung
angelegtwerden, für wel-
che neben dem Kaiser-
hafen unter gleichzeiti-
ger Verschiebung der
Ruhrmündung nach Sü-
den eine Einfahrt durch
einen neuen Hafenkanal
zu schaffen wäre. (Auf
dem Plane erscheinen
die neuen Flächen des
Hafengeländes dunkler,
während die Wasserflä-
chen der Becken und
des Hafenkanals heller
stehen geblieben sind.)
Der Hafenkanal ver-
mittelt den Zuzug zu 3 Hafenbecken : Ä, B, C, von denen
zunächst Jl und B ausgeführt werden sollen. Ein Durch-
stich in Höhe der Spitze der mittleren Hafenzunge ver-
bindet die neuen Becken mit dem Kaiserhafen. Die
Hafenbecken A und B und die Spitze der Hafenzunge
zwischen denselben werden zur Kohlenverladung mit
8 Kippern ausgerüstet. (Für zwei weitere ist Platz
am Becken B vorhanden.) Die Becken erhalten eine
Sohlenbreite von 100™, der Hafenkanal eine solche von
70"*; dieTiefeüberschrei-
tet um 30«="* noch das un-
terhalb Köln durch die
Verbesserung des Rhei-
nes erreichte Maass. Die
nutzbare Uferlänge wird
um 6,40 durch den
neuen Hafenkanal und
den Ausbau der Becken
A und B vergrössert.
Nimmt man also eine et-
was geringere Ausnutz-
ung an, als sie im alten
Hafen 1900 stattgefun-
den hat, nämlich5ooooo‘
auf I was bei der we-
sentlich günstigeren Ge-
staltung des neuen Ha-
fens jedenfalls zulässig
erscheint, so kann ein
Umschlagsverkehr von
3,2 Mill. * für das Jahr
durch die neuen Anlagen
bewältigt werden, abge-
sehen davon , dass die
Ausnutzung des Kaiser-
hafens durch bequeme-
ren Gleisanschluss an
den südlich von Meide-
rich anzulegenden neuen
Hafenbahnhof sich noch
in gewissem Maasse stei-
gern lassen wird.
Dieser neue Hafen-
bahnhof ist, w'ie ein Blick
auf den Plan lehrt, eine
nothwendige Folge der
Hafenerweiterung, die
von dem alten Bahnhofe
her keinen genügenden
Anschluss mehr erhalten
könnte. Letzterer soll in
Zukunft nur noch zur
Bedienung der älteren
Hafenbecken Verwen-
dung finden.
Von den Baukosten
der Hafen-Erweiterung
In dem schon genann-
ten Ges. - Betrage von
13296800 M. (ohne den
Hafenbahnhof) entfallen
2343000 M. auf Grund-
erwerb, I 700600 M.
auf Hafengleise und
784000 M. auf die ma-
schinelle Ausrüstung
mit Kohlenkippern und
Ladebühnen. —
Die Wiederherstellung der Stadtkirche in Friedberg in der
Wetterau. — Architekt; Hubert Kratz in Friedberg.
Mittheilungea aus Vereinen.
Mittelrheinischer Architekten- und Ingenieur-Verein ln
Darmstadt. In der Hauptvers. am 8. Dez. 1900 wurde zum
Vorsitzenden Hr. vonWillmann, am 28. Dez. Hr. Lands -
berg zum zweiten Vorsitzenden, Hr. Pützer zum ersten
Schriftlührer, Hr. Wagner zum zweiten Schriftführer und
Hr. Schild zum Rechner gewählt. Dem Vorstande ge-
hören weiter an die Hrn. Iraroth, Koch und Wickop.
In der I. ord. Versammlung am 14. Jan. 1901, zu der
13 Mitgl. erschienen, berichtete Hr. Has über die von
7. Mai 1902.
ihm erbaute Turnhalle in Bessungen. Der Bau ent-
hält einen grossen Turn- und Festsaal, eine Tageswirth-
schaft, Vereiiisräume und Zimmer für den Wirth und zeigt
bei verhältnissmässig sehr geringen Baukosten eine an-
sprechende Ausstattung und malerische Gruppirung.
Die II. ord. Versammlung fand am 28. Jan. igor statt;
es waren 13 Mitgl. und i Gast anwesend. Hr. Koch hielt
einen Vortrag über Wasserstandskarten und Hoch-
wasser-Benachrichtigungen in Ungarn. Er schil-
derte aufgrund eigener Anschauung bei Gelegenheit des
Fester Kongresses im Jahre 1899 die Thätigkeil der Deich-
237
und Meliorations-Genossenschaften im Donau- und Theiss-
gebiet und den eigenartigen, weitverzweigien Nachrichten-
dienst über Wasserstand, Niederschläge, Eisgang, Ueber-
schwemmungen usw. Ein reiches Kartenmaterial veran-
schaulichte die vom Ackerbau -Ministerium vorgeschrie-
benen graphischen Darstellungen. Nach Anschauung des
Redners steht Ungarn bezüglich der Wasserwirthschaft an
der Spitze, und namentlich in den beiden letzten Jahr-
zehnten wurde geradezu Vorzügliches geleistet. —
Zu der III, Versammlung am ii. Febr. unter Theii-
nahme von i6 Mitgl. und 5 Gästen hatte Hr. Patentanwalt
Dr. Wirth aus Frankfurt einen Vortrag über „Erfindung
und Muster, ihr Begriff und Recht“ übernommen. —
Am 2. März beging der Verein sein Winterfest. Es
war von über 100 Personen besucht und verlief dank den
künstlerischen und musikalischen Vorträgen, sowie einer
Theateraufführung auf heiterste Weise. —
In der IV. Vereins-Versammlung am ii. März unter
Anwesenheit von 23 Mitgl. und 24 Gästen hielt Hr. Prof.
Dr. Schenck einen Vortrag über den Hausschwamm
und seine Abarten, die Art seines Wachsthums, seine
Lebensbedingungen, sowie über die Verfahren zu seiner
Vernichtung. Hr. Hofmann zog alsdann im Anschluss
an das vom Verbände herausgegebene Werk über das
„Deutsche Bauernhaus", dessen erste Lieferung auslag,
einen interessanten Vergleich zwischen dem, was in den
alten Bauernhäusern zu finden ist, und dem,' was heutzu-
tage auf dem Lande gebaut wird. In zündenden Worten
schilderte er die Eigenart, den nationalen Charakter, die
malerischen Elemente der alten Bauweise und stellte sie
in Gegensatz zu dem traurigen Niedergang, der vor etwa
120 Jahren einsetzte und zu einem völligen künstlerischen
Bankerott auf diesem Gebiete führte. Das Ausland, be-
sonders England und Amerika, sei uns in der Werth-
schätzung und künstlerischen Durchbildung der ländlichen
Bauweise weit voraus. Es sei der Unterstützung der
besten Kräfte werth, auch in Deutschland wieder auf eine
schlichte, malerische, heimische Bauart hinzuarbeiten und
hierzu werde das vom Verbände herausgegebene Werk
wesentlich beitragen.—
Einer Einladung des Historischen Vereins folgend,
fanden sich die Mitglieder in grosser Zahl zu einem Vor-
trage des Hrn. Min.-Raihes Frhrn. von Biegeleben über
„Denkmalschutz in Hessen in Gegenwart und
Zukunft", am 25. März ein. Redner schilderte zunächst
die bisherigen bis zum Jahre 1818 zurückreichenden Maass-
nahmen zum Schutze der Denkmäler und entwickelte als-
dann die Grundgedanken des von ihm ausgearbeiteten
Gesetzentwurfes, der inzwischen Gesetzeskraft erlangt hat.
Mit diesen Maassregeln tritt Hessen an die Spitze der
Bewegung, die die Erhaltung des Denkmälerbestandes
durch Gesetzesschutz anstrebt. Es ist das eigenste, her-
vorragende Verdienst des Vortragenden, hierin bahn-
brechend gewirkt zu haben. —
Hr. von Weltzien fesselte die von 17 Mitgl. besuchte
VI. ord. Versammlung am 15. April durch eine mit grossem
Beifall aufgenommene Schüderung der von ihm im Auf-
träge der Invaliden- und Alters-Versicherungsanstalt für das
Grossherzogthum Hessen erbauten Lungenheilanstalt
bei S'andbach i. O. Die im prächtigen Mümlingthal, um-
geben von grossen Nadelwäldern, auf ausgedehntem Bau-
platze errichtete Ernst-Ludwig-Heilstätte erweist sich hier-
nach als eine sowohl in hygienischer Beziehung den hoch
sten Anforderungen entsprechende als auch in künstle-
rischer Hinsicht malerisch und wirkungsvoll ausgestaltete
Anlage, die als eine Musteranstalt ihrem Erbauer alle
Ehre macht, —
Am II. Mai fand im Anschlüsse an den Vortrag des
Hrn. von Weltzien eine Besichtigung der Ernst-Ludwig-
Heilanstalt bei Sandbach i. O. statt. Alle Theilnehmer
waren voll des Lobes über die schöne Anlage. —
Zur Wanderversammlung des mittelrhein. Vereins in
der Techn. Hochschule in Darmstadt hatten sich 33 Mitgl.
eingefunden. Vor Beginn der Verhandlungen hatte die in
der Aula ausgestellte Sammlung von Studienzeichnungen
der Studirenden der Architektur- und Ingenieur-Abtheilung
besonderes Interesse erregt.
Es wurde dann Beschluss gefasst über die zur Ver
handlung stehenden Verbandsfragen. (Inzwischen über-
-holt durch die Abgeordn.-Vers. -des Verbandes in Königs-
berg in Pr. Vergl. Jahrg. 1901, S. 501.)
Als Ort der nächsten Wanderversammlung wird Mainz
in Aussicht genommen. Anstelle der vier ausscheidenden
Vorstandsmitglieder Angelroth, Schipper, Sutter und Reu-
ling, von denen letzterer nicht wieder wählbar ist, wurden
die Hrn. Angelroth (Wiesbaden), Schipper (Wiesbaden)
Schobert (Giessen) und Sutter (Mainz) gewählt.
Hierauf wurde unter Führung des Hrn. Bauinsp. Diehl
der Museums-Neubau besichtigt, nachdem anhand von zahl-
reichen Zeichnungen die von Prof. Messel geleitete grosse
Bauanlage durch den Führenden erläutert worden War. —
Nach den Sommerferien fand die VII. ord, Vers, am
21. Okt. unter Theilnahme von 12 Mitgl. statt. Es schil-
derte Hr. V. Willmann den Verlauf der Abgeordneten-
Versammlung in Königsberg und gab eingehende Mitthei-
lungen über den neuen Schiffahrtskanal nach Pillau. Hr.
V. Weltzien ergänzte die Ausführungen des Redners noch
durch die Schilderung des Besuches der Marienburg. —
Zur VIII. ord. Vers, am 4. Nov. hatten sich 19 Mitgl.
und 2 Gäste eingefunden. Der Vorsitzende gedachte zu-
nächst in warmen Worten des am 29. Okt. verstorbenen
Hrn. _ Geh. Brth. Prof. Marx, eines Mitbegründers des
Vereins. Hr. Pützer erläuterte hierauf anhand einer
grossen Zahl von Zeichnungen das Burghaus Classen
bei Aachen, einen nach seinen Plänen vor kurzem aus-
geführten Neubau. —
An der IX. ord. Vers, am 18. Nov. nahmen 12 Mitgl.
und 2 Gäste theil. Hr, Reg.-Bfhr. Schettler machte als
Gast in anregender Weise ausführliche, auf eigene Wahr-
nehmungen und Studien gestützte Mittheilungen über die
Bauernkunst in der Lüneburger Haide. Eine seit
Jahrtausenden sich langsam und stetig ohne wesentlichen
Einfluss der Modeströmungen vollziehendeEntwicklung zeigt
uns hier die Geschichte des germanischen Hauses in seinem
Aeusseren ebensowohl wie in den vielseitigen Einzelheiten
der inneren Ausstattung. Die symbolischen Beziehungen
zu den grösstentheils dem heidnischen Kultus entstammen-
den Gebräuchen wurden besonders eingehend geschildert.
In der von 19 Mitgl. besuchten X. ord. Vers, am 2. Dez.
sprach Hr. Wegele über Fortschritte im Eisenbahn-
wesen. Er ging insbesondere auf die Betriebs- und Sicher-
heits-Verhältnisse ein, erörterte die Verstärkung des Ober-
baues und die Verbesserung der Betriebsmittel, der Stell-
werksanlageri und des Signalwesens, besprach die Tren-
nung der Anlagen für den Personen- und Güterverkehr,
sowie für denVerschubdienst beider Erweiterung der Bahn-
höfe und ging dann auf die Steigerung der Fahrgeschwin-
digkeit und die dadurch bedingten Maassnahmen ein. —
Die 35. Hauptvers. des Vereins fand am 14. Dez. 1901
unter dem ersten Vorsitzenden Hrn. v. Willmann statt.
AnsteEe der satzungsmässig aus dem Vorstande aus-
scheidenden Hrn. Landsberg, Koch, Wickop und Schild,
von denen die Hrn. Koch und Wickop nicht wieder
wählbar sind, wählte die Versammlung die Hrn. Knapp,
Schild, Stegmayer und v. Weltzien. Anstelle des ver-
storb. Hrn. Angelroth (Wiesbaden) wurde Hr. Genzmer
(Wiesbaden) gewählt. Die Wahl eines ersten Vorsitzen-
den fiel auf Hrn. v. Willmann, —
Arch.- u. Ing.-Verem zu Hamburg. Vers, am 21. Febr.
1902. Vors. Hr. Zimmermann, anwes. 134 Personen.
Hr. Dr. Classen hält einen Experimental-Vortrag über
drahtlose Telegraphie nach Marconi, Slaby und
Braun. Die drahtlose Telegraphie beruht auf der Steige-
rung der elektrischen Induktions- Erscheinungen durch
Steigerung der Wechselzahl der induzirenden Stromstösse
und auf deren Beobachtung durch geeignete Apparate.
Ausserordentlich hohe Wechselzahlen erhält man nach
Hertz bei der Funken-Entladung zwischen leitenden Kör-
pern z. B. Leydener Flaschen. Derartige heftige elektrische
Schwingungen sind im Stande, Induktionswirkungen auf
ausserordentliche Entfernungen wahrnehmbar werden zu
lassen. Für die Wahrnehmung dient der von Branly und
Lodge erfundene Kohärer, bestehend aus einer kleinen
Menge Metallpulver, die in einem Glasröhrchen zwischen
zwei Elektroden eingeschlossen ist. Das Metallpulver bildet
für einen schwachen Gleichstrom zunächst einen sehr
grossen Widerstand. Treffen jedoch elektrische Wellen
auf den Kohärer, so verschwindet der Widerstand grössten-
theils und der Gleichstrom vermag telegraphische Zeichen
zu geben, wenn man den Marconischen Kunstkniff anwen-
det, den Hammer eines Kasselers gegen den Kohärer an-
schlagen zu lassen, wodurch beim Aufhören der elektri-
schen Wellen der Kohärer sofort wieder zum Schweigen
gebracht wird. Zur Uebertragung der elektrischen Wellen
werden lange, meist senkrecht stehende Drähte benutzt,
welche nach Marconi geerdet sind. Analog der akustischen
Abstimmung von Stimmgabeln ist es möglich, den Sender-
und Empfängerapparat auf einander abzustimmen, indem
man sekundäre Induktionsspulen zur Uebertragung der in
Leydener Flaschen erzeugten Schwingungen auf den
Senderdraht benutzt und diese Spulen harmonisch ab-
stimmt. In der Anordnung, dieser Spulen und ihrer elek-
trischen Verbindungen unterscheiden sich gegenwärtig die
Systeme Marconi, Slaby (A. E.-G.) und Braun (Siemens &
Halske). Braun macht sich insbesondere von der Erd-
verbindung frei und gewinnt dadurch die Möglichkeit einer
vollständigen Regulirbarkeit vom Arbeitsraum aus; auch
238 No. 37.
hat Braun die Wirkungen der sekundären Uebertragung
von in Leydener Flaschen erzeugten langdauernden Schwin-
gungen zuerst klar ausgesprochen. Slaby benutzt anstelle
der Induktion die einfache Berührung der auf einander
abgestiramten Schwingungskreise. Redner erläutert die
Möglichkeit der verschiedenen Schaltungs- und Ueber-
tragungsweisen durch eine Reihe von Versuchen. Die
verschiedenen Systeme der drahtlosen Telegraphie sind
gleichwerthig hinsichtlich der Uebertragung zwischen dem
Sender und Empfänger. Die Unterschiede beruhen haupt-
sächlich auf den Einzelheiten der Erzeugung und Ver-
werthung der elektrischen Schwingungen in dem Sender
und Empfänger. — St.
Vereinigung Berliner Architekten. Gesellige Zusammen-
kunft vom 3. April unter Vorsitz des Hrn. Wolffenstein
und unter Theilnahme von 29 Mitgliedern und Gästen. Im
Saale waren ausgestellt Entwürfe des Hrn. Malers Franz
Eissing, eines Schülers des Prof. Schaper in Hannover.
Die Entwürfe zeigten figürliche Darstellungen für Glas-
malereien und für andere dekorative Malereien und er-
regten den ungetheilten Beifall der Versammlung. Zur
Tagesordnung berichtete Hr. Br. Möhring über die inter-
nationale kunstgewerbliche Ausstellung in Turin. Von dem
Hrn. Möhring übertragenen Raum der preussischen Ab-
theilung waren farbige Entwürfe ausgestellt. Die Male-
reien dieses Raumes sind den Malern Leistikow und
Männchen in Berlin übertragen. Hr. Maler Schirm
erläuterte die Technik der Emailmalerei, welche in aus-
gedehntem Maasse an verschiedenen Stellen des preussi-
schen Raumes zur Anwendung gelangt. Zu den frei an-
geregten Interessenfragen nahm Hr. Krause das Wort
und berührte u. a. die Angelegenheit der Umgestaltung des
Kunstausstellungs-Gebäudes am Lehrter Bahnhof inBerlin. ~
Die VI. ord. Versammlung vom i. Mai, an weicher
unter Vorsitz des Hrn. von der Hude 39 Mitglieder und
mehrere Gäste theilnahmen, ehrte zunächst das Andenken
des verstorbenen Ehrenmitgliedes C.,W. Hase in Hannover
undnahmweiterhindieMittheilungendesHrn.S eh Wechten
über alte und neue Mosaiken entgegen, welche durch
eine reiche Ausstellung von Aufnahmen und Nachbildun-
gen alter, sowie von Beispielen und Entwürfen für neue
Arbeiten unterstützt wurden, Unter den künstlerischen
Aufnahmen alter Arbeiten befanden sich sowohl solche
des Vortragenden, wie namentlich des Hrn. Hans Seliger;
Beispiele ausgeführler Arbeiten hatte hauptsächlich die An-
stalt für musivischen Schmuck von Puhl & Wagner in
Rixdorf vorgeführt, unter ihnen in erster Linie die nach
den Entwürfen Schapers gefertigten musivischen Arbeiten
für das Münster in Aachen.
Die Kunst des Mosaik ist nach dem Vorgänge anderer
Länder in den letzten 40 Jahren auch in Deutschland wieder
zu neuem Leben erwacht. Die Beispiele von Rom, Ra-
venna, Venedig und Palermo lehren, dass es für Monu-
mentalbauten keinen dauerhafteren, ernsteren und würdi-
geren Schmuck der Wände und Gewölbe giebt, als den
musivischen. Die grossartigste Entfaltung der musivischen
Kunst erfolgte im Dienste der Kirche; die grossen Flächen
der altchristlichen und frühromanischen Gotteshäuser ver-
langten eine dekorative Behandlung durch Malerei oder
Mosaik, wobei die verhältnissmässig kleinen Fenster frei
von farbigem Schmuck blieben, um den Schmuck der
Wände nicht zu beeinträchtigen. Die Gothik schränkte
die Wandflächen sehr ein und verwies den farbigen Schmuck
auf die Glasfenster. So kommt es, dass schon im 13. und
14. Jahrhundert die Kunst des Mosaik der Kunst der Glas-
malerei weichen muss. Zur Litteratur sind zu erwähnen:
Handbuch des Mosaik und der Glasmalerei von Elis (1891),
sowie ein Aufsatz „Zur Geschichte und Technik des Mo-
saiks" von Wagner im VII. Jahrg. No. 10 des „Monatsblatt
der Ges. f. Heimatkunde der Provinz Brandenburg".
Redner giebt eine kurze geschichtliche Darstellung der
Kunst des Mosaiks mit einer Charakterisirung der Haupt-
werke, und verweilt einige Zeit bei den frühchristlichen
Arbeiten; hier werden erwähnt die musivischen Arbeiten
in S. Constanza und im Baptisterium im Lateran in Rom;
das Mosaikbild inSanPudenziana, der Schmuck desTriumph-
bogens von San Paolo fuori le mura, das Apsisbild aus San
Cosmas und Damianus, die Mosaiken von San Prassede,
San Clemente, Sa, Maria in Trastevere usw. Wenn auch
die Kunst des Mosaik durch die Freskomalerei beeinflusst
wurde, so ist sie in Rom doch nie ganz vernachlässigt
worden; so finden sich in S. Croce in Jerusaleme in der
Unterkirche an den Gewölben treffliche Mosaiken nach
Zeichnungen von Baltha-^ar Peruzzi (1481 — 1536).
Neben Rom steht Ravenna; in seine weströmische
Periode fallen die musivischen Arbeiten am Grabmal der
Galla Placidia, am Dom, an Giovanni Evangelista, an
Giovanni Battista, an der erzbischöflichen Kapelle und am
Baptisterium der Orthodoxen. In die zweite, die ostgothi-
sche Periode, fallen Apollinare nuovo, das Baptisterium
der Arianer und der Palast und das Grabmal des Theodorich.
In die griechisch-oströmische Periode fallen S. Apollinare
in Classe und San Vitale. Aus Ravenna holte Karl der
Grosse die Mosaizisten für das Aachener Münster.
In Palermo hatte sich im 12. Jahrh. eine Schule griechi-
scher Mosaizisten gebildet, von welchen die Mosaiken des
Domes zu Salerno (1080), der normannischen Basiliken
Siziliens, namentlich von S. Maria del ammiraglio und der
Schlosskapelle von Palermo (1140), der Kathedralen von
Cefalu und von Monreale (1174) herrühren.
In Venedig gab der Bau von San Marco Veranlassung
zur Ausführung musivischer Arbeiten durch byzantinische
Künstler, die dann auch in den Domen von Murano, Tor-
cello und Triest thätig waren.
Bei der Schilderung der musivischen Arbeiten in
Deutschland verweilte der Vortragende längere Zeit bei
der Ausschmückung des Aachener Münsters, die nach den
Chronisten eine prächtige gewesen sein muss, die aber
spurlos verschwunden ist. Der 1849 begründete Carls-
verein hat sich die Wiederherstellung des Aachener
Münsters in der karolingischen Urgestalt zum Ziel gesetzt.
Die jetzt in der Kuppel befindlichen Mosaiken sind anfangs
der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts nach den
Entwürfen des belgischen Archäologen undMalersJ.Bethune
durch Salviati & Co. in Venedig ausgeführt worden. Zur-
zeit findet die Fortsetzung der Ausschmückungsarbeiten
nach den Entwürfen Schapers durch die Anstalt von Puhl
& Wagner in Rixdorf statt. — Nach der ursprünglichen
Mosaizirung des Aachener Münsters entsteht eine lange
Pause in der Kunst des deutschen Mosaik, Erst Kaiser
Karl IV. griff diese Kunst wieder auf und liess 1371
an der Südseite des Domes von St. Veit auf demHradschin
in Prag wahrscheinlich durch italienische Künstler ein
Mosaikgemälde, die Auferstehung der Todten, ausführen.
Vielleicht wurden durch Prag die Arbeiten an der Marien-
burg und am Dom zu Marienwerder angeregt. Nach einer
halbtausendjährigen Pause fand dann eine Wiederbelebung
der musivischen Kunst in Deutschland, allerdings zunächst
vom Auslande aus, statt. Die grösseren Arbeiten in Berlin,
das Rundgemälde an der Siegessäule, die Mosaiken am
Palais Pringsheim, amKunstgewerbe-Museum usw. stammen
noch von Salviati in Venedig. Die Giebelfelder des Hof-
theaters in München aus den neunziger Jahren gehören
wohl zu den letzten grösseren Arbeiten, welche in Venedig
für Deutschland hergestellt wurden. Erst zu Ende der
achtziger Jahre begannen in Deutschland die Versuche,
sich von Italien loszumachen. Als „Deutsche Glasmosaik-
Anstalt Wiegmann, Puhl & Wagner“ begann eine Berliner
Anstalt eigene Wege erfolgreich einzuschlagen; die An-
stalt trennte sich später in zwei selbständigeUnternehraungen.
Dem Aufschwung der musivischen Kunst in Deutschland
boten die Arbeiten an den 3 Gedächtnisskirchen inBerlin, der
Kaiserin Augusta-Gedächtnisskirche von Spitta, der Kaiser
Friedrich-Gedächtnisskirche von Vollmer und der Kaiser
Wilhelm - Gedächtnisskirche von Schwechten eine gute
Grundlage. Hinzu trat noch die in grösserem Umfange mit
musivischen Darstellungen geschmückte Berliner St. Geor-
gen-Kirche vonOtzen. Umfangreiche Arbeiten wird auch die
Ausschmückung des Berliner Domes dieser Kunst stellen.
In der Kaiser Wilhelm-Gedächtnisskirche sind bis jetzt
etwa 1700 q“ Gewölbe- und Wandflächen mit Mosaik be-
deckt; nach Vollendung der gesammten Arbeiten i. J. 1906
erreicht die Fläche den Umfang von 2740 q“; wenn man
von S. Marco in Venedig, welches etwa 4000 q"” mosai-
zirter Fläche hat, und vom Dome zu Monreale absieht,
so besitzt kein kirchliches Bauwerk des In- und Auslandes
einen musivischen Schmuck von dem Umfange, wie der der
KaiserWilhelm-Gedächtnisskirche. Dem Künstler desselben,
Prof. A. Linnemann in Frankfurt a. M., war die Aufgabe
gestellt worden, die Gewölbe und Wandflächen in ein-
facher Weise so zu behandeln, dass der farbenprächtige
Altarraum immer als Hauptpunkt der ganzen Ausschmückung
erhalten bliebe. Es ist deshalb von der Verwendung eines
grösseren figürlichen Schmuckes abgesehen worden. Nur
auf den Hauptflächen der grossen Vierung kamen vier Erz-
engel in prachtvollen Gewandungen und auf vier kleineren
Gewölbekappen die Kirchenväter Augustinus, Ambrosius
Athanasius und Chrysostomus zur Darstellung. Der Grund-
ton für die Flächen wurde durch ein Gemenge von zahl-
reichen Schattirungen in gelblichen, grünlichen usw. Farben
gebildet, auf welchem die Ornamente, vielfach nur in ein-
fachen Linienmotiven bestehend, in Gold eingelegt wur-
den. Es ist auf diese Weise eine Art Goldbrokatwirkung
erzielt worden, welche dem Kirchenraume eine weihe-
volle, aber trotz der aufgewendeten reichen Mittel ruhige
Stimmung verleiht. An verschiedenen Stellen ist von
einer Musterung ganz abgesehen; es wurden- hier die
7. Mai 1902.
239
Grundtöne ganz willkürlich mit den Goldsteinchen ver-
mischt. Hierdurch entstand eine so lebendige Wirkung,
wie sie durch Anwendung reiner Goldsteinchen nicht
hätte erreicht werden können.
Zum Schluss seiner mit reichem Beifall aufgenomme-
nen Mittheilungen gab Redner noch eine längere Aus-
führung über die Technik der musivischen Kunst,
bei welcher er durch die Erfahrungen von Puhl & Wagner
unterstützt wurde. — Im Saale waren .neben den den vor-
stehenden Vortrag illustrirenden Arbeiten eine grössere
Reihe dekorative Malereien des Hrn. Eckhardt, theiis
Aufnahmen, theiis Entwürfe, zum grösseren Theil in breiter,
flotter Darstellung, ausgestellt. —
Vermischtes.
Ein neuer Dübelstein als Ersatz für Holzdübel wird in
der Dampfziegelei zu Nied er nd odeleben bei Magdeburg
als Erfindung des Kreisbauinsp. Brth. Ochs hergestellt,
der ausser den sonstigen Vorzügen der Dübelsteine auch
den besitzt, den Holzdübel auch an Billigkeit zu über-
treffen. Er besteht aus gebranntem Thon, ist nagelbar
und es lassen sich Schrauben ohne Mühe einziehen. Seine
Form und Grösse sind die eines gewöhnlichen Mauerstein-
Dreiquartiers. Eine bestimmte Beimischungssubstanz, die
diesem Dübelstein neben hoher Widerstandskraft poröses
Aussehen und Aufnahmefähigkeit für Schrauben und Nägel
giebt, ist Patentgeheimniss des Erfinders. Die Verwen-
dungsweise ist dieselbe, wie bei den anderen Dübelsteinen,
d. h. er ist benutzbar nicht nur zu Thüren, sondern auch
zur Befestigung von Holzstufen auf Massivtreppen, über-
haupt zur Anbringung aller Holztheile an Massivmauern.
Bereits an verschiedenen Bauten in Magdeburg haben sich
die Ochs’schen Dübelsteine bewährt, darunter nament-
lich bei Neubauten der Eisenbahn-Direktion, wo stark in
Anspruch genommene Thüren der Wartesäle und Stations-
gebäude und an der Wand angebrachte Konsolbretter eine'
besonders dauerhafte Ausführung bedingten. Der Preis
eines solchen Dübelsteins beläuft sich auf ungefähr 7 Pf. —
Th.
Zur Erhaltung der alten Baudenkmäler. Eines der
wichtigsten Baudenkmäler, welches die kunstgeschichtlich
so lehrreiche Stadt Quedlinburg aufzuweisen hat, ist die
Krypta der einstigen Wiperti-Klosterkirche. Diese Kirche
ist als ein Theil des Wiperti-Klostergutes zurzeit im Be-
sitz eines Landwirthes und wird von ihm als Scheune
benutzt. Bei einem Besuch, den ich in der Osterwoche
d. J. in dieser Kirche machte, wurde mir seitens einiger
Arbeiter des Besitzers eröffnet, dass die Krypta vermauert
und eingefüüt sei. In welchem Maasse dies zutraf, konnte
ich nicht feststellen, es blieb mir nur übrig, mit Bedauern
über den Mangel an künstlerischem und geschichtlichem
Sinne, der ein so bedeutendes Baudenkmal nicht blos dem
Verfall, sondern der gewaltsamen Zerstörung überlässt,
von dem Ort zu scheiden. Sollte es unmöglich sein,
dieses Baudenkmal vor dem Untergänge zu bewahren? —
Stuttgart, April 1902. Ernst Fritz, Arch,
Korkteppich. Unter dieser Bezeichnung bringt die
Linoleum-Industrie ein Erzeugniss auf den Markt, bei
welchem in Aussehen und stofflicher Behandlung die
warme Wirkung des Teppichs erstrebt und auch nach
den uns vorliegenden Proben bis zu einem hohen Grade
erreicht ist. Der Bodenbelag, der elastisch weich ist und
keine bleibendenEindrücke schwererBelastungen annimmt,
wird hauptsächlich dort zur Geltung kommen, wo ein
weiches Gehen und Schalldämpfung in Frage kommen.
Im Uebrigen ist das Erzeugniss durch die gleichen Eigen-
schaften ausgezeichnet, wie das gewöhnliche Linoleum. —
PreisbewerbungeQ.
Von zwei Wettbewerben des Architekten- und Ingenieur-
Vereins zu München betraf der eine Entwürfe für eine
katholische Kirche in Windsheim. Unter 16 Arbeiten
wurden die der Hrn. Berndl, Schulz und Jäger als die
besten und unter sich gleichwerthig bezeichnet. Der andere
Wettbewerb betraf die Ausgestaltung der Pläuser-
gruppe am schönen Thurm in Erding. Hier waren
die Entwürfe derHrn.Rank undKnöpfle die besten. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. DicGarn.-Bauinsp.Brthe. Knitterscheid
und S c ii w e n c k von den Int. des V. u. X'VIII. Armee-Korps sind
zu Int.- u. Brihn. ernannt.
Baden. Verliehen ist vom Orden des Zährioger Löwen : dem
Geh. Rath Lions eil in Karlsruhe das Kommandeurkreuz I. Kl.;
dem Baudir. W a s m e r in Karlsruhe das Kommandeurkreuz ]I. Kl. ;
den Brthn. B e h a g h e 1 in Heidelberg und Kuttruf in Karlsruhe
das Ritterkreuz I. Kl. mit Eichenlaub; — dem Prof. Kossmann,
den Brthn. Rosshirt, Frhr. v. Babo, Cassinone u. Fliegauf
in Karlsruhe; den Ob.-Bauinsp. Walliser in Heidelberg, Wieser
in Rastatt, Kupferschmid in Mannheim, Frey in Donau-
eschingen, Friederich in Lahr, Keller in Wertheim, K a y s e r
in Bruchsal, Steinhäuser in Ueberlingen, Wundt in Wertheim,
Hofmanu in Offenburg, dem Brth. Stahl u. dem Ob.-Ing.
Roman in Karlsruhe, den Bahn-Bauiiisp., Ob.-Ing. Eissenhauer
in Singen u. Tegeler in Kehl, den Masch.-Insp., Ob.-Ing. Schön-
feld in Freiburg 11. Hallensleben in Karlsruhe, dem Stadtbrth.
Eisen] ohr in Mannheim das Ritterkreuz I. KL; — dem Hoch-
bauinsp. Herr in Ueberlingen das Ritterkreuz II. Kl. mit Eichen-
laub; — dem Eisenb.-Arch. Fromhold in Lauda das Ritter-
kreuz II. Kl. —
Ernannt sind; Der Ob.-Brth. S eyb in Karlsruhe 2. Geh. Ob.-
Brth. ; — der Brth. Kräuter in Karlsruhe z. Ob.-Brth.; — der
Masch.-Ing. Matten kl ott in Karlsruhe z. Reg.-Rth. ; — die
Bahnbauinsp., Ob.-Ing. Hofraann in Bruchsal , Buzengeiger
in Rastatt, die Prof. Schlüter, Levyu. Lauenstein an der
Baugewerkschule in Karlsruhe, die Ob.-Bauinsp. Obermülle r
in Offenburg u. Eisenlohr in Karlsruhe, Arch. S e itz in Heidel-
berg 2. Brth.; — die Masch.-Insp. Zutt in Mannheim, Gugler
in Darmstadt, Poppen in Karlsruhe z. Ob.-Ing.; — die Wasser-
u. Strassenbauinsp. Wiese in Mosbach u. W a g n e r in Bonndorf,
Bez.-Bauinsp. Lang in Bruchsal z. Ob.-Bauinsp.; — der Bez.-Ing.
Sichert in Karlsruhe 2. Kultur-Insp. ; — der Bez.-Ing. Meythaler
in Karlsruhe z. Wasser-Bauinsp. ; — die Eisenb.-lng; Brentano
iu Willingen, Michaelis in Karlsruhe u. F e s s 1 e r in Offenburg'
z. Bahnbauinsp., — der Eisenb.-Arch. Lu tz in Basel z. Llochbauinsp.
Brief- und Pragekasten.
Hrn. Arch. R. G. in Stettin. Selbst wenn Sie dem Nachbar
gegenüber ein Recht auf Duldung Ihrer Fenster durch Verjährung
erworben haben und ira Stande sein 'würden, dessen auf Schliessung
der Fenster gerichteten Klage durch den Verjährungseinwand zu
begegnen, was jedoch nach Ihrer Sachdarstellung keineswegs sicher
ist, würden Sie daraufhin noch nicht in die Läge kommen, die
Kraftloserklärung der Polizei-Verfügung vom ii. März d. J. zu er-
wirken. Denn die Polizei verlangt kraft öffentlichen Rechtes die
Schliessung der Fenster, weil nach dortigem Ortspolizeirecht die
Mauern an der Grenze als Hrandmaucro .zu behandeln, sind und
Fenster in Brandmauern nicht, angelegt.- werden dürfen.. Nur wenn
Sie nachweisen könnten, dass die Polizei die Anlage der vorhan-
denen Fenster gekannt und Ihnen genehmigt hatte, dass also in
einem früheren Zeitpunkte die Polizei die Gefalirlosigkelf dieses
Zustandes für das Gemein-wohl ausgesprochen hatte, würden Sie
vielleicht durch Verwaltungsbeschwei de - oder Verwaltungs-Streit-
klage gemäss Ges. vom 30. Juli 1883' § 127 ff. gegen die Polizei
mit dem Anträge vorgeben können, die erlassene Verfügung kraftlos
zu erklären. Da Sie jedoch die Beweislast trifft, eine. Anlage-Er-
laubniss nicht verlegen zu können , und da .Sie selbst anführen,
dass die Polizei-Akten eine Zeichnung des heutigen Zustandes nicht
besitzen, spricht das Uebergewicht der Wahrscheinlichkeit dafür,
dass sie beweisfällig bleiben und in einem anzustrengenden Ver-
fahren unterliegen würden. — K. H-e.
Hrn. Stdtbmstr. W. in Odenkirchen, i. Da die Anlieger-
beiträge im G. v. 2. Juli 1875 § 15 mit den erlassenen Ortsstatuten
ihre Stütze finden, haben sie die Eigenschaft öffentlicher Lasten,
welche auf den betheiligten Grundstücken ruhen. Für dieselben
sind deshalb die jeweiligen Grundstücksbesitzer dinglich vei'haftet,
ohne dass es einer Eintragung der Last im Grundbuchc bedurfte.
Schuldige Anliegerbciträge gehen bei der Zwangsversteigerung so-
gar den eingetragenen Hypotheken und Grundschulden im Range
vor. Mithin kann die Stadt die fälligen Anlicgerbeiträge von dem
derzeitigen Grundstücksbesitzer beitreiben, .dem jedoch unbenommen
ist, difcserhalb auf den Vorbesitzer oder auf diejenigen Beamten
zurückzugreifen, welche die rechtzeitige Beitreibung schuldhaft
unterlassen haben sollten. 2. Das Verlangen zur Regulirung von
Bürgersteigen findet in A. L.-R. II 17 § 10 mit Gesetz v. ii. März
1850 §§ 6, II seine Stütze. Es ist somit polizeilicher Natur und
kann gegen den derzeitigen Grundstücksbesitzer gerichtet werden,
welcher als solcher zur Herstellung der Anstalten verpflichtet ist,
welche aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit von
ihm gefoi'dert werden. Er würde vergeblich im Vcrwaltungsstreitver-
fahren gemäss G. v. 30. Juli 1883 §§ T27 ff. auf Kraftloserklärung
der polizeilichen Auflage klagbar werden. Ausgeschlossen ist je-
doch nicht, dass er wegen seines Aufwandes Rückgriffe gegen
seinen Vorbesitzer nehmen oder Ersatzklage gegen solche Beamte
anstellcn kann, welche schuldhaft unterlassen haben sollten, die
Verwirklichung der Bedingung im Bauerlaubnisschein rechtzeitig
zu betreiben. — K. H-e.
Hrn. Arch. L. K. in Bensheim. Ein Urthcil über den Inhalt
des zwischen Ihnen und dem Bauherrn zustande gekommenen Rechts-
verhältnisses gestattet llme Sachdarstellung nicht, weshalb die ver-
langte Auskunft über den Umfang der Ihnen zustehenden Ansprüche
nicht ci'theilt werden kann. Zu einer festen Abrede, was Sic zu
leisten haben wüi'den und auf welchen Unterlagen das Ihnen ge-
bührende Entgelt zu berechnen sei, ist jedenfalls nicht getroffen.
Sie können deshalb nur eine angemessene Vei'gütung der von dem
Bauherrn benutzten bezw. bestellten Arbeiten fordern. Was je-
doch wirklich geleistet ist, was der Bauherr angenommen hat und
was dafür angemessen ist, sind Fragen thatsächlicher Natur, über
die wir kein Bild gewinnen können. — K. H-e.
Hrn. H. O. in Köln. Die Direktion der Baugewerkschule,
die Sie besucht haben, dürfte am ehesten Ihre Fragen beantworten
können. —
Inhalt: 'Die Wiederherstellung der Stadtkirche ia Friedberg ia der
Wetterau. — Die geplante Erweiterung des Hafens in Ruhrort. — Mit-
theilungeu aus Vereinen — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Personal-
Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitimg, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 37.
240
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN
srsrajÄsrssatststsrsfarstst
AUZEITUNG.
GANG. * * N2: 38. *
DEN 10. MAI igo2.
istsrsrsjatstarststftscstarst
Von der Industrie- und Kunst-Ausstellung in Düsseldorf 1902. Abbildg. 5. Pavillon des Bochumei Vereins während der Montage.
Die Wiederherstellung der Stadtkirche in Friedberg in der Wetterau.
(Schluss) Hierzu eine Bildbeilage.
ipfermann nahm den Techniker Hugo Eisen-
hardt als Bauführer an, der das schadhafte
I Dach untersuchte und provisorisch herstellte.
' Im Jahre 1894 stellte Opferinatin als zweiten
Gehilfen den Architekten Paul Meissner aus
Frankfurt a. M. an, der in Verbindung mit Eisenhardt
die Aufnahme der Kirche in gewissenhafter Weise aus-
führte und zugleich im Inneren Gerüste zum Schutze der
Gewölbe des Chores, der Vierung und der Kreuzarme
aufstellte. Im Juni 1895 reichte Opfermann den Kosten-
anschlag (482500 M.) mit Skizzen und einen Bericht
ein, in welchem er sagte, dass er lange Zeit die Nieder-
Icgung des Chores und der Kreuzarme für eine Noth-
w'endigkeit gehalten habe, und wenn er heute, 1895,
glaube, dass an eine Erhaltung des Chores gedacht
werden könne, so geschehe es in der Voraussetzung
und in der Ueberzeugung, dass eine Fundament-Ver-
stärkung und eine gründliche Wiederherstellung des
Mauerverbandes an den gefährdeten Stellen möglich sei.
Dieses Verfahren sei umständlicher und gefährlicher,
als das Niederlegen und er verkenne die Schwierig-
keiten bei der Ausführung an den Fundamenten wie
an den aufgehenden Mauern keineswegs, aber die
Pietät für das altehrwürdige Bauwerk habe ihn zu dem
Entschluss geführt, den schwierigeren und verant-
w'ortungsvolleren Weg in Vorschlag zu bringen. Es
folgte nun noch eine Kunstraths-Sitzung am 30. Dez.
1895, neben den Mitgliedern des Kunstrathes
{Beyer, Schäfer, Wagner) Vertreter des Ministeriums,
des Ober-Konsistoriums, des Kreisamtes, des Stadt-
und Kirchenvorstandes und des Kirchenbauvereines
theilnahmen. Es wurde beschlossen, den Chor und
die Kreuzarme nicht abzubauen, nur die Gewölbe des
Chores und des Querschiffcs sammt den sie trennen-
den Gurtbögen herauszunehmen und die seitlichen
Fenster im Chor möglichst zu öffnen. Ferner sollten
die breiten Risse, die sich im Inneren und besonders
an den Blendarkaden zeigten, womöglich mit Werk-
stein geschlossen werden. Die Fundamente und das
Mauerwerk sollten verstärkt, erneuert und unterfangen
werden. Nun erst begannen die eigentlichen Wieder-
herstellungsarbeiten, die im April 1896 mit dem Ein-
tritt des Arch. Hubert Kratz in die örtliche Bauleitung
ihren Anfang nahmen. Die Erweiterungsbauten und
Schutzvorrichtungen an den inneren Gerüsten, die zur
Sicherung der Gewölbe eingestellt waren, wurden in
Angriff genommen und beendet. Der Abbau der Ge-
wölbe sollte beginnen. Da fanden sich im August
1896 in den Gewölbezwickeln und -Scheiteln unerw^artet
Malereien vor, die unter allen Umständen erhalten
werden mussten, wenn auch nur in Kopie. Gurlitt
und Borrmann setzten sie in die Mitte des 14, Jahrh.
und meinten, sie gäben mit der Malerei im Hansasaale
zu Köln den einzigen Anhaltspunkt für die Beurtheilung
der rheinischen Malerei des 14. Jahrhunderts. Man konnte
nun mit dem Abbau der Gewölbe beginnen. Derselbe
vollzog sich in den Monaten September und Oktober
1896. Diese Arbeit konnte, weil gefahrvoll, nur lang-
sam gefördert werden, zumal die Gewölbe in einem
sehr zerklüfteten Zustande waren. Alle Werksteine
der Rippen, Gurten und Schildbögen wurden vor dem
Abbau genau gezeichnet, nach diesen Bezeichnungen
in Pläne eingetragen, worauf die übersichtliche Ab-
lagerung des Materiales im Schiffe erfolgte. Bis da-
hin vollzog sich der Gang der Arbeit genau nach
dem Programm, welches der Kunstrath vorgeschrieben
hatte. Aber schon vor dem Abbau der Gewölbe und
während desselben, namentlich aber nach Hebung des
Dachstuhles, zeigten sich Bewegungen im Chor und
im Kreuzschiff, die durch das Springen der einge-
spannten Gipsstäbchen festgestellt wurden. Die Bau-
leitung wurde hierdurch gezwungen, die Risse, die
241
sich im Chor und in den Kreuzarmen zeigten, freizu-
legen, um den inneren Verband der Umfassungswände
untersuchen zu können. Das Ergebniss dieser Unter-
suchungen war, dass das grossherz. .Ministerium den
Abbau der nordöstlichen Ecke am 4. Dezember 1896
genehmigte.
Es wurde ferner am 3. Febr. 1897 durch den Kunst-
rath beschlossen, den Chor und das Kreuzschitf ab-
zubauen, die beiden seitlichen Chorfenster beim Wie-
deraufbau zu öffnen und auf dem Chor eine Dach-
gallerie entsprechend derjenigen am Langhause zu
errichten, die jedoch mit Fialen zu versehen sei.
Dieser Beschluss des Kunstrathes ward nun das
grundlegende neue Bauprogramm, das, gestützt auf
die Untersuchungen, Entwürfe und Studien der Bau-
leitung, zur Ausführung kommen sollte. Es ist be-
zeichnend für die Grösse eines Friedrich v. Schmidt,
der offenbar die Seele des im Jahre 1886 erstatteten
Gutachtens war, dass Zeit und Gang der Dinge ge-
nau das brachten, was er gleich zu Anfang mit kun-
digem Blicke vorausgesehen hatte. Der Abbau voll-
zog sich mit der nöthigen Umsicht, nicht ohne die
für den Kunsthistoriker erfreuliche Wiederauffindung
reichlicher Spuren romanischer Architekturen und Fun-
damente. Es fanden sich das Kranzgesims des frühe-
ren romanischen Seitenschiffes, das Hauptgesims der
südlichen Absiden und manche profilirte Werksteine.
Auch diese Stücke sind zeichnerisch und photogra-
phisch festgelegt worden und bilden eine Bereiche-
rung der hessischen Kunstgeschichte.
Die Bauleitung ist jetzt natürlich auch in der
Lage, die Ursachen festzustellen, welche den schönen
Bau so schwer gefährdet haben. Die Fundament-
aufdeckung ergab ein unverantwortlich schlechtes.
Material, das stellenweise ohne Lager einfach in den
Lehmboden gebettet war. Die Fundamentbreite ent-
sprach oft knapp der Sockelkante, ja es war verrauth-
hch den Leuten die Kenntniss davon, wo das Funda-
ment lag, überhaupt verloren gegangen. Auch das auf-
gehende Mauerwerk entbehrte des verbandfähigen
Materials und des bindefähigen Mörtels. Die tragen-
den Architekturtheile waren ohne Verband in sich
und mit dem Mauerwerk, so dass theilweise schlangen-
förraige Drehungen der Bündelsäulen eintreten mussten.
Die mathematisch-mechanische Berechnung ergab zu-
dem die unabweisbare Nothwendigkeit, die Vierungs-
pfeiler bedeutend zu verstärken. Diese, die im alten
Zustande 1,65“ lang und 0,85“ breit waren, erhielten
im Neubau nunmehr eine Länge von 2,085“; die Breite
blieb dieselbe.
Das erzieherische Element in der Architektur.
(Schluss.)
er innige Zusammenhang zwischen dem Geistesleben
der Völker und den von ihnen hervorgebrachten
Architekturwerken wird durch die Besonderheit des
jedesmal unter nationalen Bedingungen entwickelten stili-
stischen Ideals wohl hinreichend klar gestellt; schwieriger
zu erfassen ist die Rückwirkung, welche von diesen ab-
geschlossenen Formenkreisen auf die Charakterbildung der
Menschen ihrer Periode ausgeübt wird, schon deshalb,
weil wir diese geistigen Ausstrahlungen nicht greifbar
verkörpert vor uns sehen können. Einiges nach dieser
Richtung Hindeutende mag imFolgenden mehr hypothetisch
als beweiskräftig zur Erwähnung kommen.
Die Kirchenbauten aller Zeiten zeigen in erster Linie,
wie man die architektonischen Mittel in vollem Bewusst-
sein ihrer maassvollen see'ischen Wirkung zu benutzen
wusste. Die Grundriss-Gestaltung der altchristlichen Kirche
sowie ihre mittelalterliche Weiterbildung durch Doppel-
chöre und doppelte Querschiffanlagen war wohl wesent-
lich durch Kultuszwecke veranlasst, aber die durch den
Aufbau bewirkte Grossartigkeit der Raumgestaltung, wie
sie beispielsweise in der Basilika S. Paolo vor den Mauern
Roms, in S. Sophia zu Konstantinopel, in den romanischen
und gothischen Domen West- und Mitteleuropas hervor-
tritt, ging doch weit über den Gebrauchszweck hinaus
und sollte die Erhabenheit der Gottesidee verkünden. Eben-
so sind die unübertrefflich malerisch emporgipfelnden
Thurragruppen der romanischen Zeit ganz auf ästhetische
Wirkung berechnet. Es ist wohl anzunehmen, dass die
religiöse Begeisterung -der Massen durch derartige Bauan-
Unter strenger und gewissenhafter Beobachtung
aller einschlägigen kunstgeschichtlichen Forderungen
beim Abbau von Architekturtheilen gedieh der Auf-
bau des Chores und des Querschiffes im Herbste
1897 so weit, dass der Grundstein am 31. Oktober .
1897 feierlich gelegt werden konnte. Von diesem
Tage ab wurde unaufhörlich an dem Aufbau des öst-
lichen Theiles der Kirche gearbeitet und es konnte der
Bau bis April 1898 noch bis zum Kaffgesims fertig-
gestellt werden, obgleich die Steinmetzhütte, die in
Regie der Bauleitung betrieben wurde, eine grosse
Anzahl Werksteine neu herzustellen hatte, und eine
noch grössere Anzahl einer gründlichen Erneuerung
zu unterwerfen war. Bald zeigte sich, dass der Kosten-
anschlag vom Jahre 1895 zu niedrig angesetzt war,
namentlich waren die Steinmetzarbeiten viel zu ge-
ring veranschlagt worden. Ein zu Ende 1898 aufge-
stellter neuer Kostenanschlag hatte die Schlussumme
von 915364 M. Jedoch sollten die dort angegebenen
Arbeiten nicht alle ausgeführt werden; es wurde im
Laufe des Jahres 1900 die Bausumme auf 595 307 M.
festgesetzt, wozu noch ein Beitrag von 30000 M.,
welchen die Stadt Friedberg am i. Juni 1900 für die
Wiederherstellung der ihr gehörenden Thürme ge-
nehmigte, trat. Die genehmigte Gesammt-Bausumme
war daher 625 307 M.
Im Jahre 1899 wurde der Dachstuhl über dem
Chor und dem Querschiff neben dem Dachreiter wieder
aufgerichtet. Alsdann begann die Einwölbung des
Chorhauptes und des Querschiffes, die Wiederher-
stellung des Langhauses im Inneren und im Aeusseren,
des Langhausdaches mit seinen Walmen und die
Wiederherstellung der Westseite. Zu Beginn des
Wirthschaftsjahres 1899 — 1900 wurden zugleich mit
den oben angeführten Arbeiten die Fundamente der
Nord- und Südseite einer durchgreifenden Erneuerung
unterzogen. Die schlechten Steine wurden durch neues
Material in Bellmuther Sandstein ersetzt. Diese schwere
.'Arbeit erstreckte sich auf eine Tiefe von 2,50 “ von
Sockelunterkante ab. Auch das Sockelwerk, an dem
man kaum ein Profil erkennen konnte, wurde zumtheil
neu eingezogen.
Noch ehe alle diese und andere Arbeiten durch-
geführt waren, legte, nach Fertigstellung des Chores
und des Kreuzschiffes im Rohbau, der Architekt Opfer-
mann die Bauleitung am 31. Dez. 1899 nieder. Auf
Antrag des grossh. Ministeriums wurde die Bauleitung
nun dem Architekten Hubert Kratz übertragen, der die
Wiederherstellungs - Arbeiten zu Ende geführt bat.
Unter seiner Leitung wurde das Dachwerk des Lang-
lagen wenn nicht hervorgerufen so jedenfalls doch gesteigert
werden musste. Auch auf die Machtstellung der Hierarchie
möchte ein Abglanz dieser architektonischen Prachtent-
faltung zurückgestrahlt sein und ihr höhere Geltung ver-
schafft haben — man denke nur an die Bedeutung des
St. Peters-Domes für die römische Suprematie.
Wie es in neuerer Zeit den Anschein hat, will sich
der protestantische Kirchenbau zumtheil der ihm tradi-
tionell zu Gebote stehenden architektonischen Machtmittel
entschlagen und den einfach praktischen Predigtsaal als zu
erstrebendes Muster aufstellen. Es mag diese Richtung
immerhin einer berechtigten Wendung im protestantisch-
kirchlichen Leben entsprechen — obgleich damit mehr die
reformirte als die evangelische Konfession zur Geltung
kommt — , aber es darf doch wohl ausgesprochen werden,
dass mit dem Verzicht auf eine höhere architektonische
Ausbildung des Kirchengebäudes ein weiterer Anlass zu
der beklagten Gleichgiltigkeit der Menge gegen die neueren
Architekturwerke gegeben würde. Es werden ja zwar
immer noch Gotteshäuser von grossen Abmessungen und
vollendeten Kunstformen errichtet, sobald dieselben eine
Geltung als Staats- oder Stadtmonumente beanspruchen
sollen; aber auch diese Bauten werden nur dann dem
Zwecke, die zum Idealen erhebende Seite der Architektur
ins Licht zu stellen und auf grössere Kreise zu wirken,
vollständig Genüge leisten, wenn sie die alizunahe An-
lehnung an die bekannte historische Schablone zu ver-
meiden und sich, durch die Aufnahme und die Aus-
gestaltung neuer Ideen den. Weg zu den Herzen der
Mitlebenden zu bahnen wissen. Es wäre überflüssige
Mühe, wenn man versuchen wollte, mit Worten auszu-
drücken, wie eine- solche Aitfgabe zu lösen wäre; die
No. 38.
242
hauses um 15 gehoben, um erstens den Umfas-
sungswänden die Last abzunehmen und um zweitens
das Hauptgesims abbauen und wiederherstellen zu
können. Zu gleicher Zeit wurde das Mauerwerk der
Langhauswände unter dem Galleriegesims zumtheil,
namentlich an den Strebepfeiler-Endigungen, abge-
brochen. Mit der Erneuerung, dieses Mauerwerkes
und dem Neuaufbau der Strebepfeiler - Endigungen
wurde zugleich die Eisenkonstruktion gelegt und ver-
mauert. Die Erneuerung des südöstlichen Treppen-
thurmes hat grosse Mühe und Unkosten verursacht,
denn eine grosse Anzahl Werksteine war verwittert.
Die Maurerarbeiten im Inneren der Kirche erstreckten
sich in der Hauptsache auf die Reinigung der Werk-
steine und auf das Einziehen der neuen Rippen und
Gurte. An vielen Stellen waren diese durch Kanten-
pressungen stark beschädigt, ja geborsten. Eine gründ-
liche Wiederherstellung dieser Werksteine war unbe-
dingt nöthig. Durch das Ausweichen der Umfassungs-
wände nach Norden und Süden ist natürlich eine Ver-
änderung in der Lage der Rippen und Gurte ent-
standen. Diese zeigten Fugen bis zu einer Stärke von
ja die Kämpfersteine waren an 13 Stellen voll-
ständig abgedrückt. Zum Schlüsse des Wirthschafts-
jahres 1899 — 1900 konnten noch die Arbeiten für den
Schutz der Gewölbe während der Zeit der Dacherneue-
rung des Langhauses hergestellt werden. Das Gewölbe
wurde in den Zwickeln an 86 Stellen durchbohrt, und
es wurden in die Oeffnungen kupferne Röhrchen ein-
gelegt. Hierauf wurde eine starke Zementschicht über
alle Gewölbe gelegt. An Steinmetzarbeiten wurden
zu Beginn des Wirthschaftsjahres 1899—1900 vorerst
die Galleriemaasswerke , Gallerieabdeckplatten , die
Kreuzblumen für die Walme des Chores und die
Rinnen für das schon versetzte Hauptgesims in der
Hütte bearbeitet, hierauf die Rippen, Gurt- und Schild-
bögen der Gewölbe im neuerbauten Theile der Kirche,
Auch die Portalgewände des nördlichen und des süd-
lichenEinganges der Kirche wurden zum grösstenXheile
neu eingezogen, an- und beigetrieben. Alsdann wurden
an den Strebepfeilern des Langhauses alle Quader und
Profile, welche verwittert waren, durch die Hütte her-
ausgespitzt und neue Quader eingezogen. Die abge-
bauten Strebepfeilerköpfe waren stark verwittert. Ein
grosser Theil musste neu hergestellt werden. Nament-
lich hatten die nach Westen liegenden Strebepfeiler-
Endigungen der beiden letzten Jahre sehr stark ge-
litten. Dagegen zeigten sich , die Wasserspeier wohl
erhalten. Eine schwierige Arbeit war die Wiederher
Stellung einiger Maasswerke der Langhaus-Fenster.
rechte Lösung könnte in der Wirklichkeit nur durch eine
That des Genies erfolgen.
Die trotzigen Burgen der Normannen entsprachen dem
Charakter ihrer Bewohner und haben denselben vermutL
lieh noch in manchen Eigenheiten verschärft. Man kann
nicht genug die mannigfaltigen, von Klugheit und sogar von
Verschmitztheit eingegebenen inneren Einrichtungen be-
wundern, welche den Burgherrn nicht allein gegen Feinde,
sondern ebenso gegen den Verrath durch seine eigenen
Mannschaften sichern sollten. Derartige Vorkehrungen,
gegen welche die Wohnlichkeit des normannischen Donjons
ganz in den Hintergrund treten musste, finden sich nicht
im gleichen Maasse in den deutschen Burgen und können
deshalb umsomehr als eine besondere Eigenheit des
normannischen Riiterthnras aufgefasst werden. Da nun
. später, zurzeit der Renaissance, als unbefestigte Land-
schlösser anstelle der wehrhaften Burgen traten, ähnliche
Raumanlagen in jenen Schlössern wie früher in den Bur-
gen Vorkommen, und zwar wieder meist in französischen
Anlagen, nämlich versteckte Schlupfpförtchen, geheime
Gänge und Treppen, so darf man daraus wohl schliessen, dass
der durch die Bauart der Ritterzeiten verstärkte Geist der
Intrigue fortdauerte und auch das gesellschaftliche Leben
der Renaissanceperiode soweit beherrschte, um ähnliche
Einrichtungen ins Leben zu rufen; nur dass diese nunmehr
den galanten Abenteuern dieser Zeit dienstbar wurden.
ln verschiedenen Perioden, der Vergangenheit lässt
sich eine Wechselwirkung zwischen der baulichen Ge-
staltung der Wohnungen und den Sitten der Bewohner
wohl erkennen. Man braucht nur an die wesentlichen
Unterschiede in der Anlage der Hauptarten des deutschen
Bauernhauses, der sächsischen und der fränkischen Art,
IO. Mai 1902.
Auch Pfosteri dieser Fenster mussten zumtheil her-
ausgenommen und durch neue ersetzt werden. Die
Gallerie - Maasswerke wui'den gleichfalls gründlich
wiederhergestellt und der fehlende Theil durch neues
Maasswerk ersetzt. Die Bildhauer-Arbeiten an den
Fialen des Chores und des Langhauses, an den Kreuz-
blumen der Walme, sowie diejenigen an den Chor-
arkaden und Treppenthürmen sind zumtheil nach vor-
handenen alten Originalen und nach Modellen des Bild-
hauers Schöneseiffer-Marburg neu hergesteilt, zum-
theil nur ausgebessert worden. Das Blattwerk am Süd-
portal und der Löwe daselbst sind nach seinen Mo-
dellen neu hergestellt.
Die Zimmerarbeiten erstreckten sich in der Haupt-
sache auf die Rekonstruktion und Aufstellung der
Lehrbögen für die Herstellung der Gewölbe, auf das
Abbinden des Chordachstuhles und der beiden öst-
lichen Treppenthurmhelme. Eine der schwierigsten
und gefahrvollsten äusseren Arbeiten war der Abbau
der alten Dächer und die Herstellung der neuen Dach-
konstruktion bei offenem Gewölbe. Im Mai 1900 wurde
mit dem Abbau der Walme begonnen; Ende Oktober
stand das Dach des Langhauses fertig beschiefert da.
Der Dachstuhl des Langhauses hat 430 Tannen- und
Eichenholz. Die interessante Konstruktion des Dach-
stuhles ist auf Beschluss des Kunstrathes genau nach
dem altenDachstuhl, alsonach mittelalterlichem System,
ausgeführt. Auch die Steinkreuzblumen, welche auf den
Walmen sich befanden, sind wieder auf Eichenholz be-
festigt worden, damit auch diese Eigenthümlichkeit
unserer Kirche der Nachwelt erhalten werde. Der
Westgiebel, den die Bauleitung in Bellmuther Stein und
reichen Ornamenten auszuführen gedachte, wurde statt
dessen nur beschiefert und auf demselben das schmied-
eiserne gothische Kreuz (1410) befestigt, das nunmehr
in echter Vergoldung weithin sichtbar ist.
Der Entwurf für den Ausbau des oberen Theiles
am Plauptthurme an der Westseite ist zwar auch fest-
gestellt, doch musste die Ausführung desselben der
fehlenden Geldmittel wegen einer späteren Zeit über-
lassen bleiben. Die Maasswerksgallerie aber wurde um
die Westseite . herum und auch um den nördlichen
Hauptthurra geführt, sodass dieselbe jetzt um die ganze
Kirche läuft. Von den für die Erneuerung der West-
thürmcy die auf Antrag der Stadt ebenfalls in Regie
der Bauleitung ausgeführt wurde, genehmigten 30000M.
entfiel der grössteTheil naturgemäss aufdieAusführung
der Steinmetz- und Bildhauerarbeiten an der Westseite.
Im Laufe des Jahres 1900 — 1901 wurde auch der
innere Ausbau der Kirche eingeleitet und zur Vollen-
zu denken, um Ursache und Wirkung in einer ganz ver-
schiedenen Lebenshaltung der beiden Volkssiämme zu
finden. In anderer nicht minder bedeutsamer Weise
äussert sich die Einführung der Renaissance in den nor-
dischen Wohnhausbau. Die seitdem bequemen gerad-
läufigen Treppen, die vergrösserten Stockwerkshöhen,
die Lage der Zimmer an durchgehenden, geschlossenen
Wahdeigängen bilden eine scharfe Abscheidung gegen den
mittelalterlichen Hausbau und verschaffen den Bewohnern
die Möglichkeit eines genussfroheren, an traüiichem Be-
hagen... reicheren Zusammenlebens. Man thut der ' gothi-
schen Periode nicht Unrecht, wenn man ihr eine gewisse
Rauhheit der Sitten vorwirft und diese mit der durchweg
— allenfalls mit Ausnahme der Prunksäle — herrschen-
den Dürftigkeit der Wohnungen in Verbindung bringt. —
Das in neuester Zeit hervortretende Bestreben, das
Einfamilienhaus wieder zur ehemaligen Geltung zu brin-
gen gegenüber dem Ueberwuchern der kasernenartigen
Stockwerkswohnungen, beruht doch wieder aufderUeber-
zeugung von der Möglichkeit einer Beeinflussung des
Familienlebens durch die Art des Wohnens. Diese Mei-
nung dürfte auch nicht ohne Grund sein, da das Aus-
schliessen der engeren Berührung mit fremden Elementen
eine gewisse Bürgschaft für die unverfälschte und eigen-
artige Entwicklung der Einzelwesen in der Familie giebt.
Besonders kommt hierbei die aufwachsende Jugend inbe-
tracht. Leider sind auch in diesem Falle den Besten
materielle Schranken gesetzt und es wird dem modernen
Grosstädter ebensowenig gelingen, wie es dem der An-
tike möglich gewesen war, das Zusammenwohnen mehrerer
Haushaltungen in übereinander geschichteten Stockwerken
(Fortsetzung auf S. 246.)
243
düng geführt. Derselbe bezog sich in der Hauptsache Kirche gab, so unterstanden alle Wiederherstellungs-
auf die Wiederherstellung und den Wiederaufbau des Arbeiten der Aufsicht dieser hohen Behörde, bezw, dem
stark zerstörten Sakramentshauses, die Wiederher- Hrn. Geh. Ob.-Brth. Prof. KarlHofmanii in Darmstadt,
Stellung des Plattenfussbodens, die Aufstellung des Derselbe hat, unter Assistenz des Ob.-Brths. Kl ingel-
Gestühls, die Herstellung der Windfänge und des höffer, namentlich inden letzten Jahren der Bauleitung
Chorgestühls, auf die Wiederherstellung der Orgel, hilfreich zurseite gestanden und sie mit Rath und That
des Ciboriums und des Lettners, der nach dem Chore in allen technischen und künstlerischen Dingen in
eine spätgothische Maasswerksgallerie erhielt. Auch reichem Maasse unterstützt. Eine Lotterie hat nahezu
Von der Industrie- und Kunst-Ausstellung in Düsseldorf 1902.
diese Gallerie wurde in Bellmuther Sandstein ausge-
führt. Die Epitaphien, welche früher im Fussboden
des Chores gelegen haben, wurden an den Wänden
des Querschiffes und des Langhauses eingeniauert.
Alle Kunstverglasungen wurden durch Prof. A.
Linnem ann-Frankfurt a. M. ausgeführt, der nicht
allein die schwierige Erneuerung der drei werthvollen
alten Glasgemälde, der Chorfenster übemalim, son-
dern auch die neuen grossen Fenster lieferte und zwar
in einer Schönheit und Pracht, wie sie nicht oft Vor-
kommen. Seine Werke haben den ungetheilten Beifall
und die volle Zufriedenheit des grossherzoglichen Mini-
steriums gefunden.
Da die grossh. Regierung einen Staatszuschuss
von 200000 M. als Beihilfe zur Wiederherstellung der
170000 M. ergeben, fast 176000 M. hat die ev. Kirchen-
gemeinde, namentlich durch die Thätigkeit des Stadt-
kirchen-Bauvereins, aufgebracht. Als gewissenhafter
Arbeiter stand dem ausführenden Architekten der Tech-
niker Wilh. Schutt aus Dorheim 5 Jahre lang zurseite.
Heute steht nun die Kirche wieder in alter Pracht
und Würde da, als ein Juwel deutscher Baukunst, als
ein Werk, das Zeugniss ablegt von dem hohen Kunst-
sinn der heutigen Zeit, der hessischen Regierung und
Kirchenbehörde und der Stadt Friedberg. Mit Stolz
dürfen wir die Kirche als die Perle der Wetterau
und als ein Kleinod unter den deutschen Kirchen-
bauten des Mittelalters bezeichnen. —
Hub. Kratz, Arch. der Stadtkirche in Friedberg.
244
No. 38.
Abbildg. 3- Pavillon des .Hörder Bergwerks- und Hütten-Vereins.
Abbildg. 4. Kuppelbau der Industrieballe. Ingenieur: 0. Leitbolf, Berlin.
Allsgeführt v. Hein, Lehmann & Cie., Düsseldorf-Oberbilk.
JO Mai 1902,
Von der Industrie- u. Kunstausstellung
in Düsseldorf 1902.
III. Konstruktion und Einrichtung
einiger Ausstellungs-Bauten.
Bei der Konstruktion der Ausstellungs-Bau-
ten waren zwei einander eigentlich wi-
dersprechende Anforderungen, nämlich
einerseits an Weiträumigkeit, andererseits an
Billigkeit, mit einander nach Möglichkeit zu
verbinden. Bei der Industriehalle und den
beiden Haupt-Restaurants überwog der letz-
tere Grundsatz, und die Gebäude sind dem-
gemäss, wie schon erwähnt, in der Haupt-
sache in Holz, allerdings in stattlicher Spann-
weite und mit aussergewöhnlich grosser Bin-
der-Entfernung ausgeführt. Bei der Mehrzahl
der übrigen Ausstellungs-Gebäude bildet da-
gegen Eisen das hauptsächlichste oder aus-
schliessliche Konstruktionsmaterial. Den An-
forderungen an Billigkeit ist insofern Rechnung
getr^en, als die Spannweiten sich in mittle-
ren Grenzen halten und viele der Bauten so
angeordnetsind, dass sich ihre Hallen nach Been-
digung der Ausstellung und nach dem Abbruch
ohne wesentliche Veränderung als Werkstatts-
Ilallen wieder verwenden lassen. Bei der Be-
rechnung dieser Bauten waren dann natürlich
die zulässigen Bean.-pruchungen entsprechend
den baupolizeilichen Bestimmungen am Ver-
wendungsplatze zu wählen, während für die
vorübergehenden Bauten, allerdings erst nach
einigen Schwierigkeiten seitens der Düssel-
dorfer Baupolizei, 1250 für Flusseisen,
lookgyqcm jQr Zug Und Druck für Kiefernholz
zugelassen wurden. Der wagrechte Wind-
druck war dabei bis zu 30“ Höhe auf 125 •‘g/q»
darüber hinaus auf 150 gegebenenfalls sogar
noch höher anzunehmen. Bezüglich der Grün-
dung waren die Verhältnisse für die Mehrzahl
der Bauten insofern ungünstig, als sie auf der
frischen, stellenweise bis zu 9 m mächtigen Kies-
schüttung des aufgehöhten Ausstellungs-Ge-
ländes zu errichten waren, welche nur mit
der geringen Auf last von 1.5 kg qcm beansprucht
werden durfte. EineAusnahme hiervon machen
nur die wenigen Gebäude, die, wie die Ma-
schinenhalle, auf dem hochliegenden gewachse-
nen Ufer an der hinteren Ausstellungsgrenze
errichtet werden konnten.
^Massivkonstruktionen der Mauern kommen
nur vereinzelt bei kleineren Bauten vor; Aus-
mauerung der Eisenfachwerks- Wände findet
sich bei der Maschinenhalle und dem gemein-
samen Pavillon der Guten Hoffnungshütte und
der Deuizer Maschinen • Fabrik; im übrigen
sind die Wände vorwiegend mit Putz auf
Drahtnetz geschlossen.
Die Dächer sind meist auf Holzsparren
und Pfeilen verschalt und mit Dachpappe
bezw. mit gefärbten Leinenstoffen gedeckt.
. Von den hauptsächlichsten Gebäuden der
Ausstellung seien nachstehend einige nähere
Mitiheilungen gegeben.
a) Die Maschinenhalle.
Die Maschinenhalle schiebt sich, wie aus
dem Lageplan S. 164 ersichtlich ist, zwischen
den alten Kirchhof und die Krefelderstrasse
ein, die zumtheil zur Ausstellung hinzuge-
nommen ist. Dem sehr tiefen Bauplatze ent-
sprechend war eine Entwicklung des Baues
hauptsächlich nach der Länge gegeben. Die
Halle hat daher bei einem einfachen recht-
eckigen Grundriss eine Länge von 280™ (30®
mehr als ursprünglich geplant) bei 51,9'« Ge-
sammtbreite erhalten. Getrennt von der Halle
sind die Kesselhäu.ser eriichtet. Das ganz in
Eisen ausgeführte, in den Aussenwänden
Stein stark ausgemauerte und bei der Lage
auf gewachsenem Boden (-|- um D. P.) nur
auf einfachen Betonfumlamenten gegründete
Gebäude wird von der Maschinen - Fabrik
Hein, Lehmann & Cie., Düsseldorf-Ober-
bilk, für die feste Summe von 600000 M.
vorgehalten. Um die Eisenkonstrukiion wie-
der verwenden zu können, ist daher die Halle
in drei Längsschiffe getheilt, wie der Quer-
245
schnitt Äbbildg. i zeigt, von denen das mittlere 24»»
Spannweite, jedes der beiden seitlichen 13,95°^ Spann-
weite besitzt. Die Halle bedeckt eine bebaute Fläche
von 14 532 q“, wovon nach Abzug von rd. für Gänge,
sowie für die Vorhalle mit Bureau-, Restaurations- und
Nebenräumen noch 10371 qm znr Aufstellung der Maschinen
verbleiben. Die Mittelhalle besitzt vom Fussboden bis zum
Dachfirst (ohne die Laterne) eine Höhe von 19 m, während
die Seitenhallen sich bis zu 12® erheben.
Die Beleuchtung erfolgt bei den Seitenhallen durch
grosse Bogenfenster und durch Oberlicht im Laterneri-
aufsatz in ganzer Länge des Gebäudes; die Haupthalle
erhält ebenfalls Seitenlicht und Oberlicht, sodass imganzen
65% der bebauten Fläche ah Lichtfläche vorhanden sind.
Die Beleuchtung ist dementsprechend eine sehr gute. Die
Ventilation wird durch Jalousien und Dachfenster bewirkt.
Die Eindeckung besteht in Dachpappe auf Schalung.
Die Konstruktion der Halle geht aus dem Querschnitt
und aus der Aufnahme während des Baues hervor. Die
Dachbinder liegen in 5® Abstand, die mit den Fundamenten
fest verankerten schweren Fachwerks-Stützen jedoch, um
an Uebersichtlichkeit und Bewegungsfreiheit zu gewinnen,
in je lom Entfernung; die Zwischenbinder der sehr leicht
wirkenden Dachkonstruktion finden auf Fachwerks-Längs-
trägern ihr Auflager. Weitere Fachwerksträger bilden
die Schienenträger der Laufkrahne, deren Laufbahnen in
II bezw. 6,7 m Höhe angeordnet sind. Im Mittelschiff sind
3 Laufkrahne von je 30 ^ in den Seitenschiffen je 4 Krahne
von . 10— 15 t Tragfähigkeit, alle mit elektrischem Antrieb,
aufgestellt.
Die Montage der Halle erfolgte in einfachster Weise
mittels Böcken und Flaschenzug. Zunächst wurden die
Stützen mit Hilfe derselben gehoben, auf den Betonfunda-
memen aufgestellt, mit diesen verankert und unter sich
verbunden, dann die in 2 Theilen angelieferten, auf der
Erde zusammengesetzten Dachbinder mit je 2 Böcken ge-
hoben und aufgestellt.
Es sei an dieser Stelle gleich auf die Ausstattung der
Maschinenhalle mit Betriebsmaschinen (natürlich selbst
Ausstellungsgegenstände) für den Licht- und Kraftbedarf der
Ausstellung eingegangen. Wie schon erwähnt, sind für beide
Mittheilungen aus Vereinen.
Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin. In der Vers, am
8. April gedachte der Vorsitzende, Hr. Min.- Dir. Schröder,
des Ablebens des Reg.- und Brths. Nowack. Dann berichtete
Hr. Geh. Brth. Lo ebner über die von der „Studien-
gesellschaft für elektrische Schnellbahnen“ im
vergangenen Herbst auf der Strecke Marienfelde-Zosseri
der Militär-Eisenbahn veranstalteten Versuchsfahrten *).
Die Fahrversuche sind mit den von van derZypen&Charlier
in Deutz erbauten und von der Allg. Elekir.-Gesellschaft
und der Siemens & Halske A.-G. mit den elektrischen
Einrichtungen versehenen beiden Schnellbahnwagen im
September 1901 aufgenommen worden.
Bei diesen Fahrten, bei denen der von den Berliner
Elektr, -Werken aus dem Kraftwerk Oberspree gelieferte
Vergl. hierzu auch den illustrirten Artikel io No. i6, i8 und 20 d. J.
Zwecke je rd. 6000 P.S. vorgesehen. Diese Kraft wird von
26 Dampfmaschinen geliefert (darunter eine von 3000 P.S.),
die meist mit den zugehörigen Dynamomaschinen unmittel-
bar gekuppelt sind. Ausserdem werden noch 2 Gas-
motoren von 250 bezw. 50 P.S. der Deutzer Gasmotoren-
fabrik, die neben der Generatoranlage derselben in ihrem
eigenen Pavillon untergebracht sind, zu den genannten
Zwecken mit herangezogen, Diese Maschinen liefern
Gleichstrom von 220, 2 x 115 und 2 x 220 Volt, Dreh-
strom von 2000 und 5000 Volt, sowie Wechselstrom von
IO 000 Volt Spannung.
Zur Dampferzeugung sind neben der Maschinenhalle
2 Kesselhäuser angeordnet, von denen das grössere mit
16 Dampfkesseln von zusammen 3500 q® Heizfläche, 12 Atm.
Spannung, ausgestattet ist; es reicht allein aus, um die
gesammten Maschinen der Kraft- und Lichtzentrale mit
Dampf zu versorgen. Die Ke.ssel sind für Steinkohlen-
feuerung berechnet. Es besitzt 2 Schornsteine von 58 ®
Höhe, 2,5 ® oberem, lichtem Durchmesser. Das kleinere
Kesselhaus, am hinteren Ende des Maschinenhauses lie-
gend, ist mit 3 Kesseln von zusammen 300 q® Heizfläche,
8 Atm. Spannung, ausgestattet. Es dient zum Antrieb einiger
besonderer Maschinen im hinteren Theile der Halle und
ist für Braunkohlen-Feuerung berechnet. Es besitzt einen
Schornstein von 43 ® Höhe und 1,5 ® oberem lichtem Durch-
messer. Die Maschinen der Kraft- und Lichtzentrale ar-
beiten säramtlich mit Kondensation, für welche zwei Ober-
flächen-Kondensationsanlagen, Kühlthürme usw. vorge-
sehen sind.
Erwähnt sei, dass eine dritte Kesselanlage, ausschliess-
lich für den eigenen Bedarf bestimmt, sich im Ausstellungs-
gebäude des bergbaulichen Vereins für den Ob.-Berg-
amtsbezirk Dortmund findet. Es sind dort 6 Kessel mit
1000 q® Heizfläche, 12 Atm. Dampfspannung, für Stein-
kohlenfeuerung berechnet, aufgestellt. Der Schornstein
besitzt eine Höhe von 50 ® und 2 ® oberem lichtem Durch-
messer. Es soll dort eine Förderanlage in vollem Be-
triebe mit, einer Fördermaschine von 800 P; S-, einer
Wasserhaltungs-Maschine für nicht weniger als 25 cb®
Wasserfördefung in der Minute bei 500® Förderhöhe,
mit Luftkompressoren usw. vorgeführt werden. —
(Fortsetzung folgt.)
Drehstrom von 13000 V. Spannung als Betriebskraft diente,
wurde, wie bekannt, die Höchstgeschwindigkeit von idoi^®
in der St. oder 44 ® in 1 Sek. erreicht. Die Versuche haben
gezeigt, dass es möglich ist, einem mit der nahezu doppelten
Geschwindigkeit der Schnellzüge fahrenden Motorwagen
von einer feststehenden Luftleitung aus elektr. Energie-
mengen von 700—800 Kw. selbst bei ungünstigster Witte-
rung sicher zuzuführen und dass der Verwendung von
Drehstrommotoren für hohe Fahrgeschwindigkeiten keine
Bedenken entgegenstehen. Die Versuchsfahrten haben
ferner erwiesen, dass es möglich ist, die angegebene Ge-
schwindigkeit auf einer zweischienigen Bahn normaler
Bauart zu erreichen. Die besonders schwierigen und
wichtigen Aufgaben des Unternehmens sind damit der
Lösung bereits nahe gekommen. Der Verlauf der Fahrten
war ein sehr günstiger und infolge der getroffenen Sicher-
heitsmaassregeln ist während der ganzen Versuchszeit kein
desselben Gebäudes zu vermeiden. Der seit langer Zeit
eingebürgerte Abschluss jeder Einzelwohnung gegen das
der Oeffentlichkeit angehörende Haupttreppenhaus durch
eine einzige Thür, eine Einrichtung, deren Fehlen in
seinem elterlichen Hause noch Göihe lebhaft beklagt, be-
seitigt zumeist dieNachtheile der Stockwerks- Wohnungen, in-
dem sie dieselben einigermaassen gegeneinander absondert,
indess bleibt immer der gefährliche Verkehr auf den Hinter-
treppen für Kinder und Dienstboten offen. — Die Mehr-
familienhäuser für Arbeiter bleiben ebenfalls eine unum-
gängliche Nothwendigkeit; ob aber ihr Zusammenbau zu
ausschliesslichen Arbeiterkolonien vortheilhaft sei, ist be-
kanntlich noch ein bestrittener Punkt.
In den Bauten für öffentliche Profanzwecke hat Deutsch-
land in den letzten Jahrzehnten wahre Triumphe gefeiert,
und wir besitzen jetzt eine Anzahl Bauwerke dieser Art,
die sich mit jedem des Auslandes messen können. Indess
mag doch daran erinnert werden, wie lange es angestan-
den hat, bis bei uns eine ähnliche Höhe der Ausbildung
erreicht war. Die büraukratische Schablone, welche früher
vielfach die Armseligkeit der öffentlichen Bauten zur
Staatsraison erhob, wollte nur schwer einer frischeren
Auffassung Platz machen. Das endliche Durchdringen
einer solchen kann nur mit Genugthuung begrüsst werden,
da es doch besonders die öffentlichen Bauwerke sind,
welche die Stellung der Architektur in der öffentlichen
Meinung bestimmen. Aus diesem Grunde sollte es niemals
zulässig sein, die öffentlichen Bauwerke auf den Stand-
346
punkt gewöhnlicher Bedürfnissbauien ohne künstlerische
Erscheinung herabzudrücken. Nur beiläufig bemerkt, weil
im losen Zusammenhänge mit dem engeren Gebiete der
Architektur stehend, fehlt uns immer noch ein Museum für
mittelalterliche Skulpturen, wie es das grosse Gebäude auf
dem Trocadero in Paris in so vorzüglicher Weise bietet
und wie es zum Studium der Kunst dieses Zeitraumes gar
nicht mehr entbehrt werden kann.
Nach allem Vorigen ist es kaum noch nöthig, darauf
hinzuweisen, dass ein Stadtbild in seiner Gesaramtheit
selbstverständlich ähnliche seelische Eindrücke hervorruft,
wie es die einzelnen Gebäude vermögen. Nach einem;
Ausspruche Göthes müssten die Bürger einer kunstmässig^
gebauten Stadt des höchsten sinnlichen und religiösen Ge-
nusses theilhaftig werden: „Der Geist kann nicht sinken,
die Thätigkeit nicht einschlafen, die Bürger fühlen sich
am gemeinsten Tage in einem ideellen Zustande.“ —
Um nun nach den oben gegebenen Einzelheiten noch,
einmal den allgemeinen Standpunkt betreffs der Möglich-
keit einerklärenden, befreienden und erhebenden Wirkung
der Architektur auf das Gemüth der Miilebenden zu be-
tonen, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass diese allein,
von dem geistigen Werihe des Gebotenen abhängt. Nur.
eine idealisirende, die harmonische Erscheinung des Aeusse-
ren mit der stirnmungsyoUen Raumbildung des Inneren in;
„neuer“ Weise verbindende Architektur kann den Anspruch
erheben, als ein wichtiger Kulturfaktor gleichwerthisj mit
den Leistungen der anderen Zweige der bildenden Kunst
No. 38.
Unfall und keine Beschädigung, weder der Theilnehmer
an den Fahrten, noch der im Schuppen und auf der
Strecke beschäftigten Arbeiter vorgekommen. Psychi-
sche Einwirkungen der hohen Fahrgeschwindigkeiten
auf das Führerpersonal oder die übrigen Miifahren-
den sind nicht zutage getreten. Selbst bei den Fahrten
mit mehr als 150 km Geschwindigkeit in der Stunde rief
der Ausblick aus dem Wagen keinerlei unangenehme
Empfindungen hervor, das Äuge gewohnte sich bald an
das schnelle Auffassen der Gegenstände in der Umgebung
der Bahn. Genaue Berechnungen über die Kosten des
elektr. Betriebes lassen sich noch nicht aufstellen, weil
dazu die Anzahl der ausgeführten Messungen noch nicht
ausreicht und weil die Höchstgeschwindigkeit, für welche
die elektr. Einrichtungen gebaut sind, auf dem verhältniss-
mässig schwachen Oberbau der Militär- Eisenbahn nicht
mit Sicherheit erreicht werden konnte. Dazu ist ein
stärkeres Gleis, wie solches in neuerer Zeit auf den Staats-
Eisenbahnen eingelegt wird, erforderlich.
MitRücksicht auf die grosse Wichtigkeit, welche der Be-
antwortung der Frage über die Sicherheit und Wirthschaft-
lichkeit der elektr. Zugförderung mit grosser Geschwindig-
keit auf Hauptbahnen beigelegt wird, hat die Eisenbahn-
Brigade, mit Genehmigung des Hrn. Kriegsministers, die
Vornahme der Versuchsfahrten auf der Militär-Eisenbahn
gestattet. Dies war für das ganze Unternehmen von ausser-
ordentlichem Werihe, denn anderenfalls würde die Erlan-
gung einer geeigneten Versuchsstrecke kaum überwindbare
Schwierigkeiten verursacht haben. Nachdem nunmehr der
preuss. Hr Minister der öffentl, Arbeiten sich in dankens-
werther Weise bereit erklärt hat, der Studiengesellschaft
den weiter erforderlichen stärkeren Oberbau zu über-
weisen, sollen die Versuche im nächsten Herbst fortge-
setzt werden, um die in Aussicht genommenen höheren
Geschwindigkeiten zu erreichen und ein sicheres Urtheil
über die Durchführbarkeit des elektr. Schnellbetriebes auf
Vollbahnen in technischer und wirthschaftlicher Beziehung
zu gewinnen. —
Hr. Reg.-Rth. Höppener wurde als einheimisches
ordentl. Mitglied in den Verein aufgenommen. —
Arch.- u. Ing -Verein zu Magdeburg. Unter Vorsitz des
Hrn. Müller hielt in der Sitzung am 9. April d. J. Hr. Brth.
Harms einen Vortrag über die Heizung des Magde-
burger Domes. Nachdem 1883 ein Entwurf für eine Fuss-
heiznng verworfen war, machten sich seit dem Jahre 1890
wieder Bestrebungen zur Einführung einer Heizung des
Gotteshauses geltend. Es wurde ein Wettbewerb zur Er-
langung geeigneter Entwürfe ausgeschrieben, aus welchem
die Fhma Liebau in Mageburg- Sudenburg als Siegerin
hervorging. Ihr Entwurf wurde mit einigen baulichen Ab-
änderungen zur Ausführung gebracht. Auf dem Grund-
stück der Regierung wurde das Kesselhaus in einer Tiefe
von 7 “ unter dem Dorafussboden erbaut — eine Tiefe,
welche die Rückleitung des Kondens-Wassers mit natür-
lichem Gefälle nach den Kesseln ermöglicht. Es sind 3
Cornwall-Kessel mit je 72 1“^ Heizfläche, mit Treppenrost
und selbstihätigem Zugregler aufgestellt. Der 26^ hohe
Schornstein ist möglichst versteckt angeordnet. Der Dampf-
druck wird auf 0,5 Atm. gehalten. Vom Kesselhause führt
unter dem Remtergang hindurch ein begehbarer Kanal,
in welchem die Rohre untergebracht sind, nach dem Dome,
wo sich die Rohre nach den Heizkörpern verzweigen.
Letztere sind da aufgestellt, wo die abgekühlte Luft sich
sammelt und zwar so, dass die Architektur nicht beein-
trächtigt wird. Neben den Längswänden der Seitenschiffe
ziehen sie sich im Fussboden entlang, im Hauptschiff
liegen sie hinter den untersten Scheiben der Hochschiff-
Fenster. Auch auf den Emporen, dem Bischofsgang und
dem Orgelchor sind verdeckte Heizkörper untergebracht.
Besondere Schwierigkeiten entstanden bei der Unter-
bringung der Heizkammern unterhalb der vorerwähnten
Fenster des Hochschiffes durch den knapp bemessenen
Raum zwischen diesen und den Dächern der Seitenschiffe.
Hier mussten die Heizöffnungen entsprechend der oberen
Bleiverglasung vergittert werden, um sie dem Auge zu
entziehen. Um die Entstehung von Zugluft beim Betreten
des Domes zu verhüten, wird angeheizte Luft zugeführt
durch in die Vierungsthürme und in die Windfänge ein-
gebaute Heizkammern, so dass nur vorgewärmte Luft in
das Dominnere gelangen kann. So lange die Kirche ge-
schlossen ist, werden diese Heizkammern zur Erwärmung
der Innenluft nach entsprechender Umstellung der Ab-
schlussklappen benutzt. Während des ganzen Winters
wird dauernd eine Wärme von 8— lo^^C. erzeugt, um eine
zu starke Abkühlung zu verhindern. Die Kosten der Ge-
sammtanlage beliefen sich auf 120 500 M., wovon 42400 M.
auf die eigentliche Heizung, 21500 M. auf die Dachver-
änderung und 56600 M. auf Nebenanlagen entfallen. Die
Betriebskosten sind auf 5—6000 M. jährlich veranschlagt.
Den lehrreichen Ausführungen, die mit Dank aufge-
nommen wurden, folgten noch weitere Erläuterungen von-
seiten des Hrn. Brth, Fritze über die Umstände, die zum
Bau dieser umfangreichen Anlage führten. Eine zahlreich
besuchte Besichtigung der Neuanlagen fand drei Tage
später statt. —
Vermischtes.
Der Wabenziegel. Der durch Gebrauchsmusterschutz
gesicherte Wabenziegel des Arch. Albin Kühn in Heidel-
berg, über welchen wir in No. ii d. J. kurz berichteten,
kommt in zwei Grössen und Stärken zur Ausführung. Die
grössere Platte, Abbildg. r, 22/42^01 gross, 20““ dick, mit
6^5 mm Wabengrund und 7 mm starken sich nach vorn auf
4 mm verjüngenden Stegen und mit Seitenfalzen ausge-
rüstet, soll mit 15 cm Ueberdeckung verwendet werden
und so ein leichtes, dichtes D^ach ergeben. Die kleinere
Platte, Abbildg. 2, 18/36«“ gross, 16““ dick, mit 5,5“™
Wabengrund und 6 mm starken auf 3,5““ sich verjüngen-
den Stegen, soll als Bieberschwanz für Doppeldach in
Anwendung kommen und so ein leichtes und dichtes Dach
ergeben, welches zugleich die Einwirkung von Wärme
und Kälte möglichst abwehrt. Aehnhch wie die gewöhn-
lichen Falzziegel sollen diese Wabenziegel mit starkem
Druck aus feinstem und dichtestem Thon gepresst werden,
aus weichem sich Platten von grosser Festigkeit, ebener
Form und langer Dauer brennen lassen- Durch die unter-
brochenen Berührungsflächen wird bei einem solchen
Dache das Festhalten von Regen- und Schneewasser be-
gewürdigt zu werden. Selbstverständlich kann es sich
immer nur um den Einfluss der zeitgenössischen Leistun-
gen handeln, denn von der vererbten Verehrung der Denk-
mäler irgend einer früheren Periode, welche durch die
Patina der an sie geknüpften historischen Erinnerungen
theilweise dem engeren Bereiche der Kunst entrückt sind,
muss in diesem Falle ganz abgesehen werden. Sie ist
höchstens geeignet, den Werth des Neuen herabzusetzen,
indem sie nöthigt, einen höheren Maasstab der Schätzung an-
zulegen. Soll also diemoderneArchitektur die ihr ersichtlich
entgegenstehende Gleichgiltigkeit der Menge besiegen, was
gewiss kein leichtes Unternehmen ist, da der Durchschnitts-
mensch in seiner vielseitigen Beanspruchung gewöhnlich
gegen alle Kunsteindrücke und namentlich gegen die un-
persönlichen der Architektur ziemlich fest gepanzert zu
sein pflegt, so muss sie in individuell künstlerischer und
deshalb zum Herzen gehender Gestalt auftreten und darf
sich nicht mit früher beliebten theoretisirenden Erwägun-
gen über bevorzugte historische Stilformen, Mehr- oder
Minder-Echtheit irgend eines Baumateriales und was der-
gleichen mehr ist, belasten.
Die greifbare Wirklichkeit der uns räumlich um
schliessenden oder sich unserer Anschauung mit ihrem
Aeusseren darbieteiiden Bauwerke, welche einer zweiten
Kunstnatur gleichzuachten sind, kann durch Architektur-
zeichnungen nicht entfernt ersetzt werden. Und dies ist
auch wohl der wahre Grund, weshalb die Architektur in
den öffentlichen Ausstellungen weniger die Antheilnahme
io. Mai 1902.
des Publikums erregt, als Malerei und Skulptur. Die letzt-
genannten Kunstzweige führen die Sache selbst, das vollen-
dete Kunstwerk, das nur einen Bezug auf sich selbst hat,
vor Augen, während die Architektur in den Zeichnungen,
selbst wenn diese in perspektivischer Darstellung gegeben
werden, nur ein schwaches Abbild des Wirklichen bieten
kann und namentlich ganz ausserstande ist, das Dämo-
nische der Raumwirkung auch nur andeutungsweise zu
versinnlichen.
um schliesslich das Ergebniss unserer Erörterungen
kurz zusammenzufassen, so mag hier noch einmal gesagt
sein: Die Architektur soll gleich jeder anderen Kunst
zum Gebrauch der feineren Seelenkräfte erziehen, die in
einem Rousseau’schen Naturzustände unverbraucht schlum-
mern würden. Der Architekt hat die Aufgabe, gleich
einem neuen Orpheus den todten Stoff in seelenvoll ge-
ordnete Gebilde zu zwingen und ladet die ganze Mensch-
heit zum Genüsse seines Triumphes ein. Könnte noch
ein Zweifel aufkommen gegen die erzieherische Kraft
der Architektur, wenn wir sehen, wie die letztere allein
imstande ist, für alle kirchlichen und weltlichen Vorgänge
unseres Lebens den unentbehrlichen, feierlichen, monu-
mentalen, im höchsten Sinne ausdrucksvollsten Rahmen
zu schaffen, und wie sie zugleich für unser gewöhnlicues
Leben die häusliche Hülle bereitet, ohne welche ein den
höchsten Zielen der Menschheit zustrebendes Dasein sich
niemals hätte verwirklichen lassen? — ^ ttKp.
247
trächtlich verringert und damit nicht nur das Dach ent-
lastet, sondern zugleich auch dem schnellen Zerfrieren
und Faulen der Platten vorgebeugt. Da ferner durch die
Wabenform die Masse des Ziegels auf das geringst mög-
liche Maass herabgemindert ist, so kann die Wasserauf-
'' I a f ^ 4
1 >
I
mm
nähme desselben eine nur ganz geringe sein und es wird
das Wasser durch die Wabenform zum schnellen Ver-
dunsten gebracht. —
Eine automatische Schiebethür ist von der Masch.-Fabr.
Merkelbach in Wiesbaden zum Patent angemeldet. Wie
aus untenstehender Abbildung hervorgeht, wird die Thür
bei Betreten der Schwelle durch das Zusammendrücken
der unter derselben liegenden scbeerenartigen Konstruk-
tion S sowie durch Drehung der beiden Zahnkränze Zj
und Z2 und des mit letzterem fest verbundenen Bügels
]3, auf welche sich der Zuggurt aufwickelt, geöffnet. Bei
Verlassen der Schwelle führt das kleine Gegengewicht G
durch entsprechende Rückwärtsbewegung des ganzen Ge-
triebes die Thür wieder in die geschlossene Lage zurück,
Der etwas umfangreich ausfallende Betriebsmechanismus
lässt sich in dem für die Schiebethür ohnehin nöthigen
Schlitz bei besseren Ausführungen verbergen. Die Thüren
sollen sich geräuschlos bewegen. Falls die Einzelheiten
so ausgebildet sind, um einen ruhigen und leichten Gang
auf die Dauer zu sichern und namentlich auch unter dem
verschiedenen Gewichte der Personen nicht zu uugleich-
mässig zu arbeiten, so wird sich eine derartige Thüranord-
nung mit Vortheil in öffentlichen Gebäuden mit starkem
Verkehr verwenden lassen. —
Die erste Ausstellung moderner dekorativer Kunst in
Turin 1902 wird am heutigen Tage, dem 10. Mai, durch
den König von Italien feierlich eröffnet, obwohl bei dem
fühlbaren Mangel an Arbeitskräften die Ausstellung noch
keineswegs vollendet ist. —
Eine bayerische Landes -Industrie- und Gewerbe- Aus-
stellung ln Nürnberg 1906 ist nunmehr gesichert. Das
Bayerische Gewerbe-Museum in Nürnberg hat die Durch-
führung des Planes übernommen. —
Preisbewerbungen.
Personal-NachrichteD.
Deutsches Reich. Ernannt sind: Die Mar. - Schiffbmstr.
Eichhorn u. Bockhacker zu Mar.-Ob -Brthn. und Schiffb.-
Betr.-Dir.; die Mar.-Masch.-Bmstr. P h e h n u. Collin zu Mar.-Ob.-
Brthn. und Maschinenb.-Betr -Dir. ; der Mar.-Brtli. Radant zum
Hafenb.-Betr.-Dir. — Dem Mar.-Schiffbauinsp. Go ecke ist der
Char. als Mar.-Brth. mit dem Range der Korvetten-Kapitäne verliehen.
Baden. Die Baupraktik. Linde und Gros sind zu Reg-
Bmstrn. ernannt und sind dieselben den Bez.-Bauinsp. Baden, bezw.
Emmendingen zugetheilt.
Bayern. Dem Dir.-Ass. Schlesinger in Ntirnberg ist die
erbetene Entlassung aus dem Staatseisenb. -Dienste bewilligt.
Preussen. Dem Brlh. Wäc h t er in Berlin ist die Eriaubniss
zur Anlegung des ihm verlieh, fürstl. reuss., j. L., Ehrenkreuzes
II. KL und dem Hafeninsp. W i 1 1 e r t in Kiel dieselbe für das Ritter-
kreuz II. Kl. des gros^h. bad. Ordens vom Zähringer Löwen ertheilt.
Dem Reg.- u. Brth W e g n e r in Berlin ist die etatm. Stelle
eines solchen als Stand. Hilfsarb. im Minist, der Landwirthschaft,
Domänen und Forsten übertragen.
Der Oberlehrer, Prof. Dr. Seipp in Höxter ist z. kgl. Bau-
gewerkscliuldir. in Buxtehude und der Arch. Schmiedt in Kassel
z. kgl. BaugewerkschuUehrer ernannt.
Dem Eisenb.-Dir. Thiele in Leinhausen ist beim Uebertritt
in den Ruhestand der Char. als Geh. Brth. verliehen.
Der Landbauinsp. v. Saltzwedel in Frankfurt a. O. ist
nach Potsdam versetzt.
Die Reg.-Bfhr. Karl Schroeder aus Köslin und Osk.
Riedel aus Dresden (Eisenbfch.) sind zu Reg-Bmstrn. ernannt.
Dem Reg.-Bnistr. Wilh. Deetz in Chemnitz ist die nachges.
Entlassung aus dem Staatsdienst ertheilt.
Sachsen. Der Reg-Bmstr Legart beim Landbauamte in
Zwickau ist auf Ansuchen aus dem Siaatsdienst entlassen.
Württemberg. Der Bauinsp. Baur beim techn. Bür. der
MInist.-Abth. für den Strassen- u. Wasserbau ist s. Ans. gemäss
mit dem i. Juli in den Ruhestand versetzt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. G. Sch. in München. Dem Uebel einer über
einem Saale gelegenen Asphaltkegelbahn mit eichener Kugelauflage
ist auf einfache Weise und ohne grössere Umbauten überhaupt
nicht abzuhelfen, da das störende Geräusch immer wieder Fortpflan-
zung finden wird. Man hat die Erfahrung gemacht, dass selbst die
unter Beobachtung der weitgehendsten Vorsichtsmaassregeln in
Kellern z. B. angelegten Kegelbahnen das von ihnen ausgehende
Geräusch mehrere Stockwerke weit fortpflanzen. Hier giebt es
wohl kein anderes Mittel, als Entfernung der Kegelbahn. —
Hrn. O. Thr. in Steuden. In Ihrem Falle ist das erfolg-
reichs'e Mittel, den bereits so weit fortgeschrittenen Hausschwamm
zu bekämpfen, die sorgfältigste Entfernung aller von demselben er-,
griffenen Holztheile und die peinlichste Veihinderung der Möglich-
keit der Uebertragung der Sporen des Schwammes. Die Vornahme
solcher konstruktiver Vorkehrungen, welche die Entwicklung des
Schwammes unmöglich machen — also Beseitigung der Feuchtigkeit,
Zutritt Irischer Luft usw. — ist dabei selbstverständlich. Wenn
die Schwamminfektion noch nicht zu weit fortgeschritten ist, so
wäre möglich, dass das Verfahren des Hm. Reg.-Bmstr M. See-
mann, Berlin N.W. , Klopstock-Str. 34, gewisse Dienste leistet. —
Hrn. C. in Bochum. Die einzige ausgeführte Bahn in Deutsch-
Ostafrika ist die von Tanga nach Muhesa. In den „Vcrhändl. des
Ver. z. Beförd. d. Gew.-Fleisses" 1896 u. ff. ist eine sehr eingehende
Darstellung dieser Bahiianlage aus der Feder ihres Erbauers, Reg.
u. Brth. Bernhard, erschienen und auch als Sonderabdruck: „Der
Eisenbahnbau in Deutsch-Ostafrika“, Berlin 1888, herausgegeben.
Ueber Bahnentwürfe finden sich mancherlei Veröffentl. in den letzten
jahrg. der Ztg. d. Ver. deutsch. Eisenb.-Verw. — Bl. —
Hrn. Reg.-Bmstr. W. in Köln. Die Stuhlschienen wandern
weniger, als die Breitfuss-Schienen. Man erklärt das aus der That-
sache, dass erstere annähernd in der Nulllinie des Querschnittes
unterstützt sind. Näheres s. in „Eisenb.-Technik der Gegenwart“
Bd. II S. 217 und „Hdb. d. Ing.-Wissensch.“ 5. Bd., 4. Kap., § 36,
S. 203, sowie in den dort angegebenen Quellen. — Bl. —
Hrn. Arch. H. in Säckingen. Die Verpflichtung zur Ein-
tragung ins Handelsregister haben Sie nur, wenn Ihr Geschäfts-
umfang für so bedeutend gilt, dass die gesetzlichen Voraussetzun-
gen erfüllt erscheinen. Die Beurtheilung hierüber hat in erster
Linie der Register-Richter. Glauben Sie nach Art und Umfang
Ihres Geschäfts - Betriebes die Aufforderung für unzutreffend
halten zu müssen, so genügt eine Vorstellung an den Register-
Richter unter Darlegung der thatsächlichen Verhältnisse. Die meisten
Register-Richter sind zu persönlichen Darlegungen bereit. Grund-
sätzlich sind Architekteu von der Eintragungspflicht nicht befreit,
im Gegentlieil sind hier und ausserhalb solche einregistrirt. K. H-e.
Anfragen an den Leserkreis.
Giebt es Werke oder Abhandlungen darüber, ob und in welchem
Maasse die durch Sprengungen, schwere Fallhäromer, Explosionen
usw. erzeugten Erschütterungen an den in der Nähe liegenden Ge-
bäuden Schäden anrichten können und in welcher Weise sich die
letzteren zeigen? W. V. in Essen.
In dem Wettbewerb betr. den Umbau des Breslauer
Konzerthauses errang den I. Preis der Entwurf „Viel
Mühe war’s'* des Hrn. Friedr. Möller in Berlin; den
IL Preis der Entwurf „Wratislaw“ des Hrii. Alwin
Genschel in Hannover und den III. Preis der Entwurf
„Saal" des Hrn. Herrn. Fleck in Breslau. Sämmtliche
Entwürfe sind bis 12. Mai im Provinzial-Museum in Breslau
öffentlich ausgestellt. Der Termin des 12. Mai erscheint
uns etwas kurz gegriffen. —
Inhalt ; Die Wiederherstellung der Stadtkirche in Friedberg in der
Wetterau (Schluss). — Das erzieherische Element in der Architektur (Schluss).
— Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902, III. —
Miltheilungen aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Per-
sonal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Die Wiederherstellung der Stadt-
kirche in Friedberg in der Wetterau.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veraatwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
248
No. 38.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 39, Berlin, den 14. Mai 1902.
Abbildg. 35. Untergestell eines araerikanisi^hen Vollbahnwagens ffir Luftdruck-Betrieb.
Ueber die Verwendung von Druckluft-Betriebsmitteln bei Kleinbahnen und städt. Strassenbahnen.
(Fortsetzung und Schluss.)
nfolge der geschilderten wenig angenehmen Eigen-
schaften der Hoadley-Wagen und ihres verhältniss-
mässig grossen Energie-Verbrauches sind dieselben
neuerdings durch Wagen nach dem System Hardie») er-
•setzt worden, das sich bereits im Betriebe bewährt hatte
Der ältere Hardie-Wagen (Abbildgn. 27 bis 31), der in
Chicago und auf den Strassenbahnen in Rome (N.-Y.) im
Betriebe ist, entspricht im Prinzip im allgemeinen der
früher geschilderten Hochbahn-Lokomotive. Die Achsen
sind gekuppelt und werden durch ausserhalb des Rahmens
hegende Motoren angetrieben. Dadurch wird der Raum
zwischen den Rädern für die Anbringung der Behälter
frei. Es sind imganzen 16 Behälter vorhanden mit ver-
schiedenen Längen; ihr innerer Durchmesser beträgt
200 mm. Zwei Behälter F von der Länge des Wagen-
kastens liegen unter den Sitzen, die übrigen unter dem
Wagenboden, und zwar E in der Wagenmitte, B, C und
D je doppelt an den Wagenenden unter den Plattformen
Der Gesammtinhalt der Behälter beläuft sich auf 1500 l und
ihr Leergewicht auf 2 t. Der Erwärmer A (Abbildgn. 27
u. 29) liegt der Länge nach unter dem Wagenkasten. Er ist
2J34““* lang und besitzt einen inneren Durchmesser von
457 mm; sein Inhalt ist also 350 k Er ist zur Hälfte mit
heissem Wasser gefüllt. Die kalte Luft tritt von unten
dürchströmt das Wasser und sammelt sich im oberen
Theile des Gefässes. Von dort wird sie aus einem Rohr
mit durchbrochenen Wandungen entnommen. Zwei senk-
rechte FJachbleche (Paltschbleche) schützen gegen das
Emporspritzen des Wassers beim Schwanken des Wagens ;
hierdurch soll das Mitreissen von Wasser vermieden wer-
den. Die Wasserwärme beträgt anfänglich 180— i=;o gegen
Ende der Fahrt noch 90 — 70®.
Das Druckverminderungs-Ventil, welches die Spannung
der Luft von 170 auf 10,5^1 ermässigt, ist in Abbildg. 30
dargestellt. Die Luft strömt von links bei B ein; in der
Kammer ü und der damit in Verbindung stehenden Kam-
mer D herrscht der Zylinder-Einströmungsdruck. Der-
selbe wirkt auf die Membran E, und diesem Druck hält
die Feder F das Gleichgewicht. Je nachdem der Druck
m D oder der Federdruck überwiegt, wird das Ventil
geschlossen oder geöffnet.
Der Durchmesser der Zylinder beträgt i78“m, der
Kolbenhub, welcher nicht wie bei Hoadley durch die
Bauart des Wagens beschränkt ist, 356»ni. i’S) Die Ein-
strömungsdauer (Füllung) ist nur zwischen den Grenzen
10% und lyO/j, veränderlich; der letztere Werth ist nämlich
ungefähr die Grenze, bei welcher sich bei dem gewählten
Arbeitsdruck von 10,5^^ noch eine volle Expansion (bis
zur Atmosphäre) erreichen lässt, die zur Vermeidung eines
hörbaren Auspuffs durchaus erwünscht ist. Nun ist es
ohne weiteres nicht möglich, unter diesen Umständen bei
Org;aQ fQr Eisenbahnwesen 1901, S. 115 u. 118.
) Es ist erwünscht, den Kolbenhub möglichst gross zu machen, um
Verhaltniss zu verringern und die Dehnung
möglichst weit, d. h. bis zum Atmosphgrendruck bringen zu können. Beide
Kücksichten tragen zu einem sparsamen Energieverbranch erheblich bei.
allen Kolbenstellungen anzufahren. Um das zu ermög-
lichen, sind besondere Rohre nach den beiden Zylinder-
enden geführt, durch welche man Luft unabhängig von
der Schieberstellung hinter den Kolben treten lassen kann.
Ausser diesem „Anfahrventil" tritt beim Anfahren noch
ein weiteres Ventil in Thätigkeit, welches die Arbeits-
Anfangsspannung, (die sonst durch das Druckverminde-
rungs-Ventil konstant gehalten wird) um 40% zu erhöhen
gestattet. Es folgt daraus, dass beim Anfahren ein hörbarer
Auspuff unvermeidlich ist. Dieses Beschleunigungsventil
befindet sich am oberen Ende des Druckverminderungs-
Ventils, (bei A, Abbildg. 30) und wird vom Führerstande
aus mittelbar bethätigt. Wird nämlich der Druck in dem
nach A vom Führerstande laufenden Rohre vermindert,
so wird auch der Druck auf die Fläche des Ventils A
ermässigt, wodurch die Spindel des Druckverminderungs-
Ventils durch die Kraft der Feder F in die Höhe geht
und dieses weiter öffnet.
Die Steuerung ist eine Doppelschieber-Steuerung mit
3 Excentern, welche so angeordnet ist, dass der weitesten
Umlegung des Steuerungshebels die kleinste Füllung ent-
spricht, sodass der Hebel wie der eines elektrischen Fahr-
schalters beim Anfahren allmählich weiter umgelegt wird.
Anfahr-, Beschleunigungs- und Absperrventil sind mit dem
Bremshebel verbunden, sodass ausser der Steuerung nur
dieser eine Hebel zu bewegen ist. Ferner ist auf dem
Führerstande noch ein Haupt-Absperrventil vorhanden,
welches die Luft von allen Apparaten abschliesst und
während der Betriebspause des Wagens geschlossen bleibt.
Der Zylinder der Luttdruckbremse ist in Abbildg. 31 dar-
gestellt. Zum Bremsen wird Luft in den ringförmigen
Raum R eingelassen, worauf der Kolben die gezeichnete
Stellung einnimmt. Um die Bremse zu lösen, lässt man
die Luft von T aus durch V auf die andere Seite des
Kolbens strömen. Durch die Bohrung S strömt die Luft
in die hohle Kolbenstange und von dort durch die Oeff-
nungen W nahezu ohne Geräusch ins Freie.
Es ist ein besonderer Vorzug der Druckluftwagen,
dass man eine gut und zuverlässig wirkende mechanische
Bremse anwenden kann und dabei das wenig angenehme
Geräusch vermeidet, welches die Pumpe einer Luftdruck-
bremse bei elektrischen Wagen verursacht ‘®). Ueberhaupt
dürften die vollkommensten Luftdruckbremsen den besten
elektrischen Bremsen wohl noch überlegen sein.
Die neueren Hardie-Wagen haben eine in Abbil-
dung 32 dargestellte Steuerung erhalten. Es ist eine Doppel-
schieber-Steuerung. Der Grundschieber wird durch eine
Stephenson’sche Kulisse mit gekreuzten Excenterstangen
bewegt. An der Aussenseite derselben befindet sich ein
zweiarmiger Hebel n, mit welchem unten der Hebel f,
oben der Gnmdschieber gelenkig verbunden sind. Das
Es ist das wohl eiaer der vornehmsten GrQodc, weshalb man
vielfach bei elektrischen Wagen unter Verzichtleistung auf die Pumpe
einen besonderen (oder mehrere! Vor rathslu ft behai t er für dieBremsen
vorgesehen hat, der aaf End- oder Haupt-Zwischenstationen in gewissen
Zeitabschnitten gefüllt wird, z. B. bei der Schwebebahn in Elberfeld.
obere Auge des Hebels / erhält eine der Ki'euzkopf-Be-
wegung entgegengesetzte Bewegung durch die Stange l
bezw. durch den doppelarmigen Hebel g, welcher in dem
am Rahmen befestigten Lager p schwingt. Der Punkt m des
Hebels f ist durch die Stange h mit dem Expansions-
schieber verbunden. Eine Anzahl im Betriebe an den Wagen-
maschinen aufgenommener Diagramme zeigt Abbildg. 33.
Wenn diese Versuche mit Druckluftwagen ein zu-
friedenstellendes Ergebniss zeitigen, so gedenkt die Metro-
politan-Strassenbahn-Gesellschaft, in deren Hand jetzt alle
Strassenbahnen im eigentlichen New-York (Manhattan-
Insel) vereinigt sind, die grösste Zahl der zurzeit meist
hoch mit Pferden betriebenen Querlinien, welche vom
North-River nach dem East River laufen (vgl. Abbildg. 25
auf S. 231) und beiderseits je an eine der zahlreichen
Fähren anschliessen, mittels Druckluft zu betreiben. Für
die von Süden nach Norden in der Längsrichtung der
Insel laufenden Linien wird die unterirdische Strorazu-
führung durchgeführt, wobei zumtheil die Kanäle der
früheren Kabelbahnen benutzt werden. Für die Quer-
linien erschien dieses System deshalb nicht durchführbar,
weil die grosse Zahl der Kanalisations-, Wasser-, Gas- und
elektrischen Leitungen die Stadt der Länge nach durch-
ziehen und bei dem meist felsigen Untergrund so hoch
liegen, dass sie beim Bau der Stromleitungs-Kanäle viel-
fach verlegt werden müssten. Ferner liegen die Hafen-
strassen, welche von den Querlinien berührt werden, zum-
theil. so tief, dass bei Sturmfluthen die Strassen über-
schwemmt werden, wobei das Salzwasser in die Strom-
leitungskanäle eindringen und Kurzschluss verursachen
würde. Neben der Druckluft kommt daher nur noch Be-
trieb mit elektrischen Akkumulatoren infrage. Für beide
Systeme liegen die Verhältnisse insofern günstig, als die
Linien kurz sind und die Wagen an den Endpunkten ohne
Schwierigkeit neu geladen werden können.
Wesentlich anders als in New-York ist die Anwendung
der Druckluft-Strassenbahnwagen (System Hardie) in Chi-
cago. Hier ist für die in die innere Stadt hineinführenden
Linien noch die Kabelbahn in Gebrauch, und diese ist für den
Nachtbetrieb mit einzelnen wenigenWagen wirthschaft-
lich sehr ungünstig. Man lässt daher Nachts den Kabel-
betrieb ruhen und betreibt eine der Linien (in der Nord-
Clark-Strasse) von i — 5 Uhr mit Druckluftwagen. Zwei
solcher „Eulenwagen“ (zu deutsch „Lumpensammler“) sind
im Betriebe und unterhalten auf der ii langen Strecke
einen 30 Minuten-Verkehr, ein dritter steht in Reserve.
Die ersten Nachtfahrten werden häufig mit einem oder
auch zwei Anhängewagen gemacht.
Die Lufipumpen-Anlage (Abb, 34) liegt in der Mitte
der Linie in dem Kabelkrafthause an der Elm-Strasse.
Dort sind ausser zwei kleinen Maschinen von je 60P.-S.,
von denen immer nur eine in Thätigkeit ist, Luftbehälter
mit einem Gesammtinhalte von 5500 1 aufgestellt. Die in
den mit Oel gefeuerten Kesseln nach Schluss des Kabel-
betriebes vorhandene Dampfmenge genügt für den Betrieb
der Luftpumpen, sodass die Erzeugung dieser Energieform
sich sehr billig stellt. Da der Wagenschuppen am äusser-
sten Ende der Linie liegt, so müssen die Wagen die erste
Fahrt mit der Luftfüllung vom vorherigen Tage beginnen,
nur der Erwärmer wird vorher gefüllt. Das Laden ge-
schieht vor dem Kraftwerke auf der Strasse und dauert
etwa 2 Minuten. Der Druck in den Luftbehältern und
Zylindern ist derselbe wie bei den New-Yorker Wagen.
Die maassgebenden Zahlen des Hardie-Wagens sind
folgende: Gesammtlänge 8500 Radstand 2350 Rad-
durchmesser 660“”, Höhe des Fussbodens über S.-O.
864 nim, Zahl der Sitzplätze 20, Gesammt-Leergewicht 8165
• Infolge ihrer Eigenschaft, eine Steigerung der Motoren-
leistung durch Erhöhung des Zylinderdruckes im Bedarfs-
fälle leicht zu ermöghchen, haben sich diese Druckluft-
wagen den an sie gestellten erhöhten Ansprüchen bei
wiederholten schweren Schneefällen sowohl in New-York
als auch in Chicago aufs glänzendste gewachsen gezeigt.
Diese Schneefälle traten in Amerika mit einer Heftigkeit
auf, von der man sich bei uns kaum einen Begriff machen
kann. . In den meisten Fällen mussten die Pferdebahnen
wie auch die elektrisch betriebenen Hochbahnen f^) den
Verkehr völlig einstellen, während die elektrischenStrassen-
bahnen den Verkehr nur mit grosser Mühe und sehr un-
vollkommen aufrecht erhalten konnten, ts) wenn über-
haupt die Kraftwerke den erhöhten Arbeitsaufwand der
Wagen, zu welchem noch der der Schneepflüge kam, zu
leisten vermochten. Die Pressluftwagen haben dagegen
ungehindert verkehrt und wurden häufig dazu benutzt,
bewegungsunfähige, im übrigen elektrisch oder durch
Pferde betriebene Wagen mit fortzubewegen. Wenn trotz-
ig) Hauptsächlich wegen Vereisens der Stromleitungsschieoen.
isj In New-York war der Beirieb der Strassenbahnen bis zu 17 Stunden
während des Schneesturmes vom Februar i8g8 unterbrochen.
dem der Druckluft-Betrieb in Amerika bisher noch keine
grossen Fortschritte gemacht hat, so mögen da wohl theil-
weise Einflüsse im Spiele sein, welche sich der Kenntniss
von Fernerstehenden entziehen.
Einen sonderbaren, immerhin aber erwähnenswerthen
Vorschlag zu einem „elektrischen Druckluft-Strassenbahn-
wagen“ machte Merrick’^). Er verspricht sich von dem
Antrieb des Wagens mittels Druckluft so bedeutende Vor-
theile, namentlich bezüglich einer schnellwirkenden kraft-
sammelnden Bremsung, dass er ein Fahrzeug mit einem
elektrischen Motor ausrüsten will, welcher von einer Ober-
leitung (ständig) Strom erhält und eine Luftpumpe an-
treibt; diese füllt einen Luftbehälter mit Druckluft von
7 at Spannung, welche ihrerseits zum Antrieb der auf die
Wagenachsen wirkenden Luftmotoren dient. Vielleicht
könnte man den Grundgedanken des Systems für einen
gemischten Oberleitungs- und Druckluft-Betrieb anwenden.
Man hat auch in Amerika den Anlauf dazu genommen,
Druckluftwagen für Vollbahnen zu konstruiren. Abbildg. 35
zeigt das dreiachsige Drehgestell eines von den Rome-
Lokomotiv-Werken erbauten Wagens. Die Maschine ist
2/3 gekuppelt; die Steuerung ist die oben beschriebene
von Hardie erdachte. Die Luftbehälter und Erwärmer
sind am Drehgestell befestigt, da der Wagenkasten mit
seinen Quersitzen dafür keinen Raum bietet. Der Wagen-
kasten ist der eines normalen amerikanischen Personen-
wagens von 18™ Länge. Die Triebräder haben 965 >"“1
Durchmesser, der Radstand beträgt 2830““, der Zylinder-
Durchmesser 305 mt», der Kolbenweg 457 Ein grosser
Luflvorrath ist bei dieser Anordnung nicht vorhanden, so-
dass ein Befahren einigermaassen bedeutender Strecken
ohne Nachladen ausgeschlossen erscheint.
Anlage- und Betriebs-Kosten.
Die Anlagekosten der Druckluft -Kraftwerke unter-
scheiden sich nicht wesentlich von denen der elektrischen
Krafthäuser. Für die Rohrleitungen, welche zur Verthei-
lung der Druckluft dienen, wird man einen höheren Be-
trag einzusetzen haben, als für elektrische Speiseleitungen,
dagegen entfallen die Kosten für die Arbeitsleitungen- Die
Beschaffungskosten für eine Mekarski-Strassenbahn-Loko-
motive werden zu 28000 M., für einen Triebwagen mit
Verdeck zu 18000 bis 20000 M. angegeben. Ueber die
amerikanischen Wagen liegen Preisangaben nicht vor.
Die Krafterzeugungskosten in den Kraftwerken sind
etwas geringer als bei elektrischen Bahn-Zentralen, da
die Belastung eine gleichmässige ist und die Maschinen
stets mit dem höchsten Wirkungsgrade laufen können.
Um I kg Luft auf 150 zu verdichten, sind erfahrungs-
femäss 0,25 bezw. 0,2t P. S. -Stunden erforderlich. Der
Wirkungsgrad der Kraftübertragung von der Luftpumpe
bis zum Motor möge ira Mittel zu 50 angenommen wer-
den; diese Zahl enthält die Verluste in den Rohrleitungen
beim Füllen, sowie bei der Ausdehnung vom Behälter-
druck zur Anfangs-Arbeitsspannung.
Der Verbrauch der Betriebsmittel an Luft wird wie
folgt angegeben: Decksitz-Triebwagen von Mekarski im
Mittel 12 kg für den Wagen-Kilometer (ebene Strecke, ohne
Anhängewagen); Triebwagen von Hoadley im Mittel 10kg,
Triebwagen von Hardie (ältere Form) im Mittel 9 kg.
Nimmt man die Kosten für die Erzeugung einer indi-
zirten P. S.-Stunde zu 1,5 Pf. an, so betragen die Kosten
für IO kg Luft rd. 7,5 Pf. Rechnet man hierzu 0,5 Pf. für
die Erwärmung der Luft, so betragen die Kosten für die
Zugkraft für einen 2-achsigen Triebwagen von 40 Plätzen
etwa 8 Pf. f. d. Wagen-Kilometer. Nach amerikanischen
Angaben soll es möglich sein, diese Kosten bei grossen
Anlagen auf etwa 4 Pf. zu vermindern.
Einen Vergleich der Anlage- und Betriebskosten zwi-
schen Druckluft-Betrieb und elektrischem Betrieb mit unter-
irdischer Stromzuführung nach dem Stande der Technik
im Jahre 1897 zeigen folgende Zahleii^^); es handelt sich
um Bau und Ausrüstung einer Strecke von 41 km Gleis-
länge in Washington mit 80 Triebwagen^t):
Zinsei
Bau Jährliche
, Betriebs-
kosten kosten
AnschlagderAmerican m. m. m.
Air Power Co. (Sy-
stem Hardie) .... 2 786000 1915 000 195000
Anschlag der Com-
pressed Air Co. (Sy-
stem Ploadley) . . . 2505000 1915 000 175000
Anschlag der General
Electric Co. (Unterird.
Stromzuführung) . . 7612000 1257000 429000
Zu-
sammen
■ M.
2 IIOOOO
2 090 000
I 686 000
,1®) Street RaiUvay Review, 0kl. 1899.
20) Engineering News 7. Okt. 1897
21) Da die Linie bisher mittels Kabel betrieben waren, fielen die
Kosten für die Herstellung des Stromleitungskanales grösstentheils fort.
No. 39.
250
Abbildg. 27 — 31.
Druckluft-Triebwagen,
System Hardie.
(Alte Anordaung)
1' engl. = 0,30s m,
I* „ =3,540 cm.
Abbildg. 27.
Abbildg. 32. Steuerung des neueren Hardie-Triebwagens.
Abbildg. 33. Diagramme des Hardie-Triebwagens.
Abbildg. 28.
Abbildg. 31. Zylinder der Luftdruckbremse.
251
14 Mai 1902.
Abbildg. 34. Luftpumpen-Anlage f. d. Druckluft-Betrieb in Chicago.
Der Betrieb in der 28. und 29. Strasse in New-York
hat folgende Ergebnisse: Es sind 28 mit je 20 Sitzplätzen
ausgerüstete Wagen vorhanden, die in Abständen bis herab
zu 2,5 Minuten verkehren und im Durchschnitt 30 000 Per-
sonen täglich befördern. Die Ausgaben für den Wagehi^“
betrugen 46,16 Pf. Bei elektrischem Betriebe mit unter-
irdischer Stromzuführung und Wagen von 28 Sitzplätzen
betrugen die Ausgaben für den Wagen^m 34,87 Pf. Beim
Vergleich dieser Zahlen ist zu bemerken, dass i. das Luft-
druck-Krafthaus auf den Betrieb mit 100 Wagen berech-
net ist; bei voller Ausnutzung würden daher die auf den
Wagenkm entfallenden Kosten des Kraftwerkes sich er-
heblich verringern; 2. die Verzinsung des Anlagekapitals
in den Betriebszahlen nicht enthalten ist. Das Anlage-
kapital ist bei elektrischen Bahnen mit unterirdischer
Stromzuführung, wie wir gesehen haben, etwa das drei-
fache wie bei Druckluftbetrieb. Die Kosten für die unter-
irdische Stromzuführung allein haben in New-York etwa
500 000 M. für den^^“ doppelgleisiger Bahnstrecke betragen.
Das Feld für die Anwendung von Druckluft-Betriebs-
mitteln wird bei der grossen Ausdehnung des elektrischen
Betriebes auf Strassenbahnen bei uns stets ein beschränk-
tes bleiben. Mit elektrischem Oberleitungs-Betriebe v/ird
die Druckluft nicht in Wettbewerb treten ; vielleicht auch
nicht überall mit dem der unterirdischen Stromzuführung.
Wo aber beide Stromleitungsarten aus besonderen Grün-
den ausgeschlossen oder die letztere besonders kostspielig
in der Herstellung ist, kann Druckluft infrage kommen.
Daneben wird man sie vielleicht nach dem Chicagoer
Muster als Betriebsmittel für den Nachtdienst ins Auge
fassen können, sobald bei der wachsenden Ausdehnung
der Stadt und der Bedeutung der Strassenbahnen für einen
nächtlichen Güterverkehr auch bei uns ein Betrieb
Vermischtes.
Die Wipertl-Krypta zu Quedlinburg. In No. 37 findet
sich unter „Vermischtes" die Mittheilung, dass kürzlich
einern Besucher der Wiperti-Klosterkirche hierselbst von
den dort beschäftigten Arbeitern die Auskunft geworden
sei, die alt- ehrwürdige und kunstgeschichtlich so hochbe-
deutsame Krypta dieser Kirche sei neuerdings vermauert
und yerfüllt. Zur Beruhigung des Einsenders dieser Notiz
undweiterer Kreise Ihrer Leser beeile ich mich mitzutheilen,
dass die bez. Angabe der Arbeiter den Thatsachen nicht
entspricht. Das im Privatbesitz befindliche Bauwerk wird
von seinem gegenwärtigen Besitzer in durchaus pietät-
voller Weise gepflegt und in seinem ursprünglichen Zu-
stande erhalten, wovon ich mich erst heute wieder zu
überzeugen Gelegenheit hatte. Immerhin steht zu hoffen,
dass sich in nicht allzu ferner Zeit Mittel und Wege finden
lassen, das bekanntlich dem 10. Jahrhundert entstammende,
noch der altchristlichen Bauweise angehörende Baudenk-
mal der staatlichen Fürsorge zu unterstellen. —
Quedlinburg, 8. Mai 1902. Ochs, kgl. Baurath.
Preisbewerbungen.
Ein Preisausschreiben zur Erlangung von Entwürfen
für eine Erweiterung des Rathhauses in Nienburg a. d. W.
wird vom.- dortigen Magistrat für deutsche Architekten
mit Frist zum 2. Aug. d. J. ausgeschrieben. Es gelangen
3 Preise von 600, 400 und 300 M. zur Vertheilung; ein
Ankauf nicht preisgekrönter Entwürfe für je 200 M. ist
Vorbehalten. Dem Preisgerichte gehören u. a. an die Hrn.
Brth., Prof.Hub. Stier in Hannover, Brth. Otto, Dir. Schau
und Stdtbmstr. Klug in Nienburg. Unterlagen gegen 5 M.
durch den Magistrat. —
Personal-NaGhrichten,.
Anhalt. Dem Ob. -Brth. JanusköWsky in Dessati ist der
Tit. Geh. Brth. und dem Reg.-Biiistr. Gothe in Köthen der Tit.
Bauinsp. verliehen.
' Preussen. DenStrombaudir.: Geh. Brthn. Mül 1 e r in Köbldriz
und Messerschmidt in Magdeburg, Reg.- u. Brthn. Hamei
in Breslau, Mutttay in Hanno^'er und Gersdorff in Danzig,
sowie dein teehn; Leiter des Dortmund-Ems-Kärials, Reg.- ü. Brth.
Htermann in Münster 1. W. ist der Char. als Öb.-Brth. mit dem
Range der Ob.-Reg.-Rathe verliehen.
Der Kr. -Bauinsp; Brth. Dihiel m Wiesbaden der Wasser-
Baüihsp; Brth. Frey in Berlin und der Landbauinsp. Kerstein
m Marienwerder sind zu Reg;- u. Brthn. ernannt und sind dieselben
ubferwiesen: Dimel dem kgl. Pdl.-Pras. in Berlin, Frey der
Bauabth. des Minist, der offenth Arb. und Kerstein der kgl. Reg.
m Marienwerder
' Veiöetzt sind: Die Kt.-Baumsp Brth. Kos dowski von
Schleswig nach Mülheitn a. R;j Brth; Bergmann von Rastenburg
als Ländbauinsp. hacB Gulnbihhfen, Opfergelfc von Geestemünde
nach Lüneburg, v. Peotz von Freienwalde als Landbaumsp. nach
Schleswi^j Ui r i e B v&n Earlstüh naeh Freienwalde ar O.; S tu d e-
mann von Hadersleben nach Geestemünde; — die Landbauinsp.
Brthe. JaBlonowski vbn Schleswig als Kr.-Bauinsp. nach Haders-
zur Nachtzeit nothwendig wird. Sobald man den neueren
Bestrebungen entsprechend sehr grosse Einheiten zur
Krafterzeugung anwendet, und zumal, wenn ein Dreh-
strom-Kraftwerk mit Unterstationen benutzt wird, ist ein
Nachtbetrieb mit einzelnen wenigen Wagen unwirthschaft-
lich. Auch will man meist gerne die Oberleitungen für
Reparaturen usw. auf einige Stunden ausser Betrieb setzen.
Die Druckluft-Behälter einer Station kann man zu beliebiger
Zeit laden und kann dazu auch, wie erwähnt, den Rest
der Kesselenergie am Abend benutzen. Dass für Bahnen,
welche häufig von starken Schneefällen heiragesucht wer-
den, einige Druckluftwagen von Nutzen sein können, lehren
die amerikanischen Verhältnisse.
Bei der wachsenden Bedeutung der Selbstfahrer
kommt die Druckluft als ein Antriebsmittel infrage, welches
von den beiden wesentlichsten Mängeln der bisher ge-
bräuchlichen Mittel — dem grossen Gewicht und üblen
Geruch — frei ist. Ein Nachtheil liegt scheinbar in der
Nothwendigkeit des häufigen Aufladens. Allein bei dem
geringen Kraftbedarf derartiger leichter Wagen (ein ameri-
kanischer Selbstfahrer für 2 Personen verbraucht i cbm
atmosphärischer Luft für den km) werden die mit einer
Ladung zurückgelegten Strecken immerhin ziemlich be-
trächtliche sein können.
Zum Schluss sei es uns an dieser Stelle ‘gestattet,
dem ehemaligen 22) Präsidenten der Pintsch- Gas- Gesell-
schaft, Hrn. Arthur W. Soper-New-York, dem Obering,
der "Westbahn, Hrn. Sauvage-Paris, sowie den Hrn. Ober-
ingenieur Hardie-Rome und Ingenieur Patau d-Paris, als end-
lich der Schweizerischen Lokomotiv-Fabrik in Winterthur
für die freundliche Unterstützung bei unseren Studien un-
seren verbindlichsten Dank auszusprechen. —
Buhle. Schimpff.
leben, Taute von Gumbinnen als Kr.-Bauinsp. nach Wiesbaden;
— Wasser-Bauinsp. Sandmann von Berlin nach Wittenberge.
Dem Wasser-Bauinsp. Brth. Löwe in der Bauabth. des Minist,
und dem Landbauinsp. Brth. Körber beim Neubau der Geschäftsgeb.
beider Häuser des Landtags in Berlin sind Stellen bei der kgl.
Minist. -Baukomm, in Berlin verliehen. .
Ernannt sind: die Reg.-Bmstr. Paetz in Nakel, Lohr in
Kiel, Fr. S c h o 1 z in Neustadt O.-S., L u c a s in Strasburg W.-Pr.,
Labes in Ragnit, Schlöbeke in Celle, K u h 1 m e y in Schubin,
Ernst Fischer in Mohrungen, Tappe in PilUialleu, Otte in
Rastenburg, Inner in Kirchhain und Herrinan n in Manenburg
W.-Pr. zu Kr.-Bauinsp., — May in Flannover, Antonio Schmidt
in Altona, Süssapfel in Kleve, Alb. Fischer, Wilh. Schmidt
hl Berlin, Goldbach in Briesen, Klingholz in Berlin, Maschke
in St. Joh.-Saarbrücken und Ludwig in Berlin zu Landbauinsp.;
— Wachsmann in Berlin und Ernst Müller in Koblenz zu
Bauinsp.; — Schelcher in Hefrnstadt, Wiiiter in Potsdam,
Haesler in Berlin, Gläser in Freienwalde a. O., W e s t p h a 1
in Gluckstadt, Heusmann in Swinemünclc, Schubert in
Geestemünde, Schnapp in Berlin, Preis s in Münster i. W.,
Born in Tsingtau, Fabian in Kurzebrack, Lefenau in Har-
burg, Schildener in Dirschau, Roessier in Graudenz,
Degener io Berlin, Stock in Fürstenwalde, Loefl'elholz
in Gumbinnen, Trieloff in Landsberg a. W. und Roeschen
in Kulm zu Wasser-Bauinsp.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. L. O. in Berlin. Die Bauordnung vom 5. Dez.
1892 ist, was schon ihr Name besagt, rein polizeilicher Natur. Sie
stellt die Voraussetzungen auf, unter denen die Polizei Bauvorhaben
zu genehmigen oder abzulehnen befugt ist, wodurch den Bauherren
die Normen gezeigt werden, innerhalb deren die Polizei bei Walten
ihres Amtes sich zu halten hat Dagegen werden Rechte der Nach-
barn gegeneinander (Nachbarrechte) durch die B.-P.-O. nicht be-
gründet. Dies vorausgeschickt, darf die Beseitigung des polizeilich
zugelassenen Thurmes Weder von der Polizei, noch von dem Nach-
barn, der durch ihn belästigt zu werden glaubt, verlangt werden.
Denn durfte die Polizei zwar die Erlaubniss zur Thurmanlage ver-
sagen, so überschritt sie gleichwohl durch seine Zulassung die ihr
zugestandenen Befugnisse nicht, während ihr umgekehrt nirgends
zugestanden wird, willkürlich eine ertheilte Erlaubniss zurückzu-
nehmen. Sie wird also dem auf Beseitigung des Thurmes ge-
richteten Ansinnen des. Nachbarn kaum Folge geben dürfen. Ihre
diesbezügliche Maassregel hätte auf Schutz im verordneten Ver-
waltungs-Streitverfahren keine Aussicht.
Was fnlü den Plan des Nachbars anlangt, so ist dessen Ab-
sicht viel 2ü durchsichtig, als der Polizei entgehen zu können.
Nicht berufen bei chikanösen Handlungen mitzuwirken, wird die
Polizei vielmehr dem Bau der Voliere die Erlaubniss versagen
dürfen^ soweit er den Vorschriften der B.-P.-Ö. § 5 Nö. 8 wider-
streitet. Ihre Ausführung über die dort gesetzten Höhenmäasse
hinaus erscheint unzulässig, denn dass Volieren zu Nebeuanlageii im
Sinne Zit. 8 zu rechnen sind, kann ernstlich nicht bezweifelt werden.
K. Pl-e.
22) Leider kürzlicli verstorben.
Jcihalt; Heber die Verwendung vo.a Druckluft -Betriebsmitteln bei
Kleinbähnen und städt. Strassenbahnen (Fortsetzung und Schluss.) — Ver-
mischtes. — -Preisbewerbimgen. — Personal-Nachrichten. — Brief- und
Fragekastea;
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b.H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 39.
252
««stüüÄStsrststststi
KUTSCHE
XXXVI. JAHR-
HsBERLIN *
AUZEITUNG.
GANG. * ^ NQ.- 40. ^
DEN 17. MAI 1902. *
Äs:«rsra:«s:«rs>:s:s!ststs:
Die Architektur auf der Grossen Berliner Kunstausstellung 1902.
lie Baukunst hat erfreulicherweise auch in
diesem Jahre auf der Grossen Berliner Kunst-
ausstellung eine Vertretung gefunden, welche
I ihrer schnell vorwärtsschreitenden Entwick-
' lungundihrerheutigenBedeutungentspricht.
Die vorbereitenden Arbeiten für die Architektur-Ab-
theilung waren von der Ausstellungs-Kommission einem
Unter-Ausschuss übertragen, welchem unter dem Vor-
sitz des Hrn. Prof. Herrn. Solf die Hrn. Alb. Gessner,
bauten, bei welchen namentlich das malerische Element
und im Hinblick auf dieses die Berücksichtigung der
Baustelle eine entscheidende Rolle spielen. Die ent-
weder ganz in Werkstein oder in Werfetein mit Ziegel-
steinflächen gedachten Bauwerke zeichnen sich durch
eine graziöse Behandlung der Architekturformen, in
welche vielfach das mittelalterliche Element frei hinein-
spielt, aus. Von zwei Kirchenentwurfen von Jochen
Kröger in Berlin zeigt der eine, die Erlöserkirche
AlbertHofmann, Josef Reutersund GeorgRoensch für Breslau, in Portal- und Thurmlösungen eine glücke
angehörten. Mit derkünstlerischenRaumausschmückung liehe Verbindung von Formen 'der Früh-Renaissance
war Hr. Jos. Reu-
ters betraut, wel-
cher eine Raum-
dreitheilung von
vornehmem Ge-
präge und glück-
licher Farbenge-
bung schuf. Seine
künstlerischen
Mitarbeiter für die
Ausführung wa-
ren die Hrn. Bild-
hauer Giesecke
und Prof. Riegel-
mann, sowie Hr.
Dekorationsmaler
Kellner.
Was zunächst
den Kirchenbau
als den vornehm-
stenZweigderBau-
kunst anbelangt,
so hat der Wett-
bewerb für die
Ausgestaltung des
Domes in Brünn
mehrere treffliche
Arbeiten zur Aus-
stellung geliefert
und zwar einen
Entwurf v. Engel-
bert Seibertz in
Berlin in reiche-
rem gothischem
Stil mit schöner
Portallösung, und
eine Arbeit von
Ludwig Dihni in
Friedenau mit ei-
ner interessanten
und eigenartigen
Fassadenlösung.
Vom gleichen Ur-
heber stammt der
Entwurf zu einer
Backsteinkirche
märkischen Stils
für Schöneberg.
Sehr feineEntwür-
fe in einem reiz-
vollen französisch-
deutschen Renais-
sance-Mischstil mit
mittelalterlichem
Einschlag sind die
der Arch. Dink-
lage & Paulus
in Berlin, Kirchen-
Hauptportal des Ernst-Ludwig-Hauses. Architekt: Prof. J. M. Olbrich in Darmstadt
Aus Alexander Koch: .Die Ausstellung der KQnstler-Kolonie in Darmstadt“.
253
mit dem durch Putzflächen belebten Backsteinbau.
Dabei wird das malensche Gepräge des Werkes, auf
welches schon in der architektonischen Anlage weit-
gehende Rücksicht genommen ist, durch die Farben-
gebung aus dem Roth des Backsteins, dem Weiss der
Putzflächen, dem gelblichen Grau des Sandsteins und
dem Grün der Kupferoxydätion der Thürme lebhaft
unterstützt. Schlichter in der Anlage, für die beschei-
dene Bausumme von 250 M. für den Platz berechnet, ist
die Schöneberger Kirche. Ein gutes Werk von geschlos-
sener Monumentalität ist der Konkurrenz-Entwurf zu
einer Synagoge für Düsseldorf von Otto Kuhlmann
inBerlin, ein straffer romanischer Werksteinbau in flotter
Darstellung. Als malerischer Zentralbau ist ein Entwurf
von Bangert für eine Kirche in Grunewald gedacht.
Nach dem Kirchenbau ist es das Gebiet des The-
aterbaues, welches durch einige bedeutende Beispiele
von ausgesprochener Eigenart vertreten ist. Zunächst
und vor allem durch die beiden Entwürfe von Prof.
Martin Dülfer in München zu den Stadttheatern in
Dortmund und Freiburg, Entwürfe, welche das The-
ater in einer neuen, mehr der heiteren Auffassung des
Festspielhauses sich nähernden Weise zeigen und
Arbeiten von höchstem Interesse darstellen. Ihnen reiht
sich ein Entwurf für das Stadttheater in Dortmund von
C. Moritz in Köln an, ein Bau von bewegter Grup-
pirimg, der gleich den Dülfer’schen Entwürfen, wenn
auch vielleicht nicht mit der gleichen Freiheit, das be-
merkenswerthe Bestreben verräth, neue Wege einzu-
schlagen. Von ähnlichen Grundsätzen, wie sie den The-
aterentwurf beherrschen, geht der Entwurf des gleichen
Verfassers für eine Kaiser Friedrich-Halle fürMünchcn-
Gladbach aus, dei' einen Barockbau mit gut gruppirtem
Aufbau darstellt. Weiterhin ist der monumentale Pro-
fänbau' vertreten durch zwei Entwürfe von Helbig &
Häiger in Berlin zu einem Stadtthore und zu einer
Campo-Santo-Anlage, beide in neogräker Auffassung
und von wuchtig er Monumentalität. Vor allem aber sind
in dieser Gi'uppe zu nennen die grossgedachten, mit
modernem Empfinden und hoher künstlerischer Meister-
schaft vorgetragenen Entwürfe zu einer Landes-Kolonie
für Schulung des Körperwohlstandes von Hermann
Werle in Berlin (siehe No. 18 u. 19 d. J.). In diesen
schönen Entwürfen steckt ein seltenes Maass monu-
mentaler Gestaltungskraft, sie gehören mit zu den
hervorragendsten Arbeiten unserer zeitgenössischen
Architektur. Ihnen schliesst sich von dem gleichen
Künstler ein Entwurf zu einem Stadtthor an, der an
römische Vorbilder anklingt, aber gleichwohl doch
wieder eine von diesen völlig unabhängige Kraft der
Phantasie verräth.
Auch die Denkmalkunst ist durch einige hervor-
ragende Arbeiten vertreten. Wilhelm Kreis in Dresden
sandte seinen von uns bereits besprochenen schönen
Entwurf zu einem Bismarckdenkmal für Hamburg
(s. No. 7 d. J.), sowie die wuchtige Bismarcksäule für
Eisenach, ein strenger dorischer Rundbau mit um-
schliessendem Steingehege in geschlossener, monu-
mentaler Wirkung. Auch des Jos. Reuters’schen
Entwurfes für ein Bismarckdenkmal für Hamburg
haben wir bereits gedacht (s. No. 8). Von dem gleichen
Künstler beherbergt die Ausstellung ein Mausoleum,
welches nicht minder wie das Bismarckdenkmal die
dem Künstler eigene interessante Formensprache ver-
räth. Diesen Denkmalentwürfen schliessen sich an
das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Friedenau von Ludw.
Dihm, ein als Bruniiendenkmal aufgefasster gothischer
dreiseitiger Obelisk, ein sehr interessantes, geistreiches
Modell für einen Universitätsbrunnen für Breslau mit
dem Motiv der Geburt der Athene von Prof. Chr.
Behrens in Breslau, ein Werk, welches mit grossem
Glück architektonische und bildnerische Motive mit
einander verbindet, und ein Kaiser Wilhelm-Thurm
für Greifenhagen in Pommern von Arnold Hartmann
in Grunewald, ein cyclopisch gefügter Thurrab au, Der
Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein
Museum in Münster hat den Architekten Schulz und
Schlichting in Berlin Veranlassung gegeben, die Aus-
stellung mit einem schön dargestellten Blatte zu be-
schenken, Der hervorragende Münchener städtische Mo-
numentalbau ist durch das prächtige städtische Waisen-
haus von Hans Grässel, einen in feinstem heimischen
Barock durchgeführten geuiüth vollen Bau, und durch das
Müller’sche Volksbad von Carl Ho che der vertreten, ein
Werk, welches sich in der Anwendung der architek-
tonischen Ausdrucksinittel die grösste Zurückhaltung
aufcrlegt und mit dieser Zurückhaltung eine ausser-
ordentliche Wirkung verbindet. — (Schluss folgt.)
Winke für die zweckmässige- Durchführung’ von- Studienreisen.
Dan kann annehmen, dass Jeder, der vor einer Studien-
reise steht, wegen ihres idealen Zweckes in gehobener
Stimmung sich befindet. Obgleich alle Reisebücher
mit Ralhschlägen für die Reise beginnen, bin ich auf meinen
Reisen doch oft sehr unpraktischen Leuten begegnet, bei
denen die. gehobene Stimmung in die Brüche gegangen.
Das künstlerische Ergebniss des Darmstädter
„Dokumentes“
(Hierzu die Abbildungen auf Seite 253, 256 u. 257.)
ie Herausgabe eines mit allem Luxus der modernen
Buchtechnik ausgestatteten Werkes über die Aus-
'stellung der Darmstädter Künstler-Kolonie des ver-
gangenen Jahres D lenkt die Aufmerksamkeit wieder auf
kurze Zeit auf jene merkwürdige Erscheinung am deutschen
Kunsthimmel, die wie ein astronomisches Phänomen auf-
tauchte, kurze Zeit leuchtete und sich dann wieder verflüch-
tigte, jedoch nicht ohne den lebhaftesten Streit der Meinun-
gen entfesselt zu haben, einen Streit, dessen Nachwirkungen
sich heute noch hier und da bemerkbar machen, aller-
dings mehr und mehr der Leidenschaftlichkeit des Augen-
blickes entkleidet und mit dem Charakter ruhigerer Würdi-
gung ausgestattet, jedoch keineswegs der Lebhaftigkeit
beraubt. Es war beim Aufgehen dieser Erscheinung für
den unbefangenen Beschauer schwer, wenn nicht unmög-
lich, sich bei der überlauten und überschwänglichen An-
preisung ein ruhiges Urtheil über ihren künstlerischen
Werth zu bilden. Je mehr von Darmstadt aus damals
versichert und mit beharrlicher Eindringlichkeit wieder-
holt wurde: uns ist der verheissene Messias der Kunst er-
*) Grossherzog Ernst Ludwig Und die Ausstellung der Küusfier-Kolouie
in Darmstadt von Mai bis Oktober 1901. Herausgegeben von Alexander"
Koch. Mit Textbeiträgeu von Georg Fuchs, Professor Dr. Kurt Breysig,
Felix Commichau und Dr. Benno Rüttenauer. Verlag Alexander Koch,
Darmstadt. Preis 30 M. — • - •
ja fast in-das Gegentheil nmgeschlagen war, sodass ich mich
gedrängt fühle, einige bewährte, für Künstler berechnete
Grundsätze niederzuschreiben.
Inbezug auf Ausstattung empfiehlt es sich, die ge-
summten Reisegegenstände auf zwei Handgepäckstücke
zu vertheilen, die man beide mit in den Eisenbahnwagen
standen, wir schaffen Ewigkeitswerke, von uns und unserer
Schule strahlt alles Licht und Heil aus, die Gleise, die
wir eingeschlagen haben, sind „die" neuen Gleise, unsere
Kunst allein' ist die -Kunst, welcher die Menschheit seit
langem mit verzehrender Sehnsucht entgegenhoffte — je
mehr diese keineswegs übertriebenen Anforderungen an
die Kunstauffassung und die künstlerische Urtheilskraft
des ohne Voreingenommenheit, lediglich mit der Absicht
festlichen künstlerischen Geniessens nachDarmstadtwallen-
den Kunstfreundes gestellt wurden, desto grösser wurde
seine Zurückhaltung, desto mehr fühlte er seine Unbe-
fangenheit schwinden, sich zu innerem Widerspruch ge-
reizt und zu einem Urtheile veranlasst, welches eigentlich
nicht so -sehr der dargebotenen Kunstleistung selbst, als
vielmehr der Art ihrer Darbietung galt.
Das Urtheil lief somit Gefahr, kein' rein sachliches mehr,
sondern von Umständen beeinflusst ^zu sein, die mit der
Sache an sich in keinem inneren Zusammenhang standen.
Angesichts dieser Befürchtung zögerten wir damals, ein
Urtheil über eine künstlerische Erscheinung zu fällen, die,
mochte man ihre mise-en-scene noch so sehr verurtheilen,
gleichwohl sich zu einer schönen Blüthe im modernen
Kunstleben' entwickelte, die, von allen wilden Wuche-
rungen des ekstatischen Subjektivismus befreit, Anzeichen
eines guten und dauernden Fruchtansatzes verrieth. Heute,
hach Jahresfrist,' nachdem auf der Mathildenhöhe in Darm-
"städrwieder beschäulicheTtühe eingezogen und die patho-
Jogischen Zustände mehr und mehr der natürlichen Gesun-
dung zu weichen beginnen, können wir an der Hand der ge-
No. 40.
254
nehmen, auch nöthigenfalls eine kurze Strecke tragen kann.
Das eine sei ein fester Koffer, das andere ein Segeltuch-
sack mit Abtheilungen und theiiweise verschliessbaren
Taschen. Mit letzterem lassen sich Stockschirm, Regen-
und Staubmantel, Zeichenblock und Feldstaffelei durch
kräftige Riemen fassen. Zu Umpackungen, Vertheilung
der einzelnen Stücke, hält man stets auf einige Reserve-
riemen und Bindfaden in verschiedenenStärken. FürSchuh-
werk, getragene Wäsche, Kleinigkeiten habe man Lein-
wandsäckchen verschiedener Grösse zur passenden Ver-
theilung in die Gepäckabtheiie. Durch Gebrauch bequem
gewordenes Schuhwerk lasse man mit neuen Sohlen ver-
sehen und tränke diese mehrmals mit Leinölfirniss, damit
sie wasserdicht und für längere Zeit haltbar werden. Alles
das bereite man wochenlang vor und wäge wohl ab, was
und wieviel mitzunehmen sei — je weniger, desto besser.
Ferner stelle man vorher, am besten in mündlicher
Aussprache mit einem „Pratico“, wie der Italiener sagt,
eine zum Reisezweck besonders passende Zeiteintheilung
fest. Dieser Reiseplan gilt allerdings nur bedingungs-
weise, muss er doch dann den Umständen angepasst werden.
Wer viel und mit Nutzen sehen will, darf sich ab und
zu nicht vor grösseren Anstrengungen scheuen. Auch an
die in südlichen Ländern höhere Temperatur gewöhnt
sich der Körper bei entsprechender Diät leicht. Für Italien,
Sizilien und Griechenland begünstigt die regenlose Zeit
sowohl das Reisen wie das Arbeiten im Freien. Unschöne
oder schon bekannte Eisenbahnstrecken lege man in
der Nacht .zurück. Abgesehen davon, dass man für eine
solche Nacht dem -Hötelleben entgeht, hat man auch an-
schliessend den ganzen Tag vor sich. Kein Architekt wird
Strecken in Russland, wie von St. Petersburg nach Rybinsk,
am Tage zurücklegen, dagegen, wenn es sich um eindrucks-
volle Städtebilder handelt, und dann auch zur See nie des
Nachts ab- oder anfahren. Mondhelle Nächte freilich wird
man ausnutzen: z. B. bei Christiania, Stockholm, Cattaro,
Corfu, Neapel, Palermo hat man unverwischbare Eindrücke,
die oft der Grund des wiederholten Besuches sind und
das fachliche Interesse vielfach überbieten.
Vortheilhaft ist es, an einem Orte, dessen Umgebung
dem Studium besondere Ausbeute liefert, mehrere Nacht-
lager zu nehmen und von da aus die entsprechenden Ab-
zweigungen zu machen. Wenn man infolge Empfehlung
erwarten kann, besonders gut und zufriedenstellend unter-
gebracht zu sein, so richte man den Reiseplan so ein, dass
von solchen Orten aus Reiseziele auch als grössere Abstecher
zu nehmen sind. Die Härten des Reisens sind dann weniger
fühlbar, indem man möglichst ohne alles Gepäck, nur mit
dem Nothwendigsten versehen, einige Tage wandern kann,
dazu mit dem angenehmen Bewusstsein, bei der Rückkehr
wieder in bekanntem Hause wohnen zu können.
Für die Ausführung der Reise möchte ich zunächst
im allgemeinen folgendes rathen: Alle Vergünstigungen
im Welt- und Ortsverkehr sind zu erwägen. Unterwegs
versäume man nie, auf einige Tage hinaus die einschlägigen
Fahrpläne und Anschlüsse zu studiren. Man wohne,
wenn immer thunlich, in der Nähe der Bahnhöfe. Da man
auf ihnen in ganz Europa Reisegepäck einige Zeit ver-
wahren lassen kann, so hat man es beimPIatzwechsel wieder
nannten schönen Veröffentlichung das damals gewonnene
Urtheil einer kühlen Prüfung unterziehen und zu ermitteln
versuchen, welches bleibende künstlerische Ergebniss diese
eigenartige Veranstaltung hinterlassen hat. Göthe sagt
einmal, es müsse eine schlechte Kunst sein, die sich auf
einmal erfassen Messe, da Werke, über die ein Künstler
lange nachgedacht, auch lange Zeit betrachtet werden
müssten. Mit welchen Gefühlen auch ein Besucher der
Darmstädter Ausstellung zur Mathildenhöhe gewandert
sein mag, jedenfalls musste er den Eindruck gewinnen,
das Urtheil über diese Veranstaltung nicht in der gleichen
Stunde, nicht am gleichen Tage, nicht nach einmaligem
Betrachten fällen zu können. Doppelt aber wurde eine
solche Zurückhaltung des Urtheils zur Pflicht, wenn leidige
Nebenumstände ungebührlich laut’ mitzusprechen ver-
suchten. Schiller konnte sich erst nach einer viermonat-
lichen Beschäftigung mit Wilhelm Meister entschliessen,
ein Urtheil über das Werk in seiner berühmt gewordenen
fragmentarischen Kritik zu fällen; über die Darmstädter
Ausstellung ein unbeeinflusstes Urtheil zu fällen, hat eigent-
lich erst die Herausgabe des genannten Werkes ermög-
licht, denn erst dieses gewährt den Genuss, in stiller Ab-
sonderung in Gesellchaft des Abbildes die Erinnerung an das
Vorbild aufzufrischen und einUrtheilausbeiden zu gewinnen.
Die Entstehungs-Geschichte der Darmstädter Künstler-
Kolonie ist ein interessantes Kapitel deutscher kleinstaat-
licher Kunstpflege. Am 13. März 1892 war Grossherzog
Ludwig IV. gestorben und ihm in der Regierung seih
einziger Sohn Ernst Ludwig gefolgt. Bis dahin führte die
17. Mai 1902.
leicht zur Hand. Hierbei ist zweckmässig, immer nur das
Nothwendigste für die Nacht mit ins Hotel zu nehmen.
So bleibt man im Gasthause unabhängig und kann bei Ab-
stechern das Zimmer inzwischen wiederaufgeben. Wo es
angeht, binde man sich wenig an die Hausordnung be-
züglich des Esszwanges. Man breche immer frühzeitig
auf und raste Mittags, nehme aber die Hauptmahlzeit erst
Abends ein. — Wo man unbekannt ist, sei man stets vor-
sichtig und scheue sich nie, vorher nach dem Preise des
Zimmers zu fragen , auch nach dem der Speisen in
Häusern, wo keine Speisekarten aufliegen oder aushängen.
Grösste Hötels mit internationalem Betriebe meide man.
Wo viel Höflichkeit und Nöthigung, da ist zumeist auch
Prellerei Man speise während des Rundganges in einer
Stadt immer gerade ‘da, wo man eben ist, wo man es
für gut und angezeigt hält, und suche vornehmlich
Wirthschaften auf, die von Einheimischen besucht wer-
den. Besonders an Markttagen empfehlen sich die
Speisehäuser, wo die bessere Landbevölkerung verkehrt,
von selbst durch ihren grösseren Verkehr und Betrieb.
Gerade hier isst man für wenig Geld sehr gut. — Nur
dann wohne man in kleinen Gasthäusern, wenn sie be-
sonders emjjfohlen sind, da man in grösseren ungebunde-
ner und billiger leben kann, wenn man es versteht, bei der
Ankunft gewandt aufzutreten und zu unterhandeln, denPreis
zu dingen und mit kleinem Zimmer in einem der oberen
Stockwerke vorlieb zu nehmen. Hierzu gehört aber ein ganz
besonderes Geschick, das meist erst gelernt sein will.
Wo man übervortheilt zu sein glaubt, gebe man kein
Trinkgeld, im anderen Falle aber nicht zü knapp: Beides
verschafft Genugthuung! Frechen notorischen Bettlern,
wie sie im Süden verkommen, gebe man grundsätzlich
nichts, gewerblichen und elenden aber wohl, wenn sie
bescheiden ansprechen.
In allen Ländern halte man sich aft die landesüblichen
Erfrischungen und Mahlzeiten, z. B. in England an den
Lunch, in Schweden an den „Sexa“ und auf den Bahn-
höfen Russlands an die stets frischen Fleischklösschen. In
Italien nehme man den Kaffee nicht im Albergo.
Die Reisekasse trage man am besten vertheilt bei
sich; grössere Summen in einer Brusttasche unter der
Weste. Immer sei man mit Kleingeld versehen, wozu
man stets eine Tasche frei zu halten hat. Die Ausgaben
schreibe manfolgendermaassen täglich Abends als letztes auf:
Monat Mai.
Festtage ]
g
Q ■
Haupt-
kasse
, l
Ent- 1
nähme I
Tägl.
Kassen-
bestand
I-ire
Tägl.
Ver-
brauch
Ort
Grössere
Ausgaben
Lire
i. G. 50 Fres.
i, P. 800 Mk.
i. P. 250 Lire
Lire
3
4
5
6
1
50
38.50
96’20
88, to
XL50
10,50
17,80
14,—
8,10
Verona
Vicenza
Photogr. 6,50
Vettura 3,80
Hotel 12,50
Photogr. 8,50
Residenz Darmstadt ein beschauliches, idyllisches Stillleben,
Welches selten nUr durch Ereignisse unterbrochen wurde,
die über den engen Kreis der Hauptstadt hinausdrangen.
Wenn man anderwärts die Erfahrung gemacht hatte, dass
selbst aus kleinen Ländern mit enggezogenem Gedanken-
kreise und mit scharf abgegrenztem Empfindungsleben
sich zuweilen Geister erhoben, welche in ihrem Gedanken-
fluge die nahen Grenzen des Heimathlandes bald hinter
sich Messen, so waren Ereignisse dieser Art dem Hessen-
lande seltener beschieden, als anderen deutschen Klein-
staaten. Es mag mit dazu beigetragen haben, dass der
geistige Mittelpunkt des Landes, dass Darmstadt schwer
unter seiner natürhehen Lage einmal als Nachbarstadt des
grösseren, lebhafteren, reicheren Frankfurt a. M., zum
zweiten als eine stille Residenzstadt mit ihrem unter
formalem Zwange ruhenden gesellschaftlichen Kleinleben
an einer der grössten Weltverkehrsstrassen zu leiden
hatte. Es lag wohl am Wege, es lag gleichwohl aber
auch, wieder abseits vom Wege, sodass es den modernen
Zeitströmungen, den stürmenden Gedanken der Gegenwart
keine Gelegenheit bieten konnte, zu verweilen. Die Be-
völkerung lebte in einer Art Mikrokosmos, es war mehr
ein Insichhineinschauen, zu welchem die Bevölkerung
Neigung empfand, als das Um- und Hinausschauen, das
Hinaussenden des Blickes ins Grosse, ins Weite. Es
konnte nicht ausbleiben, dass sich aus dieser Enthaltsam-
keit unter Umständen enge Anschauungen ' entwickelten,
dass weite Kreise ihr Lebensglück in einer bescheidenen Zu-
(Fortsetzung auf S. 258.)
255
Die tägliche Verbrauchssumme stellt man fest, indem
man vom Kassenbestande des Tages zuvor den neuen ab-
zieht. Festtage bezeichne man besonders. Wer dann
noch das Fahrgeld und grössere aussergewöhnliche Aus-
gaben angiebt, thut schon ein Uebriges , weiteres Auf-
schreiben erscheint zwecklos. Damit entsteht zugleich ein
übersichtlicher Reisekalender, der Reiseplan in der Aus-
führung; vor allem vermeidet eine solche Buchung jeden Irr-
ihum, alles Nachgrübeta. Für Adressen halte man einige
Seiten im Merkbüchlein frei und schreibe ausser Namen
auch das Datum abgesandter Briefe und Karten usw. auf.
Was nun die Hauptsache, die Studien selbst betrifft,
so lässt sich als für Alle gütig nur die Mahnung, aber
Des Abends studire man Lokal- und Volksleben, na-
tional interessantes Treiben auf Strassen und Plätzen, in
Theatern-, Wein- und Kaffeehäusern, bezw. Schänken, um
Land und Leute kennen zu lernen. Gerade diese Ein-
drücke hinterlassen dem Gedächtniss Stimmungsbilder, die
dann in der Erinnerung doppelt werthvoll sind, da
sie zum Verständnisse eines Volkes und seiner künst-
lerischen Empfindungen dienen, die sonst noch gemachten
Studien w'esentlich ergänzen und mit Maass gepflegt die
Arbeitsfreudigkeit erhöhen. In mondhellen Nächten ver-
säume man nicht, durch die Strassen zu schlendern, archi-
tektonisch hervorragende Bauten auf ihre Massenwirkung
hin zu betrachten, in Seestädten den Strand aufzusuchen.
„Haus in Rosen“, Kamin ln der Halle. Architekten: Prof. J. M. Olbrich und H. Christiansen.
Aus Alexander Koch „Die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt“.
dringend, aufstellen: Nütze die Zeit! Anstatt in der Nacht
ausführbare Bahnfahrten bei Tage zu unternehmen, auf
Bahnhöfen lange zu warten und in Hötels und Cafös stun-
denlang zu sitzen, kaufe man jede Minute, besonders im
Süden während der Morgen- und Abendstunden, bei ent-
sprechendem Wetter mit Eifer aus. Immer denken! Fährt
man beispielsweise mit dem Nachtzuge von Rom nach
Neapel, so kann praktisch auf der Hinreise die Fahrt in
Caserta, auf der Rückreise in Monte Cassino unterbrochen
werden, beide Male in den frühesten Morgenstunden, ein-
mal für die Promenade im Schlosspark, das andere Mal
für den Aufstieg nach dem Kloster.
256
Solche Eindrücke haften ebenso, wie die von erhöhten
Punkten genossenen Stadt- und Landschaftsbilder.
Bei den auf das Besondere eingehenden Winken
muss im folgenden zwischen jüngeren und älteren Reisen-
den noch unterschieden werden. Beim Kunstjünger ist
oft noch das Zeichnen Selbstzweck, während der Er-
fahrene zumeist nur Auffrischung und grössere Vertiefung
sucht, zugleich aber Erholung damit verbinden will. Jener
wird unter Umständen gründlicher, und, da ihm die An-
fertigung von Skizzen und Studien mehr Zeit raubt, weit
langsamer reisen ; letzterem genügen zur Unterstützung des
Gedächtnisses blosse Augenblicks-Skizzen, Ideen -Nieder-
No. 40.
Haus Olbrich.
Architekt: Prof. J. M. Olbrich
in DarmstadL
Aus Alexander Koch: «Die
Ausstellung der Künstler-Kolonie
in Darmstadt“.
Erklärung des La'geplanea:
I. Haupteingang.
а. Bluraenfaatle.
3 Haas Fet Behrens.
4. Hans Glflckert I.
5. Haus Glückert II.
б. Haus Christiansen.
7. Emst-Ludwig-Haus.
8. Haus Olbrich.
9. Haus Habich.
10. Haus für Flächenknnst.
11. Haus Keller.
13. Hans Deiters.
13. Spielhaus.
14. Postkartenhaus.
15. Restaurant.
17. Mai 1902.
257
Schriften, die ohne allen Zeitverlust lediglich das Motiv fest- aussöhnt. Darum immer erst alles gründlich ansehen,
zuhalten bestimmt sind. dann erst das Werthvollste mit den geringsten Mitteln
Junge Leute verfallen zumeist in den Fehler, dass sie aufnehmen. Für Studien in weniger bekannten Ländern
sich an erster bester Stelle gleich hinsetzen und nun auf empfiehlt es sich, zuvor eine auf das grosse Ganze gehende
Leben und Tod loszeichnen, unbekümmert darum, ob Uebersichtsreise zu machen, um mit den Landesverhält-
auch der betreffende Gegenstand das Zeitopfer werth ist, nissen und Forschungsgegenständen vertrauter zu werden,
nicht bedenkend, dass sie in der Zeit, in der sie das eine Dieses thue, wer es nur einigermaassen mit seinen Mitteln
oder andere Skizzchen sich zulegen, nichts anderes sehen, vereinbaren kann. Künstler, welche noch Bedtirfniss
als eben gerade das: sie zeichnen vielfach, um zu zeichnen, fühlen, nach Einzelheiten zu haschen, werden sich am
und steigern dieses in blindem Eifer ohne allen Nutzen, besten der Zeichenblocks bedienen und mit weichem Stifte
Denn wenn man schliesslich das Ergebniss ihres Schaffens das Charakteristische der Form festhalten und mit Fixatif
näher prüft, so gewinnt man das Ürtheil, dass die Ernte die Skizze überziehen. Für grössere Studienblätter ist es
den Mühen nicht entspricht, wenn nicht gerade der male- sehr vortheilhaft, wenn man mit einer Staffelei, d. h. mit
rische oder zeichnerisch-technische Werth derselben etwas einem Feldbock, der ein bewegliches kleines, in einem
friedenheit suchten- und- fanden, und befriedigt- waren, Strome, der Welt eine Künstlergrupp.e mit ähnlichen An-
wenn der Tag brachte, was der Tag forderte. Es war schauungen seit Jahrzehnten eine friedliche Insel gerettet
eine Art Glück im Winkel, es wurden keine Leidenschaften hatte, eine Künstlergruppe, für welche die Kunst keines-
ausgekämpft und wenn man in Konflikte kam, so waren wegs nur ein Stück Erwerbsleben, sondern im guten, alten
es höchstens Konflikte mit dem Nachbarn, der sich an der Sinne ein Stück künstlerischer Gewissensforschung war.
Fensterscheibe die Nase platt drückte, um zu erfahren, was Es genügt, den Namen Hans Thoma zu . nennen j der bis
bei seinem Nebenmenschen yorging. Die grossen Konflikte in das Greisenalter hinein in Frankfurt thätig war. Eine
der Kunst und der Seele, von welchen die modernen solche Kunst wäre eine Kunst des heimischen Bodens
Menschen theils vom Hörensagen, theils aus eigenem Er- gewesen, ausgestattet mit allen den seelischen Vorzügen,'
lebniss zu berichten wussten, sie fanden in die stillen, gras- welche künstlerische Uneigennützigkeit zu verleihen ver-
bewachsenen Strassen der hessischen Residenz an der Berg- mag. Und gewiss wäre auch die Baukunst ähnlichen
Strasse keinen oder nur seltenen Eingang. Die Menschen Regungen gefolgt, gewiss hätte auch sie die Gruhdzüge
wurden zu Fatalisten, die das ihnen auferlegte Geschick einer gemüthvollen Heimathkunst schon damals ange-
nahmenwie es kam, als eineSendung höherer Mächte, denen nommen. Es wäre alles dieses vielleicht möglich gewesen,
gegenüber der eigene Wille sich in Demuth beugen musste, wenn nicht — Karlsruhe gewesen wäre. Die badische
Wenn überhaupt, so war der moderne Subjektivismus in Residenz wurde nach Lage und gesellschaftlicher Be-
solcher Umgebung eines jener seltenen Probleme, an die deutung die natürlichste Nebenbuhlerin der hessischen,
man sich nur scheu wagte. Schon frühe hatte sie es sich angelegen sein lassen, durch
Es hätte nun vielleicht nahe gelegen zu erwarten, dass eine weithin beachtete Kunstschule von hervorragender
in Darmstadt mit seinem in sich geschlossenen Geistes- Bedeutung eine an Erfolgen reiche Künstler-Kolonie in
leben, mit seiner herrlichen Naturumgebung sich eine sich aufzunehmen und was die Akademie für Malerei und
Kunstübung etwa im Ludwig Richter’schen Sinne ent- Bildhauerei bot, das ergänzte die technische Hochschule
wickelt hätte, eine Kunstübung der heimischen Scholle, für die Baukunst. Daneben erfreute sich das Kunstgewerbe
eine Kunst mit dem wundersamen Erdgeruche ursprting- einer lebhaften, auf den Forderungen einer echten Heimath-
licher und einfacher Natürlichkeit, vielleicht auch etwas kunst entwickelten Blüthe, kurz, die Kunstverhältnisse
eingekleidet in ein historisches Gewand, jedenfalls ausge- des benachbarten Karlsruhe waren Gegenstand der eifer-
stattet mit dem feinen Seelenleben einer in patriarchali- süchtigsten Aufmerksamkeit der hessischen Kreise, insbe-
scher Selbstgenügsamkeit zufriedenen Menschenbrust. Es sondere nach dem Regierungsantritt des jungen Gross-
hätte eine solche Annahme vielleicht um so näher gelegen, herzogs Ernst Ludwig. In ihm erhielt das Hessenland
als sich in dem benachbarten Frankfurt im lebhaftesten einen Regenten, welcher mit einem lebhaften Temperament
258 . No.. 40.
Kugelgelenk drehbares Reissbrett trägt, versehen ist. Das
Stativ (s.- Abbildg.) wird auch dem mit photographischem
Apparat ausgerüsteten Künstler gute Dienste leisten. Das
Sitzen bei der Arbeit beeinflusst zumeist den Ueberblick,
aber das Stehen davor, welche ein Zurücktreten mühelos
ermöglicht, lässt eine grössere Auffassung zu, und die auf
solcher Tafel entstehenden Arbeiten machen einen un-
gleich vortheilhäfteren Eindruck als solche, die in kauernd
sitzender Stellung gemacht sind. Jene fallen flotter, frischer
aus, ganz gleich, ob Aquarell, ob Federzeichnung. Was
nun Bauaufnahmen anbelangt, so thut man gut, die grösseren
Abmessungen gleich auf der Arbeitsstelle nach Maasstab
und nur die kleineren skizzenhaft aufzutragen, um Irr-
thümer zu vermeiden und das spätere reine Aufzeichnen
zu erleichtern.
Aeltere Künstler, die weder um der Sache willen noch
zum Selbstzweck zeichnen, wollen besser ihre grösseren
Skizzenbücher und Blocks zu Hause lassen gegen Ein-
tausch von kunstgeschichtlichen Büchern zur weiteren
Vertiefung und Einlebung an Ort und Stelle. Sie werden
sich auf einfache Schreibskizzen beschränken, welche
lediglich nur das augenblicklich Interessirende, die Idee,
festzuhälten bestimmt sind. Solche Skizzen lassen sich
im Handumdrehen, im Stehen und Gehen, ohne jedweden
Zeitverlust und irgend welche Unbequemlichkeit, den
Reiseführer unterm' Arm und den Schirmstock angehängt,
ausführen.
Photographieen sind ja zur Unterstützung des Ge-
dächtnisses unentbehrlich, doch wird man finden, dass
solche selten das wahre Bild, den wirklichen Eindruck
wiedergeben. Entweder ist der Gegenstand bedeutungs-
voller als das Bild oder umgekehrt, ganz abgesehen von
der Farbenwirkung. — In den Ausnahmefällen, dass man
einer nur mit grossem Apparate auszuführenden bedeu-
tenden Anzahl von Aufnahmen bedarf, bediene man sich
der Unterstützung eines für den besonderen Zweck er-
probten Berufsphotographen jener Gegend. —
Nur eine wohlerwogene Planung der Reise und
eine das grosse ganze Ziel nie verlassende, geschickte
Durchführung wird das Gefühl wahrer Genugthuung
erzeugen. Die helle Freude an der befriedigenden
Ausbeute auf künstlerischem Gebiete wie an genuss-
reichen Erinnerungen wird nur dem voll zutheil, der
sich müht, mit offenem Blick zu sehen, zu schätzen und
zu werthen, —
Theobald Hof mann.
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten-Vereln zu Berlin. Vortragsabend mit Damen
am 14. April igor. Vor gefülltem Saale sprach an diesem
Abend Hr. Adler über „Lebenserinnerungen aus
dem Architekten-Verein". Auf eine mehr als 50-jäh-
rige Angehörigkeit und rege Thätigkeit im Verein zurück-
blickend, wusste Redner bald in ernsthafter Weise, die
Wirksamkeit des aus kleinen Anfängen entstandenen Ver-
eins und seiner Mitglieder würdigend, bald in scherzhafter,
Episoden aus dem Vereinsleben humorvoll einflechtend,
die Hörer zu fesseln.
j Adler trat am 5. Mai 1849 in den Verein, der zu jener Zeit
in: dem Knoblauch’sehen Hause, Oranienstrasse loi, tagte.
An seiner Spitze standen damals Männer, deren Namen
einen guten Klang haben: Strack, Stüler, Knoblauch,
Mellin, Drewitz. Bescheiden waren die Räume, welche
dem Verein zur Verfügung standen, bescheiden die Biblio-
thek, um deren Vermehrung sich später Wilhelm Ernst
ganz besondere Verdienste erworben hat; aber Gemüth-
lichkeit und ernstes Streben waren der hervorstechende
Zug jener Zeit.
Das Jahr 1850 war von besonderer Bedeutung für das
Vereinsleben, namentlich durch das überraschende Ereig-
niss, dass ein junger, unbekannter Bauführer, Schwedier,
bei dem internationalen Wettbewerb um die Rheinbrticke
in Köln unter zahlreichen Bewerbern des In- und Aus-
landes den I. Preis davontrug. Es konnte nicht fehlen,
dass es daran Manches zu tadeln gab, aber Schwedier
wusste seine Sache im Verein so zu führen, dass man
ihm Recht geben musste. Er erhielt den Auftrag zur Aus-
führung und trat damit in eine Laufbahn, die ihn bald in
eine führende Stellung brachte.
Die Einrichtung der Schinkel-Wettbewerbe, die nach-
mals zu so grosser Bedeutung gelangte, verdankt Adler
die erste Anregung. Im Jahre 1851 wurde die erste
Schinkelaufgabe gestellt. Gegenstand war der „Entwurf
zu einer Villa für den König am Jungfern-See“.
Adler gewann den I. Preis, der damals in der bescheidenen
Summe von 6 Friedrichsd’or bestand. Am Schinkelfest
1852 fand die erste feierliche Preisvertheilung statt. In
jenem Jahre wurde auch der Grundstock zum Vereins-
vermögen aus dem Ueberschusse von 668 Thlrn. des
Jahres 1851 geschaffen.
Redner schilderte dann weiter das Leben des Vereins,
die Theilnahme an Knoblauchs silberner Hochzeit 1856,
die Feier des 40jährigen Stiftungsfestes 1864, die Thätig-
keit des Vereins bei der Ausschmückung des Lustgartens
bei dem Einzug der siegreichen Truppen 1866, die Grün-
dung der „Deutschen Bauzeitung“ 1867, die nachmals
„zu einem unentbehrlichen Organ des gesammten Bau-
und Ingenieurwesens erwachsen ist“, und den Umzug nach
Wilhelmstrasse 118 im Jahre 1869.
Einschneidend in das Veremsieben, wie für ganz
Deutschland, waren die Jahre 1870 und 71 und der nach-
folgende Aufschwung auf den Gebieten der Kunst und
des wirthschaftlichen Lebens. Grosse und neue Ansprüche
wurden an die Thätigkeit und Leistungsfähigkeit der Ar-
.chitekten und Ingenieure gestellt, aber auch schöne Auf-
gaben, grosse Aufträge wurden ihnen andererseits zutheil.
An diesem Aufschwung hat der Architekten-Verein und
ein grösser Theil seiner Mitglieder lebhaften Antheil ge-
nommen.
Mit dem Jahre 1874, dem glänzend gefeierten 5ojähr.
Stiftungsfeste, schloss Redner seine Erinnerungen. Reicher
Beifall wurde ihm zutheil. An den Vortrag schlossen sich
eine hochentwickelte Neigung für die bildende Kunst ver-
band und dieser Neigung bei grossen persönlichen Opfern
in der zwanglosesten Weise Ausdruck gab. Grössere
Reisen hatten ihn mit den künstlerischen Bestrebungen
der anderen Länder bekannt gemacht; durch die verwandt-
schaftlichen Beziehungen mit dem englischen Hofe wurde
ihm die englische Kunst vertraut und unter dem Zu-
sammenfluss aller dieser Eindrücke und im Hinblick auf
die künstlerische Stellung Karlsruhes reifte in ihm der
Entschluss zu einer künstlerischen That. Bei dem edlen,
jugendlichen Feuer, welches das hessische Fürstenhaus
für die Kunst beseelte, war vom Entschluss zur That kein
weiter Weg' mehr, insbesondere, nachdem eine Denkschrift
von dem Verlagsbuchhändler Alexander Koch in Darm-
stadt der Frage den Charakter der Nothwendigkeit aufge-
prägt hatte. Und diese That dachte man sich als eine solche,
dass sie nicht nur Aufsehen in der gesammten Kunstwelt
hervorrufen, sondern bleibende Werthe für die Kunst-
übung des Landes schaffen sollte. Dazu wurde durch
den Grossherzog zunächst in Aussicht genommen, einen
Stamm unabhängiger. Künstler für Darmstadt zu gewinnen,
von welchem die künstlerische Befruchtung des Landes
ausstrahlen sollte. „Und da ihm“ — wie das inrede
stehende Werk sagt — „das eigene Land in seinen Söhnen
nicht genug Männer bot, , die gerade in dieser Art der
Kunst, die eine engste Vereinigung mit den breiten Lebens-
schichten durch Handwerk und Industrie ermöglicht, . unter
den Vordersten standen, so liess er seinen Ruf ergehen
über alle Gebiete deutscher Zunge, und zu den beiden
Hessen traten ernste, kühne Männer , aus dem seefahren-
17. Mai 1902.
den Norden und Kinder des Südens, der leichten Anmuth
und der kecken, zierlichen Geberde“. Es wurden zum
I. Juli T.899 berufen der Maler Hans Christiansen, ge-
boren 1866 in Flensburg; der Bildhauer Ludwig Habich,
geboren 1873 in Darmstadt; der Ciseleur Rudolf Bosselt,
geboren 1871 in Perleberg . in der Mark; der Zeichner
Patriz Huber, geboren 1878 in Stuttgart und der Maler
Paul Bürck, geboren 1878 in Strassburg. Zu diesen fünf
Künstlern traten dann weiterhin der Architekt Prof. Jos.
M. Olbrich, geboren 1867 in Troppau, und der Maler
Peter Behrens, geboren 1868 in Hamburg. Wie man
sieht, ist es eine Künstlergesellschaft von grösster Viel-
seitigkeit der künstlerischen Anschauungen, die man nach
Darmstadt berief. Nicht ohne Freude wird man ferner
bemerken, dass die englische Bewegung, die noch in der
zweiten Hälfte der neunziger Jahre einen fast erdrücken-
den Einfluss in Deutschland ausübte und das politische
Wort des Fürsten Bismarck wahr zu machen suchte:
,,L’ Anglais est mauvais coucheur, il tire toute la Couverture
ä lui“, auf die Wahl der Künstler keinen Einfluss hatte.
Es lag auf der Hand, dass diese Künstlergruppe nun zu-
nächst den Wunsch hatte, sich durch eine aus geschlossener
Zusammenwirkung hervorgegangene That in Hessen und
Deutschland und nicht nur in diesen Grenzen einzuführen.
Diese That — als solche muss man sie bei unbefangener
Würdigung trotz allem, was sie durch die eigene Schuld
ihrer Urheber entstellte bezeichnen — war, wie es etwas
anspruchsvoll von der Künstlergruppe selbst genannt wurde,
das „Dokument deutscher. Kunst“ des Jahres 1901. —
(_Fortsetzung fo^t.)
259
noch ergänzende Bemerkungen des Hrn. Wiebe aus seiner
Erinnerung, die ebenso weit zurückreicht, wie die des
Vortragenden, und eine Besichtigung zahlreicher Zeich-
nungen, Gedenkblätter, Gipsreliefs, vielfach von der Hand
Adler’s selbst, die auf das Vereinsleben Bezug hatten und
den Vortrag in werthvoller Weise ergänzten. — Fr. E. —
Münchener (oberbayerischer) Arch.- und Ing.-Verein.
Nachdem die satzungsgemäss aus der Vorstandschaft aus-
geschiedenen Herren durch die in der General-Versamm-
lung vom 24. April vorgenommene Wahl ersetzt worden
waren, setzt sich die Vorstandschaft für das Geschäftsjahr
April 1902 bis April 1903 wie folgt zusammen: I. Vor-
sitzender: Ludwig Stempel, Ob.-Brth.; II. Vorsitzender:
Carl Straub, Reg.-Rth. ; I. Schriftführer : Günther Blumen-
tritt, Architekt; II. Schriftführer: Joseph Rank, Architekt;
Kassirer: Hugo Marggraff, Ob.-Bauinspektor. Mitglieder
der Vorstandschaft; Dr. Julius Groeschel, Ob.-Bauinsp.;
Carl Hocheder, Prof, der Techn. Hochschule; Hermann
Recknagel, Zivilingenieur; Carl Schaaff, Reg.- und
Kreisbauassessor; Martin Voigt, Architekt. —
Vermischtes.
Die Schaffung eines bayerischen Verkehrs-Ministeriums,
das schon seit längerem als ein Bedürfniss empfunden
wird, scheint in absehbarer Zeit zur Thatsache werden
zu’ sollen. Die Frage ist schon vor einigen Jahren er-
örtert und damals vom Minister-Präs. Graf Crailsheim die
Erklärung abgegeben worden, dass sich die Einrichtung
eines solchen Ministeriums mit der Uebernahme der
pfälzischen Eisenbahnen jedenfalls als nothwendig er-
weisen werde. Bei den jetzigen Verhandlungen über die
Erwerbung der pfälzischen Bahnen hat der Minister seine
frühere Ansicht erneut bestätigt, sodass die Verwirklichung
nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte, lieber die
etwaige Gliederung der neu zu schaffenden Behörde und
den Ümfang ihres Wirkungskreises verlautet allerdings
noch nichts Näheres. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Fassaden Danzig. Es handelt sich um
Fassaden-Entwürfe für 17 Wohn- und Geschäftshäuser, die
sich in ihrem Aeusseren den in Danzig vom Ende des
XIV. bis Ende des XVIII. Jahrh. vorkomraenden Stilarten
anschliessen müssen. Es betrifft der. Wettbewerb jedoch
nicht allgemeine, sondern örtlich bestimmt bezeichnete
Beispiele von Waaren-, Kontor- und Wohnhäusern. Die
Aufrisse und Durchschnitte sind i : 50, die Grundrisse min-
destens 1 : 500 und zwar in schwarzer Tusche in Strich-
manier verlangt, eine Vorschrift, welche die möglichst
treue Wiedergabe in einer in Aussicht genommenen Ver-
öffentlichung wesentlich erleichtern dürfte. Ein Ankauf
nicht preisgekrönter Entwürfe für 150 bezw. 50 M. ist in
Aussicht genommen. Den Unterlagen sind 'die einschlä-
gigen Paragraphen der Bau-Polizeiverordnung für die innere
Stadt Danzig angefügt. Wir empfehlen trotz der etwas
reichlichen zeichnerischen Anforderungen und der nicht
eben hohen Preise die Theilnahme an diesem Wettbewerbe
mit derselben Wärme, mit welcher wir die gleichen Bestre-
bungen der vorangegangenen alten Städte begleitet haben. —
Wettbewerb Erweiterung Rathhaus Nienburg a. W. In
diesem Wettbewerb, dessen Ausschreibung vielleicht keine
zwingende, in der Bedeutung der Aufgabe liegende Noth-
wendigkeit war, handelt es sich um den Entwurf zu
einem Anbau an das bestehende, mit einer' reizvollen
Fassade der deutschen Frührenaissance ausgezeichnete
Rathhaus, welches in Erd-, Ober- und Dachgeschoss Kassen-
räume mit Stahlkammer, Räume für das Katasteramt, für
die Polizei, für die Sparkasse und eine Wohnung enthalten
soll. Der neue Theil soll mit dem alten eine künstlerisch
wirkungsvolle Gebäudegruppe bilden. Die Aufgabe wird
dadurch eine anziehende und'dankbare. Die Zeichnungen
sind zwar i : 100 verlangt, jedoch ist in änerkennenswerther
Weise beabsichtigt, wenn möglich, den Gewinner des
I. Preises mit der künstlerischen Leitung des
Baues zu beauftragen. So kann denn der grosse
Maasstab der Zeichnungen dazu dienen, den künstlerisch
befähigsten Bewerber zu ermitteln. Es ist in den gut vor-
bereiteten Unterlagen nicht gesagt, dass der Betrag zum
Bezüge derselben von 5 M. bei Einsendung eines Ent-
wurfes zurückerstattet wird; wir glauben aber, dass es
nur dieser Anregung bedarf, um die ausschreibende Stelle
hierzu zu veranlassen. — __ . . • -
Wettbewerb Rathhaus Kassel. Zum i. Mai sind in
diesem Wettbewerb- 118 Entwürfe eingelaufen, feine Zahl,
welche es voraussichtlich unmöglich machen wird, die Ent-
scheidung des Preisgerichtes innerhalb der angegebenen
Zeit herbeizuführen. —
Personal-Nachrichten.
Bayern. Dem Ob.-Brth. Höfl in München ist der Verdienst-
orden vom hl. Michael IV. Kl. verliehen:
Der Ing. Heilmaier mit dem ‘Wohnsitze in Glanmünchen-
weiler ist bei den pfälz. Eisenb. aufgenommen.
Der Reg.- u. Kr.-Brth. Pacher in Bayreuth ist nach München
versetzt. Der Bauamtm. Spies in Kissingen ist z. Reg.- u. Kr.-
Brth. in Bayreuth und der Bauamtsass. Wi e d e m an n in Kempten
z. Bauamtm. in Kissingen befördert. Der Bauassist. Blumentritt
in München ist z. Bauamtsassi in Kempten ernannt. Der Ob.-Brth.
Hohmann in München ist in den erbet. Ruhestand versetzt.
Hessen. Ernannt sind: Der Reg.-Bmstr. S c h m i c k in Frank-
furt a. M. z. vortr. Rath beim Min. der Einanzen mit dem Tit. Ob.r
Brth.; der Bauinsp. Diehl von Bensheim z. Bauinsp. ohne Amts-
bezirk mit dem Wohnsitz in Darmstadt; der Bauass. Block in
Bensheim z. Bauinsp. des Hochbauamts das.; die Reg.-Bfhr. Heinr.
Schmidt, Alfr. S a e g e r aus Darmstadt , Karl Koch aus Als-
feld und Karl Hechler aus Darmstadt zu Reg.-Bmstrn.
Der Kr. -Bauinsp. Endres in Schotten ist s. Ansuchen ge-
mäss aus dem Dienst entlassen.
Der Bauinsp. Brth. Renting in Mainz ist gestorben.
Preussen. Verliehen ist: den Reg.- u. Brthn. Wittfeld die
Stelle eines ständ. techn. Hilfsarb. in den Eisenb.-Abth. des Min.
d. öffentl. Arb. ; Lübbecke in Elberfeld, Strasburg in Essen
a. R., Kays er in Königsberg i. Pr., Krause in Essen a. R. die
Stelle eines Mitgl. der kgl. Eisenb.-Dir. das. Dem Eisenb.-Dir.
W e i s s in Mainz die Stelle eines Mitgl. der kgl. preuss. und grossh.
hess. Eisenb.-Dir. das.; den Eisenb.-Dir. Fink in Hannover, Zwes
in Berlin, Meyl in Erfurt, Hattemer in Stettin die Stelle eines
Mitgl. der kgl. Eisenb.-Dir. das.; dem Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp.
Barschdorff in Stargard i. Pomm. die Stelle des Vorst, der
Betr.-Insp. i das.; den Eiseub.-Bauinsp. Epstein in Breslau die
Stelle des Vorst, einer Werkst-Insp. bei der Hauptwerkst, x das.,
Fritz in Braunschweig die Stelle des Vorst, der Werkst. -Insp.'
das., ' dem Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Kilian in Mainz die Stelle
des Vorst, der Betr.-Insp. das. und dem Dr. Dehnst in Berlin
eine der für Bauinsp. vorgeseh. Stellen bei der kgl. Eisenb.-Dir.
in Berlin.
Versetzt sind: Der Geh. Brth. Bindemann in Breslau als
Mitgl. an die kgl. Eisenb.-Dir. in Hannover; als Mitgl. an den kgl.
Eisehb.-Dir. die Reg.- u. Brthe. Siegel in Kattowitz nach Erfurt,
Falke in Erfurt nach Berlin, Hellraann in Köln nach Breslau,
Jahnke in Stettin nach Kattowitz, Bergmann in Eberswalde
(äuftrw.) nach Magdeburg, Werren in Danzig nach Halle a. S.j
Baeseler in Magdeburg nach Erfurt, Backs in Görlitz nach
Breslau, Kiesgen in Göttingen nach Kassel, Stimm in Frank-
furt a. O. nach Danzig, Struck in Berlin nach Danzig, Scheib-
ner in Küstrin nach Bromberg, Roth in Krefeld (auftrw.) nach
Magdeburg, Mertens in Breslau nach Kattowitz, Barzen in
Wiesbaden nach Frankfurt a. M. , Kaufmann in Hamburg nach
Altona, V oss in Gleiwitz nach Bromberg, Geber in Duisburg
nach Essen a. R., Büttner in Halberstadt nach Magdeburg,
Steinmann in Paderborn nach Münster i. W., Kiel in Köln
(auftrw.) nach St. Joh.-Saarbrücken; — als Vorst, von Betr.-Insp.
die Reg.- u.' Brthe. Weise in Osnabrück nach Schneidemühl 3,
S c h m a 1 z in Beuthen nach Görlitz 3, Goleniewiczin Wesel
nach Osnabrück 3, Freudenfel dt in Schneidemühl nach Küstrin ,
Holtmann in Aachen nach Köln s; — Meinhardt in Harburg
als Vorst, der Masch.-Insp. nach EberswaJde, Gut zeit in Stettin
als Vorst, der Werkst-Insp. nach Eberswalde; — der Eisenb.-Dir.
Schubert in Sbrau als Vorst, der Betr.-Insp. 8 nach Berlin; —
als Vorst von Betr-Insp. die Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. v. Milewski
in Eschwege nach Wesel, Lund in Harburg nach Göttingen 3,
Schilling in Oppeln nach Neustettin, Estkowski in Neu-
stettin nach Sorau, Schräder in Allenstein nach Harburg s,
G u t b i e r in Essen nach Duisburg 3, K r e s s i n in Ratibor nach
Gleiwitz i, Biedermann in Glogau nach Breslau i, M e y e r in
Sulingen nach Allenstein 3, Falkenstein in Elze nach Glogau 3,
Herr in Berlin nach Halberstadt r, Hansen in Hagen hach
Aachen 2, Heller in Kattowitz nach Beuthen O.-S. i, Kraus s
in Bromberg nach Oppeln x, Laspe io Harburg nach Krefeld 2,
Schneider in Münster nach Eschwege, Rhode in Hannover
nach Essen a. R. 4, Prött io Xanten nach Paderborn 2, Stro-
me y e r in Berlin nach Wiesbaden 2, Leipziger in Breslau nach
Ratibor i, Genz in Danzig (auftrw.) nach Frankfurt a. O. 2,
Hammer in Breslau (auftrw.) nach Königsberg i. Pr. t, Marx
in Königsberg (auftrw.) nach Angerburg; — die Eisenb.-Bau- u.
Betr.-Insp. Loeffel in Harburg zur kgl. Eisenb.-Dir. in Hannover,
Krzyzankiewicz in Harsefeld zum Bau der Bahnstr. Celle-
Schwarmstedt nach Winsen a. Aller, Schwemann in Soltau
zur kgl. Eisenb.-Dir. in Hannover; — die Eisenb.-Bauinsp. Köhler
in Kattowitz als Vorst, der Betr.-Insp. nach Elberfeld und Staudt
in Altona als Vorst, der Betr.-Insp. 2 nach Hamburg (beide unt.
Beilegung der Amtsbezeichnung als Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp.); —
als Vorst, von Masch.-Insp. die Eisenb.-Bauinsp. Liesegang in
Weissenfels nach Köln, Hartwig in Magdeburg nach Stettin i,
1 1 1 n e r in Breslau nach Weissenfels, K e 1 1 e, in Saarbrücken nach
Wittenberge, Schmidt in Frankfurt a. M. na.ch Giessen; — als Vorst,
von Werkst. -Insp. die Eis. -Bauinsp. G ad ow in Danzig nach Meiningen,
Römer in Essen nach Paderborn, Berthold in Giessen nach
Halle a. S., v. L e m m e r s - D a n f o r t h io Essen nach Speldorf,
Lehn er s in Königsberg nach Harburg; — der Eisenb.-Bauinsp.
T o o r e n in Köln in den Dir.-Bez. Essen a. R. für Abnahmezwecke
nach Aachen.
Inhalt:. Die .Architektur, auf; der Grossen Berliner Kunstausstellung
1902. — Winke für die zweckmässige Durchführung von Studienreisen. —
Dask'änstlerische Ergeb'niss des Darmsfädter „Dokumentes“. — Mittheiluneen
aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Personal-Nachrichten.
Verlag der Deutschen Bauzeitimg, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
260 No. 40.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 41. Berlin, den 2T. Mai 1902.
Conrad Wilhelm Hase.
!^^Sonrad Wilhelm Hase, dessen Hinscheiden wir in
No. 27 gemeldet haben, wurde als das zehnte Kind
seiner Eltern am 2. Okt. 1818 zu Einbeck in Han-
nover geboren. Sein Vater war Steuerbeamter von ge-
ringem Einkommen, sodass die Jugend des Sohnes unter
den bescheidensten Verhältnissen dahinging. Sie scheint
aber im übrigen eine glückliche gewesen zu sein und die
unbesiegbare Frohnatur seines Herzens, die Liebe, mit wel-
cher er an seiner Heimath hing, haben offenbar in dieser
ersten Lebenszeit ihre Wurzeln entwickelt. Ausserdem
zwangen ihn diese Verhältnisse auch frühzeitig zu selb-
ständiger Thätigkeit und zum sparsamen Haushalten mit
eigenen Mitteln. Nachdem er zu Einbeck eine höhere
Schule besucht, bezog er 1833 die damalige Gewerbe-
schule zu Hannover, die heute daselbst zur technischen
Hochschule erwachsen ist,
zu jener Zeit aber nur eine
kleineZahl techni.scher und
wissenschaftlicher Lehr-
gegenstände, die noch da-
zu in engem Umfange be-
handelt wurden, umfasste
und in dieser Hinsicht
kaum viel mehr als unsere
lieutigenBaugewerkschulen
darbot. Dennoch gab sie
Hase Gelegenheit zur Fort-
entwicklung der künstleri-
schen Neigungen, welche
sich früh bei ihm zeigten,
wie er denn bald fein und
sauber, wie es damals üb-
lich, doch mit richtiger For-
menauffassung zu zeichnen
und namentlich nach der
Natur zu skizziren verstand.
Da nach Abschluss des
Studiums im Jahre 1838 der
Staatsdienst, an den er zu-
nächst wohl gedacht hatte,
bei dem allgemeinenDarnie-
derliegen staatlicher Bau-
thätigkeit in jenen Jahren
ihmin absehbarer Zeit keine
Gelegenheit zur Anstellung
bot, so entschloss er sich,
zum Handwerk überzu-
gehen und als Maurer-
meister und Unternehmer
sein Glück zu versuchen.
Der Weg dazu ging damals
nur durch die praktische
Lernzeit als Lehrling und
Geselle, die er in den
Jahren 1838 und 1839, in
welchem Jahre er sein Ge-
sellenstück als Maurer ab-
legte, durchmachte. Daran
schloss sich dann nach
guter Handwerkssitte eine
Wanderzeit, für deren An-
tritt die kleinen Ersparnisse
als Geselle, verstärkt durch
den Erlös für einige verkaufte Aquarelle, eben ausreichten.
Zu Fuss — er war immer ein rüstiger Fussgänger gewesen,
der den Weg von seiner Vaterstadt nach Hannover bei
Eintritt der Ferien in einem Tage zurückzulegen pflegte —
ging erfröhlichen Sinnes über Kassel,Marburg, Frankfurt a.M ,
Wiesbaden und Mainz nach München, unterwegs, so in Wies-
baden und Mainz, wieder als Maurergeselle zur Auffrischung
seiner bescheidenen Baarmittel thätig. In München eröffneten
sich ihm ganz neue und erweiterte künstlerische Gesichts-
punkte. Nicht nur dass dort aufKönigLudwigl. Veranlassung
eine Bauthätigkeit herrschte, wie sie damals in keiner ande-
ren deutschen Stadt, Berlin nicht ausgenommen, zu finden
war, so boten daselbst auch die auf den übrigen Kunst-
gebieten mit reichem Erfolge thätigen zahlreichen Kräfte
die mannichfaltigsten Anregungen, denen sich der junge
wissensdurstige Hannoveraner mit regstem Interesse
hingab. Es war Gärtner, der Meister des romanisch-
romantischen Stils, wie man ihn damals verstand, dem
sich der Verstorbene besonders anschloss und dessen
Unterricht er besuchte. Der nachhaltige Einfluss dieses
Meisters ist lange bei Hase zu verspüren gewesen; zu der
Richtung auf die mittelalterliche Kunst gab er, wie bei
mehreren Anderen, jedenfalls auch bei ihm eine erste
Veranlassung, Umstände, welche die Bedeutung des heute
fast vergessenen Mannes als Lehrer jedenfalls hoch ein-
schätzen lassen. Ausserdem widmete sich Hase auch ande-
ren dort zugänglichen technischen und künstlerischen Stu-
dien, namentlicn auf dem Gebiete der Ingenieur-Wissen-
schaften, und fand in den Kreisen jüngerer bildender
Künstler, unter denen sich seine Landsleute Kreling, Ed-
mund Koken, Seidel und andere befanden, mannichfaitige
Anregung. Dazwischen war er dann auch wieder des
Lebensunterhaltes wegen als Maurer thätig, so beim Bau
der neuen Residenz. Er
hat selbst in späteren Jahren
über dieseW ander- undStu-
dienzeitfrisch geschriebene
Aufzeichnungen gemacht,
die auch über die persön-
lichen Beziehungen hinaus
von allgemeinem Werthe
sind und aus denen wohl
gelegentlich Stücke ver-
öffentlicht werden sollten.
1843 kehrte Hase wieder
in seine Heimath zurück,
wo dem Baufach inzwischen
durch die Anlage der ersten
Eisenbahnen ein ganz neues
Feld eröffnet worden war.
Hierbei trat er zunächst als
Architekt und Unternehmer
auf und die noch bestehen-
den Empfangsgebäude von
Lehrte, Celle, Wunstorf u. a.
bildeten seine ersten Leis-
tungen auf diesem Felde.
Der damals offizielle, in
Putz hergestellte Rundbo-
genstil dieser Anlagen lässt
allerdings noch nichts eigen-
artig Künstlerisches erken-
nen. Dagegen tritt in den
entsprechenden Bauten für
die Südbahn schon die Ver-
wendung des sichtbaren
Ziegels als Baustoff der
Aussenseiten und eine For-
menbildung aus den Bedin-
gungen desselben heraus
entwickelt, deutlich hervor.
Man war jedenfalls dadurch
auf Hase’s künstlerische Be-
fähigung aufmerksam ge-
worden und als es sich im
Jahre 1848 darum handelte,
die herrliche Klosteranlage
von Loccum, namentlich
die Kirche, vor dem Ver-
fall zu schützen, ward Hase
diese Aufgabe übertragen
und er wurde durch dieselbe auf jenes Gebiet geführt,
auf welchem er späterhin eine besonders glückliche Thä-
tigkeit entfalten sollte. Der Loccumer Herstellung haftet
allerdings, namentlich in den nothwendigen neuen Hinzu-
fügungen, wie Altar und anderem, noch eine leicht ver-
ständliche Stilunsicherheit an.
Noch bedeutungsvoller für ihn ward dann seine im
Jahre 1849 erfolgte Berufung als Lehrer der Architektur
an die inzwischen aus der Gewerbeschule zum Pohtech-
nikum uragestaltete Anstalt zu Hannover. Mehr noch als
in seiner Stellung als ausübender Künstler, hat er in die-
ser durch eine ganz besondere Befähigung unterstützten
Lehrstellung, welche er fast durch ein halbes Jahrhundert
inne hatte, den grössten Einfluss ausgeübt. Sie bildet wohl
den Mittelpunkt seiner ganzen künstlerischen Persönlich-
keit, durch sie hat er sich einen dauernden Platz in der
Entwicklung der neuen Kunst gesichert. Durch sie wurde
er Begründer einer Architekturschule, welche in den 60 er
261
Jahren des 19. Jahrhunderts die Höhe ihrer Entwicklung
erreichte und in deren zahlreichen Schülern, welche sich
nicht nur auf das engere Gebiet Hannovers beschränkten,
sondern auch einen grossen Theü Norddeutschlands und
darüber hinaus namentlich Norwegen umfassten, sich der
anregende, ja zwingende Einfluss des begeisterten Lehrers
deutlich kundgab. Die zu Hase’s achtzigstem Geburtstage
veranstaltete Ausstellung von Werken seiner Schüler, die
auch in diesem Blatte (Jhrg. 1898) eingehend gewürdigt wor-
den ist, gab Gelegenheit, die grosse Zahl hervorragender
Namen, die sich zu denselben rechneten, zu nennen, daher
hier auf jeneAusführungen hingewiesenwerden mag. Diese
Befähigung Hase’s als Lehrer hat sich auch dann noch
bethätigt, als andere Strömungen in der Kunstentwick-
lung den Einfluss der Schule als ausschliesslich auf die
Pflege der Gothik und auch innerhalb dieser auf das Ge-
biet des Ziegelbaues insbesondere gerichtet einschränkten,
und es giebt keinen seiner zahlreichen Zuhörer, der sich
nicht des Meisters mit Liebe und Verehrung erinnerte und
nach irgend einer Beziehung hin seiner Anregung heule
noch dankbar gedächte.
Seine Lehrthätigkeit umfasste ausser Uebungen im
Entwerfen in gothischem Stile und der zugehörigen mittel-
alterlichen Formenlehre insbesondere auch die Geschichte
der Baukunst, ein Gebiet, welches in jener Zeit noch
wenig entwickelt war und auf welchem ihn zunächst nur
das angestrengteste Selbststudium zu einer Beherrschung
des Stoffes fuhren konnte, wenn auch der Schwerpunkt
für ihn auch hier wieder in der mittelalterlichen Kunst
lag. Mit dieser Lehrthätigkeit verband sich übrigens auch
noch eine ausgedehnte praktische Beschäftigung, sodass
sich für ihn die glückliche und für einen technischen
Hochschullehrer fast unentbehrliche Verbindung zwischen
Zeichenbrett und Katheder, zwisdien Bauplatz und Hör-
saal aufs günstigste gestaltete.
1853 wurde ihm aufgrund eines Wettbewerbes der
Bau eines Museums in Hannover übertragen, welches
späterhin in den Besitz der Provinz überging und neuer-
dings, städtisches Eigenthum geworden, eine andere Be-
nutzung als Vereinshaus erhalten soll. Der Bau stellt sich
noch in allen Theilen als unter Gärtner’schem Einfluss
entstanden dar. Die romanischen Bauformen, die Haupt-
front mit einer in ganz engen Fugen ausgeführten Ziegel-
verblendung, schliessen sich durchaus an die entsprechen-
den Münchener Bauten an, nur im Inneren, in den. Räumen
mit den sichtbaren Balkendecken und mit vielen stürecht
durchgeführten Einzelheiten tritt die Eigenart des Künst-
lers hervor. Mit seinem nächsten grösseren Bau aus den
Jahren 1857—1863, mit der Christuskirche in Hannover,
wendet sich Hase dann völlig zur Gothik. Dem Umfange
nach und durch die Stelle, an welcher dieselbe errichtet
ist, gilt die Kirche wohl als die grösste und die bekannteste,
seiner Ausführungen. Es ist eine Hallenkirche, in einer
Verbindung von Ziegel und Haustein ausgeführt. Hase
hat selber späterhin den Bau nur mit Einschränkung gut
geheissen. Dem glücklichen Wurf im Aufbau des Ganzen,
in der Entwicklung des Thurmes und seinem Verhältniss
zur Kirche stehen Schwächen wie die der gothischen
Kathedrale nachgebildete Chorlösung, und Unsicherheiten
in der Einzelausbildung gegenüber. In diese Zeit fällt
auch seine Thätigkeit für das neue königliche Schloss, die
Marienburg bei Nordstemmen. Der Bau wurde später
bekanntlich Oppler übertragen, ein Vorgang, den Hase
natürlich schwer empfand. Erläuternd mag übrigens be-;
merkt werden, dass Hase seiner Zeit nur die Entwürfe
aufgestellt hat, die Ausführung^ zunächst aber in Händen
Hannoverscher Ingenieur-Offiziere lag, deren technische
und künstlerische Unzulänglichkeiten dann der Nachfolger
geschickt für sich auszunutzen verstand.
Von dem Bau der Christuskirche ab, wohl infolge der
hier gemachten Erfahrungen, wandte sich Hase nun völlig
der Ausbildung des heimischen mittelalterlichen Ziegel-
baues zu, wie die Städte Niedersachsens und der Alt-
mark ihn noch in zahlreichen Beispielen darbieten. An
Profanbauten ist wohl das Andreas-Gymnasium in Hildes-
heini, dem dann noch ein Postgebäude ebendaselbst folgte,
seine bedeutendste Leistung nach dieser Richtung hin.
Hauptsächlich sind aber nun die Kirchenbauten zu nennen,
welche er in grosser Zahl nach dieser Bauweise errichtet
hat. Seine 1860 erfolgte Ernennung zum Konsistorial-Bau-
meis ter von Hannover, zu einer Sonderstellung, nach welcher
ihm die Errichtung und Beaufsichtigung der dem Konsisto-
rium unterstehenden Gebäude, also insbesondere der Kir-
chen und Schulen oblag, gab ihm hierzu reiche Gelegenheit.
Sie führte ihn auch zu einem anderen Gebiete, zur Wieder-
herstellung einer grossen Zahl hervorragender alter Bauten
des Landes. Seine Herstellungen der Michaeliskirche und
der Godehardikirche zu Hildesheim, der Nikolaikirche zu
Lüneburg, in die Jahre 1864 — 1870 fallend, des Rathhauses
zu Hannover 1875 — von zahlreichen anderen Arbeiten
dieser Art zu schweigen — sind bekannt.
An diesen Aufgaben fand seine Liebe zur alten Kunst
seiner Heimath, sein durch die eingehendste Beschäfti-
gung mit derselben gefördertes Verständniss für ihre Kon-
struktionen und Formen die reichste Bethätigung. Auch
war es ihm gelungen, insbesondere gestützt auf die eigenen
praktischen handwerklichen Erfahrungen, sich für diese
Arbeiten geeignete Hilfskräfte in Steinhauern, Tischlern,
Schmieden, Malern, Töpfern und anderen Bauhandwerkern
heranzuziehen und so auch der mittelalterlichen Klein-
kunst und ihrem Gewerbe, die vorher fast ganz darnieder-
lagen, wieder zu neuem Leben zu verhelfen.
So stellt sich der Lebensgang Hase’s als eine seltene
Wechselwirkung zwischen Lehrer und Praktiker, zwischen
Künstler und Handwerker dar; wenn er uns heute eine
der eigenartigsten Erscheinungen unseres engeren Kunst-
gebietbs ist, so ist er diese aus seiner Zeit und aus seinem
Lande heraus geworden. —
Von der I. internationalen Ausstellung für deko-
rative Kunst in Turin.
I. {Hierzu die Lageplanskizze S. 263.)
jm IO. Mai hat der König von Italien die I. internationale
I Ausstellung für moderne dekorative Kunst in Turin
I feierlich eröffnet. Nur um wenige Tage war der
Eröffnung ein anderes Fest vorausgegangen, mit dem das
Reiterstandbild des Prinzen Amadeo enthüllt wurde. Dieses
Denkmal, ein Werk des Turiner Bildhauers Calandra,
erhebt sich in der Axe des Hauptportals der Ausstellung.
Das Ausstellungsgebiet selbst umfasst den wesentlichsten
Theil des herrlich gelegenen Valentino-Parkes. In diesem
Stadtgarten Turins, welcher sich in angenehmem Gefälle
bis zu den Ufern des ihn südwestlich begrenzenden Po
hinabzieht, erhebt sich, zwischen Bäumen verdeckt, das
mittelalterliche Kastell, ein vorzüglicher Bau der vorigen
Turiner Ausstellung, in welchem sich in guter Ausführung
wichtige Baudenkmale mittelalterlicher Zeit aus der be-
nachbarten Landschaft wieder vorgeführt finden.
Betritt man den Ausstellungsplatz durch das Haupt-
portal, so wird das Bild durch den seitlich liegenden mächti-
gen Hauptbau Daronco’ s mit seiner kuppelförmigen Zen-
tralmasse und den langhingedehnten Flügeln beherrscht.
In weiträumiger Verth eilung sind kleinere Ausstellungs-
Pavillons bescheiden zwischen die Baumgruppen einge-
schoben und mit grossem Geschick hat man es verstan-
den, den Eindruck des Vordringlichen und Zusammen-
gedrängten zu vermeiden. Im Gegensatz zu der ver-
schwenderischen Ausstattung von grosser Figurenplastik,
womit Daronco das Aeussere seiner Kuppel bereichern
liess, zeigt der Innenraum derselben eine Behandlung, bei
welcher die Farbe den Mangel an jeglichem Relief zu
262
ersetzen bemüht ist. Das Schicksal aller Ausstellungen,
welche bei ihrer Eröffnung halbfertig sind, theilt auch die
Turiner. Und dennoch war schon so viel vollendet, dass
ein Ueberblick über das Ganze gewonnen werden konnte.
Das grösste allgemeine Interesse wird voraussichtlich
durch die Abtbeilung für Plastik und Malerei in Anspruch
genommen werden. In friedlicher Eintracht sind hier
die Werke grosser und kleiner Meister vereinigt und es
hat den Anschein, als ob bei der Aufnahme die „deko-
rative“ Wirkung im Vordergründe gestanden hätte. Man
sucht zumeist vergeblich nach der tieferen Empfindung,
deren Fehlen wir ja so häufig in den sonst meisterhaften
Werken italienischer Kunst beklagen.
Es ist bekannt, dass die Anregung zur Turiner Aus-
stellung von Männern ausging, welche das eifrige Bestreben
haben, die Scharte von Paris auszuwetzen. Aber auch
diesmal gelang es dem italienischen Comite nicht ganz,
die heimische kunstgewerbliche Abtheilung von dem An-
flug des Jahrmarktwesens zu befreien. Der Vereinigung
der verschiedenartigsten kunstgewerblichen Gegenstände
in grossen Hallen — das hat sich diesmal aufs Neue klar
gezeigt — muss auf das Entschiedenste jegliche Berech-
tigung auch dann abgesprochen werden, wenn mit Hilfe
grosser und kleiner Abtheilungen möglichste Abwechselung
geschaffen wird.
Offenbar ist die Bedeutung der Turiner Ausstellung
von unseren Nachbarländern unterschätzt worden. Denn
die meisten von ihnen haben die angebotenen Hallen ohne
weiteres verwendet. So hat es sich auch England recht
bequem gemacht, indem es mit einer Auswahl seiner
besten Gegenstände — es sind vorwiegend Entwürfe, Flach-
reliefs usw. — die ihm zur Verfügung stehenden Wände
behängt hat. Ein Saal ist ganz mit Arbeiten von Walter
Crane ausgestattet, welche uns Deutschen grösstentheils
No. 41.
Vermischtes.
Besuch der Turiner Ausstellung. Die kürzlich eröffnete
und bis November währende internationale Ausstellung
der modernen dekorativen Künste in Turin dürfte sich
eines zahlreichen Besuches aus Deutschland zu erfreuen
haben, da die Ausstellung von den bisherigen Beurtheilem
allgemein als eine Fortsetzung der im vergangenen Jahre in
Darmstadt angebahnten Bestrebungen dargestellt wird. Um
den Besuch zu erleichtern, werden in Chiasso und Luino
ermässigte Rückfahrkarten ausgegeben, die 20 Tage gütig
sind und zugleich 6 Abschnitte zum Besuch der Ausstellung
enthalten. Die deutschen Eisenbahn-Verwaltungen haben
zumtheil schon bekannt gemacht, dass sie im Anschluss
an die genannten italienischen Rückfahrkarten die Giltig-
keitsdauer der Rückfahrkarten nach Chiasso und Luino auf
60 Tage erhöhen. Der Preis der Rückfahrkarten Chiasso-
Turin über Mailand beträgt für die 3 Klassen 38,60; 28,85
und 20,80 Frcs.; für Luino-Turin über Novara ermässigen
sich diese Zahlen auf 33,60; 25,40 und 18,55 Frcs. —
Königlich preusslsche Landesanstalt für Gewässerkunde.
DieLeitung der neu errichteten Landesanstalt für Gewässer-
kunde ist dem Vortragenden Rath im preuss. Ministerium
der öffentlichen Arbeiten, Geh. Brth. Keller übertragen
worden. Ferner sind der Anstalt die Reg.- und Brthe.
Bindemann und Ruprecht als Abtheilungs-Vorsteher
und die ständigen wissenschaftlichen Hilfsarbeiter Dr.
phil. Vogel und Dr. phil. Fischer als Mitarbeiter über-
wiesen worden. Man wird sich erinnern, dass die An-
fänge dieser Anstalt zurück-
gehen auf Anregungen, wel-
che von der Reichs-Kom-
mission zur Untersuchung
der Rheinstrom-Verhältnisse
ausgingen, die aus Anlass
der letzten grossen Ueber-
schwemmungen im Rhein-
gebiet eingesetzt wurde. —
Zur Stellung der Baukunst
im Konzert der Künste. In
diesen Tagen ist die Jury
für die Münchener Jahres-
ausstellung 1902 im kgl. Glas-
palast bekannt gegeben wor-
den. Unter den zahlreichen
Namen findet sich nicht ein
Architekt; esbestehenSek-
tionen für Malerei, Bild-
hauerei und vervielfältigende
Künste, die Baukunst aber
ist völlig unbeachtet. —
Zur Karlsruher Bahnhofs-
frage. Die Budgetkommission
der II. Kammer hat die Verlegung des Karlsruher Bahn-
hofes (s. No. 32) bei 2 Stimmenthaltungen einstimmig be-
schlossen. Die Kosten hierfür sind mit rd. 16,5 Milk M.
berechnet, während die Hochlegung an Ort und Stelle
etwa 23 Mill. M. beansprucht haben würde. Da zu er-
warten ist, dass das Plenum des Landtages diesem Be-
schluss beitreten wird, so ist damit diese viel erörterte
Frage endgiltig entschieden und zwar, wie wir glauben,
in grossem, weitblickendem Sinne. —
Ein Besuch des Oesterreichischen Ingenieur- und Archi-
tekten-Vereins aus Wien in Berlin findet Anfang Juni statt.
Aus diesem Anlass ist für den 2. Juni im Hauptrestaurant
des Zoologischen Gartens zum Zwecke gegenseitigen per-
sönlichen Verkehres eine zwanglose Zusammenkunft in
Aussicht genommen, bei welcher die Wiener Fachgenossen
Gäste des Architekten-Vereins zu Berlin, der Vereinigung
Berliner Architekten und des Berliner Bezirks Vereins deut-
scher Ingenieure sind. —
Ehrenbezeugungen an Künstler. Die medizinische
Fakultät der Universität Breslau hat den Architekten Geh.
Ob.-Brth. Georg Thür im Ministerium der öffentl. Arb.
zu Berlin wegen seiner Verdienste um den Neubau der
Universitätskliniken in Breslau zum Ehrendoktor ernannt.
Preisbewerbungen.
Ein Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen tür ein
Krematorium auf dem Rhlensberger Friedhof bei Bremen
wird in Kürze durch den Verein für Feuerbestattung in
liebgewordene alte Bekannte sind. Schottland bringt eben-
falls gute Werke. Die Arbeiten von Mackintosh und seiner
Frau fallen besonders auf, da sie mit einer überraschend
kräftigen Fantasie in einzelnen Fällen wahrhaftes Können
verbinden. Holland tritt durch seine Keramik lebhaft
hervor. .Die Kopenhagener Porzellan- Manufaktur setzt
ihren Triumphzug fort. Es ist betrübend, dass der fran-
zösische Saal nacli keiner Hinsicht dem entspricht, was
man von Frankreich erwarten musste. Die Erkenn miss hier-
von scheint der französischen Regierung auch aufgegangen
zu sein, denn sie hat nun einen ihrer Ersten, den MMer
Besnard, gesandt, welcher den Saal umwandeln soll.
Oesterreich hat jedenfalls klug gehandelt, sich ein frei-
stehendes besonderes Haus zu bauen, doch lässt sich ein
Urtheil noch nicht fällen, weil die inneren Arbeiten im
Rückstände sind.
Der Umstand, dass für die deutsche Abtheilung die Be-
theiligung ziemlich spät betrieben wurde, hatte den Vortheil,
dass der fürDeutschland besonders zu errichtende Gebäude-
theil nach den Plänen des deutschen Arbeits-Ausschusses
gegliedert und errichtet werden konnte (s.PlanS.126). Dem
Ausschüsse war es von vornherein klar, dass es das
deutsche bürgerliche Wohnhaus sein müsse, welches
den Ausgangspunkt der wichtigsten Raumgestaltungen ab-
zugeben habe. Nur wenige Oberlichträume bilden daher
den Mittelkörper dieses Theiles. Spielend bewegen sich
zu beiden Seiten die kleineren Gelasse mit dem Seiten-
licht, in behaglicher Weise ausgestattet. Durch ihre un-
gleichen Vorsprünge und Erkerbiidungen ei'geben sich
reizvoll malerische Fassaden nach den beiden benach-
barten Höfen. Nur ein geringer Theil dieser Räume war
mit seiner Ausstattung am Eröffnungstage wirklich, fertig,
doch war das Ganze schon zu überblicken ; und es konnte
kein Zweifel darüber bestehen, dass der Gesammteindruck
nach der in kurzer Zeit zu erwartenden Vollendung ein
gelungener sein wird. Uns Deutschen war es darum zu
thun, einen Schritt in der Bestrebung vorwärts zu kommen,
welche darauf ausgeht, das ganze menschliche Leben
in Behausung, Bekleidung und Geräthschaften
künstlerisch zu veredeln. Die Grundlage des deutschen
Wohnhauses dient als Band, womit dieser Strauss ver-
schiedenartiger Blumen zusammengehalten wird. Dies
tritt deutlich hervor, auch bei den Leistungen jener Mit-
arbeiter, denen man so gerne die nationale Eigenart ab-
sprechen möchte.
Betritt man die deutsche Abtheilung von der Rotunde
aus, so folgt dem Hamburger Vestibül der ruhige Mittel-
raum, an ihn reiht sich das Atrium des bayerischen Hauses.
Sachsen stellte den reichen Majolika-Saal mit dem darauf
folgenden Ausstellungsraum mit mächtigen 'Mauernischen
und kräftiger Kassettendecke. Von überraschendem Reiz
ist das erste bisher vollendete hessische Zimmer. Auch
die Reichslande werden gut vertreten sein, und das baye-
rische Haus bringt uns ausser den gemüthlichen Räumen
des Erdgeschosses noch zwei verheissungsvolle Dach-
stuben. Die preussischen Räume überraschen uns durch
ihre reiche Abwechslung in Zweckbestimmung, Form und
Farbe, Ein gleiches dürfte von den Räumen Württem-
bergs und der Vereinigten Werkstätten in München, so-
wie von der Badischen Abtheilung zu sagen sein.
Der Besucher, welcher Ende Mai die Ausstellung be-
tritt, wird ein nahezu fertiges Bild vorfinden. Schon heute
steht fest, dass Turin als ein wesentlicher Fortschritt jm
kunstgewerblichen Ausstellungswesen zu bezeichnen ist,
und wie es manche nützliche Lehre aus der ver-
dienstvollen Darmstädter Ausstellung gezogen hat,
so werden auch andere Ausstellungen, z. B. München 1904,
auf diese Vorstufen zurückblicken müssen. —
21. Mai 1902.
263
Bremen ausgeschrieben werden. Als Bausumme stehen
abzüglich der Aufwendungen für die Versenkungsvorrich-
tung und den Verbrennungs-Apparat 85 000 M. zur Ver-
fügung; die Halle des Krematoriums soll 300 Personen
fassen können. Für die besten der zum 15. Sept. einzu-
reichenden Entwürfe stehen 3 Preise von 1000, 500 und
300 M. zur Verfügung. Dem Preisgericht gehören u. a.
an die Hrn. Arch. Gildemeister-Bremen, Prof. Dr.
Haupt-Hannover, Arch. Klingenberg-Oldenburg, Bith.
O. March-Charlottenburg und Brth. Weber-Bremen. —
Einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
ein Krankenhaus in Saarbrücken erlässt der Hospitalvor-
stand für deutsche Architekten zum 15. August d. J. Es
gelangen 3 Preise, von 3000, 2000 und 1000 M. zur Ver-
theilung. Dem aus 7 Herren bestehenden Preisgericht
gehören als Sachverständige des Baufaches an die Hrn.
kgl. Brth. Schmieden-Berlin, kgl. Reg.- und Brth.
v. Pelser-Berensberg in Trier und kgl. Brth. Giseke
in Saarbrücken. Unterlagen kostenlos durch den Vorstand
des Bürgerhospitals in Saarbrücken. —
Ein Preisausschreiben betr. Entwürfe zur architekto-
nischen Ausbildung von Bogenlicht-Kaudelabern erlassen
die „Berliner Elektricitäts-Werke'' für Mitglieder der „Ver-
einigung Berliner Architekten“ zum i. Juli d. J. Die
Kandelaber, von etwa 22“ Lichtpunkthöhe, sind für die
Beleuchtung grosser Plätze in Städten bestimmt. Verlangt
sind Gesammtzeichnungen i : 25, sowie Einzelzeichnungen
der Krone und des Sockels i : 10. Es gelangen 3 Preise
von 1500, 800 und 500 M. zur Vertheilung; ausserdem ist
das Recht Vorbehalten, nicht preisgekrönte Entwürfe zum
Preise von 500 M. anzukaufen. Das Preisgericht setzt sich
zusammen aus drei von der „Vereinigung Berliner Archi-
tekten“ gewählten Mitgliedern, aus einem Vertreter des
Magistrates von Berlin und aus einem Vertreter der Ber-
liner Elektricitäts-Werke. Wenn diese auch erklären, eine
Verpflichtung zur Ausführung eines der preisgekrönten
Entwürfe nicht übernehmen zu wollen, so empfehlen wir
doch den Wettbewerb angelegentlich zu reger Theil-
nahme, denn was bis heute an Kandelabern für elek-
trische Beleuchtung unsere öffentlichen Strassen und
Plätze „schmückt“, verräth mit nur ganz bescheidenen
Ausnahmen leider nichts weniger als Kunst. —
Ein Preisausschreiben zur Erlangung von Entwürfen
für eine Doppel-Volksschule mit Turnhalle für Knaben und
Mädchen in Teschen erlässt der dortige Gemeinde-Vor-
stand für deutsch-österreichische Architekten zum 15. Juli.
Es gelangen 3 Preise von 1000, 600 und 400 Kr. zur Ver-
theilung. —
Wettbewerb Festhalle Siegen. Als Verfasser des von
der Stadtgemeinde Siegen angekauften Entwurfes „Saure
Wochen, frohe Feste“, nennt sich uns Hr. Arch. Hugo
Krefting in Barmen. —
Chronik.
Die Vertiefung der Unter-Elbe zwischen Neumühlen und
Luchersand und der Ankauf der Hahnöfer Insel sind mit einem
Auiwande von 6,5 Mill. M. durch die Bürgerschaft Hamburgs be-
schlossen worden. —
Die Errichtung einer Ausstellungshalle und Arena des
Zoologischen Gartens ln Berlin, eines nach den Entwürfen der
Arch. Zaar & Vahl in Berlin für rd. 10000 Personen geplanten
Bauwerkes, ist durch die General-Versammlung der Aktionäre des
Gartens beschlossen worden. —
Den Bau eines städtischen Theaters in Kiel nach dem
Entwurf des Architekten Heinrich S eeling in Berlin und mit einem
Aufwande von 1305 000 M. hat die Bürgerschaft fast einmüthig be-
schlossen. Man hofft, das Theater, welches in seiner Anlage nament-
lich auch die Bedürfnisse der arbeitenden Klassen berücksichtigen
wird, spätestens 1905 eröffnen zu können. —
Ein neues Foyer des Höftheaters in Wiesbaden, welches
durch die Stadt Wiesbaden nach dem Entwurf des Hrn. Brth.
Genzmer und mit einem Aufwande von rd. 600000 M. errichtet
wurde, ist zum Beginn der dortigen Festspiele seiner Bestimmung
übergeben worden. An der künstlerischen Ausschmückung waren
betheiligt Hr. Bildhauer Albert Kretzschmar für den plastischen
und Hr. Maler Kögler für den malerischen Schmuck —
Die Erbauung eines neuen Hoftheaters in Kassel am
Auethor ist geplant. Die Mittel hofft man durch den Verkauf des
Geländes des alten Theaters an der oberen Königsstrasse zu
erhalten. —
Die Einweihung des Rathhauses in Duisburg, welches
nach siegreichem Konkurrenzverfahren nach den Entwürfen des
Hrn. Prof. Friedr. Ratzel in Karlsruhe errichtet wurde, hat An-
fang Mai stattgefunden. —
Die Einweihung des Kaiser Wilhelm - Denkmals auf
Hohensyfaurg, Arch. Brth. Prof. Hub. Stier in Hannover, ist auf
den 30. Juni anberaumt. —
Der neue Leipziger Zentralbahnhof ist nunmehr gesichert,
nachdem die II. sächsische Kammer die erste Rate in Höhe von
13800000 M. und die Stadt Leipzig den von ihr geforderten Zu-
schuss von 17 Mili. M. bewilligten. —
264
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Mar.-Brth. Schöner ist von Wil-
helmshaven nach Kiel, der Mar.-Schiffbrnsti*. Brotzki von Berlin
nach Wilhelmshaven und der Mar.-Schiffbmstr. Wahl in Wilhelms-
haven ist zum Reichs-Mar.-Amt in Berlin versetzt. — Der Reg.-
Bmstr. Krüger ist z. Mar.-Hafenbmstr. ernannt.
Der Eisenb -Bau- u. Betr.-Insp. Schwantes, der Reg.-Bmstr.
Jobst, die Ing. List, Hausknecht, Boy u. Schüler sind
zu kais. Reg.-Räthen und Mitgl. d. Pat.-Amts ernannt.
Der Garn.-Bauinsp. Brth. v. Zychlinski in Koblenz tritt
zum r. Aug. d. J, in den Ruhestand.
Preussen. Der Melior.-Bauinsp., Brth. Krüger io Lüneburg
ist z. Reg.- u Brth. ernannt.
Es ist übertragen; den Reg.- u. Brthn. Ermann in Allen-
stein die Leitung der Betr.-Insp. i das., Krüger in Stettin die
Leitung der Mascb.-Insp. 2 das., den Eisenb.-Bauinsp. Haubitz
in Harburg die Leitung der Maseh.-lnsp. das.. Kühne in Breslau
die Leit, der Wcrkst.-Insp. 2 das., Wolfen in Wittenberge die
Wahrnehmung der Geschäfte des Vorst, einer Werkst. -lusp. bei der
Hauptwerkst .das., Halfmann dieselben in Saarbrücken.
Ernannt sind: die Reg.-Bmstr. Schwantes b. kais. Patent-
amt, Willige rod in Elbei'feld, Lütke in Schreiberhau, Fulda
in Lage, R a t k o w s k i in Neuwied, Stell in Hagen, Weiler
in Köln, Hartwig in Lauenburg i. Pomm., Fischer in Münster
i. W., Jung in Berlin und Röhmer in Kreuznach zu Eisenb.-
Bau- u. Betr.-Insp.; — Grund in Berlin, Kleimenhagen in
Breslau und Staehler in Posen zu Eisenb.-Bauinsp. ; — der hess.
Reg.-Bmsti-. Horn in Mainz z. Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp.; der
Reg.-Bfhr. Arn.B ernst ein aus Packoschz. Reg.-Bmstr. f. d. Hochbfeh.
Dem Reg.-Bmstr. Eug. P o r ath io Berlin ist die nachges. Entlass,
aus dem Dienst der allgem. Bauverwaltg. und dem Reg.-Bmstr. Rud.
Koch in Cbarlottenburg dieselbe aus dem Staatsdienst ertheilt.
Der Reg.- u. Brth. Echternach in Halberstadt und der
Kr.-Bauinsp. Brth. Wiehert in Insterburg sind gestorben.
Württemberg. Die Kandidaten des Bauing. - Fachs Emü
B ö h m ! e r , Karl B 0 5 s e r t , Eug. Brumm, Otto F a u s e r
von Stuttgart, Jos. Fell von Mockmühl, Otto Fuchs von Stutt-
gart, Alb. Heyd von Neuenhaus, Karl Marquardt von Stutt-
gart, Ad. Mössinger von Reutlingen, Alfr. Nägele von Berlin,
Manfred N ü b li n g von Hopfgarten und Alex. N ü s s 1 e von Thun,
und dei j. des Masch.-Ingfehs, Rieh. M e x g e r von Stuttgart sind zu
Reg.-Brastrn. ernannt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. L. Schn, ln Oppeln. Architekten, deren Ver-
richtungen ausschliesslich auf baukünstlerischem Gebiete liegen,
sind keine Gewerbeunternehmer, weshalb die Rechtsverhältnisse
zwischen ihnen und den Gehilfen der Zuständigkeit der Gewerbe-
gerichte nicht zu unterstehen pflegen. So oft jedoch eia Geschäfts-
betrieb über diesen Rahmen hinaustritt und Leistungen handwerks-
mässiger Art umfasst, ist die Begründung von gewerblichen Ar-
beitsverhältnissen nicht ausgeschlossen und werden die Gewerbe-
gerichte zuständig, sich mit deren Entscheidung zu befassen. Mit-
hin lässt sich nur bei genauer Kenntniss der Art des Geschäfts-
betriebes und der Leistungen, welche Gegenstand des Arbeitsver-
hältnisses waren, ein sicheres Urtheil gewinnen, ob ein Architekt
der gegen ihn vor dem Gewerbegerichte erhobenen Klage mit dem
Einwande der Unzuständigkeit wirksam würde begegnen können.
Hierzu reicht Ihre Sachdarstellung nicht aus. K. H-e.
Hrn. Arch. W. in Duisburg. Nach Ihrer Darstellung ist
rechtswirksam eine dreimonatliche Kündigungsfrist vereinbart, in-
dem deren Einhaltung durch die Ausschreibung als Bedingung für
Uebertragung der Stelle gestellt war. Indem Sie nun auf die Aus-
schreibung eingingen und die ausgeschriebene Steilung annabmeu,
erklärten Sie Ihr Einverständniss dazu. Sie sind also an Inne-
haltung der dreimonatlichen Kündigungsfrist gebunden und würden
durch Verstoss in Form einer eigenmächtigen Einstellung der
Thätigkeit einen Bruch des Arbeitsvertrages begehen, wegen dessen
ein Schadenanspruch bestehen würde. Für den Schadenbetrag
könnte sogar der neue Arbeitgeber mitverhaftet sein, der über-
dies wegen Verschweigen des Vertragsbruches ihm gegenüber be-
fugt sein würde, Sie ohne Kündigung zu entlassen. Auf die Ge-
stellung eines Ersatzmannes braucht der bisherige Arbeitgeber
nicht einzugehen. — K. H-e.
Hrn. Stadtbauinsp. Fr. ln B. Marmorzement besteht im
Wesentlichen aus Gips, dem nach dem Brennen Alaun zugesetzt
und der dann abermals gebrannt wird; zuweilen erhält derselbe
zur Verbesserung des Abbindens einen Zusatz von Wasserglas —
vielleicht auch von anderen indifferenten färbenden Stoffen, wie
Kreide usw. Mit Nässe in Berührung kommend tritt unfehlbar
Treiben ein. Marmorzement ist daher zu Kanaibauten ganz unge-
eignet und nur zu Gegenständen brauchbar, die, wie Tischplatten,
Wandbekleidungen usw., dauernd trocken bleiben bezw. eine so
dichte Oberfläche haben, dass Wasser nur schwer ehidringen kann.
Vielleicht wird die vorstehende Antwort Anlass zur Mittheilung
von praktischen Erfahrungen. Wir würden für solche dankbar
sein, da es scheint, dass ungeeignete Anwendungen von Marmor-
zeinent keineswegs vereinzelt Vorkommen. —
Hrn. O. H. in Braubach. Nach unserem Dafürhalten ist
kein Unterschied in der Wetterbeständigkeit der beiden Steinarten
festzustellen. —
Anfragen an den Leserkreis.
Woher können Lichtpausapparate mit Verwendung von Celluloid
statt der Glasplatte bezogen werden? A. & W. in Eberswalde.
Inhalt • Conrad Wilhelm Hase. — Von der I. internationalen Aus-
stellnng für dekorative Kunst in Turin. I. — Vermischtes. — Preisbewer-
bungen. — Chronik. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 41.
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
^kBERLIN *
AUZEITUNG.
GANG, * * N9; 42. *
DEN 24. MAI 1902. *
Architekt: Prof. A. Grenander in Berlin.
Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von Siemens & Halske.
(Hierzu eine Bildbeilage nnd die Abbildungen S. 368 und 369.)
VII. Die künstlerische Ausbildung.
in einer Veröffentlichung, welche zur Betriebs-
eröffnung der elektrischen Hoch- und Unter-
grundbahn in Berlin erschienen ist,*) finden
sich in dem Abschnitt, welcher die architek-
tonische Durchbildung der Hochbahn be-
handelt, die folgenden Sätze: „Glücklicherweise hat
die heutige Architektenwelt sich allmählich mehr und
mehr mit dem Gedanken befreundet, dass auch die
Formen des Eisens ihre Daseinsberechtigung haben
und dass die grossen Werke des Eisenbaues ein sehr
dankbares Gebiet für die künstlerische Bethätigung
bieten. Der Ingenieur hat andererseits sich über-
zeugen können, dass die mathematischen Gesetze
häufig eine schlechte Lehrmeisterin sind , wo es sich
um die Geschmacksfrage handelt, dass sich vielmehr
die Rechnung den Gesetzen der Aesthetik in sehr
vielen Fällen unterzuordnen hat.“ Diese Sätze, so
zutreffend sie sind, haben doch, im Jahre 1902 ge-
schrieben, etwas von der Bedeutung eines Anachro-
nismus angenommen. Weder hat sich erst die „heutige
Architektenwelt allmählich mehr und mehr mit dem
Gedanken befreundet“, dass auch die Formen des
Eisens ihre Daseinsberechtigung haben und ein dank-
bares Gebiet für eine künstlerische Bethätigung bilden,
*) Zur Eröffnuag der elektrischen Hoch- und Untergrundbahn
in Berlin. Von Reg.-Rath a. D. Gustav KeTnmann. Berlin 1902.
Verlag von Julius Springer.
noch ist dem Ingenieur so spät erst die Ueberzeugung
gekommen, dass die Mathematik eine schlechte künst-
lerische Lehrraeisterin ist. Als um die Wende der
achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, also vor
mehr als zwanzig Jahren , der damals schon viel er-
örterte Plan einer Wiener Stadtbahn als Hochbahn
bei zahlreichen Beurtheilern arge ästhetische Beklem-
mungen verursachte, da suchte man nach wirkungs-
vollen Waffen zur Bekämpfung des Planes und man
wandte sich an die zwei bedeutendsten Architekten
des damaligen Wien, an Heinrich von Ferstel und
an Theophil von Hansen, um eine Aeusserung. Man
that es gewiss nicht von ungefähr und weil es zufällig
die berühmtesten Architekten der schönen Kaiserstadt
waren, sondern man suchte die beiden Fürsten der
Baukunst sicherlich auch deshalb auf, weil man bei
ihrer streng historischen Kunstweise eine bestimmte
Aeusserung gegen die beabsichtigten Pläne, die viel-
fach selbst von sonst einsichtsvollen Beurtheilern hart
geschmäht wurden, erwartete. Und was antworte-
ten die beiden Künstler? Ferstel schrieb in einem
die Angelegenheit betreffenden Berichte vom Jahre
1881: „Ich möchte den Satz aufstellen, dass da, wo
irgend ein Bedürfniss wirklich besteht, und wo es
klar und bestimmt in seinen Forderungen herantritt,
die Kunst uns auch die Mittel an die Hand geben
wird zu einer entsprechenden Lösung“. Und als
Hansen gefragt wurde, ob die Ausführung einer Hoch-
bahn wirklich so hässlich sei, wie allgemein behauptet
werde, erwiederte er: „Ach, lieber Freund, lass sie
reden, sie wissen nicht, was sie sagen. In Athen ver-
steht man auch etwas von Aesthetik und Schönheit.
In Athen giebt es grosse freie Plätze, deren Ueber-
schreiten nicht nur unangenehm, sondern im Sommer
sogar gefährlich ist, denn die Hitze ist dort so gross,
dass man sich leicht einen Sonnenstich holen kann.
Was haben nun die Athener dagegen gethan? Sie
haben Pflöcke eingeschlagen, haben über dieselben
Längsgebälke und Quergebälke gelegt und haben
daran überall Schlingpflanzen angelegt, sodass aus
diesem Gebälke die griechischen Laubengänge ent-
standen sind. Kein Mensch hat aber gesagt, dass
dies unschön ist. Sage Du den Engländern (die da-
mals die Wiener Stadtbahn bauen wollten), sie sollen
an jeder solchen Säule des beabsichtigten Eisenbahn-
Viaduktes Schlingpflanzen anlegen, dann hat man in
ganz Wien einen Laubengang, und das kann doch
nicht so hässlich sein!" Wenn Hansen hätte die
heutige ßülow-Promenade in Berlin erleben können!
Freilich, hier ist es nicht allein das vegetabilische Ele-
ment, welches in- der Erscheinung mitwirkt, sondern
in wesentlichem Maasse auch das künstlerische. So
weit wären die Engländer und Amerikaner nie ge-
gangen, denn ihnen sind die städtischen Hochbahn-
Anlagen reine Nützlichkeitsbauten, bei denen, wie
Kemmann treffend sagt, „auch im Aeusseren der Bau-
werke der materielle Zweck des Unternehmens aus-
geprägt ist“, wie die Hochbahnen in Liverpool, New-
York und Chicago beweisen. Obwohl die Ingenieur-
Wissenschaft in dem heute betriebenen rein mathe-
matischen Sinne erst seit loo Jahren etwa ein Glied
der modernen Kultur ist, beansprucht der Engländer für
sie doch die Herrschaft selbst für den hier inbetracht
komnienden Theil der künstlerischen Kultur. Zu
Beginn der neunziger "Jahre wurde von dem neuge-
Vählten Präsidenten der Londoner Institution of Civil
Engineers, Sir Benjamin Baker, eine bemerkens-
werthe Rede über die Aesthetik in der Technik ge-
halten. Es ist freilich der Erbauer der Forth-Brücke
bei Edinburgh, der hier sprach, einer Brücke, deren
Formengebung einen sb lebhaften Meinungsaustausch
über die ästhetische Wirkung solcher Bauten her-
vorrief. Man wird die Aeusserung daher als eine
solche' des äus-sersten Gegenflügels' aufzufassen haben.
Er klagte über die Vorwürfe, die den Ingenieur häufig
träfen, dass er das Leben weniger erfreulich mache
durch das, was die „uneingeweihte“ Kritik die Häss-
lichkeit von Fabriken und anderen Anlagen nenne,
die allmählich die Landschaften bedecken. Einen
grossen Theil der Schmähungen, die der Kunst-
kritiker früher gern auf Ingenieurbauten häufte, könne
man seiner völligen Unbekanntschaft mit den Zwecken
und der Bestimmung der Bauten, seiner Unfähigkeit
bei völligem Mangel an Erfahrung zuschreiben, zu
empfinden, wie geeignet die Formen für ihren je-
weiligen Zweck seien und wie klar sie ihn zum Aus-
druck brächten. Gelegentlich sei der Techniker nach-
giebig genug, eine Versöhnung mit solchen Kritikern
zu versuchen, anstatt sie allmählich zu erziehen, in-
dem er seine Konstruktionen so forme, wie sie wissen-
schaftlich und wirthschäftlich am besten ihrem Zwecke
entsprechen. Wenn der Ingenieur nur ehrlich dabei
bleibe, einfach und wissenschaftlich richtig zu ent-
werfen, so müssten die Aesthetiker schrittweise den
erforderlichen Beurtheilungsmaasstab gewinnen, um
die Schönheit und Zweckmässigkeit in solchen Kon-
struktionen zu entdecken. Baker kennt, im Gegensatz
zu seinem rein mathematischen und ausschliesslichen
Nützlichkeitsstandpunkte, welcher auch der der ge-
nannten Stadtbahnen ist, allerdings nur die an älteren
Gitterbrücken angeklebten od(ir aufgesetzten Orna-
mente in Form von Rosetten, Cartouchen, Fialen,
ältere Schiffsmaschinen mit gothisch stilisirten Rah-
men, schwere Pumpwerke und Betriebsmaschinen mit
Säulen von einem griechischen Tempel oder einem
ägyptischen Königsgrabe; den Messingadler auf dem
Dampfdome einer altenLokomotive, „förmlich schreiend
vor Schmerz, dass er an eine heisse Stelle gebannt
ist“. Diese Art Kunst ist keine Kunst, so weit ist der
„Fortschritt der Dinge“ bereits gediehen; sie ablehnen
ist aber noch keineswegs gleichbedeutend mit der
unbedingten Vertretung des reinen Nützlichkeitsstand-
punktes. Schon 1866 hat es ein hervorragender
deutscher Ingenieur, R. Baumeister in Karlsruhe, in
seiner „Architektonischen Formenlehre für Ingenieure“,
ein Buch mit goldenen Lehren für den Ingenieur,
ausgesprochen, zur vollkommenen Schönheit eines
Ingenieurwerkes gehöre nothwendig ein gewisser
ästhetischer Ueberfluss. Ein gewisser Reichthum
an den von der Gesammtheit benutzten Werken sei
nicht blos künstlerisch, sondern auch national-
ökonomisch gerechtfertigt. „Es ist roher Materialis-
mus, wenn man die Blüthe der Völker ausschliess-
lich nach ihrem Vermögen und ihrem Produktions-
quantum misst, wenn man glaubt, durch blosse
Steigerung des materiellen Wohlbefindens der Nation
dieselbe nach aussen mächtig, nach innen kraft-
voll und gesund zu machen. Auch die Schätzung
der geistigen Potenzen gehört dazu, und unter ihnen
ist die Kunst keineswegs eine Luxuspflanze, von deren
Gedeihen nichts abhängt.“ An einer anderen Stelle
führt Baumeister aus, für die Ansicht der Utilitarier
lasse sich leicht anführen, dass allerdings vom Stand-
punkte des gemeinen Nutzens aus alles als unnütze
Verschwendung erscheinen müsse, was über den
nächstliegenden Zweck hinausgehe. , Das sei der
Standpunkt, welchen auch das Thier einnehme, nur
nicht so vollkommen entwickelt. „Giebt man aber zu,
dass der Mensch höhere Bedürfnisse .als materielle
hat, so folgt, dass das scheinbar Ueberflüssige das
wahrhaft menschlich Nothwendige ist.“ Es ist viel
Missbrauch getrieben worden mit dem schlichten
Worte: „Zweckmässig ist schön“. Es spielt heute
noch in manchen ästhetischen Ausführungen eine
Rolle und man weist mit Behagen auf die Natur hin,
welche in allen Dingen die höchste Zweckmässigkeit
und deshalb die grösste Schönheit entfalte. Und doch
ist gerade sie es, welche in dem Reichthum der For-
men so oft über die einfache Nothwendigkeit hinaus-
geht. Nicht allein Baumeister, auch andere Kreise
haben sich in ausgesprochenen Gegensatz zu dem
nackten Utilitarismus der englischen Ingenieure ge-
stellt. Der holländische Ingenieur de Koning von der.
polytechnischen '.Schule in Delft warf einmal die be-
sorgte Frage auf, ob die Ingenieure wirklich die
Pioniere der Bildung seien, als die man sie bezeich-
net habe. „Ist es nicht vielmehr eine niedere, denn
eine höhere Bildung, der wir als Pioniere dienen?
Vernachlässigen wir nicht oft die höhere ethische
Seite unseres Faches zugunsten der materiellen?
Und ist nicht die Materie, zu der wir , nach der
Schrift und nach aller menschlichen Erfahrung wieder ,
zurückkehren, dasjenige, was uns mehr beschäftigt,
als der „Geist“? Was hat die Kunst, was hat das^
Schöne uns zu danken?“ Diese Worte sind 1893;
gesprochen; fünfzehn Jahre vorher noch konnten
französische Architektenkreise mit Besorgniss darüber
klagen, dass seit dem Auftreten der neuen Materialien
Stahl und Eisen Architekten und Ingenieure tagtäglich
in zwangvollen Beziehungen zu einander, ja in einem
unaufhörlichen Karapfzustande lebten. „Der natür-
liche Verlauf der Dinge“, schrieb Davioud, „der stets
den „Eindringling“ begünstigt, hat die berechtigte
Furcht entstehen lassen, dass eine vollständige Ver-
schiebung der Rollen sich vollziehen, dass der Archi-
tekt in die Abhängigkeit des Ingenieurs gerathen
werde.“ Diese Befürchtung hat sich bewahrheitet
und auch nicht, je nachdem man in der heute un-
zweifelhaft vollzogenen weitgehenden Annäherung
der beiden Fächer einen Gewinn sehen will oder nicht.
Für alle Einsichtigen aber, die nicht auf der
äussersten Utilitaritätsseite wie Baker, oder auf der
äussersten entgegengesetzten Seite stehen, wie Davioud,
hat sich aus der vollzogenen Annäherung ein grosser
Gewinn für beide Theile ergeben. Es war, wie
Kemmann sagt, der „feinsinniger veranlagte Deutsche“,
welcher die Annäherung herbeiführte.' Der deutsche
No. 42,
266
Ingenieur war ideal genug, dem deutschen Architekten
ein gewisses Maass „ästhetischen Ueberflusses" zuzu-
gestehen, und der deutsche Architekt war unbefangen
genug, aus den Einflüssen der Ingenieurkunst eine
ungeahnte Bereicherung seiner Formenwelt als Gewinn
aufzunehmen. Eines der hervorragendsten Ergebnisse
dieser gegenseitigen Annäherung, ein Werk, welches
die Bedeutung eines Wendepunktes beanspruchen darf,
ist die künstlerische Ausgestaltung der Berliner elek-
trischen Hoch- und Untergrundbahn. Freilich, so
leicht ist das Werk nicht zustande gekommen. Der
sogenannte ästhetische Ueberfluss kostet allemal Geld,
mitunter sogar sehr viel Geld, ein Umstand, der bei
einer Erwerbsgesellschaft doppelt ins Gewicht fällt.
Die eigene Neigung, über das Nothwendige hinaus-
zugehen, scheint daher erst gereift zu sein, nachdem
die Einwohnerschaft durch Presse und Vereine, nach-
dem die Stadtverwaltungen und die Staatsbehörden
unzweideutige Wünsche in dieser Beziehung zum Aus-
druck gebracht hatten. Als aber einmal der Ent-
schluss gefasst war, mehr als das Nothwendige zu
geben, da wurde dieses Mehr •— das muss unter allen
Umständen besonders anerkannt werden — reichlich
und mit vollen Händen gegeben. Und wir glauben
nicht falsch unterrichtet zu sein, wenn wir dem be-
rathenden Architekten, Hrn. Direktor Reg.-Bmstr.
Paul Wittig, hierbei eine erfolgreiche Mitwirkung
zuschreiben. — (Fortsetzung folgt.)
Ueber Deichschutz.
Bei Deichen, die stehendes Wasser oder solches mit
geringer Strömung abzuhalten haben, spielt die Be-
anspruchung derselben durch den bei Wind ent-
stehenden Wellenschlag eine bedeutende Rolle. Deiche
mit genügend flacher Aussenböschung, mit guter und
fester Grasnarbe werden — wenn überhaupt — zwar
vom Wellenschläge selten so stark beschädigt, dass
eine Gefahr für sie entsteht, jedoch bedingt die Wieder-
herstellung im Frühjahre Kosten; bei Deichen mit steiler
Aussenböschung kann aber durch den Wellenangriff eine
unmittelbare Deichgefahr herbeigeführt werden, weil der
dem Wasser sich heben, bei fallendem sich senken, bilden
für die Deichböschung wirksame Wellenbrecher, denn
zwischen den Balken und der Deichböschung ist das
Wasser, selbst wenn der Wellenschlag vor den Balken
erheblich ist, vollkommen ruhig. Die beigegebene sche-
matische Skizze zeigt die Anordnung der Schwimmbalken.
Es können dazu beliebig lange entsprechend starke Hölzer
verwendet werden, die im Herbst auf dem Vorlande unter
sich und mit den Spreizen in Verbindung gebracht, dann
zum wirksamen Schutze bereit liegen; sobald sie anfangen
zu schwimmen, also das Wasser den Deichfuss erreicht,
Q Ktarschniii
Deich j
Wellenschlag die Schutzarbeiten erschwert, auch wohl
gänzlich verhindert.
Um den Wellenschlag sicher abzuhalten, werden die
demselben aüsgesetzten und dadurch gefährdeten Deich-
böschungen meistens vor Eintritt des Winters durch
Spreutlagen, Flechtwerke, Strohbestickung oder der-
gleichen geschützt. Neuerdings ist auch versucht wor-
den, mit Juteleinen, das durch entsprechend gestaltete
Drahtkrampen auf den Böschungen festgehalten oder mit
Sandsäcken an den Kanten und Ecken belastet wurde, zu
schützen; die Versuche mit Juteleinen sollen sich gut be-
währt haben. Aber alle derartigen Schutzmittel haben
den grossen Nachtheil, dass durch ihre Anwendung eine
Zerstörung der Grasnarbe in grösserem oder kleinerem
Umfange bedingt wird. Da sie schon im Herbste aufge-
legt und spät im Frühjahre wieder abgenommen werden,
so erleidet die Grasnarbe durch die lange Bedeckung
Schaden und kann sich während der übrigen Zeit im Jahre
nicht genügend erholen und erneuern; die Folge ist, dass
sie empfindlich bleibt und im nächsten Herbste aufs neue
geschützt werden muss, was dann in der Regel eine weitere
und gründlichere Zerstörung der Grasnarbe zurfolge hat.
Eine einmal durch besondere Bedeckung gegen Wellen-
schlag geschützte Deichböschung wird man daher in jedem
Jahre wieder besonders schützen müssen. Nur durch er-
hebliche Verflachung der Deichböschung würde man es
möglich machen können, von dem Schutze gegen winter-
lichen Wellenschlag wieder frei zu kommen.
Ich habe nun versucht, unter Vermeidung einer Be-
deckung der Deichböschung einen wirksamen Schutz
gegen Wellenschlag durch schwimmende Balken, die durch
drehbare Spreizen von der Böschung abgehalten werden,
zu erzielen. Die schwimmenden Balken, die mit steigen-
treten sie ohne weiteres Zuthun in Wirksamkeit. Wenn
bei höherem Wasser Strömungen Vorkommen, so muss
der oberste Schwimmbalken stromauf verankert werden,
ausserdem werden erforderlichenfalls an geeigneten Stellen,
Diagonal-Zugverbindungen zwischen den in der Böschung
stehenden Böcken für die drehbare Lagerung der Spreizen
und den Verbindungen je zweier Schwimmbalken ange-
ordnet. Die Stärke der Schwimmbalken ist den Wellen
entsprechend zu nehmen; bei den Flüssen der Tiefebene
genügen Balken von 30—40 ‘='*1 mittlerem Durchmesser.
Im Jahre 1885 ist von mir versuchsweise bei einer
Strecke der Wümmedeiche bei Bremen ein solcher Deicii-
schutz ausgeführt worden, leider aber traten während
meiner Thätigkeit beim hiesigen Deichwesen keine so
hohen Wasserstände ein, dass über das Verhalten der
Schwimmbalken bei höherem Wellenschläge Beobachtun-
gen angestellt werden konnten. Später sind dann die
Schwimmbalken zum Schutze einer Binnenböschung in
einer Brake ausgenutzt, bei der jedoch nur mit einem
annähernd gleich hohen Wasserstande zu rechnen war.
Die bei dieser Verwendung angestellten Beobachtungen
Hessen jedoch die Brauchbarkeit dieses Deichschutzes er-
kennen.
In der Skizze ist eine Verbindung der Schwimmbalken
unter einander und mit den Spreizen dargestellt für den
Fall, dass dieselben Balken dauernd benutzt werden. Sie
würden dann während der Nichtbenutzung im Wasser
untergebracht und im Herbste jedesmal wieder vor der
Deichböschung ausgelegt werden. Es wird sich aber
häufig ermöglichen lassen , die nöthigen Schwimmbalken
für den jedesmaligen Winterdeichschutz zu miethen; die
Befestigung derselben unter sich und mit den Spreizen
würde dann zur Schonung der Balken in einfacher Weise
24. Mai 1902.
durch Ketten, Draht oder Drahtseile geschehen können.
Auch die Verwendung von Stangen ist möglich, denn durch
Umwickeln von Busch und entsprechender Befestigung
desselben an den. Stangen lassen sich Hamit Schwimm-
körper von erforderlichem Durchmesser herstellen.
Die Kosten eines solchen Deichschutzes richten sich
in der Hauptsache nach den zur Verfügung stehenden
Schwimmbalken und deren Dauer. Da auch minder-
werthiges Holz, Pappel, Weide, Erle usw. Verwendung
finden kann, auch Hölzer von geringem Durchmesser bei
entsprechender Umwicklung mit Busch genügen, so wer-
den dieselben unter günstigen Verhältnissen sich nicht
höher stellen, als ein einmaliger Schutz mit. anderen bis-
her gebräuchlichen Mitteln. Vor allen. Dingen aber wird
bei_ Anordnung von Schwimmbalken die Grasnarbe eines
Deiches nicht in ihrer Entwicklung gestört, es können da-
her für diesen Schutz auch höhere Aufwendungen gemacht
werden, wdl durch denselben die Aussicht gegeben ist
dass nach einer Reihe von Jahren. die Grasnarbe eine solche
Widerstandsfähigkeit erlangt hat, um dann auch ohne be-
sonderen Schutz dem Wellenschläge Stand zu halten. —
Bremen, im Marz 1902. H. Bücking.
Lageplan des Bahnhofs ..NollendorfplatT:’'.
Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von Siemens & Halske. Bahnhof „Schlesisches Thor“.
Die Gestaltung der eisernen Gleise auf Landstrassen.
Von Landesbaurath Nt
m Jahrg. 1897 S. 143, 151 und 160 d. D. Bztg. wurde
die Frage erörtert, ob und in welcher Weise es
möglich sei, die Vortheile der eisernen Gleise auch
den Strassenfuhrwerken zuzuwenden. Bei der grossen,
wirthschaftlichen Bedeutung und bei der lebhaften Be-
achtung, die diese Frage in den. weitesten Kreisen, und,
zwar ni(±t nur in Deutschland, sondern auch im Auslande,
— z. B. in Amerika — gefunden hat, wird es von Interesse
sein zu erfahren, was seitdem' in dem Zeiträume von fast.
5 Jahren auf diesem Gebiete geschehen ist. Hier soll des-
268
ssenius in Hannover. :
halb kurz mitgetheilt werden,, wie in der'Provinz Hanno-
ver die Angelegenheit, sich gestaltet hat. Die'- Besprechung -
der allgemeinen Fragen über die Zweckmässigkeit oder
Ünzweckmässigkeit der Gleise, sowie die Erörterung der
Vorzüge und Nachtheile der I Form oder der Zoresform
der Schienen so.ll jedoch thunlichst vermieden werden.
Zugleich möge an die Fachgenossen, welche sich mit
dem Gegenstände . beschäftigt .haben, die Bitte gerichtet -
werdeh, ihre Erfahrungen und Ansichten über die zahlrei-
chen, inzwischen in verschiedenen Gegenden ausgeführten
No. 42
Bahnhof „Nollendorfplatz“. Architekten: Cremer Ä Wolffenstein io Berlin.
Bahnhof „Schlesisches Thor". Architekten: Grisebach & Dinklage in Berlin.
Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von Siemens & Halske.
24. Mai 1902.
Strassengleise dem Verfasser bekannt zu geben. Der an der
oben genannten Stelle mitgetheilte Entwurf Gravenhorst’s
zur Herstellung einer dem Zores-Eisen ähnlichen Schiene
konnte vor der Ausführung noch erheblich vereinfacht
werden, da es sich als überflüssig erwies, den zuerst in
Aussicht genommenen Blechboden beizubehalten. Sowohl
die zur Ausfüllung des Hohlraumes lose eingelegten, -mit
dünnflüssigem Zementmörtel vergossenen, an der Ober-
fläche mit steifem Mörtel berappten Klinker, als auch der
später bevorzugte eingestampfte Zementbeton haften ganz
fest am Eisen, sodass nach 36 bis 48 Stunden die Schiene
umgekippt werden kann, ohne irgend eine Lockerung des
Füllmaterials zu zeigen.
Abbildg. I stellt die Gravenhorst’sche, von ihm
„Barrenschiene" genannte Schiene dar, welche von der
A.-G. für Bergbau und Hüttenbetrieb „Phönix“ zu Laar
bei Ruhrort gewalzt ist. Sie wiegt ohne Kleineisenzeug
Abbildg. I. Abbildg. s.
16,9 für I“ und hat ebenso wie die Rautenberg sehe.
Stegschiene, Abbildg. 2, eine 12^» breite Rollfläche.
Nachdem im Frühjahr 1898 mit der Verwendung der
Schienen begonnen war, kam es darauf an, praktische Er-
fahrungen zu sammeln, um die weiteren, etwa wünschens-
werthen Umgestaltungen der Schienenform zu erkennen. '
Bei allen Gleisanlagen in der Provinz Hannover und
ebenso auch ausserhalb der Provinz wurde beobachtet,
dass an der Aussenseite der Schienen eingedrückte Streifen
von 7 c“ bis 10 Breite — also etwa von mittlerer Rad-
felgenbreite — entstanden. Das erklärt sich daraus, dass
die gesetzlichen Bestimmungen über die Spurweite der
Landfuhrwerke nicht die Entfernung der Räder von Rad-
felgen-lnnenkante zu Innenkante, sondern von Radfelgen-
Mitte zu Mitte festsetzen, so dass bei Radfelgen von ver-
schiedenen Breiten der hier entscheidende Zwischenraum
zwischen den Rädern in weiten Grenzen schwankt. Ausser-
dem weicht, wie sich leicht durch Beobachtung nachweisen
lässt, bei sehr vielen, besonders bei zur Personenbeförde-
rung bestimmten Fuhrwerken die Spurweite erheblich von
dem gesetzlich vorgescliriebenen Maasse ab.
Da es kaum durchführbar sein würde, durch poli-
zeiliche Vorschriften hier Abhilfe zu schaffen (vergl.
Centralbl. d. Bauverw. von 1898, 1899 und 1900), so em-
pfiehlt es sich, auf einem anderen Wege vorzugehen, der
auch bereits beschritten ist, nämlich durch Verbreiterung
der Rollfläche der Schienen, wenn auch hierdurch das
Gewicht grösser und der Preis höher wird. Anlässlich
der Herstellung eines Gleises auf der durch schweren
Verkehr in Anspruch ge- .
nommenen Staatsstrasse
zwischen Mainz und Wies-
baden wurde von der Fir- f I 4
ma L. Mann Stadt & Cie., — J I
Fassoneisen-Walzwerk zu
Kalk b. Köln a. Rh. nach
Gravenhorst’s Form eine Abbild^ 3.
Barrenschiene, Abbildg. 3,
gewalzt, welche bei 143,5 Rollfläche und 255 mm Sohlen
breite 26,75 Gewicht hat.
Auch die Rautenberg’sche. Schiene von 1896, deren
Gewicht sich für i m ohne Kleineiserizeug auf 25,07
stellt, ist später von dem Bochumer Verein f. Bergbau
usw. in grösserer Breite, und zwar mit 138 mm Rollfläche-
hergestellt, wodurch das Gewicht sich auf 27,8 erhöht.
Diese neueren Stegschienen sind z. B. bei Rathenow und
bei Osnabrück zur Verwendung gekommen.
Aber auch bei den breiteren Schienen zeigte sich
noch derselbe Uebelstand, so dass es angezeigt ist; bei
einem neu herzustellenden Profile die Rdllfläche -noch
ganz erheblich, zu verbreitern. -
Die Gestaltung der Führungsrippe ist jedenfalls die
schwierigste und wichtigste der bei der Feststellung des
Schienenprofils inbetracht kommenden Fragen. Graven-
horst hat darüber in der Ztschr. f. TransportWes. u. Strassen-
bau von 1897, No. 3—5, beachtenswerthe, zur Klärung der
Ansichten beitragende, theoretische Betrachtungen ange-,
stellt; die endgiitige Entscheidung wird aber doch’der
praktischen Erfahrung überlassen bleiben müssen. Die
Rippe soll einerseits unbeabsichtigte Entgleisungen ver-
hindern, andererseits aber darf sie den wegen des Aus-
weichens beabsichtigten Entgleisungen keinen zu star-
ken Widerstand entgegensetzen. Diese entgegengesetzten
Forderungen sind natürlich niemals ganz zu erfüllen; es
muss deshalb ein Mittelweg gesucht werden, bei welchem
beiden in ausreichender Weise Rechnung getragen wird.
Nun sind von den verschiedensten Seiten Klagen
darüber laut geworden, dass bei den ohne Anlauf herge-
stellten 15 mm hohen Führungsrippen der älteren Schienen
das Verlassen des Gleises bei Begegnungen zu schwierig
sei. Wieweit diese Klagen berechtigt sind, ist schwer zu
sagen, jedenfalls ist zuzugeben, dass beim Ausbie:,en der
Fuhrwerke aus dem Gleise die Radreifen mit 'grosser
Kraft gegen die Führungsrippe gedrückt und auf der
Rollfläche verschoben werden müssen, und dass dabei
die Räder eine Beanspruchung erleiden, für welche sie
nicht eingerichtet sind. Bei der neueren, oben erwähnten
Barrenschiene (Abbildg. 3) wurde deshalb die Höhe der
Rippe auf 13 mm herabgesetzt und ausserdem ein Anlauf
von 2 : 1 hergestellt. Aber trotzdem wird auch bei diesem
Profile noch über die Unbequemlichkeit des Ausweichens
geklagt, und da unfreiwillige Entgleisungen wohl kaum beob-
achtet sind, so kann man vermuthlich mit einer noch
weniger kräftigen Führung auskommen.
Die Verlaschung erfolgt bei den Ste^schienen (Abb, 2)
ohne Schwierigkeit ebenso wie bei den Eisenbahnschienen ;
unbequemer gestaltete sie sich zuerst bei den Barren-
schienen, so lange Gravenhorst die in Abbildg. i im Quer-
schnitt dargestelTten gusseisernen Laschenstühle, von 12 cm
Länge verwandte, auf denen die Schienen mit durchge-
ste'cicten Splintbolzen befestigt wurden. Gut bewährten
sich die in Abbildg. 3 angedeuteten, nach Gravenhorst’s
Angaben geformten ii cm langen Fusslaschen. Sie haben
nur wenig zu halten, da die Schienen in ihrer ganzen
Länge durch den Unterbau fest unterstützt und durch die
Einpflasterung ^egen seitliche Verschiebung gesichert sind.
Dünne Eisenkeile ' befestigen die Schienen ,' welche .von
den Seiten hineingeschoben werden, in der richtigen Lage
und gewähren die Möglichkeit, sie, soweit sie etwa ver-
bogen sein sollten,' gerade zu richten und genau mit den
Enden gegen einander zu stellen.
Während im Kleinpflaster der Anschluss der Fahrbahn-
Besteinung sowohl an die Stegschiene (Abbildg. 2) wie an
die Barrenschiene sich von selbst ergiebt (Abbildg. 4), ist
für letztere im Kopfstein- oder im Klinkerpflaster eine
besondere Ausfüllung des Zwischenraumes zwischen der
Lauffläche und den anschliessenden Steinen erforderlich.
Nach Gravenhorst’s Verfahren werden hierzu Kleinpflaster-
steine aus festem Material verwandt (Abbild. 5), womit
zufriedenstellende Erfolge erzielt sind. Trotzdem aber
macht sich das Bestreben nach Vereinfachung des An-
schlusses durch Fortlassen des Schienenfusses geltend
und dieses führte zu einer in Abbildg. 6 dargestellten,
der Demerbe-Schiene ähnlichen
-c- , Form, welche nach Angabe des
Kreisbmstrs. Pusch in Grottkau
j II |l von der Bismarckhütte i. Schl.
^ H U ^ gewalzt wird. Das Gewicht ohne
,1 H H J, Verlaschung beträgt 18 kg für i
Die Schienen werden von beiden
Abbildg 6 Seiten in die kastenartige aussen-
liegende Lasche hineingesteckt,
durch dünne Blechstücke festgekeilt und, soweit erforder-
lich, durch Lappen festgehalten, welche in, zu dem Zweck
in den. Schienen hergestellte Löcher hineingebogen werden.
Die Höhenlage der Gleise ist im Kleinpflaster, welches
selbst einen kräftigen Steinschlag- oder foesunterbau er-
fordert, ohne weiteres genügend gesichert, wenn nur die'
zürn Abgleichen der Oberfläche dienenae. Sandschicht'
möglichst dünn genommen und besonders die Steinbahn-;
Oberfläche sorgfältig, nöthigenfalls durch Rammen, äbge-,
glichen wird. GraverihÖrst setzt dem Sande noch etwas
Zement zu.
Aber bei der Verlegung im Grosspflaster oder im
Klinkerpflaster muss die Unterbettung den Umständen
nach verschieden gestaltet werden. Wo der Untergrund; -
besonders tragfähig ist, oder wo an der Baustelle guter
Kies sich findet, auf welchem das Gleis gebettet wird,
oder wo grober, sehr reiner Sand beschafft werden kann
— zumal wenn derselbe noch einen Zementzusatz erhält —
mag diese Unterlage genügen; sicherer ist die Verlegung
der Schienen auf einer Klinkerflachschicht, wie sie von
Gravenhorst (Abbildg. 5) ausgeführt wird. Die Verlegung
270
der Gleise in Steinschlagbahneii ist nicht rathsam; der
letzte in Stade gemachte Versuch der Befestigung der
Strassenoberfläche mit Steinschlag zwischen und dicht
neben den Schienen hat sich ebensowenig wie alle anderen
derartigen hier bekannt gewordenen Versuche bewährt.
Versuche mit der Verlegung der Gleise in Erdwegen sind
in der Provinz Hannover überhaupt nicht angestellt.
Zur Zeit sind in dieser Provinz (abgesehen von einer
älteren 20“ langen Versuchsstrecke) 8889 m Gleise vor-
handen und zwar von den schmalen Barrenschienen
6062 m, von den breiteren 1052m, von Rautenbergs schmä-
leren Schienen 171 m, von den breiteren Stegschienen
1328 m und endlich von dem Pusch’schen Gleise 276 m.
Im Grosspflaster verlegt sind 3324 m, im Klinkerpflaster
1790m; davon liegen 3214m auf einer Klinkerflachschicht,
1900 m im unbefestigten Pflastersande. Zwischen den
Schienen einer 1052 m langen, im Grosspflaster verlegten
Strecke ist die BefestigungraitKlinkerpflaster vorgenommen.
Bei 3239 m Gleisen aus Barrenschienen ist der Zwischen-
raum über dem Schienenfusse zwischen der Schiene und
der Pflasterung (Abbild. 5) mit einer Reihe von Klein-
pflastersteinen ausgefüllt. Bei 1875m ist der Anschluss
mit Mansfelder Kupferschlackensteinen hergestellt, welche
in richtiger Höhe bearbeitet mit einer Seite auf dem
Schienenfusse liegen.
Im Kleinpflaster sind 3705 m Gleise hergestellt, ver-
suchsweise 70 m in einer Steinschlagbahn.
Abgesehen von den älteren Versuchen sind, soweit
hier bekannt, in Deutschland bislang nur die genannten
fünf Schienenformen zur Verwendung gekommen.
Nach den Angaben der Betheiligten, welche dem
Unterzeichneten freundlichst zur Verfügung gestellt wur-
den, sind zur Zeit im Ganzen 85,206 km Gleise vorhanden,
und es erscheint zuerst auffallend, dass sie nicht schnellere
an verschiedenen Stellen geschehen, z. B. bei Osnabrück,
bei Neuhaus a. O. und bei Rathenow.
Noch günstiger liegen die Verhältnisse bei alten
Pflasterbahnen aus mangelhaftem, zu stark abgenutztem
oder zu wenig widerstandsfähigem Pflastermaterial, wo
eine Neupflasterung mit kostspieligen besseren Steinen
erfolgen müsste, wenn nicht die Einlegung eines oder
zweier Gleise die Beibehaltung des alten Materials er-
möglichte. Zwei derartige Beispiele, bei Oebisfelde und
bei Buxtehude, wurden bereits in dem Aufsatze von 1897
erwähnt. Letztere Anlage, welche sich trotz des bedeu-
tenden Verkehrs bis jetzt tadellos gehalten hat und sich all-
gemeiner Beliebtheit erfreut, kostete 8000 bis 9000 Mark
weniger, als die Neupflasterung mit guten Kopfsteinen
gekostet haben würde.
Eine ähnliche Aufgabe tritt gegenwärtig in Ostfries-
land an die Strassenbau-Verwaltung heran. Dort sind be-
kanntlich die meisten Strassen mit Klinkerpflaster be-
festigt, welches ausserordentlich angenehm zu befahren
ist, und bei nicht zu grossem, leichtem Verkehr durchaus
genügt, bei schwerem Lastenverkehr aber vollständig
versagt. Infolge der Einrichtung eines landwirthschaft-
lichen Betriebes auf dem Gute Friederikenfeld befahren
seit dem letzten Frühlinge die rund 6 t schweren Be-
hälterwagen der Brennerei- und Brauerei -Aktiengesell-
schaft „Doornkaat" zu Norden die zusammen 7,27 km langen,
3.5 m breiten Künkerstrecken der Landstrasse zwischen
Norden und Friederikenfeld und nutzen dieselben der-
artig ab, dass der Umbau ganz unvermeidlich ist.
Dieses gab der hannoverschen Strassenbauverwaltung
den letzten Anlass, von der Form des u-Eisens ausgehend
ein neues Gleisprofil zu konstruiren, bei welchem soweit
als möglich die bisherigen Erfahrungen nutzbar gemacht
werden sollten. Dasselbe erhält nach Gravenhorst’s An-
Verbreitung gefunden haben. Der Grund hierfür liegt
aber, wie schon in dem Aufsatze von 1897 erörtert wurde,
wohl hauptsächlich darin, dass die zur Unterhaltung der
Strassen verpflichteten Verwaltungen nicht wie die Eisen-
bahn-Verwaltungen zugleich Betriebsunternehmer sind.
Sie sind deshalb nicht geneigt, im öffentlichen Interesse
kostspielige, über ihre Verpflichtungen hinausgehende Ein-
richtungen zu schaffen, die wegen der Ersparung an Zug-
kraft vom volkswirthschaftlichen Standpunkte betrachtet
— kurze Strecken können hier natürlich nicht inbetracht
kommen — gewiss rentabel sein würden, ihnen selbst aber
keinen Vortheil bringen. Die Strassenbau-Verwaltungen
werden dagegen Werth auf die Einführung der Strassen-
gleise legen, sobald sie dadurch die Baukosten oder die
Ünterhaltungskosten der Strassen herabsetzen können.
Was zunächst die Unterhaltungskosten betrifft, so wird
neben dem Gleise, welches erfahrungsmässig von fast
allen Fuhrwerken, jedenfalls aber von den schwerbela-
denen Lastwagen benutzt wird, die Abnutzung der Stein-
bahn ausserordentlich gering, da diese in der Regel nur
noch zum Ausweichen dient. Ebenso wird der Sommer-
weg entlastet, so dass die eigentlichen Wartungsarbeiten
der Strasse ganz erheblich abnehmen. Demgegenüber
stehen die Kosten der Unterhaltung der Gleise, sowie die
Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals derselben.
Leider fehlt es bislang an den erst durch lange Erfahrung
zu beschaffenden Unterlagen, um rechnerisch diese Werthe
feststellen zu können.
Klarer liegen die Verhältnisse, soweit die Baukosten,
und zwar sowohl des Neubaues, als auch des Umbaues
der Strassen in Frage kommen. Schon früher wurde
die Möglichkeit erwähnt, die mit einem Gleise versehenen
Strassen schmaler anzulegen, als es sonst zulässig sein
würde, weil der Hauptverkehr im Gleise stattfindet und
die befestigten Streifen ausserhalb eigentlich nur dazu
dienen, beim Ausweichen ein bequemes Einfahren und
Ausfahren zu ermöglichen. Dass dabei das ausweichende
Fuhrwerk in den Sommerweg fahren muss, ist als eine
besondere Belästigung nicht anzusehen, da solches auch
bei den in den üblichen
Breiten — in Hannover
meidlich ist. Lange, nur
2,5 m breite Neubau- ‘ '' ‘
strecken mit Gleisen .wu-u
sind im Kreise Garde-
legen hergestellt und sollen weniger gekostet haben als
3,5«! breite Strassen ohne Gleis.
Ferner kommt das ebenfalls schon früher erwähnte
Verfahren inbetracht, auf alten Steinschlagstrassen, die
dem Verkehr nicht mehr genügen, oder deren Unter-
haltung wegen Mangels an Steinmaterial zu theuer wird,
ein Gleis in einem nur etwa 2,0 bis 2,5 m breiten Klein-
pflasterstreifen zu verlegen (Abb. 7). Dieses ist bereits
gaben die aus Abbildg. 8 ersichtliche Gestalt. Hätte man ein-
fach die Füsse der Barren-
^ ^ 7 7 schiene forlgelassen und
^-r-k! - ; ! das dabei ersparte Eisen zur
1 I Verbreiterung der Rollfiä-
5 I I I 1 che verwandt, so würde die
I 'I neue Schiene zu wenig steif
i‘111 vl ig geworden sein. Da ferner
^ die Fusslasche — oder „Ha-
Abbiidg 8 kenlasche“ wie Gravenhorst
sie bezeichnet — beibehal-
ten werden sollte, erhielt der Schienenfuss die angegebene
Form, so dass er bei genügender Steifheit deren Anbringung
gestattet. Die Gesammtbreite der Schiene ist zu 223 mm
angenommen und entspricht der zwischen 22 cm und 23 cm
schwankenden Länge der als Unterlage dienenden Klinker.
Es ist also möglich, die anschliessenden Klinker der Pflaster-
bahn entweder ganz oder doch beinahe an die Aussen-
kante des Schienenfusses heranzurücken. In der Stein-
bahnoberfläche' entstehen dann neben der Schiene, zumal
wenn man einzelne, besonders grosse Klinker von der
Verwendung in der Flachschicht ausschliesst, Fugen von
höchstens 2cm Breite, welche gewiss unbedenklich zuge-
lassen werden können (Abbildg. g). Noch günstiger wird
der Anschluss bei na-
" ^ türlichen Pflasterstei-
■ k nen, die ja nach dem
,, ,, -ßM Fusse zu in der Regel
‘ ■ v”' ' ; ; y '-i'r , etwas abgeschrägt
Abbildg. 9. sind. Wird mit Rück- ,
sicht auf die Walzung
der Anlauf der Schienenfusse zu 8% angenommen, so
ergiebt sich die Breite der Rollfläclie zu 176 mm gegen
120 mm der alten Barrenschiene. Die Führungsrippe ist
niedriger als bei den älteren Schienen, nämlich nur 10 mm
hoch mit einem Anlauf von 6,5:10 angenommen.
Der zuerst ausgeführten Ausmauerung der Barren-
schienen mit Klinkern ist die billigere Ausfüllung mit'
Zementbeton wohl meistens vorzuziehen. Es ist deshalb
kein Nachtheil der neuen Schiene, dass man bei dem
breiteren Hohlraume, will man nicht besondere Form-
klinker anfertigen lassen, stets Beton verwenden muss.
Das Gewicht der neuen Schiene (ohne Laschen) stellt
sich auf fast 21 kg für i ist also noch erheblich geringer
als das der beiden Stegschienen und der breiten Barren-
schiene von 25,07; 27,8 und 26,75 dagegen rd. 4 kg grösser
als das der schmalen Barrenschiene. Dafür beträgt aber
auch — hauptsächlich infolge der Vergrösserung der Höhe
— das Widerstandsmoment, bezogen auf die wagrechte
Axe, fast 34 <^“3 gegen 30,47 <=“3 für die schmale Barren-
schiene. Für die Beschaffung der Walzen, deren Kosten
auf rd. 4500 M. berechnet sind, sorgt zunächst die Chaussee-
verwaltung der Provinz Hannover.
Das Hüttenwerk Phönix, welches die Herstellung
übernommen hat, liefert die Schienen zum Preise von
24. Mai 1902.
27 t
152 M. für 1000 jede Lasche für 0,7 M. (frei Eisen-
bahnwagen). Es kostet also i m Gleis einschl. eines Zu-
schlages von 0,15 M. für die Walzen auf der Hütte rd,
6,60 M. Hierzu kommen die Kosten der Eisenbahnfracht, der
Anfuhr zur Baustelle, der Ausfüllung der Schienen mit
Zementbeton (rd. 0,7 M. für im), der Klinkerunterlage,
der Verlegung des Gleises (rd. 0,3 M. für i m) und der
Nebenarbeiten, sodass für Norden der Preis für das fertige
Gleis sich auf rd. 8,5 M. stellt. Rechnet man für die Her-
stellung der Künkerbahn neben dem Gleis unter Wieder-
verwendung des alten Materials durchschnittlich 7,7 M., so
stellt sich der Preis für i fertige Strasse auf rd. 16200 M.
Der Umbau in 3,5 m breites Kopfsteinpflaster würde
aber rd. 32000 M. für i kosten, wobei allerdings noch
der Werth der alten Aufbruchklinker mit höchstens
4500 M. in Abzug zu bringen ist. • — Wenn, wie zu er-
warten ist, die mit dem Gleise versehene Klinkerstrasse —
die voraussichtlich allen berechtigten Anforderungen des
Verkehrs genügt — gleiche Dauer hat, wie, das Kopf-
steinpflaster und in der Unterhaltung sich nicht theurer
stellt, so wird durch die Gleisanlage für den Kreis Norden
eine Ersparniss von mindestens 85000 M. erzielt. Danach
ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass der Kreis Norden
— die endgiltige Beschlussfassung des Kreis-Ausschusses
steht noch bevor — sich für die Ausführung des Gleises
entscheiden wird.
Hoffentlich tragen diese Mittheilungen etwas zur Klä-
rung der Ansichten über die Landstrassengleise bei und
geben Anregung zur Verbreitung derselben und insbe-
sondere auch zur Verwendung der neuen nSchienen. —
Mittheilungen aus Vereinen.
Archltekten-Verein zu Berlin. Hauptvers. v. 12. Mai.
Vors. Hr. Beer, anwes. 25 Mitgl. Da die Versammlung
nicht beschlussfähig ist, können die Berathungen über den
Haushalts -Voranschlag für 1903/03, sowie die Genehmi-
gung des Kassen-Abschlusses für das vergangene Jahr
nicht erfolgen. Es wird eine Hauptversammlung zur end-
giltigen Erledigung auf Montag, den 26. Mai, angesetzt.
Zu Beginn der Sitzung gedenkt der Hr. Vorsitzende
der 3 Mitglieder, die dem Verein seit der letzten Zu-
sammenkunft durch den Tod entrissen wurden. Es sind
dies die Hrn. Brth. Alb. Brinkmann in Steinau a. 0.,
Geh. Reg.-Rath Wilh. Grapow und Wirkl. Geh. Ob.-Brth.
Wilh. Streckert in Berlin, denen der Vorsitzende warm
empfundene Worte der Erinnerung widmet und dabei
namentlich der Thätigkeit Streckerts im Verein gedenkt,
dessen Vorstand er lange Jahre angehörte, in dessen Ver-
trauens-Ausschuss er bis zu seinem Tode gesessen hat.
Nach geschäftlichen Mittheilungen und Vorlage der
neuen Eingänge für die Bibliothek, darunter das Werk
der Stadt Berlin über ihre Brückenbauten, berichtet zu-
nächst Hr. H. Guth über den Ausfall eines Monats-Wett-
bewerbes um den Entwurf zu einer Speisezimmerwand,
und Hr. Rönnebeck über denjenigen zu einem Zieh-
brunnen-Häuschen in Stein für den Hof eines alten
Schlosses. Der erstere, zu welchem 3 Arbeiten eingingen,
verlief insofern ergebnisslos , als keiner Arbeit ein Preis
züerkannt werden konnte, während in dem zweiten beide
Arbeiten ein Vereins-Andenken erhielten. Es blieb dabei
unentschieden, welcher Arbeit der Vorzug zu geben sei.
Verfasser sind für den Entwurf mit dem Kennworte
„S’Brünnele" Reg.-Bfhr. Emil Göhrtz, für den Ent-
wurf „Nickelmann'* Reg.-Bfhr. Bernhard Lehmann.
Ueber die Aufgaben auf dem Gebiete des Bauingenieur-
wesens konnte noch nicht berichtet werden, weil der Aus-
schuss über die Beurtheilung noch nicht schlüssig ge-
worden ist.
Hr. A. Becker machte sodann Mittheilungen über ein
neues Doppelfenster (System Walchner), das zugleich
Schiebe- und Flügel-Fenster ist. Redner gab zunächst
einige allgemeine Bemerkungen über die Anwendbarkeit
der Schiebefenster in unserem Klima, ihre Vorzüge und
Nachtheile (unter letzteren namentlich die Schwierigkeit
der Dichtung und der Reinigung) und erläuterte dann das
von der Firma Gebr. Schaar, Berlin, ausgestellte Fenster.
Das in üblicher Weise getheilte 4 -Flügelfenster kann in
einem 2. Rahmen nach unten geschoben werden. Das
erfordert eine bewegliche Fenstersohlbank, die durch einen
besonderen Mechanismus gedreht werden kann. Die
Dichtung wird durch Filzstreifen hergestellt, gegen welche
das geschlossene Fenster noch besonders angepresst wer-
den kann. Die Flügel sind doppelt, aber dicht aufeinander-
gelegt. Sie sind derart mit einander verbunden, dass sich
die beiden Fenster eines Flügels leicht auseinander klappen
lassen zu Reinigungszwecken. Das innere Fenster schwingt
dabei in gewöhnlicher Weise um die am Rahmen be-
festigten Bänder, das äussere um kleinere Bänder, die
am inneren Flügel befestigt sind.
Die Kosten stellen sich auf etwa 150 M., also auf etwa
das iVsfS'Che eines gewöhnlichen Doppelfensters. Die
Fenster sind zunächst für öffentliche Gebäude, insbesondere
Krankenhäuser, bestimmt. Der Redner glaubt aber, dass
die Konstruktion und namentlich die Anordnung der
Dichtung sie auch geeignet macht für den Gebrauch in
Wohnhäusern. —
Vermischtes.
Bahnbauten im Grossherzogthum Baden. Die eigen-
thümliche Lage und Gestalt des Grossherzogthums Baden,
die Bedeutung seiner Bahnlinien im Weltverkehr, zwingen
die zuständigen Behörden, der Entwicklung der Bahn-
anlagen und ihrer Konkurrenzfähigkeit die sorgfältigste
Aufmerksamkeit zuzuwenden. Abgesehen von der schon
in No. 32 berührten grossen Umgestaltung der Bahnver-
häitnisse in Karlsruhe bestehen noch weitgreifende Pläne
für eine Neuanlage des Mannheimer Rangirbahnhofes, für
Bahnhofumbauten in Heidelberg, Mosbach, Durlach und
Basel, vor allem aber für die Anlage eines grossen Rangir-
bahnhofes in Offenburg mit einem Aufwande von etwa
16 Mill. M. Bei allen Bahnhof-Umbauten sollen grund-
sätzlich die Niveau-Uebergänge vermieden und durch
Ueberftihrungen aller Strassen und Wege ersetzt werden.
Ebenso ist eine strenge Trennung des Güter- und Per-
sonen-Verkehres vorgesehen. Der Gesammtaufwand für
die Umbauten in Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Dur-
lach, Offenburg, Basel und Mosbach usw. wird sich auf
rd. 208 Mill. M. belaufen, wozu noch etwa 65 Mill. M. für
Bahnbauten, Verstärkung des Oberbaues usw. kommen,
so dass die Eisenbahnschuld imganzen eine Vermehrung
um 273 Mill. M. erfahren würde. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Versetzt werden z. i. Juli d. Js. die
Garn.-Bauinsp. K u h s e in Strassburg nach Colmar i. Eis. und
Graebner in Münster nach Bitsch.
Der Reg.-Bmstr. Rudelius in Glogau als techn. Hilfsarb.
bei der Intend. des VIII. Armeekorps und der Garn.-Bmstr. Lud-
wig in Jüterbog sind zu Garn.-Bauinsp. ernannt.
Bayern. Der Ob.-Bauinsp. Dr. Groeschel in München ist
als Dir.-Rath bei der Gen.-Dir. der Staatseisenb., die Dir.-Ass. bei
der Gen.-Dir. Kasslauer zur Eisenb.-Betr.-Dir. München, Vogt
zur Eisenb -Betr.-Dir. Rosenheim, der Ob.-Masch.-Insp. Mülling
in Nürnberg ist als Dir.-Rath zur Eisenb.-Dir. Augsburg berufen.
Der Dir.-Ass. Bartschmid in München ist z. Ob.-Masch.-
Insp. bei der Zentralwerkstätte München befördert. Der Ob.-Masch.-
Ihsp. Schremmerin Regensburg ist zur Zentralwerkst. München,
der Dir.-Ass. M a d e r in München zur Zentralwerkst. Nürnberg und
der Eisenb. -Ass. Hensolt in München ist zur Gen.-Dir. der Staats-
eisenb. berufen.
Mecklenburg-Schwerin. Der Eisenb.-Betr.-Dir. Al brecht
in Schwerin ist gestorben.
Preussen. Dem Geh. Reg.-Rath Prof. Müller-Breslau in
Berlin ist der kgl. Kronen-Orden II. Kl. verliehen.
Die Reg.- und Brthe. Richard in Königsberg i. Pr. und
Gerhardt sind zu Geh. Brthn. u. vortr. Räthen im Minist, der
öifentl. Arb., die Wasser-Bauinsp. Brth. Bindemann u. Ruprecht
sind zu Reg.- u. Brthn. und Abth.-Vorst. an der neu errichteten
Landesanstalt für Gewässerkunde ernannt. — Der Wasser-Bauinsp.
Fr. Müller ist von Husum nach Schleswig versetzt.
Die Reg.-Bmstr. Wehl in Düsseldorf und Meyer in Inster-
burg sind zu kgl. MelioivBauinsp. ; die Reg.-Bfhr. Ernst Fr. Ha c h e
aus Grimmen u. Wilh. Ryssel aus Hannover (Masch.-Bfch.) sind
zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Württemberg. Dem Prof. Nestle an der Baugewerkschule
in Kalsruhe i. B. ist die Erlaubniss zur Annahme und zur Anlegung
der ihm verlieh, grossherz. bad. Jubiläumsmedaüle ertheilt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. 6g. Sch. in Bochum. Ihre Anfrage entbehrt,
des allgemeinen Interesses. Streitigkeiten über Honorarfragen sind
wir nicht in der Lage im Briefkasten zu behandeln. —
Anfragen an den Leserkreis.
In einem Krankenhause sind eiserne Füll - ReguÜröfen mit
schmiedeisernen Mänteln aufgestellt, welche des besseren Aus-
sehens und grösserer Sauberkeit halber mit einem hellen Anstrich
versehen werden sollen. Ein Anstrich mit sog. Ofen-Emaillefarbe
englischen Fabrikates hat sich nicht bewährt, sondern ist bald nach
dem Anheizen fleckig und dunkel geworden. Welche Anstriche
sind für diesen Fall als bewährt zu empfehlen? Fr. in Hamburg.
Inhalt: Die elektrisclie Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von
Siemens & Halske. VJI. — Ueber Deichschutz. — Die Gestaltung der eiser-
nen Gleise auf Landstrassen. — Mittheilungen aus Vereinen. — Vermischtes.'
— Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Die elektrische Hoch- und Unter-
grundbahn in Berlin von Siemens & Halske.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m.b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl, Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh, Greve, Berlin.
No. 42.
272
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 43. Berlin, den 28. Mai 1902.
Geläoder in der Bülow- Strasse Ober der Steinmetz -Strasse. Architekt: Bruno Möhring in Berlin.
Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von Siemens & Halske.
Die Architektur auf der Grossen Berliner Kunstausstellung 1902. (Schluss.)
er monumentale Profanbau ist weiterhin
vertreten durch Kröger’s in romanisirendcn
Formen gehaltenen Entwurf zum Hamburger
Zentralbahnhof, durch Prof. Fr. Ratzels
prächtiges Rathhaus in Duisburg, welches
in zwei grossen schönen Federzeichnungen zur Dar-
stellung gebracht ist, welche die eigenartigen Bildungen
des interessanten Gebäudes erkennen lassen; durch
die flott dargestellten Rathhaus-Entwürfe von Rieh.
Walter und Hugo Heger, beides Wettbewerbs-Ar-
beiten, durch einen Entwurf der gleichen Verfasser
für eine Realvollanstalt in Bremen, ebenfalls Wettbe-
werbs-Entwurf, durch die schöne Schule Thyriots in
Friedberg, die wir in No. 70 f. Jahrg. 1901 Wiedergaben,
durch das Gymnasium in Friedenau von L. Dihm,
durch die Konkurrenz-Entwürfe von G. Roensch für die
Ruhmeshallc in Bannen und das Provinzial-Museum
in Münster, sowie durch die sehr bewegt und male-
risch giTjppirten Entw'ürfe von F. Gottlob zu Thor-,
Wohn- und Stallgebäuden des Zoologischen Gartens
in Berlin. Die in märkischem Backsteinstil gehaltenen
Entwürfe stellen weitgehende Pläne der Verwaltung
des Gartens für eine in erster Linie auch Lehrzwecken
dienende Anlage dar. Diesen Entwürfen ist anzu-
schliessen ein in ähnlichem Charakter gehaltenes Schalt-
haus des gleichen Verfassers auf der Dorfaue in Gross-
Lichterfelde, in der Form eines ansprechenden Thurm-
baues gehalten. In die Gruppe der wirkungsvollen
Backsteinbauten reiht sich auch Carl Teichens male-
risches Ausschanklokal für die Schultheiss-Brauerei
am Kreuzberg an. Das anziehende Gebäude enthält
einen schönen, in romanischen Formen mit Holzbalken-
decke gehaltenen Kneipraum.
Weder das Geschäftshaus noch das Wohnhaus
sind in einer Weise vertreten, welche der modernen
Entwicklung beider Gebäudegattungen entspricht. Unter
den Geschäftshäusern ist das Hauptwerk Martin
Dülfers Haus der „Allgemeinen Zeitung“ in München,
in einer sehr interessanten grossen farbigen Darstellung
auf der Grundlage einer photographischen Vergrösse-
rung wiedergegeben. Eine künstlerisch gleich ausge-
zeichnete Arbeit ist der Entwurf zu dem Geschäfts-
hause Trunck & Co. von Hart & Lesser, zugleich
interessant durch die anspruchslose und schöne Art
der Darstellung. Mit überreichen architektonischen
Mitteln bei im übrigen flotter farbiger Darstellung ist
das Geschäftshaus in Budapest von Gust. Gebhardt
ausgestattet.
Im Gebiete des Wohnhauses stehen Cremer&
Wolffensteins feine Diele für Haus Müller in der
Bellevuestrasse in Berlin, sowie H. A. Krause’s schöner
Entwurf zu einem Herrenhause für Franz. Buchholz
(s. No. I u. 2 d. J.) an erster Stelle. Ihnen schliessen
sich als treffliche künstlerische Leistungen Hart &
Lessers Umbau des Hauses Bendlerstr. 4 in Berlin,
Bislichs reizvolle Villa Will im Grunewald, K. E. Ban-
gerts Dielen und Biberfelds Musikzimmer im Hause
eines Kunstfreundes an. Sehr anziehend in Aufbau und
Darstellung ist Fritz Schwagers Entwurf zu einem
Gartenhause, wohnlich anheimelnd Walther Ende's
Landhaus „Glück im Winkel“, trefflich dargestellt
Stöckhardt’s Villa Fischer am Chiemsee.
Einige sehr tüchtige Arbeiten hat der Wettbe-
werb für eine Rheinbrücke in Basel geliefert. Bruno
Möhring entwarf das Bauwerk als massige Stein-
brücke und gab, wie die wirkungsvollen Darstellungen
zeigen, den Einzelheiten eine interessante neue Form;
in einer schön gemalten Darstellung von Herwarth
erscheint die gleiche Brücke, weniger glücklich der
Oertlichkeit angepasst, als Eisenbrücke mit drei Haupt-
und zwei Seitendurchlässen. Dass bei einer in Eisen
konstruirten und mit monumentalen Steinportalen be-
reicherten Brücke immer ein ungelöster Zwiespalt bleibt,
zeigen die beiden wieder durch Herwarth ausgezeich-
net dargestellten Entwürfe für Elbrückcn bei Magdeburg.
In einem Entwürfe für eine Nordbrücke gab die Firma
Harkort in Duisburg eine weitgespannte Bogenbrücke,
bei welcher G. Frentzen in Aachen für die reichen
Portalbauten, R. Schneider in Berlin für die Pfeiler-
gründungen mitwirkten, eine Bogenbrücke, die sich
leidlich in das Stadtbild einfügen dürfte, w'ährend
im zweiten Falle, bei der Sternbrücke von Harkort,
die sehr schönen Portalbauten, wieder von Frentzen,
nicht vermögen, den Eindruck der gekünstelten Bogen-
linie zu zerstreuen.
Die Wiederherstellungsarbeiten an der Hohkönigs-
burg haben Bodo Ebhardt Gelegenheit gegeben zur
Ausstellung eines Modelles des Maschinen- und Quellen-
hauses für die Wasserversorgung der Burg, al§ roma-
nischer Werksteinbau gedacht; sowie zu einer Anzahl
Reisestudien von einer im Aufträge des Kaisers unter-
nommenen Studienreise des Herbstes 1901 zum Studium
273
deutscher Burgen in Deutschland und Oesterreich. Die-
sen Studien reihen sich Reisestudien vonTheuerkauf
und von E. Högg an, die beide sich durch die schöne
Art ihrer Darstellung auszeichnen. Eine prächtige
Gruppe farbiger Darstellungen bilden Günther-Naum-
burg’s Aufnahmen vom Naumburger Dom. In schöner
Federzeichnung wiedergegeben sind Aufnahmen von
MartinRichter von alten Mannheimer Bauwerken, dem
Kaufhause und der Jesuitenkirche, sowie des Ritters
in Heidelberg. Sehr anziehend in Darstellung und
Umrahmung sind die beiden Blätter von E. Siedle,
ein Schwarzwaldhaus und eine Ansicht des Klosters
Chorin; in diesen Blättern erweist sich ihr Urheber
als ein feinsinniger Künstler des Ornamentes. Die
Krone aller Reiseaufnahmen aber bilden diesmal die
köstlichen Aufnahmen aus Pompeji von LuigiBazzani.
Die Art, wie hier der Marmor, das Mosaik, die Reste
von Malerei usw. wiedergegeben sind, ist unübertrefflich
schön und von einer so seltenen Zartheit, dass diese
Blätter Meisterwerke der Kunst der Wassermalerei
sind. C. Weichardt sandte seine phantasievollen
Wiederherstellungs-Entwürfe für Pompeji, sowie für
die Kaiserpaläste auf der Insel Capri, welchen wir
bereits in No. 89 f. Jahrg. 1900 eine ausführliche Dar-
stellung widmeten.
Wie im vergangenen Jahre, so sind auch in die-
sem Jahre der Architektur- Abtheilung eine Anzahl
Innenräume angeschlossen, von welchen das Wohn-
zimmer von Wilh. Kimbel (ausgeführt von Kimbel &
Friderichsen), sowie das Speisezimmer von Georg
Kuhnert (von demselben auch ausgeführt) an der
Spitze stehen. Bei dem Kimbel’schen Wohnraume
sind es insbesondere die Ruhe in der Gesammthaltung,
die raaassvolle Verwendung des Ornamentes und die sehr
glücklicheFarbengebung,welche den schönen Raum aus-
zeichnen. Bei dem Kuhnert’schen Speisezimmer wird ein
gewollter Ornamentreichthum in nicht minder glück-
licher Weise gebändigt durch eine an pompejanische
Vorbilder anklingende sehr feine Farbengebung. Nicht '
ganz mit dem gleichen Glück ist das Empfangszimmer, :
welches Georg Honold entwarf (und C. Luckat aus-
führte), zusammengestimmt. Obwohl die einzelnen :
Stücke sich als ausgezeichnete Arbeiten darstellen,
mangelt doch dem Ganzen der Eindruck ruhiger Ge-
schlossenheit. Etwas besser wieder ist in’dieser Be- '
Ziehung das Frühstückszimmer von Herrn. Friling
(ausgeführt von Wilh. Kümmel), in welchem der Ver-
such unternommen ist, in die Formengebung des ,
Möbels neue Gedanken einzuführen. An dem Wohn- ^
zimmer von Biberfeld interessirten uns nur die
Farbengebung, sowie die Haltung des demselben vor- .
gelagerten Vorraumes. — _ h.- — ^
Mittheilungen, aus Vereinen.
Sächsischer Ingenieur- und Architekten-Verein. Der
letzte Bericht über die Thätigkeit dieses Vereines (in
No. 70 des vor. Jahrg.) reichte bis zum 5. Mai 1901. Die
regelmässigen Vortragsabende, an deren Stelle während
des Sommers gesellige Zusammenkünfte zu treten pflegen,
fingen am 14. Okt. wieder an. Der Präsident des Vereins,
Hr. Geh. Brth. Poppe, berichtete namens der Vertreter,
die zu der Abgeordneten-Versammlung nach Königsberg
gesandt worden waren, über den Verlauf der dortigen
Verhandlungen und Festlichkeiten; im Anschlüsse daran
besprach. Hr. Reg.-Rth. Michael den dortigen Seekanal
und Zoologischen Garten, Hr. Ob.-Brth. Dr. Ulbricht die
Eisverhältnisse am Haff.
Ara 21. Okt. machte Hr. Brth. Schmidt eingehende
Mittheiiungen über den Stand der Einfamilienhaus-
Frage in Dresden überhaupt und über zwei bezügl.
Bebauungspläne (beim Waldschlösschen und an der Acker-
mannstrasse) im besonderen. Grund- und Bodenpreis so-
wie Anliegerleistungen sind aber hier so hoch, dass diese
Pläne kaum zur Ausführung kommen werden. — Derselbe
Redner forderte dann noch, von einem der Versammlung
vorgelegten altbäuerlichen Holzschlosse ausgehend, zu
fleissiger Subskription auf das Bauernhaus- Werk auf. Am
Nachmittag desselben Tages hatte eine Besichtigung des
Essenthurmes an dem nun in Betrieb genommenen Fern-
heizwerke, ferner des Futtermagazins und des Theater-
requisiten-Gebäudes an der Devrient-Strasse stattgefunden.
Am 28. Okt. sprach Hr. Ob.-Baukommissar Grüner
über „Die Entwicklungs-Geschichte und die Bau-
art dej amerikanischen Geschäftshäuser“, woran
sich eine lebhafte Aussprache über deren Werth als
Massenquartiere für die unbemittelten Klassen anschloss.
— Ueber Kalk-, Trass- und Zementmörtel von verschie-
denem Alter gab Hr. Fin.- u. Brth. Rother am 4. Nov.
sehr interessante Mittheilungen; auch des Gipsmörtels
wurde dabei sowie in der sich anschliessenden Aussprache
mehrfach anerkennend gedacht. Das nachträgliche Aus-
fugen des Mauerwerkes wurde als verwerflich bezeichnet.
Vor einer zahlreichen Versammlung, auch aus Damen
und Gästen, hielt Hr. Ob.-Brth. Andrae am ii. Nov. einen
Vortrag über „Die deutschen Ausgrabungen in Ba-
bylon“, unterstützt durch die von der deutschen Orient-
Gesellschaft veröffentlichten Berichte und Pläne.
Der 18. Nov. brachte verschiedene kürzere Mittheilun-
gen, von denen die des Hrn. Ob, -Brth. Klien über
„Neuere Walzwerkprodukte“ und eine Schilderung
des von ihm besuchten Press- und Walzwerkes Reisshof bei
Düsseldorf das Interesse am stärksten inanspruch nahmen;
Am 25. Nov. theilte Hr. Ob.-Brth. Dr. Ulbricht- sehr
überraschende Fortschritte auf dem Gebiete des Schwach-
stromes (Aufbewahrung von Gesprächen mittels Photo-
graphie, Schnelltelegraph von Pollak & Viräg u. a.) mit,
Erfindungen, die zwar der Praxis- noch nicht dienstbar,
aber sicher Ausgangspunkte für die exakte Forschung und
weitere Entdeckungen seien.
Am 2. Dez. schilderte Hr. Ing. Frhr. von Wagner an
der Hand mehrerer Uebersichts- und Einzelzeichnungen
„Die Bauart und die daran eingetretenen Be-
schädigungen der Brooklyner Brücke". Auch den
Lindenthal’schen Bericht, der den jetzt noch vorhandenen
Sicherheitsgrad feststellt und dessen Vorschläge, um ihn
wieder auf die ursprüngliche Höhe zu bringen, gab der
Vortragende bekannt.
Am 30. Dez. fand eine in bescheidenen Grenzen gehal-
tene fröhliche Weihnachtsfeier statt und beschloss das Jahr.
Im neuen Jahre (1902) kam der Verein zum ersten
Male wieder am 13. Jan. zusammen, um angesichts der
Wiederhersteilungs - Entwürfe für die Westfassade des
Domes zu Meissen einen Vortrag von Hrn. Fin.- u. Brth.
Schmidt über diesen Gegenstand, der die Gemüther
gerade damals lebhaft beschäftigte, zu hören. Das vor-
läufige Ergebniss war die Wahl einer fünfgliederigen
Kommission, die den Auftrag erhielt, den Gegenstand
weiter zu berathen und gutachtlich darüber zu berichten.
Vorgreifend sei hier bemerkt, dass dieser Ausschuss in
mehreren Zusammenkünften (auch in Meissen selbst) da-
zu gelangt ist, der Kommission zur Erhaltung der Kunst-
denkmäler zu empfehlen, von einer zweithürmigen Anlage
abzusehen; der Verein trat in seiner Zusammenkunft am
17. Febr. diesem Gutachten einstimmig bei.
Am 20. Jan. gab Hr. Brth. Trautmann eine genaue
Beschreibung der Heizanlage des kgl. Opernhauses
in Dresden-Altstadt wie sie früher war (grösstentheils
Feuerluftheizung) und wie sie jetzt, nach dem Anschluss
an das Fernheizwerk ist (Dampf mit 5 Atm. Druck, der
aber im wesentlichen auf i Atm. Betriebsspannung redu-
zirt wird.) Die Erhöhung der Feuersicherheit findet in
der Ermässigung der jährlichen Versicherungs-Prämie um
5000 M. ihren zahlenmässigen Ausdruck. Die Ventilations-
Anlage des Opernhauses ist dieselbe vorzügliche geblieben ;
sie liefert für den Zuschauer stündlich 50 cbm Luft.
Am 23. Jan, wurde auf dem kgl. Belvedere der
Familienabend in gewohnter Weise mit musikalischen und
dramatischen Darbietungen, Ball und gemeinschaftlicher
Tafel unter zahlreicher ßetheüigung gefeiert.
Im Anschluss an seinen Vortrag vom 20. Jan. gab Hr.
Brth. Trautmann am 3. Febr. noch einige Erläuterungen
über die Entzündungsgefahr durch Dampfheiz-Leitungen.,
Sodann sprach Hr. Ing. Le wicki über Dampf -Turbinen,,
unter Vorzeigung eines von Hand betriebenen Modells.
Er hob als besondere Vorzüge hervor; die Möglichkeit
des schnellen Anlassens ohne ' Anwärmung, die Vermei-
dung der bei Kolbenmaschinen so schädlichen Konden-
sations-Verluste. Zurzeit findet das System auf Eisenbahn-
Fahrzeugen in Preussen und Dampfschiffen in Sachsen
Verwendung zum Antrieb der Beleuchtungs-Dynamos.
Am IO. Febr. hielt Hr. Prof. Hugo Hartung einen
Vortrag über den erziehlichen Werth des Studiums
der mittelalterlichen Baukunst für die moderne
Architektur, wobei er ungefähr zu dem Ergebniss ge-
langte, dass das Architekturstudium besser auf der mittel-
alterlichen, als der hellenischen, römischen und Hoch-
renaissance-Baukunst fusse und dass die Konstruktion die
Seele der Architektur sei und bleiben müsse.
274
No. 43.
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28. Mai 1902
275
■ Am . 17- Febr. beschäftigte sich die Versammlung zu-
erst mit dem schon erwähnten Meissener Gutachten, so-
dann mit einem solchen wegen der Gebühren technischer
Sachverständiger bei Gerichten und hörte dann einen Be-
richt, den Ob.-Baukommissar Grüner erstattete über die
diesjährigen Aufnahmen volksthümlicher Kunst und Bau-
weise, die von den Schülern der sächsischen Bau- und
Kunstgewerbeschulen zum Wettbewerb eingesandt worden
waren. Das Ergebniss dieses dankenswerthen Unter-
nehmens des Vereins für Volkskunde, vom kgl. Ministerium
des Inneren unterstützt, war, wie die ausgestellten Blätter
bewiesen, auch diesmal wieder sehr befriedigend.
Arh 24. Febr. zeigte und beschrieb tir Bmstr. Mirus
der Versammlung das Modell zu einem dekorativen Er-
innerungszeichen, das für die Landspitze beim Königs-
Albert-Hafen in Dresden entworfen worden, aber nicht
zur Ausführung gekommen ist; sodann hielt Hr. Eisen-
bahndir. a. D. Parider einen Vortrag über Riga, die
Düna und die Stromregulirungen, daselbst. Als,
Ergebniss dieser Arbeiten, die namentlich in der Anlage
von P.arallelwerken bestehen und bis jetzt 6V2 Milk Rubel
gekostet haben, ist eine 22—23 Fuss tiefe Fahrrinne zu
nennen, die im Winter durch drei Eisbrecher freigehalten
wird. Der Schiffsverkehr gestaltet sich namentlich durch,
die Flossschiffe (Strusen) ganz eigenartig.
Hr., Hof-Ob.-Brth. Dünger machte am 3. März inter-
essante .Mittheilungen über den in der I-Iauptsache nun
beendeten Umbau des königlichen Schlosses in
Dresden, der während 12 Jahren durchgeführt worden ist.
• Am IO. März sprach Hr. Ein.- u. Brth. Rother über
Entzündungs- Gefahren, wobei er namentlich der
Selbst-Entzündung eingehend und mit Beispielen aus der
Praxis gedachte. Bei der Herstellung von Luftkanälen in
Kohlenstapeln darf nicht übersehen werden, dass diese .
nur abkühlend wirken und durchaus nicht Luft zu-
führen sollen. Sodann besprach Hr. Arch. E. Kühn
ausführlich die Mittel zur billigeren Herstellung landwirth-
schaftücher Bauten, unter denen er die grösstmögliche Zu-
sammenziehung des Raumbedürfnisses in ein oder mehrere
zusammenhängende Gebäude, die geschickte Ausnutzung
der Geländegestaltung, eine dem einzelnen Falle und Be-
dürfnisse . angepasste Bauweise, kluge Beschränkung in
der Raumhöhe und dem äusserlichen Bauaufwand, Hebung
des ländlichen Bauhandwerks besonders hervor. Der Vor--
sitzende knüpfte, die Bemerkung daran, _dass die durch
unzweckmässige Bauweise landwirthschafüicher Gebäude
vergeudete Summe aufgrund einer Schätzung sich auf etwa
lo'Vo Brandkassen- Betrages belaufe. Zum Schluss
machte Hr. Ob.-Baukommissar Grüner die Versammlung
mit dem Dohne’schen Apparat zur Ermittelung der Träger-
und Säulenstärken bekannt.
Den 17. März machte Hr. Geh. Brth. Dr. Wallot unter
dem Titel „Nordamerikanische Rerseskizzen“ über-
aus anziehende und lehrreiche Mittheilungen über seine
Eindrücke und Erfahrungen anlässlich seiner Reise nach
St.- Francisco als Preisrichter für die Berkley-Universität.
Besonders werthvoll waren die Wahrnehmungen und
Bemerkungen über die neuere Architektur der amerika-
nischen Städte^ die durch eine Fülle von Abbildungen
wirksam illustrirt wurden.
Hr. Arch. Ballenstedt sprach in der Wochen-Ver-
sammlung am 24. März über „Freitragende Wände
nach dem System Prüss“, wobei er namentlich dessen
Anwendung als Doppelwand (z. B. bei der Herstellung
kleiner, freistehender Wohnhäuser) empfiehlt. Im Anschluss
daran gab Hr. Ein.- u. Brth. Rother Erläuterungen über
„Die Wirkung von Luftschichten in den Wänden“
und ‘empfahl deren Ausfüllung mit Zementbeton. — Hr.
Ob. -Brth. Andrae zeigte und erläuterte Photographien
niederländischer Bauwerke auf der Insel Walchercn und
Hr. Ein.- u. Brth. Schmidt berichtete an der Hand einer
panoramaartigen Abbildung über die malerische, architek-^
tonisch- sehenswerthe französische Stadt Le Puy.
Aiü 7. April gab Hr. Arch. Tscharmann interessante
und eingehende Mittheilungen über „Deutsche Lungen-
heilstätten“, von den erschreckenden statistischen Er-
hebungen über die Ausbreitung der Krankheit ausgehend
und die Thatsache, dass Deutschland allein mehr solcher
Heilstätten besitzt, als alle anderen Länder zusammen, als
erfreuliches Gegenbild hervorhebend. Sodann berichtete
Hr. Ok-Brth. Andrae noch über, den neuesten Stand der
Ausgrabungen in Babylon.
• . Ueber den Vortrag des Hrn. Reg.-Bfhr. Lange negger:
„Se.mper’s Entwürfe zu den neuen Museums-Ge-
bäuden in Dresden“, am 21. April im Verein gehalten,
soll- wegen der werthvollen Aeusserungen Semperis über
öffentliche Gebäude; ausführlicher . berichtet werden,
- • Ini der -Versammlung äm.,.-2&i;ijiXÜ. sprach; zuerst Hr.
Fin.- u. Brth. Rother über „Die Mitwirkung der Ingenieur-
276
und Architekten-Vereine bei der Beschaffung preiswerther
Wohnungen“, woran sich eine ausgiebige Besprechung
knüpfte. Sodann berichtete Hr. Ob.-Bai&omm. Grüner
über neuere Deckenkonstruktionen, namentlich über die
von ihm kontrollirte Probebelastung einer Bimsbetondecke,
und Hr. Reg.-Bmstr. Hörnecke machte Mittheilungen über
neue, zur Verhütung der Rauchentwicklung bestimmte
Feuerungsanlagen, besonders für keramische Zwecke.
An diesem Abend fanden die winterlichen Zusammen-
künfte ihr Ende. — 0. Gr.
Vermischtes.
Ein neuer Dübelstein als Ersatz für Holzdübel, Der
in No. 37 vom 7. Mai 1902 erwähnte „neue Dübelstein
als Ersatz für Holzdübel“ erweist sich bei genauer
Untersuchung als ein gewöhnlicher poröser Ziegelstein,
dem die .zugeschriebenen guten Eigenschaften doch nur
in bescheidenem Maasse zukommen. Auch kann von
einem Patentgeheimniss des Erfinders eigentlich
keine Rede sein; die „bestimmte Beimischungssubstanz“
bewirkt lediglich die Porosität und ist auf das Festsitzen
der Nägel und Schrauben höchstens von nachtheiligem
Einfluss. Solche Beimischungs-Substanzen waren schon
den Römern bekannt (s. Handbuch d. Arch. 2. Theil,
2. Bd. 1885, S. 116) und werden noch heute von den
Ziegelrien da verwendet, wo es sich um Herstellung
leichter und poröser Steine, in die sich natürlich Nägel
und Schrauben leicht eintreiben lassen, handelt (s. Hand-
buch d. Arch. I. Th., i. Bd. 1883, S. 73 und 89). Aus den
angeführten Quellen ist weiter noch zu entnehmen, dass,
was jedem, der den neuen Dübelstein sieht, sofort Idar
wird, die Festigkeit dieses Steines nur eine sehr geringe
sein kann. Nägel, Schrauben usw., die in den Stein ein-
getrieben werden, führen infolge der zwischen Nagel und
Stein auftretenden mahlenden Wirkung einen Substanz-
verlusl des Steines herbei, sodass von einem soliden
Festsilzen der Nägel usw., wie dies beim Holze unbe-
dingt der Fall ist, nicht mehr gesprochen werden kann.
Die grosse Billigkeit, die dem neuen Dübelstein nachge-
rühmt wird, vermag die grossen Nachtheile der Neuerung
also keineswegs aufzuwiegen. —
■ Ed. Walter, Arch. z. Z. in Homburg v. d. H.
Preisbewerbuagen.
Wettbewerb Rathhaus Nienburg. Der Magistrat macht
bekannt, dass die Kosten für die Unterlagen im Betrage
von 5 M. den Bewerbern zurückgezahlt werden, welche
einen Entwurf bedingungsgemäss einreichten., —
Wettbewerb Oberrealschule Teplitz - Schönau. Unter
55 Entwürfen erhielt den I. Preis der des Hrn. Bürger
in Chemnitz; den II. Preis der der Hrn. Streit und Sowa,
und den III. Preis der des Hrn. Unger, letztere in Wien. —
Wettbewerb Festhalle Siegen. Verfasser des für 300 M.
angekauften Entwurfes „Lotto“ ist Hr. Arch. Max Adolph
in Düsseldorf. —
Personal-Nachrichten.
Preussen. Dem Stadtbmstr. Lü decke in Duisburg ist der
kgl. Kronen-Ordeii IV. Kl. verliehen.
Die Erlaubniss zur Annahme und Anlegung der ihnen verlieh,
fremdländ. Orden ist ertheilt und zw.: dem Ob,- und Geh. Brth.
Neumann in Breslau des Offizierkreuzes des kgl. sächs. Albrecht-
Ordeus; dem Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Zschirnt in Frankfurt
a. M. des Ritterkreuzes I. Kl. des grossherz. hess. Verdienst-Ordens
Philipp des Grossmüthigen; dem Ob.-Brth. Jungbecker in Köln
a. Rh. des kais. russ. St. Stanislaus-Ordens II. Kl.
Der Geh. Brth. u. vortr. Rath Wolff im. Min. der öffentl.
Arb. ist zum Geh. Ob.-Brth., der Reg.-Bmstr. Classe in Neu-
steltin zum Ge-w.’-Insp. ernannt.
Die Reg.-Bfhr. Gust. Riess aus Berlin, Aug. Verlohr aus
Winkhausen, Ad, Schmidt aus Fiddicho-w, Heinr. Schmieden
aus Berlin, Ernst Seehausen aus Korbach, Friedr. Mohr aus
Köln a. Rh., Leop. Salingre und Wolfgang Siemeriug aus
Berlin (Hochbfch.), — Karl Sunkel aus Hünfeld u. Fritz Schmidt
aus Niederbronn (Wasser- u. Strassenbfch.), — Ad. Scheid aus
Driedorf und Paul Böttge aus Magdeburg (Masch.-Bfch.) sind zu
Reg.-Bmstrn. ernannt.
Den Reg.-Bmstrn. Gg. N 0 a c k in Gütersloh und Karl K u t n e r
in Berlin ist die nachges. Entlass, aus dem Staatsdienst ertheilt.
Der Geh. Brth. Sättig in Erfurt, der Eisenb.-Dir. Melcher
in Breslau, der Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp Marx in Angerburg
und der Ziviling. Adalb. Unna in Köln a. Rh. sind gestorben.
Sachsen. Dem Brth. Hunte in Dresden ist der Tit. und
Rang als Fin.- u. Brth. in der i. Gruppe der IV. Kl. der Hofrang-
ordnung verliehen.
labalt : Die Architektur auf der Grossen Berliner Kunstausstellung
1902 (Schluss). — Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin
von Siemens & Halske. — Mittheilungen ans Vereinen. — Vermischtes. —
Preisbewerbungen. — Personal-Nachrichten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G.,.m..b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
- No. 43.
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
JkBERLIN ^
ajatatsratafsrajatasa?
ata?atasata?atafatatatafrasat
AUZEITUNG.
GANG. * * N2; 44. Hi
DEN 31. MAI 1902. Hi
««atatafatatatatasatafatae
Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von Siemens & Halske.
Pfeiler an der Proben - Strasse.
Archit: Prof. A. Grenander.
(Hierzu die Abbildungen S. a8o n. aSi.)
VII. Die künstlerische Ausbildung. (Fortsetzung.)
it zwei verschiedenen Mo-
menten ist bei der künst-
lerischen Ausbildung der
elektrischen Hoch- und
Untergrundbahn zu rech-
nen: einmal mit dem künst-
lerischen Einfluss des Ar-
chitekten auf die formale
Ausbildung derreinenKon-
struktion, und zum anderen
mit dem durch den Archi-
tekten gegebenen schmück-
endenBeiwerk der Viadukt-
Strecken wie der Bahnhöfe.
Welchen Einfluss beide Mo-
mente auf die Erscheinung
des Bauwerkes ausüben,
zeigt deutlich ein Vergleich
der östlichen mit der west-
lichen Strecke. Die formale
Ausbildung der ersteren
Strecke lässt erkennen, dass
sie in der Hauptsache unter
dem Einflüsse des rech-
nerischen Material - Mini-
mums entstanden ist und
dass erst, als diese Strecke
sich in der Erscheinung
etwas zu sehr den engli-
schen und amerikanischen
Hochbahnen näherte, der
Architekt zur künstleri-
schen Mitarbeit angerufen
wurde. Herrschte bis da-
hin in der östlichen Strecke
das starre Konstruktions-
prinzip, welches Konstruk-
tionsungethüme wie z. B.
die beiden Viaduktportale
am Sedan-Ufer und ande-
res hervorgebracht hat, was
sich auf der westlichen
Strecke mit Ausnahme eini-
ger Bildungen am Bahnhof
NoIIendorfplatz nicht mehr
oder doch nur da wieder-
holt, wo die Eigenschaften
der Oertlichkeit keine be-
sondere Rücksichtnahme
auf die Formengebung ver-
langten, so wurde auf die-
ser Strecke der Ingenieur,
wie es einer der hervor-
ragenden Mitarbeiter des
grossen Werkes, Reg.-
ßmstr. B o u s s e t ausdrückt,
„wo er zu grausam vor-
ging, vom Architekten zu
sanfteren Umgangsformen
gezwungen". Andererseits ist festzustellen, „dass die
Architekten mit bewusster Absicht den Konstruktions-
Ideen der Ingenieure folgten und diese Ideen eher
noch schärfer zu betonen suchten, als sie zu ver-
decken. Und zuweilen standen die Architekten im
ersten Augenblick ablehnend vor ungewöhnlichen lu-
genieurformen, mit denen sie sich später gern ab-
fanden". Aus dieser interessanten Darstellung des
gegenseitigen Arbeits- und Einflussverhältnisses der
beiden in ihren Grundprinzipien verwandten, im Laufe
der Zeit aber mehr als erwünscht auseinander ge-
kommenen Gebiete lassen sich leicht die Gründe für
die frische und neue Erscheinung der Bauten der
Hochbahn erkennen. Mustergiltig ist die elegante Er-
scheinung der Hochbahn - Viaduktstrecke zwischen
Potsdamerstrasse und NoIIendorfplatz. Sowohl die
konstruktiven Anordnungen wie der künstlerische
Schmuck zeigen eine so neue und eigenartige Schön-
heit, ^ dass dieser Theil des Werkes eine dauernde
Bereicherung des Formenschatzes unserer Nützlich-
keitsbauten bildet. Die örtlichenVerhältnisse der breiten
Mittelpromenade erlaubten es, die Fusspunkte der
Stützen hinauszurücken und die Stützen schräg zu
stellen. Dadurch wurde der Eindruck der Stand-
sicherheit verstärkt und zugleich der Konstruktion die
Starrheit der rechtwinkligen Bildungen genommen. In
der Längsrichtung führt eine schön geschwungene
Bogenlinie den Horizontalträger in die Stütze über;
Bogenlinien von schönem Schwung sind auch an den
übrigen Theilen der Konstruktion die vermittelnden
Elemente. Durch die Anwendung der geschwungenen
Linie erhält die Konstruktion eine so neue und über-
zeugende Schönheit, dass sie ohne Zweifel zum Vorbild
für spätere Bauwerke werden dürfte. Und wenn es ge-
lingt auch die, dieKonstruktion herstellendenWerke dazu
zu bringen, auf die kleinen Einzelheiten zu achten, so-
dass nicht ein Querflansch da, wo er rechnerisch nicht
mehr nöthig ist, plötzlich und unvermittelt aufhört,
sondern als begleitende Linie bis zu einem natürlichen
Endigungspunkt weiter geführt wird, dann dürfte eine
Vollkommenheit der Erscheinung erreicht werden
können, welche nicht nur weitgehende künstlerische
Wünsche zum Schweigen bringt, sondern welche auch
zu der Anerkennung zwingt, dass das Hochbauwesen
durch die Ingenieure eine werthvolle Bereicherung
seiner Erscheinungsformen erfahren hat.
Zu diesen in der reinen Konstruktion liegenden
künstlerischen Momenten treten nun noch die rein
^hmückenden Zuthaten, deren Bestimmung es ist,
Härten zu verdecken, Uebergänge geschmeidiger zu
machen, und es ist erstaunlich, wahrzunehmen, mit wie
wenigen und einfachen Mitteln es möglich ist, harten
Bildung^ ein völlig verändertes Aussehen zu verleihen.
Was Alfred Grenander, Bruno Möhring und Paul
Wittig in der Ersinnung charakteristischer und
anspruchsloser Zuthaten geleistet haben, ist aus unse-
ren Abbildungen zu erkennen und über alles Lob erha-
ben. Eine runde oder eckige Volute, eine geschwungene
Verzierung, ein Band, ein an den Ecken charakteristisch
aufgebogener Eisenstab, das sind die einfachen Schmuck-
mittel, die mit grösster künstlerischer Sicherheit zur
Verwendung gelangten. In diesen bescheideneren
Arbeiten scheint uns das Hauptverdienst der
architektonischen Ausschmückung der Hoch-
bahn zu liegen, denn sie nur machen es unter
der nothwendigen Berücksichtigung der wirth-
schaftlichen Lage möglich, ein Ingenieurwerk
von grosser Ausdehnung aus dem Charakter
des reinen Nutzbaues überzuleiten in den mit
idealen Forderungen ausgestatteten Charak-
ter des Kunstbaues.
GrössereAufwendungen wurden auf derwestlichen
und auf einem Theile der östlichen Strecke an den
277
Stellen gemacht, an welchen Strasseiizüge den 'Zug
der Hochbahn kreuzen. - Hier schliesst nicht nur ein
reicheres Gitterwerk die seitlichen Gehwege des Bahn-
körpers ab und verdeckt die hier nicht zu umgehen-
den, nicht eben schönen konstruktiven Bildungen der
grösseren Spannweiten, sondern es treten zu dem Eisen-
werk als markante Begrenzungspunkte der Zwischen-
Viaduktstrecken schwere Steinpfeiler mit obelisken-
artigen Endigungen von frischer und neuer Erfindung.
Wir geben in unseren Abbildungen einige dieser höchst
anziehenden Bildungen nach Entwürfen von Bruno
Möhring, Alfr. GrenanderundCremer &Wolff en-
stein wieder. In diesen interessanten Werken feiert
der „ästhetische Ueberfluss“ einen völligen Sieg über
den rein wirthschaftlichen Standpunkt.
In gleichem Maasse ist das der Fall bei einzelnen
Bahnhöfen oder Haltestellen, wie sie von der Verwaltung
genannt werden. Die Hoch- und Untergrundbahn hat
imganzen lo Zwischenstationen, von welchen die
Haltestellen „Kottbuser Thor“, „Oranien - Strasse“,
„Prinzen-Strasse“, „Möckern-Brücke“ und „Hallesches
Thor“ nach einer Normalie ausgeführt sind. Von ihnen
allerdings wurde mit Ausnahme der Haltestelle „Halle-
sches Thor“ der veredelnde Einfluss der Kunst fernge-
halten. Sie sind schlauchartige Bildungen mit senk-
rechten Glaswänden und gewölbtemWellblechdach, ohne
allen Anspruch, sich der architektonischenUmgebung an-
zupassen, ein Umstand, der besonders bei der Haltestelle
„Möckern-Brücke“ (Jahrg. 1901 S. 596) empfunden wird
und den Wunsch auslöst, es hätten die künstlerischen
Mittel, die zum Schmucke der benachbarten Hoch-
bahnbrücke über den Landwehrkanal verwendet wur-
den und die, fortdauernd dem Rauch der Lokomotiven
der Anhälter Bahrt aüsgesetzf, bald ihre Wirkung
versagen dürften, zur Ausschmückung dieses Bahn-
hofes verwendet werden sollen. Indessen ist hier die
Verwaltung nicht ganz unabhängig gewesen. — Eine
infolge der geringen Mittel nur bescheidene architekto-
nische Ausbildung ist durch Hrn. Reg.-Bmstr. Necker
für den Bahnhof „Stralauer-Thor“ versucht (s. Jahrg.
1901 3.596). Da indessen der Bahnhof eine unmittel-
bare Fortsetzung der in reichem märkisch-gothischem
Ba'cksleinstil gehaltenen Oberbaumbrücke ist, so ist,
namentlich auch im Hinblick auf die baldige Fort-
setzung der Bahn über -diesen vorläufigen 'Endpunkt
hinaus anzunehmen, dass der hier errichtete Bahnhof
nicht das letzte Wort der Verwaltung ist.
Mit erheblichem Aufwande hat der Bahnhof
„Schlesisches Thor“ durch Grisebach & Dinklage
eine ansprechende, durch die Eigenartigkeit der ört-
lichen Verhältnisse lebhaft gruppirte künstlerische Ge-
stalt erhalten (s. S. 269). Die Bahn überschreitet unter
•spitzem Winkel einen langgestreckten Platz, dessen
bescheidene Grössen Verhältnisse im Grundriss zu
-äusserster Ausnutzung der Fläche veranlassten und
so die merkwürdigen Verschneidungen und Ausbauten
•hervorriefen. Der Bau ist ein Werksteinbau mit Back-
steinfläche und ist in der gothisirenden Frührenaissance
gehalten, welche den zahlreichen Bauten der Firma
ihr charakteristisches Gepräge verleiht. Soweit die
Räume im Erdgeschoss nicht durch den Bahnbetrieb
in Anspruch genommen werden, sind sie Läden und
Restaurationslokale. Nur einzelne Theile der Anlage
sind zur Gewinnung eines schönen malerischen Bildes
über das Erdgeschoss hinausgeführt. —
(Schluss folgt)
Von der Industrie- und Kunstausstellung ii
III. Konstruktion und Einrichtung einiger Aus-
stellungsbauten. (Fortsetzungaus No. 38.)
b. Die Haupt-Industriehalle, die Festhalle (Haupt-
Bierrestaurant) und das Haupt-Weinrestaurant.
usser der bereits beschriebenen Maschinenhalle, der
Licht- und Kraftzentrale für das ganze Ausstellungs-
gebiet und gleichzeitig Ausstellungshalle für die
Gruppen IV und V, Maschinenwesen und Elektrotechnik,
sind von der Ausstellungs-Verwaltung selbst die Haupt-
Industriehalle nebst ihren 3 Erweiterungsbauten,, sowie das
gleichzeitig als Festhalle dienende Haupt-Bierrestaurant,
wie auch das Haupt- Weinrestaurant ausgeführt worden.
Die Industriehalle, welche von den 23 Aussteilungs-
gruppen (vergl. den Lageplan mit der Gruppenangabe auf
S. 164), mit Ausnahme des Gartenbaues und des Maschinen-
wesens, im Verein mit den nothwendig gewordenen Er-
weiterungsbauten Gegenstände sämmtlicher Ausstellungs-
gruppen in sich aufnimmt, ist naturgemäss das bedeutendste
aller Ausstellungsgebäude und nimmt dementsprechend
einen hervorragenden Platz in der Mitte des Ausstellungs-
gebietes ein. Leider hat die Kostenfrage bei der Ausge-
staltung dieses Gebäudes, das, den stetig wachsenden An-
sprüchen an Ausstellungsfläche entsprechend, weit über
das ursprünglich geplante Maass hat ausgedehnt werden
müssen, eine sehr Ausschlag gebende Rolle gespielt, so-
dass der ursprüngliche Thieien’sche Entwurf hat arg be-
schnitten werden müssen und zur Belebung der über
400“ langen, dem Rheine zugekehrten Front schliesslich
im wesentlichen nur ein reicher, von einer Kuppel be-
krönter und von Thürmchen flankirter Mittelbau hat aus-
geführt werden können.
Wie der Grundriss, Abbildg. 6 (S. 283) zeigt, besteht die
Industriehalle, welche eine Grundfläche von 28000 qm be-
deckt, aus einem Mittelbau, dessen Kuppel sich bis zu
67 m Höhe erhebt und der mit seinen Anbauten haupt-
sächlich als Repräsentationsraum dient. Daran schliessen
sich, mit ihren Axen einen stumpfen Winkel bildend, je
170 m lange Seitenhallen von rd. 21 “ Höhe und 15,9 “
Weite an, denen noch ein niedrigerer, mit Pultdach über-
deckter Raum von 7 “ Breite vorgelagert ist. Hinter die-
ser hohen Halle liegen niedrige Querhallen mit Sattel-
dächern von 15,5 m bezw. 13,8 “ Stützweite und einer
solchen Tiefe, dass für den grösseren Theil des Gebäudes
eine Gesammtbreite von rd. 72 m entsteht. Die gesammte
überdeckte Grundfläche stellt sich danach auf über
27 000 qm, wovon etwa 1400 qm auf den Mittelbau entfallen,
während der Re.st für Ausstellungszwecke verbleibt. Ein-
schliesslich der beiden getrennt ausgeführten Erweiterungs-
278
i Düsseldorf 1902. (Hierzu die Abbildungen S. 283.)
bauten (reine .Nutzbauten) von je 3400 qm Grundfläche
werden etwa 35 000 qm Fläche von der Ausstellungs-Ver-
waltung geboten (gegenüber 24 000 qm der ursprünglichen
Annahme).
Abgesehen von dem in Eisen hergestellten Mittelbau,
von dem wir in Abbildg. 4 S. 245 ein Bild während der
Montage wiedergegeben haben, ist vorwiegend Holz als Bau-
material sowohl für die niedrigen Quer- wie für die hohen
LängshaJlen zur Anwendung gekommen. In Abbildg. 7,
8 und 9 (S. 283) sind diese Konstruktionen dargestellt. Die
Binder der Haupthallen haben die für Holzkonstruktion un-
gewöhnlich grosse Entfernung von 7,4“. Die hohen, stark
belasteten Stützen konnten daher nicht mehr in Holz her-
gestellt werden. Sie sind als Fachwerksträger ausgebildet,
deren Gurte und Horizontalen aus 3C-Eisen hergestellt
sind, während die Diagonalen aus Holz mit beiderseits
aufgelegten Flacheisen bestehen. Das Holz hat dabei die
nöthige Knickfestigkeit abzugeben. Die Gründung ist, wie
schon einleitend erwähnt wurde, derart erfolgt, dass Beton-
klötze, in welche die Stützenfüsse eingebettetsind, dieEigen-
last, dagegen bis zum gewachsenen Boden herabgeführte und
mit den Stützenfüssen fest verbundene Pfähle die Windlast
aufzunehmen haben. In den Dachbindern, die als eine
Verbindung von Hänge- und Sprengwerk ausgebildet sind,
ist nur die Zugstange aus Eisen hergestellt, ebenso wie
die Zugstangen der die Stützen verbindenden Längsträger,
welche unter den die Halle beleuchtenden grossen Fenstern
der Längswände liegen. Die Dachpfetten sind sowohl in
lothrechter wie in wagrechter Ebene mit Kopfbändern aus-
gestattet, ausserdem sind an den Hallenenden noch einige
besondere Windstreben eingelegt.
Die Konstruktion der mit Oberlicht erleuchteten hin-
teren, niedrigen Hallen geht aus Abbildg. 9 hervor. Auch
hier sind die Dachbinder als kombinirte Hänge- und Spreng-
werke ausgebildet. Die Zwischenstützen sind hier aus
Holzpfosten, die Endständer der einzelnen Hallenbauten
dagegen in vorbeschriebener Weise hergestellt.
Die Mittelhalle besitzt einen Sseitigen Grundriss (aber
von verschiedener Seitenlänge) von 29 m Weite in der
Richtung der beiden Hauptaxen. Daran schliessen sich
noch 4, ira Grundriss rechteckige Vorhallen von je 7,50m
Tiefe und an der vorderen Eintrittshalle beiderseits noch
Thürmchen an , die sich bis zu einer Höhe von 38 “ er-
heben und durch einen Gang mit dem Obergeschoss der
Vorhalle verbunden sind. Wie die schon erwähnte Abbil-
dung auf S. 245 erkennen lässt, besteht der Kuppelbau
aus einem dem 8 eckigen Grundriss entsprechenden Unter-
bau von 25 m Höhe, über welchem sich die Kuppel in
16 m Höhe bis zum Fussring der Laterne wölbt. Letztere
No. 44.
hat einschl. des oberen Aufsatzes wiederum lö“ Höhe. . Die Festhalle ist in den Abbildgn. 10—13 im Grundriss,
Die Kuppel ist durch einen mittleren Ring in 2 Zonen Längsschnitt und 2 Querschnitten dargestellt. Sie besteht
getheilt. Die Kuppelform und auch die äussere Umgrenzung aus einem als Konzertsaal dienenden Hauptraum von 20,46“»
derLaterne sowie des Daches derThürmchen werden durch Lichtweite bei 49)56® Länge mit 13,5® Scheitelhöhe der
Holzsparren und Pfetten hergestellt, auf denen Schalung gewölbten, die Dachkonstruktion verhüllenden Drahtputz-
aüfgebracht ist. Die Kuppel besitzt ein inneres Rabitz- Decke. Am Kopfende schliesst sich die Orchesternische von
gewölbe, das in rd. 26“ Höhe über dem Fussboden mit 9,60“ Tiefe an, der noch ein breites Podium im Saale
einem farbigen Oberlicht von rd. 13 ® Durchmesser ab- vorgelegt ist. Pfeilerstellungen trennen am anderen Saal-
schliessf und an dem oberen Kuppelring aufgehängt, bezw. ende einen Theil von 15 “ Tiefe ab, an weichen sich seit-
auf den unteren abgestützt ist. lieh 7,5 ® tiefe niedrigere Säle anschliessen, die sich vom
Der Entwurf und die Berechnung der Konstruktion, des Häuptsaale durch 4 m hohe Abschlusswände trennen lassen.
Hauptgebäudes rühren von Hrn. Ing. O. Leitholf-Berlin, Der Hauptsaal mit Orchester bietet etwa 1250 q® Grund-
Abbiidg. 10 — 13.
Festhalle und Haupt^Bierrestaurant.
Entwurf und Berechnung der Konstruktion von Ingenieur O. Leitholf in
Berlin, ^ — Ausführung von Boswau & Knauer in Berlin-Köln a. Rh,
her. Die Eisenkonstruktion des Kuppelbaues ist von der
Firma Hein, Lehmann & Cie. in Düsseldorf-Oberbilk aus-
geführt, während die Firma Boswau & Knauer-Berlin,
Filiale in Köln, die Aufstellung, Vorhaltung und Wieder-
beseitigung des ganzen Gebäudes in Generalunternehmung
übernommen hat. Die Kosten, einschl, der beiden Er-
weiterungsbauten, waren auf 1,2 Mill. -M. veranschlagt.
fläche. Bei Konzerten finden etwa
2000 Personen in den Räumen Sitz-
plätze.
Av Am Kopfende ist dem Gebäude
1 \ Vestibül mit Treppenthürnlchen,
\ \ welche die zu einer Empore führen-
X \ den Treppen enthalten, nebst Gafde-
\ \ ■ \ fobenräuraen und Toiletten vorgela-
, . • ~l-|- --.I An .der einen Langseite schlieS;
•n. sen sich Wirthschaftsräume von 20
■''j ' J I r zu 16 m Grundfläche an , während
! / ’/ breite, an den Seiten offene Hallen
/ U den Rest des Gebäudes umziehen.
I / Für den Wirthschaftsbetrieb sind
/ grössere Küchen und die nothwen-
\ digen Keller vorgesehen. Im übrigen
ist das Hauptgebäude nicht nnter-
kellert. Die Gesammtfläche des Ge-
■■ bäudesbedeckt28oo<i“». DieKonstruk-
tion geht aus den beiden Schnitten
hervor. Das Hauptdach (vergl. Schnitt J.—B) erhebt sich
mit dem First bis zu 21 “» Höhe bei 21 “ Stützweite. Die
in 5® Entfernung liegenden Binder sind bis auf die
Anordnung eiserner Zugstangen ganz in Holz konstrulrt.
Die Stützen zeigen dagegen dieselbe Konstruktion wie bei
der Industriehalle. Abweichend hiervon sind, wie Schnitt
C— ZJ zeigt,, im vorderen Theile des Hauptsaales, über
31. Mal 1902.
279
welchem sich an das Hauptlängsdach noch 2 hohe Quer-
dächer anschliessen, zwei portalartige, in Eisen konstruirte
Binder eingelegt. Auch in der Giebelwand zwischen
Vestibül und Hauptsaal und an anderen Stellen, wo
grössere Wandöffnungen zu überdecken sind, ist das
Eisen als Verstärkung der Holzkonstruktionen zu Hilfe
genommen. Entwurf und Berechnung der Konstruktion
rühren ebenfalls von Ing. 0. Leitholf her, die Ausführung
von Boswau 8c Knauer. Die Kosten stellten sich auf
iioooo M.
Das Haupt Weinrestaurant, 1900^“ Grundfläche, wird
in den Abbildgn. 14—16 in Grundriss (mit eingezeichneter
Dachzerfallung), Längsschnitt und Querschnitt vorgeführt.
Den Kern der Anlage bildet ein grosser Speisesaal von 26,5 m
Länge bei 15,7m Breite, also von rd. 420 q® Grundfläche
nutzen lässt. Hinter dem Restaurationsgebäude, nach dem
Hauptwege der Ausstellung zu, sind die ausgedehnten
Wirthschaftsräume, sowie der Eingang zum Ilauptsaal mit
geräumigem Vestibül, Garderobe, Toiletten in niedrigeren
Anbauten untergebracht. Nach der Rheinseite zu schliesst
sich ein breiter offener Altan an, während das Halbrund
des einen Kopfendes von seitlich offenen Hallen umzogen
wird. Die Haupträume sind nicht unterkellert, dagegen
die Wirthschaftsräume und der Altan an der Rheinseite,
sodass bedeutende Kellereien für den Wirthschaftsbetrieb,
bezw. für die Sektkellerei nebst Probirstube von Deinhardt
& Co. gewonnen wurden.
Die in 3,85® Entfernung liegenden, 15,7“ weit ge
spannten Dachbinder sind ganz in Holz konstruirt, auch
die als Fachwerk ausgebildeten Stützen. Eiserne Walz-
Bahnhof „Bülowstrasse*. Architekt: Bruno Möhring in Berlin.
Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von Siemens & Halske.
und 9® Höhe. An denselben schliesst sich ein zweiter Saal träger sind dagegen für die Unterzüge der Kellerdecken
für den übrigen Restaurationsbetrieb von gleicher Breite verwendet. Die Gründung entspricht der schon geschil-
aber nur 8® Höhe an, der halbkreisförmig abgeschlossen derten Ausführung bei der Industriehalle. Der Entwurf
ist und rd. 250 q® Fläche bietet. Nach der Rheinseite der Konstruktion erfolgte im Baubureau der Ausstellung,
zu lagert sich noch ein niedrigerer, zweigeschossiger Vor- Die Kosten haben rd. 85000 M. betragen. —
bau vor, der sich von den übrigen Räumen getrennt be- (Schluss ioigi.)
MittheiluQgen aus Vereinen.
Mecklenburgischer Arch.» u. Ing.-Vereln. In der Ver-
sammlung zu Schwerin am 12. April d. J. hielt der als
Gast anwesende Hr. Bergrath Nettekoven einen mehr
als zweistündigen, durch Vorlegung vieler Zeichnungen
und Modelle erläuterten Vortrag über das im Jahre 1M8
von einer Aktien-Gesellschaft unter seiner Leitung in An-
griff genommene Kali-Bergwerk Jessenitz und die
damit verbundenen Fabrikanlagen, welches unweit
des Fleckens Lübtheen im südwestlichen Mecklenburg auf
einem von Südost nach Nordwest streichenden, verhält-
nissmässig nahe unter der Erdoberfläche liegenden Stein-
salzrücken an der Mecklenburgischen Siaatsbahn liegt.
No. 44.
280
Der Vortragende schilderte in eingehendster Weise die
technischen Vornahmen, mittels deren es schliesslich ge-
lungen sei, die entgegen getretenen Bauschwierigkeiten
der Abteufung des Schachtes zu überwinden, und die
vor kurzem nunmehr in Betrieb gekommene Förderung
des Rohmateriales aus etwas über 600 m Tiefe in völlig
gesichertem und ununterbrochenem Arbeitsgange zu be-
werkstelligen. Der geförderte Carnellit enthalte 14—17 %
Chlorkali, zu dessen Gewinnung in reinem Zustande die
Fabrikanlage auf die Verarbeitung von täglich 5000 Ztr.
Rohsalz eingerichtet worden sei. Dem Redner, welcher
einen Sonderabdruck aus dem demnächst erscheinenden
Werke „Deutschlands Kali-Industrie“ mit den auf die An-
lage und deren Bau bezüglichen Einzelheiten zur Ver-
theilung brachte, zollte die Versammlung wohlverdienten
Dank, um so mehr, als mit der bevorstehenden Sommer-
Versammlung noch die Besichtigung des Bergwerkes an
Ort und Stelle verknüpft werden wird.
Die, Versammlung zu Schwerin am, io.„,Mai erledigte.
Geschäftsangelegenheiten, insbesondere die Zuschriften
des Verbands-Vorstandes wegen Verbreitung der Denk-
schrift über die Stellung der höheren städtischen Baube-
amten unter den Mitgliedern der inbetracht kommenden
städtischen Körperschaften und wegen der Herausgabe
des Werkes über das deutsche Bauernhaus, nachdem sie
zuvor des am 30. April im rüstigsten Mannesalter ver-
storbenen Mitgliedes, grossh. Eisenb.-Betr.-Dir. Albrecht,
welcher - dem Verein seit seiner Gründung angehörte,
ehrend gedacht hatte. Sodann genehmigte die Versamm-
lung mit geringen Aenderungen den von den Hrn. Henne-
mann, Hübbe und Wohlbrück ausgearbeiteten Vor-
schlag zur Aeusserung des Vereines über die Stellung der
Techniker zu der Frage über die Beschaffung billiger
Wohnungen. Schliesslich wurde als Richtschnur für den
zur Feststellung des Sonderprogrammes der Sommer-
Versammlung aus den Hrn. Hamann und Brüssow
(Schwerin) und Klett und Voth (Ludwigslust) gebildeten
Ausschuss beschlossen, am 15. Juni in Pritzier zusammen-
zutreffen, von dort aus in Wagen nach dem Bergwerk
Jessenitz und nach der Besichtigung desselben ebenso
wieder zurückzufahren und die geschäftliche Versammlung
dann Abends in Ludwigslust zu halten. — H.
Pfälzische Kreisgesellschaft des bayer. Architekten- und
Ingenieur-Vereins. Am ii. Mai 1902 fand in Speyer die
59. Versammlung des Vereins statt. Um ii Uhr trat man
einen Gang durch die Stadt' zur Besichtigung ihrer hoch-
interessanten Bauten an. Zunächst wurde unter Führung
des Hrn. Bahnhofverw. Heuser das Judenbad — der
Rest einer Synagoge in romanischem Stile — besichtigt.
Alsdann übernahm Hr. k. Bauamtmann Baer die Führung
zu den im Rohbau vollendeten staatlichen Neubauten des
Gymnasiums und Kreis-Arehivs, welche durch ihre schönen
Fornien allgemeinen Beifall fanden. Der hieran sich an-
schliessende Besuch des Domes bot der Versammlung
Gelegenheit, die zi Z. im Gange befindlichen Ausgrabun-
gen der Kaisergräber im Königs-Chore, bezw. die ge-
plante Ausführung einer Kaisergruft in Augenschein zu
nehmen. Von dieser altehrwürdigen Grabstätte der Kaiser
begab man sich wieder zu den Bauten der Neuzeit, und
zwar zunächst zu dem Ende 1901 fertig gestellten, von
Hrn. Arch. Schöberl in Speyer entworfenen Gebäude
des Oberpostamtes. Die im Barockstile, massiv in
Sandstein mit formvollendeten Stein- und Bildhauer-Ar-
beiten grossartig angelegten Fassaden gaben ein stattliches
Bild des äusseren Baues, während andererseits die Schalter-
halle, sowie das höchst bequem angelegte Stiegenhaus den
neuesten Anforderungen entsprechen. Den Schluss des Um-
ganges bildete die Besichtigung der vonFlügge und N o r d t -
mann entworfenen Protestationskirche, in welcher
„die. Ve.rsammlung .von dem um. diesen Bau. so hochver-
dienten Hrn. Prof. Gümbel empfangen und belehrt wurde.
Der sechseckige, loöm hoch geplante Thurm, welcher in
seinem Untergeschosse eine Gedächtnisshalle bildet, ist
bis zu einer Höhe von 37 m fertig gestellt, während die
eigentliche Kirche — ein kurzes Langhaus mit Quer-
schiffen und Chor — ganz unter Dach gebracht ist. Die
in gothischem Stile erbaute Kirche zeigt die formvollen-
detsten Ausführungen, wie auch die Glasgemälde der'
Fenster die grösste Bewunderung erregten. Es wäre nur.
zu wünschen, dass die Mittel zur Vollendung dieses herr-'
liehen Baues reicher flössen, damit die Fertigstellung des-
selben nicht so weit hinausgerückt würde.
Um 1V3 Uhr versammelte man sich im Saale der
Harmonie-Gesellschaft zur Behandlung des geschäftlichen.
Theils. Wegen Erkrankung des ersten Vorsitzenden, Ob.-
Ing. Jolas, wurde die Sitzung durch den zweiten Vorsitzen-
den, Hrn. k. Bauamtmann Frauenholz, geleitet. Nach
dem Berichte desselben über das Vereinsjahr 1901 erfolgte
durch den Rechner die Rechnungsablage für 1901, sowie
die Vorlage des Voranschlages für 1902. Demnächst schritt
man zur Ergänzungswahl für zwei satzungsgemäss aus-
scheidende Vorstandsmitglieder, als welche Hr. Direktions-
Rath Müller-Ludwigshafen und Hr. k. Bauamtmann Baer-
Speyer gewählt wurden.
Inbetreff des vom Verein herausgegebenen Und ira
Selbstverläge desselben erschienenen Sammelwerkes „Die
Baudenkmale in der Pfalz“ wurde berichtet, dass fast die
Hälfte sämmtlicherLieferungen in neuer Auflage erschienen
ist und auch in diesem Jahre wieder mehrere Lieferungen
neu gedruckt werden müssen — ein Beweis, dass dieses
hochinteressante Werk stark begehrt ist. Dasselbe ist in
5 Bänden mit 27 Lieferungen erschienen und kostet 40 M.;
einzelne Lieferungen werden zu 2 M. abgegeben.
Zur Stuttgarter Theaterfrage.
er Brand und die Zerstörung des Hoftheaters in
Stuttgart haben in der schwäbischen Residenz
Theaterfragen hervorgerufen, welche über die Gren-
zen der Stadt hinaus Bedeutung erlangt haben und um
so eingehender erörtert werden können, als ein nach dem
Entwürfe der Architekten Eisenlohr &Weigle in Stutt-
gart zur Errichtung gelangendes Interimstheater den drin-
gendsten Theaterbedürfnissen . so lange genügt, bis die
Bevölkerung sich wieder geordneter, den modernen An-
sprüchen an die Bühnenkunst vollauf Rechnung tragender
■Verhältnisse erfreut. Bald nach der Katastrophe, die das
alte, seinen vielseitigen Zwecken in recht ungenügender
Weise entsprechende Haus heimsüchte, begannen die Be-
rathungen über die Neugestaltung der Theaterverhältnisse
und über die Stelle, an welcher in Zukunft die Bühnen-
kunst ihren Sitz aufschlagen könnte. Dabei ergaben sich
zwei grundsätzlich widersprechende Strömungen. Die
einen wollten ein neues Haus für Oper und' Drama -an-
der Stelle des alten Hoftheaters errichtet wissen, eine
Strömung, welche ihre Stütze hauptsächlich in der günsti-
gen, dem Schloss unmittelbar benachbarten Lage der Bau-
stelle erblickte, während eine andere Strömung, gestärkt
durch gute Gründe des Theaterbetriebes, die Errichtung
zweier Häuser, eines kleineren für das Drama, eines
grösseren für die Oper anstrebt. Hierfür wäre, wie man
meint, der Platz des alten Theaters zu klein und man müsste
eine andere Baustelle ins Auge fassen. In dem Widerstreit
der Meinungen griff man zu dem Auskunftsmittel der Be-
fragung von Sachverständigen. Der Architekt Heinrich
Seeling in Berlin und der Architekt Prof. Max Litt^
mann in München sprachen sich mit aller Entschieden-
heit für eine Trennung des Dramas von der Oper aus
und befür-worteten unabhängig yoaeinander die -Er^^
zweier Theater, eines Theaters für das Drama mit 800 bis
283. ..
1000 Sitzplätzen, und eines Hauses für die Oper für 1600
bis. 1800 Sitzplätze, jedoch nicht in der Gesammtanlage
getrennt, sondern zur Ersparniss im technischen Betriebe
als Doppeltheater räumlich unter einem Dache vereinigt.
Was bei diesen Vorschlägen in erster Linie interessirt,
das ist die mit Nachdruck behauptete Nothwendigkeit
einer Trennung der Fächer, welcher sich neben den
Architekten auch die Bühnenpraktiker, und zwar sowohl
Bühnenleiter wie Darsteller anschliessen und die gleich-
massig in der Entwicklung des Dramas unserer Tage wie
auch der der Opernmusik begründet ist. Das Drama ist mehr
und mehr Stimmungsdrama geworden; die zunehmende
Verinnerlichung der Darstellung, die Blosslegung der Seelen-
vorgänge, das entschiedenere Zurückgreifen auf die Natur
haben ein Drama geschaffen, welches den Beschauer in
anderer Weise als sonst in seinen Bann schlägt. Waren
es früher, bei zahlreichen Stücken unserer Klassiker, das
edle Pathos, der schöne Fluss der Rede, an welchen sich
der Zuschauer als an einer schönen Form erfreute,
so -geht' das' moderne Drama- mehr auf- unmittelbare
Seelenwirkung und Gemütsbewegung, und mit dem
zunehmenden gewählten oder krassen Naturalismus wurde
die Art zu sprechen eine andere. Konnten leidenschaft-
liches Pathos und tönende Rede sehr wohl auch ein Haus
ausfüllen, in welchem in regelmässiger Abwechselung die
italienische Oper mit allen ihren Nachahmungen zur Auf-
führung gelangte, Aufführungen, die weder an den Zu-
schauerraura noch an das Bühnenhaus besondere An-
forderungen stellten, so weitete sich die gleichwohl schon
bestehende Kluft zwischen Oper und Drama um so mehr,
je mehr in ersterer die Herrschaft des Wagner’schen
Musikdramas an Boden gewann, an die Bühnengestaltung
die weitgehendsten Anforderungen stellte und auf die
Zuschauer eine solche Anziehungskraft ausübte, dass die
i^.bCsteheti.den Räume zvk ^leitt,'Wu,rden,..-uD.d je mehr, letzte-
res vom Heldendrama zum Seelendrama sich entwickelte.
..'No'.. 44.:
Kies - Aufschütlunß
'^^üherss ^ ^ Geländ^^
Abbildg. 6 — 9.
Die industriehalle.
Architekt: G. Thielen f
und Andere.
Entwurf und Berechnung der
Konstruktion von Ingenieur
Leitholf in Berlin.
Ausgeführt
von Boswau & Knauer,
Berlin-Köln.
Von der Industrie- und
Kunstausstellung
in Düsseldorf 1902.
fBniü
ir^TlL. ul:
Abbildg. 14 — 16. Haupt-Wein res taurani
Entworfen im Baubüreau der Ausstellung.
IrUJl
raiALli
I M li ii- L/
■■
31. Mai J902.
Nachdem zum Schluss Hr. Bezirksbmstr. Völcker-
Landau einen von feinem Humor durchwürzten Vortrag
über die im vorigen Jahre zu Königsberg stattgehabte
Abgeordneten-Versammlung gehalten hatte, nahm man im
„Wittelsbacher Hof" das gemeinschaftliche Mittagessen ein.
Vermischtes.
Die feierliche Einweihung des Karlsruher Hafens als
letzter Theil der Festlichkeiten zum Regierungsjubiläum
des Grossherzogs Friedrich von Baden hat am 27. Mai
stattgefunden. Die in ihrem tiefbautechnischen Theile
durch den grossherz. Brth. J. Rosshirt, in ihren Hoch-
bauten durch Hrn. städt. Hochbauinsp. A. Stürzenacker
entworfene schöne und einheitliche Anlage erfreute sich
der lebhaftesten Anerkennung des hohen Jubilars und der
übrigen Festgäste. —
Todtenschau.
Wilhelm von Pressel 'f-. Am 19. d. M. verstarb hoch-
betagt und in dürftigen Verhältnissen in Konstantinopel
der seiner Zeit sehr bekannte, verdienstvolle Eisenbahn-
Ingenieur Wilhelm von Pressel. Im Jahre 1821 in Stutt-
gart geboren, trat er nach absolvirtem Studium in den
württembergischen Eisenbahn-Staatsdienst, war eine Zeit
lang Professor am Polytechnikum in Stuttgart, dann be-
traut mit der Leitung des Baues schweizerischer und
österreichischer Eisenbahnen, wobei besonders seine
Thätigkeit für die Brennerbahn hervorzuheben ist.
Der Auftrag des Barons von Hirsch, dessen erste
Eisenbahnlinien in der europäischen Türkei zu traciren,
brachte ihn in Beziehung zum Sultan, in dessen Auftrag
er dann 3872 die Vorarbeiten für die ersten Bahnlinien
in der asiatischen Türkei ausführte. Für diese Pläne
ist Pressel wiederholt eingetreten, z. Th. in scharfem
Gegensatz zu den Plänen, wie sie jetzt durch die Bagdad-
bahn-Gesellschaft vielleicht der Verwirklichung entgegen-
geführt werden. Trotz verschiedener Misserfolge, die
namentlich dem mangelnden geschäfthchen Sinne des im
übrigen hervorragenden Technikers zuzuschreiben sind
und ihn sowohl bei den orientalischen Bahnen des Baron
Hirsch, wie bei den anatolischen Bahnen um die Früchte
seiner Arbeit brachten, ist Pressel seitdem dem Felde seiner
Thätigkeit treu geblieben. Er ist auch verschiedentlich
schriftstellerisch hervorgetreten. Eine seiner letzten Ar-
beiten „Les chemins de fer en Turquie d’Asie", die in
ihrem Ürtheil zumtheil wohl durch die Verbitterung diktirt
sind, bezog sich insbesondere wiederum auf die Bagdad-
bahn, die er in anderer Linienführung, und zwar als tür-
kisches Staatsunternehmen, gebaut wissen wollte. Jeden-
falls ist in ihm ein Mann dahin gegangen, der unter gün-
stigeren Verhältnissen Bedeutendes hätte leisten können. —
Preisbewerbungen.
Einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
ein Kreishaus in Kolberg wird zum 20. Juli für deutsche
Architekten ausgeschrieben. Es gelangen 2 Preise von
2000 und 1000 M. zur Vertheilung; ein Ankauf nicht preis-
gekrönter Entwürfe für je 400 M. ist Vorbehalten. Dem
Preisgerichte gehören u. a. an die Hrn. Landesbrth. Drews
in Stettin, sowie Kreisbauinsp.Barth und Stdtbrth. Sprotte
in Kolberg. Unterlagen gegen 2 M. durch Kreisbmstr.
Buch in Kolberg. —
In einem engeren Wettbewerb betr. Entwürfe für eine
Synagoge in Bielefeld, welche 800 Sitzplätze enthalten und
300000 M. kosten soll, waren 4 Architekten, ein ein-
heimischer und drei auswärtige eingeladen. Im Preisge-
richte befanden sich als Architekten die Firn. Geh. Reg.-
Rath Prof. Ende-Berlin, kgl. Brth. Büchling und Stadt-
brth. Ritscher in Bielefeld. Das Preisgericht bezeich-
nete einstimmig den Entwurf des Hrn, kgl. Bauinsp. E.
Fürstenau in Steglitz als „in jeder Hinsicht zur Aus-
führung geeignet". Die Raumgestaltung zeigt eine Zen-
tralanlage mit „ausserordentlich malerischem reizvollem
Aufbau. Auch die Wahl der der Frührenaissance ent-
lehnten zierlichen Bauformen muss" , nach dem Gut-
achten der Preisrichter, „in Anbetracht der Oertlich-
keit und der Umgebung als ein weiterer Vorzug er-
achtet werden". —
Auch ein Wettbewerb. Der Veteranen- und Militär-
Verein in Friedberg in Hessen möchte ein Krieger-Denkmal
errichten, welches ,^in interessanten nicht alltäglichen
Formen gehalten“ sein soll und nicht mehr als 12 000 M.
kosten darf. Für Preise sind Mittel nicht vorhanden, je-
doch wird dem Verfasser des ausgewählten (durch wen?)
Entwurfes die Ausführung zugesichert. So verlockend es
auch sein mag, um diese zu ringen, so hätte sich doch
in diesem Fäle der Weg der unmittelbaren Uebertra-
gung an eine bewährte Kraft, an denen kein Mangel ist,
empfohlen. —
Wettbewerb der „Vereinigung Berliner Architekten
betr. Entwürfe zu Bogenlicht-Kandelabern. Als Preisrichter
sind durch die „Vereinigung" gewählt die Hrn. ßrlh.
von Groszheim, Reg.-Bmstr. K. Reimer und Arch.
R. Wolffenstein. —
Inhalt: Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von
Siemens & Halske. VII. (Fortsetzung!. — Von der Industrie- und Kunst-
ausstellung in Düsseldorf igos. III. (Fortsetzung). — Miltheilungen aus Ver-
einen. — Vermischtes. — Todtenschau. — Preisbewerbungeu.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
Es kann demnach nicht überraschen, dass bei dieser Sach-
lage sowohl Bühnenleiter wie Schauspieler sich ohne Ein-
schränkung für eine Trennung der Bühnen aussprachen,
wie sie in den grossen Hauptstädten allenthalben bereits
durchgeführt ist und auch in den kleineren Hauptstädten
der Provinz, sofern es die wirthschaftliche Lage der
Theater irgendwie gestattet, zum Durchbruch kommen
wird. Man erinnert sich an den Sturm, welcher entstand,
als das neue Burgtheater in Wien seine Pforten öffnete.
Die Gewöhnung an das alte, kleine, enge Haus in der
Burg war eine so grosse, das Zusammenerleben des In-
haltes eines Dramas von Zuschauer und Darsteller in dem
kleinen Raum ein so inniges, die persönlichen Beziehungen
zwischen beiden so tiefe, dass es grösserer Umgestaltungen
und langer Jahre der Gewöhnung bedurfte, bis das neue
grössere Haus bei Zuschauer und Darsteller die Sympathie
fand, aufgrund deren allmählich eine Beruhigung stattfand,
wenn man das alte Haus auch heule noch nicht vergessen
hat und in der alten Generation nicht vergessen kann.
Mögen auch vielleicht etwas zu weitgehender konservativer
Sinn, Bequemlichkeit und gereizter Widerspruch bei der
Bewegung mitgesprochen haben, zum grössten Theil hat
sie in dem Umstande ihre Nahrung gefunden, dass, wo
es sich um das moderne Konversalions- und Seelen-Drama
handelt, in einem kleineren Hause der bekannte Funke
unmittelbarer vom Darsteller zum Zuschauer überspringt,
als in einem grossen Hause. Der modernen Spezialisirung
ist demnach auch die Bühnenbaukunst verfallen. Sie erfor-
dert kleine Häuser bis zu höchstens 900 Sitzplätzen für
das Konversalions- und Seelendrama, grössere Häuser
von 1500—2500 Sitzplätzen für die Oper und sie erstrebt
schliesslich ganz grosse Häuser für 5000— 10000 Personen
für das Volks-Schauspiel, dessen Dichtung sich den Be-
dürfnissen einer grossen Zuschauermasse und des sie auf-
nehmenden Raumes anpassen muss.
Neben den ^ Architekten hat man in Stuttgart natur-
gemäss auch Bühnenleiter und Schauspieler befragt. Alle
284
erklären sich mit voller Entschiedenheit gegen ein „Kom-
promiss"-Theater, wie es genannt wird, von etwa 1800
bis 2000 Sitzplätzen. Der Intendant von Possart be-
fürwortete lebhaft den Gedanken einer Doppelbühne und
zwar aus Gründen dauernder Ersparniss, grösserer Be-
weglichkeit und Reichhaltigkeit in der Darstellung, sowie
zur Erzielung neuer Wirkungen durch die mögliche Er-
weiterung und perspektivische Vertiefung des Bühnenbildes.
Er tritt für die Doppelbühne unter der Voraussetzung
ein, dass die Bühnenbreite für beide Häuser die gleiche
wäre und die Scene des grossen Hauses 7, die des kleinen
Hauses 4 Coulissen betrüge. Der Uebertragung der Feuers-
gefahr von einem zum anderen Hause könnte durch ent-
sprechende Isolirräume vorgebeugt werden. Jedenfalls ist
der Gedanke des Doppel-Theaters, nachdem er be-
reits in dem verflossenen Berliner Viktoria-Theater einen
Vorläufer hatte und von Semper für ein Theater für
Baden in der Schweiz bearbeitet war, werth, nach mo
dernen Gesichtspunkten einer neuen Lösung zu-
geführt zu werden. Die deutsche Theaterbaukunst er-
freute sich im Verlaufe des letzten Jahrzehntes einer un-
geahnten Entwicklung, sie hat die verschiedensten Vor-
würfe mit Glück aufgegriffen und gelöst , sie wird auch
die Stuttgarter Theaterfrage einer Lösung zuführen, welche
nach den gerade hier vorliegenden eigenartigen Verhält-
nissen berufen sein könnte, in der Entwicklungs-Geschichte
des deutschen Theaters eine Bedeutung zu erlangen, die
vielleicht nicht ganz von der Tragweite des Richard-
Wagner-Theaters ist, aber immerhin die Bedeutung eines
wichtigen und folgereichen Schrittes im modernen Theater-
bau haben könnte.
Einstweilen wogt in Stuttgart noch der Kampf der
Meinungen und es hat auch der schwäbische Landtag ein
gewichtiges Wort mitzusprechen. Möchte er mit dazu
beitragen, dass ein Werk gefördert wird, welches ein
gutes und der darstellenden Kunst zum Segen gereichen-
des ist. — •— H. —
No. 44.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 45. Berlin, den 4. Juni 1902.
Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von Siemens & Halske.
VII. Die künstlerische Ausbildung. (Schluss.) Hierzu die Abbildungeu S. u88 u. 289.
erden die Bauten des
Bahnhofes „Schlesisches
Thor" wesentlich durch
die Verschneidungen der
Platzverhäitnisse beein-
flusst. so ist das in ähn-
lichem Maasse der Fall
bei dem Bahnhofe „Prin-
zenstrasse“. Dieser zer-
fällt in drei Theile: in die
eigentlicheBahnhofshalle,
die sich in nichts von der
Normalie der kunstlosen
Zwischenbahnhöfe unter-
scheidet, in das nördliche
Zugangshaus mit Schal-
terhalle, welches als ein
für diesen Zweck erwor-
benes Wohnhaus sich
gleichfalls in nichts von
den Wohnhausbautender
dortigen Gegend unter-
scheidet, und in das süd-
liche Zugangshaus, wel-
ches auf einer dreieckigen
Baustelle errichtet wurde,
die sich aus dem Zusam-
mentreffen der Gitschiner
, ^ ^ und der Prinzenstrasse
bildet und nach den Entwürfen von Paul Wittig eine
höchst geschickte Grundriss -Ausnutzung bei anspre-
chender Gestaltung des Aeusseren und des Inneren
erfahren hat (s. S. 288.)
Ein Bahnhof, dessen künstlerische Gestaltung be-
sondere Schwierigkeiten bot, die durch die Architekten
Solf & Wichards in glücklicherweise überwunden
wurden, ist der auf der Scheide zwischen der Ost- und
der Weststrecke stehende Bahnhof „Hallesches Thor“.
Der monumentale bauliche Charakter der Oertlichkeit:
die figurengeschmückte Kanalbrücke, die klassischen
Thorbauten und die Bedeutung des Belle-Alliance-
platzes als eines Denkmalplatzes forderten gebieterisch
für diesenBahnhof einen höheren architektonischen Auf-
wand, bei dessen Gestaltung es der reichen Erfindungs-
gabe der Architekten bedurfte, aus den schwierigen
örtlichen Verhältnissen des Bahnhofes selbst etwas
zu schaffen, was den innereren Zwiespalt des Werkes
nicht allzu stark in die Erscheinung treten lässt Der
Bau ist trotz aller Kunst der Architekten ein Kom-
promissbau geblieben und konnte nichts anderes wer-
den, denn es galt hier nicht sowohl, die Bahnhofshalle
architektonisch auszubiiden , als ihr eine Architektur-
gruppe vorzulagern, welche das reine NützUchkeits-
gepräge der Bahnhofshalle verdeckte. Der Bahnhof
wurde nur dadurch möglich, dass der Stromfiskus
und die Strompolizei gestatteten, bis nahe an die
Flucht derWiderlager der Belle-Alliance-Brücke in den
Landwehrkanal hineinzubauen. Infolge der mangeln-
den Bodenfläche war daher die Lösung des Treppen-
hauses, für welches Stützen nicht aufgestellt werden
konnten, eine jener schwierigen Konstruktionsfragen,
welche die Gestaltung des Bahnhofes wesentlich be-
einflusst haben. Die von den Künstlern vorgeschlagene
Lösung, das erste Treppenpodest erkerartig aus dem
Sandsteinvorbau herauszukragen und die Treppenläufe
von diesem Erker aus frei schwebend zu den Bahn-
steigen zu führen, ist, freilich nicht ohne einige kon-
struktive Kunststücke, der Schwierigkeiten Herr ge-
worden (s. nebenstehende Abbildung).
Die Bahn verlässt den Bahnhof „Hallesches Thor“
berührt den kunstlosen Bahnhof „Möckern-Brücke“
und geht dann auf eigenes Gelände der Verwaltung
über, welches u. a. den Zugang zum Gleisdreieck bildet.
Der Ankauf dieses an der Trebbiner und der Lucken-
walder Strasse gelegenen Geländes ist nöthig gewor-
den zur Freilegung des Weges für die Bahn und zur
Errichtung des Kraftwerkes, Letzteres erhebt sich
nach den Abbildungen auf S. 289 als eine nach den
Entwürfen von Paul Wittig errichtete geschlossene
Anlage von grossem Zug in der Trebbiner Strasse;
es ist an dem Gebäude der erfolgreiche Versuch unter-
nommen worden, einem reinen Nutzbau ein charakte-
ristisches künstlerisches Gepräge zu verleihen, welches
namentlich durch die in der Fassade sich spiegelnde
innere Gliederung des Hauses zum Ausdruck kommt.
Das Material ist sparsamer Sandstein für die Archi-
tekturtheile, rothes Ziegelmauerwerk für die Flächen.
Aus dem gleichen Material, jedoch in reicheren For-
men, ist das dem Kraftwerk vorgela.gerte Wohn-
und Verwaltungs-Gebäude erriclitet, welches die Bahn
im Kopfe durchschneidet. Die räumlich beschränk-
ten Verhältnisse der Baustelle waren die Veranlassung
Bahnhof „Hallesches Thoi*. Architekten: Solf & Wichards.
zu reichlicher Erkerbildung, durch welche auch dieses
Gebäude ein eigenartiges Gepräge erhalten hat.
Einen besonderen Typus, von der knappen. Nor-
malie in vortheilhafter "V^eise abweichend, bilden die
Bahnhöfe „Bülowstrasse“ und „Noliendorfplatz“. Die
stattliche Breite der Bülowpromenade erlaubte nicht
nur, die Hauptträger der Bahn durch massive Stein-
pfeiler zu unterstützen, sondern es war auch möglich,
statt der bei den anderen Bahnhöfen frei vorkragen-
den Bahnsteige besondere Bahnsteigträger von der
Spannweite der Hauptträger anzuordnen und auch
diese durch Steinpfeiler zu unterstützen. Durch diese
konstruktiven Maassnahmen gewannen die beiden
Bahnhöfe eine vollkommenere Gestalt und es war
daher leichter, ihnen ein befriedigendes architek-
tonisches Gepräge zu verleihen, als bei den anderen
Bahnhöfen. „Die massiven Unterbauten gaben dem
Architekten die von ihm so sehr gewünschten Massen,
welche beim Eisenbau zu vermissen ihm schwer
fällt“ (Bousset). Für die Gestaltung des Bahnhofes
„Bülowstrasse“ wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben,
aus welchem Bruno Möhring in Berlin als Sieger
hervorging. Was er dann aufgrund des Wettbewerbs-
Entwurfes nach umfangreichen Vorstudien für die
Ausführung geschaffen hat, ist in Entwurf und for-
maler Durchbildung so neu, so frisch, so kraftvoll
und so schön, dass der Bahnhof „Bülowstrasse“ vor-
bildliche Bedeutung für die Entwicklung der neueren
Architektur in Berlin gewonnen hat.
Auf dem Wege des unmittelbaren Auftrages ist der
stolze Aufbau des Bahnhofes „Nollendorfplatz“ durch
Cremer & Wolffenstein entstanden. Die Bedeu-
tung dieses Bahnhofes als des westlichen Endpunktes
der Hochbahn, hinter welchem diese auf der schiefen
Ebene in die Unterpflasterbahn übergeht, ferner die
hervorragende Lage des Bahnhofes auf einem grossen
Schmuckplatze sowie in der Axe bedeutender Strassen-
züge haben die Künstler in glücklicher Weise ver-
anlasst, den westlichen Endpunkt des Bauwerkes mit
einer Walmkuppel mit Laterne zu krönen, die w’eit-
hin nach allen Richtungen sichtbar ist. Die Kuppel
besteht aus 4 Stirnbindern und 4 Gratbindern, welche
in der Auflagehöhe der Bahnsteigträger von den
Steinpfeilern aufgenommen werden. Diese massigen
Sandsteinpfeiler endigen in hochragende Pylonen mit
reichem bildnerischem Schmuck, welche die Kuppel an
den Ecken wirkungsvoll bereichern. Eine eigenartige
und neue Form hat die Laterne der Kuppel erhalten.
Hinter dem Bahnhof fällt die Hochbahn über die
Schmuckanlage des Platzes hinweg zunächst auf eiser-
nem Viadukt, dann auf steinerner Rampe zur Unter-
grundbahn. Die dem Platz zugekehrte Stirnseite der
Rampe soll eine Brunnengruppe erhalten. Der Tunnel-
Eingang sowie der bis zur Eisenacher Strasse offene
Einschnitt sind durch eine reiche und schöne Geländer-
Entwicklung zwischen obeliskenartigen Sandstein-
pfeilern, beides wieder nach dem Entwurf von Cr e m er &
Wolffenstein, gegen die Fahrstrasse abgeschlossen.
Ueber die architektonische Ausbildung der Unter-
grundbahn-Strecke ist nicht viel, aber um so Bemerkens-
wertheres zu berichten. Die, unterirdischen Stations-
räume von vorgeschriebenen engen Abmessungen
bieten der künstlerischen Th-ätigkeit nicht viel Spiel-
raum. Gleichwohl hat man auch hier versucht, über
das einfache Bedürfniss etwas hinauszugehen und
einzelnen Stützen mit bescheidenen Mitteln eine in-
teressante künstlerische Form zu geben. Die Ver-
suche Wittig’s in dieser Beziehung sind in den Ab-
bildungen S. 281 dargestellt. Mehr Gelegenheit zu künst-
lerischer Thätigkeit gaben die Treppenzugänge zu den
Bahnhöfen. Während die Pariser „Metropolitain“ nach
der beistehenden Skizze die Zugänge z. Th. überdeckte,
sind sie inBerlindurchwegoffen geblieben unddieStufen
nach rückwärts geneigt, um durch Schlitze das Regen-
wasser abfliessen zu lassen, eine Anordnung, gegen
die unseres Wissens sich bisher technische Anstände
nicht ergeben haben, die aber den Vorzug besitzt,
Zugang zur „Metropolitain" in Paris a. d. Avenue de la Grande Armee.
Ein Beitrag zum Kapitel der staatlichen Kunst-
förderung.
Degeben sich in der Kunstübung unserer Tage Er-
eignisse, welche aus dem normalen Verlaufe der-
selben heraustreten und eine Erörterung in weiteren
Kreisen hervorrufen, so finden diese Ereignisse häufig
auch einen Reflex in den parlamentarischen Vertretungs-
körpern. In nur ganz seltenen Fällen aber werden diese
Ereignisse oder werden künstlerische Neuerungen, künst-
lerische Thaten, welche die Ueberlieferung durchbrechen
und damit eine ungewöhnliche Aufmerksamkeit erregen,
von Vertretern der Parlamente behandelt, von deren
Bildungsgang angenommen werden müsste, dass sie in
Beziehungen zur Kunst stehen, welche über die losen Be-
ziehungen eines „Kunstfreundes“ hinausgehen. Wenn es
in einerti kleinen Ländchen an der Elbe Brauch war, dass
jeder nur von seinesgleichen gerichtet werden könne, so
haben die Parlamente hierin eine Wandlung herbeigeführt,
welche sich wohl auf das , verfassungsmässig gewährleistete
Recht der freien Meinungsäusserung stützt, in sachlicher Be-
ziehung aber bisweilen zu Aeusserungen geführt hat, die von
der Künstlerschaft nicht gebilligt wurden. Man erinnere sich
an die Angelegenheit Lieber-Stuck des deutschen Reichs-
tages, man erinnere sich ferner an die alljährlich im preussi-
schenHauseder Abgeordneten wiederkehrenden beruhigen-
den Versicherungen eines berufsmässig der Kunst fernstehen-
den Abgeordneten über den neuen Berliner Dorii und
über die korrekte Haltung, welche'die künstlerische Leitung
der kgl. preuss. Porzellan-Manufaktur gegenüber den sog.
Auswüchsen der modernen Kunst einnehme.
Es gehört zu den • eigenthümüchsten Merkmalen jeder
entschieden fortschreitenden Kunstübung, also auch der mit
286
demNamen dersezessionistischen Kunstübung unserer Tage
belegten, dass ihreWerke entwederverzückter Begeisterung
oder maassloser Gegnerschaft begegnen. Die Leidenschaft-
lichkeit beherrscht nach beiden Richtungen die Gemüther so
völlig, dass die ruhige, unbefangene Würdigung ganz aus-
geschieden ist, dass die Mittelstufe zwischen Schwärmerei
und Hass gänzlich fehlt und sich entweder nur ent-
zückte Bewunderer oder ablehnende Gegner gegenüber-
stehen. Und merkwürdiger Weise sehen wir diesen Gegen-
satz der Meinungen bis in die Kreise hinaufdringen, welchen
berufsmässig die staatliche Kunstpflege obliegt und die
demgemäss eigentlich über dem Streite der Meinungen
stehen sollten. Es sei an die Kunstreden erinnert, die in
jüngster Zeit preussische Minister gehalten haben und es
sei demgegenüber z. B. auf die neutrale Haltung hinge-
wiesen, welche die bayerischen Staatsbehörden gegenüber
dem heissen Kampfe in der Münchener Künstlerschaft
und der daraus hervorgegangenen künstlerischen Hervor-
bringungen eingenommen haben.
Den gleichen Standpunkt nahm jüngst auch der öster-
reichische Unterrichtsminister von Hartei ein. Der An-
lass war eine parlamentarische Erörterung. In der Budget-
kommission des Herrenhauses gab der Graf Montecuccoli
in schärfen Worten seiner Anschauung über die Sezession
Ausdruck. Diese Kunstrichtung sei ungesund und ver-
derbt, es sei eine krankhafte Geschmacks-Entwicklung, wie
sie zu keiner Zeit zu beobachten gewesen sei. Anlass zu
dieser Verurtheilung gaben dem Redner die diesjährige
Ausstellung der Wiener Sezession und der Beethoven
Klingers. Daneben waren es namentlich auch die Arbeiten
Klimts, welche die Gegnerschaft des Grafen scharf her-
ausforderten. Der Umstand, dass Klimt für die Aula der
Wiener Universität zwei vieibewunderte und vielge-
schmähte Gemälde, die „Philosophie“ und die „Medizin“,
No. 45
die Uebersichtlichkeit der Strasse zu erhalten. Zwischen
dem Zu- und dem Ausgang der Untergrundstationen
liegt, leicht sichtbar, das Fahrkartenhäuschen. Die
künstlerische Ausbildung dieser Häuschen und der
Umfriedigung der Eingänge durch Eisengitter hat
Prof. Alfr. Gren ander übernommen und, wie die
Abbildung S. 265 sowie die Beilage zu No. 42 er-
kennen lassen, in einer ungemein reizvollen Weise
gelöst. Was die Abbildung leider nicht erkennen
lassen kann, das ist die interessante Farbengebung
des mit dunkelblau-violetten Fliesen ausgelegten blau-
schwarzen Holzfach Werkes im Verein mit dem feinen
Roth der Kupferdeckung. - -
Mit der Erw'ähnung dieses kleinen Gebäudes
scheiden wir von der elektrischen Hoch- und Unter-
grundbahn. Wenn bei ihr nach dem Worte eines
mehrfach erwähnten Mitarbeiters „einiges unbestritten
geglückt, manches mindestens diskutabel und manches
ein Versuch geblieben ist“, so ist das grosseWerk gerade
in dieser merkwürdigen Stufenfolge der Ausbildung eines
der anziehendsten Beispiele künstlerischer Zusammen-
arbeit zwischen Ingenieur und Architekt. Es mag
sein, dass diese Zusammenarbeit zunächst mehr von
der Noth als aus eigenem Triebe veranlasst war,
denn an zahlreichen Stellen ist der Kampfzustancl
zwischen Konstrukteur und Künstler noch zu erkennen.
Jedenfalls aber hat die Zusammenarbeit, als deren
geistiger Förderer Hr. Dir. H. Schwieger besonders
genannt werden muss, in weitergehendem Maasse als
bei irgend einem anderen grossen Ingenieurwerke statt-
gefunden und deshalb kommt der Anlage eine epochale
Bedeutung zu. — • Albert Hof mann.
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- u. Ing.-Verein zu Hamburg. Vers, am 7. März
1902. Vors. Hr. Zimmermann, anwes. 86 Personen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung erhält das Wort Hr.
Meerwein zu einem Nachruf für George Westendarp.
Redner schildert den Studiengang des einer alten Ham-
burgischen Familie entstammenden Verstorbenen, seinen
Eintritt in die Praxis als Bauingenieur und seine spätere
vielfach von Erfolg begleitete Thätigkeit in derselben.
Unter den unter seiner Leitung entstandenen Bauwerken
werden genannt: die Strassenanlagen auf dem ausge-
dehnten Gelände des Klosterland-Konsortiums hierselbst,
die Anlage des Eimsbütteler Parkes, die Aufschliessung
eines grossen Geländes in Berlin-Lichterfelde, die Ham-
burg-Altonaer Zentralbahn, die Holsten-Germania- und
Billbrauerei hierselbst, ferner die Malzfabrik, die Jute-
spinnerei in Schiffbeck, sowie die Stearinfabrik in Winter-
hude. Auch der durch Westendarp im Verein mit seinem
langjährigen Freunde und Studiengenossen Carl Pieper
hierselbst gegründeten Taxameterfabrik wird gedacht und
zum Schluss noch eine Schilderung der vielfachen Vor-
züge, welche der Verstorbene im Verkehr mit Freunden
und Kollegen besessen hat, gegeben.
Nach Erledigung einiger geschäftlicher Mittheilungen
erhält darauf das Wort Hr. Groothoff, welcher unter
Hinweis auf die im Saale ausgestellten Wettbewerbs-Ent-
würfe für ein Musterbuch der sich mit Herstellung von
Dachdeckungen beschäftigenden Firma D. H. W. Schultz
& Sohn über das diesem Wettbewerb zugrunde liegende
Programm und den Ausfall Mittheilung macht. Da die
Firma jedes der gelieferten Blätter bezahlt und ausserdem
sowohl für die Musterblätter als auch für den Deckel und
das Titelblatt je 3 Preise von 200, 100 und 50 M. ausge-
setzt hat, ist begreiflicherweise bei diesem Wettbewerb
die Betheiligung eine rege gewesen. Es erhielten für die
Musterblätter : den I. Preis die Hrn. R a a b e und W ö h I e c k e ,
je einen III. Preis die Hrn. Fr. Christens, Joh. Helberg
und Fr. Höft; für die Deckel: den I. Preis Hr. Grevs-
mühl, den II. Preis Hr. Fr. Christens; für die Titel-
blätter wurde nur ein II. Preis dem Hrn. Grevsmühl
zuerkannt. Der Vorsitzende dankt dem Redner für sei-
nen eingehenden Bericht und Hrn. Schultz für die Aus-
schreibung dieses Wettbewerbes, durch welche er den
Künstlern eine so dankbare Aufgabe gestellt habe.
Zum 3. Gegenstand erhält Hr. Mahlmann das Wort,
welcher an der Hand der ausgestellten Zeichnungen den in
Eisenbetonbau hergestellten Neubau des Geschäftshauses
der Firma Röper und Staacke am Rathhausmarkt be-
spricht. Der Grundriss der Baustelle zeigt ein spitzes
Dreieck von etwa 200 q“ Grundfläche, dessen Fronten
stumpfwinklig gebrochen sind mit je etwa 9,30™ Schenkel-
länge, und dessen Seiten etwa 21,4 ™ lang sind. Vom
Bauherrn war gewünscht, dass der Verkaufsraum des
Neubaues keine Säulen enthalten solle. Dadurch ergab
sich die Nothwendigkeit, einen verhältnissmässig grossen
Raum frei zu überspannen, da der nach der Strasse zu
liegende Verkaufsraum eine Flächengrösse von etwa 160
bis 170 qm erhält. Die Höhe der einzelnen Geschosse be-
trägt im Keller 2,60 ®, im Erdgeschoss 6 in den übrigen
Geschossen durchschnittlich 3,90 Die Gesaramthöhe
des Hauses ergab sich danach bei 8 Geschossen bis zur
Trauflinie zu 25,5“. Um der Forderung nach Vermei-
dung aller stützenden Säulen in den Verkaufsräumen ge-
recht zu werden, wurde nach eingehendem Studium über
die Konstruktion des Gebäudes das Eisenbeton-System
„Hennebique“ gewählt und von dem Uebernehmer, Hrn.
Ing.Deimling, berechnet und ausgeführt, DasGebäude steht,
nach unserer Meinung Meisterwerke allerersten Ranges,
geschaffen hat, gab dem Grafen Montecuccoli Veranlassung
zu der Aeusserung, dass durch solche Aufträge die Se-
zession gewissermaassen zur offiziellen österreichischen
Kunst gestempelt werde.
Diese Aeusserung veranlasste den Unterrichtsminister
von Hartei zu einer interessanten Entgegnung. Er stellte
zunächst die thatsächlichen Verhältnisse fest, unter welchen
die genannten Gemälde entstanden sind, berichtigte einige
falsche Angaben hinsichtlich staatlicher Ankäufe von Wer-
ken Klingers und ging dann zu einer höchst beachtens-
werthen Ausführung über seine Stellungnahme zur Kunst
über. Wenn vom Unterrichtsminister gefordert werde, er
solle auf die Entwicklung einer Kunstrichtung unmittel-
baren Einfluss nehmen, so müsse er dies ablehnen,
weil das weder in seiner Macht liege, noch er es
für richtig halte, die freie Entwicklung der Kunst
zu hemmen, wenn dieses in seiner Macht läge. Wenn
die moderne Strömung wirklich so schädlich und ver-
werflich sei, wie sie von dem Grafen geschildert wurde,
so sei ja die gesicherte Aussicht vorhanden, dass sie sich
in kurzer Zeit ausgelebt haben werde. Eine Kunst, die
nur den Launen Weniger oder nur einem engen Kreise
von Künstlern entspreche, habe wenig Aussicht, sich durch-
zuringen und zu behaupten. Was man unter Sezession
gewöhnlich begreife, sei seinem Wesen nach sehr ver-
schieden; die Urtheile selbst über die radikalsten Se-
zessionisten seien sehr getheilt und es wäre leicht, dem
so abfälligen Urtheile des Grafen eine Reihe entgegenge-
setzter Urtheile der hervorragendsten Kunstkenner nicht
blos des Inlandes, sondern auch des Auslandes gegenüber
zu stellen. Dem Minister komme es nicht zu, in
der. Verwaltung der Kunstabtheilung seinen
eigenen Geschmack durchzusetzen, sondern es
sei seine Pflicht, sich den verschiedenen Kunst-
richtungen gegenüber objektiv zu verhalten und
Alles zu unterlassen, was die Kunstentwicklung
hemmen könnte. —
Die Künstlerkreise werden dem unbefangenen er-
lösenden Worte des österreichischen Unterrichtsministers
den heissen Dank der nach Unabhängigkeit lechzenden
Künstlerseele darbringen. Das Neue in der Kunst,
das Hinreissende, das mit der stürmischen Gewalt der
Offenbarung die Seelen Ueberwältigende ist nichts für
Menschen, welche gewohnt sind, die Kunst nach bewährten
Mustern aufzunehmen und sien nur selten zu einer dio-
nysischen Stimmung aufschwingen können. Ja, wenn es
nur das wäre! Die anregungslose Gewöhnung hat in ihnen
eine merkwürdige Art von Stimmung erzeugt, durch welche
sie sich über den gottbegnadeten Künstler erheben und
allem Gegnerschaft entgegenbringen, was sich über das
Hergebrachte hinaus fortbilden und was eine Steigerung
zu neuer Form und zu neuem Inhalte suchen will.
Soll nun der Staat zu diesem Streite der Meinungen
Stellung nehmen? Die Kunst soll frei sein; ihr einziger
Richter ist die Zeit. Was sich im Kampfe nicht siegreich
behauptet, verfällt von selbst. Daher lieber ungestüme
Uebertreibung, als kraftlose Enthaltsamkeit; lieber Zer-
störung und Wiederaufbau, als thatenloses Beharren. „Was
-fallen will, soll man aucn noch stossen“, sagt Nietzsche
einmal. Der Staat aber bleibe neutral, er ebene der Kunst
die Wege, er schlage sie aber nicht in Banden. Eine
-freie, eine unabhängige bildende Kunst — unter diesem
Zeichen hat sich die österreichische Sezession entwickelt,
eine so schöne Blüthe getrieben und die moderne Kunst-
übung allenthalben mit sich fortgerissen. —
— H.
4. Juni 1902.
287
abgesehen von dem in dernach hinten liegenden Ecke unter-
gebrachlen Treppenhause, auf 8 Stützen, die sich auf die
F^sade und die Giebelwände vertheilen, so dass in der
Mitte ein völlig freier Raum bleibt, welcher durch einen
Hennebique-Unterzug von 50/75 cm und etwa um Spann-
weite überspannt wird, auf den
sich die Deckenbalken von 35 bis
40 cm Höhe und 20 cm Breite
stützen. Die Deckenstärke beträgt
überall 10 cm. Die Säulen für
den Hauptunterzug haben Quer-
schnitte von 60/60 cm^ die übrigen
Säulen 50/45 cm. Die Fassade be-
steht aus Cottaer Sandstein. Die
Dachbalkenlage ist in Holz herge-
stellt; sie ruht auf Eisenbeton-
Unterzügen und Stützen. Die
Baukosten haben 130000 M. be-
tragen, d. h. für I qm bebaute
Fläche 550 M. Die Kosten des
Eisenbeton-Baues haben sich für
I qm Bodenfläche auf 28 M. gestellt.
Im Anschluss hieran macht
Hr. Ing. Deimling noch Mittheil-
ungen über die Berechnung und
die Konstruktions-Grundsätze des
Eisenbeton -Baues und hob die
Vorzüge dieser Bauweise hervor,
die er hauptsächlich in grosser
Feuersicherheit, grosser Trag-
fähigkeit und höchstem Wider-
stande gegen Erschütterungen,
ferner in grosser Zähigkeit bei
intensivem Zusammenhänge des
ganzen Baues, Raumersparniss,
geringer Eigenlast im Verhältnics
zur Tragfähigkeit, sowie in dem
Vorzüge zu finden glaubt, dass
die Konstruktion durch Bauhand-
werker mit geringen Hilfsmitteln
hergestellt werden kann. Die Be-
tonmischung wird 1:4, oder bes-
ser I Th. Zement zu 2 Th. Sand
und 4 Th. Kies angewendet. Das
zur Verwendung kommende Eisen
ist Flusseisen gewöhnlicher Han-
delsqualität, wobei auf hohe Fes-
tigkeit, weniger auf Dehnung ge-
achtet wird. Die Ausführung, bei
welcher namentlich Werth auf
eine sichere Abstülzung der
Schalungen zu legen ist, wurde
am 14. Dez, 1901 begonnen und
schon Ende Februar konnte der
ganze Bau ausgeschalt werden.
Redner geht nun unter Hinweis
auf die im Saale ausgehängten
Zeichnungen zu einer näheren
Beschreibung des ganzen Baues
über. Es ergiebt sich hieraus,
dass nicht nur zur Aufnahme der
Zug-, sondern auch zur Aufnahme
der Druckspannungen die erfor-
derlichen Eisen eingelegt sind,
und dass diese Eisen zur Auf-
nahme der im Steg der Kon-
struktion auftretenden Schub-
spannungen durch Rund- und
Flacheisenbügel gegen einander
verspannt sind. Die Anzahl und
der Querschnitt der eingelegten
Rundeisen schwankt natürlich je nach der Grösse des von
dem betr. Trägertheile aufzunehmenden Biegungsmomen-
tes. Die Eiseneinlage besteht z. B. bei dem grossen vorer-
wähnten Unterzuge in 13 Eisen, von denen 8 mit 46”'™
Durchm. auf Zug, 5 mit 42 mm Durchm. auf Druck, d. h.
im Obergurt eingelegt sind. Es muss davon abgesehen
werden, hier noch weiter auf die vom Redner beschrie-
benen Einzelanordnungen mannichfacher Art einzugehen,
es sei nur noch erwähnt, dass der Bau bei seiner bau-
polizeilichen Rohbauabnahme sich als durchaus solide und
tragfähig erwiesen hat.
Bezügl. der weiteren Ausführung iheilt Redner noch
mit, dass die Fussböden aus Asphalt mit aufgelegtem
Linoleum gebildet werden. Die Heizung erfolgt durch
Zentralheizung, für deren Rohrleitungen gleich von
Anfang an die nöthigen Aussparungen in den Decken
belassen worden sind. Für die Lichtanlage sind jeweils
Dübel zur Befestigung der elektrischen Lampen vorgesehen
288
worden. Die Form der Decken, ob Balken, massiv oder
hohl, lässt sich den Wünschen der Architekten und
Bauherren anpassen. Im vorliegenden Falle hat man der
eigenthümlichen Grundrissform wegen einfache Balken-
decken gewählt. Natürlich muss bei der Ausführung
Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn ln Berlin
von Siemens & Halske.
No. 45,
solcher Arbeiten auf grösste Sorgfalt geachtet werden und
es darf leichtsinnigen Händen die Ausführung derartiger
Bauten nicht anvertraut werden. Verfährt man jedoch
mit der nöthigen Vorsicht, so wird dasErgebniss in jeder Be-
ziehung befriedigend und es steht diese Bauweise in ihren
günstigen Eigenschaften wohl unerreicht da. Die Mög-
lichkeit eines Umbaues ist auch bei dem Eisenbetonbau
gegeben; wie bei jeder Konstruktion muss ein herausge-
Die Anwendungsgebiete des Eisenbetons erstrecken
sich auf alle Zweige des Bauingenieurwesens; es sind
Wohn-, Lager- und Geschäftshäuser, sowie Mühlen, Fa-
briken, Silos, Reservoire, Brücken, Stütz- und Kaimauern,
Kanäle usw. mit bestem Erfolge in Eisenbetonbau ausge-
führt worden. Redner schliesst mit dem Wunsche, dass
sich auch im Norden Deutschlands allmählich die That-
sache von der Trefflichkeit und Billigkeit sowie leichten
Die elektrische Hoch-
und Untergrundbahn
in Berlin
von Siemens & Halske.
Das Kraftwerk
nebst Wohn- und
Verwaltungs-Gebäude
am Tempelhofer Ufer.
Architekt:
Dir. Paul Wittig.
nommenes Element durch ein anderes ersetzt werden;
durch den innigen Zusammenhang der Konstruktion ist
allerdings die Ausführung hier etwas schwieriger, bietet
jedoch keine grössere technische Schwierigkeit als bei
anderer Bauart.
4. Juni 1902.
Ausführbarkeit des Bausystems Bahn brechen möge.
Auf eine Anfrage aus der Versammlung nach der
Feuersicherheit der Konstruktion erwidert Hr. Deimling,
dass sich dieselbe bei einem grösseren Brande durchaus
bewährt habe. — Hm,
289
Im Dresdener Architekten-Vereln sprach am 15. April
Hr. Prof. B. Seitler über: „Warum baut der Land-
wirth nicht nach dem Muster des alten Bauern-
hauses und wie können die praktischen und die
künstlerischen Forderungen an neue landwirth-
schaftliche Bauten befriedigend vereinigt wer-
den?“ Die äussere Form der landwirthschaftlichen Ge-
bäude neuerer Zeit lässt in künstlerischer Beziehung in
den meisten Fällen viel zu wünschen übrig. Die Ver-
suche der Baukünstler und der Behörden, auf die Ge-,
staltung neuer Bauten verbessernd einzuwirken durch
Veröffentlichung mustergiltiger Bauentwürfe in Anlehnung
an das alte Bauernhaus, haben keinen Erfolg in grösserem
Unnfange gehabt. Der Landwirth kann in den weitaus
meisten Fällen nicht nach dem Muster des alten Bauern-
hauses bauen, weil die Verhältnisse, welche dessen Ent-
wicklung veranlassten und förderten, heute nicht mehr
gegeben sind. Die im Verlaufe der Zeit erfolgten Ver-
änderungen in den Lebensgewohnheiten und Vermögens-
verhältnissen der ländlichen Bevölkerung, insbesondere
aber der Mangel an Arbeitskräften bedingen für die Pla-
nung landwirthschaftlicher Gebäude wesentlich andere
Gesichtspunkte, als diejenigen waren, unter denen das
alte Bauernhaus entstand. Neben äusserster Ausnutzung
des umbauten Raumes und geringstmöglichem Kostenauf-
wande ist besonders zu berücksichtigen, dass die zum
Betriebe des Anwesens erforderlichen Arbeitsleistungen
auf das geringste Maass beschränkt werden, vor allem
aber unnöthiges Hochtransportiren in den Scheunen,
Futterböden usw. vermieden wird. Diese Forderungen
lassen sich nur durch Anwendung flacher Dächer (Holz-
zement- oder Pappdach) erfüllen. Mit dem Wegfall der
hohen Satteldächer fällt auch das Vorbild des alten Bauern-
hauses. Es entsteht für die Architekten die Aufgabe, den
Eindruck trostloser Oede, den die mit flachen Dächern
versehenen landwirthschaftlichen Gebäude heutigentags
machen, zu beseitigen und durch geschickte Anwendung
einfacher Mittel (Gruppirung, Uebersetzen der Oberge-
schosswände, Verschiedenartigkeit im Material und in der
Flächenbehandlung usw.) einen neuen, den praktischen
Forderungen entsprechenden, aber auch künstlerisch be-
friedigenden Typus des Bauernhauses zu schaffen. Um
der Lösung dieser Aufgabe näher zu kommen, empfiehlt
Redner, einen Wettbewerb unter den Mitgliedern des
Vereins. In der anschliessenden Besprechung, an der
sich auch von den besonders eingeladenen Herren Ver-
tretern der Landwirthschaft Exc. Graf Könneritz, Dr.
Hübel-Sachsendorf,fernerBrandversicherungsinsp.Nagel
und Arch. Mirus betheiligten, wurde den Darlegungen des
Vortragenden im wesentlichen beigestimmt und hierauf die
Ausschreibung des angeregten Wettbewerbes beschlossen.
Hr. Ing. R. Brauns sprach hiernach über „Wind-
turbinen zur Erzeugung von elektrischem Licht“;
er erläuterte die Schwierigkeiten, welche der Ver-
wendung der Windkraft zu dem angegebenen Zwecke
entgegenstehen und berichtete, dass die für kleinere Be-
triebe verwendeten Konstruktionen sich Vorzüglich be-
währten, während für sehr ausgedehnte Anlagen die
Frage noch nicht spruchreif sei. —
Am 29. April sprach Hr. Prof. Eugen Bracht (kgl.
Kunstakademie) über „Die Felsengräber von Petra“.
Er erläuterte zunächst an der Hand einer Karte die weitere
Umgebung und deren Bodenbeschaffenheit, wobei er als
besondere Merkwürdigkeit hervorhob, dass der Spiegel
des Todten Meeres etwa .390111 unter dem des Mittel-
ländischen Meeres'liegt. Er schilderte des Weiteren die'
Gefahren und Beschwerden des Reisens in diesen Gegen-
den, von denen die ersteren seit seinem Besuche (1881)
derart zugenommen haben, dass zurzeit ein Aufsuchen
Petras kaum möglich ist.
In einer Felsschlucht des Gebirgs-Plateaus östlich der
Jordan -Spalte, die sich vom Libanon nach dem Todten
Meere und bis zum Meerbusen von Akaba hinzieht, liegt
Petra in einem rings von fast senkrechten, bis 30 m hohen
Felsen umschlossenen Thalkessel. Die einzigen Zugänge
sind die beim Ein- und Austritt eines das Thal durch- ,
fliessenden Baches belegenen schmalen Schluchten, in
denen die hohen aus rothem Sandstein bestehenden Fels-
wände streckenweise so nahe zusammentreten, dass die
im Grunde herrschende Dämmerung auch die strahlende
Orientsonne nicht aufzulichten vermag. Von Petra selbst,
dessen Name (aramäisch Rekem, schon Josua- Kap. t8'
V, 27 erwähnt) seiner Umgebung entlehnt ist, sind ausser
dem Königspalaste nur dürftige Reste erhalten. Zahlreich
aber und auch grossentheils wohlerhalten sind die in die
umliegenden Felsen eingearbeiteten Grabstätten. Solche
sind nicht nur in der Thalhöhe, sondern bis zu den höch-
sten Punkten der Felsen angelegt. Die höher gelegenen
Grabkammern waren theilweise durch innerhalb der Fel-
sen befindliche, aus diesen herausgearbeitete Treppen zu-
gänglich, viele waren aber nur , vom oberen Felsrande
aus durch Herablassen an Seilen zu erreichen. Die
äussere Form der Grabstätten ist bei den ältesten der-
selben ganz vernachlässigt; die späteren zeigen eine ein-
fache Massenarchitektur, zu deren primitiver Dekoration
eine auf- und absteigende Treppenlinie verwendet ist. Im
. Verlaufe der Zeit wurden, die Eingänge der Grabkammern
zu Portal-Anlagen und ganzen Felsfassaden ausgestaltet.
Diese lassen, je nach den Epochen, denen sie angehören,
den Einfluss ägyptischer, griechischer und römischer Bau-
kunst erkennen und sind in allen ihren Architekturtheilen
aus dem Felsen herausgearbeitet, wie auch die Sitzreihen
des wohlerhaltenen römischen Amphitheaters. Die be-
deutendsten Grabfassaden sind das dreigeschossige Haus
und das Chaznet-Firaun, das sog. Schatzhaus des Pharao.
Der mit lebhaftem Beifall aufgenommene Vortrag
wurde unterstützt durch Vorlage einer grossen Anzahl
farbiger Skizzen der Felsparthien und Architekturen, die
der Vortragende nach kleinen Reiseskizzen in grossem
Maasstabe in bekannter Meisterschaft ausgeführt hatte.
Eine besondere Würze erhielten die Darbietungen durch
Einflechten verschiedener Reise-Episoden und Mittheilun-
gen über die Vorstellungen der Eingeborenen, von denen
nur die Art, wie sich dieselben das Interesse der Reisen-
den für ihre Gegend erklären, hier erwähnt sein möge.
Der Beduine erzählt: „Einst bewohnten Christen das
Wady-Musa (d. h. Mosesthal, jetziger Name von Petra),
waren mächtig und höhlten die Felsen aus. Da liess
Allah, um sie zum wahren Glauben zu bekehren, drei
Tage lang Gold regnen. Die Christen aber blieben ver-
stockt und Wurden aus dem Lande vertrieben, nachdem
sie das, was sie von dem Golde nicht mitnehmen konnten,
in den Gräbern versteckt hatten. Die Franken, die jetzt
zum Wady-Musa kommen, sind' die Nachkommen jener
vertriebenen Bewohner und sie haben Aufzeichnungen
betreffend die einst hier zurückgelassenen Schätze. Da-
her spähen sie in den Grabkammern, herum, durchstöbern
- alle Winkel und wühlen im Schutt hach dem Golde. Aber
dasselbe bleibt nicht immer auf der gleichen Stelle liegen,
sondern wandert zuweilen von dem einen Versteck in
das andere; viele alte Männer und Frauen haben es deut-
lich gesehen. Die Goldstücke rollen eines hinter dem
anderen in langer Reihe und wenn es gelingt, sie zu Fall
zu bringen, indem mau sein Kopftuch darüberwirft, so
bleiben sie liegen.“ Daher kommt es, dass die Beduinen
der Umgegend, die sich bei der Nachricht der An-
kunft von Reisenden in Petra beutegierig sammeln,
dieselben keinen Augenblick aus den Augen lassen, son-
dern auf Schritt und Tritt verfolgen, um dabei zu sein,
wenn die Nasari (Nazarener) wirklich von dem erhofften
Golde finden sollten. —
Vermischtes.
Mit der Errichtung einer preussischen Landes.anstalt
für Gewässerkunde, für welche im diesjärigen Etat der
Bauverwaltung ein Betrag von 83 600 M. gefordert wurde
und deren Leiter, Abtheilungsvorsteher und wissenschaft-
liche Hilfsarbeiter kürzlich ernannt worden sind (vgl.
No. 41), wird in Preussen nunmehr eine Zentralstelle für
eine zuverlässige und erschöpfende Gewässerkunde ge-
schaffen, die als die Grundlage einer rationellen Wasser-
wirthschaft anzusehen ist. Es wird damit ein Weg be-
schritteUj auf dem .andere Bundesstaaten, in erster .Linie
Baden, dann Württemberg und Bayern, ausserdem auch
die Nachbarstaaten Oesterreich-Ungarn and Italien, z. Th.
schon vor längerer Zeit mit bestem Erfolge vorgegangen
sind. Diese Zentralstelle wird die einheitliche Leitung,
Sammlung und Bearbeitung der zur Förderung der Ge-
wässerkunde einerseits von den Beamten der allgemeinen
Bauverwaltung hinsichtlich der schiffbaren, andererseits von
den Meliorations-Baubeamten hinsichtlich der nicht schiff-
baren Gewässer ausgeführten Arbeiten übernehmen, da-
mit also auch diejenigen Aufgaben, welche bisher von dem
X892 eingesetzten Wasserausschuss zur Untersuchung der
Wasserverhältnisse in der Ueberschwemmung ausgesetzten
Flussgebieten wahrgenommen worden sind. Dieser Aus-
schuss hat seine Aufgabe erfüllt, sodass seine Auflösung
erfolgen konnte; damit wurde aber die Einrichtung der
neuen Zentralstelle ein unabweisbares Bedürfniss.
Die Landesanstalt hat neben der schon erwähnten
Aufgabe, die Sammlung, einheitliche Bearbeitung und Er-
gänzung der Beobachtungen über den Abflussvorgang bei
schiffbaren und nicht schiffbaren Gewässern, sowie die
Ermittelung der hierfür maassgebenden Verhältnisse durch-
zuführen, andererseits auch die Untersuchungs-Ergebnisse
durch Veröffentlichungen zu verwerthen und bei der
Lösung wasserwirthschaftlicher Fragen aller Art mitzu-
No.. 45.
290
wirken. Sie soll in erster Linie' den- Ressorts der Minister
der öffentlichen Arbeiten und der Landwirthschaft zur Ver-
fügung stehen, aber auch Gutachten bei wasserwirthschaft-
lichen Fragen anderer Ressorts abgeben, besonders bei
den Fragen der Ausnutzung von Wasserkräften durch
Thalsperren und Sammelbecken, der Zulässigkeit des Ein-
lassens von Schmutzwasser in fliessende Wasserläufe usw.
Die Landesanstalt bildet ein Bureau im Ministerium
der öffentlichen Arbeiten, seine Verwaltung ressortirt aber
auch mit vom landwirthschaftlichen Ministerium.
Da die infrage stehenden Flussgebiete z. Theil über
die preussischen bezw. über die deutschen Grenzen hin-
ausreichen, so ist einerseits mit den betheiligten Bundes-
staaten hinsichtlich der Elbe und Weser feinschl. Werra)
ein Abkommen getroffen bezügl. einheitlicher Behandlung
dieser Fragen und Bearbeitung derselben durch die Landes-
anstalt, während andererseits hinsichtlich des Memel-, Weich-
sel-, Oder- und Elbegebietes von den Nachbar-Staaten die
Uebermittelung der dort gemachten Beobachtungen er-
wartet wird. Bezüglich der Hochwasser-Beobachtungen
im Rheingebiet bleibt einstweilen das bisherige Verhält-
niss bestehen, wonach das badische Zentralbüreau für
Hydrographie, das bisher mit diesen Arbeiten betraut war,
dieselben weiterführt. —
Ein bayerisches Verkehrs - Ministerium. Zu dieser
S. 260 berührten Angelegenheit erhalten wir aus Bayern
noch die folgenden Ausführungen:
Wer die bayerischen Verhältnisse kennt, __der weiss,
dass eine solche Dienststelle schon seit vielen "Jahren Be-
dürfniss ist und dass es nicht gerade nothwendig gewesen
wäre, mit der Schaffung derselben bis zu dem angegebenen
Zeitpunkte zu warten. Dies versteht sich von selbst, wenn
man bedenkt, dass Bayern der zweitgrösste Bundesstaat
des Deutschen Reiches ist, und dass das ganze Verkehrs-
wesen in den Händen des Staates ruht, von den wenigen
hier vorhandenenPrivatbahn-Kilometern abgesehen. Ledig-
lich die ausserordentliche Arbeitskraft des Minister-Präsi-
denten Grafen von Crailsheim, welchem das Verkehrs-
wesen als Minister des Aeusseren und des königlichen
Hauses im Nebenamte zugetheilt ist und der seit seinem
39. Lebensjahre und seit dem Jahre 1880 diese Stellung
schon bekleidet, ist es zu verdanken, dass die Frage der
Schaffung eines solchen Ministeriums nicht schon vor
längerer Zeit brennend geworden ist, während man an-
dererseits, ohne Widerspruch befürchten zu müssen, wohl
sagen darf, dass es seinem Nachfolger niemals möglich
sein würde, den gesammten Dienst, wie ihn zurzeit noch
der zwar altersgraue, allein sonst noch jugendfrische
Minister versieht, in gleichem Umfange und mit gleicher
Sachkenntniss versehen und den Anforderungen desselben
in gleichem Maasse gerecht werden zu können. Der
jetzige Minister ist mit dem Verkehrswesen sozusagen
aufgewachsen und wenn trotzdem in der einen und an-
deren Beziehung zu wünschen übrig bleibt, so ist dies der
allzu grossen Arbeitslast und der konservativen Denkungs-
weise des Ministers zuzuschreiben, unter deren Druck
das Beste zu leisten nicht immer möglich war. Es sind
auch die dienstlichen Aufgaben zu grundverschieden, um
eine volle Harmonie erhoffen zu lassen.
Neben dem Post- und Eisenbahnwesen sollen dem
künftigen Verkehrsministerium auch das gesammte Bau-
wesen, die Landwirthschaft, Handel und das Schiffahrts-
wesen unterstellt werden, was sehr zu begrüssen ist im
Interesse der Sache selbst und der möglichsten Ver-
minderung des unvermeidlichen Schreibwerkes auf das
geringste Maass. Man hat, wie es scheint, bereits ein-
gesehen, dass das bisherige System für unsere heutige
Zeit zu langsam und schwerfällig arbeitet und den wirth-
schaftlichen Interessen des- Landes nicht in dem ge-
wünschten Maasse nachkömmen kann. Hoffentlich wird
das künftige Ministerium auf eine mehr dem Zeitgeist ent-
sprechende Grundlage gestellt und die Verwaltung moder-
ner und den Zeit- und wirthschaftlichen Bedürfnissen ent-
sprechender gestaltet. = . .
Wie man hört, soll ein Fachmann mit hervorragen-
der Befähigung den künftigen Verkehrsminister-Posten
erhalten, was im Interesse der Sache sehr zu wünschen
wäre. Es würde, wenn dies zutrifft, ‘der bayerische Staat
als zweitgrösster deutscher Bundesstaat auch in der
Reihenfolge der zweite deutsche Staat sein, welcher einen
technisch-wirthschaftlich vorgebildeten Beamten als Minister
erhalten würde. Das Verdienst, den ersteh ingenieur-
technisch vorgebildeten Minister in Deutschland zü haberiV
gebührt bekanntlich dem Grossherzogthum Hessen, dessen
gegenwärtiger Finanzminister technische Schulung ge-
nossen hat, Es ist gleichfalls bekannt, dass in den anderen
grossen Kulturstaaten Ingenieure seit Menschenalter schon
einen grossen Prozentsatz der Ministerstelien mit- bestem
4: Juni 1902
Erfolg bekleiden und keineswegs so stiefmütterlich be-
handelt werden, wie man sie bisher in Deutschland mit
seinem alten bureaukratischen System und im Gegen-
satz zu ihren Leistungen und Verdiensten um die grosse
Wohlfahrt des Landes behandelt hat. Die Deutschen,
sagte der grosse Philosoph Buckle einmal, be-
wegen sich nur deshalb so schwerfällig auf der
Bahn des Fortschrittes, weil ihnen das ganze
Leben lang die alte Schulbank anhängt. Dieser
Ausspruch, obwohl alt, ist heute noch auf unser Ver-
waltungssysten in weitgehendem Grade zutreffend. —
X.
Die Berliner Kehrmaschinen sind in der Tagespresse
und in wissenschaftlichen Vereinen in neuerer Zeit wieder-
holt Gegenstand des Angriffs geworden, ja man hat sich
soweit verstiegen, sie in ein Museum „historischer Monstra“
zu verweisen. Das ist doch eine arge und nicht berech-
tigte Uebertreibung: die Berliner Kehrmaschine ist im
Wesentlichen ebenso gebaut wie diejenige aller anderen
Grosstädte, mit dem alleinigen Unterschiede, dass anstelle
der sonst üblichen zweiräderigen Konstruktion mit Rück-
sicht auf das leichtere Pferdematerial ein kleiner 4 räderiger
Vorderwagen getreten ist. Das Aussehen hat dadurch
nicht gerade gewonnen, aber die Pferde können ihre Zug-
kraft besser ausnutzen.
Ein mit der Verwendung der Kehrmaschine bei un-
geschickter Handhabung verbundener Nachtheil ist die
starke Aufwirbelung von Staub, der man jedoch nach
Möglichkeit dadurch entgegenzuwirken sucht, dass die zu
fegende Strasse vorher mit dem Sprengwagen überfahren
wird. In der Fachpresse wird nun mehrfach auf die be-
sonderen Vorzüge eines in Charlottenburg angewendeten
Reinigungsapparates hingewiesen, welcher zugleich Spreng-
wagen und Kehrmaschine ist. Dieser recht schwerfällig
aussehende Wagen hat aber mancherlei Nachtheile, welche
nicht übersehen werden dürfen. Vor allem ist die Breite
der auf einmal gereinigten Bahn erheblich geringer als
bei der Berliner Kehrmaschine, sodass der Apparat un-
wirthschaftlich arbeitet, was auch durch bezügl. Versuche
der Berliner Behörden festgestellt worden ist.
Ferner erfolgt die Reinigung der Strassen zu schnell
nach der Besprengung, sodass der Strassenstaub oder der
steife Strassenschmutz nicht ausreichend Zeit finden, sich
mit dem Sprengwasser zu verbinden. Letzterem Uebel-
stande sucht man bei den Charlottenburger Apparaten
neuerdings dadurch abzuhelfen, dass die Wassersprengung
auch nach derjenigen Seite hinaus erfolgt, wohin der Wagen
erst bei der nächsten Fahrt gelangt. Die Gummiflossen,
Welche bei der Charlottenburger Maschine zum Reinigen
der Strassenfläche verwendet werden, haben allerdings den
Vorzug, die nicht vom Sprengwasser getroffenen staubigen
Massen weniger aufzuwirbeln, als dies durch die scharfen
Piassavabürsten der Berliner Maschinen geschieht, dafür
ist aber andererseits die Reinigungsarbeit der letzteren, zu-
mal auf Steinpflaster, eine gründlichere.
Berlin dürfte mit Fug und Recht bei der bisherigen
Kehrmaschine stehen bleiben, zumal die Kehrarbeit wegen
der Grösse des Verkehrs in späten Nachtstunden erfolgt,
ln Städten geringeren Verkehrs kann man eher auf eine
Reinigung bei Tage eingehen.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass man im Winter
bei Frostwetter natürlich auf die vorhergehende Wasser-
sprengung in dem einen wie in dem anderen Falle ver-
zichten muss, also dann auf keine Weise um die Auf-
wirbelung von Staub, herumkommt.
Man kann mit der Reinigung der Berliner Strassen
und insbesondere auch der Asphaltstrassen recht zufrie-
den sein. Will man daran etwas aussetzen, dann ist es
höchstens der Umstand, dass sich in feuchter Winterzeit
auf den Asphaltflächen zuweilen eine für Fussgänger recht
gefährliche Schmierschicht bildet, und dass man diese
Schmierschicht, insbesondere bei den Strassenübergängen,
nicht schnell genug durch Schabeeisen beseitigt oder durch
Sandstreuen unschädlich macht. — £_ Dietrich.
Forstästhetik. Die modernen Bestrebungen zur Er-
haltung der landschaftlichen Schönheiten unserer Berge
und Thäler, Flüsse und Ebenen haben sich auch auf den
Wald in solchem Maasse ausgedehnt, dass hier neben der
Erhaltung schöner Berg- und Baumgruppen, der Forst-
wirthschaft bei ihrem Betrieb künstlerische Mittel zurseite
gestellt werden. Ein Buch, etwa wie das von Heinrich
v. Salisch über „Forstästhetik“ (Jul. Springer), lässt diese
Ziele, die man mit Synapathie begleiten wird, erkennen.
Es werden da zunächst die Schönheit der Natur, die
Farbenlehre der Landschaft, der künstlerische Werth der
Bäume und Sträucher, sowie Duft und Stimmung des
Waldes behandelt. Diesen allgemeinen Erörterungen fol-
gen Hinweise, wie neben dem Streben nach materiellem
291
Ertrag auch die Schönheit des Waldes zu pflegen sei;
Betrachtungen über den Entwurf des Wegenetzes, der
Waldeintheilung, über Wiesen und Gewässer, Hecken
und Zäune, über die Verwendung besonderer Holzarten,
die Erhaltung alter Bäume und Baumgruppen, über die
Pflege des Strauchwerkes und der Bodenflora, die Eröff-
nung von Fernsichten und endlich über die Erhaltung
von Denkmälern und Ruinen. Auch die Herstellung freier
Anlagen, welche einen Uebergang vom Wald zum offenen
Gelände schaffen sollen, wird besprochen. Die künstle-
rische Pflege der Landschaft läuft neben der Pflege des
Bauernhauses unzertrennbar her; die eine ist die Er-
gänzung für die andere. —
Preisbewerbungen.
Zwei engere Wettbewerbe betr. Brunnendenkmale für
Zweibrücken und Bad Reichenhall wurden dahin entschieden,
dass, beide Male unter Vorbehalt einiger Abänderungen,
im ersten F alle der Entwurf des Bildhauers August D r u m m
in München, im zweiten Falle der des Bildhauers Karl
Killer zur Ausführung gewählt wurde. Als Architekten
wirkten bei der Entscheidung im einen Falle Prof. Heinr.
Frhr. von Schmidt, im anderen Falle Prof. Georg Ritter
von Hauberrisser mit. —
Bücherschau.
Bei der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten:
V. Rohrscheidt, Kurt, Reg.-Rth. G e w e r b e - Ar c hiv für das
Deutsche Reich. Sammlung der zur Reichsgewerbe-
Ordnung ergehenden Abänderungsgesetze und Ausführungs-
Bestimmungen, der gerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen
Entscheidungen der Gerichtshöfe des Reichs und der Bundes-
staaten, sowie der wichtigsten, namentlich interpretatorischen
Erlasse und Verfügungen der Zentralbehörden, i. Bd. 2. Heft.
Berlin 1902. Franz Vahlen. Pr. des Bds. (4 Hefte) 12 M.
Schwidtal, Prof. Technische Mechanik nebst einem Ab-
riss der Festigkeitslehre für Bergschulen und andere tech-
nische Lehranstalten. Leipzig 1902. Jul. Baedeker. Pr. 1,50 M.
Thonindustrie-Kaleoder 1 902. 2 Thle. Berlin 1902. Thon-
industrie-Zeitung. Pr. I M.
Weiske, Paul, Ing. Kerntheorie und Dachpfetten-
Berechnung nebst einigen weiteren Kapiteln aus der
Festigkeitslehre und einem Anhang: Anwendung der Träg-
heitskreise. Stuttgart 1902. Arnold Bergsträsser (A. Kröner).
Pr. geh. 3 M-, geh. 3,60 M.
Wollny, Dr., F. Gedanken, welche der projektirte Bau
der Unterpflasterbahn in Be riin erwecken kann.
Berlin 1902. Hermann Walther.
Ortsübliche Gebräuche im Berliner Baugewerbe.
Berlin 1902. Innung: Bund der Bau-, Maurer- u. Zimmermstr.
zu Berlin. Pr. 50 Pf
Ehlerding, W. Der Kunstschmied. Vorlagen für Schlosser-
und Schmiedearbei'en. Heft 5, 6 u. 7. Ravensburg 1902.
Otto Maier. Pr. 60 Pf. (In 10 Heften vollständig.)
Feldmann, Hugo, Arch. 525 Schornsteinköpfe. Hannover
1902. Helwing’sche Verlagsbchhdlg. Pr. 4 M.
Gros, Jacq., Arch. Skizzen für Wohn - u. Landhäuser,
Villen usw. Hauptsächlich Holzarchitekturen. II. Serie,
Lief. I, 2, 3 u. 4. Ravensburg 1902. Otto Maier. Pr. jed.
Lief. 2 M. (Vollständig in IO Liefrg.)
Grossmann, E., Arch. Billige Wohnhäuser in moder-
ner Bauart. Mustergiltig ausgeführte Ein- und Zwei-
Familienhäuser zu Baupreisen von 8 — 15000 M. Lief. 7,8,9
u. IO (Schluss). Ravensburg 1902. Otto Maier. Pr. jed.
Lief. 1,50 M.
Herse, Ernst. Der gewerblicheRechtsschutz. (Patent-,
Muster- und Warenzeichen-Schutz)' in Frage und Antwort.
I. Th. Deutsches Reich. Berlin 1902. H. W. Müller.
Heyd, Dr. Wilh. Handschriften und Handzeichnun-
g e n des herzoglich wflrttembergiscben Baumeisters Heinrich
Schickhardt. Heft 2. Stuttgart 1902. W. Kohlhammer. Pr. 4 M.
Issel, Hans, Arch. IMustrirtes Handlexikon der ge-
bräuchlichen Baustoffe. Lief. i. Leipzig 1902.
Theodor Thomas. Pr. jed. Lief. i M. (Vollständ. in 10 Lief.)
JelUnek, Arthur h. Internationale Bibliographieder
Kunstwissenschaft, i. Jahrg., i. Heft. Berlin 1002.
B. Behr. Pr. (jährl. 6 Hefte) 10 M.
Kolb, Dr. G. Sammel-Atlas für den Bau, von Irren-
anstalten. Ein Handbuch für Behörden, Psychiater und
Baubeamte. Lief, i u. 2. Halle a.,S. 1902. Carl Marhold.
Pr. jed. Lief. 3 M. (Vollständig in 10 — 13 Lief.)
Kotze, Ottoj Bürgermstr. a. D. Die baupolizeilichen Vor-
schriften in den Regierungs-Bezirken Br es lau , Oppel n,
Liegnitz und der. königlichen Haupt- und Residenzstadt
. Breslau. Berlin 1902. A. W. Hayn’s Erben. Pr. jed. Buches
3,50 M.
Lorenz, H., Rendant. Rathgeber für Reichs-, Staats-
und Koinmunal-Beamte. Eine Zusammenstellung der
Beaniten-Gesetzgebung mit Erläuterungen und 2 Abschnitten:
Die Reichs- und Staatsverfassung und Verwaltung, sowie
ReebtST und Verwaltungsgesetze von allgemeinem Interesse.
14. Aufl. Pr. 2 M. — 2. Die Beamten-.Besoldungstitel des
deutschen Reichs- und preussischen Staatshaushalts-Etats für
das Rechnungsjahr 1902, ii. Jahrg. Tegel-Berlin 1902. Selbst-
verlag. Pr. 2 M.
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich,. Der Postbauinsp., Erth. Buddeburg
in Dortmund ist z. Postbrth. ernannt.
Baden. Dem fürstl. forstenberg. Bauinsp. B I e y e r in Donau-
eschingen ist der Tit. Brth. verliehen. —
Der Reg.-Bmstr. Ad. Ziegler ist der Gen.-Dir. der Staats-
eisenb. zugetheOt.
Braunschweig. Dem Kr.-Bauinsp.^ Bohnsack in Braun-
schweig ist das Ritterkreuz II. Kl. des herzogl. Ordens Heinrichs
des Löwen verliehen.
Preussen. Den Landbauinsp. Rieh. Schultze u. Fasqüei
in_ Berlin und Hesse in Magdeburg ist der Charakter als Brth.
mit dem persönl. Range der Räthe IV. Kl. verliehen.
Der Doz. Pagel an der Techn. Hochschule in Berlin ist z.
etatm. Prof, ernannt und ist dems. die neu erricht. Professur für
praktischen Schiffbau verliehen.
Versetzt sind: Die Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Jaspers in
Köln als Vorst, der Bauabth. nach Nideggen, Schürmann in Köln
alsVorst. der Bauabth. nach M.-'Gladbach, Meyer in Königsberg i.
Pr. als Vorst, (auftrw.) der Betr.-Insp. nach Angerburg.
Ernannt sind: die Reg.-Bmstr. Schräder in Danzig z. Eisenb.-
Bau- u. Betr.-Insp. und Boelling in Köln z. Eisenb.-Bauinsp. ; —
die Reg.-Bfhr. Erich Ast aus Fraustadt u. Wilh. Loebell aus
Luckau (Hochbfeh.), Heinr. Z a a r aus Berlin, Otto Blum aus
Neunkirchen (Eisenbfeh.), Paul Sydow aus Stettin u. Fritz
Grunewaid aus Düsseldorf (Masch.-Bfch.) zu Reg.-Bmstrn.
Dem Reg.- und Brth. Gier, den Reg.-Bmstrn. Hans Krielke
in Berlin, Christ. Ranck in Neuraünster und Karl Schirmeyer
in Magdeburg ist die nachges.' Entlass, aus dem Staatsdienst ertheilt.
Der Kr.-Bmstr. Rom eis s in Gr. Wanzleben ist gestorben.
VVürttemberg. Die Kandidaten des Hochbaufachs Frz. Bärtle
aus Kisslegg, Emil Behr aus Reutlingen, Otto Eber hach aus
Stuttgart, Kurt Gabriel aus Leipzig, Wilh. H 0 1 c h aus Hall,
Otto Jeremias aus Stuttgart, Paul Mundt aus Weissenfels,
Ad. Stahl aus Esslingen,. Gg. Wieland aus Göppingen und
Karl Winter aus Stuttgart sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Der Masch.-Ing. Schweickhardt in Stuttgart früher in
Ulm ist gestorben.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. St. & M. in Giessen. Ihre Darstellung reicht nicht
aus, ein untrügliches Urtheü über die Rechtsverhältnisse zu ge-
winnen. Dazu müsste vielmehr der Wortlaut der Verträge und die
Zeit der einzelnen Rechtshandlungen vorliegen. Soweit Ihre An-
gaben eine Beurtheilung zulassen, würde der Verkäufer des R'est-
grundstückes dem jetzigen Besitzer ersatzpflichtig sein, wenn er
wirklich zum Nachtheil dieses Grundstückes, eine Belastung zu-
gunsten des vorher verkauften Trennstückes bewirkt und diese
Thatsache gelegentlich des Verkaufes verschwiegen hatte. Denn
dass er dies arglistig that, würde, sofern Ihre Angaben zutreffen,
thatsächlich festzustellen sein. Andererseits hegt ein Vermögens-
nachtheil vor, wenn man statt eines voll bebauungsfähigen Grund-
stückes ein solches mit beschränkter Baufähigkeit bekommt, weil
solches minderwerthig ist. Mithin würden die Merkmale eines
zivilrechtlichen Betruges scheinbar zu erbringen sein und der Er-
werber den Ersatz seines Schadens beanspruchen können, welcher
sich auf den Unterschied erstreckt, den der Werth des voll be-
bauungsfähigen gegenüber dem baubeschränkten Grundstück er-
giebt. Uebrigens ist keineswegs sicher, dass der Nachbar mit
seiner Klage durchdringt, vvenn thatsächlich die beregte Belastung
dem jetzigen Bauherrn zurzeit des Erwerbes verschwiegen war
und er sich bezüglich derselben in einem entschuldbaren Irrthum
befinden konnte. — K. H-e.
Hrn. Bautechn. P. in Allenstein. Bis zum i. Jan. 1900 galt
das Gesetz vom 22. Juni 1889 und die Ausführungsanweisung zu
demselben , welche eine Bestimmung des Ihrerseits erwähnten In-
haltes hatten. Jetzt gilt jedoch das Gesetz v. 13. Juli 1899, zu dem
eine Anleitung v. ,19 Dez. 1899 erlassen ist, welche den Kreis der
Versicherungspflichtigen regelt. Da nun § i Ziff. 2 ausdrücklich
die Techniker, deren Diensteinkomraen weniger als 2000 M. jähr-
lich beträgt, für versicherungspflichtig erklärt, und es nach der
Ihrerseits geschilderten Art der Ihnen obliegenden Verrichtungen
nicht bedenklich ist, dass Sie die Stellung eines Technikers im
Sinne der Gew.-Ord. § 133a bekleiden, sind Sie jedenfalls ver-
sicherungspfiiehtig und zum Zahlen der Hälfte der zu verbrauchen-
den Marken verpflichtet. Auf Befreiung von der Versicherungspflicht
haben Sie darnach keinen gesetzlichen Anspruch, da Sie zu den Per-
sonen nicht gehören, denen § 5 ff. eine Befreiung zugesteht. K. H-e.
Hrn. Stadtbmstr. Z. in S. Wir würden den zylindrischen
Sinkkasten init darin stehendem Eimer nach eigenen Erfalirungen
den Vorzug vor viereckig geformten geben, weil ersterc, wenn
die Abdichtung des Eimers' gegen die Zylinderwand gut
und dauerhaft ist, reinlicher sind. Aber die zylindrischen Sink-
kasten lassen sich auch mit Handschöpfern ebenso gut reinigen
und haben denVorzug, äusseren Druckkräften besser zu widerstehen,
als die viereckigen. Bei mangelhaften Manschetten, der Eimer kann
es schwierig sein, letztere ohne Gebrauch eines Flaschenzugs her-
auszuheben, bei guter Manschettendichtung ist die Benutzung eines
Flaschenzugs entbehrlich. Ein Eimer, der allen Ansprüchen ge-
recht wird, ist von Mairich konstruirt; er wird von der Geiger’schen
Fabrik in Karlsruhe geliefert. Genaueres über die Konstruktion
dieser Eimer und überhaupt derjenigen von Sinkschachten finden
Sie in Büsing: Die Städtereinigung, Stuttgart. —
Inhalt: Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von
Siemens & Halske VII. (Schluss). — Ein Beitrag zum Kapitel der staatlichen.
Kunstförderung. — MittheilungM aus Vereinen — Vermischtes. — Preisbe-
werbungen. — Bücherschau. .^Personal-Nachrichten. — Brief- u. Fragekasten.
Verlag der Deutschen Banzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortL Albert Hofmann, Berlin, Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 43.
292
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
>HBERLIN ^
sjstsrarsrsfsrssstÄS:
««►ssÄftstststsrsrstatsrs»
AUZEITUNG.
GANG. * Hs N2: 46. Hs
DEN 7. JUNI igo2. Hs
«ÄÄStarstarsjstÄStstsitat
Nördlicher Friedhof. Ansicht der Anlage gegen das Gräberfeld.
Die neuen Münchener Friedhöfe.
Architekt: Stadt, Baurath Hans Grassel in München. (Hism die Abbildsn. 5.39511.39,)
I. Allgemeines.
Leichen im Erdgrabe zum Zwecke der möglichst schnellen
Auflösung der organischen Bestandtheile der menschlichen Ueberreste ohne
Gefahr für die Lebenden war die in Deutschland seit Alters übliche. Die Be-
gattung erfolgte früher auf dem Kirchhof, Gottesacker, Friedhol, einem um das
Gotteshaus gelegenen abgegrenzten Gelände, welches im südlichen Deutsch-
land ursprünglich einen Freithof (althochdeutsch Frtthof), einen Zufluchtsort
für Verfolgte bedeutete und allmählich die Bedeutung einer Stätte des Friedens
ann^ra, in welcher Bedeutung der Ausdruck für die Begräbnisstätte im Laufe
der Zeit dann allgemein eingeführt wurde. Der Gebrauch der Bestattung auf
dem Gottesacker, dem Kirchhof bestand auch in München seit dem Mittelalter
die Friedhöfe waren hier die Kirchhöfe der einzelnen Pfarreien und wurden
mit deren Namen belegt. Sie lagen demgemäss wie die Kirchen selbst in-
mitten der Stadt. Durch eine kurfürstliche Verordnung vom 17 Febr 1780
jedoch wurden die Kirchhöfe in der Stadt aufgehoben und die Ueberführung
der Leichen auf den schon seit dem Jahre 1557 als Armen- und Epidemien
t riedhof bestehenden ßegräbnissplatz vor dem Sendlinger Thor, dem heutigen
^dhehen Friedhof an der Thalkirchener-Strasse, dessen Fläche auf 7 bayerische
l agwerk (r Tagw. rd. 34 a*-) vergrössert wurde, zur Vorschrift gemacht. Als
dieser Fiiedhof am 14. April 1789 die feierliche Weihe erhalten hatte, da war
eine Umwandlung im Bestattungswesen Münchens vollzogen : aus den Parochial-
!• riedhöfen der einzelnen Pfarreien war ein Kommunal- oder Gemeinde-Friedhof
geworden.
Die im Laufe der Zeit folgenden Verbesserungen und Erweiterungen
dieser Anlage führten zunächst— 1791 — zur Umwandlung des alten Beinhauses
m eine Leichenkapelle, wo die Leichen zweimal 48 Stunden aufgebahrt werden
mussten, um sich ihres sicheren Todes zu vergewissern und der damals noch
allgemein befürchteten Möglichkeit der Bestattung, so lange noch Leben im
Körper ist, entpgen zu wirken. Im Jahre 1814 wurde dieser erste Gemeinde-
Gottesacker auf eine Grösse von 20 Tagwerk (6,8 ha) gebracht, und von 1818
bis 1819 erhielt derselbe nach den Plänen des Brths. Vorherr ein ver-
giössertes Leichenhaus mit den im Halbkreise daran rechts und links sich
anschliessenden Gruftarkaden mit Ehrenhalle. Der Friedhof enthielt Jetzt bei
einem jährlichen Begräbnisstande von 2300 Leichen etwa 14000 Gräber, sowie
95 A^adengrüfte. 1847 wurde derselbe um eine Fläche von 3 ha mit etwa
6000 Gr^ern (Grunderwerb: 40000 Gulden) vergrössert und nach den Plänen
des Üb.-Brth. Gärtner mit einem Kostenaufwande von 260000 Gulden von
einer Gruftarkaden-Anlage von 175 Grüften umzogen. Der so gestaltete und
noch heute bestehende südliche Friedhof Münchens, welcher berühmt ist
293
durch die Menge seiner hervorragenden Grab-Denk-
mäler, wie sie kein zweiter Friedhof in Deutschland auf-
zuweisen hat, bildete sodann bis zum Jahre j868 die
einzige Kommunal -Begräbnisstätte der bayerischen
Hauptstadt. Neben diesem südlichen Friedhofe be-
standen in den Vororten für die christlichen Pfarr
gemeinden die 12 kleinen Kirchhöfe in Bogenhausen,
Ramersdorf, Haidhausen, Au, Giesing, Thalkirchen,
Sendling, Laim, Neuhausen, Nj'^mphenburg sowie in
Schwabing (2), welche mit Ausnahme des 1876 auf-
gehobenen (jiesinger Friedhofes zurzeit ebenfalls Ge-
meinde-Friedhöfe Münchens bilden, in welchen jedoch
nur noch in den daselbst gekauften Familiengräbern
und höchstens bis zum Jahre 1925 Beerdigungen vor-
genommen werden dürfen.
Im Jahre 1867 war die Stadtgemeinde München
veranlasst, in ihrem neuen nördlichen Stadttheil an
der Arcisstrasse einen weiteren, den nördlichen
Friedhof anzulegen, welcher in der Grösse von
4,5 ujjt; etwa 8000 Gräbern und 30 Arkadengrüften
nach den Plänen des städtischen Baurathes Zenetti
zur Ausführung kam und am 8. September 1868 er-
öffnet wurde.
Durch die vielen kleinen Friedhof -Anlagen war
das Begräbnisswesen Münchens mit der Zeit ein sehr
zersplittertes geworden und es musste daher die Stadt
bei dem in den 70er und 80er Jahren schnell zu-
nehmenden Wachsthum an eine Zusammenfassung
denken. Es geschah das zunächst durch Angliederung
einer 25,2*'^ grossen Begräbnissfläche an den 1,7!’^
grossen alten Gottesacker der Vorstadt Au auf der
östlichen Hochfläche der Stadt und es war dieser
neue östliche Friedhof ursprünglich als ein Zen-
tral-Friedhof gedacht.
Nach Einverleibung von Schwabing, Neuhausen
und Bogenhausen in den Jahren 1890 und 1891 sah
man aber bald, dass die Entfernungen zu dem ver-
meinten Zentral-Friedhof zu grosse wurden, dass die
Fläche desselben für eine Zentral-Begräbnisstätte Mün-
chens nicht ausreichend sei, dass eine Vergrösserung
wegen der inzwischen bedeutend gestiegenen Grund-
werthe sich nicht ermöglichen lasse und dass die
Schaffung eines einzigen grossen Todtenfeldes auch
aus anderen Gründen, besonders aber in grösserer
Nähe der bebauten Stadttheile, nicht erwünscht sei,
und man schritt zu einer Dezentralisirung der Fried-
hof-Anlagen nach den 4 Himmelsrichtungen, indem
man zu dem genannten östlichen Friedhöfe die An-
lage von noch 3 weiteren Begräbnissplätzen im Nor-
den, Westen und Süden der Stadt beschloss. —
(FortsetzuDg folgt.)
Zur Karlsruher Bahnhofsfrage.
Von Ob.-Brth. Prof. Baumeister.
en ausführlichen Darlegungen in No. 32 und 33 d. Bl.
über die Karlsruher Bahnhofsfrage erlaube ich mir
ein paar Ergänzungen anzufügen, welche nach mei-
ner Ansicht zumtheil auch eine grundsätzliche Bedeutung
besitzen und deshalb die Leser wohl interessiren dürften.
Es geschieht aufgrund eines Gutachtens, welches ich im
Aufträge des Stadtraths von Karlsruhe unter dem 5. April
d. J, erstattet hatte.
Die beiden Entwürfe der Eisenbahn-Verwaltung, näm-
lich A. Verlegung der Bahn an den südUchen Rand der
Stadt (s. Lageplan S. 204) und B. Hochlegung der Anlage
auf dem jetzigen Platz, stimmen in der zunächst beabsich-
tigten Anlage „auf absehbare Zeit“ genau überein; es sind
12 Zugplätze zum Anhalten von Personenzügen vorgesehen.
Aber auch bei einer etwaigen künftigen Vergrösserung auf
18 Zugplätze, können die beiden Entwürfe als gleich
leistungsfähig gelten, indem bei A. der erforderliche Raum
nach der Breite vorgesehen ist, beiB. unter Verlegung des
jetzigen Lokalgüter-Bahnhofs mittels abgesetzter Zungen-
Bahnsteige nach der Länge gewonnen werden kann. In
betriebstechnischer Hinsicht verdient zweifellos A. dieVor-
züge der Geradlinigkeit und Uebersichtlichkeit, sowie der
schlanken Krümmungsverhältnisse bei den Anschlusslinien;
allein diese Vorzüge besitzen doch im Hinblick auf andere
Bahnhöfe, von welchen die meisten unter dem Zwang ört-
licher Verhältnisse stehen und sich nicht wie A. gleichsam
akademisch frei entwickeln Hessen , nur ein relatives Gewicht.
Während der Ausführung von B. wäre nach Ansicht
der badischen Betriebsverwaltung ein Nothbahnhof an
dritter Stelle unumgänglich. Sie begründet dies mit dem
seit 1898 gewachsenen Verkehr, während sie bis dahin
bei ihren Entwürfen die Hochlegung in zwei Zeitabschnitten
angenommen halte. Wenn man erwägt, dass die mit Bahn
steigen und Zugplätzen besetzte Breite des jetzigen Bahn-
hofes 50“ misst und dahinter nach Abreissen von Remisen
und dergl. noch ein freier Raum von 78 “ zur Verfügung
steht, so ist die Dringlichkeit eines Nothbahnhofes wohl zu
bezweifeln. In anderen Städten sind bei Bahnhofs-Um-
bauten schwierigere örtliche Verhältnisse mittels hälftiger
Hochlegung überwunden worden, z. B. in Köln, Essen,
Münster, Dresden, bevorstehend in Nürnberg. Indessen,
es muss nun mit der Ansicht derjenigen, welche die Ver-
antwortung zu tragen haben, gerechnet werden.
In den reinen Baukosten weichen die beiden Lösun-
gen bei dem zunächst beabsichtigten Umfang der Aus-
führung nicht erheblich von einander ab. Zu einem finan-
ziellen Vergleich in ihrem Endzustände, welcher nach
etwaiger Erweiterung in Aussicht genommen ist, mangelt
es an Material; beträchtliche Unterschiede sind mir aber
auch dann nicht wahrscheinlich, und es braucht die Lösung
der Bahnhofsfrage sicherlich nicht von derartigen künftigen
Maassregeln abhängig gemacht zu werden, sofern diese
nur technisch vorbedacht sind. Wenn dennoch in der
Vorlage an den Landtag ein Unterschied von rd. 7 Mill. M.
zu Gunsten von A. erscheint, so liegt die Ursache davon
theils in den Kosten des Nothbahnhofes, theils in dem er-
294
hofften Erlös für das frei werdende Gelände des gegen-
wärtigen Bahnhofes und seiner Zufahrtslinien (ungefähr
96 ha), welcher gleich mit in Rechnung gestellt worden
ist. Dass der genannte Unterschied in der Budget-Kom-
mission der 2. Kammer vor kurzem bereits einen Entscheid
für A. herbeigeführt hat, kann nicht Wunder nehmen.
Wie verhalten sich aber dazu die Interessen der Stadt
und ihrer Bewohner?
Abgesehen von etlichen ästhetischen Momenten,
welche zumeist gegen B. sprechen, aber durch die Ge-
wohnheit gemildert zu werden pflegen, würden infolge
von A. zwei schwere wirthschaftliche Nachtheile ent-
stehen, nämlich zuerst die Werthverminderung bei vielen
Geschäften und Häusern in der Umgebung des jetzigen
Bahnhofes (nicht blos bei den Gasthöfen laut S. 20g). Ein
Ministerial-Erlass greift hierwegen den bekannten Satz auf,
dass Privatinteressen hinter den öffentlichen Interessen
zurückstehen müssen — ein schlechter Trost für die Be-
troffenen. Allerdings ist es schwer und namentlich nicht
im Voraus zu bestimmen, in welchem Umfange Werth-
verschiebungen erfolgen , deshalb erscheint es als eine
Aufgabe der Gemeinde, solche womöglich zu verhüten.
Klarer liegt die andere Folge einer Verlegung des
Bahnhofes. Die Wege zu und von demselben würden für
den grössten Theil der Bevölkerung verlängert und nur
für einen kleinen Theil verkürzt. Um diesen Gegenstand
nicht blos nach dem Gefühl und mit einzelnen Angaben
darzulegen, habe ich ein sorgfältiges geometrisches Ver-
fahren eingescl. lagen, dessen Ergebniss in einer mittleren
Verlängerung der Wege für alle Einwohner der Stadt
um 837 “1 besteht, gleich einer Zeit von 9,3 Minuten, wenn
als Geschwindigkeit eines rüstigen Fussgängers 1,5“ für
die Sekunde angenommen werden. Aus dem jüngsten
Jahresberichte der badischen Eisenbahnen ergiebt sich
die Anzahl der abgehenden und ankommenden Reisenden,
z. Th. allerdings nur aus Schätzung, zu 2575000, somit
die Zeit, welche infolge Verlegung des Bahnhofes jährlich
verloren gehen würde, zu 400 000 Stunden. Dass bei
dieser Berechnung der den Fremden zugefügte Zeitverlust
mit auf das Konto der Stadt gesetzt worden ist, begründet
sich dadurch, dass es auch im Interesse der Einwohner
liegt, wenn Fremde zu Besuchen, Geschäften und Ver-
gnügungen möglichst bequem in die Stadt gelangen können.
Was den Geldwerth der verlorenen 400000 Stunden
betrifft, so wird derselbe zwar von Rentnern, Damen und
Kindern nicht sonderlich beachtet werden , andererseits
aber hoch geschätzt von solchen Personen, welche ihre
Zeit in Arbeit umsetzen. Würde man als Durchschnitts-
werth nur den geringsten Verdienst eines Tagelöhners
mit 25 Pfg. für die Stunde legen, so berechnet sich ein
jährlicher Verlust von 100000 M., entsprechend einem
Kapital von 2500000 M. Allein sicherlich ist bei einer
fleissigen städtischen Bevölkerung der Werth der Zeit,
auch im Durchschnitt betrachtet, höher als bei lauter
Tagelöhnern. Man müsste daher die letztgenannten Sum-
men vielleicht verdoppeln oder noch stärker vervielfachen.
No. 46.
Bei der Benutzung von Fuhrwerk stellt sich der Zeit-
verlust geringer als beim Gehen, aber der Geldaufwand
noch erheblich höher. Vortheilhafter könnte die Benutzung
der (entsprechend vervollständigten) elektrischen Strassen-
bahnen ausfallen. Auch hierüber werden in dem Gut-
achten Untersuchungen angestellt, welche dahin führen,
Einzelnen überlassen bleiben, ob sie lieber Zeit oder Geld
opfern wollen; das letztere wird leicht selbst von solchen
Personen, welchen die Zeit wenig werth ist, wegen der
Ermüdung vorgezogen werden, während andererseits viele
Personen gegen ihren Willen zum Gehen statt zum Fähren
genöthigt sein werden, weil für grosse ankommende
dass 13 o/q des Gesammtverkehres sich schon jetzt der
Strassenbahn bedienen, 7% derselben wegen geringer
Entfernungen überhaupt nicht bedürfen, also 80 o/q künftig
neu darauf angewiesen sein und ihr Fahrgeld von 10 Pfg.
bezahlen werden. Imganzen beträgt somit der künftige
Mehraufwand 0,80.2575000.0,10 = 206000 M. jährlich,
entsprechend einem Kapital von 5 150000 M. Es mag den
7. Juni 1902.
Menschenmengen nicht immer eine genügende Zahl von
Wagen nebst Dienstpersonal am Bahnhofe bereit stehen
wird. Man kann somit aufgrund von zweierlei Rechnüngs-
wegen die runde Summe von 5 Mill. M. als den Verlust
ansehen, welchen die Bevölkerung durch Ausführung des
Projektes A erleiden würde.
Dass der obige Jahresbetrag von rd. 200000 M. sicli im
295
Laufe der Zeit wesentlich ändern werde, ist nicht wahr- Länge von 837“ sich allmählich vermindert, so wird da-
scheinhch. Denn wenn auch bei zunehmender Bevölkerung für die Anzahl der Wege zwischen Bahnhof und Stadt
die Stadt sich vorwiegend nach dem neuen Bahnhofe hin zunehmen, und beides, weil von derselben Ursache ab-
ausbaut und erweitert, und damit die durchschnittliche hängig, sich gegenseitig mehr oder weniger ausgleichen-
Ö92 Ko. 46.
Architekt: Raimondo D'Aronco ii
297
7- Juni 1902.
Stadtrath und Bürgerausschuss haben sich schon vor
2 Jahren dahin ausgesprochen, dass die Hochlegung an
der gegenwärtigen Stelle für die Stadtgemeinde am vor-
theilhaftesten erscheine. Sollte nun aber, wie es wahr-
scheinlich ist, bei der Regierung be2w. im Landtage die
Verlegung vorgezogen werden, so wäre bei den darauf
folgenden Verhandlungen vonseiten der Stadt u. a. der
Verlust wegen Wegverlängerungen in dem oben ange-
führten Betrage geltend zu machen. Hier stossen wir aber
meines Erachtens auf eine Lücke in unseren Rechtszustän-
den, Der Staat verschiebt plötzlich einen Bahnhof, an dessen
60jährigen Bestand sich nicht nur die Eigenthumswerthe
der ganzen Umgebung, sondern auch die Verkehrsver-
hältni.'^se der ganzen Bevölkerung geknüpft haben. Eine
Entschädigung von Rechts wegen giebt es nicht, um so
entschiedener aber wäre sie gewiss Sache der Billigkeit.
Zudem brauchte die genannte Summe nicht etwa in baar
verabfolgt zu werden, denn es giebt ein Aequivalent da-
für, welches beiden Theilen noch angenehmer sein möchte.
Dies ist das nach vollzogener Verlegung freiwerdende
Bahneigenthum, welches entweder unentgeltlich oder um
einen wahrhaft niedrigen Preis, etwa um die Selbstkosten
von 1842, zu übergeben wäre.
Zur Begründung des Vorstehenden ist ausserdem dar-
an zu erinnern, dass das Gelände in fraglicher Gegend
jetzt für Bauzwecke gut den hundertfachen Werth von
dem Preis besitzt, welcher bei der ersten Anlage der
Eisenbahn bezahlt werden musste. Wer hat diese Werth-
steigerung zustande gebracht? Gewiss nicht die Eisen-
bahnverwaltung, sondern die Gemeinde vermöge der
Tüchtigkeit ihrer Bürger und ihrer Verwaltung, sowie der
dadurch bewirkten Zunahme des Wohlstandes und des
Baugebietes. Dass die Gemeinde theilnehme an dem
Werthzuwachs, welcher den Grundbesitzern zumeist mühe-
los in den Schooss fällt, ist ein bekanntes Streben der
Vertreter einer gesunden Bodenpolitik. Hier bietet sich
schon vor einer in dieser Beziehung zu erhoffenden Ge-
setzgebung dem Staate Gelegenheit, dass er als grösster
Grundbesitzer aus freien Stücken der Vernunft und Billig-
keit Raum giebt, statt den fiskalischen Standpunkt, d. h.
den der Bodenspekulanten festzuhalten.
Auch an dieser Stelle möchte ich daher mit dem
Wunsche für die Stadt Karlsruhe schliessen: In erster
Linie Hochlegen des jetzigen Bahnhofes, in zweiter Ab-
treten des von ihm besetzten Geländes an die Stadt. —
Karlsruhe, im Mai 1902.
Vermischtes.
Der Besuch der österreichischen Fachgenossen In Berlin,
auf den wir in No. 41 bereits hinwiesen, nahm, wie wir
glauben annehmen zu dürfen, bisher einen für beide
Theile, sowohl für die Gäste, wie für die beim Empfang
und der Führung betheiligten 3 Berliner Vereine, nach
jeder Richtung befriedigenden Verlauf und lieferte den
Beweis von dem herzlichen Einvernehmen, das, wie
zwischen den beiden Ländern, auch zwischen den tech-
nischen Vereinen derselben besteht und das jedenfalls
durch diesen Besuch, dem sich hoffentlich in nicht allzu
ferner Zeit ein Gegenbesuch der Berliner anschliesst, eine
neue Kräftigung erfahren wird.
üeber 100 österreichische Facbgenossen mit einigen
wenigen Damen trafen unter Führung des Vorsitzenden
des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins,
dem General-Insp. der Österreich. Bahnen, Hrn. Gerstel,
und des Vereins-Sekretärs und gleichzeitig Schriftleiters
der in technischen Kreisen allgemein anerkannten Vereins-
Zeitschrift, Hrn. Ing. Frhr. von Popp, am 2. Juni Vor-
mittags in Berlin ein. Um 2 Uhr des Nachmittags wurden
sie aus ihrem Absteigequartier, dem Continental-Hötel,
von den Mitgliedern der Vorstände des Berliner Archi-
tekten-Vereins, des Vereins deutscher Ingenieure und der
Vereinigung Berliner Architekten abgeholt, um in von der
Stadt gestellten Wagen eine Rundfahrt durch Berlin, na-
mentlich zur Besichtigung einiger städtischer Hochbauten,
zu machen. Unter Führung des Architekten Stadtbrths.
Ludw. Hoffmann wurden zunächst die Feuerwache und
das Standesamt an der Fischerstrasse bezw. Fischerbrücke
besucht, wo seitens der Feuerwehr im geräumigen Hofe
eine Uebung mit Dampfspritze und mechanischer Leiter
vorgeführt wurde, die grosses Interesse und durch
exacte Ausführung den Beifall der Oesterreicher erregte.
Eigenartig wirkte bei dieser Vorführung der Gegensatz
zwischen der Architektur des Hofes, die den Beschauer
in das einfache, mittelalterliche Berlin zurückversetzte und
den hochausgebildeten Hilfsmitteln der modernen Technik.
Dann folgte die Besichtigung des reizvoll und anheimelnd
ausgestatteten Kinderasyles in der Kürassierstrasse, der
Doppel-Gemeindeschule in der Wilmsstrasse und des be-
nachbarten Volksbades mit seiner wuchtigen, der italie-
nischen Renaissance entlehnten Formgebung und schliess-
lich des noch im Bau begriffenen Märkischen Museums,
das wiederum, entsprechend den Gegenständen, die es
Von der I. internationalen Ausstellung für moderne
dekorative Kunst in Turin.
II. (Hierzu die Abbildungen S. 296 u, 399 und eine Bildbeilage.)
an sollte sich bewusst werden, dass aUe die unan-
genehmen Anhängsel, die dem Worte „modern“ in
den bildenden Künsten und ganz besonders in der
Baukunst nachschleppen, nur das Unkünstlerische in der
Moderne bezeichnen. Das ganze Schnörkelwesen in seiner
bizarren Ausführlichkeit ist in Wirklichkeit eine ganz zu-
fällige Nebenerscheinung in der fortschreitenden Bewegung,
eine Erscheinung, die, von unbedeutenden Geistern gepflegt,
allmählich in dem Laien das falsche Bild vom Sezessionsstil
erstehen liess. Unter diesem ersten Eindruck hat die Mo-
derne bis zum heutigen Tage zu leiden, und Hr. van de
Velde, der theoretisch so Wohlgewandte und Rechtge-
sinnte, hat jene Gefolgschaft ins Leben gerufen. Seine
entzückten Bewunderer glaubten, dass, da sie die Form
nur als Problem ansahen, sie mit der formellen Lösung
zugleich auch das Künstlerische der Aufgabe erschöpft
hätten. Alle jene wunderbaren Theorien, die v. d. Velde
von Konstruktionswahrheit, Materialgerechtigkeit oder Ma-
terialstilistik entwickelte, und die die alten Meister
wirklich ausführten, blieben nur auf dem Papier, und
in Wirklichkeit maltraitirten jene Herren das Material, be-
sonders Holz, auf barbarische Weise, wenn man ihre Aus-
führungen mit ihren Theorien zusammenhält.
Wenn wir jetzt von moderner Kunst sprechen, so
möchten wir zunächst feststellen, dass von jenem Linien-
unfug in der Turiner Ausstellung nicht mehr viel zu spüren
ist. Charakteristischerweise nur bei jenem Volksstamm,
bei dem die Moderne spät eingezogen ist, bei den Italienern.
Belgier, Franzosen, Oesterreicher und Üngarn halten sich
in bescheidenen Grenzen, Engländer, Schotten, Deutsche
sind vollkommen davon befreit. Wir sehen, dass zumeist
ein Ueberdruss gegen die stilistische Uebersättigung in
mittelalterlichen und Renaissanceformen, also gegen die
überkommenen Formen, das Neue in der Form der Linie
gesucht hat. Die Ausschreitungen, die dadurch gezeitigt
298
wurden, haben das Erspriessliche des Versuches selbst-
ständiger Erfindung in den Formen hinterlassen, die in
kurzer Zeit zu einer verständnissvollen Weiterausbildung
gesunder, künstlerischer Grundsätze führte.
Diese Weiterausbildung gesunder künstlerischer Grund-
sätze zeigt sich darin, dass bei allen Aufgaben der Raum-
kunst zunächst in den Sinn der Aufgabe eingedrungen
wurde oder versucht worden ist einzudringen und dass,
nachdem man verstandesgemäss diesen erfasst hatte, auf
dieser Einsicht die künstlerische Raumstimmung aufgebaut
wurde. Ein Beispiel mag deutlicher sprechen. Wir haben
die Aufgabe, einen Empfangsraum zu schaffen, in einem
Schlosse vielleicht, dann würde diese Aufgabe von der
älteren Generation so gelöst worden sein, dass sie einen
der vielen herrlichen Barocksäle studirt und mit aus jenen
entnommenen „echten Motiven“ ihren Raum koraponirt
hätte. Dieser Raum trüge dann den Barockcharakter, d. h.
eine Stimmung, die vor allen Dingen den Geist jener
Epoche trägt.
Der Moderne, und das unterscheidet ihn wesentlich,
von jenen, will nicht mit echten Motiven arbeiten, son-
dern aus seiner eigenen Stimmung heraus einen Raum
schaffen, der das Gepräge seines Schöpfers und nicht das
des XVII. oder XVIII. Jahrhunderts trägt. Er hält es
seiner Ahnen unwürdig, durch eine rein äusserliche Ver-
wendung alter Motive oder Formen, die ihren ganz be-
stimmten Werth an ganz bestimmter Stelle haben, Wirkun-
gen zu erhaschen. Hierbei, nämlich bei der Bildung des
Empfangsraumes, Hesse sich übrigens noch ein Entschuldi-
gungsgrund finden. Wie aber, wenn es sich um vollkommen
moderne Aufgaben, wie Bahnhöfe, Ausstellungsräume,
Waarenhäuser, Hotels usw. handelt? Nur an solchen
Aufgaben begreift man den tiefen Sinn der Moderne , da
handelt es sich nicht mehr um einen blossen Linientanz,
da handelt es sich um ganz neue Raumstiramungen, und
die guten Bahnhöfe der Neuzeit zeigen da schon einen
ganz erheblichen Zug nach vorwärts.
Auch hier in Turin ist der Fortschritt unverkennbar.
Es sind nicht mehr allein Werke der Kleinkunst, die den
ausgesprochen modernen Charakter tragen, nicht nur
No. 46.
einschliessen soll, die Formen der mittelalterlichen heimi- Damen erschienenen Mitelieder der drei Berliner Vereine
sehen Kunst zeigt. Dort wurden die Fachgenossen vom dicht gefüllt war.
Herrn Oberbürgermeister der Stadt Berlin empfangen und Zunichst ergriff Herr Direktor Max Krause der Firma
in einem zu dem Zwecke hergerichteten Raume durch Borsig, als Vorsitzender des Bezirksvereins ’ deutscher
Imbiss aus der Küche tmd dem Keller Ingenieure in Berlin das Wort zu einer herzlichen Be-
des Rathskellers erfnscht, während die Knaben-Kapelle grüssung der Gäste, um mit einem Hoch auf die Herrscher
des Waisenhauses die österreichische Volkshymne und der beiden verbündeten und befreundeten Staaten 71,
andere Weisen ertönen hess. schliessen. ‘ue'cn oiaaien zu
Mit herzlichen Worten begrüsste dort Hr. Ob.-Bürger-
mstr. Kirschner die Gäste, indem er den Sympathien
Ausdruck gab, die beide Völker verbinden und die erst
vor etwa 2 Jahren bei dem Besuche, den der österreichi-
sche Kaiser in Berlin abstattete, diesem von der ganzen
Bevölkerung entgegengebracht wurden, "
die Gäste von Berlin
und auch von dem
was sie von den Bau-
ausführungen der
Stadtbauverwaltung
soeben gesehen hät-
ten, einen günstigen
Eindruck mitnehmen
würden. In einem
Hoch auf die Gäste
klang die Rede aus.
Hr. Generalinspektor
Gerstel dankte Na-
mens derselben für
den herzlichen Em-
pfang, zollte den Lei-
stungen der Stadt-
geraeinde die wärm-
ste Anerkennung und
hob hervor, dass diese
sich glücklich schätz-
en könne, in Stadt-
brth.Hoffmann einen
so trefflichen Künst-
ler zu besitzen, wäh-
rend letzterer in der
Stadtgemeinde einen
Bauherrn gefunden
habe, wie er ihn
sich nicht besser
wünschen könne. Die
Stadt verdiene Be-
wunderung für das,
was sie in den letz-
ten 3 Jahrzehnten ge-
leistet habe, in denen
sie sich zur zweit-
grössten Stadt des
Kontinentes aufge-
schwungen habe.
Der Redner schloss
rmt einem Hoch auf
die Stadtgemeinde
und ihren Ob.-Brgr.-
mstr. Kirschner, in
das alle Anwesenden
lebhaft einstimmten.
Wiederum zu Wa-
gen ging es nun hin-
aus nach dem Zoolo-
gischen Garten durch
die Leipzigerstrasse,
Bellevue- Allee, die
Thiergarten - Strasse,
wobei die Gäste wie-
derholt ihrem Er-
staunen über den
überaus lebhaften
Verkehr, die breiten,
gut gepflegten Stras-
sen und die reiche
und bedeutende Ar-
chitektur vieler Bau-
ten Ausdruck gaben.
Im Zoologischen
Garten wurde noch
rasch ein Gang durch
die schönen Anlagi
den neuen
Ihm erwiderte wiederum der Vorsitzende des öster-
reichischen Vereins, der hervorhob, dass die heutige
Umfahrt seinen Landsleuten einen kleinen Begriff ee-
geben hätte von dem, was Berlin in den letzten Jahren
geleistet habe. Es verdanke das neben eigenem Streben
Er hoffe, dass und zielbewusster Energie zum nicht geringen Theile
seinem thaikräftigen
Herrscher, der durch
sein Verhalten gegen-
über derTechnik und
ihren Vertretern ge-
zeigt habe, wie sehr
er von modernem
Geiste erfüllt sei. Er
sei der erste gewe-
sen, der die Schran-
ken niedergerissen
habe, welche die
Technik bisher von
den anderen Wissen-
schaften trennte und
der mit dem Dr.
Ing. der Technik
ein werthvolles Ge-
schenk gemacht habe.
Er fordere die Ver-
sammlung zu einem
Hoch auf den deut-
schen Kaiser, den
treuen Bundesgenos-
sen Oesterreichs, auf.
Namens des Berliner
Architekten - Vereins
sprach dann Hr.Brth,
Beer, der nament-
lich der freundschaft-
lichen Beziehungen
derV ereine und Fach-
genossen der beiden
Länder gedachte; ihm
erwiderte noch ein-
mal Hr. Gerstel, der
auf das gemeinsame
Streben nach hohen
Zielen, das gemein-
same Zusammenwir-
ken im Kampfe um
die Gleichberechti-
gung mit den ande-
ren Berufsarten sein
Glas leerte mit
einem Hoch auf die
deutschen Fachge-
nossen. Mit einem
Toast auf die Damen,
der von Herrn Fabr.-
Dir. Pierus, ebenfalls
ein österreichischer
Gast, ausgebracht
wurde, schloss der
offizielle Theil des
Abends, aber noch
längereZeit bliebman
im Garten versam-
melt, um den schö-
nen Sommerabend
nach den Anstren-
gungen des heissen
Tages zu gemessen.
Schon frühzeitig
am nächsten Tage
fand dann eine Be-
sichtigung der Ver-
Von der I. internationalen Ausstellung für mod. dekorative Kunst in Turin.
Inneres der Kuppelhalle. Architekt D’Aronco.
V ^ . sichtiguDg der Ver
en gemacht und wenigstens Einiges suchsstrecke der Schnellbahn-Gesellschaft und ihrerWa-
r Augenschein genommen, gen in Marienfelde statt, dem eine kurze Besichtigung
künäerische ‘'Ji, ^ Jahren eme der hervorragenden Bauten der Villenkolonie Grunewald
wohl wen^re ^onln^ ® Frühstück im Restaurant Hundekehle
® ^ Welt aufweisen, und endigte. Am Abend folgten ein grösserer Theil der öster-
unH i““™ Abendbrot reichischen Fachgenossen und Vertreter der 3 Berliner
dmch dil “ .grossen Konzertsaal, der Vereine einer Einladung des Direktors Schwieger der
durch die Oesterreicher und die zahlreich auch mit ihren A.-G. Siemens & Halske zu einem Festessen im Savoy-
7. Juni 1902.
299
Hotel, bei welchem die Antwort-Depeschen der Kaiser
Fran2 Joseph und Wilhelm II. auf die vom Verbände ab-
gesandten Huldigungs-Telegramme lauten Beifall erregten.
Für Mittwoch war eine Besichtisung des Domes, der
Museen, des Abgeordnetenhauses und sodann der Floch-
und Untergrundbahn in Aussicht genommen. ~
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Krankenhaus Saarbrücken. Das mit einem
Kostenaufwande von i6 M. für i cb® der Hauptgebäude
und 8 M. für i cbm Jer Liegehallen und Veranden zu er-
richtende Gebäude, für welches ein Stil nicht vorgeschrie-
ben wird, ist auf einem geneigten Gelände derart ausgeführt
gedacht, dass alle nicht unmittelbar neben den Kranken-
räumen erforderlichen wirihschaftlichen und Verwaltungs-
räurae in das nach Norden liegende Keller-, hohe Erd-
und Dachgeschoss, die Krankenräume aber möglichst nach
Süden zu liegen kommen. An Raumgruppen bezw. be-
sonderen Gebäuden sollen u, a. geplant werden eine chirur-
gische Abtheilung mit 6o Betten, eine innere Abtheilung
mit 104 Betten, eine Isolirbaracke mit 30 — 35 Betten, eine
Baracke für 15—20 Kinder, für alle Abtheilungen die
nöthigen Betriebsräume, die Gruppe der Verwaltungs-
räume, sowie ein Leichenhaus. Die Hauptzeichnungen
sind T : 200 verlangt. Üeber die Ausführung behält sich
die Hospital-Verwaltung freie Hand vor. —
Wettbewerb Krelshäus Kolberg-Köslln. Das auf einem
Eckgrundstück der Kümmert- und der Dom-Strasse mit
einem Gesammt-Kostenaufwande von 200000 M., von wel-
. chen die Kosten für das Grundstück, die Strassenanlage
und die Fundamente im Betrage von 40000 M. abgehen,
in beliebigem, jedoch malerischem Stile zu errichtende
Gebäude soll Räume für den Kreisausschuss, das Land-
rathsamt, die Kreis-Steuerverwaltung und für eine Reihe
anderer Verwaltungszweige, sowie Wohnungen für den
Landrath und andere Beamte enthalten. Ihm soll sich
ein Stallgebäude anschliessen. Dem Preisgerichte steht
das Recht zu, die Preissumme in anderen als den S. 284
genannten Abstufungen zur Vertheilung zu bringen. „Die
künstlerische Leitung des Baues soll einem der
Bewerber übertragen werden“; durch diese Pro-
gramm-Bestimmung regt das Ausschreiben gewiss von
selbst zu zahlreicher Betheiligung an. —
Einen Wettbewerb betr. die Konstruktion einer Schutz-
vorrichtung für den elektrischen Strassenbahnbetrieb erlässt
der Rath der Stadt Dresden im Verein mit den Dresdner
Strassenbahngesellschaften zum i. Okt. d. J. Es gelangen
3 Preise von 5000, 3000 und 2000 M. zur Vertheilung. —
Brief- und Fragekasten.
A.-G. M. B. in Oeynhausen. Nach Ihrer eigenen Dar-
stellung lautete die Vergebungs-Bedingung dahin, dass für die Be-
schläge das im Bau angebrachte Probefenster maassgebend sei.
Es kommt also ausschliesslich auf dessen Beschaffenheit an. Hatte
dasselbe Spengler’sche Druckschwengel, so müssen die zu liefern-
den. Fenster solche gleichfalls bekommen. Waren Sie durch die
Beschreibung, welche Ihnen eingesandt wurde, nach dieser Richtung
falsch belehrt, so steht Ihnen vielleicht gegen den, welcher die
falsche Beschreibung verschuldet hat, ein- Ersatzanspruch -zu ; da-
gegen giebt die Abweichung zwischen Probefenster und Beschrei-
bung Ihnen kein Recht, von der Lieferung abzugehen oder eine
Mehrforderung zu stellen, wofern Sie nicht etwa nachzuweisen ver-
mögen, dass die falsche Beschreibung absichtlich geliefert war, urn
bei Ihnen einen Irrthum und in dessen Verfolg billigere Preise zu
erzielen, was Ihnen schwerlich gelingen wird. Uebrigens ist nicht
ausgeschlossen, dass bei Kenntniss des vollen Inhaltes der Aus-
schreibung und des Schriftenwechsels ein anderes Ergebniss ge-
wonnen werden könnte, da unsere Antwort nur Ihre ausrugs-
weisen Angaben zur Grundlage hat. K. H-e.
Hrn. Arch. M. in R. Die Uebernahme von Privatarbeiten,
namentlich wenn es sich um solche handelt, die im öffentlichen
Interesse liegen, kann den Staatsbaubeamten durch die Vorgesetzte
Behörde natürlich stets gestattet werden. Die Erlaubniss liegt hier
doch wohl zweifellos vor, sodass eine Beschwerde, deren Be-
rechtigung wir dahin gestellt lassen wollen, wohl ohne Erfolg
bleiben dürfte, falls nicht noch anderweite Gründe vorliegen. —
Anfragen an den Leserkreis.
Haben sich die sogenannten „gedämpften Dachziegel“, welche
äusserlich Schieferfarbe zeigen und einen schwärzlichen Bruch auf-
weisen, bewährt, behalten dieselben auf die Dauer die Farbe und
sind sie für bessere Bauten zu empfehlen? H. & E. in H.
Inhalt: Die neuen Münchener Friedhöfe. — Zur Karlsruher Bahn-
hofsfrage. — Von der I. internationalen Ausstellung für moderne dekorative
Kunst in Turin. II. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Brief- und
Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Von der I. internationalen Aus-
stellung für moderne dekorative Kunst.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilb. Greve, Berlin.
„moderne“ Bronzen, Gläser, Tapeten, Stickereien, kurz die
Erzeugnisse des Kunstgewerbes, hier sind schon Werke
der Raumkunst, die in ihrer Formengeburg bei weitem
gemässigter sind und in ihrer Anlage derartigen Charakter
zeigen, dass man die besten Hoffnungen für eine gesunde
Weiterausbildung auf dieser Basis haben kann.
Die ganze Ausstellung besitzt einen künstlerischen
Mittelpunkt in einem Kuppelbau, an den sich radial Galierien
anschliessen, und gerade der hinreissende Schwung im
Aufbau der Kuppel und die originelle Ausbildung im Ein-
zelnen zeigen, welchen Fortschritt die Moderne seit Paris
und Darmstadt gemacht hat. Einflüsse byzantinischer
Kunst sind erkennbar: der Architekt Raimondo D’ Aronco
weilt am Hofe des Sultans seit einigen Jahren als Hof-
architekt. Man benutzt eben das Gute der Alten auch in
der Modernen, aber nicht geistlos, als blosse Nachempfindung
und ängstliches Nachbilden, indem man versucht, immer
. das der neuen Zeit entsprechende, das man in sich findet,
auch zum Ausdruck zu bringen. Also hier die Kuppel
nach innen als allumfassendes Ausstellungsvestibül, als
Sammelpunkt der Menschenmassen, die aus den einzelnen
Galierien hier zusammenströmen, und nach aussen als
ein Mittelpunkt weithin sichtbar den Gedanken einer mo-
dernen Dekoration in’s Land tragend.
Deutschland hat eine Gruppe von 44 Räumen besetzt.
Diese sind im Gegensatz zu den in die langen Hallen ein-
gebauten Kojen der anderen Nationen mit Ausnahme
Oesterreichs, das ein eigenes Haus besitzt, zu einem male-
rischen Grundriss gruppirt, in welchem die einzelnen
Räume, je nach ihrer Bestimmung, in Höhen und Breiten-
verhältnissen von einander abweichen. Durch diesen
Wechsel ist ein Wechsel in der Stimmung' erreicht und
zugleich das Schaffen in sichgeschlossenerRaumorganismen
erleichtert; denn es galt nicht nur, Zimmer oder Repräsen-
tationsräume zu schaffen, sondern auch die einzelnen
Materialgruppen möglichst vortheilhaft auszustellen. Durch
jene GrundrisseintheiLung erhält Deutschland vor allen
anderen Nationen ein ganz bestimmtes Gepräge und durch
das Auftauchen immer neuer Raumbilder vor dem Auge
der Besucher einen nicht zu unterschätzenden äusse-
ren Reiz (s. d. Grundriss S. 126).
Deutschland ist auch durch seine architektonische
Gruppirung in der Lage, eine Reihe von Innen- Architek-
turen vorzuführen, die man vergeblich, auch nur der Ab-
sicht nach, bei den übrigen Nationen suchen würde.
Es ist höchst bemerkenswerth, dass sich in unseren
Abtheilungen das Bedürfniss nach Raumwirkung überall
durchbricht. Während andere Nationen sich bemüht haben,
mehr oder weniger geschmackvoll auszustellen, Ausstellun-
gen, denen der rein kaufmännische Zweck mit cynischer
Deutlichkeit aufgeprägt ist, so herrscht hier vor allem der
rein künstlerische Gedanke vor, auch wenn sich hierdurch
ein materieller Schaden für den Künstler ergeben würde.
Die Moderne hat ihren Idealismus genau so, wie ihn
unsere alten Meister besassen, und wenn sie auch weiter
nichts besässe, so sollte das genügen, um an ihre glück-
verheissende Zukunft zu glauben. Es ist grundehrliche
Arbeit und wenn auch bis heute jene Propheten, ihre
düsteren Weissagungen nicht einstellen, die von Anfang
an die Bewegung stetig mit einem Rabengekrächze be-
gleitet haben, der Niedergang ist immer noch nicht sicht-
bar, die Moderne noch immer nicht todt. Und besonders
Olbrich steigt wie ein Phönix aus dem Scheiterhaufen,
der schon mehrere Male für ihn angezündet wurde. Die
ganze Ausstellung bedeutet in ihrer Aussenarchitektur einen
vollständigen Sieg Olbrich’scher Ideen; abgesehen von
dem Kuppelbau, der für sich betrachtet werden muss.
Die ganze architektonische Oberleitung lag in den
Händen Raimondo D’Aroncos^ Er hat nicht nur den
Gallerienbau entworfen, in den das schonbestehende Kunst-
Ausstellungsgebäude eingezogen werden musste, sondern
auch fast alle die kleineren malerisch zerstreut liegenden
Gebäude, wie die Photographie-, die Automobil-Ausstellung,
die trefflichen Eingangsthore, die Ausstellung für Wein und
Oel usw. Wenn wir die Arbeiten der übrigen italienischen
Architekten betrachten, so ragt D’ Aronco wie ein Riese
über sie hinaus.
Wir wollen bei allen Betrachtungen immer im Auge
behalten, dass es sich bei aller Aussen-Architektur um
Architektur im Ausstellungs-Charakter handelt, und wir
erst von diesem absehen müssen, um zu einem für den
zukünftigen Einfluss dieser Bauten annähernd richtigen
Unheil zu gelangen. Die Innen-Architektur gestattet un-
mittelbare Vergleiche und Folgerungen. —
Turin, im Mai 1902. Leo Nacht.
300
No. 46.
IE KUPPELHALLE DER I. INTERNATIONALEN AUS-
STELLUNG FÜR MODERNE DEKORATIVE KUNST
IN TURIN
ARCHITEKT: RAIMONDO D’ARONCO * * * *
= DEUTSCHE BAUZEITUNG. XXXVI. JAHRG. N^.-46 =
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 47. Berlin, den ii. Juni 1902.
Der nördliche Friedhof in München. Ausgangsballe gegen das Gräberfeld. — Architekt: Städt Brth. Hans Grässel in Mönchen.
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine,
Berichtigungen zu der Denkschrift des Verbandes: „Ueber die Stellung der höheren
städtischen Baubeamten“.
Zu der obigen vom Verbände ausgearbeiteten Denkschrift, die zuerst im Verbands-Organ Jahrg. 1901
No. 91, 92, 93 und 104 veröffentlicht und den infrage kommenden Ministerien der sämmtlichen Bundesstaaten
sowie etwa 100 deutschen Stadtverwaltungen, ausserdem auch den sämmtlichen Verbands-Vereinen Ende v. J.
als Sonderdruck zugestellt worden ist, sind uns zwei amtliche Berichtigungen zugegangen, mit deren Veröffent-
lichung wir bisher gezögert haben, in der Annahme, dass vielleicht noch von anderer Seite Einwendungen
erhoben werden könnten. Da das jedoch nicht geschehen ist, so bringen wdr nachstehend die beiden Mit-
theilungen zur Kenntniss der Einzel vereine. Erfreulich ist, dass nach beiden die betreffenden Verhältnisse
thatsächlich nicht so ungünstig liegen, wie sie in der Denkschrift dargestellt wurden, und dass namentlich
einer Besserung der Stellung der höheren städtischen Baubeamten in den Stadtverwaltungen in Bayern
gesetzliche Schwierigkeiten anscheinend nicht im Wege stehen.
Dresden-Berlin, den i. Juni 1902.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Der Vorsitzende: Waldow. Der Geschäftsführer: F. Eiselen.
Wortlaut der Berichtigungen.
I. General-Sekretariat des königl. bayerischen Staats-
Ministeriums des Inneren.
München, den 31. Dezember 1901.
Zur Vorlage vom i. 1. M. wnrd im Aufträge des k.
Staatsministeriums des Inneren Nachstehendes ergebenst
mitgetheilt:
Das k. Staatsministerium des Inneren hat von dem
Inhalte der Denkschrift über die Stellung der höheren
städtischen Baubeamten mit Interesse Kenntniss genom-
men, hierbei aber ersehen, dass bei der Darstellung der
bayerischen Verhältnisse, insbesondere der Verhältnisse
in der Pfalz, erhebliche Irrthüraer unterlaufen sind.
Für die Stellung der gemeindlichen Baubeamten kommen
hauptsächlich im diesrheinischen Bayern die Art. 71,72,
73i 7^1 77 t^t^d 85 der diesrheinischen Gemeindeordnung vom
29. April 1869, in der Pfalz die Art. 56, 56a, 59a, 62 und
Art. 64 der pfälzischen Gemeindeordnung in der Fassung
des Gesetzes vom 17. Juni 1896, Abänderungen der Ge-
meindeordnung für die Pfalz vom 29. April 1869 betreffend,
inbetracht, wobei bemerkt wird, dass diese Gemeinde-
ordnungen keineswegs zu den sogenannten Verfassungs-
Gesetzen zählen, wie dies in der Denkschrift von der
diesrheinischen Gemeindeordnung angenommen wird.
Im diesrheinischen Bayern sind aufgrund der Art. 76
und 77 a. a. O., deren Bedeutung in der Denkschrift kaum
zureichend gewürdigt erscheint, die Verhältnisse der tech-
nischen Beamten im Gemeindedienste durch besondere
Dienstverträge oder Gemeindebeschlüsse auf eine Weise
geordnet, dass von einer Unzufriedenheit in diesen Kreisen
darüber bis jetzt nichts bekannt geworden ist.
301
In der Pfalz können nach Art. 62 Abs. II der pfälzischen
Gemeindeordnung grössere Gemeinden zur Besorgung des
Bauwesens eigene Techniker aufstellen, welchen in den
betr. Fragen eine berathende Stimme im Gemeinderathe
zukommt.
Diese Bestimmungen haben indess durch das Gesetz
vom 17. Juni 1896 bezw. durch die Art. 56a, 59a, der
pfälzischen Gemeindeordnung in der Fassung dieses Ge-
setzes eine wesentliche Modifikation erfahren, wie denn
auch die frühere Vorschrift des Art. 64 Abs. I der pfälzischen
Gemeindeordnung, wonach das Dienstpersonal nur in
widerruflicher Weise von dem Gemeinderathe ange-
stellt werden konnte, durch die neue Fassung des Art. 64
Abs. I beseitigt ist.
Nach Art. 56a a. a. O. können in Gemeinden über
10000 Seelen berufsmässige besoldete Bürgermeister,
Adjunkten, sowie Gemeinderäthe durch Gemeinde -Be-
schluss aufgestellt werden.
Da für diese Kategorie der Gemeinderaths-Mitglieder
die Rechtskundigkeit nicht vorgeschrieben ist, können als
solche auch Techniker gewählt werden.
Die berufsmässigen besoldeten Gemeinderaths-Mit-
glieder werden zunächst auf 3 Jahre gewählt; im Falle
ihrer Wiederwahl nach 3 Jahren werden ihre Verhältnisse
durch besondere Dienstverträge geregelt, wobei das Ge-
setz zwischen rechtskundigen und technischen Mitgliedern
keinen Unterschied macht.
Die Regelung der Bezüge des technischen Dienst-
personals ist dem Ermessen der Gemeinden anheimge-
geben, und steht es den Gemeinderäthen frei, diesen Be-
amten und Bediensteten unwiderrufliche Anstellung und
Pensioiisrechte zu verleihen.
gez. V. Kopplstätter, Generalsekretär.
Mittheilungen aus Vereinen.
Vereinl^ng Berliner Architekten. VomPolizei-Präsiden-
ten zu Berlin hat die. „Vereinigung" die nachstehende Er-
öffnung erhalten: Auf die Eingabe vom 31. Jan. 1902: betr.
die Bestimmungen für Gebäude, welche ganz oder theil-
weise zur Aufbewahrung, einer grösseren Menge 'von
brennbaren Stoffen bestimmt sind, erwidere iöh dem
Vorstande ergebenst, dass die Hrn. Minister der öffentl.
Arb. und des Inneren dahin entschieden haben, dass keine
ausreichende Veranlassung vorliege, die Bestimmungen
schon jetzt einer erneuten Prüfung zu unterziehen.
I. V.: Friedheim.
Arch.- u. Ing.-Verein f. Niederrhein und Westfalen.
In der Versammlung vom 16. Dez. 1901 unter Vorsitz des
Hrn. Stübben sprach vor 38 Mitgliedern und 3 Gästen
Hr. Prof. Boost aus Aachen über; „Die Statik der
Hochbau-Konstruktionen uiid die Baupolizei." —
In der Versammlung vom 30. Dez. 1901 unter Vorsitz
des Hrn. Jungbecker sprach Hr. Ing.' Bischoff vor
20 Mitgliedern über: „Die Wasserversorgung und
Kanalisation der Stadt Paris", und setzte diesen
Vortrag in der Versammlung vom 20. Jan. 1902 unter dem
Vorsitz des Hrn. Heimann vor 33 Mitgl, und 1 Gast fort,
indem er die Ausführungen auf die Strass enreinigung
von Paris ausdehnte. In der gleichen Versammlung
wurden die Vereinsämter neu wie folgt vertheilt: Vors.;
Hr. Brth. Heimann, erster Stellv.: Hi*. Geh. Brth.
Schilling, zweiter Stellv.; Hr. Arch. Alfr. Müller,
Schriftf.: Hr. Arch. Wille, Säckelmstr.: Hr. Arch. Schrei-
ber, Stellv.: Hr. Brth. Jansen, Büchereiverw.: Hr. Arch.
Päffg'en, für Beschaffung der Vorträge: Hr. Landbauinsp.
Mette gang. Im Büchereiausschuss sind die Hrn. Mewes,
Schott und Unna, im Ausschuss für Ausflüge und Fest-
lichkeiten die Hrn. Bädecker, Siegert und Müller.
Die Mitgliederzahl ist 247, 142 Einheimische und
105 Auswärtige. Der Verein hat mit der Unfallver-
sicherungs-Gesellschaft Nordstern einen entsprechenden
Vertrag abgeschlossen. —
In der Versammlung am 17. Februar 1902 unter Vor-
sitz des Hrn. Heimann und unter Anwesenheit von
28 Mitgliedern und i Gast wurde zunächst das Andenken
des Hrn. Stadtbrth. O. Schulze in Wesel geehrt. Die
Hrn. Stdtbauinsp. Weingarten und Arch. Emschermann
wurden neu aufgenommen. Hr. Heimann hielt einen
Vortrag über „Altes und Neues aus süddeutschen
Städten". Es folgte eine Besprechung über das Eisen-
bahnunglück bei Buir, an welcher sich die Hrn. Unna
und Schilling betheiligten.
In der Versammlung am 3. Marz unter dem Vorsitz
des Hrn. Schilling sprach derselbe vor 23 Mitgliedern
über „Die Verwaltung der öffentlichen Arbeiten
in Preussen in den Jahren 1890 — 1900", nach dem
Bericht des Hrn. Ministers der öffentlichen Arbeiten.
2. Stadtrath der Stadt Mannheim.
Mannheim, den 27. Dezember 1901.
Den verehrlichen Vorstand des Verbandes deutscher
Architekten- und Ingenieur- Vereine beehren wir uns
darauf aufmerksam zu machen, dass die uns mit Ihrem
gefälligen Rundschreiben vom 1. Dezember zugekommene
Denkschrift über die Stellung der höheren städtischen
Baubeamten auf S. 19, soweit die Stadt Mannheim inbe-
tracht kommt, unzutreffende Angaben enthält. Die höheren
Beamten der Stadt Mannheim unterstehen nicht lediglich
der Dienst- und Gehaltsordnung, sondern es werden mit
ihnen regelmässig besondere Dienstverträge abgeschlossen,
welche Vergünstigungen enthalten, die weit über die Be-
willigungen der Dienst- und Gehaltsordnung und des Ge-
haltstarifes hinausgehen.
So berechnet sich z. B. der Höchst-Pensiohsbetrag
des Vorstandes des Tiefbauamtes, sowie des Vorstandes
der Strassenbau-Abtheilung desselben Amtes weit über
den Satz von 3500 M. (nämlich bei ersterem auf- 5250 M,,
bei letzterem auf 4500 M.) und auch die Pensionsverhält-
nisse bei der bevorstehenden Neubesetzung der Vorstands-
stelle im Hochbauamt werden voraussichtlich in gleicher
Weise geordnet werden. Aber selbst bei den lediglich
der Dienst- und Gehaltsordnung unterstehenden mittleren
und unterem Beamten (Maximalgehalt 5500 M.) berechnet
sich das Ruhegehalt keineswegs nur auf 30%, vielmehr
ist dies nur de'r Anfangssatz nach lojähriger Dienstzeit,
der von da ab mit jedem weiter zurückgelegten Dienst-
jahre um iVg^ bis zu 75% des Aktivgehaltes bezw. bis
zu 3500 M. ansteigt. Bei der Berechnung des Ruhegehaltes
werden ausserhalb Mannheims zugebrachte pensionsbe-
rechtigte Diensljahre' in der Regel voll angerechnet.
gez. Martin.
Vers. v. 17. März 1902. Vors.: Hr. Heimann, anwes.
36 Mitgl,, 2 Gäste.
_ Hr. Morgenstern hält einen Vortrag über die Horch-
heimer Brücke. Wir entnehmen dem Vortrage die nach-
stehenden kurzen Mittheilungen: Die Brücke über den
Rhein bei Horchheim liegt im Zuge der . Berlin-Metzer
Eisenbahn, welche im Anfänge der siebenziger Jahre ge-
plant und in der zweiten Hälfte derselben vollendet worden
ist. V om reinen Verkehrsstandpunkte hatte die Brücke damals
keine erhebliche Bedeutung. Seitdem ist der Verkehr der
Bahnlinie um mehr als das sechsfache gestiegen. Hierzu
kommt noch, dass die Geschwindigkeit der Personenztige
erheblich zugenommen hat, das Gewicht der Lokomotiven
vergrössert und der zulässige Achsdruck von 14 000 auf
16 000 kg gesteigert worden ist.
Berechnungen ergaben, dass an den gefährlichsten
Querschnitten das Material der Hauptträger bis nahe an
die Elastizitätsgrenze angestrengt wurde. Auch die Bean-
spruchung der Fahrbahntheile ging über das zulässige
Maass hinaus. Es konnte somit eine Verstärkung der
alten Brücke nicht mehr umgangen werden. Mit der Aus-
arbeitung des Entwurfes für die Verstärkung und die Aus-
führungs-Arbeiten war die Gutehoffnungshütte betraut,
weiche bereits die alte Brücke hergestellt hatte.
Als zweckmässig ergab sich die Anordnung von zwei
weiteren Hauptträgern, die wegen der geringen Breite
des altenTragewerkes nur ausserhalb der ersteren angeord-
net_ werden konnten, was ohne erheblichen Umbau der
Pfeiler möglich war. Zur Erzielung einer möglichst gleich-
massigen Belastung wurden je 2 Fahrbahnstützen eines
alten und eines neuen Trägers durch einen mit Gelenken
aufgelagerten Unterquerträger zu einem System verbunden.
Auf diesen beiden Unterquerträgern ruht ebenfalls in Ge-
lenken der eigentliche ßrückenquerträger. Es wurde
ferner zwischen den vorhandenen Querträgern je ein
neuer eingelegt, wodurch eine so niedrige Ausbildung der
Längsträger erzielt wurde, dass die Schienen, anstatt sie
wie bei der alten Brücke unmittelbar auf diesen zu lagern,
auf hölzerne Querschwellen verlegt werden konnten.
Bedingung für die Bauausführung war namentlich die
Aufrechterhaltung des Eisenbahnbetriebes für wenigstens
I Gleis während der ganzen Bauzeit, desgl. die vollständige
Offenhaltung einer Oeffnung für den Schiff ahrts verkehr.
Redner schilderte dann die Ausführung der Absteifung
der Brücke, die Umbauten an den Pfeilern (die von der
Firma Ph. Holzraann & Cie. ausgeführt wurden), und den
Einbau der neuen Eisenkonstruktion von festen Rüstungen
aus. Die Aufstellung der Tragebögen und der Fahrbahn-
stützen wurde durch einen elektrisch betriebenen Lauf-
krahn bewirkt, welcher auf einer die ganze Breite der
Gerüste und der Fahrbahn überspannenden Brücke von
40 1 Schwere lief. In Richtung der Brückenaxe wurde die
Krahnanlage auf 2 beiderseits angebrachten Laufschienen
vorwärts bewegt. Der Antrieb der Laufkatzen erfolgte
No. 47.
302
durch 4Niederspannungs-Gleichstrommotore von jesVg P. S.
bei 850 Umdrehungen i. d. Minute und je 220 Volt Spannung.
Die elektrische Kraft wurde von dem Elektrizitätswerke der
Koblenzer Strassenbahn zugeführt. DieMontage des Krahnes,
von dessen pünktlicher Inbetriebsetzung die rechtzeitige
Fertigstellung des Brückenbaues abhängig war, machte er-
hebliche Schwierigkeiten, die aber in geschickter Weise
überwunden wurden.
Die Gestaltung der Rheinsohle erforderte für die Auf-
stellung des Lehrgerüstes in der rechten Brückenhälfte
die Verwendung von Senkkästen. Dieselben wurden mit
Rücksicht auf die scharfe, fast zackige- Form des Sohlen-
querschnittes so ausgebildet, dass sie auch auf der schiefen
Ebene senkrecht aufsitzen mussten. Dies wurde dadurch
erreicht, dass die 4 den Senkkasten bildenden Haupt-
pfosten unten mittels Gelenken in dem Grundrahmen
befestigt waren, . welche jede Bewegung quer zur Strom-
richtung gestatteten. Die Beschwerung der Kästen erfolgte
durch Bündel alter Eisenbahnschienen. Die Senkkästen
wurden mit den in ihren Rahmen geführten Pfählen am
Ufer fertig montirt, und dann zwischen • 2 Prahmen auf
die Baustelle mittels Dampfschlepper befördert. Nach-
dem ihre Lage zur Brücke durch Drahtseile festgelegt
war, erfolgte das Absenken von den Prahmen aus.
, Die Lagerung des Lehrgerüstes auf den Senkkästen
hat sich ganz vorzüglich bewährt. Die Konstruktion gab
dem ganzen Gerüst eine Festigkeit, wie sie niemals auf
einer Pfahlgründung erreicht werden kann. Während
das linkseitige Gerüst dauernd durch den Andrang des
Stromes Schwankungen ausgesetzt war, welche auf den
Betrieb des Krahnes .'hindernd wirkten, waren bei dem
rechtseitigen Gerüst kaum Bewegungen bemerkbar, da
die wagrechten Kräfte der Strömung von den Streben
des Kastengerüstes aufgenommen wurden. Infolge: dieses
Vortheils vollzog sich auch die Montage der rechtsseitigen
Bögen wesentlich schneller als auf der linken Seite.
Mit den ersten Ausführungsarbeiten wurde im Sommer
1900 begonnen, die Pfeilerarbeiten wurden noch im Spät-
herbst desselben Jahres ausgeführt, die Aufstellung der
Montagerüstung für die Brücken-Hälften wurde im Früh-
jahr 1901 begonnen. Am i. Februar 1902 waren beide
Gleise dem Betrieb wieder freigegeben.
Die Gesammtkosten haben etwa 1 300 000 Mk. be-
tragen, von denen rd. 850000 Mk. auf die ELsenkonstruktion
allein kommen, während für die ursprünglichen Ueber-
bauten nur 477 ooo Mk, aufgewendet worden' sind.
An den Vortrag^' dem die Versammlung mit lebhaftem
Interesse folgte,, schhesst sich eine kurze Besprechung,
die sich .vor allem ^auf den Anstrich bezieht. Es bethei-
ligen sich daran die Hrn. Schilling, Morgenstern,
Unna und Sc.hott.-'Hr. Morgenstern erläutert, dass die
Absicht besteht, die Brücke, zunächst mit Sandstrahl-Ge-
bläse abzureiben und dann die Fäfbe'ebenso -aufzublasen.
Anstrich hat keinen Zweck, die Erfahrung lehrt, dass
unter dem Anstrich der Rost ruhig. weiter frisst. .. Es ist
aber nothwendig, dass man für die Gebläse nicht die ge-
bräuchlichen unbehilflichen -schweren Maschinen benutzt,
sondern Apparate, bei. welchen jeder Arbeiter rpit seinem
Schlauch an . jede beliebige Stelle kommen kann. In Paris
(Westbahn), waren interessante, derartige Versuche zu
sehen.-: . Hr. Schilling weist auf England hin, wo man über-
haupt auf Anstrich verzichtet, dafür die Eisenstärken, aber
I— 2tnm dicker macht. Der Mehrverbrauch an Eisen' ist
nach dortiger AnsiChtlangenichtso erheblich, wie dieKosten
der fortdauernden Anstriche. Selbstverständlich befinden
sich die Konstruktionen dann in sehr verrostetem Zu-
stande. Das Nichtanstreichen ist aber doch als leichtfertig
anzusehen ; der seinerzeit erfolgte Einsturz der Brücke in
Mährisch-Ostrau war nur verschuldet durch verrostete
Trägertheile ; der dicke Rost liess den inneren Zustand
nicht erkennen. —
Hr. S ch Ott berichtet hierauf j er habe sich vor einiger
Zeit die Verhältnisse angesehen, wie sie sich imKohiengebiet
nach den neuesten Erwerbungen von Kohlenfeldern durch
den Staat stellen. Die Gesamratgrösse dieser Erwerbun-
gen beträgt 210 die Gesammtfläche des Brühler Be-
zirks beträgt nur i2oqi^m, Die neuen Felder liegen zwi-
schen Lippe und Emscher; — an der Lippe liegen 78
— so dass für den anderen Theil 132 bleiben. In dem
Gebiete mögen 7 Mill. t Kohle enthalten sein bis zu 1500 ®
Tiefe. Tiefer kann man nicht abbauen. Ausgebaut da-
von ist nur Zeche Gladbeck; — Waltrop soll in Angriff
genommen werden.
Die Gesammt-Erwerbungskosten betragen 52 Mill. Mk.
In 12 Jahren soll die Förderung 4 Mill.t betragen; das
ist die Menge, die der Staat in Westfalen braucht, jetzt
fördert er 2,75 Mill. K Es könnte natürlich auch bedeutend
mehr gefördert werden ; der Staat könnte 1915 10 Mill. t
fördern und es bliebe noch Reservegelände übrig. An
ir. Juni 1902.
der Saar fördert der Staat 10 Mill. t; in Oberschlesien
4 Mill.t; er hat aber auch dort sehr bedeutende Felde]-
erworben, sodass .dort 1915 ebenfalls 10 Mül. t gefördert
werden können. Es könnte also der Staat in nicht allzu
langer Zeit eine Förderung von 30 Mill.f stellen. Das ist
das iVafache' derjenigen von ganz Belgien und gleich der
von Frankreich. Die beiden neu erworbenen Gelände
nähern sich bis auf 4^-111 ^ die äussersten Theile liegen 4o^^fn
auseinander. Der Staat legt sich jetzt um das Zentrum
der Privatindustrie mit grossen Geländen herum; das ist
für das Syndikat von grossem Werth. Der Staat hat es
in der Hand, Wildschläge nicht zu dulden. Die 'Verhält-
nisse werden sich also konsolidirter gestalten. Die Emscher
durchfliesst auf 15*^® das Gebiet; der Kanal geht hindurch.
Es steht zu; vermuthen, dass der Staat mehr Interesse
für den Wasserweg der Lippe im Gegensatz zu dem von
mir lange bekämpften Kanal nach dem Rhein haben wird.
Die staatlichen Erwerbungen sind als ein ganz bedeuten-
der Fortschritt sehr zu begrüssen und als eine vorzügliche
Leistung des letzten Ministers für Handel und Gewerbe
zu bezeichnen. —
. Hr. Bauer theilt mit, dass eine erste Ausführung des
Systems Hennebique in Gestalt einer Decke im neuen
Spirituslager am Oberländer Ufer in Arbeit sei. Der
'Verein wird diese Gelegenheit zu einer Besichtigung
benutzen. —
Arch.- u. Ing.-Verein zu Hamburg. Vers, am 14. März
1902. Vors. Hr. Zimmermann, anwes. 80 Mitgl. Aufgen.
wird Hr. Geh. Mar.-Brth. a. D. M. Lehmann.
Hr. Geh. Hofrth. Prof. Engels aus Dresden hält einen
Vortrag über „Wasserbautechnische Versuche,
angestellt an der Techn. Hochschule zu Dresden.
Redner führt aus, dass das Interesse an systematischen
Versuchen' im Ingenieurwesen, insbesondere ' auch- im
Wasserbau, neuerdings sehr gewachsen sei und bezieht
.sich auf seine früheren Versuche betr. Schiffswiderstand
und Schutz von Brückenpfeilern gegen Unterwaschungen,
weiche inzwischen veröffentlicht und dem Verein z. Th.
schon bekannt sind. Redner hat sich neuerdings mit der
Untersuchung von Flussläufen und fiussbautechnischen
Maassnahmen mittels Beobachtung im künstlichen Gerinne
beschäftigt. Das. Gerinne besteht aus Eisenblech und ist
2m breit, 0,4“ hoch und 10® lang. Das Wasser ^wird
mittels eines oberen und eines unteren Behälters und
einer Kreiselpumpe, deren Höchstleistung 30 J/Sek. beträgt
,im. Kreislauf erhalten; ferner sind Einrichtungen zur . Be-
ruhigung des Wassers beim Einlauf, zum Abfangen und
Messen, der Sinkstoffe beim Auslauf, zur Herstellung und
'Messung bestimmter Gefälle des Wasserspiegels vorhanden.
Die zu ..beobachtenden Flusstreck'en werden nach der Natur
,in sehr verkleinertem ,'Maässtabe in ein geeignetes Sand-
bett, welches den Boden des Gerinhes', äusfüllt, .unter Be-
nutzung von Leinwandsäckchen mit Bleischrotfüllung ein-
gebaut.,. Diese Säckchen erwiesen sich als' das geeignetste
'Mittel zur Nachahmung von Flussbäuwerken, insbesondere
yoh. Steinschüttungen, Deckungen, Buhnen u. dergl. Die
Aufnahme 'der Versuchs-Ergebnisse' erfolgt zeichnerisch
durch einen Profdschreiber. Zur Untersuchung ' .gelangten
zwei Strecken der Elbe nah'e der Havelmünduiig und bei
Hitzacker, ferner eine Weichselstrecke bei Dirschau. Die
Versuche Hessen, im allgemeinen' dieselben Wirkungen
des fliessenden .Wassers und der Geschiebe auf die Form
des StrÖmschlauches erkennen, wie sie in der Natur Vor-
kommen; insbesondere wurde die unsichere Wirkung, der
Buhnen auch, bei den Versuchen beobachtet. Die Unter-
suchungen, die noch keineswegs abgeschlossen sind, haben
das Interesse verschiedener Regierungen, insbesondere
der' preussischen, erweckt und sollen auch an. anderen
Orten, z. B. in Karlsruhe, mit grösseren Mitteln fortge-
setzt werden. — St.
Vermischtes.
Vom Besuch der österreichischen Fachgenossen in
Berlin haben wir noch Einiges über den weiteren Verlauf
nachzutragen. Vorweg sei erwähnt, dass am Dienstag, im
Anschluss an die Besichtigung der Villen-Kolonie Grune-
wald auch ein Besuch der Kaiser Wilhelm-Gedächtniss-
Kirche unter Führung ihres Erbauers, Brth. Schwechten,
stattfand. Hr. Prof. Reimann Hess es sich nicht nehmen,
bei dieser Gelegenheit den Gästen auch die vortreffliche
Orgel der Kirche vorzuführen. Am Mittwoch war ein
reichhaltiges Programm zu erledigen. Am Morgen Be-
sichtigung der Neubaustrecke der elektrischen Untergrund-
bahn in der Hardenberg-Strasse, .dann Besuch der Tech-
nischen Hochschule, Empfang durch den Rektor Hrn.
Geh. Brth. Prof. Bubendey, weiterhin elektrische Hoch-
bahn, Kraftwerk in der Trebbiner Strasse, Vorführung der
Funken-Telegraphie System Braun-Siemens, Fahrt zur
303
Haltestelle Schlesisches Thor, dort Frühstück und Be-
grüssung durch Hrn. v. Siemens. Am Nachmittag Be-
sichtigung des Kabelwerkes der A. E.-G. in Oberschöne-
weide, Vorführung der Funken-Telegraphie Slaby-Arco,
Bewirthung im Kasino des Werkes; im Anschluss daran
Besuch der Niles-Werke und der elektr. „Zentrale Ober-
spree" der Berliner Elektr.-Werke. Am Abend fand sich
eihTheil der Oesterreicher und der Berliner Fachgenosseh
noch einmal im Ausstellungspark zwanglos zusammen. Der
Donnerstag brachte dann äie schon erwähnte Besichtigung
des Domes unter Führung des Erbauers, Geh. Reg.-Rath
Prof. Raschdorff, der Museen und einer grösseren An-
zahl industrieller Werke in verschiedenen Gruppen. Auch
Potsdam wurde von einem Theile der Gäste- besucht und
damit schloss ' der Aufenthalt in Berlin. Ein Theil der
Oesterreicher kehrte unmittelbar in die Heimath zurück,
während ein anderer die Reise nach Düsseldorf zum Be-
suche der Indusrie- und Gewerbe-Ausstellung- fortsetzte.
Es waren für die österreichischen Gäste anstrengende,
aber, wie man hoffen darf, auch genussreiche Tage, so-
wohl durch das, was an technischen und künstlerischen
Leistungen in der Reichshauptstadt vorgeführt werden
konnte, als durch den herzlichen, -freundschaftlichen Ver-
kehr mit- den Berliner Fachgenossen und die sympathische
Aufnahme, welche die Gäste überall fanden.
Mögen die flüchtigen Eindrücke, die bei den rasch
wechselnden Bildern einer solchen S.chnejlfahrt nur ge-
wonnen werden können, sich vielleicht auch raschwieder
verwischen, so wird doch die Anknüpfung festerer Be-
ziehungen zu den deutschen Fachgenossen, die nach, dem
gleichen Ziele der Vervollkommnung der künstlerischen,
wissenschaftlichen und. praktischen Leistungen der Tech-
nik und der Hebung der, Stellung und des Ansehens ihrer
Vertreter streben,- von dauerndem Werthe bleiben. —
Zum letzten Male ein neuer Dübelstein als Ersatz für
Holzdübel. Inbezüg auf die Mittheilung des Hrn. Th. in N0.37
und des Hrn. Ed. Walter in No. 43 theile ich mit, dass die
Herstellung, poröser Steine als Ersatz für Dübel keines-
wegs neu ist.' Hier am Rhein werden solche Steine, wie
auch schon früher erwähnt wurde, aus porösem Bimssand
mit einem bestimmten Zusatz schon längere Zeit herge-
stellt. Das Geheimniss des Erfinders ist hierorts so
allgemein bekannt, dass dasselbe wohl nicht patentirt
werden kann. Die Behauptung des Hrn. Walter, dass
poröse Steine ein solides Festsitzen der Nägel usw. nicht
gestatten, ist nach den praktischen Erfahrungen, welche
hierorts mit Bimssand-Dübelsteinen gemacht sind,
nicht richtig. Der theoretischen Behauptung des Hrn.
Walter von der mahlenden Wirkung des eingetriebe-
nen Nagels usw. steht in der Praxis das Einrosten des
Nagelsgegenüber, sodass der Verwendung von Bimssand-
Dübelsteinen keinerlei Bedenken entgegenstehen können.
Die Steine sind hier von Privaten und Behörden vielfach
mit bestem Erfolge verwendet worden^ und können durch
die Firma Niederrheinische Kalksandziegel- Werke . G. m.
b. FL, Bockum-Krefeld, bezogen werden. Dieselben kosten
nicht 7 Pfg. das Stück, sondern nur 4 Pfg- frei Bahnhof
oder Baustelle Krefeld. — A. Hotes, Arch., Krefeld.
Preisbewerbungen.
Ausschreibung eines Wettbewerbes um den Preis Galileo
Ferraris. Die Kommission für den im Jahre 1898 gestifteten
Galileo Ferraris-Preis hat beschlossen, für die Zuertheilung
desselben einen neuen internationalen Wettbewerb aus-
zuschreiben. Der Preis besteht aus 15 000 Lire zuzüglich
der auflaufenden Zinsen von 1899 bis zu dem Tage, an
welchem der Preis zuertheilt werden wird und soll der-
jenigen Erfindung zuerkannt werden, welche auf dem
elektro-technischen Gebiete einen bedeutenden Fortschritt
aufzuweisen hat. Es wird den Bewerbern anheimgestellt,
Denkschriften, Entwürfe, Zeichnungen oder auch Maschinen
und Apparate, welche sich auf ihre Erfindungen beziehen,
einzuliefern. Die Einsendungen erfolgen zum 15. Sept.
1902 beim Sekretariat der Kommission, via Ospedale 28
in Turin. —
Konkurrenzwesen im Kunstgewerbe. Der Verband
deutscher Kunstgewerbe-Vereine hat auf seinem letz-
ten Delegirtentage „Grundsätze für das Verfahren bei
öffentlichen kunstgewerblichen Ausschreibungen“ fest-
gesetzt. Man darf hoffen, dass sich diese Grund-
sätze immer mehr einbürgern und dem Kunstgewerbe
in ähnlicher Weise zum Segen gereichen, wie das bei den
vom Verbände der deutschen Architekten- und Ingenieur-
Vereine herausgegebenen Grundsätzen im Wettbewerbe
auf dem baulichen Gebiete der Fall ist. Fast täglich hört
man Klagen darüber, dass Ausschreibende, Preisrichter
und Konkurrirende bittere Enttäuschungen erfahren. Um
diesem Misstande thuhlichst abzuhelfen und das Konkurrenz-
wesen vor unberechtigter Ausbeutung der künstlerischen
Intelligenz und vor öffentlicher Beunruhigung der betheilig-
ten Kreise zu bewahren, hielt es der Verband für seine
Pflicht, Normen aufzustellen, welche sich ohne Zweifel
allmählich allgemeiner Beachtung erfreuen werden. In
gleichem Sinne hat' der Verband --„Grundsätze für die
Preisgerichte von Ausstellungen,, bei denen das Kunst-
gewerbe betheiligt ist", festgesetzt. ~ -
. Gtironik,
Ein Stadterweiterungsplan für Kufstein wurde nach- dem
Entwurf des Architekten Otto Lasne in München aufgestellt. —
Die Einweihung des Bürschenschafts- Denkmales bei
Eisenach, nach dem Entwurf des Architekten Wilhelm Kreis
in Dresden als ein 36 m hoher Rundbau auf der Göpelskuppe, er-
richtet, hat am 22. Mai- stattgefunden; ---
Der Durchschlag des Albula-Tunnels. ist am 28. Mai d. J.
erfolgt.. Der Tunnel liegt bekanntlich im Zuge der nach dem
Engadin führenden Schmalspurbahn, die 1903 eröffnet werden soll.
Länge des Tunnels 5,67 km. —
Ein neues Geschäftshaus des Kunstverlages Artaria in
Wien, nach den Entwürfen des Architekten Eabiani im modernen
Stil am Kohlmarkt errichtet, -wurde kürzlich bezogen. —
Die Einweihung der städtischen Elektrizitätswerke in
Wien, neuer grpssartiger wirthschaftlicher Anlagen, die sich den
vor 2V2 Jahren in Betrieb genomnienen Gaswerken aiischliessen
und mit diesen das wirthschaftliche Denkmal des Regimes Lueger
darstellen, hat am 27. Mai stattgefundeo. —
• Ein Denkmal für Franz Liszt im Schlossparke zu Weimar
wurde am 31. Mai- enthüllt. •. Das Denkmal ist ein Werk des
Münchener Bildhauers H. Hahn. — • " . . .
Das Denkmal für König Alfons XII. van Spanien in
Madrid, zu welchem aus Anlass der Grbssjährigkeits-Erklärung
des Königs Alfons XIII. der Grundstein . gelegt -wurde, gehl auf
deutsche Vorbilder • zuriKk. Es' ist eine umfangreiche Deüemaf-
anlage: Auf einer Terrasse erhebt sich eine reich gegliederte- halb-
kreisförmige Säulenhalle, in deren Mittelpunkt das hochragende, am
Fusse mit Figurengruppen geschmückte Postament steht, welches
die Reiterstatue des Königs trägt. — ■
Zu einer Erweiterung der Bremer Hafenanlagen beab-
sichtigt der bremische Staat die Erwerbung eines Gebietes von
400ha preussischen Geländes. —
- Die Erneuerung des malerischen Schmuckes des Maxi-
milianeums in- München, der Ersatz- der Fresken durch Glas^
mosaik, ist auf Antrag des bayer. Kultus-Ministeriums durch den
Prinregenten genehmigt worden. Es handelt sich um 3 Gemälde
von Piloty, sowie um je eines von Echter und Feod. Dietz. Die
Mosaikarbeiten wurden der Anstalt von Rauecker in München
übertragen. —
lieber die Wiederherstellung der Minoritenkirche in
Wien nach dem Entwurf des Hrn. Prof. V. Luntz in Wien ist in
der letzten Sitzung der österreichischen Zentral-Kommission für
Kunst- und historische Denkmale Beschluss gefasst worden. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. dipl. Arch. R. in Darmstadt. Nach § 15 Abs. 2 des
preuss. Fluchtlinien-Gesetzes vom 2. Juli 1875 sind die Kosten der
gesammten Strasseuanlage — und bezw. deren Unterhaltung — zu-
sammenzurechnen und den Eigenthümern nach Verhältniss der
Länge ihrer die Strasse berührenden Grenze zur Last zu
legen. Diese positive Vorschrift gestattet es preussischen Gemein-
den nicht, bei Eckgrundstücken die Beitragsleistung zu den Strasseu-
kosten auf die eine längere Gebäudeseite zu beschränken und es
ist bei den baupolizeilichen Begünstigungen, die Eckgrundstücke
wohl überall gemessen, in der Heranziehung nach der Gesammt-
Grenzlänge auch keineBenachtheiligungderEigenthümer zu erblicken.
Anders liegt der Fall, wenn es sich um Anlagen handelt, die
nicht als Strassenkosten aufzufassen sind, z. B. bei Einrichtung
unterirdischer Entwässerung für den Zweck der Ableitung von
Wasser aus den Häusern und von den Grundstücken über-
haupt. Bei der Berechnung der Kosten dieser Anlage ziehen viele
Gemeinden Eckgrundstücke nur mit der einen längeren Seite her-
an, selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass Anschluss nur
an die Leitung in einer Strasse stattfindet und es geschieht dies
auch in Städten — wie z. B. Charloltenburg in welchen die
Kanalisation nicht nur der Häusentwässerung dient, sondern auch
das Strassenwasser aufnimmt.
Vorstehendes bezieht sich nur auf preussische Gemeinden.
Wie es in anderen deutschen Staaten gehalten wird, ist uns nicht
bekannt, vielleicht giebt diese Notiz Anlass zu betr. Mittbeilungen
an uns. —
Hrn. Arch. O. in Sandefjord, Norwegen. Ein geneigter
Schornstein lässt sich je nach den besonderen Umständen auf
dreierlei Weise wieder gerade richten und zwar durch allmähliche
Beseitigung des Bodens unter dem Eundement (durch wagrechtes
Bohren von Innen zu bewirken, durch Heraussägen von Stein- und
Mörtelschichten, namentlich bei weicheren Materialien) und durch
Herausbrechen des Mauerwerkes und Einschieben schwächerer
Schichten (vgl. Deutsches Bauhandbuch Bd. I. Th. i). Jedenfalls
ist die Arbeit nur durch eine Spezialfirma für Schornsteinbau zu
bewirken, deren es eine grössere Anzahl giebt. Vielleicht nennt
sich aus dem Leserltreis eine solche Firma in der Nähe. —
Inhalt ! Nördlicher Friedhof in München. — Verband deutscher Arch.-
und Ing.-Vereine. Mittlieüunzen aus Vereinen. — Vermischtes. — Preis-
bewerbungen. — Chronik. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b.H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 47.
30+
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN
ftsrsfsrststsrftststsr««!»
AUZEITUNG.
GANG. * * NO- 48. *
DEN 14. JUNI igo2. *
i«ft««ÄSS3t3tst!RS[S9:s!ar
Abbildg.
Gemeinsames Ausstellungs-Gebäude der Gute-HoHnungshütte und der Deutzcr Gasmotoren- und Maschinen-Fabrik
Ingenieur: G.-H.-Hütte (Dir. Prof. Krohn, Sterkrade). Architekt: Bruno Möhring, Berlin.
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902.
Die Stadterweiterung zu Diedenhofen.
Architekt: Geh. Baurath J. Stübben
,^^™giür den im Aufträge der Stadt vom Unter-
Ijj zeichneten entworfenen Plan der Dieden-
IfJ i^C)fencr Stadterweiterung waren in erster
Linie die Forderungen der Militärbehörde
'■ " ^ maassgebeiid. Diese Forderungen gehörten
zu den Bedingungen, unter welchen das Gelände der
bisherigen Stadtumwallung an die Gemeinde abgetreten
wird. Sie bestanden im Wesentlichen darin, dass die
in unserer Abbildung schwarz dargestellten militäri-
schen Baulichkeiten zu erhalten, dass in nordöstlicher
Richtung nach Gentringen zwei gerade, 30™ breite
Strassen frei zu halten sind und dass endlich die Mosel-
Ufer flussaufwärts und flussabwärts nicht bebaut wer-
den dürfen.
Von den bürgerlichen Behörden wurde ferner ver-
langt die Ausweisung geeigneter Bauplätze für eine
Kreisdirektion, ein Hauptzollamt, ein evangelisches Ge-
meindehaus, ein Theater, ein ßergamt mit Bergschule,
ein Gymnasium, eine höhere Töchterschule, ein Kran-
kenhaus, zwei Pfarrkirchen, eine Synagoge und drei
Volksschulen, ferner ein sehr geräumiger Markt- und
Konzertplatz und etwa 30 000 ‘i® Baugelände an ver-
schiedenen Nebenstrassen zur Errichtung von Häusern
für Arbeiter und Unterbeamte der Eisenbahn- und der
Postverwaltung. Besonderer Werth wurde schliesslich
darauf gelegt, dass die äusseren Radial wege nach den
Vororten Monhofen, St. Franz (Luxemburg), Ober-
gentringen, Niedergentringen, St. Peter und Beauregard
(HayingenundUcckingen)aufs innigste raitdenStrassen
der alten Stadt verbunden werden, um die wirthschaft-
lichc Benachtheiligung der letzteren durch die neu-
städtischen Anlagen zu verhüten.
So entstand nach mannichfachen Verhandlungen
und aufgrund von Vorarbeiten des Hrn. Stadtbmstr.
in Köln a. Rh. (Hierzu der Plaa auf S. 308.)
Frorath der in der Abbildung veranschaulichte Plan,
der die Genehmigung der Gemeinde- und der Militär-
Behörden erlangt hat. Die wesentlichen ßestandtheile
desselben seien nachstehend kurz erläutert:
Die beiden 30“ breiten, geraden Kriegsstrassen
durchschneiden in höchst unerwünschter Weise das
ganze Bebauungsfeld; es wurde dahin gestrebt, den
Eindruck der Endlosigkeit zu mildern durch eine
wechselnde Gestaltung des Strassen-Querschnitts mit
Mittelalleen, Seitenalleen, Reitwegen und Vorgärten;
bei Anordnung letzterer konnte die Verkehrsbreite
auf 18 "> eingeschränkt werden. Ein 27“ breiter Quer-
riegel verbindet die Kriegsstrassen im Westen der Alt-
stadt und bildet so eine erste Umschliessung der Alt-
stadt. Die äussere Ringstrasse oder alte Ringstrasse
ist auf der längsten Strecke von St. Franz bis Beaure-
gard schon vorhanden: sie liegt auf der verlassenen
ehemaligen Bahnstrecke Metz-Luxemburg, soll in 33“
Breite ausgebaut werden und auf der genannten Strecke
eine bereits geplante Dampfbahn aufnehmen.
Die frei zu haltende Fläche flussaufwärts ist als
geschlossener Stadtgarten mit Konzerthaus und Restau-
ration in Aussicht genommen, die Uferfläche flussab-
wärts als offenes Volkswäldchen. Zwischen den ehe-
maligen Bastionen i und 3 soll unter theilweiser Er-
haltung der alten Wälle eine nicht zum Befahren be-
stimmte neue Uferpromenade angelegt werden.
Von dem neuen Hauptplatz, auf dessen unge-
wöhnlicher Grösse von 140 zu 170 “ die Gemeinde-
verwaltung wegen der Jahrmarktzwecke bestand, sind
zwei Fünftel als bepflanzter Konzertplatz abgetrennt
worden. Zwei kleinere Plätze sind im südlichen, zwei
andere im nördlichen Theile der Stadterweiterung vor-
gesehen. Aus der Altstadt finden die Pariserstrasse,
305
die Magazinstrasse, die Collegiumstrasse, die Parade-
strasse, die Hospitalstrasse, die Jemapperstrasse (mittels
Durchbruchs) und die Luxemburgerstrasse unmittelbare
Fortsetzungen in die Neustadt. Erhaltungswerthe Thor-
bauten sind nicht vorhanden. Von den Strassen der
Neustadt sollen die reinen Wohnstrassen 8 bis 12*®
die Verkehrsstrassen 14 bis 17 baumbesetzte Land-
strassen 21 bis 23™ breit angelegt worden. Mehrere
vorzugsweise zum ruhigen Wohnen geeignete Strassen
haben Vorgärten von 4 bis 7 “ Tiefe erhalten. Der
südwestliche Stadttheil zwischen der Metzerstrasse
und der südlichen Kriegsstrasse ist, mit Ausnahme
der beiden Plätze, für offene oder halboffene Be-
bauung bestimmt, Für die Arbeiter- und Beamten-
Wohnungen sind 6 Gruppen von Baustellen mit ge-
ringer Tiefe an Nebenstrassen ausgesondert. Die
Blocktiefe wechselt von 55 — 90
Die Lage der öffenthchen Gebäude und ihre Be-
ziehungen zu den Plätzen und Strassen sind aus der
Abbildung so deutlich erkennbar, dass es einer weiteren
Erläuterung nicht bedürfen wird. Die Höhenunter-
schiede sind gering. — j. Stübben.
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902.
n. Konstruktion und Einrichtung einiger Aus-
stellungsbauten. (Fortsetzung aus No. 44 statt Schluss.)
c. Die Sonder-Ausstellungsgebäude der Gross-
Industrie.
lohl bei keiner der bisherigen Ausstellungen hat sich
die Privat-Industrie in einem so ausgedehnten Maasse
' und mit z. Th. so erheblichen Mitteln durch den Bau
eigener Ausstellungsgebäude hervorgethan, wie in Düssel-
dorf. Sind doch von den für Ausstellungszwecke errich-
teten Gebäuden, deren Zahl sich auf einige neunzig mit
zusammen etwa 990001“ Grundfläche beläuft, abgesehen
von der Hauptindustriehalle nebst ihren 3 Erweiterungs-
bauten, der Maschinenhalle und dem Kunstausstellungs-
Palaste, sämmtliche übrigen Ausstellungs-Pavillons, deren
Grundfläche reichlich die Hälfte der gesammten über-
bauten Ausstellungsfläche einnimmt, durch einzelne Firmen
oder durch Vereinigungen von Firmen desselben Industrie-
zweiges aus eigenen Mitteln errichtet worden. Diese fast
durchweg in Eisen ausgeführten Bauten erreichen z. Th.
sehr erhebliche Abmessungen. Die bedeutendsten an
Ausdehnung unter ihnen sind die Ausstellungsgebäude des
Vereins für bergbauliche Interessen im Ob.-Berg-
amtsbezirk Dortmund mit 6400 1“, der vereinigten Waggon-
und Lokomotiv-Fabriken mit 6000I“, der Gute-
Hoffnungshütte in Gemeinschaft mit der Deutzer
Gasmotoren- und Maschinenfabrik mit 30001“, der
Firma Krupp mit 3400 I“, das Gebäude desBochumer
Vereins, der Georgs - Marienhütte, des Hö.rder
Bergwerks-Vereins usw., von denen wir einige im
Nachstehenden in Wort und Bild vorführen wollen.
Das Gebäude der Gute-Hoffnungshütte, das von
dieser für ihre eigenen Zwecke und diejenigen der Deutzer
Gasmotoren- und Maschinenfabrik gemeinsam errichtet ist
und an dem Hauptmilteiwege des Ausstellungsgeländes
unmittelbar neben der Maschinenhalle liegt, nimmt unter
den genannten Baulichkeiten durch seine Ausbildung eine
besondere Stellung insofern ein, als es das einzige von
allen ist, das seine Eisenkonstruktion unverhüllt zeigt und
den Massivbau (bezw. die Nachahmung desselben durch
Putz und Stuck) lediglich auf zwei monumentale Eingangs-
thore beschränkt. Im übrigen soll das in unserem Kopf-
bilde dargestellte Gebäude, dessen Architektur von Arch.
Bruno Möhring in Berlin stammt, lediglich durch die Ge-
saramtanordnung, die stattliche Höhe der Mittelhalle, die
Hinzufügung der Hauptthürme und der beiden Seiten-
thürme, durch die Linienführung der Fensterstürze usw.
wirken, während das die Eisenkonstruktion schmückende
Beiwerk auf ein geringer Maass beschränkt bleibt.
Auf S. 309 ist die Gesammtanordnung des Gebäudes in
Grundriss, Längs- und Querschnitten, sowie in einer sche-
matischen Wiedergabe der Fassadengestaltung der Mittel-
halle dargestellt. Der Bau gliedert sich danach in 5 Hallen,
von denen 3 den Zwecken der Gute-Hoffnungshütte, 2 den-
jenigen der Deutzer Fabrik dienen. Die ersteren 3 bilden
zusammen eine regelmässige Kreuzform, indem sich an
eine Mittelhalle von 21 “ Breite bei 40 “ Tiefe beiderseits
je eine gleichartig ausgebildete Halle von 27 “ Frontlänge
bei ebenfalls 21 “ Spannweite anschliesst. Die an einem
Flügel angegliederte Haupthalle der Deutzer Fabrik besitzt
gleichfalls 40 “Tiefe, jedoch nur 16“ Spannweite. Zwischen
den beiden Haupthallen und hinter dem einen Flügelbau
schiebt sich dann schliesslich noch die ebenfalls 27 “
lange, aber nur 15 “ tiefe zweite Halle der Deutzer Fabrik
ein, die als Generatorenhaus dient, von den übrigen Hallen
durch feste Wände abgeschlossen, an der Hinterfassade
dagegen zwischen dem Eisenwerk völlig offen geblieben
ist. Die Aussenwände des ganzen Gebäudes sind ira
übrigen V3 Stein stark ausgemauert, soweit sie nicht von
Fenstern durchbrochen werden. Diese seitlichen Fenster
in den Längswänden und Giebelfronten, in der Haupthalle
ausserdem die Fenster der aufgesetzten Dachhauben, dienen
Das künstlerische Ergebniss des Darmstädter
„Dokumentes“.
Von Albert Hof mann.
(Fortsetzung aus No. 40.) Hierzu die Abbildungen S. 31a.
er einflussreichste unter den sie-
ben Künstlern, derjenige, welcher
der Kolonie ihr charakterisüsches
Gepräge verlieh, ist der Architekt
Jos.M.Olbrich. Mit seiner Künst-
ler-Erscheinung müssen wir uns
um so mehr etwas ausführlicher
beschäftigen, als seine Kurist in
diesen Tagen in Turin eine Fort-
bildung — nein, Fortsetzung —
erfahren hat, welche neue Thaten
zwar nicht zeitigte, aber doch ge-
eignet war, der Kunstweise eine
breitere Grundlage zu geben, und
sie aus dem Charakter einerTages-
erscheinung, den sie in Darrastadt
immerhin noch besass, zu der Be-
deutung einer dauernden Kunst-
richtung erhob. Olbrich gehört
der Schule von Otto Wagner in
Wien an ; er hat in Josef Hoffmann
einen gleichwerthigen Gesinnungs-
und Empfindungs- Genossen. Die
Kunst beider entfernt sich jedoch
einen Schritt von der Kunstweise ihres Meisters. Schöpfte
dieser nur gelegentlich aus dem orientalischen Alter-
thum Anhalte für die Art der Flachenbehandlung und
des gesammten Aufbaues, waren es die Schlichtheit die-
ses Aufbaues und die Grösse der Flächenwirkung, die
ihn anzogen, so gingen Hoffmann und Olbrich noch einen
Schritt weiter und Hessen namentlich die maurische Kunst
so weit auf sich einwirken, dass sie in dem oberen
Abschluss der Gebäude, in dem überwältigenden Far-
benrausch und Farbenglanz, in der überschwänglichen
Phantasie, in' der schrankenlosen Prachtliebe ihren
weitgehenden Einfluss geltend macht. Man hat einmal
den Pietro Aretino aus Arrezzo, den „ersten grossen
Journalisten modernen Stils“, wie ihn Widmann in
Bern nennt , ob seiner Prachtliebe getadelt. „Man
darf mir nicht vorwerfen“, schrieb er darauf, „dass
ich in Brocat gehe, aus goldenem Becher trinke,
mit Edelsteinen und goldenen Ketten geschmückt bin;
denn ich bin der Erlöser für den ganzen Litteraten-
stand, den ich mit starken Armen aus der Knechtschaft
der Höfe befreit habe.“ Wer die gelegentlichen schrift-
lichen Aeusserungen Olbrichs, namentlich den Katalog zu
seinem Hause liest, der steht durchaus unter dem Eindruck,
als ob der Künstler symbolisch in Brokatgewändern in
reichster Pracht einherwandle, gleissende Edelsteine und
goldene Ketten zur Schau trage und sich als Erlöser
der Baukunst aus alten Banden betrachte. Das reale
Leben mit seinen knechtischen Bedingungen ist völlig
abgestreift, der Künstler lebt gleich dem orientalischen
Dichter in einer überirdischen Welt, er glaubt sich zur
Aetherhöhe eines reinen Kunstwerkes emporgetragen,
er will mit grossem Sinn die einzelnen Künste zu
„allgemeinen Festen“ verbinden. Sein Inneres zerklüftet
kein die Seele in ihrer Tiefe aufwühlender Kampf,
den mancher seltene Künstler um seine Kunst kämpft,
sondern hier ist alles eitel Freude, eitel Glanz. Es
schwebt ihm Tizians reiches und üppiges Leben
in Venedig vor; er hat die Prachtliebe der Gemälde
seines Wiener Kunstgenossen, von Hans Makart, begehrlich
eingesogen; was Gabriele d’Ännunzio für die Dichtkunst,
das ist er für die Baukunst. Auch bei ihm der Stich in
die Decadence, das sorglose, leichte Spielen mit der
Form. Wer seine architektonischen oder ornamentalen
No. 48.
306
allein zur Beleuchtung; Oberlicht ist nicht vorhanden, das
Dach vielmehr in ganzer Ausdehnung auf Holzsparren und
Schalung mit Dachpappe gedeckt. , ,
Das Bauwerk soll nach Schluss der Ausstellung aus-
einandergenommen und in seinen einzelnen Hallen zu
Werkstattbauten wieder Verwendung finden. Dement-
sprechend sind auch die Abmessungen, namentlich in der
Höhe, gewählt. Nur bei der Haupt-Mittelhalle hat eine
Steigerung der Höhe aus architektonischen Rücksichten bis
zu 29 in des Dachfirstes stattgefunden.
Die Binder der Haupthalle, von stattlicher Innen-
wirkung (vergl. Abbildg. 21 u. 25), die in 5,25 bzw. 5,50® Ent-
fernung stehen, sind als Bogenträger mit Scheitelgelenken
ausgebildet. Die lothrechten, unten eingespannten Schenkel
derselben sind als Blechträger, die Mitteltheile, die im
Obergurt durch ein Federgelenk im Scheitel verbunden
sind, als Fachwerkträger mit gekreuzten Diagonalen aus-
geführt. Da wo die Querhalle die Haupthalle durchbricht,
setzen sich die Füsse der Binder auf Konsolen auf, die
von dem letzten Binder der Seitenhalien getragen werden.
Das Hallendach ist in seiner ganzen Länge mit Laternen-
Aufsatz ausgestattet, der noch durch Dachhauben belebt
wird. Als Windverband sind in der Dachfläche im unteren
Felde ringsherum (vgl. Abbildg. 24) gekreuzte Diagonalen
eingelegt. Die auf die Halle selbst wirkenden Windkräfte
werden durch Diagonalverbände in den Endfeldern der
Seitenwände aufgenommen. Die freien Giebelwände sind
dabei durch starke, wagrechte Gitterträger und ent-
sprechend kräftige Vertikalständer ausgesteift, welche
den Winddruck auf die Eckpfosten und damit auf die
Seitenwände übertragen. Es gilt dies auch von den seit-
lichen Hallen. Die Pfosten der Halienbinder sind Blech-
träger von 0,75 “ Breite zwischen den Gurtschwerlinien.
Die Gurte sind aussen aus 2 □ Eisen, N. r4, innen aus
2L Eisen 120. 120. ii mit aufgelegter Lamelle gebildet.
Die Gurte des mittleren Bindertheiles bestehen ebenfalls
aus je 2L 120. 120. ii, die gekreuzten Diagonalen und
Vertikalen aus L 60.60.6. Für die Pfosten und Riegel der
Wände sind in allen Hallen mit Rücksicht auf die Aus-
mauerung □ Eisen N. 14 m einfacher Form oder, bei stärkerer
Belastung, verdoppelt verwendet.
Die 21 m weitgespannten, 27 m langen Seitenhallen,
zeigen eine Bindertheilung von 5,4 (an den beiden End-
feldern je 2,7 “) und etwa 17,5 m Firsthöhe. Die Fach-
werksbinder sind im Untergurte nach einem Korbbogen
aus 5 Mittelpunkten gekrümmt. Auch die Längsträger in
der First- und Trauflinie haben aus Schönheitsrücksichten
im Untergurte korbbogenförmige Gestalt erhalten (vergl.
Abbildgn. 21 u. 23).
Die Pfosten der Binder haben eine andere Ausbildung
als in der Mittelhalie erfahren, da sie gleichzeitig zur Auf-
nahme der Schienen der Laulkrahne dienen müssen. Sie
Entwürfe betrachtet, von welchen wir einige S, 312 u. später-
hin wiedergeben, hat kaum den Eindruck, dass sie in auf-
reibendem Ringen mit der Aufgabe, dass sie unter Wehen
und Schmerzen entstanden sind, wie sonst wohl Kunst-
werke zu entstehen pflegen; es ist eine sorglose, sonnig
heitere, eine bis zu einem gewissen Grade beneidens-
werthe Kunst, die, trotzdem Olbrich nicht in Wien ge-
boren ist, das merkwürdige Kennzeichen des Wiener
Lebens, Freude und Genuss, Sorglosigkeit und Pracht an
der Stirne trägt. Es ist kein Zufall, dass zahlreiche Wiener
Künstler einen starken Zug nach dem Orient empfinden,
ein Hauch orientalischen südlichen Lebens war immer
über dem Wiener Leben ausgebreitet. Fiermann Bahr
hat einmal eine interessante Charakteristik über Olbrich
geschrieben undhierbei denWiener Volkscharaktertreffend
geschildert. Die Wiener Sezession hat es in geschickter
Weise verstanden, mit der Litteratur ein Bündniss einzu-
gehen und ein nicht unbedeutender Theü ihres Erfolges
ist diesem Bündniss zu verdanken. Bahr also meint,
der Deutsche vergesse manchmal, dass die Oesterreicher
eine ganz andere Geschichte haben und sich darum zu
den Fragen des Lebens anders verhalten müssen, wie die
Bewohner der norddeutschen Tiefebene. „Die gemein-
same Sprache verdeckt das und man bemerkt nicht, dass
dieselbenWorte oft für uns eine andere Bedeutung haben“.
In Wien gelte z. B. Hugo von Hofmannsthal für einen
„tenebreux“, für einen düsteren, schwermüthigen Dichter
„und draussen sagt man ihm nach, er tändle. Und man
besinnt sich nicht, dass dies eben das österreichische
Wesen ist; an den Abgründen der Menscheit zu spielen“.
Muther habe ihn einmal mit Bezug auf Otto Wagner ge-
fragt, „wie denn diese kalte, harte und abweisende Pracht
in einer so heiteren und zierlichen Stadt entstehen konnte“,
und Bahr antwortete, man dürfe den Spanier nicht ver-
gessen, der in jedem Oesterreicher steckt. „Wir sind ein
Staat, sind ein Volk in den entsetzlichen Zeiten geworden,
14. Juni 1902.
sind als Fachwerkträger ausgebildet, mit einem äusseren
Gurt aus 2 □ Eisen N. 14, und mit einem inneren Gurt,
bestehend aus einem I Eisen N. 32, das den Schienenträger
von I Profil N. 55 stützt. Der gebogene Untergurt der
Binder besteht aus 2! Eisen N. 18, der Obergurt desgl.
aus N. 16. Das Fachwerk ist theils in C, theils in L Eisen
hergestellt.
Eine ganz ähnliche Ausbildung wie diese beiden
Seitenhallen zeigt, Abbildg. 2X, die Haupthalle der Deutzer
Gasmotoren- und Maschinenfabrik, nur mit der verringerten
Stützweite von 16 m. Sie erreicht die gleiche Firsthöhe
von rd. 17,5
Abweichend ist die Konstruktion der Generatoren-
halle, bei welcher in der Binderform auf die Schönheit
der Erscheinung nicht Rücksicht genommen zu werden
brauchte. (Vergl. Abbildg. 21 u. 22.) Sie erreicht nur
eine Firsthöhe von rd. it,5“ und besitzt ein abgewalmtes
Satteldach mit Laternenaufsatz und Lüftungsjalousien.
Die Binder -Entfernung entspricht natürlich der vorge-
lagerten Langhalle der Gute-Hoffnungshütte. Auch hier
bilden C und L Eisen die hauptsächlichsten Konstruktions-
elemente.
Vor der Hauptfront der Haupt-Mittelhalle, die mit
einem mächtigen Bogen den Flaupteingang überspannt,
sind zwei Thürme vorgelagert, die sich bis zu einer Höhe
von rd. 45 m erheben. Sie sind als Fachwerkpfeiler von
quadratischem Grundriss mit gekreuzten Diagonalen in
jedem Felde ausgebiidet und werden von offenen Pavillons
bekrönt. Im oberen und unteren Thurmquerschnitt, sowie
in der Höhe des Angriffs des Ober* und Unter-Gurtes des
grossen Frontbogens sind wagrechte Versteifungen zur
Aufnahme der wagrechten Kräfte eingelegt. Durch grosse
Knotenbleche an den Kreuzungsstellen der Diagonalen
in den Ansichtsflächen, die gleichzeitig zur Aufnahme von
Zierrath dienen, ist die Masse der immer noch sehr
schlank und durchsichtig wirkenden Thürme etwas ver-
stärkt worden.
Das ganze Bauwerk bildet jedenfalls einen interessan-
ten Versuch, den reinen Eisenbau ohne wesentliche
schmückende Zuthaten und ohne erhebliche Zurhilf enahme
des Massivbaues für sich zur Wirkung zu bringen. Aus
diesen Gesichtspunkten erklärt sich wohl auch die Einlegung
grösserer gesctilossener Blechflächen in den Bindern der
Haupthalle, die diese für das Auge des Ingenieurs in der
Innenwirkung etwas schwer erscheinen lassen. Vielleicht
trägt hierzu übrigens auch die dunkele Tönung der Dach-
fläche und der Holzsparren noch etwas bei. Entwurf und
Ausführung der Eisenkonstruktion ist das Werk der Gute-
Hoffnungshütte selbst und zwar der Brückenbau- und
Eisenkonstruktions-Abtheilung in Sterkrade unter Leitung
des Dir. Prof. Krohn.
Es wird nicht uninteressant sein, bei dieser Gelegen-
als die Reformation erwürgt wurde. Davon spricht man
lieber nicht, wir spielen uns gern anders auf, nach dem
Leichtsinnigen hin und, um mit einer Scham, die uns
eigenthümlich ist, unsere Seele zu verbergen zeigen wir,
wie d’Annunzio von den Venetianern gesagt hat, nur die
Animula her, aber es wird doch keiner den Hidalgo
los. Wie dieser sich mit der innigen Besonnenheit
des Deutschen und einem Reste von keltischer Beweg-
lichkeit, die noch in unserem Blute hüpft, auszusöhnen
weiss, das scheint mir das eigentliche Problem des
österreichischen Geistes zu sein, das alle hundert Jahre
neu gelöst wird: von den Jesuiten in der Barocke, dann
Theresianisch auf gut bürgerlich und deutsch, und heute
wieder durch unsere Versuche, aus einer fast cynischen
Schwermuth za einem Begriffe des Menschen und der
Welt uns durchzuringen oder doch durchzuwinden, in
welchem sich neben dem Entsetzen die Anmuth be-
haupten könnte: an Abgründen zu spielen. Das ist Hof-
mannsthal, das ist Klimt, das ist Olbrich. Uns sind
Menschen nicht sympathisch, die vor den Leuten ernst
und tief sind. "Wir wollen ein gefälliges und leichtes
Behagen,_ auf welchem aber doch von der Erinnerung an
Geheimnissvolles ein Schatten liegt. Wir haben nicht
gern, wenn der Tannhäuser vom Venusberg renommiert.
Aber er soll dort gewesen sein. — • — Der Oesterreicher
findet Momente in sich vor, die kaum auszugleichen sind.
Deshalb bleibt unseren Künstlern meistens die Reife ver-
sagt; sie verflackern hin und her, sie sind bloss inter-
essant. Wenn aber einer die Kraft hat, nicht zu ver-
zichten, alles zu bewahren und doch jedes Element so
an das andere anzupassen, dass sie verwachsen, von dem
kann dann die Nation wieder einige Zeit leben.“
Ich kenne keine treffendere Charakteristik des öster-
reichischen Wesens als diese beredte, offenherzige Schilde-
rung. Und doch verkennt ohne Zweifel Bahr den „Oester-
(Fortsetzung auf S. 310.)
307
heit einige Bemerkungen über die Gute-Hoffmmgshütte
und ihre Thätigkeil anzuknüpfen. Die 1873 gegründete
die durch Vereinigung der in der 2. Hälfte des 18. Jahrh,
angelegten Eisenwerke St. Antonienhütte, Gute-Hoffnungs-
Aktien-Gesellsc^ft geht zurück auf die 1810 gegründete hütte und ferner Neu-Essen entstand. Die Gesellschaft
offene Handels-Gesellschaft „Jacobi, Haniel und Huyssen", besitzt ausgedehnte eigene Kohlengruben, ferner Erzgruben
No. 48-
308
Von der Industrie- und Kunstausstellung
in Düsseldorf 1902.
in Lothringen, bedeutende Hochofenanlagen mit etwa
400 000 ‘ Roheisenförderung im Jahre, nebst Walzwerken
in Oberhausen, und in Sterkrade eine mit allen modernen
Einrichtungen versehene Brückenbauanstalt, Giesserei und
Maschinenbau -Werkstätte. Letztere baut hauptsächlich
Maschinen für Walzwerke und Bergbau.
Den Besucher der Haupthalle fesselt sofort ein Er-
zeugniss dieser Maschinen-Werkstätte, eine fast den ganzen
Raum einnehmende Zwillings-Tandem-Fördermaschine, die
später auf einer Grube der Gesellschaft aufgestellt werden
soll und Lasten von 4,4 t aus 750”' Tiefe bei 12“ Ge-
schwindigkeit in I Sek. fördern kann. Mächtige Pumpen
und Hochofen-Gebläse-Maschinen sind ebenfalls aus dem
Werke selbst hervorgegangen, während seitens des Walz-
werkes als Zeugniss seiner Leistungsfähigkeit eine in einer
Hitze gewalzte Bramme von 20 Länge, 3,50 Breite,
32 '"'n Dicke und 20 ‘ Gewicht, ferner Profile aller Art,
Schienen und zahlreiche Festigkeitsproben, die über die
Güte des Materiales Aufschluss geben, ausgestellt sind.
Die Brückenbauanstalt, aus welcher eine grosse An-
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- und Ing.-Verein zu Hamburg. Vers, am 21. März
igo2. Vors. Hr. Zimmermann, anwes. 58 Pers.
Hr. Reg.-Bmstr. Schimpff-Altona theilt „Neues von
der Bostoner Hoch- und Untergrundbahn" mit.
Boston ist die erste Stadt der Weit, in der die Regelung
des städtischen Verkehres im Zusammenhänge und nach
einheitlichen Gesichtspunkten erfolgt ist. Die auf diese
Weise geschaffenen Anlagen sind folgende; i. Vereinigung
sämmtlicher Eisenbahnlinien in einem nördlichen und einem
südlichen Hauptbahnhofe; 2. Anlage eines Strassenbahn-
Tunnels zur Entlastung stark befahrener Strassenzüge der
inneren Stadt; 3. Schaffung eines Netzes von Hoch- und
Untergrundbahnen zur Beschleunigung der Beförderung
innerhalb der Stadt, welches Netz in unmittelbarer Ver-
bindung steht mit den beiden Endbahnhöfen, mit dem
erwähnten Strassenbahntunnel und mit den Aussenlinien
des Strassenbahnnetzes. Alle diese Verbindungen erfolgen
in besonderen Umsteige-Stationen, wobei das Umsteigen
ohne Betreten der Strassenoberfläche erfolgt.
Die im Juni igor eröffnete, etwa 9^“ lange Hoch-
bahn ist als mustergiltig unter den amerikaniscnen Hoch-
bahnen zu betrachten; denn bei ihrer Anlage konnten
alle Erfahrungen beim Bau und Betriebe ähnlicher Bahnen
in den anderen Grosstädten Amerikas verwerthet werden;
man hatte auf keine vorhandenen, für Dampfbetrieb be-
schafften Anlagen und Betriebsmittel Rücksicht zu nehmen
und wurde durch keinerlei Geldknappheit in der Ausführung
beschränkt. Die Züge bestehen aus 4, später aus 5 Wagen
zahl unserer bedeutenden Brücken hervorgegangen sind,
so z. B. neben anderen Rheinbrücken die Düsseldorfer
Rheinbrücke selbst, die beiden Weichselbrücken bei Thorn
und Fordon, hat sich mit der Ausstellung einiger Brücken-
pläne und Ansichten begnügt, so der Rheinbrücke bei Bonn,
der Kornhausbrücke bei Bern und anderer.
DieVereinigungderAusstellungder Gute-Hoffnungshütte
mit derjenigen der Deutzer Gasmotoren-Fabrik unter einem
Dache, ergab sich aus den Beziehungen der beidenWerke,
da ein wichtiger Zweig des letzteren der Bau von Hoch-
ofen-Gasmotoren ist, die es gestatten, die Hochofen-Ab-
gase wieder nutzbringend zum Antrieb von Maschinen,
z. B. der Hochofen -Gebläsemaschinen zu verwenden.
So ist die ausgestellte Gebläsemaschine der Gute-Hoffnungs-
hütte, die in einer Minute 1000 cfam Luft ansaugt und nach
Bedarf auf 1/2 — Atm. zusammenpresst, mit einem
looopferdigen Hochofengasmotor der Deutzer Fabrik ge-
kuppelt. Neben Gasmotoren gewöhnlicher Art stellt die
Fabrik auch Spiritusmotoren, eine Spirituslokomobile,
Transportlokomotiven mit Gasmotoren und anderes aus. —
(Schluss folgt.)
von je IO “ Länge mit je 40 Sitzplätzen; als Antrieb jedes
Wagens dienen 4 Motore von je 150 P. S. Leistung, deren
Schaltung durch eine durchgehende Zugsteuerung be-
wirkt wird. Die Reisegeschwindigkeit beträgt 25 km. Es
ist ein durchgehendes selbstthätiges Signalsystem in An-
wendung.
Eine zweite Schnellverkehrslinie ist als Untergrund-
b ahn im Bau; sie durchschneidet die Stadt von Osten nach
Westen und kreuzt die im Betriebe befindliche Linie an-
nähernd rechtwinklig im Mittelpunkte der Stadt. Der
östliche Theil der neuen Linie wird als Tunnel unter dem
Hafen hindurchgeführt; hier wird zum ersten Male die
Herstellung der Tunnelwände aus Beton in Verbindung
mit Schildvortrieb unter Druckluft ausgeführt, in einer
Tiefe von 5,5 unter der Hafensohle bis zur Tunnel-
Oberkante, von 16“ unter Niedrigwasser. Das Gebirge
besteht aus festem Thonboden. Der Schild stützt sich beim
Vortriebe mittels hydraulischer Kolben gegen das fertige
Tunnel-Mauerwerk, in welches gusseiserne Druckstempel
eingebettet sind. Der Vortriebsweg beträgt je 75*=“; um
dasselbe Maass wird die Einrüstung des Tunnels hinter
dem Schilde gleichzeitig verlängert. Der Schild läuft auf
den Seitenwänden des Tunnels, die in zwei Seitenstollen
dem Schilde vorauslaufend hergestellt werden.- Der tägliche
Baufortschritt beträgt bisher 1,5 m. Die Länge der bisher
in Angriff genommenen Strecke des „Ost-Boston-Tunnels"
beträgt 1775“, davon 800 unter dem Hafen.
Diese äusserst fesselnden, mit Darstellungen erläuter-
ten Mittheilungen wurden mit lebhaftem Dank entgegen-
genommen. — Gbl.
reicher“ Olbrich stark. Er lernte ihn im März 1898
kennen, als er im Hause, der Gartenbau-Gesellschaft in
Wien die „maurischen“ Räume für die erste Ausstellung
der Sezession herzurichten hatte. Er fiel ihm durch
Sicherheit und Besonnenheit auf, die ein spöttischer
Zug belebte. „Unter den enthusiastisch schwankenden
Jünglingen, die seine Freunde waren, schien er ein klu-
ger, vorsichtig fester, ja berechnender Mann zu sein,
der, ohne zu schwärmen, sich an das Mögliche hielt,
dies aber vehement ergriff. Er vermied die grossen
Worte und kam einem unter den hitzigen Träumern
fast ein bischen nüchtern vor. Immer mehr ist er
mir zum höchsten Beispiele eines Mannes geworden, in
welchem das „Blut“, die angeborene Leidenschaft, die Be-
gierde der Natur vom „Unheil“, von einer heiter planen-
den und ordnenden Vernunft so bestimmt wird, dass er
garnicht weiss, was zaudern, . wanken oder zweifeln ist,
sondern sich nach einer inneren Uhr bewegen muss.“ Ist
das in der That der eigenartige Künstler Olbrich, den wir
mit seinen ,,oesterreichischen“ Eigenschaften liebgewonnen
haben? Gewiss, er hat etwas Ehrliches, er besitzt unbe-
grenzte Schaffensfreudigkeit und ebenso unbegrenzte
jugendliche Zuversichtlichkeit; er vermeidet das Hinaus-
stürmen ins Unbekannte, aber er wagt viel und wandelt
oft hart an der Grenze des Abgrundes. Selbstbescheidung
ist aber nicht sein Fall, seine Selbsteinschätzung ist eine
ungebührlich hohe und seine Ueberschwänglichkeit eine
orientalische. Er ist ein starker Vertreter des modernen
Voluntarismus, dessen Entwicklung unbedenklich bis zu
dem Nietzsche’schen Worte sich steigern lässt; „Wenn es
Götter gäbe, wie hielte ichs aus, kein Gott zu sein!“ Als
er in Wien das Haus der Sezession baute, schrieb er:
„Mit welcher Freude gebar ich dieses Haus! Aus einem
Chaos von Ideen, einem räthselhaften Knäuel von Empfin-
dungslinien, einem Durcheinander von Gut und. Böse ent-
sprang es: nicht leicht. Mauern sollten es werden, weiss
und glänzend, heilig und keusch . . . Und als ich so mit
dem Herzen die Aufgabe erfasste, als das innere Gefühl
lauter wurde als Verstand und Geist (siehe Bahr!) — da
hatte ich den Muth zu bringen, was ich empfand; und
geboren war es! . . . Das Subjektive, meine Schönheit,
mein Haus, wie ich es erträumt, wollte und musste ich
sehen . . . Mein. Fürstenrecht war es, meine Schön-
heit zu zeigen, und sollte auch Alles, gemessen mit dem
Maasstabe der traditionellen Schönheitslehre, dumm und
blöde erscheinen. Ein volles Herz gab mir diesen Muth,
starkes, eigenes Empfinden — so entstand dieses Haus.“
„Wenn es Götter gäbe, wie hielte ichs aus. kein Gott
zu sein.“ Das ist kein Vermeiden grosser Worte, kein
nüchterner Denker, das ist der enthusiastische Jüngling, der
schwärmerische Träumer, der überschäumende Künstler.
Immer wieder steigt die Frage auf, ist das wirklich der-
selbe Olbrich, von dem Bahr sagt: „Man sehe nur einmal
ein Dach von Olbrich an. Wie treu und innig ist da das
Schützende, das Bergende, das mütterlich Sorgende des
Daches empfunden! • Aus seinen lieben Fenstern guckt
der deutsche Philister heraus. Man glaubt förmlich den
Regen in den Fichten rieseln zu hören; der aber hat
warm. In seinen kleinen Zimmern sitzt das Märchen am
Ofen und träumt; es ist artig, weil es sich ein bischen
fürchtet, wenn der Wind pfeift. Aber nun treten wir in
die Halle seines Hauses ein. Welche Strenge, welcher
königliche Ernst, welche Ruhe! Hier lebt ein Mann, der
seine Gefühle verwahrt, ein Herrscher — der Hidalgo.
Und betrachten wir die Klinken, Schlösser und Griffe,
und wie das Ornament, gern die Geometrie neckt, und
den verwegenen Spott, der unvermuthet oft, wie Puck
sich in den Zweigen wiegt, aus seinen Linien huscht —
oh, der Kelte in uns ist unsterblich!“ Kelte, Hidalgo,
Philister — diese Dreiheit passt nicht zusammen, und was
man ihm auch nachgesagt haben mag, einen so heterogenen
Mosaikcharakter hat Olbrich nicht. Er liest nicht Märchen-
No. 48.
310
Todtenschau.
Adolf Heyden f. Am ii. d. M. verstarb im 63. Lebens-
jahre Geh. Brth. Adolf H ey d en in Berlin, der in Verbindung
mit Brth. Kyllmann, namentlich in den siebenziger Jahren,
eine fruchtbare Privatbauthätigkeit in Berlin entfaltet hat.
Wir nennen von den Ausführungen jener Zeit neben
Wohnhausbauten in der Strasse Karlsbad, die Kaiser-
Galerie, bekannter unter dem Namen ,, Passage“, Ecke
der Friedrichstrasse und Unter den Linden, und die
erste Anlage des Admiralsgartenbades in der Friedrich-
Strasse. Von den späteren Bauten ist namentlich das Haus
der bayerischen Gesandtschaft hervorzuheben. Von Bauten
ausserhalb Berlins sind die Johannis-Kirche in Düsseldorf,
die Postgebäude in Breslau und in Rostock, sowie das
Logengebäude in Potsdam zu nennen. Krankheit hielt
den jetzt Verstorbenen schon seit längerem von künstle-
rischer Thätigkeit fern.
Heyden war ordentliches Mitglied der kgl. Akademie
des Bauwesens und gehörte ferner als Mitglied dem Se-
nate der kgl. Akademie der Künste und dem Beirath des
Kunsfgewerbe-Museums an. —
Preisbewerbungen.
Einen Wettbewerb um Entwürfe zur Bugenhagen-Kirche
zu Stettin schreibt unter den im Deutschen Reiche ansässigen
evangelischen Architekten der Gemeinde-Kirchenrath mit
Frist zum 31. Okt. d. J. aus. Das Preisrichteramt haben
neben dem Hrn. Ober-Bürgerineister und dem Pfarrer
der Kirche übernommen die Hrn. Geh. Brth. Hossfeld,
Berlin, Geh. Reg-Rth. Prof. Otzen, Charlottenburg, und
Hr. Stadt-Brth. Meyer in Stettin. Es sind 3 Preise von
2400, 1500 und 1000 M. ausgesetzt, ausserdem bleibt An-
kauf weiterer Entwürfe zum Preise von 400 M. Vorbe-
halten. Unterlagen gegen Einsendung von 2 M. durch den
Küster zu beziehen. —
Im Wettbewerb um die Entwürfe zu den Hochbauten
des Bahnhofes in Metz (s. Jahrg. 1901 S. 632 u. 651) hat
den I. Preis von 8000 M. Hr. Arch. Jürgen Kröger in Ber-
lin unter Mitarbeit der Hrn. Arch. Jürgensen und Bach-
mann erhalten, den II. Preis von 5000 M. Hr. Bauinsp.
Klingholz in Berlin, je einen 111. Preis in Höhe von
3000 M.' Hr. Bauinsp. Möller in Altona und Hr. Arch.
Mälzer in Düsse-idorh Zum,' Ankäufe .empfohlen, wurden
die Entwürfe mit den Kennworten „Bach“ und „Einigkeit
und Recht und Freiheit“.
Ein engerer Wettbewerb betr. Skizzen für die Gestaltung
der Kunstgewerbe- Ausstellung im Glaspalast in München
1904 läuft am 17. Juni ab. Man darf gespannt sein, ob er
einen durchschlagenden Gedanken zeitigen wird. —
Personal-Naclirichten.
Bayern. Der Dir.-Assess. Knorz in Hof ist zur Zentral-
Magazin-Verwaltg. in Nürnberg versetzt Der Masch.-Insp. Naderer
in Schwandorf ist z. Ob.-Masch.-Insp. der Betr.-Werkst Hof be-
fördert. Der Eisenb.-Ass. Kal er in Regensburg ist z. Vorst, der
Betr.-Werkst. Schwandorf, der Dir. -Ass. Hartmann in Licliteu-
fels zur Zentr.-Werkst Regensburg, der Eisenb.-Ass. Uebeiacker
in Würzburg z. Vorst, der Betr.-Werkst. Lichtenfels berufen.
Preussen. Verliehen ist: Dem Stadtbmstr., Brth. G e n z m e r ,
dem Stadtbrth. Frobenius und dem Arch. Lang in Wiesbaden
der Rothe Adler-Orden IV. Kl.; dem Arch. Maul in Wiesbaden
und dem Bmstr. Sindermann in Primkenau der kgl. Kronen-
Orden IV. Kl.
Die Erlaubniss zur Anlegung der ihnen verlieh, nichtpreuss.
Orden ist ertheilt und zw.: dem Gen.-Dir. der Allgem. Elektricitäts-
Ges. in Berlin, Geh. Brth. Rathenau des Offizierkreuzes des
franz. Ordens der Ehrenlegion, dem Brth. Herzberg in Berlin
des Ritterkreuzes desselben Ordens und dem Ziviling. A s k e n a s y
in Frankfurt a. M. des kais. russ. St. Stanislaus-Ordens III. Kl. und
des Offizierkreuzes des franz. Ordens der Ehrenlegion.
Der Ing. Deutsch in Münster i. W. ist z. kgl. Ob.-Lehrer
an der Baugewerkschule ernannt.
Dem Ing. Gary, Vorst, der Abth. für Baumaterialprüfung der
Mechan.-techn. Versuchsanst. in Charlottenburg, ist das Prädik. Prof,
beigelegt.
Die Reg.-Bfhr. Friedr. Voss aus Calvörde u. Wolfg. Web e r
aus Kurzebrack (Wasser- u. Strassenbfch.), — Bruno V 0 1km ann
aus Thiede, Gg. Hoppe aus Konstadt u. Bruno Neubauer aus
Ogulin (Hochbfch.), — Karl W i e n e c k e aus Kyrltz, Paul Gr u li ch
aus Halle a. S., Kaspar Papmeyer aus Wellingholzhausen, Friedr.
M e y er aus Altona (Eisenbfch.), — Herrn. Franken aus Stürzelberg,
Jobs. B r a a m s aus Norden u. Friedr, Lorenz aus Zerbst (Masch.-
Bfch.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. C. K. in Dormagen. Grünspan (basisch kohlensaures
Kupfer) entsteht regelmässig auf Kupfer, das sich an feuchter
Luft oder feuchtem Boden befindet, dagegen kann die Bildung
bei Eintauchung in Wasser unterbleiben. Aber ob dies ge-
schieht, ist zweifelhaft, hängt vielleicht von Menge und Form der
Kohlensäure ab, die in dem Wasser enthalten ist. Jedenfalls aber
wird an einem in einen Brunnen hioeinhängenden Kupferdraht über
dem Wasserspiegel Grünspanbildung stattfinden. Da derselbe sich
ablösen kann und Grünspan zu den heftig wirkenden Giften ge-
•hört, scheint es uns ein dringendes Gebot der Vorsicht, die Durch-
führung eines starken Kupferdrahtes durch einen Brunnen, der
nicht ausser Gebrauch gesetzt ist, zu unterlassen.
Hrn. Arch. K. R. in Kassel. Ini Rahmen des Briefkastens
können wir die gewünschte Auskunft nicht ertheilen. Da der
Gegenstand aber von 'allgemeinerem Interesse ist, so werden wir
demnächst in grösserem Umfange darauf zurückkommen. —
Inhalt: Die Stadterweiteruog zu Diedenhofen. — Von der Industrie-
und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902 II. rFortsetzung statt Schluss). —
Das künstlerische Ergebniss des Darmstädter „Dokumentes“ (Fortsetzung). —
Mittheilungen aus Vereinen. — Todtenschau, — Preisbewerbuugeo. — Per-
sonal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
bücher hinter dem Ofen beim surrenden Theekessel und
beim rieselnden Regen, sondern er schreitet mit schönen
Frauen in schwerem Goldbrokat durch die Marmorhallen
des Kunstgebäudes seiner überschwänglichen Phantasie.
In ihm leben nicht deutsches Gemüth und deutsche Sinnig-
keit, sondern er ist erfüllt von italienischer Pracht und
südlicher Schönheit.
Vernimmt man Bahr, so könnte es scheinen, als ob
die Verpflanzung Olbrichs von Wien nach Darmstadt keinen
Luftwechsel bedeutete. Und doch, wie himmelweit ver-
schieden ist der Unterschied. Olbrich kam aus der Gress-
stadt mit einem reich entwickelten Genussleben. Was hier
trennt, was hier mosaikartig neben einander liegt und in
die Weite geht, das fand er in Darmstadt und in der Aus-
strahiungssphäre der Stadt sowie ihrer weiteren Umgebung
auf engem Raume vereinigt, wenn es überhaupt da war und
nicht in enger Kleinstadtansicht abgewiesen wurde. Hier ist
alles streng zusammengehalten, die moderne Kultur, die nicht
immer neue Schönheit bringt, hatte hierkeine tieferen Spuren
ihres Einflusses hinterlassen. Hier sind die Häuser und Häus-
chen der Bewohner vielfach die alten, ganz ihren Anschauun-
gen und den Mitteln des Landes entsprechend. Dort schmückt
geschnitztes Holzwerk den Erker, hier schützt Schieferver-
kleidung den Giebel und das Dach; geschwungene Giebel be-
reichern das Haus und Dachwalme verschneiden das Dach
zu malerischer Form, von welcher die kreischende Wetter-
fahne erzählt. Am Markte beleben Barockurnen die Attika
eines Häuschens, welchem ein schlichter Erker einen spar-
samen Reichthum verleiht, in einer Seitenstrasse grüsst farbi
ges Fachwerk den stillen Wanderer, der sich aus dem Strome
des Lebens in diesen Winkel flüchtete. Die Häuser bindet
häuJig kein Zwang, das eine steht so, das andere anders.
Hier ragt ein Giebel in die Lüfte, dort führt eine Traufkante
die Strasse entlang. Jeder baute, wie es just ihm passte.
In einer solchen Umgebung konnte, uni ein grosses Vor-
bild zu nennen, wohl Goethe schaffen, als er in hessischen
Landen weilte, die der Main nicht trennt, sondern eher ver-
bindet und die mit der gleichen Stimmung übergossen sind.
Aus Wetzlar und seiner Umgebung schreibt er; „Es ist nichts,
das mich so mit einer stillen, wahren Empfindung aus-
füllte, als die Züge patriarchalischen Lebens, die ich, Gott
sei Dank, ohne Affektation in meine Lebensart verweben
kann.“ Und wenn seinerzeit der „Werther“ allenthalben
einen so tiefen Eindruck machte, so waren es die natür-
lichen künstlerischen Grundsätze, welchen sich Goethe
überliess. Ueber das , was damals in seinem Inneren
vorging, schrieb er: „Jener Vorsatz, meine innere Natur
nach ihren Eigenheiten gewähren und die äussere nach
ihren Eigenschaften auf mich einfliessen zu lassen, trieb
mich an das wunderliche Element, in welchem Werther
ersonnen und geschrieben ist. Ich suchte mich inner-
lich von allem Fremden zu entbinden, das Aeussere
liebevoll zu betrachten und alle Wesen, vom menschlichen
an, so tief hinab, als sie nur fasslich sein möchten, jedes
in seiner Art auf mich einwirken zu lassen. Dadurch
entstand eine wundersame Verwandtschaft mit
den einzelnen Gegenständen der Natur und ein
inniges Anklingen, ein Mitstimmen ins Ganze,
so dass ein jeder Wechsel, es sei der Ortschaften
und Gegenden, oder der Tages- und Jahres-
zeiten, oder was sonst sich ereignen konnte,
mich auf’s innigste berührte“. Seelische Vorgänge
dieser Art führen zur starken Wirkung eines Kunstwerkes
und wenn deutsche Baukünstler den Versuch unter-
nommen haben, auf heimischer Erde in heimischem Sinne
zu bauen, die Erfüllungen des Lebens nach dem Leben
des Volkes zu richten, so waren sie sich bewusst,
dass der künstlerische Lorbeer nur mit dem Herzblute
der innersten Ueberzeugung bezahlt wird. Dem Künst-
ler geben das Erleben, das Erleiden Inhalt und Kraft.
Die inneren künstlerischen Vorgänge sind überall die
gleichen, sei der Künstler nun Dichter, Maler, Architekt oder
14. Juni 1902. 311
Bildhauer. Und wieder
schrieb Goethe: „Wenn
wir uns selbst fehlen,
fehlt doch alles." Die
individuelle Sammlung,
das Sichbesinnen, das
Insichz urückziehen, sie
stehen in starker Ab-
hängigkeit von der Um-
gebung des Künstlers.
An ihr stählt sich die
Natur, unter ihren Ein-
flüssen wird der Cha-
rakter weicher , aus
dieser unversieglichen
Quelle zieht die Kunst
ihre Kräftigung und auf
diesemResonnanzboden
erhält sie ihren tiefe-
ren Ton.
Ist es nun denkbar,
dass ein reichbegabter
Künstler mit einer aus-
gesprochenen und be-
reits fest gegründeten
Eigenart auf die Dau-
er in der Abhängigkeit
einer Umgebung schaf-
fen kann, die ihm so
fremd ist, wie die deut-
sche Linde dem Süden
und die italienische Pinie
dem Norden? Was in
Darmstadt durchOlbrich
bereits geschaffen wur-
de, verräth gewisse Ein-
flüsse der Umgebung,
ist aber doch heimisch
auf seinemBoden.Wenn
die Jahre dahingegangen
sind, wird es sich zei-
gen, was von dieser un-
ter allen Umständen
höchst eigenartigen und
bedeutenden Kunstüb-
ung Bestand hat und
was verfällt. Die Grund-
sätze, welche die leiten-
den waren, wird Jeder-
mann billigen, aber es
sind keine neuen Grund-
sätze, wenn sie auch
mit grösserer Entschie-
denheit als vielleicht
sonstzurAnwendung ge-
langten. Was die Kolonie,
an ihrer Spitze Olbrich,
wollte, als sie uns eine
Ausstellung des Wohn-
hauses schenkte, das
ElklZELMATEUER- DER' K^yU^TLER- KolOkJIEl'
IKJ DAR/^^TAPT' VOkI OLPiRICH 99
KyUSTLER-KoLofJIC
PA STA DT
war die Herstellung
einer Einheit zwischen
Kunst und Leben; das
Herauswachsen eines
erhöhten, bereicher-
ten Lebens aus der
Kunst; es sollte dem
Volke gezeigt werden,
dass die Kunst zum All-
täglichen gehören, dass
sie das Tagesleben er-
heben und verschönern
müsse. In diesem Sinne
wurde densiebenKünst-
lern ihre Schaffensstätte
gegeben, umrauscht von
den stolzen Bäumen des
alten Parkes, vor ihnen
ausgebreitet ein unver-
gleichlichesLandschafts-
bild des deutschenMittel-
gebirges ; hier sollten
Verklärung undBefruch-
tung von ihnen hervor-
dringen. Was so gefor-
dertwurde, gab Olbrich
in überreichem Maasse.
Seine drängende Künst-
lernatur durchbrach da-
mals noch die Grenzen,
welche die Wirklichkeit
nun einmal ziehen muss ;
aber es ist immer wie-
der daran zu denken,
dass noch niemals in der
Kunst etwas Bleibendes
erreicht wurde, ohne
einen kraftvollen Ueber-
schuss anTemperament,
ohne frisches, unbeküm-
mertes Vorwärtsdrän-
gen. War uns Olbrich
bisher ein glänzender
Komet mit all seinerUn-
beständigkeit am Ster-
nenhimmel der Kunst,
ein Feuer, das um so
schneller zu erlöschen
drohte, je heller es lo-
derte, so hat schon die
Turiner Ausstellung ge-
zeigt, dass die Mässi-
gung bereits ihre Wir-
kung geübt hat und der
Komet sich zu einem
ruhigen Sterne zu ver-
dichten scheint, der
vielleicht nicht mehr
so hell, aber dauernd
glänzt. — (Fortselzune folgt.)
Entwurf zum Hause Christiausen.
Architekt; Prof. Jos. M. Olbrich in Darmstadt.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m.b. H-, Berlin. Für die Redaktion veranuvortl. i. V. Fritz Ei;
312
L, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 48.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 49. Berlin, den 18. Juni 1902.
Abbildg. a6. Die Ausstellungs- Halle von Friedrich Krupp in Essen während der Montage.
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902.
III. Konstruktion und Einrichtung einiger Aus-
stellungsbauten. (Schluss.)
c. Die Sonder- Ausstellungsgebäude der Gross-
Industrie. (Schluss.)
ine hervorragende Stelle nimmt sowohl durch seine
alle anderen Sonder- Ausstellungsgebäude über-
treffende Ausdehnung, wie auch durch seine reiche
Ausstattung, namentlich durch einen von hoher Kuppel
überwölbten Repräsentationsraum, das Gebäude des „Ver-
eins für die bergbaulichen Interessen im Ober-
Bergamtsbezirk Dortmund“ ein, von dem wir in den
Abb. 27-29 sowie 32 eine Uebersichtsskizze des Grundrisses,
sowie mehrere Schnitte wiedergeben. Das Gebäude ist
ebenfalls in Eisenfachwerk hergestellt, in den Wandflächen,
soweit nicht Glas infrage kommt, durch feuersicheren
Drahtputz geschlossen und mit Segeltuch auf Schalung
und Holzsparren eingedeckt. Die Füsse der Binderstützen
und die Hauptpfosten der Wandflächen sind in der schon
bekannten Weise auf Betonklötze gegründet, die zur Auf-
nahme der seitlichen Kräfte zwischen Pfählen eingeklemmt
sind, welche durch die Kiesschüttung bis zum gewachsenen
Boden herabgerammt wurden. Die Beleuchtung erfolgt theils
durch Seitenlicht in den Lang- und Giebelwänden, theils
durch Oberlicht. Das Gebäude hat eine Gesammtlänge
von rd. 162“ bei rd. 45“ grösster Breite. Es zerfällt in
4 HaupUheile, die Kuppelhalle mit Vor- und Eingangs-
hallen, die Lang- oder Maschinenhalle, das Kesselhaus und
anschliessend daran das Maschinenbaus für die grosse
Fördermaschine der Eisenhütte „Prinz Rudolf“ in
Dülmen, welche den ausserhalb des Gebäudes liegenden
Förderschacht mit dem von der Maschinenfabrik „Hum-
boldt“ errichteten mächtigenFördergerüst bedient. Unsere
Abbildung 28 giebt einen Querschnitt durch die Lang-
halle wieder, wobei das Maschinenbaus in der Seiten-
ansicht erscheint, während Abbildung 29 einen Schnitt
durch das Maschinen- und Kesselhaus zeigt. Die Lang-
halle erhebt sich bis zu rd. 18® Firsthöhe des Laternen-
Aufsatzes bei 24,68 “ Spannweite zwischen den Stützen-
mitten. Gegen seitliche Kräfte ist das Gebäude durch
kräftige Verstrebung der Hinterwand geschützt. Die Binder
liegen in 7.5™ Entfernung; jedes 2, Paar ist in den Feldern
der Dachfläche durch gekreuzte Diagonalen verbunden.
Das Maschinenbaus musste mit Rücksicht auf die Auf-
stellung der grossen Fördermaschinen zu entsprechend
grösserer Höhe gesteigert werden, während das Kessel-
haus nur eine Höhe von rd. 10“ bis zur First des La-
ternenaufbaues besitzt bei 18,53™ Spannweite. Von glei-
chem System ist die Binderausbildung der Kuppelhalle
neben dem Kuppelaufbau. Hier ist jedoch an der vorde-
ren Fassade eine niedrigere Vorhalle von einem dem
Kesselhaus ähnlichen Querschnitt, aber ohne Latemen-
aufsatz, und nach hinten ein 5™ breiter Anbau mit ein-
fachem Pultdach vorgelagert. Die schon erwähnten Streben
der Binderpfosten stehen in letzterem Raum.
Die Kuppel baut sich auf achteckigem Grundriss von
14 “ innerem Durchmes.ser auf. Das System geht aus
Abbildg. 32 S. 315 hervor, welche einen Querschnitt in der
Axe der Eingangshalle darstellt. Die Gesammthöhe des
konstruktiven Aufbaues bis zum Latemenring stellt sich
auf rd. 30“. Ein farbiges Oberlicht bildet den Abschluss
im Inneren. Die Konstruktion ist hier in der Haupt-
sache durch Stuck verhüllt.
Der Entwurf der Eisenkonstruktion rührt wie bei der
Mehrzahl der .Ausstellungs-Gebäude von Ing. O. Leitholf,
Berlin, die Ausführung derselben wiederum von Hein,
Lehmann & Co. und die Herstellung der umfangreichen
Ramm- und Betonirungsarbeiten (umfangreich namentlich
für die Herstellung der Fundamente der schweren Ma-
schinen), sowie die Ausführung der Zimmer-, Maurer-,
Stuck- und Bildhauerarbeiten von Boswau& Knauer her.
Die Ausstellung des bergbaulichen Vereins bildet einen
Hauptanziehungspunkt und giebt ein übersichtliches Bild
von der hohen Entwicklung der Kohlen- und Erzförderung
des rheinisch - westfälischen Industriebezirkes und der
damit in Zusammenhang stehenden Betriebe.
Die übrigen Gebäude können wir nur kurz erwähnen.
Abbildg. 30 giebt einen Schnitt durch die Haupthalle des
Ausstellungs-Gebäudes des „Bochumer Vereins für
Bergbau- und Gusstahlfabrikation“ wieder, die als
3 Gelenkbogen von 19,10 ® Spannweite bei 19,5 “ Höhe
bis zum Dachfirst ausgebildet ist. Die Fachwerksbogen
stützen sich auf Kugelgelenke, während im Scheitel ein
Federgelenk eingelegt ist. Ein Bild des Baues während
der Montage haben wir bereits auf S. 241 wiedergegeben.
Es ist daraus ersichtlich, dass sich an die I laupthalle noch
niedrige Seitenhallen, 6® Höhe bei 6,5® Breite, anschliessen
und dass die Hauptgiebelfront von einem Thurm flankirt
wird, der sich bis gegen 70 ™ Höhe erhebt, aber nur in
seinem 40 “ hohen unteren Theile in Eisen, im übrigen
in Holz konstruirt ist. Er dient als Glockenthurm und
trägt ein umfangreiches Geläut der rühmlichst bekannten
313
Gusstahlglocken der Firma. Die Haupthalle
soll später als Werkstatt wieder Verwendung
finden. Die Ausführung des Baues lag wieder
in den Händen der Firmen Hein, Lehmann
& Co,, und Boswau & Knauer.
Ebenfalls als Gelenkbogen sind die Bin-
der des etwa 4300 qm (nicht 3400 qm, wie in
vorigerNummer angegeben wurde) bedecken-
den Ausstellungs-Gebäudes von Fr. Krupp
in Essen ausgebildet. Unser Kopfbild zeigt
die Halle während der Montage. Sie besitzt
eine Breite, zwischen den Aussenwänden
gemessen, von rd. 26m, 18,5 “ Höhe und
II Hauptbinder. Das Gesammt-Gewicht soll
sich auf rd. 450* stellen. Die Binder erscheinen
jedenfalls sehr schwer und erwecken den An-
schein, dass man auch die Konstruktion der
Halle, ebenso wie die Architektur des Aeusse-
ren, in gewisse Beziehung zu dem wuchtigen
Inhalt, den Panzerthürmen, Panzerplatten
und Kanonen bringen wollte.
Zierlich erscheint die
; Konstruktion der „Rheini-
f — yp, — sehen Metallwaaren- u.
j» Maschinen-Fabrik“ in
^ Düsseldorf-Derendorf, von
PI I welcher wir in Abbildg. 31
M den Querschnitt und einen
M ■ ^ . 5- Theil des Längsschnittes
M y geben. Es ist eine sym-
.^11^ i=-_ metrisch ausgebildete drei-
■ E=r schilfige Anlage. Das 15 m
weit gespannte Mittel-
schiff erhebt sich bis zu
etwa 17 m Höhe. Die mit
.• Pultdach abgedeckten Sei-
tenschiffe haben bei 7,5 m
; Stützweite 7m grösste Höhe.
'' Die , Beleuchtung erfolgt
theüs durch Fenster in den •
Langwänden, theils wie bei
. dem Krupp’schen Pavillon,
durch schedförmige , Ober-
lichte. Jedes zweiteBinder-
—V : paar ist durch Windkreuze
' zusammengefasst. In den
i Endfeldern reicht diese
N 1 Verstrebung bis zu den
_ . I Füssen der Hallenstützen
^ i^-- herab. Auch die Eisenkon-
struktion dieser Halle ist
von Hein, Lehmann &
^ I ^ Co. ausgeführt.
— I' Bemerkenswerth unter
_ X. r 1 den Hallenbauten ist noch
“ ^ r die Ausstellungshalle der
— ( l „Vereinigten Waggon-
t 5. und Lokoraotiv-Fabri-
^ [-1 ken Düsseldorf", eine
^ y sschiffige Anordnung von
/_y'\ ' I gl eichwerthigen Hallen, de-
Binder als Sichelträger
VX ausgebildet sind. Die Aus-
J l.i. senwände sind mit Drei-
^ F- ecksstützen abgestrebt; Ge-
fy . sammtfläche rd. 90 zu 40™.
Während der orkanartigen
^ ^ Stürme im vorigen Jahre
stürzte die Konstruktion bei
der Montage zweimal ein.
Während bei den bis-
' her erwähnten Bauten in
\ den meisten Fällen auf die
— ^ spätere unmittelbare Wie-
— derverwendbarkeit Rück-
'\ s^i ^ sicht genommen wurde,
''-.'t • I ist bei einigen Bauten die
■ äussere Wirkung in den
Vordergrund gestellt wor-
: den. Zu diesen gehören
diezentralenKuppelbauten,
X i wie sie am bedeutendsten
vom „Hörder Berg-
^ ^ werks-undHütten-Ver-
ein " und von den vereinig-
, ten „Eisenbahn-Direk-
tionen vonKöln, Elbe r-
feldundEssen“ zur Aus-
führung gekommen sind.
314
Von der ersteren Anlage haben wir auf S. 245 ein
-Bild während der Montage wiedergegeben. Der eigent-
liche Kuppelbau, an den sich in der Hauptaxe noch
niedrigere Absiden anschliessen , erhebt sich über qua-
dratischem Grundriss von 26,80 m Seitenlange. Die Kuppel
wird getragen von in den Seitenflächen des Quadrates
liegenden 3,95 “ breiten, 18,85 weitgespannten Fachwerk-
Quersclinitt AB.
Vermischtes.
Ernennung von Baugewerkschul-Direktoren zu Gewerbe-
Schulräthen. Die Baugewerkschul-Direktoren von Czihak
in Düsseldorf und Spetzler in Posen sind zu Reg.- und
Gewerbeschulräthen ernannt für die Reg.-Bezirke Düssel-
dorf und Köln, bezw. Posen und Bromberg, mit Amtssitz
in ihren bisherigen Wohnorten. Die preuss. Regierung
ist damit auf dem Wege fortgeschritten, den sie nach dem
Vorgänge Oesterreichs und Sachsens eingeschlagen und
jedenfalls als zweckdienlich erkannt hat. Für die Technik
bedeutet das eine weitere Anerkennung, die jedenfalls
mit Freuden zu begrüssen ist. —
Ausstellungen des Verbandes österreichischer Kunst-
gewerbe-Museen sind auf einem Verbandstage vom 2. Juni
d. J. beschlossen worden. Die Ausstellungen sollen in
gleicher Weise das moderne Kunstgewerbe wie die histo-
rischen Hervorbringungen umfassen, Inbezug auf letztere
besteht der interessante Plan, 'vollständig ausgestattete
Innenräume bestimmter Stilepochen zu bilden, zu welchen
die Bestände der einzelnen Landesmuseen in Originalen
oder guten Nachbildungen heranzuziehen wären. Es. ist
ein beachtenswerther Vorgang der genossenschaftlichen
Gegenseitigkeit, der hier auf dem Gebiete der Museums--
künde zur Einführung gelangt. —
Kurse für Meliorationstechniker an der Baugewerkschule
in Dt. Krone. Eine Eigenart dieser Schule besteht darin,
dass bis jetzt allein an ihr ein besonderer Kursus für
Meliorationstechniker eingerichtet ist. Zu dem Zweck ist
die Klasse I der Tiefbauabtheilung in zwei Abtheilungen
für Meliorationstechniker und für Eisenbahntechniker 'ge-
trennt. Infolge dieserTrennung erhalten diejenigen Schüler,
die sich nur dem Eisenbahndienst widmen wollen, in
diesem Fache eine eingehendere Ausbildung, als es
an anderen Schulen der Fall sein kann. Die Ausbildung
der Meliorationstechniker ist an der genannten Anstalt
eine wesentlich andere und viel umfassendere als diejenige
an der Wiesenbauschule in Siegen, so dass die Absolventen
der Anstalt nicht nur in dem Meliorationsbau, sondern
auch in anderen Bauzweigen_, wie Wasserbau, Strassen-
bau usw. gut verwerthbar sein werden. —
T
Abbüdg. 33 u. 34. Abbildg. 32. . ,
Ausstellungs-Pavillon der I Querschnitt durch die
Eisenbahn-Verwaltung. j Kuppelhalle des
Ingenieur: 4 Ausstellungs-Gebäudes
O. Leitholf in Berlin. /\. des bergbaulichen Vereins.
üi- H-i&
-bögen, die ihren Schub auf die 4 Eck-
thürme abgeben. Die.Gesammtanord- ° ' ' ' ' '
nung der Eisenkonstruktion ist aus der
Abbildung ersichtlich. '(Der Pavillon ^
war Mitte Mai noch nicht eröffnet.) |\
Das Gebäude' der Eisenbahn- Ver- j \
waltung, in seiner Konstruktion eben- ’rL
falls von Ing. O. Leitholf entworfen
und, wie dasvorige,vonHein, Lehmann
& Co. ausgeführt, erhebt sich gleich- I
falls über quadratischem Grundriss von "'KLv i
24,30 ni Seitenlange. Es ist in den I ~ /][ ' 'j
Abbild^. 33 und 34 dargestellt. Der 1/
eigentliche Kuppelbau, der in seinem 1' — —
konstruktiven Theil bis zu 23,50 m auf- \ / I
steigt, beschränkt sich jedoch hier auf -^'‘•
eine mittlere Fläche von 13,40 ^ im
Quadrat. Diesen Raum umziehen nie- J
drigere zweigeschossige Seitenhallen. P/ '
Der Kuppelraum öffnet sich mit Bo- Ä
genstellungen nach diesen Anbauten. V fl 'f
Der gesammte Schub entfällt daher Ij |j 1
ebenfalls auf die 4 Eckpunkte, dieJ.L L, , JJ
hier als im Grundriss L förmige Fach- r '
werkstützen ausgebildet sind.
Die Zahl der interessanten Konstruktionen ist hiermit
keineswegs abgeschlossen, wir müssen aber auf ein weiteres
Eingehen verzichten. Ueberraschend neue Anordnungen
.bieten sie ja allerdings nicht, und auch die Stützweiten
gehen über übliche Mittelmaasse nicht hinaus. Jedenfalls
aber wird der Ingenieur auch auf diesem Gebiete mancher-
lei Anregung in Düsseldorf finden. — Fr. E.
X' vT^
. f'p!
Preisbewerbungen,.
Der engere Wettbewerb betr. Entwürfe für ein Kaiser
Franz Josefs-Stadtmuseum in Wien. Wie wir im Jahrg. 1901
S. 568 berichteten, war zur Erlangung von Entwürfen für ein
Kaiser Franz Josefs-Museum der Stadt Wien ein allge-
meiner Wettbewerb ausgeschrieben, zu welchem im No-
vember igoi 35 Entwürfe einliefen, von denen 8 Arbeiten
'18. Juni 1902.
315
mit einem Honorar von je 2000 Kronen bedacht und deren
Verfasser zu einem engeren Wettbewerb eingeladen
wurden, für welchen 3 gleiche Preise von je 3000 Kronen
ausgesetzt waren. An dem engeren Wettbewerb betheiligten
sich 7_ Verfasser; auf den Ausgang des Wettbewerbes war
man im höchsten Grade gespannt, denn ihm wohnte in-
sofern symptomatische Bedeutung bei, als es sich zeigen
sollte, ob die sezessionistische Richtung in der Architektur,
ob die Kunst Otto Wagners und seiner Schule bereits so-
viel Boden im Urtheil der Allgemeinheit gewonnen hätte,
dass man sich hätte entschliessen können, ihr den grösse-
ren Monumentalbau zur Ausführung zu überlassen, um
den sie bisher vergeblich geworben. Die Zusammensetzung
des Preisgerichtes, welches aus 14 Beurtheilern bestand,
liess von vornherein wenig Hoffnung auf eine Stellung-
nahme zugunsten der neuen Richtung der Architektur. Zu
diesem Preisgerichte gehörten dieHrn. Gust. Bambergen,
Arch. und Maler; Franz Berger, Ob.-Brth. und Stadt-
Baudirektor von Wien; Jos. Bündsdorf, Arch.; Karl
Costenoble, Bildhauer; Jul. Deininger, Brth.; Prof.
Ferd. Ritter von F eidegg, Arch.; Reg.-Rth. Dr. Glossy,
Dir. der städt. Sammlungen; Prof. E. Hellmer, Arch.;
Prof. Jos. Hoffmann, Arch.; Prof. W. O. Noltsch; Prof.
Heinr. Schmid; Reg.-Rth. Camillo Sitte, Arch.; Brth.
Andreas Streit und Brth. Alois Wurm. Mit 13 Stimmen
entschied sich das Preisgericht zugunsten des Entwurfes
des Arch. Friedrich Schachner, einer im Barockstile ge-
haltenen Arbeit. 12 Stimmen des Preisgerichtes vereinigten
sich auf den Entwurf des Arch. Albert Pecha, der gleichT
falls in historischen Stilformen gehalten ist. Für die Zu-
erkenhung des dritten der 3 gleichen Preise konnte eine
absolute Mehrheit nicht erreicht werden ; es entfielen
7 Stimmen auf die Arch. Krauss und Tölk, 6 Stimmen
auf Otto Wagner. Infolge dieses Ergebnisses meldeten
die Hrn. -Bamberger, Deininger, von Feldegg, Hellmer
und Hoffmann ein Minoritäts-Votum zugunsten des Ent-
wurfes von Otto Wagner an.
Die Abstimmung ist recht interessant, wenn sie auch
vermuthlich auf die Entschlüsse der Gemeinde hinsichtlich
der Ausführung des Baues eine unmittelbare Einwirkung
nicht haben dürfte. Sowohl bei dem allgemeinen wie bei
dem engeren Wettbewerb hat eine Abstufung der Preise
nach Ordnungsziffern oder nach der Höhe der Preissumme
nicht stattgefunden. Vielleicht darf man hierin den Wunsch
der Gemeinde erkennen, durch das Preisausschreiben keine
bindende Stellung zur Wahl des ausführenden Architekten
einnehmen zu müssen, was allerdings auch durch die übliche
Art der Preisvertheilung nicht geschehen wäre. Immerhin
wäre durch diese eine gewisse „Anwartschaft“ auf die
Ausführung erworben worden, welcher sich die Gemeinde
aber wohl auch nicht unterwerfen wollte, um völlig freie
Hand zu haben. Wie es scheint, ist der Entwurf von
Otto Wagner nicht aus Gründen seines inneren Werthes
an die vierte Stelle gelangt, sondern aus Stilgründen, denn
sonst wäre offenbar das Minoritätsvotum nicht angemeldet
worden. So scheint denn die Hoffnung nicht ganz abge-
schnitten, dass dieser Entwurf oder ein Entwurf in diesem
Sinne zur Ausführung gelangt. Diese Hoffnung nähren
alle die, welchen es im höchsten Grade interessant ist, die
Sezession einmal an einer monumentalen Aufgabe sich
bewähren zu sehen. —
Zum Wettbewerb Bugenhagen-Kirche zu Stettin, dessen
Ausschreibung wir in No. 48 bereits erwähnten, seien
nachstehend die wichtigsten Programm-Bedingungen nach-
getragen. Die Kirche ist auf einem freien Platze am
Berliner Thor zu errichten mit einer Baukostensumme
von 300 000 M., auf deren Einhaltung entscheidendes Ge-
wicht gelegt wird. Abgesehen von der Heizungsanlage
ist übrigens die gesaramte innere Ausstattung, einschl. der
Glasfenster, dabei ausgenommen. Zu liefern sind 3 Grund-
risse, 3 Ansichten, 2 S^nitte in 1 : 200 und 2 perspektivische
Skizzen von bestimmt vorgeschriebenem Standpunkt aus.
Ausserdem ist ein Erläuterungsbericht nebst revisions-
fähigem Kostenanschläge nach cbm umbauten Raumes ver-
langt, für welchen noch nähere Vorschriften gegeben sind.
Die gesammte bebaute Grundfläche der Kirche muss (auf-
grund besond. Verpflichtung) mindestens 1290 q“ betragen.
Es muss Raum für noo Sitzplätze, einschl. der Emporen,
geschaffen werden. An Nebenräumen sind unterzubringen
I Sakristei, 2 Konfirmandenzimmer für je 80 Konfirmanden,
I Zimmer für den Küster und Kirchendiener usw. Das
sorgfältig aufgestellte Programm giebt ferner Vorschriften
über die Anordnung der Treppen, des Altarraumes, von
Kanzel, Taufstein, Orgel und des Geläutes. Die Kirche
soll eine Zentralheizung erhalten! Bezüglich der Archi-
tektur ist nur gesagt, dass mehr auf schöne Umrisslinie
als auf reiche Architektitrformen Gewicht gelegt wird.
Die bereits genannten Preise können auf einstimmigen
316
Beschluss des Preisgerichtes auch in anderer Weise ver-
theilt werden. Die preisgekrönten und angekauften Ent-
würfe gehen in das Eigenthum der Kirchengemeinde
über. Es liegt die Absicht vor, einem der Sieger die
Bauleitung bezw. die künstlerische Ueberwachung nach
der deutschen Norm zu übertragen fwobei der Preis vom
Ges.-Honorar in Abzug kommt). — , .
Wettbewerb Bahnhof Metz. (Vgl. No. 48.) Die öffent-
liche Ausstellung der Entwürfe findet vom 19.— 29. Juni
in der Aula des Lyceums zu Metz statt. — Als Verfasser
des zum Ankauf empfohlenen Entwurfes mit dem Kenn-
wort „Bach“ nennen sich uns die Hrn. Arch. Otto Sturm
in Frankfurt a. M. und Paul Huber in Wiesbaden.
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Mar.-Schiffbm.str. Buschberg ist
von Kiel nach Berlin zur Dienstleistung im Reichs-Mar.-Amt und
der Mar.-Schiffbmstr. B 0 e k h o 1 1 von Danzig nach Kiel, beide z.
I. Okt. d. J. versetzt.
Baden. Dem Geh. Hofrath Prof. Dr. Haid, Rektor an der
Techn. Hochschule in Karlsruhe, ist' die Erlaubniss zur Annahme
u. z. Tragen des ihm verlieh, russ. Ordens vom hl. Stanislaus
II. KI. ertheilt.
Der Bahnbauinsp. Brth. Hilpert in Mannheim ist unt. Ver-
leihung des Tit. Ob.-Brth. in den Ruhestand versetzt.
Der Hochbauinsp. Herr in Ueberlingen ist gestorben.
Preussen. Dem Kr.-Bauinsp. Brth. Lamy in ßrieg ist der
Rothe Adler-Orden IV. KI. verlieben.
Dem Landesbrth. S p r e n g e i I in Hannover ist die Erlaubniss
zur Annahme und zum Tragen des ihm verlieh. Ehrenkreuzes
in. Kl. des fürstl. schaumburg-lippischen Hausordens ertheilt.
Den Reg.-Bmstrn. Friedr. Grün in Wiesbaden und Wilh.
L o e b e 1 1 in Tempelhof ist die nachges. Entlassg. aus dem Staats-
dienste ertheilt.
Der Geh. Brth. Heyden in Berlin, der Reg.- u. Brth. z. D.
Sauer, früher in Düsseldorf und der Reg.-Bnistr. S t o b b e in
Danzig sind gestorben.
Sachsen. Versetzt sind: Die Landbauinsp. Schnabel in
Dresden II an das Landbauamt I und Kayser in Dresden I zur
Bauleitung für den Neubau der Kunstgewerbeschule in Dresden.
Der Reg.-Bmstr. Richter in Leipzig ist z. Masch.-Insp. ernannt.
Dem Fin.- u. Brth. Hunte in Dresden ist die nachges. Ver-
setzung in den Ruhestand bewilligt.
Württemberg. Dem Dir. des Ver. deutscher Ingenieure Brth.
Peters in Berlin ist das Ritterkreuz I. Kl. des Friedrichsordens
verliehen. — Dem kais. Geh. Brth. v. Kapp ist die Erlaubniss zur
Annahme und z. Tragen der ihm verlieh, türk, goldenen Liakat-
Medaille ertheilt.
Der Prof. Hummel an der Baugewerkschule in Stuttgart ist
gestorben.
Brief- und Fragekasten.
R. S. 100. Wie Sie sagen, sind die Unternehmer nur für
ihre Arbeiten verantwortlich. Da nun nach Ihrer Angabe der
Schwamm dadurch entstanden sein soll, dass der Waldboden unter
dem nicht unterkellerten Theile des Wohnhauses nicht entfernt
wurde, so würde ein Verschulden nicht einen der Unternehmer,
sondern den Planverfasser treffen, der es versäumt hat, die ent-
sprechenden konstruktiven Vorkehrungen zu treffen. —
Hrn. Heinr. M. in Cossebaude. Wenden Sie sich mit Ihrer
Anfrage an die nächst gelegene Eisenhahn-Betriebs-Tnspektion, die-
selbe dürfte Ihnen die zuverlässigste Auskunft ertheilen können. —
Hrn. Arch. E. H. in Darmstadt. Sie finden auf S. 204
Jahrg. 1898 uns. Zeitung eine ausführliche Mittheilung mit Angabe
von Firmen für Schindelbekleidung. —
Hrn. Arch. W. L. in Parchim. Wir müssen Sie bitten,
sich zur Beantwortung Ihrer Anfrage des Anzeigen theiles zu bedienen.
Fragebeantwortungen aus dem Leserkreise.
Zur Anfrage in No. 42. i. Für den Anstrich von Füll-
ofen-Mänteln hat sich der vom Maler R. Prasser in Waldsee
(Württbg.) nach seinem D. R.-P. No. 17459 gefertigte Anstrich be-
währt. Vom Erfinder kann Farbenmaterial und Ausführungs-An-
weisung bezogen werden. Wegmann in Waldsee.
2- Machen Sie doch einen Versuch mit Lokomotiv-Läck. Ich
lasse alle Radiatoren, Ofenschirme usw. damit streichen.
A. N. in Strassburg. '
3. Zum Anstreichen und Bemalen aller Pleizk.örper, welche
mit der Feuerung nicht in unmittelbare Berührung kommen, haben
sich Antony’s Phönixfarben der Firma Wilh. Antony in . Trier be-
währt. Die hellen Farben bestehen aus weissem Aluminiumpulver
und die Mischfarben, als Roth, Braun, Grün und Blau, aus Oxyden.
Diese Farben sowie alle aus denselben gemischten Farbentüne
halten, ohne Veränderung zu erfahren, eine hochgradige Hitze aus.
Der zum Vermischen der trockenen Farben dienende Phönixlack
enthält weder ölige noch harzige Bestandtheile und eignet sich in-
folgedessen in Verbindung mit obigen Farben zum Dekoriren der
Heizkörper. Emaille-Lacke sind zum Anstreichen der Heizkörper
ungeeignet, weil die Lacke selbst aus nur verbrennbaren Materialien
bestehen und die beigemischten Farben, besonders Weiss, bei
steigender Hitze erst gelbe, dann orange und schliesslich schmutzige
braune Farbe annehmen. Reitz & Sievernich, Arch. in Trier.
Inhalt: Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902.
III. (Schluss). — Vermischtes. — Preisbewerhungen. — Personal-Nachrichten.
— Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!, i. V. Fritz Eiselen, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 49.
Die XIV. Ausstellung der „Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs, Secession“
in Wien 1902. Architekt; Prof. Josef Hoffmann in Wien.
(Hierzu eine Bildbeilage und die Abbildungen S. 320 u. 321.)
s war „die zielbe- lernen!“ Ein Wort, eingegeben von echter, aber um
wusste Ausgestal- so seltenerer Künstlerbescheidenheit. Man wollte lernen
tung eines Innen- an einer Aufgabe der Monumentalkunst, an einer Auf-
raumes“ der leitende gäbe der Tempelkunst, dem Höchsten und Besten,
Gedanke der XIV. Aus- was die Menschen zu allen Zeiten bieten konnten.
Stellung der „Verein!- „Hier gilt es, in gegebenen Verhältnissen, in eng-
gungbildender Künstler gezogenen Grenzen die Theile der Wirkung des
Oesterreichs“ und es Ganzen unterzuordnen. Die unerbittliche Logik zwingt
sind dieserGedanke und zur Vertiefung in den Raumcharakter und zum Fest-
seine eigenartige künst- halten an einer leitenden Idee.“ Mit freudigem Beifall
lerische Durchführung vernimmt der Architekt diese selten gehörten Aeusse-
der Grund, weshalb wir rungen einer der bedeutendsten künstlerischen Ver-
an dieser Stelle auf die einigungen. Wenn sonst Malerei und Bildhauerei im
seltene Veranstaltung Zusammenhang mit der Baukunst sprachen, so geschah
eingehen. es nicht mit Unterordnung, sondern oft im Geiste eines
Im Sommer des ver- Individualismus, der keine Unterordnung kannte und
gangenen Jahres fasste selbst da nach Herrschaft strebte, wo er sie auszuüben
die „Vereinigung“, wie nicht berufen war.
der merkwürdige Kata- Die Erinnerung an die Tempelkunst lässt schon
log erzählt, den Be- den Gedanken erkennen, wie dort dem erhabenen
Schluss, die gewohnten Zeusbilde, so hier einem hervorragenden Kunstwerke
alljährlich Wiederkehr- als Mittelpunkt ein Haus zu bereiten, das uneigen-
enden Bilderausstellun- nützige Künstlerhand gestaltete und schmückte. Das
gen, in welchen schon Beethovendenkmal, an welchem Max Klinger in
derGrundsatzherrschte, Leipzig seit 15 Jahren schuf, ging seiner Vollendung
fremdartige Theile zu entgegen und war vom Künstler der Ausstellung zu-
künstlerischer Einheit gedacht. „Diese eine Hoffnung, der ernsten und herr-
harmonisch zusammen- liehen Huldigung, die Klinger dem grossen Beethoven
zuschliessen und da- in seinem Denkmale darbringt, eine würdige Umrah-
durch das Ausstellungs- mung zu schaffen, genügte, jene Arbeitsfreude zu er-
wesen künstlerisch und zeugen, die trotz des Bewusstseins, dass man nur für
im modernen Sinne zu wenige Tage schaffe, dauernde Hingabe an die ge-
heben, zu unterbrechen stellte Aufgabe ins Leben rief.“ Die Secession bezeich-
und einem völlig verän- net bescheiden ihr Werk als einen mit beschränkten
derten Gedanken Ausdruck zu geben. Man beschloss,
einen einheitlichen Raum zu schaffen, welchen Malerei
und Bildhauerei im Dienste der Raumidee schmücken ,
sollten. „Der Sehnsucht nach einer grossen Aufgabe,
die über das gewohnte Studien- undBildermalen hinaus-
führen sollte, entsprang der Gedanke, im eigenen Hause
das zu wagen, was unsere Zeit dem Schaffensdrang
des Künstlers vorenthält : Die zielbewusste Ausgestaltung
eines Innenraumes. Wir wollten den Segen einer
Arbeit, die Zweck und Bestimmung hat, an uns
erfahren. Wir wollten lernen.“ Es ist ein na-
mentlich für die Vertreter der Baukunst werth volles Ge-
ständniss, welches in diesen Worten liegt. „Wir wollten
Mitteln unternommenen Versuch, welchem die Aufgabe
gestellt war, die Gesammthaltung auf das einfachste
zu stimmen und trotzdem danach zu trachten, ,, jenen
Reichthum vorzubereiten, der in dem DenkraaleKlingers
wie in einem Juwel aufleucbtet.“
Der Architekt Prof. Josef Hoffmann, ein Schüler
von Otto Wagner, war berufen, dem Raum Gestalt
zu geben. Die bescheidenen Mittel, sowie die PlHcht,
„den Schein und die Lüge energisch zu vermeiden“
und nur echtes Material zur Verwendung zu bringen,
waren Anlass zu grösster Einfachheit. Die Gliederung
lediglich durch Vor- und Rücksprünge wird unterstützt
durch einen rauhen Wandbewurf, mit welchem glatte
317
Putzflächen abwechseln. Ihre Kostbarkeit sollten die Schmuck haben auch die kleinen Räume durch Leop.
Räume ausschliesslich durch den Kunstwerth des Bauer, Koloman Moser usw. erhalten,
plastischen und gemalten Schmuckes erhalten. Die Im Mittelraume steht nun, durch die künstlerischen
räumliche Anordnung, sowie die Leitlinie für die Be- Anordnungen zu einsamer Grösse erhoben, der
Sucher gehen aus dem beistehenden Grundriss hervor; Beethoven von Max Klinger, ein Werk, welches in
die beiden Seitenflügel öffnen sich gegen den Mittelsaal. gleicher Weise die Streitrufe der in schärfstem Gegen-
Der künstlerische Schmuck nun besteht sowohl in satze' stehenden Parteien umb'räusen, wie die Wand-
grossen friesartigen Darstellungen, die sich unter den geraälde Klimt’s.. Waren schon frühere Ausstellungen
Decken der Säle hinziehen, wie in kleinen Schmuck- derWiener Sezession so sehr vom Zwiespalt der öffent-
platten, die in den Rauhputz der Wände und Gliede-
rungen eingesetzt sind, ln ihnen sind alle Techniken
und Materialien zur Anwendung gekommen. Fresko-
malerei mit Tempera-Ueberraalung; Reliefs aus ge-
schliffenem Sieneser Marmor; geschnittener Zement,
theilweise gefärbt, dazu Intarsien aus getriebenem
liehen Meinung verfolgt, dass, wie wir bereits in No. 45,
S. 286 ausführten, die Mittelstufe zwischen Hass und
Entzücken völlig fehlt, so hat sich der Kampf der
Meinungen bei dieser Ausstellung bis zur Siedehitze,
ja bis zum Hinweis auf das Strafgesetz entwickelt.
Während der Raumgestaltung von Josef Hoffmann
Messing, vergoldetem und versilbertem Kupfer, Perl- im Ganzen die Anerkennung feierlicher Würde nicht
mutter und geschliffenem Glas; Mosaiken aus ge- versagt wird, sind es hauptsächlich die Wandfriese
schnittenen, glasirten Kacheln mit Höhepunkten aus Klimt’s, die, in kürzester Zeit geschaffen und materiell
Perlmutter; vergoldete und patinirte Kupferreliefs; und inhaltlich malerische Leistungen ersten Ranges,
Platten aus Mahagoni mit Intarsien aus Edelhölzern, in ihrer Form den Widerspruch selbst der gebildeten
Perlmutter und Halbedelsteinen; Mörtelornamente mit Klassen, so sehr herausgefordert haben, dass in der
Belag von Blattmetall; Bleiguss, vergoldet, patinirtund 24. Sitzung des österreichischen Herrenhauses bei der
mit Golddraht tauschirt; Mörtelschnitt mit Vergoldung' BerathUng des Kapitels „Justizministerium“ der Hofrath
und eingesetzten Gussglasstücken; Malereien in Kä- Dr. Lammasch die Aeusserung thun konnte: „Unter
sein- und Silikatfarben auf Platten aus Weisskalk- Umständen können unzüchtige Abbildungen und Dar-
mörtel; Reliefs aus Eichenholz,
theilweise vergoldet und bemalt
— kurzum alle nur möglichen und
wirkungsvollen dekorativen Tech-
niken sind zur Anwendung gelangt.
Und nun die Wandmalereien.
Ira linken Seitensaal rühren
die Malereien, die sich friesartig
über die oberen Hälften dreier
Wände erstrecken, von Gustav
Klimt her. Die dekorativen Mittel
sind Kaseinfarbe, aufgetragener
Stuck und Vergoldung. Charakte-
ristisch ist die Inhaltsangabe der
gemalten Darstellungen; erste
Langwand gegenüber dem Ein-
gänge dieses Saales: Die Sehn-
sucht nach Glück. Die Leiden der
schwachen Menschheit: Die Bitten
dieser an den wohlgerüsteten Star-
ken als äussere, Mitleid und Ehr-
geiz als innere treibende Kräfte,
die ihn das Ringen nach dem
Glücke aufzunehmen bewegen. —
Die Schmalwand zeigt: Die feind-
lichen Gewalten. Der Gigant Ty-
phoeus, gegen den selbst Götter
Stellungen auch ihr Gutes haben.
Ich möchte auf eine Ausstellung
hinweisen, welche nicht weit von
hier von einem Theilc der Wiener
Künstlerschaft zu Ehren eines
Heros der Kunst eingerichtet wor-
den ist, welche Ausstellung in
meinen Augen das grosse Ver-
dienst hat, dass sie Vielen, die bis
dahin nichts sehen wollten, ; die
Augen geöffnet hat über das künst-
lerische Können und die sittlichen
Tendenzen eines Theiles unserer
modernen Richtung.“ Diese offem
bar an der Kampfeshitze genährte
Meinung geht unzweifelhaft zu
weit; von einer „Tendenz“ kann
nichtwohl gesprochen werden und
wollte man den hier gebrauchten
Maasstab an die historischen Kunst-
werke anlegen, wo blieben da die
Antiken, wo blieben die hollän-
dischen Naturalisten des XVII, und
XVIII. Jahrhunderts? Auch in der
öffentlichen Kunstbeurtheilung be-
steht unseres Erachtens eine ge-
wisse Pflicht, den Natürlichkeits-
vergebens kämpfen; seine Töchter, die drei Gorgonen, sinn walten zu lassen, für sie gilt mehr denn sonst
Krankheit, Wahnsinn, Tod. Wollust und Unkeusch- das Wort, dass nicfits Menschliches ihr fremd sei.
heit, Urimässigkeit. Nagender Kummer. Die Sehn- In ähnlicher, wenn auch nicht so scharfer Weise
suchte und Wünsche der Menschen fliegen darüber ist der Beethoven Klingers von den Meinungen umtobt;
hinweg. — Zweite Langwand: Die Sehnsucht nach Es hat sich über ihn bereits eine stattliche Litteratur
Glück findet Stillung in der Poesie. Die Künste führen gebildet und aus zahlreichen Abbildungen ist er be-
uns in das ideale Reich hinüber, in dem allein wir kannt geworden. Während er auf der einen Seite
reine Freude, reines Glück, reine Liebe finden können, als ein „über alle Naturerfahrung hinausgewachsenes
Chor der Paradiesesengel. „Freude, schöner Götter-
funke — Diesen Kuss der ganzen Welt!“
Der künstlerische Schmuck des Mittelsaales be-
steht aus einem Gemälde der Stirnwand: „Der werdende
Tag“ von Adolf Böhm, in geschnittenem Mörtel, auf-
getragenem Stuck, Vergoldung und Malerei in Kasein-
Götterbild“, nach einem Kleist’schen Worte als „eiii
Fürst mit der Stirn des Zeus“, als Olympier und Titahd
bezeichnet wird, will man ihn auf der anderen Seitd
mit Rücksicht auf die polylithe Gestaltung höchstens
als eine kunstgewerbliche Arbeit gelten lassen. Aber
auch hier hat offenbar die alte triviale Wahrheit ein-
farben. DasMittelfeld der Rückwandzeigt „Die sinkende zutreten, dass die Wirklichkeit gleich weit entfernt von
Nacht“ von Alfred Roller, in schablonirter Malerei, Hass und Rausch ist. Die Vollendung des Beethoven
Leimfarbe, Mörtelschnitt, Metallbelag und Perlmutter- durch Max Klinger ist unzweifelhaft' ein Ereigniss,
Intarsia. Auf den vier Pfeilern der Stirnwand ruhen welches an dem künstlerischen Range seines Urhebers
Kranzträgerinnen in Bleiguss, theilweise vergoldet, von gemessen werden muss. Nackt, mit ineinander ge-
Rudolf Bacher (s. Abbüdg. S. 321). krampften Händen, in der seelischen Bewegung der
Im rechten Seitensaal besteht der hauptsäch- künstlerischen Eingebung, den gedankenvollen Blick
liebste künstlerische Schmuck an den beiden Lang- in die weite Ferne gerichtet, sitzt Beethoven auf derh
wänden in einem Kaseingemälde mit Vergoldung von mit kunstvollen Reliefs, Edelsteinen und Elfenbein reich
Ferdinand Andri: „Mannesmuth und Kampfesfreude“, verzierten Bronze-Thron, ein Mantel von Onyx legt
sowie in einem Kaseingemälde mit Mörtelschnitt und sich über die Knie, der Adler des Zeus blickt zu ihm
Vergoldung von J.M. Auchentaller: „Freude, schöner auf. So herrlich die Materialwirkung sein mag, das
Götterfunke“. Einen entsprechenden künstlerischen Gewollte ist mehr angedeutet, als vollbracht. Der
318
No. 50,
Zeus ist versucht, aber es donnert nicht. Die Gold-
elfenbeinstatue des Phidias ist zu einer polylithen
römisch-alexandrinischen Gewandfigur geworden. Die
reine Grösse fehlt; dieser Beethoven steht nicht, wie
Grillparzer bei Enthüllung des Grabdenkmales des Ge-
waltigen sagte, „als Sternbild am dunklen Himmel der
Nacht.“ Und doch ist es ein Werk, an dem man nicht
theilnähmslos vorübergehen kann; es athmen in ihm
hellenistische Prachtliebe, römische Sinnenkunst. Es
ist ein charakteristisches Werk der modernen Deka-
dence; nichts Gewaltiges, nichts Uebermeiischliches,
nicht die neunte Symphonie, sondern mehr ein Adagio,
eine Mondschein-Sonate. In diesem^Beethoven ist
Klinger nicht der Künstler seiner unvergleichlichen
Radierungen. —
Was der XIV. Ausstellung der Wiener Sezession
ihre grosse materielle Bedeutung verleiht, das ist die
angebahnte Erschliessung neuer Arbeitsgebiete für
Malerei und Plastik. Der Versuch, alle Kräfte zur
Ausschmückung eines idealen Innenraumes zu sammeln
und die künstlerische Kraft unter die architektonische
Gesetzgebung zu bringen, ist im höchsten Grade inter-
essant, so interessant, dass wir denWunsch nicht unter-
drücken können, es möge der Sezession bald die Gele-
genheit gegeben sein, die hier verfolgten Ziele an einem
monumentalen dauernden Werke zu versuchen. —
— H.—
Einiges über die Goldschmidt’schen Verfahren in der Aluminothermie.
Von Ing. Leo Michael Cohn in Berlin.
ie von Dr. H- Goldschmidt in Essen festgestellte
Thatsache, dass durch eine an einer Stelle er-
folgte Entzündung eines Gemisches, das im
wesentlichen aus einer Metallsauerstoff-Verbindung und
zerkleinertem Aluminium besteht, dieses ohne äussere
Wärmezufuhr von selbst weiter brennt, wobei Tempe-
raturen von schätzungsweise 3000® C. entwickelt werden,
hat einen vollständig neuen Zweig iii , der' Thermochemie
gezeitigt, 'der mit dem Namen der Aluminothermie von
seinem Erfinder belegt worden ist. Besondere Beachtung
erfordert die Aluminothermie deswegen, weil es ihr in kurzer
Zeit gelungen ist, sich in der Praxis auf den verschiedensten
Gebieten ein, grosses Anwendungsfeld zu erobern.
Bei dem erwähnten Verbrennungsvprgange tritt eine
chemische Umsetzung von fundamentalster Einfachheit zu-
tage, nämlich die Vereinigung derjenigen beiden, Elemente,
die auf der Erde am häufigsten Vorkommen : des Sauer-
stoffs,, und' des Aluminiums. Diese Verbindung heisst
Aluminiumoxyd ode.r Thonerde, deren krystallisirte Form
von, Mineralogen Corund genannt wird. Während die
Vereinigung dieser beiden Elemente vor sich geht, tritt
die bereits erwähnte höhe Temperatur auf. ,
Der zür Verbrennung nöthige Sauerstoff, wiiid also
nicht der Luft, entnommen, sondern vorzugsweise den
Metalloxyden, d.h. den Sauerstoff-Verbindungen der Metalle.
Wählt man, um ein Beispiel zu geben, als Metallöxyd
das Eisenoxyd, den bekannten Eisenrost oder Eisenoker,
so treten bei den chemischen Vorgängen'drei Grundstoffe
in Wechselwirkung, nämlich: Aluminium, Sauerstoff und
Eisen. Das Aluminium ist in zerkleinertemZustande als Pulver
dem Oker beigemischt. Es ist also jetzt Sauerstoff und
Eisen mit einander verbunden. Dann tritt die Umsetzung
ein,, der Sauerstoff trennt sich vom Eisen und geht zum
Aluminium; nun ist Aluminium und Sauerstoff verbunden
und das Eisen frei geworden. , -
Nun zeigte es sich, dass sich derartige Gemische von
Eisenoxyd oder anderen ,Metailoxy'öeri und Aluminium
nur bei verhältnissmässig hoher Temperatur entzünden.
Goldschmidt stellte diese Entzündungs-Temperatur, dadurch
her, dass er auf dieses Gemisch eine kleine, Menge eines
sog. Entzündungs-Gemisches brachte, das die Eigen-
schaft hat, .bei niedrigerer Temperatur, , etwa der einer
Stichflamme oder eines Sturmstreichholzes, bereits sich
zu entzünden, bei seiner Verbrennung jedoch eine sehr hohe
Temperatur zu-erzeugen, die genügt, um das erste Gemisch .
in Brand zu setzen. Als ein, derartiges Entzündungsgemisch
kann, man z.'B-.' eine Mtschüng vön”Bariümsüperoxyd Und
Aluminium verwenden.'
Bei den Entzündungsversuchen, die der Erfinder an-
stellte, machte er eine Beobachtung, die äusserst wichtig
ist, nämlich die, dass man Gemische mannigfacher Zu-
sammensetzung (nicht nur Metalloxyde mit Aluminium, son-
dern überhaupt Sauerstoff-, schwefel-, auch halogenhaltige
Verbindungen einerseits, Aluminium sowie Magnesium,
u. Umst. auch Calciumcarbid andererseits) herstellen kann,
die so geartet waren, dass, sobald die Umsetzung an einem
Punkte eingeleitet war, diese von selbst ohne jede Wärme-
zufuhr von aussen sich im Gemisch weiter fortpflanzte
und dass neues Gemenge, dem in Reaktion befindlichen
nachgeworfen, sofort ebenso mitbrannte. Dieser letzte Um-,
stand bildet eine bequeme Handhabe zur Regulirung der
gewünschten Schnelligkeit in der Reaktion.
Es ist nun wohl ohne Weiteres klar, dass man mit
Hilfe des aluminothermischen Verfahrens in Stand gesetzt
ist, Metalle aus ihren Oxyden in einer Reinheit herzu-
steilen, wie man sie bisher kaum gekannt hat oder nur
schwer und kostspielig herstellen konnte, da auch die
das Metalloxyd vielleicht verunreinigenden Substanzen,
wie Kohlenstoff, Schwefel und Phosphor usw, bei dieser
hohen Temperatur ausgeschieden werden.
21. Juni 1902.
Die Mischung der Oxyde mit Aluminium geschieht im
Prinzip nach äquivalenten Verhältnissen, doch wählt man
im allgemeinen einen Ueberschuss von Oxyden, da es da-
durch möglich wird, sämmtliches Aluminium zu oxydiren,
sodass trotz der hohen Legirungsfähigkeit des Aluminiums
die Metalle aluminiumfrei erhalten werden.
; Inbetracht , kommen vor allem solche Metalle, deren
Reihdafstellüng nach anderen Verfahren, selbst im elek-
trischen Ofen, 'bisher nicht möglich war. und die nur in
reinem, auch .kohlefreiem Zustande dem Hüttenmann
besondere Vprtheile bieten.
Unter diesen sind vor allem zu nennen das Chrom
und .Mangan. Es ist für die Stahlindustrie von Wichtig-
keit, das Chrom in reinem Zustande . dem Eisen zuzu-
setzen, während man es bisher fast nur als Chromkarbid
zur Verfügung hatte und deswegen meist den Chrom-, und
Kohlegehalt nicht so bemessen könnte, wie man es beab-
sichtigte. Besonders ausgedehnte Verwendung hat das
Chromthermit gefunden in der Herstellung des Märtinstahles
und Tiegelgusstahles. , (Mit Ferrothermit, Chromthermit,
Manganthermit usw. bezeichnet der Erfinder die Mischun-
gen von Oxyden der genannten .Metalle mit, Aluminium in
dem Zustande, wie sie für Einleitung der oben besprochenen
Reaktionen nöthig sind.) , .
Nun hat man gefunden, dass es allgemein in
vielen -Fällen vortheilhafter ist, dass der Zusatz
eines auf aluminothermischem Wege herzustel-
lendenMetalles besser mit Hilfe des entsprechen-
den, Thermites erfolgt, ,äls dass die Einführung
des Metalles im regulinischen Zustande im Ofen
vorgenommen wird.
.Das Bequemste ist es, unmittelbar das Thermit als sol-
ches auf den 'Boden der Pfanne zu geben oder das Metall in
unmittelbarer Nähe desselben zuzubereiten, um es dann in
die äbzulass'ende Charge einfli essen zu lassen. Einige wenige
Prozente Thermit einem Eisenbade zugeführt, erhöhen
dessen . .Temperatur ganz wesentlich.
Flüssiger Stahl entzündet Chrom, Mangan und Titan-
thermit, während flüssiges Gusseisen dieses nicht thüt.
'Ausser Chrom kommen im Grossbetriebe noch die eben
genannten Metalle Mangan und Titan oder deren Verbin-
dung Mangantitah für die Aluminothermie inbetracht. Beide
und ihre "Verbindung sind, wie eben angedeutet, vor allem
auch für die Eisen- und Stahlindustrie von "Wichtigkeit.
. Mangan. wird-in,.der_KnpferinHustrie viel auf aluminother-
mischem,,Wege verarbeitet und, zwar meist als Mangan-
'thermit, trotzdem sich das Mangan auf aluminothermischem
Wege bereitet im Preise zu dem im Ofen gewonnenen
Ferromangan wie 10 zu i verhält, da eben die Qualität
des Endproduktes im ersten Falle bedeutend besser aus-
fällt. Im grossen Maasstabe wird Manganthermit auch
verwendet zur Desoxydation des Nickels.
Alle derartigen Anwendungsarten des Metallthermites
hier vorzubringen, würde zu weit führen.*) Die gegebe-
nen Beispiele mögen genügen, um die "Wichtigkeit der
Aluminothermie und ihre Ausbreitung auf diesem Ge-
biet zu erläutern.
Die fertigen Thermit- und Entzündungsgemische
können von der Inhaberin der in allen Kulturstaaten ge-
schützten Verfahren, der Allgemeinen Thermit-Ge-
sellschaft m. b. H. Essen a. d. Ruhr bezogen werden,
ebenso die für das Verfahren nöthigen Apparate, wie
Tiegel usw. Für Frankreich hat die Soci6t6 d’Elec-
tro-Chimie St. Michel de Maurienne (Savoyen)
die Lizenzen erworben.
Ehe ich den metallurgischen Theil des aluminother-
mischen Verfahrens verlasse, möchte ich doch noch die
*) Näheres siehe in den Veröffentlichungen von Dr. Goldschniidt in
„Stahl und Eisen“, ferner in „Zeitschrift für Elektrochemie“, sowie im
„Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung“, Jahrg. 1900/1901.
3^9
Verwendung des mit den bisher besprochenenFabrikationen
eng verknüpften Nebenproduktes, des geschmolzenen
Aluminiumoxyds, das bei diesem Verfahren bei jeder
Metallabscheidung entsteht, besprechen. Da der Corund
bezw. Schmirgel, der in der Natur vorkommt, im wesent-
lichen aus Aluminiumoxyd besteht, so kann man das er-
wähnte Produkt als künstlichen Corund oder künst-
lichen Schmirgel bezeichnen. Für dasselbe ist der
Name Corubin geschützt. Dieser Corubin zeichnet sich
vor allem durch seine grosse Härte und Schleiffähigkeit
aus und übertrifft hierin, wie die Praxis gezeigt hat, den
natürlichen Schmirgel ganz erheblich. Er wird von der
Allg. Thermit-Gesellschaft in den üblichen Körnungen auf
den Markt gebracht, erzielt höhere Preise als der natür-
liche Schmirgel und eignet sich auch vorzüglich zur Her-
stellung feuerfester Körper.
Ich komme jetzt zu einer anderen Ausnutzungsart
der Eingangs erwähnten Thatsache, dass bei den be-
schriebenen Reaktionen eine Temperatur von etwa
3000*' C. erreicht wird. Der Gedanke lag nahe, diese hohe
Temperatur zum Schweissen von Eisen zu benutzen.
geschweisst werden, so werden die beiden Enden der
betreffenden Eisenstücke sauber gereinigt und stumpf
aneinander gestossen. Um die .Stosstelle wird eine
kleine Form aus Blechplauen, wennmöglich mit Sand
umschüttet, gebildet. Ferner wird ein kleiner Spann-
apparat angebracht, der mittels einer Schraubenspindel
ein Aneinanderpressen der beiden zu verschweissenden
Stücke ermöglicht. In einen mit feuerfestem Material
ausgekleideten Tiegel wird nun das Eisenthermit ge-
schüttet und ein klein wenig Entzündungsgemisch auf-
gebracht. das durch ein Sturmstreichholz entzündet wird.
In sehr kurzer Zeit wird auch das Thermit entzündet und
kann dann, je nach der Menge des verwendeten Thermits,
nach einigen Minuten der Tiegelinhalt in die Form ent-
leert werden. Der spezifisch leichtere Corund wird zu-
erst abfliessen und sowohl die zu verschweissenden
Enden als das Innere der Form mit einer dünnen Schicht
überziehen, durch die hindurch die dem nachfliessenden
Eisen innewohnende Wärme auf die Schweisstücke über-
tragen wird. Nach einigen Minuten werden mit Hilfe des
Spannapparates die zu verschweissenden Enden etwas
Die XIV. Ausstellung der „Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs, Secession“ in Wien 190a.
Linker Seitensa&l mit den Gemälden von Gustav Klimt Arch.: Prof. Jos. Hoffmann in Wien.
Goldschmidt hat nun zwei verschiedene Arten von
Schweissungen erdacht und erprobt. Bei der ersten wird
die durch die Reaktion erzeugte Wärme, die in dem frei
gewordenen Metalle, das sich langsam abkühlt, vorhanden
ist, benutzt, um andere Eisentheile in Schweisstemperatur
zu bringen, ohne dass das aus dem Thermit gewonnene
flüssige Eisen mit diesem in unmittelbare Berührung tritt.
Bei der anderen Art verstärkt das Eisen des Thermits das
Material der Verbindungsstelle.
Um die Vorgänge richtig begreifen zu können, muss
man erst die werthvollen Eigenschaften des Corundes,
der hierbei die Hauptrolle spielt, beachten. Der Corund
hat die merkwürdige Eigenschaft, sehr schnell zu erkalten
und nach dem Erkalten feuerfest zu sein, ohne seine
vorzügliche Wärmeleitungsfähigkeit zu verlieren. Trifft
feurig flüssiger Corund auf kalte Eisentheile oder andere
kalte Körper, so erstarrt er momentan und lässt dann selbst
in sehr dünner Schicht flüssiges Eisen nicht mehr durch.
Hiermit ist eigentlich die erste Art des Schweissens
schon so ziemlich erklärt. Sie geschieht nämlich wie
folgt: Sollen z. B. 2 Rohre oder 2 Schienen zusammen-
gegeneinander gepresst und die Schweissung ist vollendet.
Nach der ziemlich rasch erfolgenden Abkühlung wird
das Eisen und der Corund durch Hammerschläge entfernt.
Welche Vortheile eine derartige Schweissung z. B.
bei Rohrleitungen und Strassenbahnschienen bildet, hier
besonders auszuführen, erscheint überflüssig. Es sei nur
erwähnt, dass man zur Herstellung einer solchen Schweis-
sung kaum mehr Zeit braucht, als zur Herstellung einer
guten Schraubenverbindung und dass der Preis ein niedri-
gerer ist. Die Festigkeit der Schweisstelle ist eine er-
probt gute.
Es könnte vielleicht gewagt erscheinen, Strassenbahn-
Schienen zu grösseren Längen mit einander zu ver-
schweissen, weil man infolge des Temperaturwechsels
ein Ausbiegen oder Zerreissen des Schienenstranges zu
fürchten hat. Es hat sich nun gezeigt, dass die Reibung
der eingebetteten Schienen gegen ihre Einbettung so gross
ist, dass derartige Erscheinungen nicht auftreten können.
Bei freiliegenden Schienen freilich wäre es bedenklich,
sehr grosse Längen herzustellen. Bei langen Rohrleitungen
hilft man sich so, dass man -Röhren einschaltet. Das
No. 50.
320
21. Juni 1902.
Anwendungsgebiet derartiger Schweissungen ist natürlich
ein sehr grosses. Für diese Art der Schweissungen, bei
denen also nur die bei der Reaktion erzeugte Wärme aus-
genutzt wird, ist Thermit, Marke «roth", von der bereits
genannten Firma zu beziehen.
Für die andere Art der Schweissung, bei der das Eisen
selbst verwendet wird, wird die Marke „schwarz" ge-
braucht. Diese Schweissung beruht auf folgendem Vorgang.
Entfernt man aus dem Tiegel mit flüssigem Thermit
den Corund und giesst das flüssige Eisen in einem dünnen
Strahle auf einen Eisenblock z. B., so wird ein Loch in
denselben hineingeschmolzen, und wenn der Block nicht
zu stark ist, derselbe durchgeschmolzen. Es bringt also
das flüssige Eisen des Thermites das andere Eisen zum
Schmelzen und
kann sich in
diesem Zustan-
de gut mit dem
vorhandenen
Eisen verbin-
den. Stellt man
zündet das Gemisch. Das spezifisch schwerere flüssige
Eisen sammelt sich unten an, durchschmilzt die Eisen-
plättchen und läuft zuerst in die Form. Hierauf folgt der
Corund, der nach oben steigt und den Schienenkopf vor
der Berührung mit dem Eisen schützt. Für Rohrschweis-
sungen lässt sich natürlich diese zweite Art nicht verwen-
den, da die Enden der Rohre abgeschmolzen werden.
Leicht zu begreifen ist es auch, dass man mit Hilfe
der letzten Methode sehr leicht stellenweise Verstärkungen
an Eisen und Stahlgegenständen anbringen kann. Man
braucht nur an der Stelle eine Form in der Gestalt der
gewünschten Verstärkung anzubringen, in der das Thermit-
Eisen erkalten kann.
Zum Schluss sei noch einiges über die Feuergefähr-
lichkeit derar-
tiger Schweis-
sungen gesagt,
ohne damit alle
Anwendungs-
gebieteberech-
net zu haben.
Die Feuersich-
erheit muss na-
mentlich des-
halb berührt
werden, weil
alle alumino-
thermischen
Schweissungen
an keine Werk-
statt gebunden
sind, sondern
stets an Ort und
Stelle der Ver-
wendung der
Gegenstände
und sei es im
Tanzsaale vor-
genommenwer-
den können.
Darin lie^ ge-
rade derllaupt-
werth dieser
Verfahren, dass
man keiner
grossen Vorbe-
reitungen be-
darf. Es mag
paradox er-
scheinen, wenn
man bei einem
Vorgänge, bei
dem Tempera-
turen von 3000°
C. ungefähr er-
zeugt werden,
von Ungefähr-
lichkeitinbezug
auf Feuersge-
fahr spricht und
doch ist man
dazuberechtigt,
wie Versuche
gezeigt haben.
Schon aus der
Thatsache,dass
man Demon-
strationen im
Saal auf einem
llolzpodium
vom Erfinder
hat ausführen
sehen, genau so
wie es in der
Praxis oft ge-
schehen muss,
kann der Schluss der Ungefährlichkeit gezogen werden;
denn das Schlimmste, was passiren könnte, wäre das Aus-
laufen eines Tiegels. Freilich ist die Temperatur des
Schmelzflusses auf 3000 ° C. zu schätzen, aber der den
Tiegel verlassende Schmelzfluss erstarrt fast momentan
an Ort und Stelle, da der Corund augenblicklich auf
seinen Erstarrungspunkt abgekühlt wird und den gröss-
ten Theil des Metalles zudem einschliesst; aber auch
letzteres erstarrt schnell, so dass eine unverbrennliche
Unterlage von kleiner Ausdehnung, bestehend aus Ziegel-
steinen und Sand völlig ausreicnt, um das Experiment
überall ausführen zu können, ohne dass Feuersgefahr zu
befürchten ist. Das Herumsprühen von Funken ist ausser-
nun wie vor-
her eine Form,
aber jetzt aus
feuerfestem
Material, her,
umzweizu ver-
schweissende
Schienenenden
und giesst in
die Form das
flüssige Eisen,
nachdem man
den Corund ab-
gegossen hat,
so werden die
Schienenenden
geschmolzen
und es entsteht
an dieser Stelle
nach der Erkal-
tung eine Ver-
stärkung, ein
sog. Schweiss-
fuss. Natürlich
wird man, um
das Kopfprofil
zu erhalten, den
k.' .Min../ Im JI
Einlauf in die
Form so her-
steilen, dass das
einfliessende
Eisen den Kopf
nicht berührt,
also vielleicht
seitlich und
auch nur soviel
Eisen einfües-
sen lassen, als
genügt, um die
Form bis zur
beabsichtigten
Höhe, also nur
vielleicht bis
auf die halbe
Höhe des Ste-
ges, mit Eisen
zu füllen. Die
T emperatur des
flüssigenEisens
wird jedoch
auch die von
ihm nicht be-
deckten Theile
bisaufSchweiss-
gluth erhitzen
und wird durch Anpressen derselben auch dort eine innige
Verschweissung staufinden.
Vor einem Jahre ungefähr ersann nun Goldschmidt
eine Methode, welche die Vorsicht, die man immerhin
beim Au^essen des Tiegels bewahren musste, und von
der das Gelingen abhing, überflüssig macht. Ich habe im
vorigen Jahre in Schillings Journal für Gasbeleuch-
tung und Wasserversorgung diese Methode ausführ-
lich beschrieben und will sie hier nur kurz andeuten.
Goldschmidt macht in den Boden des Tiegels, der
fest über der Einflussöffnung der Form steht, eine kleine
Oeffnung, die er durch ein oder mehrere Blechplättchen
schliesst, füllt dann den Tiegel wie gewöhnlich und ent-
Die XIV. Ausstellung der „Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs, Secession“
in Wien 1902. Stirnwand des Mittelsaales mit den Kranzträgerinnen von Rudolf Bacher.
Architekt: Prof. Josef Hoffmann in Wien.
321
ordentlich gering und tritt fast nur beim Entzünden des
Gemisches in geringer unschädlicher Weise auf. Es ist
selbstverständlich, dass man alles unmittelbar Brennbare,
wie Tücher, Papier und dergleichen aus der nächsten Nähe
sorgfältig entfernt und vor allem das Büchschen mit dem
Entzündungsgemisch sorgfältig verschliesst und
beiseite stellt, da ein einfä.lender Funke dieses leicht
zur Entzündung bringt und dann einen kleinen Feuerregen
hervorruft. Selbstentzündung der Gemische ist bisher
nicht beobachtet worden; es ist auch bisher misslungen,
eine solche durch Stoss oder Schlag absichtlich herbeizu-
führen. — Die Gemische müssen in geschlossenen Gefässen
aufbewahrt werden, da sie feucht geworden sich nicht
mehr entzünden. Die wenige aus der Luft aufgesogene
Feuchtigkeit schadet hingegen nicht.
Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass man
bei der Ausführung der Experimente das Auge stets
durch eine dunkle Brille zu schützen hat, da die helle,
feurige, intensiv spiegelnde Oberfläche des Thermits
sehr blendend wirkt, —
Betonprüfungs-Maschinen.
Huf S. 42 Jahrg. 1901 haben wir bereits darauf hin- Druckerzeugung dient, während das Ventil a zum Ablassen
gewiesen, dass sich im Betonbau das Bestreben der Flüssigkeit, i zum Ein- bezw. Ausschalten des Kolbens
geltend mache, für die Beurtheilung der Güte des bestimmt ist. Die Füllvorrichtung des Kastens liegt bei«,
fertigen Betons anstelle des Mischungs-Verhältnisses die Zur Druckkontrolle dienen 2 Manometer. Der Druck wird
Druckfestigkeit als Maasstab einzuführen. Bisher konnten unmittelbar am Manometer abgelesen, dessen Skala nach
Druckproben nur in den Versuchsanstalten ausgeführt Tonnen eingetheilt ist. Es ist dabei auch die Reibung’
werden; man war daher im Wesentlichen auf die Beur- zwischen Presskolben und Lederstulpdichtung berück-
theilung nach dem Mischungsverhältniss angewiesen, d. h. sichtigt, so dass also die thatsächliche Belastung des Ver-
also, die Beurtheilung stand auf einem sehr unsicheren suchskörpers ohne weiteres zu ermitteln ist.
Boden, da sich je nach der Art der Zuschläge .
und der Betonbereitung bei gleichem Misch- ^ 11 ^
ungsverhältniss verschiedene Festigkeiten er-
geben können. Bei dieser Unsicherheit war
es natürlich unmöglich, die Materialien in
wirthschaftlicher Weise auszunutzen; es liegt
daher sowohl im Interesse der Bauherren wie
der Unternehmer, eine sichere Grundlage für
die Beurtheilung der Güte des Betons zu
schaffen. Dazu ist es aber nöthig, anstelle der
Prüfung in den staatlichen Prüfungsanstalten
diejenige auf der Baustelle zu setzen, und hier-
zu war vor allem die Herstellung entsprechend
kräftiger und doch im Preise so massig be-
messener Prüfungs - Maschinen erforderlich,
dass sie wenigstens von den
grösseren Unternehmern,
Gemeinden und staatlichen
Bauverwaltungen beschafft
werden können.
Nach den von Hrn. Geh.
Reg.-Rath Martens, Char-
lottenburg,aufVeranlassung
des Deutschen Betonver-
eins seiner Zeit aufgestell-
ten Skizzen ist punmehr
eine entsprechende Ma-
schine konstruirt, mit der
Betonwürfel von 300
Kantenlänge geprüft wer-
denkönnen. Bei einer obe-
ren Festigkeitsarenze von
3oo^g/qc“i würde also die
Bruchlast eines solchen
Würfels 370 000 kg betra-
gen. Die Pressen sind da-
her für einen Normaldruck
von 300t eingerichtet, der
ausnahmsweise um io^Iq überschritten werden darf.
Die Prüfungsmaschine, die als Druckwasserpresse aus-
gebilJet ist, ruht' auf einem eisernen Rahmen, der mit
Rädern ausgestattet werden kann, sodass die ganze Ma-
schine fahrbar wird. Die Presse selbst besteht aus dem
Presskolben c, in dessen kugelförmig ausgehöhlter Pfanne
sich das entsprechend gestaltete Ende der Druckplatte
legt, sodass hierdurch stets ein glattes Anpressen des Ver-
suchswürfels an die obere Traverse gesichert ist. Der
Druck im Presszylinder, 400 Atm. für 300 ‘--Druck, wird
durch eine Handpuntpe erzeugt, -die in einem gusseisernen
Gehäuse untergebrächt ist, das' gleichzeitig als Behälter der
Pressflüssigkeit dient und mit dem Sicherheitsventil d aus-
gerüstetist. Die Pumpe besitzt zwei Kolben, deren grösse-
rer zur Füllung des Presszylinders, deren kleinerer zur
Betonprüfungs-Maschine.
Die Maschine kostet ohne Fahreinrichtung 2300, fahrend
ausgestattet 2660 M. Es werden dazu auch kleinere Ein-
satzstücke zur Prüfung von Betonwürfeln mit nur 200 ““
bezw. 100™“ Kantenlänge zum Preise von 42bezw._5oM.
geliefert. Sie sind zu beziehen durch das Chemische
Laboratorium für Thonindustrie von Prof. Dr.
H. Seger und E. Gramer in Berlin.
Es ist zu hoffen, dass diese verhältnissmässig billige
Maschine eine möglichst weite Verbreitung finden und dass
demgemäss -Versuche im grossen- Maasstabe ausgeführt
werden, die zusammen -mit den wissenschaftlichen Ergeb-
nissen der' staatlichen Prüfungsänstalten die Festsetzung
von Prüfungsvorschriften für Beton auf der Grundlage
der Druckfestigkeit ermöglichen werden. —
Bestimmung der Auflagerplatten eines Freiträgers.,
n „Des Ingenieurs Taschenbuch", Abth. I, her-
ausgeg. vom akad. Verein Hütte, ist S. 372 letzte AufL
das Zahlenbeispiel eines Freiträgers berechnet und
es sind dazu sowohl die Breiten der Auflagerplatten als
auch die Drehaxe (auf V3 Plattenbreite) willkürlich
gewählt. Meiner Ansicht nach sind aber sowohl die
Plattenbreiten, als auch die Drehaxe vollständig bestimmt,
wie es sich folgendermaassen beweisen lässt. Die aus
dem Mauerwerx hervorragende Strecke des Freiträgers
sei A B und die im Mauerwerk steckende Strecke des-
selben sei BC\ letztere habe die Länge a. Infolge einer
Belastung P in der Entfernung von B wird der Theil
BC des Trägers gezwungen sein, sich zu drehen. Wir
machen nun vorerst die in Wirklichkeit nicht zutreffende
Annahme, dass zwischen dem Träger und dem unter B G
liegenden Mauerwerk eine so starke Adhäsion bestehen
möge, dass das Mauerwerk Zug- und Druckspannungen
aushalten kann. Bezeichnen wir mit G das Gewicht des
No. 50.
322
Mauerwerkes von der gleichmässigen Höhe h über B Ö,
mit b die überall gleiche Breite des Trägers, so kann man
sich der Formel ,
a.b a^.b
6
bedienen. Aus dieser, Formel ergiebt sich die grösste
Druckspannung kj_ bei B:
Die Drehaxe möge von B die Entfernung x haben,
es muss dann sein:
X
a — X ^2 ’
a . hl
kl + i'2 ’
woraus folgt:
hy 4- -
und die grösste Zugspannung
bei C:
Bezeichnet man die Gewichts-
einheit von (? mit y, so ist
Q = k - a .b - y, und setzt man
a.b = F, so ergiebt sich ferner:
nndt,=Ä.y-^(i + ^).
d. h.
und
hy -
B+ G
F
. F
■.F.
2 • P+ G
Es sind nun x und a — x nichts anderes, als die
Breiten der Platte BD unter dem Träger und der Platte
EH über dem Träger BO. Beide Platten haben dabei
die Breite b des Trägers zur Länge. Die Zugspannung
A-2, welche nicht entstehen kann, verwandelt sich in eine
Druckspannung, welche gegen das obere Mauerwerk vom
Gewichte G ausgeübt wird. Es wird sich stets ki > als
&2 ergeben, so dass ki höchstens gleich dem zulässigen
Werthe, also 7 kg für i qc“, wenn gewöhnliches Mauer-
werk angewendet wird, gesetzt werden muss. —
Ramisch.
Mittheilungen aus Vereinen.
Die 43. Hauptversammlung des Vereins deutscher Inge-
nieure in Düsseldorf wurde am Montag, den 16. d. M., unter
starker Theilnahme (es hatten sich etwa 1500 Mitglieder
eingefunden), in der Tonhalle durch den derzeitigen Vor-
sitzenden, Generaldir. v. Oechelhäuser aus Dessau, er-
öffnet, nachdem am Abend vorher ebenfalls in der Ton-
halle die Stadt zur Begrüssung der Gäste ein Fest veran-
staltet hatte. Die Versammlung selbst wurde eingeleitet
durch eine kurze Ansprache des Vorsitzenden, welcher
die Ehrengäste willkommen hiess, worauf Verwaltungs-
Gerichtsdir. Bloem die Ingenieure als Vertreter der Re-
gierung, Ob.-Bürgermstr. Marx Namens der Stadt in herz-
lichen Worten als „Doctores ingenii“ begrüsste, von deren
Thätigkeit man sagen könne „Es ist der Geist der sich
den Körper baut“. Daran schlossen sich die Dankes-
Worte und Glückwünsche der Vertreter anderer Körper-
schaften und Verbände, unter diesen auch, des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine, vertreten
durch dessen Vorstands-Mitglied Arch. Neher aus Frankfurt
a. M. Hr. von Oechelhäuser ergriff dann aufs Neue das
Wort zu einem Vortrage über „Neue Rechte, neue
Pflichten“. Redner knüpfte daran an, dass die Gleich-
berechtigung der Schulen, wenn auch noch nicht in allen
Einzelheiten durchgeführt, doch grundsätzlich ausge-
sprochen sei, ein Ziel, für das der Verein deutscher
Ingenieure schon seit 37 Jahren gekämpft habe. Auch
diejenigen Grundsätze, die jetzt bei den Reformschulen
siegreich durchgedrungen seien, habe der Verein vor
16 Jahren in seiner Versammlung in Koblenz schon auf-
gestellt. Es sei zwar das Ziel noch nicht voll erreicht,
aber es sei angebracht, den „Schulfrieden“ anzunehmen
und eine Politik der Sammlung zu treiben, wobei nament-
lich ein verständnissvoUeres Zusammengehen der Univer-
sitäten und technischen Flochschulen anzustreben sei.
Andererseits müsse der Ingenieur sich auch seiner neuen
Pflichten bewusst werden und diese nicht nur auf seine
Berufspflichten im engeren Sinne beschränken; denn
durch seine praktische Lebenserfahrung, die Gewohnheit
wissenschaftlicher Beobachtung durch seine Uebung, mit
Menschen aller Stände umzugehen, seine zeitsparende
Energie und seine organisatorische Erfahrung sei er be-
fähigt, überall da führend einzugreifen, wo es gelte, Un-
ternehmungen gemeinnütziger', wissenschaftlicher oder
künstlerischer Art in die schwierige Welt der Praxis ein-
zuführen.
Der Ingenieur müsse sich aber, um diese Pflichten
in höherem. Masse erfüllen zu können, mehr als bisher
mit volkswirthschaftlichen Fragen beschäftigen. Ausser-
dem müsse er noch mehr als bisher das Studium fremder
Sprachen pflegen, tiefer einzudringen suchen in die
Lebensbedingungen der im Wettbewerbe stehenden Natio-
nen. In diesem Sinne sei die Unternehmung des „Techno-
lexikons“ durch den Verein eine wichtige That, die grossen
Nutzen bringen werde. Ausser dem praktischen Wissen
müsse der Ingenieur aber auch stets das Ziel der harmo-
nischen Ausbildung des Menschen im Auge behalten und
beweisen, dass er nicht nur die hohen Forderungen einer
fortgeschrittenen Technik erfüllen, sondern auch für das
Wohl der Gesamihtheit wirken könne.
Diesen mit grossen Beifall aufgenommenen Ausführun-
gen folgte der feierliche Akt der Zuerkennung der „Gras-
21. Juni 1902.
hof-Denkmünze“, die Hrn. Geh. Reg.-Rath Prof. Dr.
A. Slaby, Charlottenburg, verliehen wurde, die Ernennung
des Hrn. Brth. Herzberg, Berlin, zum Ehrenmitgliede
und schliesslich die Vorlegung des Geschäftsberichtes durch
den Direktor des Vereins Hrn. Brth. Peters, Berlin.
Den Beschluss der Sitzung bildete ein Vortrag des
Hrn. Prof. Dr. A. Stodola aus Zürich über „Die Dampf-
turbinnen und die Aussichten' der Wärme-Kraft-
maschinen.“
Redner kam zu dem Ergebniss, dass in der Dampf-
turbine der Kolben-Dampfmaschine ein kräftiger Kon-
kurrent erstanden ist, der bezüglich der Wirthschaftlichkeit
den Wettkampf mit der 2 stufigen Expansions - Dampf-
maschine schon aufnehmen kann. Redner verbreitete sich
dann über die verschiedenen Systeme von de Laval,
Parson, Stumpf, Zoelly und Rateau. Alle Dampf-
maschinen haben aber, trotz der weitgehendsten Fortschritte
der Technik, noch nicht mehr erreicht als eine Aus-
nutzung von etwa 16 % Wärmeenergie der Kohle,
während 84 % nutzlos verloren gehen. Die Kraftgas-
motoren, der Dieselmotor schliesslich, der wenigstens 30 %
allerdings nur bei Anwendung flüssigen Brennstoffes, aus-
nuizen lässt, bedeuten zwar einen erheblichen Fortschritt,
aber noch ist der Ingenieur weit von dem Ziele einer
rationellen Ausnutzung entfernt und wird dieses Ziel nur
schrittweise in mühevoller Arbeit erreichen können.
Ein Festmahl in den Räumen der Tonhalle beschloss
den ersten Sitzungstag. —
Architekten- und Ingenieur-Verein zu Magdeburg. In
der Sitzung am 23. April d.: J. hielt unter Vorsitz des Hrn.
Mackenthun Hr. Stadtbauinsp. Berner einen Vortrag
über das abgetragene Haus Magdeburgs, Breiteweg 148,
die „Heydeckerei“.
Das Eigenartige dieses altehrwtirdigen Bauwerkes lag
nach Ausführung des Vortragenden nicht sowohl in seinen
Einzelheiten, die abgesehen von dem interessanten Por-
tale, einem Schmuckstück unserer deutschen Renaissance,
kaum als künstlerisch besonders hervorragend bezeichnet
werden dürfen, als vielmehr in der Gesammterscheinung der
mächtigen Front, welcher der gewaltige Giebel aufgesetzt
war, mit dem Üeberwiegen der Mauerraassen, mit den
sparsam vertheilten Gesimsen, Ornamenten usw. Es zeich-
nete sich als vornehme Wohnstätte eines Patrizier-Ge-
schlechtes der Renaissancezeit gegenüber den Nachbar-
häusern aus und gab dem Strassenbild des mittleren
Breitewegs den grössten Theil seines Reizes, dessen Feh-
len, nachdem es einem modernen Waarenhause den Platz
räumte, sich recht bemerkbar macht. Die Bezeichnung
Heydeckerei stammt vermuthlich von dem Namen des
Besitzers des Grundstückes um die Mitte des 16. Jahrh.,
eines Frhrn. v. Heydeck, dessen Besitznachfolger jedoch
erst das um 1593 beglaubigte Haus erbaut haben kann.
Bis zur Zerstörung Magdeburgs war es im Besitze der
Familie Mauritz, deren Wappen über dem Einfahrtsportal
angebracht war und deren letzter Spross, Thomas Mauritz,
das Haus nach dem Zeugnisse Otto v. Guerickes erbaut'
hat. Nach dem 30-jährigen Kriege fand ein mehrfacher
Besitzwechsel, ebenso ein Ausbau statt. Es ist kaum an-
zunehmen, dass der Bau von 1593 von- den Flammen des
IO. Mai 1631 verschont geblieben ist. Der Brand kann
zwar dem unteren starken Mauerwerk des Gebäudes wenig
Schaden gebracht haben, jedoch ist wahrscheinlich, dass
323
das ursprüngliche Haus damals zerstört und, wie alle
Häuser des Breitewegs, nach 1631 durchweg neu wieder
aufgebaut worden ist.
Es zeigt denn auch in der That der Giebel die ganz
charakteristischen Formen spätester Deutschrenaissance
mit den zusammengepressten Voluten auf den Giebelab-
sätzen, in den steügestellten Eckkonsolen des untersten
Giebelgeschosses unmittelbar über dem Hauptgesims, so-
wie in dem ornamentalen Beiwerk. Dabei ist nicht zu
verkennen, dass diese Ornamentik immer noch weit ruhiger
und zurückhaltender erscheint, als die unbändige, merk-
würdig verrenkte Formenbehandlung des in der Nachbar-
schaft errichteten Börsengebäudes. Da die Zeichnung und
Behandlung der Einzelheiten des Hauses Breiteweg 148
entschieden feiner und künstlerisch besser durchgeführt
ist, so darf man dasselbe auf eine etwas frühere Entstehungs-
zeit als die der Börse — Scidenkrämer-Innungshaus — zu-
rtickführen. Der ursprüngliche Bau von 1593 muss sich
durch kräftige und originelle Behandlung der Architektur
ausgezeichnet haben, darauf lassen wenigstens die ältesten
Theile des prachtvollen Portales schliessen.
In grossem Maasstabe ausgeführte, künstlerisch dar-
gestellte Zeichnungen nach Naturaufnahmen veranschau-
lichten das Haus und zeigten die Aenderungen, denen es
in späterer Zeit durch Einfügen von Verkaufsläden unter-
worfen wurde. Die Grundrisspläne führten die Anlage
eines Grosskaufhauses jener Zeit vor, in deren Mitte sich
die grosse Diele befand, der sich links zu ebener Erde
die Lagerräume und rechts, auf erhöhtem Fussboden, die
Geschäfts- bezw. die Wohn- und Sprechzimmer anschlossen.
Ein zweiter Eingang von der Georgenstrasse aus machte
die KeUerräume zugänglich und eine kreisrunde Werk-
stein-Wendeltreppe verband die Geschosse mit einander.
Zwecks Beförderung der Waaren nach den verschiedenen
Obergeschossen befanden sich in der Mitte des Giebels
übereinander liegende Luken mit einem zu oberst ange-
brachten Windebalken. Eine neben dem Einfahrts-Portale
befindliche Kellervorlage diente dem Herabiassen von
Waaren und Fässern nach den Kellerräumen. Die ausser-
ordentlichen Mauerstärken zeugten von dem Alter des
Bauwerkes.
Bedauerlicher Weise blieb seinerzeit jeder Versuch
erfolglos, dieses historische Bauwerk der Nachwelt zu er-
halten, selbst die Erwerbs-Unterhandlungen vonseiten der
Stadt zwecks Ausnutzung desselben für Verwaltungszwecke
scheiterten an den übermässigen Forderungen. Um nun
nach Möglichkeit wenigstens etwas aus der kunstgeschicht-
lichen Vergangenheit dieses Denkmales den späteren Ge-
schlechtern zu überliefern, musste man sich damit be-
gnügen, die bedeutungsvollsten Architekturstücke des Ab-
bruches zu erwerben. Sie sollen an geeigneter Stelle des
neuen Museumsbaues später Aufstellung finden. Das Ge-
sammtbild wird der bleibenden Erinnerung erhalten durch
Wiedergabe des Fassadenbildes in einem Gipsmodell, das
dem Museum einverleibt werden wird.
An den mit vielem Beifall aufgenommenen Vortrag
schloss sich ein allseitiger Meinungsaustausch. —
Vermischtes.
Der Berliner Verein für Unfallverletzte. Der Berliner
Verein für Unfallverletzte, der sich am 17. Juni 1899 ge-
bildet hat, bildet heute schon einen einflussreichen Faktor
in der sozialen Wohlfahrtspflege der Reichshauptstadt.
Unter dem Vorsitze des Direktors des Berliner Gewerbe-
gerichts von Schulz, sowie unter dem Leiter des Arbeits-
wesens Reg.-Baumstr. Eisner, will der Verein nach § i
seiner Statuten von Unfällen betroffenen Personen und
deren Familien Beistand leisten, soweit sie sich aus eigener
Kraft gegen Noth und Sorge nicht zu schützen vermögen
und ihnen eine anderweitige ausreichende Fürsorge nicht
zu Theil wird. Geldunterstützungen sind auf Ausnahme-
fälle beschränkt, die Fürsorge besteht vielmehr darin,
dem Verletzten eine entsprechende Arbeitsgelegenheit
dadurch zu verschaffen, dass überall, wo es möglich und
durchführbar ist, Personen, welche in ihrer Lrwerbs-
fähigkeit beschränkt sind, an die Stelle der Gesunden
gesetzt werden, die eine leichtere Thätigkeit ausüben;
auf diese Weise soll der von der Verletzung noch vor-
handene Bruchtheil der Erwerbsfähigkeit nutzbar gemacht
werden. Für die Beschaffung von Arbeitsgelegenheit
kam die Unterbringung bei fremden Unternehmern oder
die Beschäftigung in eigenen Werkstätten des Vereins in
Betracht. Der erstere Weg schlug fehl, der letztere
glückte und soll weiter ausgebaut werden. Als Vor-
bild konnte bis zu einem gewissen Grade die Inva-
lidenwerkstatt der Berliner Schultheissbrauerei dienen.
Die Erzeugnisse der Vereinswerkstätten werden ver-
kauft. Da die Verletzungen sehr verschiedener Natur
sind, so werden die verschiedensten Berufszweige infrage
kommen, den Verletzten eine passende Arbeitsgelegenheit
zu geben. Der Verein arbeitet besonders für Unfall-Ver-
leizte; er sucht aber auch anderen Bedürftigen, die in
ihrem Erwerbsleben beschränkt sind, von Nützen zu sein. —
Preisbewerbungen.
Ein Ideen-Wettbewerb zur Erlangung von Skizzen zur
Bebauung eines Platzes in Remscheid mit Kirche, Katechi-
santen- und Pfarrhaus, zu welchem die Hrn. Geh. Reg.-
Rath Prof. Otzen, Berlin, Arch. Fritzsche, Elberfeld,
und Reg.-Bmstr. Senz, Köln, aufgefordert waren, ist
kürzlich dahin entschieden worden, dass die beiden ausge-
setzten Preise von 1000 bezw. 500 M. zu gleichen Theilen
verliehen wurden den Entwürfen mit dem Kennworle
„ Bergisch“ , Verf. Hr. Prof. Otz en, und mit dem Kenn-
zeichen eines Wappenschildes, Verf. Hr. Arch. Fritzsche.
Bausachverständige Preisrichter waren die Hrn. Prof.
Frentzen, Aachen, Prof. Dr. Clemen, Düsseldorf, Arch.
Gust. Brüning und Arch. H. Heitmeyer in Remscheid.
Die beiden Sieger sollen durch einen 2. Skizzenentwurf
die Entscheidung herbeiführen, wem von ihnen die end-
giltige Planung zu übertragen sei. —
Chronik.
Die Erhaltung des diocletianischen Palastes in Spalato
ist zum Gegenstände eines Gesetzentwurfes des österreichischen
Herrenhauses gemacht, welcher alle schädigenden An- und Auf-
bauten, sowie Eingriffe in den Bestand, des Palastes Oberhaupt
verhindern und der Regierung das Recht zuweisen will, die im
Privatbesitz befindlichen Anbauten durch Anwendung des Vorkaufs-
rechtes oder der Enteignung zu erwerben. —
Eine Urnenhalle des Vereins für Feuerbestattung auf
dem nördlichen Friedhofe in München wurde am i. Juni ihrer
Bestimmung übergeben. Die Halle hat Raum für 98 Urnen. —
Das Kunstgewerbe-Museum in Paris, welches unter dem
Namen „Musee des Arts Decoratifs bis 1896 in dem 1855 errichteten
Industriepalast ein dürftiges Unterkommen gefunden hatte und nach
dem Abbruch des Gebäudes heimathlos war, ist nunmehr im „Pavillon
de Marsan“ des Louvre untergebracht worden —
Der Reinhard-Brunnen auf dem Broglieplatz in Strass-
burg, im Jahre 1897 von dem verstorbenen Justizrath Sigismund
Reinhard gestiftet und von seinem F reunde Prof, Adolf Hilde-
brand in München ausgeführt, ist am 6. Juni enthüllt worden.
Ueber einer architektonischen Becken- und Kaskadenanlage erhebt
sich in Bronze und aufrecht der Vater Rhein, nicht der antike
Poseidon mit dem Dreizack, sondern als ein Fischer oder Schiffer
in der Vollkraft der Jahre mit Schilfblättern um Hüfte und Stirn. —
Einen mykenischen Palast auf Kreta hat eine von Halb-
herr und Parnier geleitete italienische Expedition auf einem
Hügel bei Phaistos aufgefunden und freigelegt. Es ist ein alter
Fürstensitz grossen Maasstabes, in welchem zahlreiche altkretische
Inschriftsteine, welche über die vorgeschichtliche Kultur auf Kreta
berichten, gefunden wurden. —
Das Projekt der Verlegung des Karlsruher Bahnhofes
ist am 13. Juni von der 2. badischen Kammer, mit allen gegen zwei
Stimmen nach den Vorschlägen der Budget-Kommission angenpmmen.
Diese Vorschläge entsprechen im wesentlichen den Ausführungen
in unserer No. 32 u. 33 über die Karlsruher Bahnhofsfrage. —
Das Gesetz über die zwangsweise Zusammenlegung von
städtischen Grundstücken, die Lex Adickes,. ist mit einigen
Abschwächungen und mit der Beschränkung auf Frankfurt a. M. im
preuss. Abgeordnetenhause am 12. Juni d. J., im Herrenhause wenige
Tage später endgiltig angenommen worden. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. R. in Sternberg. Da der Entwurf einer Wasserver-*
sorgungs-Anlage weitaus vielgestaltiger ist als der einer Kanali-
sations-Anlage, ist bisher noch Niemand auf den Gedanken verfallen,
die Berechnung einer solchen Aufgabe an einem Beispiele in zu-
sammenhängender Weise auszuführen. Vielmehr wird in den Lehr-
büchern an, den belr. Stellen immer nur die Anwendung der Theorie
bezw einer empirischen Formel an einem beliebig gegriffenen
Beispiel erläutert. Es, wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als
aus den Ihnen bekannten Werken die einzelnen Beispiele zu einem
grossen, die ganze Anlage umfassenden Beispiel selbst zusammen
zu tragen. —
Fragebeantwortungen aus dem Leserkreise.
Zu der Anfrage in No. 41 nennt sich die Firma Ernst Wilms
in Bielefeld als Fabrikantin von Lichtpaus-Apparaten aus Stahl-
blech, bei welchen anstelle des Glases eine wasserhelie, auf beiden
Seiten polirte Celluioidplatte tritt. —
Inhalt: Die XIV. Ausstellung der „Vereinigung bildender Künstler
Oesterreichs, Secession“ in Wien 1902. — Einiges über die Goldschmidt-
schen Verfahren in der Aluminothermie. — Betonprüfungs-Maschinen. —
Bestimmung der Auflagerplatten eines Freiträgers — Mittheilungeu aus
Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Chronik. — Brief- und
Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Die XIV. Ausstellung der „Ver-
einigung bildender Künstler Oesterreichs, Secession“.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veramwortl. i. V. Fritz Eiselen, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 50.
324
XXXVI. JAHRG. 1902 N^- 50
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 51. Berlin, den 25. Juni 1902.
Ueber Raumfachwerke.*)
I.
ie unter obigem Titel im Juni vorigen Jahres er-
schienene Schrift hat in technisch-wissenschaftlichen
Kreisen berechtigtes Aufsehen erregt, was der In-
halt zahlreicher bedeutsamer litterarischer Auslassungen
namhafter Fachmänner beweist.*''') Verfasser der Schrift,
Geh.Brth. Dr. Zi mm ermann, Dr. Ing. Ehrenhalber der kgl.
Technischen Hochschule Fridericiana in Karlsruhe und
Vortragender Rath im preussischen Ministerium der öffent-
lichen Arbeiten, ein auch durch andere ausgezeichnete
technische Abhandlungen wohlbekannter Ingenieur, durfte
die in seiner Schrift dargestellten Formen und Berech-
nungsweisen von Raumfachwerkeii mit vollem Rechte als
neu bezeichnen, nicht allein, weil diese bislang noch
nicht veröffentlicht waren, sondern auch, weil es das
alleinige grosse Verdienst des Verfassers ist, die Formen
neu erfunden zu haben, wenn auch die Zeit ihrer Ent-
stehung heute schon 13 Jahre zurück liegt. ***)
Die Schrift hat drei Abschnitte, von denen der erste
sich allein mit der Reichstagskuppel beschäftigt, wäh-
rend in den folgenden Abschnitten nacheinander das
Raumfachwerk mit beliebiger Eckenzahl und ab-
geleitete Formen beschrieben werden.
Im Jahre 1889 wurde Zimmermann mit der hoch-
interessanten aber schwierigen Aufgabe betraut, den
Entwurf eines über dem Sitzungssäle des Reichstags-
hauses zu errichtenden Kuppeldaches zu liefern. Die
Schwierigkeiten der Lösung lagen darin, dass die schon
bis etwa zur Dachhöhe aufgeführten Saalwände (bei einer
Höhe von 40 ») zu schwach waren, um den auf sie ent-
fallenden Winddruck auszuhalten, geschweige denn
dazu noch die Last einer hohen weitgespannten und vom
Winde stark bestrichenenen Kuppel mit aufzunehmen.
Ausserdem mussten die schwachen Umfassungsmauern
auch noch durch mächtig grosse Fenster durchbrochen
werden, derart, dass keine Möglichkeit mehr blieb, die
Mauern etwa durch geeignete Verstärkungen von der
Innenseite her gegen die äusseren Windkräfte abzusteifen.
In welch meisterlicher Art Zimmermann seine Aufgabe
gelöst hat, soll nachstehend zuerst kuiz dargelegt werden.
Das Gerippe der von ihm entworfenen Kuppel ist
als ein statisch bestimmtes Raumfachwerk ausgebildet,
bestehend aus einem Fussringe und einem Kopfringe
mit zwischenliegenden Stabverbindungen und entsprechen-
der Stützung, wie dies aus den Abbildgti. i u. 2, S. 326, im
Aufriss und Grundriss zu erkennen ist, Die Lagerung
oder Stützung im Fussringe erfolgt in 12 Knotenpunkten,
von denen aber nur 8 Knoten (5 bis 12) eigentliche
*) Ueber Raumfachwerke. Neue Formea und Berechnungsweisen
für Kuppeln und sonstige Dachbauten. Mit 36 Abbildungen im Text. Oktav.
93 Seiten. Berlin 1901. Ernst & Sohn. Preis 8 M.
Vergl. die Mitlheiluogen von Föppl und Landsberg im Jalirg.
1901, sowie auch von Müller-Breslau und Mohr im Jahrg. 1902 des
Centralbl. d. Bauverw.
***) VergL Zimmermann, Das Raumfachwerk der Kuppel des
Reiciistagshauses im Jahrgang 1901 und 1902 des Centralbl. d. Bauverw.
Gottfried Semper über öffentliche Gebäude.
n einer der letzten Wochen-Versammlungen des
Sachs. Ing.- u. Arch.-Vereins machte Hr. Reg.-Bfhr.
Langenegger eingehendere Mittheilungen aus der
Entstehungs-Geschichte der von Semper erbauten Gemälde-
Galerie in Dresden. Als es sich anfangs der vierziger
Jahre des vor. Jahrh. darum handelte, für die bis dahin
im sogen. Stallgebäude (jetzigen Johanneum) am Jüdenhof
untergebrachte kgl. Gemäldesammlung ein passenderes,
geräumiges Unterkommen zu schaffen, kamen namentlich
drei Bauplätze in Vorschlag. Semper wurde durch den
damaligen Staatsminister von Wietersheim zu gutachtlicher
Aussprache über diese Plätze aufgefordert und verstand
es so vorzüglich, auf den Kern der Frage einzugehen, dass
die von ihm als maassgebend bezeichneten Gesichtspunkte
noch heute in ähnlichen Fällen als Anhaltspunkte gelten
können. Es lohnt sich deshalb wohl, den allgemeinen
Theil jenes Gutachtens nachstehend dem Staub und der
Vergessenheit der Akten zu entreissen.
„Ew. Excellenz
haben dem ergebenst Unterzeichneten unter dem 9. dieses
den hohen Auftrag ertheilt, einige von den für den Bau
eines neuen Galerie-Gebäudes in Vorschlag gekommenen
räumliche sind, d. h. solche, in denen mindestens 3 Stäbe,
die nicht in einer Ebene liegen, anstossen. Die übrigen
4 Stützpunkte (i bis 4) erscheinen als feste, zum Mauer-
körper gehörige Knoten, von denen jeder zwei wag-
rechte Stützenstäbe aufnimmt. In den 8 Knoten 5
bis 12 sind nur lothrechte Stützenkräfte zugelassen
worden. Im Ganzen giebt es also 4.2-)- 8 = 16 Stützen-
stäbe. Dazu kommen im Fussring 4, im Kopfring 4 und
in den schrägen Dachflächen 12, zusammen also 20 Stäbe
des Raurafachwerkes, sodass die Summe aller Stäbe
16 T 20 — 36 beträgt. Dieser Zahl entsprechen die 3 x 12
Bedingungen der vorhandenen 12 Knoten der Kuppel,
wodurch ihr System sich als statisch bestimmtes ausweist.
Das Anbringen der zur Aufnahme von wagrechten
Kräften dienenden Stützen in den Mitten der betr. Seiten
des Fussringes (bei 1—4) begründet Zimmermann wie
folgt. Er sagt: ,,Die Anbringung der Lager in der Mitte
dieser Stäbe besitzt gewisse praktische Vorzüge. Sie be-
wirkt nämlich, dass die Mitte des Fachwerkes auch bei
beliebigen Wärme-Aenderungen genau über der Mitte des
Unterbaues bleibt und dass die durch solche Aenderungen
hervorgerufenen seitlichen Verschiebungen der senkrechten
Lager (5 — 12) möglichst klein werden. Ausserdem sind
die Mitten der Umfassungswände meist besser zur Auf-
nahme von wagrechten in die Mauerflucht fallenden Kräften
geeignet, als diemehr nach den Ecken hin gelegenen Stellen.“
Zimmermann führt die analytische Berechnung
der Stabkräfte seiner Raurakuppel auf 40 Gleichgewichts-
Bedingungen zurück Nach obiger Auffassung der Punkte
I — 4, als feste Punkte des mit dem Erdboden verbun-
denen Mauerkörpers , lassen sich die Bedingungen auf
3 X 12 = 36 beschränken. Dabei entwickelt Zimmermann
seine Darlegungen und Rechnungen in ausnehmend über-
sichtlicher, klarer und einfacher Weise. Allerdings wiU
ich nicht verschweigen, dass ich zu Denjenigen gehöre,
denen die rein analytische Ermittelung von Stabkröten in
Fachwerken der Ebene und des Raumes in praktischer
Hinsicht etwas umständlich und zeitraubend erscheinen
will. Auch das kürzlich an zwei Beispielen von Mohr
dargelegte Verfahren der analytischen Berechnung von
Raumfachwerken mit Hilfe des Satzes der virtuellen Ver-
schiebungen, so einfach und lehrreich es ist, kann nach
meinem Dafürhalten das graphische Verfahren nicht voll
ersetzen.
Die reziproken Kräftepläne der Ebene oder des
Raumes haben einerseits das für sich, dass sie leicht und
schnell zu zeichnen sind, dabei eine anschauliche Vor-
stellung vom gesamraten Spiel der Kräfte geben und in
jedem Falle die Merkmale ihrer Richtigkeit in sich selbst
tragen. Andererseits gewähren sie aber noch den Vor-
zug, dass man bei vorliegenden Entwürfen von Fachwerken
imstande ist, aus dem Befunde der ermittelten Kräftepläne
zurückzuschliessen auf die Zweckmässigkeit der gewählten
Stabverbindungen: Ausnahmefälle der unendlich kleinen
Beweglichkeit sind ausgeschlossen, sobald sich ein Kräfte-
Plätzen einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen und
dasjenige, was sich für die Wahl derselben anführen lässt,,
sowie auch die Nachtheile, Hindernisse und Unbequemlich-
keiten, die dagegen sprechen, gegen einander abzuwägen.
Es kommen hierbei, ausser dem Platze zwischen dem
Zwinger und der katholischen Kirche (wo die Schinkel’-
sche Hauptwache steht), zwei andere Räume ganz be-
sonders in Erwägung, nämlich die Stallwiese (wo jetzt das
Finanz-Ministerium steht) und deren Umgebung, und die
nordöstliche offeneSeite des Zwingers (dem jetzigen
Hoftheater zugekehrt).
Bei der Vergleichung sind zuvörderst die materiellen
Erfordernisse zu berücksichtigen, die einen Platz dazu ge-
eignet machen, auf ihm ein solches Gebäude aufzuführen
und deren entschiedener Mangel so sehr gegen die jetzige
Stelle der Bildergalerie spricht. Zweitens aber darf da-
bei die allgemeine Rücksicht nicht ausser Augen gelassen
werden, inwiefern durch die Bevorzugung dieses oder
jenes Platzes und dessen zweckmässige Benutzung auch
andere, zwar unmittelbar durch die Aufgabe nicht be-
dungene, jedoch nicht minder wichtige Vortheile für das
Ganze erreicht, oder auch wesentliche öffentliche Uebel-
stände beseitigt werden können, die man schon lange
duldete, weil eine passende Veranlassung oder Gelegenheit
zu ihrer Entfernung sich nicht darbot.
325
plan zeichnen lässt; ungewöhnlich hohe Spannungen kön-
nen beseitigt werden, wenn man den Kräfteplan ent-
sprechend abändert und danach das reziproke Fachwerk
zeichnet usw. Alle diese Vorzüge sind so werthvoll, dass
heute kein Ingenieur es unternehmen sollte, ein Raum-
fachwerk auszuführen, von welchem er nicht vorher die
Kräftepläne in der angedeuteten Weise nach allen Seiten
hin geprüft und verbessert hat. Schwierigkeiten, wenn
man es so nennen will, macht nur das Zeichnen solcher
Pläne, bei welchen in jedem Knoten des zugehörigen
Fachwerkes mehr Stäbe anstossen, als nothwendig sind,
um aus den gegebenen äusseren Knotenlasten das ent-
sprechende Krafteck unmittelbar zu finden. Ein solches
Fachwerk ist auch Zimmermann’s Raurakuppel (Abbil-
dungen I und 2), denn keiner ihrer Raumknoten weist
weniger als 4 unbekannte Stabkräfte auf. Wenn man
aber das einfache, meines Wissens zuerst von Henne-
berg^') angegebene Verfahren der Stab-Aus-
wechselung anwendet, dessen Grundlagen sich mit den-
jenigen des von Föppl und Muller-Breslau'-''®^) angegebe-
nen Verfahrens decken, so lösen sich danach selbst die
verwickeltsten Fälle. Man dürfte wohl nicht zu Unrecht
behaupten, dass jedes Raumfachwerk, das sich nicht nach
Henneberg’s Verfahren bequem graphisch behandeln lässt,
dessen Erzeuger oder Erfinder kein gutes Zeugniss über
seine Gewandtheit im Konstruiren ausstellt.
II.
Um auch denjenigen Lesern der „Dtschn. Bauztg.",
die nicht Zeit oder Uebung genug haben, sich in ver-
wickelte analytische Berechnungsweisen zu vertiefen, von
dem Henneberg’schen Verfahren zur Ermittelung der
Spannkräfte statisch
bestimmterFachwer-
ke wenigstens bei- ^
spielsweise eine An-
schauung zu geben,
soll danach nachsteh-
end die Berechnung
der Spannkräfte der
Zimmermann’schen
Reichstags - Kuppel
(Abbildg. I u. 2) für
einenbestimmtenBe-
lastungsfall kurz er-
läutert werden.
Im Knoten 13 wirke
eine senkrechte Last
P = lot (Abbildg. 2).
Es kommt dann zu-
nächst darauf an, zu
s / '
v> ^
/ I2
/ 1
'*'3 \S j
S ^ X
Abbildg. I u. 2.
und welche Stäbe
man zweckmässig
auswechselt, um sie
durch die gleicheZahl
von andern Stäben in
geeigneten Knoten
wieder derart zu er-
setzen, dass das Fachwerk ein statisch bestimmtes bleibt.
Dazu gehört ein klein wenigUebung oder Probiren. Meistens
*) Statik der starren Sj'steme. Mit 131 Figuren und 12 Tafeln. r886,
S. 228 und 262.
**) a. a, O. Vergl. auch Föppl, Graphische Statik, igoo. S. 215.
aber führen verschiedene Lösungen zum Ziel. Im vor-
liegenden Falle erkennt man bald, dass es mindestens der
Beseitigung von zwei Stäben bedarf, um eine Lösung
nach Henneberg's Art zu ermöglichen. Je weniger Stäbe
man auswechselt, desto besser im allgemeinen, weil man
dann mit um so weniger Unbekannten zu rechnen hat.
Im vorliegenden Falle sind die beiden Stäbe lo — 12
und I— 12 ausgewechselt und an ihrer Stelle deren unter
der Wirkung von P entstehende noch unbekannte Stab-
kräfte Xg und Xjj als äussere Kräfte in den Knoten 1,10
und 12 angebracht worden. Es fehlen dann dem Raum-
fachwerk zur statischen Bestimmtheit zwei Stäbe. Diese
wurden durch wagrechte Stützenstäbe in den Knoten 6
und II ersetzt, die (um sie besonders hervorzuheben)
mit den Buchstaben x und y bezeichnet worden sind (Ab-
bildg. 2). Die Spannkräfte dieser beiden Ersatz-
stäbe werden darauf für drei verschiedene Be-
lastungszustände ermittelt. Das sind;
1. ßelastungs- Zustand „X = o“, wobei die äusseren
Kräfte X^ und als nicht vorhanden und nur die Last
P als wirkend gedacht wird;
2. Belastungs-Zustand = x“, wobei P und ver-
schwinden;
3. Belastungs-Zustand = i“, wobei P und ver-
schwinden.
Allgemein erfordern n Ersatzstäbe die Betrachtung von
n + 1 Belastungs-Zuständen. Für jeden der drei Zustände
des vorliegenden Falles zeichne man (in bekannter Weise
mit Hilfe geeigneter Projektionen der räumlichen Kraft-
ecke aller Knoten) Kraftpläne, aus denen zuerst besonders
die Spannkräfte der Ersatzstäbe zu entnehmen sind. Diese
seien:
S^Q, SyQ für den Zustand „X = o“,
Sri, „ , „ „z, = i“.
Dann würden also unter der gleichzeitigen Wirkung
der äusseren Kräfte P, X^^ und Xf^ in den Ersatzstäben die
Spannkräfte S,^ und entstehen, die bestimmt wären
durch die beiden Gleichungen:
Unter allen beliebigen Werthen von X^ und Xj,, für
welche die Gleichungen I gelten, giebt es nur zwei Werthe,
die den gesuchten unbekannten Stabkräften (i — 12 und
10—12) entsprechen. Für diese beiden Werthe der X
müssen und S.^, je für sich gleich Null sein.
Um das einzusehen, denke man sich 1. die Ersatz-
stäbe wieder beseitigt und deren Spannkräfte und
als äussere Kräfte in den Knoten x und y angebracht;
2. füge man an Stelle der äusseren Kräfte X^ und Xj, die
zugehörigen Stäbe 10 — 12 und i — 12 wieder ein. Wir
haben es dann mit einem Raumfachwerk zu thun, das
mit den äusseren Kräften P, sowie auch und S.^ belastet
ist. Da nun aber nach unserer Voraussetzung unter der
alleinigen Belastung von P in den Stäben 10—12 und
I— 12 die Spannkräfte X^ und X^^ entstehen, so giebt es
nur eine Möglichkeit unter welcher diese Voraussetzung
auch noch zutrifft, wenn ausser P als äussere Kräfte auch
noch und hinzukommen: und müssen je für
Zu den ersten materiellen Erfordernissen eines Platzes
für ein Galerie Gebäude gehört eine freie, offene, den
Einflüssen des Rauches und Staubes mindest ausgesetzte
Lage. Die nahe Nachbarschaft feuergefährlicher Gebäude
ist möglichst zu vermeiden. Der Platz muss vor Ueber-
schwemmungen gesichert sein. Es ist wünschenswerth,
dass derselbe eine möglichst grosse Entwicklung des dar-
auf aufzuführenden Gebäudes nach der Nordseite oder
Nordostseite gestatte.
Der Platz muss nicht zu entlegen sein, theils der Sicher-
heit wegen, theils zur grösseren Bequemlichkeit des Publi-
kums. Er muss endlich vermöge der physikalischen Be-
schaffenheit des Grundes oder aus anderen Ursachen, nur
mit grossen Kosten zu überwindende Schwierigkeiten des
Baues nicht darbieten.
Von den, nicht durch die Aufgabe, sondern äusserlich
bedungenen Erfordernissen eines passenden Platzes, kann
a priori wohl nur dasjenige festgestellt werden, dass der
Platz so liegen müsse, dass durch dessen Bebauung keine
nothwendige Kommunikation unterbrochen, keine
vortheilhafte Disposition irgend eines Stadttheiles ge-
stört, kein öffentliches Monument beeinträchtigt werde,
sei es in ästhetischer oder materieller Beziehung. —
Wünschenswerth ist es vielmehr, dass durch die neue
326
Anlage gelegentlich neue Kommunikationen eröffnet
(Passage im Dresdener Zentral-Theater), mangelhaft
disponirte Stadttheile besser geordnet oder beseitigt
(neues Ständehaus und Brühl’sche Gasse in Dresden), ver-
steckt liegende Monumente vorlheilhaft mit in ihren Bereich
gezogen werden könnten, wodurch ein gemeinsames
und daher mächtigeres Wirken derselben erreicht würde
(Zwingerhof und Gemälde-Galerie).
Lässt man das neue Gebäude die vierte, jetzt nur
provisorisch durch eine Mauer begrenzte offene Seite des
Zwingers einnehmen, so hat diese Lage inbezug auf
Reinheit der Luft und Feuersicherheit unverkennbare
Vortheile (Fernheizwerk). Die Orientirung ist günstig
und materielle Schwierigkeiten sind nicht zu befürchten.
Alle materiellen Erfordernisse vereinigt also dieser Platz
in seltener Weise in sich.'* —
Es ist bekannt, dass diese vierte, bis dahin offene
Seite des Zwingerhofes dann als Bauplatz gewählt wurde
und welch’ bedeutsames Meisterwerk Semper darauf er-
richtet hat. Vielleicht bringt die Zukunft der Stadt Dresden
dereinst einen gleich genialen Künstler, der auch die noch
ungelöste Frage wegen des Abschlusses des Theaterplatzes
an seiner Nordseite (wo jetzt Helbig's Schankwirthschaft
steht), zu lösen versteht. — Gr.
No. 51.
sich verschwinden. Aus den Gleichungen
ergeben sich die unbekannten Spannkräfte und X^.
Aus den zugehörigen Kräfteplänen für die angegebenen
3 Zustände haben sich danach für die Gleichg. II gefunden:
+ 3i.5“-^a-5i6 +X^. 410 = 0,
+ 3,9 — 2 =0.
Daraus wurden X^ zu + 0,37 1 und Aj zu + 1,24 t
ausgerechnet.
Jede andere Spannkraft des Fachwerkes ist da-
durch gegeben, denn es ist
= X^S^„ -\- X^.%, (III),
wobei S^j, diejenigen Spannkräfte vorstelien, die
in dem beliebigen Stabe beim Zustande „X == o“, „X^ = 1“
oder „Aj = i“ entstehen, die also aus den zugehörigen
Kräfteplänen entnommen werden können.
III.
Im zweiten Abschnitt seiner Schrift entwickelt Zimmer-
mann aus dem Sonderfall der Reichstagskuppel ein all-
gemeines Bild seines Raumfachwerkes, in welchem der
Abbildg. 4.
Abbildg. 5 und 6,
b
Kopfring ein beliebig gestaltetes Vieleck von h Ecken und
der Fussring ein solches von 2 i Ecken bildet, wobei die
schrägen Verbindungsflächen der Ringe sich aus k ebenen
Vierecken und k Dreiecken zusammensetzen. Das so ge-
bildete Fachwerk zeigt 3 A Knoten mit 9 ä: Bedingungen.
Dem gegenüber stehen folgende Stabzahlen:
2 k senkrechte Stützenstäbe,
2 k wagrechte Stützenstäbe, wie erläutert an k
festen Punkten angreifend,
k Stäbe des Kopfringes,
k Stäbe des Fussringes {abgerechnet die w'^ag-
rechten Stützenstäbe),
3 Stäbe der Verbindungs-Dachflächen,
zusammen 9 k, das bedeutet ein statisch bestimmtes S5''stem.
Auch für das allgemeine Raumfachwerk hat Zimmer-
mann die vollständigen analytischen Berechnungs-Unter-
lagen gegeben, wobei er zeigt, wie diese auch für die
Berechnung von Schwedler-Kuppeln benutzt werden
können. Geht der Kopfring des allgemeinen Fachwerks
in ein regelmässiges, einem Kreise eingeschriebenes Viel-
eck über, so nennt es Zimmermann ein Kreisfachwerk
und er stellt auch für ein solches, dessen Kopfring ein
Sechseck ist, die Berechnungen auf.
Unter der Bezeichnung „Abgeleitete Formen“ er-
öffnet Zimmermann im letzten Abschnitte seiner Schrift
interessante Ausblicke auf die Möglichkeit der Bildung
der verschiedenartigsten räumlichen Dachgebilde für
allerlei Hochbauten. Ich muss es mir leider versagen,
näher auf seine dazu gegebenen Ausführungen einzugehen.
Doch willich zusammenfassend bemerken, dass es sich dabei
wesentlich um mehrgeschossige Fachwerke
handelt, die entstehen, wenn ein allgemeines ein-
geschossiges Fachwerk auf schräge Stützen ge-
stelltwird, deren Gesammtheit ein sogen. Stütz en-
geschoss bildet. Das Fachwerk lässt sich dann
auch noch durch Aufsetzen von Laternen und
Dachreitern vervoUkomranen (Abbildg. 3 u. 4).
' Abbildg. 3 veranschaulicht den Grundriss einer
dreigeschossigen Kuppel auf achteckigem Unter-
bau. Das Obergeschoss gleicht der eingeschossi-
gen Reichstagskuppel, darunter folgt das Mittelge-
schoss als Stützengeschoss, es hat vier leere
Fache F, die in vielen Fällen architektonisch nutz-
bar gemacht werden können. Im Untergeschoss
sind 16 einfache senkrechte und ebensoviele wag-
rechte Stützenstäbe angebracht. Abbildg. 4 stellt
eine dreigeschossige Laterne dar, mit achteckigem
(t Unter- und viereckigem Obergeschoss.
Geht der Kopfring in eine gerade Linie über,
so erscheint ein Firstfachwerk (Abbildg. 5 u. 6),
dagegen bildet sich ein Helmfachwerk, wenn
der Kopfring ganz verschwindet und an seiner
Stelle nur ein einziger Knoten verbleibt (Abbil-
dungen 7 u. 8.)
Wenn man die Mittelfache (0,3) der in den
Abbildungen 5 und 6 im Grundriss gezeichneten
Firstfachwerke verlängert und durch Einfügung von
Zwischenrippen theilt, so können sie sehr wohl zur
Ueberdeckung langgestreckter und hoher, in das
Dachgeschoss reichender Räume (Festsäle und
dergl.) verwendet werden. Auch stände einer
Verwendung solcher langgestreckten Firstfache als
Brückenpfeiler nichts im Wege.
Die gesamrate Fachwelt hat alle Ursache,
Zimmermann für die Herausgabe seiner neuen
Ideen und der dazu gehörigen Berechnungen dank-
bar zu sein. Zu bewundern bleibt auch die ziel-
bewusste, zähe Schaffenskraft, die Zimmermann
befähigt hat, neben einer unruhigen, sorgenvollen,
alle Kräfte anspannenden Berufsthätigkeit die vor
13 Jahren zum ersten Male gefassten und erprob-
ten Ideen doch noch in so vollendeter Form zu
veröffentlichen. Seine Schrift bietet eine Fülle von
fruchtbaren Anregungen, die dazu beitragen wer-
den, die Bildungs- und Berechnnngsweisen der
Raumfachwerke mehr und mehr zu erweitern und zu
vertiefen.
Es kann daher den Fachgenossen nur angerathen
werden, sich mit dem Grundgedanken der Schrift be-
kannt zu machen.
Dresden, Mitte Mai 1902. Mehrtens.
Mittheilungen aus Vereinen.
Die 43. Hauptversammlung des Vereins deutscher In-
genieure ln Düsseldorf war in ihrer 2. Sitzung am 17. d. M.
ausschliesslich geschäftlichen Angelegenheiten gewidmet.
Unter anderem wurde für das nächste Jahr München
als Ort der Hauptver-sammlung bestimmt und es wurden
ferner in den Vorstand 3 neue Mitglieder, die Herren
Ob. -Ing. Prüsmann in Magdeburg, Ob.-Ing. Gerdau
in Düsseldorf und Reg.-Rath Rohr in Strassburg, ge-
wählt. — Die 3. Sitzung am 18. d. M. war den Vorträgen
25. Juni 1902.
Vorbehalten. Es sprachen der durch die Erfindung zur
Herstellung „flüssiger Luft“ bekannte Prof. C. Linde,
München, über „Sauerstoffgewinnung mittels frak-
tionirter destillirter flüssiger Luft“ und der so-
eben zum Rektor der Technischen Hochschule zu Berlin
gewählte Prof. Kämmerer über „Die Lastenförde-
rung unter dem Einfluss der Elektrotechnik“.
Das von Herrn Prof. Linde entwickelte Verfahren
nutzt die Erscheinung aus, dass bei der Luftzusammen-
pressung zwar Sauerstoff und Stickstoff gleichmässig
theilnehmen, bei der Verdampfung aber ersterer viel
327
langsamer entweicht, so dass die Gase um so sauerstoff-
haltiger werden, je länger man die Verdampfung aus-
dehnt. Mit Hilfe der neuesten Verfahren wird es jetzt
möglich, dass bei loocboi stündlicher Erzeugung o,5cbm
fast stickstoffreier Sauerstoff für die Stunde und Pferde-
stärke gewonnen werden können. Es wird dabei die zur
Verflüssigung erforderlich gewesene Kälte bis auf die
unvermeidlichen Verluste wiedergewonnen , indem die
zur Verdampfung erforderliche Wärme der gleichen Menge
Luft entzogen wird, die dann ihrerseits wieder verflüssigt
wird. Erforderlich ist dabei eine geringe Kompression
zur Ermöglichung des Wärmeüberganges durch Erhöhung
der Sättigungstemperatur um einige Grade, Der Energie-
verlust wird hierdurch und durch andere Mittel, auf die
wir hier nicht näher eingehen können, auf ein Mindest-
maass beschränkt.
Herr Prof. Kämmerer leitete seinen Vortrag durch
einen Hinweis auf die Gründe ein, welche den Ingenieur
zu rastloser Thätigkeit in der Umgestaltung und Neu-
schaffung von Maschinen zwingt. Besonders wechselvoll
ist das Schicksal der Verkehrs- und Transportmaschinen
gewesen, namentlich aber beeinflusst in den letzten Jahr-
zehnten durch die Anwendung der Elektrizität. Redner
unterschied dann die reinen Hebemaschinen, d. h. die
Lastfördermaschinen, welche nur senkrechte Hebungen
ausführen, die reinen Transportmaschinen, welche die Last
nur in wagrechter Richtung oder auf schwach geneigten
Bahnen befördern und schliesslich die vereinigten Hebe-
und Transportmaschinen. Von der ersten Gattung sind
namentlich die Aufzüge und Fördermaschinen bemerkens-
werth. Auf das Wesen der Aufzüge hat die Elektro-
technik den geringsten Einfluss ansgeübt, sie aber unab-
hängig gemacht von dem Ort der Kraftquelle. Bei den
Fördermaschinen ist die Anwendung noch neu. Erstrebt
wird eine Vertheilung anstatt der jetzt üblichen Zentrali-
sirung. Bei den reinen Transportmaschinen ist zwischen
Gleisbahnen und Hängebahnen zu unterscheiden. Bei den
ersteren hat die Elektrotechnik neue Arten nicht entstehen
lassen, wohl aber bei den letzteren, namentlich für den
Betrieb in geschlossenen Räumen, bei welchem die anderen
Systeme versagen. Ganz besonders hat sich aber der
Einfluss der Elektrotechnik geltend gemacht bei den Ma-
schinen, die gleichzeitig dem Transport und der Hebung
dienen. Als wichtige und weitverzweigte Gattung gehören
hierhin die „Krahne“, von denen die „Laufkrahne“ die
Weitgehendste verbesserung durch den elektrischen Betrieb
hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit, leichten Beweglichkeit
und Geschwindigkeit der Bewegung erfahren haben.
Letztere ist zumtheil bis auf das lofacheder bisher üblichen
erhöht, die Energie bis zu loo P. S. stellenweise gesteigert.
Eine völlig neue Maschinengattung ist aber mit Hilfe
der Elektrotechnik geschaffen worden in den „vereinig-
ten Flebe- und Transport-Maschinen mit unbe-
grenztem Arbeitsfeld“, die sich in den mannichfaltig-
sten Formen ausführen und den Forderungen der ver-
wickeltsten Betriebe anpassen lassen. Hier besitzt die
Elektrizität ein Arbeitsfeld, das ihr keine andere Kraft-
quelle streitig machen kann. Derartige Maschinen lassen
sich in vortheilhafter Weise zum Löschen und Laden von
Schiffen und Eisenbahnwagen, zum Beschicken grosser
Lagerplätze, zum Transport in Werkstätten aller Art ver-
wenden. Mit dieser Maschine, die selbstverständlich an
eine feste Bahn gebunden ist, der aber jede beliebige
Form gegeben, die jederzeit verändert und erneuert wer-
den kann, sodass man das Arbeitsgebiet thatsächlich als
unbegrenzt bezeichnen darf, diesen vielseitigen Anforde-
rungen kann nur die Elektrizität als Kraftquelle genügen,
die mit blanker Kontaktleitung den verwickelten Bahnen
einer solchen Maschine allein zu folgen, ihr an jeder Stelle
der Bahn die nöthige Energie allein zuzuführen vermag.
Diese Maschinenart ist in Amerika bereits , wenn auch
noch in unvollkommener Weise, in Anwendung. In
Deutschland ist man dabei, sie zu vervollkommnen.
So zeigt sich bereits eine reiche Entwicklung in der
Anwendung der elektrischen Energie auf die Hebe-Ma-
schinen, die aber noch keineswegs zum Abschluss ge-
kommen ist und dem Ingenieur noch viele reizvolle Auf-
gaben stellen wird. Sie wird ausserdem dazu beitragen,
die Menschenkräfte zu befreien von der unwürdigen Ver-
wendung zur reinen Lastenförderung, d. h. von der geist-
losesten rein körperlichen Arbeit; sie wird also auch eine
soziale Aufgabe erfüllen. —
Die Hauptversammlung wurde nach Schluss der Vor-
träge durch den Vorsitzenden, Geh. Mar.-Brth. Veith aus
Kiel, mit dem Danke an Alle geschlossen, die sich um das
Gelingen derselben verdient gemacht haben. Ein Fest im
„Malkasten“ am 17. und ein Ausflug ins Siebengebirge am
18. Juni schloss die Versammlung, die einen allgemein
hochbefriedigenden Verlauf genommen hat. —
328
Vermischtes.
Deutsche Städte-Ausstellung in Dresden 1903. An der
Ausstellung nehmen 130 grosse und mittlere deutsche
Städte theil. Ausserdem ist nach den bisherigen Anmel-
dungen eine rege Theilnahme der Industrie in all den
Zweigen zu erwarten, welche sich auf die mannichfachen
Bedürfnisse des Städtewesens beziehen. Die Frist zur An-
meldung für die gewerbliche Abtheilung der Ausstellung
läuft am I. Juli d. J. ab. —
Preisbewerbungen.
Vom Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
ein Krematorium auf dem Friedhof zum Rhiensberg bei
Bremen, bezüglich dessen wir S. 263 die Preisrichter und
Preise mittheilten, liegt uns jetzt das Programm vor. Zu
erwähnen ist noch, dass neben den Preisen auch der An-
kauf von hervorragenden Entwürfen zum Preise von je
200 M. vorgesehen ist. Eine Verpflichtung zur Ausführung
eines der preisgekrönten Entwürfe, bezw. zur Ueber-
tragung der Ausführung an einen der Sieger übernimmt
der Verein nicht. Die Unterlagen sind zum Preise von
4,50 M., die zurückerstattet werden, vom Verein für Feuer-
bestattung zu beziehen. Zu liefern sind an Zeichnungen
in nichtfarbiger Ausführung in i : 100 2 Grundrisse,
2 Schnitte, 2 Ansichten und ein Kostenüberschlag nach
dem kubischen Inhalt. Durch die Bemerkung „werden
freiwillige perspektivische Ansichten geliefert, so sind die-
selben von dem im Lageplan i mit B bezeichneten Punkte
aus zu entwerfen“ werden sich manche Bewerber zur
Leistung der Mehrarbeit verleiten lassen. Diese unsichere
Bestimmung wäre besser weggelassen worden. Wie schon
bemerkt, darf die Bausumme 85000 M. (ausschl. Ver-
brennungsofen und Versenkungsvorrichtung) nicht über-
schreiten. Entwürfe, die nach dem Urtheiie der Preis-
richter einen grösseren Aufwand beanspruchen, sind von
der Preisvertheilung ausgeschlossen. Frist 15. Sept. d. J.
Wettbewerb Oberrealschule in Teplitz-Schönau. In Er-
gänzung der Mittheilung über diesen Wettbewerb auf
S. 276 sei noch angegeben, dass neben den 3 preisge-
krönten Entwürfen noch die Entwürfe der Hrn. Arch.
Lindner & Schreier in Wien, Freymuth & Fanta
in Wien und Kästner in Teplitz von der Stadtgemeinde
angekauft wurden. —
Personal-Nachrichten.
Preussen. Techn. Hochschule in Charlotten-
burg; Dem Prof. Werner von der Techn. Hochsch. in Aachen
ist die erl. Prof, für Geodäsie, dem Prof. B 0 0 s t von ders. Hoch-
schule die neubegründete Prof, für Baukonstruktionslehre in Holz
und Stein z. i. Okt. überti-agen. — Der Privatdoz. Prof. Dr. J o 1 1 e s
ist mit der Abhaltung des neu eingeführten Paralleluntenichts in
der darstellenden Geometrie betraut und dem Privatdoz. Prof. Dr.
Warschauer ist die neu begründete Doz.-Stelle für National-
ökonomie übertragen. — Der Reg.- u. Brth. v. B o r r i e s in Hannover
ist z. Geh. Reg.-Rath u. etatm. Prof, ernannt und ist demselben die
Prof, für Eisenbahn-Maschinenwesen z. i. Okt. d. J. übertragen. —
Die Wahl des Prof. Kämmerer zum Rektor für die Amtsperiode
I. Juli 1902 bis dahin 1903 ist bestätigt worden.
Die Reg.-Bfhr. Rud. W a 1 d h e i m aus Nienburg und Aifr.
Kaufnicht aus Colmar (Wasser- u. Strassenbfch.), — Rieh.
Köhn aus Kalbe, Reinh. Rulff aus Eilsleben, Heinr. Brahl
aus Kumehnen und Otto Clingestein aus Zschepplin (Hoch-
bfeh.), — Leo Pommerehne aus Hohenassel (Eisenbfeh.), —
Dr. Paul Juliusburger aus Breslau, Gg. Schwabach aus
Berlin u. Wilh. Momber aus Königsberg i. Pr. (Masch.-Bfeh.)
sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. A. V. in Bonn a. Rh. Wenn der Raum unter der von
Ihnen dargestellten Terrassenabdeckung, wie Sie angebeo, offen
ist, so lässt sich die immer wieder auftretende Durchnässung nur
dadurch erklären, dass die verwendeten Deckenmaterialien nicht
zweckentsprechend ausgewählt sind, und die Feuchtigkeit aus der
Luft zu stark ansaugen und festhalten. Gegen diesen Uebelstand
können wir Ihnen kein dauernd wirksames Mittel vorschlagen, da
die Luft bei der gewählten Konstruktion Ihre Stuckdecke von oben
und unten umspült, und alle an der Unterfläche der letzteren ange-
brachten Dichtungsanstriche durch die von oben herabsinkende
Feuchtigkeit in kurzer Zeit wieder zersetzt und zerstört werden.
Dagegen Hesse sich sehr wahrscheinlich Abhilfe schaffen, wenn
der Raum für gewöhnlich geschlossen wäre. — A.
Hrn. W. K. ln Nauheim. Oeffentliche technische Bibliotheken
giebt es leider noch nicht in Preussen. Die kgl. Bibliotheken pflegen
werthvollere Tafelwerke überhaupt nicht aus dem Hause zu ver-
leihen. Am ehesten erhalten Sie die gewünschten Werke noch bei
der Bibliothek einer technischen Hochschule. —
Inhalt: Ueber Raumfachwerke. — Gottfried Semper über öffeDtliclie
Gebäude. — Mittheilungea aus Vereinen. — Vercnischies. — Preisbewer-
buogen. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort], i. V. Fritz Eiselen, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 51.
AUZEITUNG.
GANG. * sic N2; 52. sic
DEN 28.JUNIigo2. s^
rstssrstststsrarstsssüsr
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine.
I.
XV. Wand er ver s am m 1 u n g zu Augsburg
70m 3L. August bis elnschl. 3. September 1902.
Programm.
Sonntag, den 31. August
8 Uhr Vorm. Eröffnung der Auskunftsstelle für Woh-
nungen am Bahnhofe, so^vie der An-
meldestelle daselbst. Schluss Ab. 9 Uhr.
8V2 „ Ab. Begrüssung der Theilnehmer und ihrer
Damen im Schiessgrabensaale. Sceni-
scher Festprolog und Musikaufführung.
Abendessen nach Belieben.
Im Obergeschoss der Vorhalle ist von
Ab. 9 Uhr ab eine Anmeldestelle errichtet.
Montag, den 1. September.
8 Uhr Vorm. Eröffnung der Anmeldestelle im Ober-
geschoss des Schiessgrabensaales.
9 „ „ I. Allgemeine Versammlung im Schiess-
grabensaal : i) Eröffnung durch den Vor-
sitzenden des Verbandes, 2) Bericht des
Geschäftsführers über die Ergebnisse der
Abgeordn.-Versammlung, 3) Vortrag des
städt.Ob.-Brths. Hm.Fr. Steinfaäusser
über „Augsburgs bauliche Ent-
wicklung“ (mit Projektionsbildern),
4) Vortrag des Hrn. kgl. Bauamtmanns
Adalbert Stengler in Kempten über
„Wildbachverbauungen im baye-
rischen Hochgebirge“ (mit Projek-
tionsbildern.)
Anmerkung. Während derVortragspaose
Frühstücks-Gelegenheit und Ausgabe der
I. Theilnehraerliste.
iVs » Nm. Empfang der Fest-Theilnehmer durch
die Vertreter der Stadtverwaltung im
„goldenen Saal“ des Rathhauses und
Bcwirthung dortselbst seitens der Stadt.
Sonderzug zum Waldfest auf dem Hochablass. Musik u. Feuerwerk. Rückfahrt io‘®.
Das Augsburger Ratbhaus mit Augustusbrunnen.
(Original -Aufnahme von Kutscher & Gehr in Augsburg.)
Uhr Nm.
9 „ Vorm.
Nachmittag.
7 Uhr Ab.
Dienstag, den a. September.
II. Allgemeine Versammlung im Schiessgrabensaal: i) Geschäftliche Mittheilungen, 2) Vortrag
des Hrn. Geh. Brth. J. Stübben in Köln über „Stellung der Techniker zur Frage der
Beschaffung billiger Wohnungen", 3. Vortrag des Hrn. Prof. Friedr. v, Thiersch in
München über „Augsburger Fassaden-Malereien“, 4) Vortrag des Hrn. Landbauinsp. und
Münsterbaumstr. a. D. L. Arntz in Schwarz-Rheindorf b. Bonn über „Was schulden wir
dem Strassburger Münster, dem überlieferten Meisterwerke deutscher Baukunst?"
Anmerkung. Frühstücks - Gelegenheit wie Tags vorher und Ausgabe der 2. Theilnehmerliste.
Mittagessen nach Belieben.
Gruppenweise Besichtigung der Stadt. Gruppe I Besichtigung der Altstadt, Gruppe II Besichtigung
der Neubauten, Gruppe III Besichtigung der Fabriketablissements und der Lokalbahn, Gruppe IV
Besichtigung der Hessing’schen orthopädischen Heilanstalt in Göggingen, Gruppe V Besichtigung
der Wasserbauten und des Elektrizitätswerkes bei Gersthofen.
Festessen in der Konzerthalle des Stadtgartens. Gartenfest mit Illumination und Doppelkonzert.
Mittwoch, den 3. September.
8 }} 3® Ausflug mit Sonderzug nach Füssen, von da nach Hohenschwangau zur Besichtigung
des kgl. Schlosses Neuschwanstein. Mittagessen in Hochenschwangau. Rückfahrt nach
Augsburg 7 Uhr 45 Min. Abends. Hierfür wird Sonderprogramm noch ausgegeben und
bezüglich der Kosten der Theilnehmerkarten noch Näheres bestimmt.
Schluss der Wander-Versammlung.
Denjenigen Festtheilnehmera, welche beabsichtigen am nächstfolgenden Tage Augsburgs Sehens-
würdigkeiten, insbesondere die architektonischen Schönheiten der Stadt, eingehender zu besichtigen, was bei
der kurz bemessenen Zeit während der Wander-Versammlung wohl nicht möglich ist, stehen hierzu geeignete
Führer zur Verfügung. Zu diesen Besichtigungen werden bei der Anmeldestelle diesbezügliche Anträge bis
spätestens Dienstag, den 2. Sept., Mitt. 12 Uhr, entgegengenommen und besondere Programme ausgegeben.
329
Allgemeine Bestimmungen,
I. Am Samstag, den 30. August, findet die Abgeordneten-Versammlung im Landrathssaale des k. Regiertings-
Gebäudes statt. Sonntag, den 31. August, Feststellung des Protokolles und gemeinsamer Ausflug. Programm wird
den Hrn. Abgeordneten noch besonders zugehen.
2- Die Damen der Herren Festtheilnehmer versammeln sich, insofern sie nicht den Vorträgen anwohnen
wollen, am Montag und Dienstag Vorm, um Vgio Uhr am Königsplatz beim Hotel Kaiserhof, um gemeinsam kunst- und
kunstgewerblicheSammlungen und industrielle Etablissements der Textilbranche unter geeigneterFührung zu besichtigen.
3. Die Ortsausschuss -Mitglieder und die einheitnischen Festtheilnehmer tragen, um als Auskunftspersonen
leicht erkennbar zu sein, neben dem Festzeichen eine besondere Schleife.
4. Die Theilnehmerkarten, Festabzeichen, Führer, sowie die Festschriften werden an die Festgäste nur gegen
Vorweis einer besonderen Mitgliedskarte des Vereines, dem sie angehören, beiden Anmeldestellen abgegeben.
5. Der Preis der Theilnehmerkarten für Herren beträgt 16 M., der Preis derDamenkarten ist auf 12M. festgesetzt.
Die Herrenkarten berechtigen: i) zum unentgeltlichen Bezüge folgender Festgaben; a. der Festgabe des
Augsburger Architekten- und Ingenieur-Vereins „Album Augsburger Ansichten" in Lichtdruck, b. der Festschrift
der Stadt Augsburg „Augsburg in kunstgeschichtlicher, baulicher und hygienischer Hinsicht", c. der Festgabe der
Grossindustrie Augsburgs „Album über Fabrikbauten und Verkehrsanlagen“, 2) zum Empfange eines Führers von
Augsburg, 3) zur Tlieilnahme am Begrüssungsabend, 4) zur Theünahme an allen Vorträgen und Besichtigungen,
5) zur Theilnahme am Festakte im „Goldenen Saale“ des Rathhauses, 6) zur Theilnahme am Waldfeste auf dem
Hochablass, 7) zur Theilnahme am Festessen (ausschl. Getränke) und am Gartenfeste im Stadtgarten.
Die Damenkarten berechtigen zur Theilnahme an allen festlichen Veranstaltungen, sowie zur Empfangnahme
des Führers von Augsburg.
6. Die Einführung von Gästen bleibt dem Ortsausschüsse Vorbehalten.
7. Anmeldungen der Herren Vereinsmitglieder sind der Vorbereitungen und besonders der Wohnungen
halber spätestens bis zum 10. August an den Geschäftsführer des Ortsausschusses, Hrn. städt. Ing. A. Niederreiter,
Stadtbauamt Augsburg, gefl. zu richten. Um Einhaltung des obigen Termines wird dringlichst gebeten, da ausser
Gasthofquartieren auch Privatquartiere inanspruch genommen werden müssen und bezüglich der letzteren vorher
bindende Vereinbarungen zu treffen sind.
Augsburg, im Juni 1902.
Der Vorsitzende des Ortsausschusses: Steinhäusser, Städt. Oberbaurath.
II.
Tagesordnung der XXXI. Abgeordneten-Versammlung am 30. ii. 31. August in Augsburg.
A. Geschäftlicher Theil.
1. Allgemeine Mittheilungen, Mitglieder-Verzeichniss und Mitgliederstand, Bericht über die litterarischen
Unternehmungen des Verbandes, Ergebniss aus dem Vertrage mit der Deutschen Bauzeitung.
2. Abrechnung für das Jahr 1901 a) Allgemeine Verbandskosten, b) Ausgaben für das Werk „Das Bauern-
haus im deutschen Reiche und in seinen Grenzgebieten“.
3. Voranschlag für 1903.
4. Wahl des Ortes für die Abgeordneten-Versammlung 1903.
5. Wahl des Ortes für die Wander Versammlung 1904.
6. Wahl zweier neuen Vorstands-Mitglieder für das Jahr 1903 u.1904 anstelle der beiden ausscheidenden
Mitglieder Hrn. Bubendey und v. Schmidt (beide Herren gehören dem Vorstande 2 Jahre an, vergl.
§ 26 der Satzungen).
7. Bericht über die Veröffentlichung der „Denkschrift über die Stellung der höheren städt. Baubeamten“
8. Bericht über den Fortgang desWerkes „Das Bauernhaus im deutschen Reiche und in seinen Grenzgebieten“
9. Bericht über die Thätigkeit des „Ausschusses zur Wahrnehmung der Wettbewerbs-Grundsätze“.
10. Bericht über die Betheiügung des Verbandes an der mit der Industrie- und Kunstausstellung 1902 in
Düsseldorf verbundenen Architektur- Ausstellung.
TI. Neuauflage des deutschen Normalprofil-Buches für Walzeisen.
12. Genehmigung des mit dem Verein deutscher Ingenieure und dem Verein deutscher Eisenhüttenleute
getroffenen Abkommens über die gemeinsame Herausgabe eines Musterbuches für Konstruktionen für
den Feuerschutz von Eisenkonstruktionen.
13. Theilnahme des Verbands-Geschäftsführers an den Sitzungen aller Verbands-Ausschüsse.
14. Abschluss gemeinschaftlicher Versicherungs-Verträge für die Verbands-Mitglieder.
1 5. Antrag des mittelrheinischen Arch.- u. Ing.-V ereins auf Umgestaltung des Verbands-Mitglieder-Verzeichnisses.
16. Antrag des bayer. Vereins, das „Haus des Baumeisters“ in Rothenburg o.T. durch den Verband zu erwerben.
B. Technisch-wissenschaftlicher Theil.
17. Bericht über die Ausführung der in Königsberg durch die Abgeordneten-Versammlung gefassten Be-
schlüsse durch den Verbands-Vorstand: a) Antrag des Verbandes auf Einstellung ständiger Mittel in den
Reichshaushalt für die Denkmalpflege, in erster Linie für die Erhaltung des Strassburger Münsters.
b) Kundgebung des Verbandes in Sachen der Doktor -Promotion an den technischen Hochschulen.
c) Kundgebung des Verbandes in Sachen eines neuen Urheberrechtes an Werken der bildenden Kunst.
18. Antrag des Vorstandes auf Nachprüfung der „Normalien für Hausentwässerungs-Leitungen“ mit Rück-
sicht auf Schwierigkeiten, die sich der Einführung derselben entgegengestellt haben. Erledigung damit
zusammenhängender Fragen,
19. Bericht über die Thätigkeit der Ausschüsse über die Ausführung der in Königsberg durch die Abge-
ordneten-Versammlung gefassten Beschlüsse: a) Aufstellung von Grundsätzen für Bauordnungen. (Die
Frage konnte noch nicht in Bearbeitung genommen werden, sodass der Abgeordneten- Versammlung
noch kein Material vorgelegt wird), b) Zivilrechtliche Haftbarkeit der Architekten und Ingenieure. (Es
erscheint zweifelhaft, dass der Abgeordneten-Versammlung schon eine Vorlage gemacht werden kann,
aufgrund deren Beschlüsse zu fassen sind), c) Gebühren der Architekten und Ingenieure als gerichtliche
Sachverständige. (Bearbeitet vom Verein zu Hannover. Der Stand der Arbeit ist derselbe wie bei b.)
20. Anträge aus den Vereinen. Antrag des Vereins der Architekten und Bauingenieure in Dortmund auf
Aufstellung eines Werkvertrages für Architekten und Ingenieure nebst allgemeinen Bedingungen unter
Berücksichtigung des bürgerlichen Gesetzbuches.
21. Nachträgliche, nicht in die Tagesordnung aufgenoramene Anträge usw.
Im Juni 1902.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Waldow. Bubendey. v. Schmidt. Neher. Eiselen.;
330
No. 52.
Der Simplon -Tunnel, mit I?.ückblicken auf die Baugeschichte der älteren Alpen-Tunnel.
(Nach einem im Arch.- und Ing.-Verein zu Hamburg von Ingenieur Himmelheber gehaltenen Vortrage.*)
(Hierzu die Profiltafel S. 335.)
er Bau des Simplontunnels hat in der jüngst vergangenen
Zeit in besonderem Maasse, sowohl durch die dem
Unternehmen in unerwarteter Weise begegneten
Schwierigkeiten, als auch durch die dort erzielten Arbeits-
Fortschritte den Blick der technischen Kreise auf sich ge-
lenkt. Die Frage nach der Möglichkeit der Einhaltung dei
von derBau-UnternehmungübernommenenVerpflichtungen
wird dabei ein allgemeines Interesse bieten, sodass der
Versuch nahe liegt, sich unter Berücksichtigung der bei
den älteren Alpentunneln gemachten Erfahrungen ein Bild
über den gegenwärtigen Stand des Unternehmens und
seiner Aussichten für die Zukunft zu machen.
Wenn ich daher nachstehend an der Hand der Bau-
geschichte des Mont Cenis-, des Gotthard- und des
Arlbergtunnels die Grundlagen für eine richtige Be-
urtheilung der augenbhcklichen Sachlage am Simplontunnel
zu gewinnen suche, so stütze ich mich dabei inbezug auf
die älteren Tunnelbauten auf die über dieselben in den
bekannteren technischen Zeitschriften enthaltene Litteratur
und mbezug auf den Simplontunnel auf die Erfahrungen,
welche ich durch mehrjährige frühere Thätigkeit in dem
Geschäfte der Hrn. Brandt & Brandau, der jetzigen
General-Unternehmer dieses Tunnels, selbst zu sammeln
Gelegenheit hatte und die Wahrnehmungen, welche ich
bei wiederholtem Besuch der Baustellen an beiden Tunnel-
Mündungen in Brig und Iselle machen konnte.
Ehe ich aber in die Besprechung der Sache selbst
eintrete, ist es mir ein Bedürfniss, den bauleitenden Inge-
nieuren, insbesondere denHrn.Br and au, Gayen, v. Kager
und Presse!, sowie den Hrn. Beissner, Olshausen,
Peter und Molsen für die grosse Liebenswürdigkeit
meinen Dank auszusprechen, mit der sie mich bei meinen
Besuchen an Ort und Stelle aufgenommen und mit reich-
lichem Stoff für meine Studien versehen haben. —
Für die Beurtheilung der Hoffnungen, welche be-
züglich der Einhaltung der auf den ii. Mai 1904 vertrag-
lich festgesetzten Voliendungsfrist des Tunnels zurzeit noch
gehegt werden können, ist ein Rückblick auf die bisher
erzielte Arbeitsleistung und ein Vergleich derselben mit
den Fortschritten bei den älteren Tunnelbauien, wie er
sich aus den Fortschrittsprofilen dieser Tunnel ergiebt,
das geeignetste Material. Ein Blick auf diese später wieder-
zugebenden Darstellungen lässt erkennen, dass allerdings
seit dem Baubeginn des Mont Cehis-Tunnels, selbst nach
Einführung der maschinellen Bohrarbeit daselbst, bis zu
den Leistungen, welche heute bei regelmässigem Arbeits-
betriebe am Stollen des Simplontunnels erreicht werden,
ein gewaltiger Schritt nach vorw-ärts gemacht worden ist.
Daneben ergiebt sich aber aus der Zusammenstellung der
Stollenfortschritte unter Anwendung maschineller Bohrun-
gen, von welcher wir ebenfalls später eine graphische
Darstellung geben, dass bei jedem einzelnen der dabei
inbetracht gezogenen Tunnel nach einer gewissen Zeit,
innerhalb welcher die Anfangsschwierigkeiten auf den be-
treffenden Baustellen überwunden wurden, einBeharrungs-
zustand eingetreten ist, welcher bis zum Durchschlag an-
gehalten hat. Dagegen finden wir bei jedem neu be-
gonnenen Tunnel gleich am Anfang eine erhebliche Steige-
rung der Leistung gegenüber dein letzten des früher aus-
geführten Tunnels. Diese Wahrnehmung regt zu einer
Untersuchung der Ursachen an, welche der erwähnten
Erscheinung zugrunde liegen, und auch das Studium dieser
Frage erfordert ein Zurückgreifen auf die Baugeschichte
der älteren Tunneibauten, denn die Ursache für die er-
zielten grösseren Fortschritte wird durchaus nicht allein
in der Vervollkommnung der Gesteins-Bohrmaschinen zu
finden sein, sie liegt vielmehr hauptsächlich auf dem Ge-
biete einer zweckmässigen Organisation der ganzen Arbeit,
insbesondere der Förderung und des Schutterns, d h. des
Abräumens der durch die Sprengung vor Ort gelösten
Massen, sowie namentlich auch in der Fürsorge für aus-
reichende Lüftung. Es sei daher zunächst eine kurze
Darstellung der älteren Ausführungen vorausgeschickt.
I. Mont Ce|nis-Tunnel.
Dieser erste der grossen Alpentunnel verbindet das
Thal der Are im Norden mit dem Thal des in die Dora-
Riparia einmündenden Giessbaches Rochmolles im Süden.
Er beginnt im Thal der Are etwa 105*“ über Thalsohle in
der Nähe von Modane bei dem Orte Fourneaux in der
Anmerkung der Redaktion. Die Arbeit datirt bereits aus dem
Ende v. Jahres, hat aber wegen Raummangel bisher nicht veröffentlicht
Werden köiinea. Die Angaben entsprechen daher z. Th. nicht mehr dem
neuesten Stande der Arbeiten.
28. Juni 1902.
Höhe von 1202,82 m über dem Meeresspiegel, erreicht die
Scheitelhöhe von 1338,44“ mit einer Steigung von 1:45
und fällt dann mit 1:2000 nach dem auf 1335,38“ über
Meer liegenden Südportal bei Bardonnöche. Die ganze
Länge des Tunnels beträgt 12233,55“; der Gipfel des Col
de Frejus, der von dem Tunnel unterfahren wird, liegt
1610,73“ ilber dem Scheitelpunkt der Tunnelsohle. Diese
Verhältnisse sind aus dem Profil des Tunnels, Abbildg. 2,
Seite 335, ersichtlich, welches auch die verschiedenen
Schichtungen des Gebirges erkennen lässt.
Die Arbeiten sind Ende des Jahres 1857 auf der Nord-
seite und Anfang September 1857 auf der Südseite in An-
griff genommen worden, und zwar zunächst beiderseits mit
Handbohrung, wobei durchschnittlich ein Fortschritt des
Stollens von 0,60“ für den Tag erzielt wurde. Darnach
hätte die Fertigstellung des Stollens etwa 28 Jahre er-
fordert. Zur Abkürzung der langen Bauzeit fand man
jedoch bald ein Mittel in dem Ersatz der Handbohrung
durch maschinellen Bohrbetrieb. Es war das Verdienst der
Ingenieure Grandis, Grattoni und Sommeiller, nach
eingehendem Studium und vielen Versuchen, das auf der
Verwendung der durch Pressluft getriebenen sogenannten
Sommeiiler’schen Bohrmaschine beruhende System her-
ausgefunden zu haben.
Der Grundgedanke dieser Bohrmaschine, welche für
alle später erfundenen Percussions-Bohrmaschinen vor-
bildlich geworden ist, dürfte so allgemein bekannt sein,
dass ich mich darauf beschränken kann, kurz zu erwähnen,
dass der Bohrer durch den Druck der Pressluft gegen
den Grund des Bohrloches geschnellt und beim Zurück-
ziehen jeweils um seine Längsaxe etwas gedreht wird.
Hat das Bohrloch eine Tiefe erreicht, bei welcher der
Bohrkolben den ganzen verfügbaren Hub im Zylinder
ausfuhrt, so wird der ganze Bohrzylinder selbstlhätig auf
seinem Rahmen gegen das Bohrloch vorwärts bewegt.
Nach Vollendung des Bohrloches kann er dann entweder
von Hand oder mittels Pressluft wieder zurückgezogen
werden. Bei einem Ueberdruck von 5 Atra. und einem
nutzbaren Querschnitt des Bohrkolbens vom 50““ Durch-
messer wird der Bohrer unter einem Druck von 950
gegen den Grund des Bohrloches geschleudert und zwar
mit einer Geschwindigkeit von 180 Schlägen in der Minute.
Die für den Betrieb der Bohrmaschinen erforderliche
Pressluft wurde durch eine Art hydraulischen Widder
hergestellt, zu dessen Betrieb auf der Südseite der
Giessbach Mezelet zur Verfügung stand, welcher etwa
1500 Liter in der Sekunde lieferte. In Fourneaux, wo
der Betrieb auf das Wasser der Are angewiesen war,
von welchem mit nur 5,6“ Gefälle abgeleitet wurden,
musste man dieses zum Betrieb oberschlächtiger Wasser-
räder benutzen, die ihrerseits das Wasser auf die erfor-
derliche Höhe zu pumpen hatten, um es dann beim
Herabfallen zur Zusammenpressung der Luft zu verwenden.
Statt dieser umständlichen Einrichtung wurden später
unmittelbar wirkende Pumpen-Kompressoren verwendet.
Die Arbeit vor Ort war derart geregelt, dass jede
Schicht eine Attacke völlig beendete und dann durch die
zweite Schicht abgelöst wurde. Während des grösseren
Theiles der Arbeit wurden in 24 Stunden nur 2 Schichten
verfahren, anfänglich sogar nur eine. Die Bohrarbeit
vollzog sich wie folgt; Der mit 9 bis 10 Bohrmaschinen
besetzte Bohrwagen wurde vor Ort geschoben und dort
mittels kräftiger Bremsen an den Schienen des mit 1,078“
Spurweite hergestellten Gleises festgeklammert. Der
Stollenort über dessen Querschnitts-Abmessungen die An-
gaben recht erheblich von einander abweichen, nämlich
zwischen 3“ Höhe bei 4“ Breite und 2,5“ bei 2,8“ wurde
imganzen mit 80 Bohrlöchern von etwa 0,9 “ Tiefe besetzt,
worunter in der Mitte 6 Stück 9 die übrigen 4 c“ weit
waren. Nach dem Abbohren mussten die Bohrlöcher
getrocknet werden, was durch Einführung eines Stromes
komprimirter Luft, oder mittels eines Lappens geschehen
sein soll. Darauf wurde mit dem Laden begonnen, wozu
damals nur Schwarzpulver zur Verfügung stand. Beim
Abschiessen that man zunächst die Löcher in der Mitte
ab, jedoch mit Ausnahme der 9 cm weiten, welche auch
nicht geladen wurden, wodurch ein Einbruch von o,8 bis
0,9“ Tiefe, 1,3“ Weite und etwa 0,4“ Höhe erzielt wurde,
welcher für die Wirkung beim Abschiessen der übrigen
Löcher, die in Gruppen zu 8 abgethan wurden, günstig war.
Das Schuttern wurde mittels Körben besorgt, mit
denen man kleine Hunde belud, die auf Gleisen von 29=“
Spur zur Seite des Hauptgleises liefen. Diese Hunde
schob man bis in den Vollausbruch zurück und lud deren
Inhalt dort in die grossen Tunnelförderwagen um.
331
Dieses Verfahren war sehr umständlich und sehr ver-
besserungsfähig, denn gerade dieser Theil der Arbeit, die
zweckmässige Anordnung der Schutterung, ist beim Stollen-
vortrieb für die Erreichung möglichst grosser Stollenfort-
schritte von besonderer Wichtigkeit, Es leuchtet dies
sofort ein, wenn man bedenkt, dass die durch das Ab-
schiessen gelösten Massen so schnell wie möglich entfernt
werden müssen, um mit der neuen Attacke beginnen zu
können. Kein anderer Theil der Vorortsarbeiten gestattet
so sehr, durch unmittelbare Einwirkung der höheren In-
telligenz des Ingenieurs auf die Schwerfälligkeit des un-
geübten Arbeiters den Fortschritt der Arbeit wirksam zu
fördern. Kein anderer Theil stellt aber andererseits auch
so hohe Anforderungen an die Energie und Ausdauer des
leitenden Ingenieurs.
Zu den unmittelbaren Hülfsmitteln der Stollenarbeit,
dem Arbeitsgeräth, den Hülfsmaschinen und der Organi-
sation der Arbeit, kommt als mittelbares auch die Lüftung
des Stollenortes hinzu, welche bei nicht ausreichender
Beschaffenheit unter Umständen die fördernde Wirkung
aller anderen Hülfsmittel vereiteln kann. Eine nicht nur
hinreichende, sondern viel-
mehr reichliche Lüftung,
deren Herstellung bei kleine-
ren Tunneln ohne besondere
Schwierigkeit erreichbar ist,
gestaltet sich bei zunehmen-
der Länge und wachsender
Ueberlagerung einesTunnels
und der damit verbundenen
steigenden Gesteinstempera-
tur zu einer immer schwie-
riger zu lösenden Aufgabe,
welche deshalb die ganz
besondere Aufmerksamkeit
der leitenden Ingenieure er-
fordert.
Beim Mont-Cenis-Tunnel,
dessen höchste beobachtete
Gesteins-Temperatur 30^ C.
nicht überschritten, zum weit-
aus grössten Theil des Baues
aber lange nicht erreicht ha-
ben soll, war die Lüftung,
namentlich an der Südseite
bei dem schwachen Anstei-
gen der Tunnelgradiente an-
fangs ausreichend durch die
ausströmendeBetriebsluft der
Bohrmaschinen zu beschaf-
fen. Aber bei weiterem Vor-
dringen in den Berg sah man
sich auch hier genöthigt,
weitere Hülfsmittel heranzu-
ziehen. Man hat zu diesem
Zweck den fertigen Tunnel
wagrecht durch eine mit
Lehm abgedichtete Bohlen-
wand in einen unteren und
einen oberen Theil getrennt
und letzteren mit einem in
der Nähe des Mundloches er-
bauten Schornstein verbun-
den, durch welchen die Luft
aus dem Tunnel abgesaugt
und dem entsprechend frische
Luft durch den unteren Theil
des Tunnels eingesaugt wurde. Dies Mittel mag in dem
fertiggestellten Tunnelprofil auch die gewünschte Wirkung
gehabt haben, an den Arbeitsstellen dagegen, also gerade
da, wo eine gute Lüftung hauptsächlich nothwendig wird,
kann diese Einrichtung nicht durchgeführt werden, ver-
sagt also den Dienst. An der Nordseite, mit ihrem scharfen
Ansteigen der Gradiente sah man sich genöthigt, besondere
Ventilatoren aufzustellen mit einer eigens für diesen
Zweck hergestellten Wasserkraft eines Zulaufbaches der
Are, des Charmaix, von welchem 0,26 cbm^Sec. entnommen
und mit einem nutzbaren Gefälle von 70“ zum Betrieb
besonderer Kompressoren benutzt wurden.
Klagen über mangelhafte Lüftung sind übrigens beim
Bau des Mont Cenis-Tunnels nicht laut geworden, auch
hat man eine künstliche Kühlung der Luft nicht vor-
zusehen brauchen, da die Press-Luft beim Ausströmen
eine grosse Wärmemenge verbraucht, die sie der Stollen-
luft entnimmt und dadurch diese abkühlt.
Die Fortschritte des Richtstollens sind aus dem in
Abbüdg. 2 dargestellten Fortschrittsprofil ersichtlich. Es
ergiebt sich daraus, dass bei Beginn der maschinellen
Bohrarbeit in Bardonnöche am 5. November i86o zu-
nächst keine Zunahme, sondern vielmehr eine bemerk-
bare Abnahme des Stollenfortschrittes eintrat. Die Hand-
bohrung war, nachdem anfänglich einmännig gebohrt
worden war, bald in zweimännige Bohrung abgeändert
und damit waren in den Jahren 1858 bis 1860 mittlere
Tagesfortschritte von 0,70, 0,65 und 0,56“ erzielt worden.
Nach Einführung der Maschinenbohrung ist der mittlere
Tagesfortschritt. auf 0,47“ gesunken und erst nach dem
Jahre 1861, also nachdem schon 5V2 Jahre Bauzeit ver-
strichen waren, stiegen die mittleren Tagesfortschritte und
erreichten im Jahre 1&70, in dem am Weihnachtstage der
Durchschlag erfolgte, den Höchstwerth mit 2,48“ den Tag.
An der Nordseite wurde erst 2 Jahre später, nämlich
am 25. Januar 1863 mit der Maschinenbohrung begonnen,
dann aber dort auch sofort ein grösserer Fortschritt er-
zielt, was sich daraus erklärt, dass man vor Beginn des
Maschinenbohrens in Fourneaux die dazu bestimmte
Mannschaft im Stollen von Bardonnöche ausgebildet hatte.
Im ganzen sind mit Maschinenbohrung aufgefahren : Nord-
seite 4215,3“ in 5^1 Tagen,
Südseite 6386,5“ in 3712 Ta-
gen, also zus. 10601,8“ in
6603 Tagen, d.h. für i Tag
durchscnnittl. 1,60“.
Aus einer in derErbkam-
schen Zeitschrift für Bau-
wesen vom Jahre 1864 ver-
öffentlichten Schilderung des
Ingenieurs Borelli, dem die
Arbeiten in Bardonn^che un-
terstellt waren, erkennt man
die grossen Schwierigkeiten,
welche im Betriebe der Bohr-
maschinen überwunden wer-
den mussten, bis ein für den
maschinellen Betrieb einiger-
maassen geeignetesArbeiter-
personal ausgebildet war.
Man muss die Energie und
zähe Ausdauer der Männer
bewundern, welche trotz aller
dieser Schwierigkeiten das
Vertrauen zu dem endlichen
Erfolg der von ihnen einge-
führten Neuerungen nicht
verloren und dadurch die
Bauzeit um volle 15 Jahre
abgekürzt haben.
Auch aus den nachstehend
zusammengestellten Zahlen
ist zu erkennen, welche
Schwierigkeiten sich der Ein-
führung des maschinellen
Betriebes zunächst entgegen-
stellten.
Im Jahre 1861 konnte aus
verschiedenen Gründen von
365 Tagen nur an 209 Tagen
gearbeitet werden.
Hiermit wurden 170 “
Stollen hergestellt, also im
Durchschnitt für den Tag
des Jahres 0,47 aber für
I Arbeitstag 0,81“ gegen
0,56“ in Handarbeit für den
Tag des Jahres 1859. — Im Jahre 1862 wurden in 325
Arbeitstagen 380 “ Stollen fertiggestellt, also für i Tag
des Jahres 1,04®, für i Arbeitstag 1,17“. Die hierfür auf-
gewendete Zeit betrug:
Ingeoieur Alfred Brandt f 39. Nov. 1899*).
(Theilhaber der General-Unternehmung des Siniplon-Tunnels.)
zum Bohren 4443 St.
„ Laden und Schiessen 2029 „
„ Schuttern 1502 „
II St. 46 Min.
5 » 22 „
3 » 56 B
zusammen 7974 St. 21 St. 04 Min.
Vergl. die Nachrufe in „Dtecbe. Bztg.* 1899 S. 615, und 1900 S. 38.
In dieser Zeit wurden 45751 Bohrlöcher von 0.75 bis
0,80“ Tiefe, also im Ganzen etwa 35457,02“ Bohrloch
hergestellt. Es waren also für i“ Stollen etwa 93,308“
zu bohren. Im Ganzen wurden hierzu gebraucht 1188
ausgewechselte Bohrmaschinen und 72538 Bohrschneiden.
Mit einer Bohrschneide konnten demnach 0,49“ Bohrloch
hergestelJt werden und es entfallen auf das Meter Stollen
3,12 ausgewechselte Bohrmaschinen und 192 Bohr-
schneiden. An Pulver wurden i8 62a'^s oder für i“
Stollen 49 kg verbraucht.
Pie mittlere Dauer der Schicht betrug:
33a
No. 52.
für das Bohren 7 St. 39 Min.
„ „ Laden und Schiessen 3 29 „
„ „ Schuttern 2 „ 33 „
zus. 13 St. 41 Min.
und der mittlere Fortschritt des Stollenortes für die
Schicht und, was hier dasselbe ist, für die Attacke 0,65“.
Bei diesen Zahlen, welchen wir an anderer Stelle
die entsprechenden Zahlen der später ausgeführten Tunnel
gegenüber stellen werden, fällt namentlich der grosse
Verbrauch an Bohrmaschinen auf, aus welchem berechnet
wurde, dass für den damals noch fertig zu stellenden
Tunneltheil noch etwa 2000 Bohrmaschinen erforderlich
waren. Auch die grosse Zahl der in der Schicht vor
Ort beschäftigten Leute ist auffallend und lässt sich nur
aus der damals noch mangelhaft geordneten Arbeit er-
klären. Die Kosten des Mont Cenis-Tunnels haben 60 Mill.
Francs betragen, also etwa 3920 M. für i"» Tunnel. —
(Fortsetenng folgt)
Der Wechsel im preuss, Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
'eit der Minister der öffentlichen Arbeiten v. Thielen
I nach dem zweimaligen Scheitern der grossen wasser-
' wirthschaftlichen Vorlage im Abgeordnetenhause
dem Kaiser seine Entlassung anbot, die jedoch nicht ange-
nommen wurdCj sind die Gerüchte von der Amtsmüdigkeit
des Ministers nicht mehr verstummt und wiederholentlich
wurde sein Abgang als in sicherer Aussicht stehend be-
gingen, was mit den übrigen Theilen des Ministeriums, der
Wasserbau- und Allgemeinen Bauverwaltung geschehen
sollte. Während von der einen Seite die Bildung eines
selbständigenBauten-Ministeriums verfochten wurde, wollte
man von der anderen diese Theile bald dem einen, bald
dem anderen Ministerium angliedern. Am bedenklich-
sten unter diesen Kombinationen erschien die Verbin-
Der Simplon-Tunnel. Abbildg. 1. Installations-Anlage au^der Südseite des Siniplon-Tuiinels bei Isclle,
zeichnet und bereits sein Nachfolger genannt. Jetzt sind
diese Vermuthungen zur Thatsache geworden, der Minister
hat seinen Abschied erbeten und unter gleichzeitiger Ver-
leihung des schwarzen Adler -Ordens erhalten, genau
n Jahre nachdem er dem Minister v. Maybach in dem
verantwortungsvollen Amte gefolgt war. Als sein Nach-
folger tritt der Generalmajor a. D. Budde an die Spitze
des Ministeriums und gleichzeitig auch des Reichsamtes
für die Venvaltung der Reichseisenbahnen.
Als Thielen am 20. Juni 1891 v. Maj'bach als zweiter
Minister der öffentl. Arbeiten im Amte folgte, war gerade
im Jahre vorher ein'^Theil dieses am i. April 1879 vom
Ministerium für Handel und Gewerbe als selbständige
Instanz abgetrennten Ministeriums, nämlich die Verwaltung
des Berg-, Hütten- und Salinenwesens, diesem genommen
und wieder an das Handelsministerium überwiesen wor-
den. Unter der Verwaltung Thielens ist wiederholt die
Frage der Trennung des Ministeriums der öffentl. Arbeiten
wegen des Umfanges und der Verschiedenheit seiner Ge-
schäfte angeregt und im Schoosse der Regierung vielleicht
auch näher erwogen worden, wobei stets an die Schaffung
eines selbständigen Eisenbahn-Ministeriums gedacht war,
während die Meinungen darüber wesentlich auseinander
28. Juni 1902.
düng des Wasserbaues mit dem Ministerium für Land-
wirthschaft , welche von agrarischer Seite auf das
eifrigste erstrebt, zeitweilig sogar energisch gefordert
wurde. Eine solche Verbindung musste die, nach der
ganzen Sachlage wohl nicht unbegründete Befürchtung
aufkommen lassen, dass dann in der Wasserbauverwaltung
vorwiegend den einseitigen Interessen der Landwirthschait
gedient, nicht nach allgemein volkswirthschaftlichen Ge-
sichtspunkten in der Erhaltung und dem Ausbau unserer
Wasserstrassen vorgegangen werden würde. Noch in
jüngster Zeit vor dem Abgang des Ministers v. Thielen
ist diese Angüederung als nahe bevorstehend angekündigt
worden, wobei dahingestellt sein mag, ob wirklich z. Zt.
ernstliche Erwägungen nach dieser Richtung hin statt-
gefunden haben, oder ob hier nur der Wunsch der Vater
des Gedankens gewesen ist. Die Wahl gerade des Herrn
Budde, der noch bei der 2. Berathung der wasserwirth-
schaftlichen Vorlage diese, allerdings nur vom Standpunkte
der Landesvertheidigung, als Vertreter des Kriegsmini-
steriums in sehr entschiedener Form vertrat, lässt jeden-
falls eher darauf schliessen, dass die Regierung an dem
Worte „Gebaut wird er doch“ festhält und dass der neue
Minister der öffentlichen Arbeiten dazu berufen sei, dies
333
Wort in die That umzusetzen. Liegt so eine Umgestaltung
des Ministeriums nach der Richtung einer Trennung des-
selben wohl noch in weiterer Ferne, so wird diese Frage
doch wohl nicht wieder verschwinden und vielleicht ist mit
V. Thielen die Reihe der Minister schon wieder abgeschlossen,
die das Ministerium der öffentlichen Arbeiten in seiner
jetzigen ungetheilten Form längere Zeit leiten durften.
Elf Jahre hat v. Thielen dem Ministerium vorgestan-
den, nur 2 Jahre weniger als v. Maybach, eine Zeit, lange
genug, um reformatorische Ideen ausreifen zu lassen und
durchzuführen, lange genug, um dem in ihr Geschaffenen
den Stempel der eigenen Persönlichkeit aufzuprägen.
Die Verwaltung v. Thielens nach dieser Richtung hin zu
würdigen, wobei es freilich schwer sein wird, festzu-
stellen, wie weit das, was geschehen und erreicht ist, der
eigenen Initiative des Ministers entsprang, behalten wir
uns für später vor. Wir wollen uns jetzt begnügen, die
wichtigsten Momente dieser Periode hervorzuheben.
Das Staatseisenbahnnetz, das v. Maybach 1878 vor-
fand, belief sich auf nur 4800
Anfangs der 80 er Jahre wurde dann in zielbewusster
Weise die Verstaatlichung der Privatbahnen eingeleitet
und in der Hauptsache unter v. Maybach’s Verwaltung
beendet. Ihm gebührt unzweifelhaft ein grosses Verdienst
bei der geschickten und planmässigen Durchführung dieses
weitsichtigen Gedankens. Bei seinem Abgang hinterliess
er seinem Nachfolger ein Netz von fast 25000^00 Staats-
eisenbahnen, von denen etwas über 4000 durch Neu-
bau, die übrigen durch Erwerbung hinzugekommen waren.
Dieses Netz ist jetzt auf rd. 32 000 k-“ erweitert, davon
etwa 4500 km durch Neubau geschaffen. Die Bauthätigkeit
des Staates hat sich also etwa auf gleicher Höhe gehalten.
Der Rest ist hinzugekommen durch die weitere Erwer-
bung von Privatbahnen und die 1897 erfolgte Bildung der
preüssisch-hessischen Eisenbahn-Finanz- und Betriebsge-
meinschaft, deren Linien mit etwas über 900 km in obiger
Zahl enthalten sind. Dieses Abkommen sowie die Ueber-
nahme des Betriebes der Main-Neckar-Bahn haben den
Gedanken eines einheitlich verwalteten und betriebenen
deutschen Eisenbahnnetzes jedenfalls um einen Schritt
näher gebracht, denn selbst die Gegner eines solchen
dürften sich den augenscheinlichen Vortheilen, welche die
hessische Betriebsgemeinschaft in den 5 Jahren ihres Be-
stehens gebracht hatj kaum verschliessen können.
Um noch einige Zahlen über die Entwicklung des
staatlichen Eisenbahnwesens unter v. Thielen anzuführen,
sei nach den Angaben des im Vorjahre erschienenen
amtlichen Werkes „Die Verwaltung der öffentlichen
Arbeiten in Preussen 1890 — 1900“ noch folgendes be-
merkt. Für neue Bahnbauten sind in dem Jahrzehnt
etwas über 400 Millionen Mark ausgegeben worden und
ein gleicher Betrag für den Neu- und Ausbau, sowie für
die Erweiterung von Bahnhöfen. Fast 183 Millionen Mark
würden für den zweigleisigen Ausbau, sowie dieVerstärkung
des Oberbaues, im Durchschnitt jährlich 73,5 Mül. Mark
für die Ergänzung der Betriebsmittel ausgegeben. Be-
deutend ist der Aufschwung des Verkehrs gewesen. Die
Verkehrsdichte für ikm Betriebslänge ist im Personen-
verkehr um 53®/p, im Güterverkehr um 28,4% gestiegen,
die Höhe der kilometrischen Einnahmen aus dem Per-
sonen- und Güterverkehr zusammen trotz Tarifermässi
gungen um 32%. Die Verzinsung des Anlagekapitales
wuchs von 1889—1899 von 6,260/0 auf 7,280/0 an.
Einen Antheil an dieser günstigen Geschäftslage schreibt
sich die am i. April 1895 erfolgte Neugestaltung der
Eisenbahnverwaltung zu, eine organisatorische Maassregel
von einschneidendster Wirkung. Durch dieselbe wurde
die 1880 durch Maybach bewirkte Eintheilung der Ver-
waltung in die 3 Instanzen des Ministeriums, der Direk-
tionen und der Betriebsämter, durch Aufhebung des
letzteren bei gleichzeitiger Vermehrung der Direktionen
von II auf 20 im Sinne einer schärferen Zentralisirung
und eines vereinfachten Geschäftsganges umgestaltet, ein
Ziel das jedenfalls erreicht wurde, wenn auch die Wirkung
dieser Neuordnung nicht nach allen Richtungen hin,
namentlich auch nicht für die im Eisenbahndienste stehen-
den Baubeamten durchweg vortheilhaft gewesen ist.
Von besonderer Wichtigkeit für die Entwicklung des
Eisenbahnwesens war ferner der in den Anfang der
Thielen’schen Aera fallende Erlass des Kleinbahn-Gesetzes
vom 28. Juli 1892, welcher die bisherige Unbestimmtheit
und Unzulänglichkeit der Rechtsverhältnisse beseitigte. Das
Gesetz vom 8. April 1895 zur Förderung des Kleinbahn-
wesens durch Gewährung staatlicher Beihülfe vervollstän-
digte die günstige Wirkung des ersteren. Während bei
Erlass des Kleinbahn- Gesetzes nur 1025 vorhanden
waren, war diese Länge bis i. März 1900 bereits auf 7267
1) Vgl. die au.sfülBrliclieu MittheiJungen in „Dtsclie. Bztg.“ jgoi. S. 211.
gestiegen. Allerdings können die Unternehmungen nicht
alle als gesunde bezeichnet werden und ist mitunter wohl
mehr mit Enthusiasmus als mit ruhiger Ueberlegung vor-
gegangen worden.
Auf die technische Entwicklung des Eisenbahnwesens
einzugehen, behalten wir späteren Erwägungen vor. Dass
auf diesem Gebiete vieles geschaffen, manches unterblieben
ist, dass die Verwaltung nicht immer führend, sondern
manchmal geschoben, erst unter dem Druck der öffent-
lichen Meinung, vorgegangen ist, wird jeden, der die leb-
haften Erörterungen über diesen Gegenstand nicht nur in
der Tagespresse, sondern auch im Parlamente mit einiger
Aufmerksamkeit verfolgt hat, nicht entgangen sein. Dass
die fiskalischen Gesichtspunkte der Verwaltung hieran,
wie an dem langsamen Fortschritt der Tarifreformen viel-
fach die Schuld tragen, ist ebenfalls bekannt, Gesichts-
punkte, welche der Verwaltung selbst vielleicht öfter gegen
ihren eigenen Wunsch von anderer Seite durch die Ver-
quickung der Eisenbahnfinanzen mit den allgemeinen
Staatsausgaben aufgezwungen worden sind, wobei ihrem
Leiter aber der Vorwurf nicht erspart werden kann,
diesen Einflüssen nicht immer ausreichenden Widerstand
entgegengesetzt zu haben.
Auf dem Gebiete des Wasserbaues hat das Ministerium
Thielen von dem Vorgänger die Restarbeiten für die Ver-
besserung der Schiffbarkeit der 5 grossen Ströme über-
nommen, für welche imganzen 90 Mül. M. nach dem Ende
der 70 er Jahre aufgestellten Plane verwendet wurden.
Diese Arbeit wurde ergänzt durch die 1894 beschlossene
Nachreguiirung hinsichtlich des Niederwasserprofils. Die
Nothwendigkeit des Ausbaues der bis zur Mitte der 70 er
Jahre stark vernachlässigten preussischen Wasserstrassen
ist vom Ministerium Thielen in erhöhtem Maasse aner-
kannt und vertreten worden. Es ist das jedenfalls als ein
besonderes Verdienst zu betrachten, da zweifellos der
Minister, dem die beiden grossen Verkehrsmittel der Eisen-
bahnen und Wasserstrassen unterstellt sind, sich in einem
gewissen Widerstreit der Interessen befindet. Dass dieser
Widerstreit nur ein scheinbarer ist, dass die beiden Ver-
kehrsmittel nicht nur vollberechtigt neben einander be-
stehen können, sondern dass sie sich auch gegenseitig er-
gänzen und unterstützen, ist wohl zum ersten Male an
dieser Stelle in so nachdrücklicher Form ausgesprochen
worden, wie das bei der wasserwirthschaftlichen Vorlage
geschehen ist. Dass diese für die ganze wirthschaftliche
Entwicklung des nördlichen Deutschland so überaus wichtige
Vorlage scheiterte, ist aber nicht zum kleinen Theile der
schwankenden, unklaren Haltung der Regierung zu ver-
danken. Wenn der Minister die Vorlage auch im Parla-
mente nachdrücklich und geschickt vertreten hat, so hat
er doch Gegensti'ömungen, die anscheinend im Schoosse
der Regierung selbst vorhanden waren, nicht den nöthigen
Widerstand entgegensetzen können.
Imganzen sind in dem Jahrzehnt von 1890—1900 für
wasserbauliche Zwecke 424 Mül. M. verwendet worden,
davon ein beträchtlicher Theil für Kanalisirungen, Kanal-
und Hafenbauten. Der Dortmund- Ems-Kanal, der Torso
des Mittelland-Kanales, ist ein besonders hervorragender
Theil dieser ThätigkHt. Im übrigen bilden die Erhebungen
und Ausführungen zur Abwehr der Hochwasser-Gefahren
einen wichtigen Abschnitt in der Thätigkeit des verflosse-
nen Ministeriums, die hier allerdings erst hervorgerufen
wurde durch schwerwiegende Katastrophen.
Organisatorisch ist das Ministerium noch zuletzt auf
dem Gebiete des Wasserbaues aufgetreten durch die Er-
richtung der Zentralstelle für die Fragen der Wasserver-
sorgung und Wasserreinigung und ganz kürzlich durch
die Schaffung der „Zentralstelle für Gewässerkunde".
Letztere war aUerdings nachgerade zu einem unabweis-
baren Bedürfnisse geworden.
Auf die Thätigkeit und die Entwicklung der Hochbau-
Verwaltung einzugehen, versagen wir uns zunächst. Das
gleiche gilt von dem Einfluss des Ministeriums Thielen
auf die Gestaltung der Ausbüdung der Staatsbaubeamten
und ihrer Stellung gegenüber den Verwaltungs-Beamten.
In erster Hinsicht sind durchgreifende Maassregein trotz
wiederholter Umänderung der Prüfungs-Vorschriften nicht
zu verzeichnen, abgesehen von der Trennung nach den
beiden Richtungen des Wasser- und des Eisenbahnbaues
in der Baumeister-Prüfung. Die Wirkung der letzten Ver-
fügungen über die Annahme zum Staatsbaudienst lässt
sich noch nicht recht übersehen. Sie können je nach
ihrer Anwendung einen recht verschiedenen Erfolg haben.
Inbezug auf die Verbesserung der Stellung der Baubeamten
ist bisher herzlich wenig geschehen. Im wesentlichen ist
es bei der Versicherung des WohlwoUens geblieben. Was
erreicht ist, musste in stetem Kampfe abgerungen werden,
allerdings auch gegen Kräfte, die ausserhalb des Mini-
steriums selbst lagen.
334
No. 52.
Anstelle des Verwaltungs-Beamten, der seit 1864 dem
Eisenbahndienste angehörte, also den grössten Theil der
Entwicklung desselben mit durchgemacht hat, und zwar
lange Zeit schon in leitender Stellung, tritt jetzt der
General, anstelle des Siebzigjährigen ein Mann, der eben
die Fünfzig überschritten hat, übrigens kein Neuling im
Fabriken. In dieser, wenn auch nicht lange dauernden
Thätigkeit wird er immerhin einigen Einblick in die Be-
dürfnisse der Grossindustrie und in eine Leitung nach
kaufmännischen Gesichtspunkten gewonnen haben. Nach
diesem Vorleben wird er kaum ausgeprägte bureaukratische
Neigungen mitbringen und wohl auch nicht zu denjenigen
Abbildg. 2. Mont Cenis-Tunnel (Länge 13233,55m).
Der Simplon- Tunnel, mit Rückblicken aut die Baugeschichte der älteren Alpen-Tunnel.
Eisenbahnfache, gehörte er doch fast 14 Jahre der Eisen- gehören, welche den Verwaltungsjuristen unter allen Um-
bahn-Abtheüung des grossen Generalstabes an und zwar ständen und in allen Berufszweigen als die geeignetste
von 1895 bis zu seinem Ausscheiden aus der Armee 1901 Persönlichkeit für die leitenden Stellungen halten. Der
als Chef derselben. Dann übernahm er die Stellung eines Technik und namentlich der Baukunst wird er wohl nicht
Generaldirektors der deutschen Waffen- und Munitions- viel fremder gegenüber stehen, als das bei seinen Vor-
28. Juni 1902.
335
gän^ern der Fall war. Dass er seine glänzende Stellung Stamm tüchtiger Kräfte, gelingen, die Eisenbahn- und
aufgiebt, um dafür das mühevolle Amt des Ministers zu Bauverwaltung nicht nur auf ihrer jetzigen Höhe zu er-
übernehmen, insbesondere in diesem Momente, spricht da- halten, sondern sie auch sowohl nach der technischen, wie
für, dass er sich mit voller Kraft, mit Einsetzen seiner nach der wirthschaftlichen Seite weiter zu fördern und sie
ganzen Persönlichkeit, der neuen Aufgabe widmen wird, in ihrer Verwaltung mit einem freien Geiste zu durch-
— Möge es ihm, unterstützt durch den vorhandenen dringen. — Fr E
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten- und Ingenieur-Verein zu Hamburg. Vers,
am 4, April 1902. Vors. Hr. Zimmermann, anwes. 63 Pers.
Der Hr. Vorsitzende theilt ein Schreiben des sogen.
„Vierstädtebundes", einer Vereinigung der Bauhütten
von Hamburg, Altona, Wandsbeck und Harburg mit,
in welchem unter Schilderung der Ergebnisse von Ver-
handlungen, welche mit den Bauarbeitern stattgefunden
haben, nochmals das Ersuchen an den Verein gerichtet
wird, seine Mitglieder zur Aufnahme der Stremklausel
in die Bauverträge zu veranlassen. Ueber diesen Gegen-
stand, der durch einen Vereins-Ausschuss berathen wird,
soll später berichtet werden. Ferner wird eine Einladung
zur Theilnahme an dem IX. internationalen Schiffahrts-
Kongress in Düsseldorf, sowie eine Aufforderung zur
Theilnahme an der 74. Vers, deutscher Naturforscher und
Aerzte in Karlsbad in Umlauf gesetzt. Endlich wird, einem
von dem Verleger Gerhard Kühtmann in Dresden ausge-
sprochenen Wunsche folgend nochmals auf die günstigen
Bedingungen aufmerksam gemacht, welche den Subskriben-
ten auf die Werke über das Bauernhaus gestellt sind,
und um möglichst zahlreiches Subskribiren ersucht.
Darauf erhält das Wort Hr. Rud. Schröder, welcher,
unterstützt durch eine grosse Zahl von Lichtbildern, zu-
nächst die bauliche Entwicklung des in seiner ersten An-
lage von Ing. Lindley herrührenden „Wasserwerkes
in Rothenburgsort“ schildert und dann zu einer ein-
gehenden Beschreibung der ersten Anlage und des weiteren
Ausbaues der Maschinenanlage übergeht. Aus den Aus-
führungen des Redners geht hervor, welche ausserordent-
liche Ausdehnung dieses Werk im Läufe der seit seiner
Gründung verflossenen 50 Jahre erfahren hat, und wie
mit dem Uebergang zur Anwendung des Riedler’schen
Systemes der schnellaufenden Pumpen mit gesteuerten
Ventilen, eine wesentlich günstigere Ausnutzung des vor-
handenen Raumes, und ein ökonomischeres Arbeiten der
Dampfmaschinen und Pumpen erreicht worden ist. Zum
Schluss giebt Redner noch eine Schilderung von Ver-
suchen, welche angestellt worden sind um die Zusätz-
widerstände zu ermitteln, welche durch die Zwangs-
steuerung der Pumpenventile entstehen und durch die
Dampfmaschinen mit zu überwinden sind, um danach be-
urtheilen zu können, ob die Anwendung des Riedler’schen
Systemes ökonomisch richtig ist. Als Ergebniss dieser Ver-
suche, deren Fortführung auf den maschinentechnischen
Laboratorien der technischen Hochschulen vom Redner
als wünschenswerth bezeichnet wird, ergiebt sich, dass
man recht daran gethan hat, bei dem hiesigen Wasserwerk
zu der Einführung der schnellaufenden Pumpen mit ge-
steuerten Ventilen überzugehen, indem dadurch ein be-
achtenswerther wirthschaftlicher Vortheil erreicht worden
ist. Eine ausführliche Wiedergabe des Vortrages, hat sich
Redner Vorbehalten, der den Dank und Beifall des Vor-
sitzenden und der Versammlung fand. — Hm.
Preisbewerbungen.
Einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
den Erweiterungs- bezw. Umbau des Restaurations-Gebäu-
des auf dem Steinberge zu Lauban schreibt der Magistrat
dieser Stadt mit Frist zum 31. Dezember d. J. unter den
Architekten Deutschlands (deutsche oder in Deutschland
lebende ?) aus. Bausumme nicht über 70000 M. einschl.
der Einrichtungskosten der neu zu bauenden Gesellschafts
Säle. Maasstab der Zeichnungen 1:100, ausserdem wird
ein „spezieller" Kostenanschlag verlangt. Ausgesetzt
sind zwei Preise in Höhe von 1200 bezw. 800 M., deren
Zuerkennung durch ein „besonderes Schiedsgericht"
erfolgt. (Namen werden zunächst nicht genannt.) Unter-
lagen werden gegen Erstattung der Selbstkosten nach
Meldung, die bis zum 15. Juü zu erfolgen hat, bis zum
15. August d. J. ausgehändigt. Nach allem scheint die
Vorbereitung der Ausschreibung noch nicht beendet zu
sein. Wir behalten uns daher ein Urtheil für später vor.
Im Wettbewerb Püegerinnenheim zu Mainz (vergl.
S. 116 u. 128), für welchen nicht weniger als 98 Entwürfe
eingegangen waren, erhielt den I. Preis die Arbeit mit dem
Kennworte „Heim", Verf. die Hrn. Arch. Breslauer &
Salinger in Berlin, den II. Pr. der Entwurf „Wahrheit
und Klarheit", Verf. die Hrn. Arch. Baeppler & Graeff
in Frankfurt a. M,, den III. Pr. die Arbeit mit dem Kenn-
336
Worte „Ohne Fleiss, kein Preis", Verf. Hr. Arch-
Thelemann in Berlin. Die Beschlüsse des Preisgerichtes
waren einstimmig gefasst. Die Arbeiten sind bis 2. Juli im
Konzertsaal der Liedertafel in Mainz öffentlich ausgestellt.
Zum Wettbewerb Rathhaus zu Kassel sind 119 Ent-
würfe eingegangen. Das Preisgericht kann daher erst am
14. Juli nach Erledigung der Vorarbeiten zusammentreten.
Den beiden Entwürfen „1902“ und „913 — 1902" lag ein
verschlossenes Briefkouvert, das den Namen enthalten soll,
nicht bei. Der Magistrat ersucht um nachträgliche Ein-
sendung. —
Aus dem 2. engeren Wettbewerb Theater in Dortmund
(vergl. 190t S. 538 u. 548) ist Hr. Prof. Martin Dülfer in
München als Sieger hervorgegangen. —
Das Ergebniss eines Wettbewerbes um Entwürfe zur
Parzellirung eines der Terrain-A.-G. „Park Witzleben“ in
Charlottenburg gehörenden Geländes, welcher unter den
Mitgliedern des Deutschen Techniker-Verbandes veran-
staltet war, ist am 27. u. 28. Juni d. J. im Architektenhause
zu Berlin von 9—5 Uhr öffentlich ausgestellt. —
Einen Wettbewerb um Entwürfe für Kochherdanlagen
in Mannschaftsküchen schreibt das kgl. bayerische Kriegs-
Ministerium unter in Deutschland ansässigen Firmen, welche
sich mit der Herstellung von Kochanlagen für Massenver-
pflegung befassen, mit Frist zum i. Okt. d. J. aus. Pro-
gramm und nähere Auskunft sind von der Intendantur
des II. bayer. Armeekorps zu erlangen. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Geh. Mar.-Brth. und Schiffbaudir.
Brinkmann beim Reichsmar.-Amt ist zur Werft nach Wilhelms-
haven und der Geh. Mar.-Brth. u. Schiffbaudir. J a e g e r in Wilhelms-
haven zum Reichsmar.-Amt, beide z. i. Okt. d. J. versetzt.
Bayern. Dem städt. Brth. Schmetzer in Regensburg ist
die rv. Kl. des Verdienstordens vom hl. Michael verliehen.
Die Ob.-Bauinsp. Wagner in Bamberg, Gumprich in
Kempten , März u. Kalckbrenner in Nürnberg , G a r c i s in
Regensburg, Westhoven in Rosenheim und Sperr in Weiden
sind zu Dir. -Räthen, die Staatsbaupraktik. Ad. Schnabl und
Ernst S t e i n d 1 e r zu Eisenb.-Assessoren bei d. Gen. -Dir. ernannt.
Der Ob.-Bauinsp. Schlagintweit in Regensburg ist s. Ans.
entspr. in den Ruhestand versetzt.
Brief- und Fragekasten.
Anmerkung der Redaktion. Die Anfragen für unseren Brief-
und Fragekasten häufen sich in der letzten Zeit in einer solchen
Weise, dass die Beantwortung derselben bei dem bescheidenen
Raum, den wir dieser nur zur Verfügung stellen können, sich gegen
unseren Willen vielfach verzögert. Wir sehen uns daher zu der
Bemerkung genöthigt, dass wir nur noch die Anfragen von all-
gemeinem Interesse berücksichtigen können, welchen der
Nachweis des Bezuges unseres Blattes beigefügt ist.
Wenig Aussicht auf Beantwortung haben ausserdem die Anfragen,
deren Erledigung auf dem Wege der Anzeige möglich ist. Grund-
sätzlich sollte der Briefkasten nur dann in Anspruch genommen
werden, wenn andere Wege versagen. — •
Hrn. Bmstr. A. T. in Groitsch. Entscheidend ist der Arbeits-
vertrag mit den gedungenen Maurern. Sind sie für einen bestimmten
Bau ausserhalb des Ortes, wo der Arbeitgeber seine Niederlassung
hat, angenommen, so gilt die vereinbarte Arbeitsstelle als der Ort,
an welchem die Maurer ihre Dienste zu leisten haben und steht ihnen
keine Vergütung für die Zeit zu, welche sie auf den Weg von ihrer
Wohnung zu der Aibeitsstelle brauchen. Sind sie dagegen für den
Ort der Niederlassung des Bauunternehmers gedungen, so leisten
sie den Weg von hier bis zur ausserhalb gelegenen Arbeitsstelle
auf Veranlassung des Arbeitgebers und für diesen, weshalb sie
Vergütung für die auf den Weg verwandte Zeit zu beanspruchen
haben. Dieser Unterschied ist auch für die Beantwortung Ihrer
zweiten Frage maassgebend. Im ersteren Falle braucht der Arbeit-
geber den weit hergekommenen Maurern keine Erholungspause zu
gewähren, während es im anderen zu geschehen hat, weil die Zu-
rückleguDg des Weges eben schon ein Theil der verlangten und
gewährten Arbeitsleistung ist. Uebrigens sind die beregten Ver-
hältnisse schon oft Gegenstand eines Rechtsstreites gewesen und
haben überwiegend in dem vorerörterten Sinne Beantwortimg ge-
funden. Dies gilt namentlich von Fällen, die ihre Beurtheilung ent-
weder vor Gewerbegerichten oder im Gemeindeverwaltungs-Ver-
fahren gefunden hatten. — K. H-e.
Inhalt; Verband deutscher Arch.- und Ing.-Vereine. — Der Simplon-
Tuunel, mit Rückblicken auf die Baugeschichte der älteren Alpen-TunneL
— Der Wechsel im preuss. Ministerium der öffentlichen Arbeiten. — Mit-
theüungen aus Vereinen. — Preishewerbungen. — Personal-Nachrichten. —
Brief- und Fragekast^
Verlag der Deutschen Banzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. i. V. Fritz Eiselen, Berlin. Druck von Wüh, Greve, Berlin.
No. 52.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 53. Berlin, den 2. Juli 1902.
Gewölbte Brücken bei den Niagara- Fällen.
ine in mehrfacher Beziehung beachtenswerthe
Brückenanlage ist Ende v. J. in Amerika fertig-
gestellt worden. Es handelt sich um die Erneuerung
abgängig gewordener eiserner Strassenbrücken zur Ver-
bindung des Festlandes mit der Insel Green-Island und
von Green-Island mit Goat-Island bei den Niagara-Fällen
durch gewölbte Brücken (Betonbögen mit Eiseneinlage
und Haustein-Verblendung). Die Brücken liegen innerhalb
der Niagara-Reservation, etwa 150™ oberhalb des Randes
des America-Falls, also an einer Stelle, welche einerseits
wegen ihrer landschaftlichen Grossartigkeit an die äussere
Erscheinung des Brückenbaues besondere Anforderungen
stellte, andererseits für die Ausführung von gewölbten
Brücken grosse Schwierigkeiten bot wegen der daselbst
herrschenden reissenden Strömung bei einer Wassertiefe bis
za 3,25 “ und der erheblichen Spannweiten, welche dement-
sprechend den Bögen zur möglichstenVerringerung derZahl
der Pfeiler zu geben war. Diese Umstände lassen ganannte
Brückenanlage als eine besonders interessante erscheinen.
Die alte abgängige Brückenanlage, deren Hauptträger
aus einfachen eisernen Fachwerksträgern mit bogen-
förmigem Obergurt und wagrechtem Untergurt bestehen,
stammt aus dem Jahre 1855 und ist die dritte der über
die „Fälle" gespannten Brücken. Sie weist 4 Oeffnungen,
also 3 Strompfeiler auf. Mit Rücksicht auf die bevorzugte
Lage des Bauwerkes gab man, wie schon erwähnt, bei
Gelegenheit des Neubaues einer massiven Ausführung den
Vorzug. Bestimmend wirkte dabei auch, dass die Fahr-
bahn der Brücke sich nur wenig über den unter ihr in
rasender Eile dahinbrausenden Wasserstrom erhebt, so-
dass der Bau einer schon allein durch die Kühnheit und
Grossartigkeit ihrer Linienführung wirkenden Eisenbrücke,
entsprechend den anderen Niagara-Brücken, nicht in Be-
tracht kommen konnte.
Die Architektur der Anlagen ist absichtlich einfach
gehalten, nur durch wenige schlichte, aber kräftige Linien
wirkend. Abbildg. i giebt eine Ansicht der stromaufwärts
gerichteten Seite der grösseren der beiden Brücken
zwischen dem Festland und Green-Island.*) Diese Brücke
besitzt 3 Oeffnungen, deren mittelste eine Spannweite von
33.53“ aufweist, während die beiden Seitenöffnungen
Spannweiten von je 31,55™ erhalten haben. Die Pfeil-
höhen der Bögen betragen 3,51 ™
bezw. 3,05™, also etwa ’/io
Spannweite. Die Stärke der
beiden Strompfeiler ist auf 4,11 ™
bemessen. Die Quaderverblen-
dung der Brückenstirn einschl.
der geschlossenen Geländer-
brüstung erfolgte durch ein-
fachen bossirten Haustein ; glatt
bearbeitet sind lediglich das
Hauptgesims und die Abdeck-
platte der Brüstung, sowie die
Pfeilerköpfe. Die Pfeiler sind
durch vorspringende Pfeiler-
bauten, welche im übrigen ge-
nau wie die Gewölbe-Ansichts-
flächen behandelt sind, in der
Brückenansicht hervorgehoben.
Während des Baues der
Brücken konnte der Wagen-
verkehr unterbrochen werden,
für den Fussgängerverkehr da-
Abbildg. I. Betonbrücke mit Haustein-Verblendung vom Festland nach Green-Island.
*_) Wir entnehmen die Abblldgn.
dem Scientific American 1901, .S. 327.
Die Auffindung des Khalifenschlosses Amra
in der nordarabischen Wüste.
1er in dem Werke des Grafen Adolf Friedrich von
I Schack über die „Poesie und Kunst der Araber in
^ Spanien und Sizilien“ die Schilderung der Bauthätig-
keit dieses für die Kunst so reich begabten morgenländischen
Volksstammes liest, der unterliegt dem Eindruck, sich nicht
einer Welt der Wirklichkeit, sondern einer Märchenwelt
gegenüber zu befinden. Aehnlich geht es dem Leser der
Niederschrift eines Vortrages, welchen der Orientalist an
der Wiener Universität, Hofrath Dr. Jos. Karabacek, in
der feierlichen Sitzung der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften in Wien am 28. Mai über „die Auf-
findung eines Khalifenschlosses in der nord-
arabischen Wüste" hielt. Es ist eine der merk-
würdigsten, mit dem vollen Zauber orientalischer Märchen-
haftigkeit umgebenen Entdeckungen, über welche der
Vortrag berichtet, eine Entdeckung, welche geeignet ist,
das vielfach lückenhafte Bild maurischer Kunst zu be-
reichern, eine Entdeckung, deren hervorragende wissen-
schaftliche und künstlerische Bedeutung dem furchtlosen
Wagemuth und der unermüdlichen Ausdauer eines oester-
reichischen Künstlers und eines oesterreichischen Gelehrten
zu verdanken ist.
Ein junger Priester der Olmützer Erzdiöcese, Dr.
Alois Musil, wurde im November 1895 nach Jerusalem
entsendet, um an der von französischen Dominikanern
geleiteten „Ecole biblique“ seine Bibel-Studien zu vollenden.
Nach mehrfachen Reisen in Palästina und den angrenzenden
Landgebieten reifte in ihm der Entschluss, nunmehr ein
Forschungsgebiet zu besuchen, welche.s bis dahin fast
unbekannt war und welches nach der alttestamentlichen
Exegese eine reiche Ausbeute versprach. Es war das
Gebiet, das westlich an Aegypten grenzt, östlich bis zum
Flusse Wadi-Sirhan sich erstreckt, und nördlich die Süd-
spitze des Todten Meeres, südlich das Rothe Meer berührt.
Ein Gebiet, mit welchem sich nach Karabacek „schon
ägyptische und babylonisch -assyrische Nachrichten be-
schäftigen, wo südarabische Stämme auf ihren Wander-
ungen nach dem Norden Niederlassungen gründeten, wo
die Moabiter und Edomiter den Boden für das Handels-
volk der Nabatäer — die Venetianer des Alterthums —
ebneten und wo endlich vor dem alles überfluthenden
Islamismus das christlich-arabische Reich der Ghassaniden
entstand, deren mächtige Fürsten eine Verschmelzung
von arabischer und griechischer Kultur lierbeiführten."
Von einer hierhin im Jahre 1898 unternommenen vier-
monatlichen Reise kehrte Dr. Musil mit Berichten über
verschiedene in der Wüste gefundene bis dahin völlig
unbekannte Schlösser zurück, unter welchen besonders
eines, Kosseir Amra, Schlösschen Amra, durch eine
Fülle merkwürdiger Wandgemälde hervorragen sollte.
Eine Gruppe weiterer Schlösser liegt östlich davon. Gegen
den fremden Eindringling in dieses Gebiet haben sich
Natur und Bewohner verbunden; die Natur durch die
Entbehrungen, die sie dem Reisenden auferlegt, die Be-
wohner, die Beduinen, durch die feindselige Haltung, die
sie, vielleicht veranlasst durch die Sage, von der Eugen
Bracht (s. S. 290) berichtete, dem Forscher entgegenbringen.
Gleichwohl unternahm Dr. Musil im Frühj^r 1900 eine
weitere Reise, von welcher er eine reiche Ausbeute an
photographisenen Aufnahmen mitbrachte und damit den
märchenhaften und angezweifelten Bericht seiner ersten
Reisen belegte.
Aufgrund der so gewonnenen Ergebnisse nun reifte der
Entschluss, durch eine künstlerische Aufnahme das Schlöss-
chen dem Denkmalschatze der Wiener Akademie einzu-
337
gegen mussten Nothbrücken
nergestellt werden. Die Unter-
stützungen für letztere wurden
durch mit Steinen belastete
hölzerne Sinkkästen, welche
durch kräftige Verankerung in
ihrer Lage gehalten wurden,
geschaffen. Einfache, zwischen
diesen primitiven Pfeilern auf-
gestellte Hängewerke trugen die
etwa 1,8“ breite Brückenbahn.
Abbildg. 2 zeigt den Bau der
Nothbrücke für die grössere der
beiden Brücken.*) Die Noth-
brücken gelangten unterhalb der
alten Brücken zur Ausführung,
das Anplatzbringen der hölzer-
nen Pfeilersinkkästen konnte da-
her auf einfache Weise von den
alten Brücken aus erfolgen.
Die Gründung der Brücken-
pfeiler der neuen Brücken er-
folgte nach Abbruch der alten
zwischen Fangedämmen un-
ter Wasserhaltung. Besondere
Schutzwände umgaben die
Fangedämme, um dieselben
möglichst vor dem Angriff der
reissenden Strömung zu be-
wahren. Die Betonbögen wur-
den auf hölzernen Lehrgerüsten
eingestampft. Ueber die Kon-
struktion der letzteren und
namentlich ihre Unterstützung
in den tosenden Wassermassen
giefat unsere Quelle (Scientific
American 1900 und 1901) keinen
Aufschluss. Besondere Sorgfalt
musste auf die Herstellung der
Einschaalung der Lehrgerüste
verwendet werden, um nach
erfolgter Ausrüstung eine mög-
lichst glatte Gewölbelaibung zu
erhalten und namentlich, damit
bei der Ausrüstung eine glatte
Trennung zwischen Bogen und
Gerüst eintrete. Die Schaalung
wurde zu diesem Zweck mit
einem Gipsbewurf bedeckt, auf
welchen ein Gewebe aufgeklebt
wurde. Die Bögen wurden der
Länge nach in je 4 etwa 2,9“
breite Streifen zerlegt, welche
einzeln nacheinander einge-
stampft wurden. Jeder dieser
Streifen umfasst drei der Eisen-
*) Scientific American 1900, 5. 187
Abbildg. 2, Bau der Fussgänger-Noth-Bröcke nach Goat-Island.
Abbildg. 3. Herstellung des 'Brückengewölbes in Stampfbeton mit Eisenrippeu.
verleiben. Dr. Musil verband sich zu diesem Zwecke mit
dem Orientmaler Alphons Leopold Mielich-Mielich-
hofer. Beide traten Ende April 1901 von Jerusalem aus
eine neue Wüstenreise an; am Pfingstsonntag, den 26. Mai
1901, erreichten sie das ersehnte Ziel. Nach vierzehn-
tägiger übermenschlicher Anstrengung und Entbehrung,
ira Kampfe mit feindlichen Beduinen errungen, konnten
die Reisenden Amra mit den Originalaufnahmen und mit
Theilen der Wandgemälde und der Mosaikarbeiten des
Bodens wieder verlassen. Der künstlerische und wissen-
schaftliche Zweck dieser letzten Expedition war erreicht.
Nur dem Aberglauben der Beduinen, welche in dem
Schlosse Gespen.ster wähnen, ist es zu verdanken, dass
es in einer verhältnissmässigen Erhaltung auf uns über-
kommen ist. In der Grundrissanlage scheint nach der
lückenhaften Beschreibung das Schloss auf verwandte
orientalische Anlagen zurückzugehen. Aus einer Vorhalle
gelangt der Besucher in 3 unter sich verbundene Ge-
mächer, von deren letztem aus eine Oeffnung in einen drei-
schiffigen Hauptsaal führt. Der Grundriss des Hauptsaales
ist rechteckig. Ein östlich an das Hauptgebäude an-
schliessender Theil enthält wieder 3 niedrigere Gemächer,
deren letztes eine Kuppel trägt und in eine offene Vor-
halle mündet. In geringer Entfernung nördlich am Haupt-
gebäude befindet sich ein im Viereck mit Wänden umgebe-
ner Brunnen mit gemauertem Wasserbehälter, Schöpfvor-
richtung und Treppenanlage. Ein dreieckiger, durch Brüs-
tungsmauern abgeschlossener Vorhof, an dessen Nordseite
der Haupteingang sich befindet, vollendet das Ganze.
— Ueber die Bestimmung des Gebäudes gingen die An-
sichten auseinander. Es als ein Wohnhaus zu betrachten,
schien nach der ganzen Anlage ausgeschlossen. Eine
Röhrenanlage in den 3 Zimmern zwischen Vorhalle und
Saal, welche dazu bestimmt war, trockene heisse und
feuchte Luft, sowie kaltes und heisses Wasser in die
Räume zu leiten, Hess in den Räumen Baderäume er-
kennen. Was aber hatten diese zwischen Vorhalle und
Hanptsaal für eine Bedeutung? Es wurde an ein Heilig-
thuni, an eine Kultstätte gedacht; in einer bildlichen Dar-
stellung wollte man eine Opferhandlung erblicken und
glaubte annehmen zu sollen, dass in dem Gebäude Myste-
rien gefeiert wurden. Man hielt es für die Kulfs^tätte
eines Geheimbundes und glaubte in den Badeanlagen
Reinigungsbäder für den Neophyten vor Betreten des
Tempelraumes erblicken zu müssen. Auch an ein Mani-
chäer-Baptisterium dachte man. Es geht jedoch aus einer
Inschrift, die auf einem Nischenbogen das Bildniss des
Prinzen Ahmed umzieht, hervor, das.s Kos.seir Amra auf
Befehl dieses Prinzen, der 836 geboren wurde, 862 den
Thron der Khalifen bestieg und ein Urenkel von Harun
al Raschid war, als Badeschloss erbaut wurde. Eine
Reihe zuverlässiger orientalischer Quellen erzählen, dass
solche Wüstenbauten thatsächlich durch die Khalifen als
Lustschlösser errichtet und bewohnt wurden. Orientalische
Schriftsteller berichten ausführlich über die Ausschmückung
solcher Bade- und Lustschlösser und machen Angaben,
welche durch das Schlösschen Amra bestätigt wurden.
In diesen Berichten finden sich jedoch keine Angaben
über Manichäer, Neophyten oder andere geheime Sekten,
welchen das Bauwerk als Kultstätte gedient haben könnte.
338
No. 53.
rippen, weiche aus je zwei nahe der unteren und oberen
Gewöll3elaibung angeordneten Flacheisenbändern gebildet
werden, vergleiche Abbildung 3. Die zusammengehörigen
Flacheisen an den beiden Bogenlaibungen werden durch
Bolzen verbunden. Jeder einzelne Gewölbestreifen wurde
in Tag und Nachtarbeit ohne' Unterbrechung für sich fix
und fertig eingestampft.
Das Mischungsverhältniss des Betons für die Bögen
betrug 1 Theil Portland - Zement auf 2 Theile Sand und
4 Theile Steinschlag oder Kies. Der zu verwendende
Steinschlag musste einen Ring von 31,7 mm innerem Durch-
messer passiren können. Die unterste Grenze des zur
Verwendung zugelassenen, an Ort und Stelle mittels
Schottermaschine hergestellten Steinschlags bildeten Stein-
brocken von 6,3mm Seitenlänge; Steingruss, welcher dieses
Mindestmaass nicht hielt, gelangte nicht zur Verwendung.
Der Beton für die Fundamente, Pfeiler und übrigen Theile
der Brücken erhielt eine Mischung von i : 3 und 6 der
obengenannten Materialien. Die Steingrösse konnte bis
zu 50,8 mm betragen. Um zu sparen, wurden in den Beton
der Fundamente, Pfeiler usw., grössere Steine bis zu
0,04 cbm (1Y2 Kubikfuss) Inhalt lagerhaft eingebettet in etwa
20 cm Abstand von einander und von der Betonaussenfläche.
Die Abmessungen der ebenfalls mit 3 Oeffnungen her-
gestellten kleineren der beiden Brücken zwischen den
Inseln Green-Tsland und Goat-Island sind die folgenden;
Spannweite der mittleren Oeffnung 16,76 die der beiden
Seitenöffnungen 15,39 m. Die Pfeilerstärke beträgt 2,44 m.
Als treibende Kraft für die Pumpen und Betonmisch-
trommeln wurde Elektrizität verwendet, zum Transport der
Materialien von Land nach der Verwendungsstelle diente
eine über jede Baustelle von Ufer zu Ufer gespannte
Kabelbahn, deren eine ausserdem zum Uebersetzen der
für die kleinere Brücke nothwendigen Materialien vom
Festland nach Green - Island besonders gute Dienste
leistete. Günther.
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- ü. Ing. -Verein zu Hamburg. Versammlung am
II. (April 1902. Vors. Hr. Classen, anwes. 34 Personen.
Der Vorsitzende spricht den Siegern in dem für Hamburger
Architekten stattgehabtenWettbewerbe für einVerwaltungs-
Gebäude . der Freihafen - Lagerhaus - Gesellschaft (vergl.
No. 3 t d. Ztg. vom 16. April d. J.) die Glückwünsche des
Vereins aus und macht auf das zum 26. April bevorstehende
Stiftungsfest des Vereins aufmerksam.
Zur Tagesordnung übergehend hält Hr. Bauinsp.
Weyrich einen Vortrag über die letztjährige Tagung des
„Internationalen Verbandes für Materialprüfun-
gen der Technik“ in Budapest. Nach dem Beschlüsse
der letzten Tagung des Verbandes im Jahre 1897 in Stock-
holm_ sollte die nächstfolgende im Jahre 1900 in Paris
stattfinden, war aber wegen des Zusammentreffens mit
einem gleichzeitig von der französischen Regierung an-
lässlich _ der Weltausstellung veranstalteten besonderen
internationalen Kongresse für denselben Zweig der Wissen-
schaft um ein Jahr verschoben und nach Budapest ver-
legt worden, wo sie vom 9.-14. Sept. stattfand.
Nach einigen Bemerkungen über den Aufschwung und
die hervorragenden Bauten der Stadt Budapest schildert
Redner die offizielle Eröffnung der Versammlung, welche
mit 400 Theilnehmern, darunter 70 Deutschen, gut besucht
war. Vertreten waren alle grösseren europäischen Staaten
und die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Aus dem
von dem Präsidenten, Prof. v. Tetmajer, erstatteten Ge-
schäftsberichte wird erwähnt, dass der Verband zurzeit
1800 Mitglieder zählt. Von den 6 Tagen des Kongresses
waren 3 Tage den Vollversammlungen,. 3 den Abtheiltings-
Versammlungen gewidmet. Es bestanden 3 Abtheilungen:
A. für Metalle, B. für Bausteine und deren Bindemittel,
C. für andere Materialien. ,
Es folgt eine kurze Wiedergabe' des Inhaltes derjenigen
Verhandlungs-Gegenstände, welche für den Arch.- u. Ing.-
Verein das meiste Interesse bieten dürften. Zunächst des
Vortrages eines österreichischen Chemikers, Baron
Jüptner, über die Verbindungen, in welchen der Kohlen-
stoff im Eisen auftritt; sodann der einen breiten Raum
einnehmenden Verhandlungen über die Prüfung der Metalle
durch Versuche mit künstlich verletzten Stäben anstatt des
bisher gebräuchlichen Probemateriales aus unbeschädigten
Stäben. Hiermit haben sich besonders französische Ge-
lehrte beschäftigt; es liegt dabei die Anschauung zugrunde,
dass in der Praxis das zu Konstruktionen verwendete Eisen
häufig nicht unverletzt ist, vielmehr durch den Walzprozess,
die weitere Verarbeitung, die Lochung usw. in einen Zu-
stand kommt, der richtiger durch Versuche mit verletzten
Stäben geprüft wird.
Ein französischer Ingenieur hielt einen interessanten
Vortrag über das Gefüge der Metalle, indem er davon
ausging, anstatt der üblichen Eintheilung der Zustands-
Formen der Körper in die drei Aggregrat-Zustände eine
Eintheilung nach der Struktur als amorphe und kryställi-
nische Körper zugrunde -zu legen. Aus dem Vortrage
eines schwedischen Ingenieurs ist die Brinell’sche
Kugeiprobe zur Härtebestimmung der Baumate-
rialien zu erwähnen. Es werden dabei sehr harte Stahl-
kugeln in den Probekörper eingetrieben, und durch das Aus-
maass der entstehenden sphärischen Vertiefung und den
„angewendeten Druck die Härte bestimmt. Ein unga-
rischer Ingenieur hielt einen Vortrag über die Prüfung
von Romanzement nach' den für die Prüfung von Port-
landzement vereinbarten Normen und endlich wurde auf-
grund eines Antrages eine Definition des Portlandzementes
vom Kongresse festgesetzt.
Redner geht nunmehr über zur Beschreibung der
Besichtigungen und geselligen Veranstaltungen, mit denen
die Nachmittage und Abende ausgefüllt wurden, wobei
ein Fest im ungarischen Architekten-Verein und das tech-
nische Museum im „Stadtwäldchen" mit seiner ungemein
reichen Sammlung von Modellen hervorgehoben werden.
Endlich schildert derselbe einen an den Kongress an-
schliessenden mehrtägigen Ausflug nach der unteren Donau
Während das Aeussere völlig schmucklos ist — „leuch-
tend hebt sich“, auf einer Skizze Mielichs, „der wohlerhaltene
Bau in gelbem Ton vom dunkelblauen Hintergründe ab.
Schweigen liegt auf seinen Kuppeln“ — , ist das Innere
auf das reichste geschmückt. Der Fussboden ist mit ge-
schliffenen Marmorplatten und mit Mosaik belegt. Mar-
morplatten ziehen sich auch an den unteren Theilen der
Wände hin, während die oberen mit den reichsten Male-
reien bedeckt sind, für welche, soweit es heute noch er-
kennbar ist, nicht die al fresco-, sondern die Tempera-
technik angewendet wurde. Die Künstler kamen aus
Byzanz, es waren griechische Künstler, vertraut mit der
griechischen Ueberlieferung, jedoch in gleicher Weise
vertraut mit der byzantinischen Kunst. Die Werke er-
innern an die besten Arbeiten griechischer Kunst, be-
sitzen jedoch einen dieser Kunst fremden Naturalismus,
der hauptsächlich in der Darstellung der nackten Frauen-
körper zutage tritt. _ Die Gemälde scheinen einen Cyclus
mit den Grundmotiven Wein, Weib, Wasser und Wild
vorzuführen, welche in den orientalischen Darstellungen
Mlenthalben wiederkehren. Die Lebensalter, die mensch-
Uchen Leidenschaften, Jagdscenen, Ringkämpfe usw. dies
sind die Darstellungen, die nach den arabischen Schrift-
stellern darauf berechnet sind, in künstlerischer Weise,
in heiteren Farben und lebendiger Bewegung das Schöne
zum Ausdruck zu bringen. Denn in solchen Gemälden
liegt, wenn sie in solchen Räumen dargeboten werden,
„eine kräftige undzwingende Stärkung desgesammten thieri-
schen, phjrsischen und geistigen Vermögens desMenschen."
Kosseir Amra ist also ein Bade- und Lustschloss in
3. Juli 1902.
der Wüste, in welche sich zur Khalifenzeit die Grossen
des Reiches mit Vorliebe zurückzuziehen pflegten, um
reine Luft zu geniessen, dem Jagd vergnügen, Tanz,
Spiel, der Musik und dem Gesang zu huldigen. Nach
Karabacek gehört Kosseir Amra in die Reihe jener
glanzvollen Schlossbauten der Khalifen, die seit Beginn
des IX. Jahrhunderts mit märchenhafter Schnelligkeit aus
dem Boden wuchsen und das nordarabische Wüstengebiet
auf der östlichen und westlichen Seite umsäumten. Der
Oheim des Erbauers von Kosseir Amra, der Khalife
el - Mutawakkil , errichtete 25 Lustschlösser, die er mit
märchenhaftem Luxus ausstattete und über deren unge-
heure Baukosten uns Nachrichten erhalten sind. Diese
Schlösser führten Namen wie „das Einzige“, „das Auser-
wählte", „dasBrautschloss“, „dieMorgenröthe“, „die Perle",
„das Wunderbare“ und ähnliche Bezeichnungen orientali-
scher Ueberschwänglichkeit. Auch der Grossvater Ahmeds,
der Khalife el-Mutassim, erbaute amWüstenrande zahlreiche
Paläste und Lustschlösser, die mit kostbaren Wandgemälden
geschmückt waren. Vielleicht giebt das Schlösschen Amra
Veranlassung, einmal diesen Schatz orientalischer Baukunst
zu heben und Nachforschungen nach dem Verschwundenen
anzustellen. Es dürfte ein glänzendes Bild arabischer
Baulust werden. Einstweilen sehen wir mit Spannung
der Veröffentlichung über Kosseir Amra entgegen, welche
die Wiener Akademie in Form eines Pracht werk es plant.
Der österreichischen Wissenschaft gebührt das Verdienst,
seit Alters lebhafte Beziehungen zur historischen orientali-
schen Welt unterhalten zu haben, die in unseren Tagen
mit so schönem Erfolge erneuert wurden. — — H. —
339
mit Betheiligung von etwa loo Herren und 30 Darrien,
welcher sich mittels eines von der ungarischen Staatsbahn
unentgeltlich gestellten Sonderzuges bis Neusatz und von
da mit Donaudampfer bis zur Regulirung des eisernen
Thores erstreckte und dank der rühmend hervorgehobenen
Gastfreundschaft der Ungarn sehr genussreich verlief. —
Mo.
Vermischtes.
Anemometer- Windfahne von Fr. Spengler in Berlin. Der
genannten Firma ist eine Wetterfahne patentirt, die nicht
nur die Richtung des Windes kennzeichnet, sondern auch
ein unmittelbares Ablesen der Windstärke gestattet. Die
Konstruktion erhebt jedoch keinen Anspruch darauf, als
wissenschaftlich verwerthbares Messinstrument zu dienen,
sondern will nur dem Interesse an unmittelbarer Beob-
achtung der Naturkräfte in einfacher, für die gewöhnlichen
Bedürfnisse des Lebens ausreichender Weise entgegen-
kommen.
WesentlicheBestandtheilederin beistehender Abbildung
dargestellten Windfahne sind die senkrecht zur Fahnen-
fläche in einem getheiiten Qua-
dranten pendelnden Windplatte
P (entsprechend der zu feine-
ren Beobachtungen dienenden
Wildt'schen Windfahne) und die
aus einzelnen, um die wagrechte
Achse der Windplatte drehbaren
Sektoren zusammen gesetzte
Scheibe S in der Ebene des
Quadranten. Letzterer besitzt
eineTheilung, welche den Wind-
stärken o, 2, 4, 6, 8, 9 der zwei-
theiligen internationalen Wind-
skala, oder den Geschwindig-
keiten 5, IO, 15, 20, 25 ta' ent-
spricht. Die höheren, selten
vorkommenden Stärken sind
nicht markirt, weil dieTheilungs-
punkte hier zu dicht zusammen-
fallen würden. Im übrigen
machen vorspringende Knöpfe
die Theilung der Quadranten
auf grössere Entfernung hin
sichtbar. Die Sektorscheiben S
besitzen den Zweck, bei gerin-
gen Windstärken die Angriffs-
fläche derFahne zu vergrössern,
Schwankungen der Windplatte
unter plötzlichen Windstössen
weniger fühlbar zu machen und
schliesslich die Theilung deut-
licher erkennen zu lassen. Sie
werden daher bei Anwachsen
des Windes durch die Windplatte
gehoben, während sie bei abnehmendem Wind von selbst
wieder zurückfallen. Das Gewicht der Sektoren ist so aus-
probirt, dass eine genügend weite, also deutliche Theilung
entsteht. Die genaue Graduirung des Quadranten erfolgte
mit Hilfe eines Fuess’schen Schalen-Anemometers bei der
Fahrt auf einem Automobil, das eine Geschwindigkeit bis
zu 95 in der Stunde erreichte.
Um derartige Windfahnen fabrikmässig zu angemesse-
nen Preisen hersteilen zu können, musste man sich natür-
lich auf die Anfertigung einiger weniger bestimmter Grössen
beschränken, die dem genau graduirten Vorbild entspre-
chend ausgeführt werden. . Zurzeit werden 3 Grössen aus-
geführt, die in verzinktem Eisen- und Kupferblech herge-
stellt werden und sich natürlich auch in einer weniger
schmucklosen Form ausbilden lassen, als sie die Abbildung
zeigt. Der Preis der 3 auf Lager gehaltenen Typen stellt
sich je nach der Fahnengrösse einschl. eisernem Fahnen-
stock auf 18, 21 und 25 M. —
Neue Aufnahme-Bestimmungen für die kgl. preuss. Bau-
gewerkschulen. Gemäss Erlass des Hrn. Ministers für Handel
und Gewerbe dürfen künftig nur solche jungen Leute in die
4. Kl. der Baugewerkschulen aufgenommen werden, die
glaubhaft nachweisen können, dass sie während zweier
Bausommer wenigstens 12 Monate lang handwerksmässig
beschäftigt gewesen sind. In die Vorklasse können auch
Lehrlinge aufgenommen werden, die erst einen Sommer
gelernt haben. Die Handwerkerkammern sind bei Mit-
theilung der neuen Aufnahme-Bestimmungen angewiesen,
darauf hinzuwirken, dass Lehrlinge, welche später eine
Baugewerkschule besuchen wollen, in den ersten beiden
Lehrjahren eine möglichst vielseitige und umfassende Aus-
bildung erhalten und dass sie veranlasst werden, sich
über die Art ihrer Beschäftigung rechtzeitig die dem Auf-
nahmegesuch beizufügenden Aufzeichnungen zu machen. —
Preisbewerbungen.
In dem Wettbewerb betr. Entwürfe für eine Sparkasse
in Schluckenau in Böhmen wurden der I. und der III. Preis
nicht vertheilt. Den II. Preis von 1200 Kronen errang der
Entwurf „Zeitgemäss“ der Hrn. A. Michler & Fr. Mahler
in Wien. 4 Entwürfe wurden angekauft und zwar die
Entwürfe der Hrn. Brth. Deininger in Wien (600 Kr.),
J. J. Schmidt in Rumburg (600 Kr.), J. Hampel in
Rumburg (400 Kr.) und W. Bürger in Chemnitz (400 Kr.).
Der Entwurf des Hm. C. Liehmann in Wien fand eine
lobende Anerkennung. —
Im Wettbewerb um Entwürfe für die Einrichtung eines
elektrischen Schiffszuges auf dem Teltow-Kanal bei Berlin
(vgl. S. 31U. 56) ist der I. Pr. von 5000 M. der A.-G. Siemens
& Halske in Berlin, der II. Pr. von 3000 M. der Elektr.-
A.-G. vorm. Schuckert in Berlin und den Hrn. Ing. F eld-
mann&Zehme, der III. Pr. von 2000 M. der Kanaltauerei-
Ges. in Kiel verliehen worden. Zum Ankäufe empfohlen
wurden die Entwürfe des Hrn. Ing. Wilhelm Feilenberg
in Charlottenburg, sowie der Firma Ganz & Co. in Buda-
pest. Imganzen waren 20 Arbeiten eingegangen, die vom
6. bis einschl. 13. Juli von 8'/g— 5 Uhr im Teltower Kreis-
hause in Berlin ausgestellt werden. • — ■
Zum Wettbewerb für den Entwurf eines neuen Wasser-
werkes der Stadt Kolberg sind bis zu dem bestimmten
Termin: i. Juni Abends 6 Uhr, 22 Entwürfe eingegangen,
darunter einer zu spät. Der Tag des Zusammentrittes
des Preisgerichtes ist noch nicht festgesetzt. —
Personal-Nachrichten.
Preussen. Tech n. Hochschule in Hannover. Als
Abth -Vorst, auf die Amtsdauei- i. Juli 1902 1903 sind bestätigt
■worden die Prof.: Brth. Stier für Abth. I Architektur, Reg.- u.
Brth. Hotopp für Abth. II Bauingenieurwescn , Geh. Reg. -Rath
Riehn für Abth. III Maschinen-Iogenienrwesen, Dr. Dieterici
für Abth. IV chemisch-technische und elektrotechn. Wissenschaften,
Dr. Runge für Abth. V allgem. Wissenschaften. Der Senat be-
steht ausser den gen. Abth. -Vorst, noch aus dem Rektor Geh. Reg.-
Rath, Prof. Dr. Kiepert und den Prof. : Schleyer, Geh. Reg.-
Rath Launhardt und Klein.
Die Reg.-Bfhr. Alb. Lampe aus Stettin, Heiur. Dieser aus
Soden (Eisenbfch.) , — Helmuth Wieszner aus Breslau , Ernst
Bonnemann aus Gelsenkirchen (Masch.-Bfch.) sind zu Reg.-
Bmstrn. ernannt.'
Württemberg. . Dem Reg.-Bmstr. Kühner in Ulm ist die
Stelle als Masch.-Ing. für den Zugförderungsdienst das. übertragen.
Prof. W e i t b r e c h t ist z. Rektor der Techn. Hochschule in Stutt-
gart für das Studienjahr 1902/3 ernannt.
Der Strassen-Bauinsp. a. D. S ü s s in Künzelsau ist gestorben.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. E. F. in Deutsch-Lissa. Die in Ihrem Spionsaale auf-
tretende Feuchtigkeit und Schimmelbildung rührt unzweifelhaft von
dem Niederschlage her, welcher physikalisch unausbleiblich ist, wenn
die Saalluft von 20® R. und 90% Feuchtigkeitsgehalt mit den
kälteren Wand- und Deckenflächen in Berührung, kommt. Diesem
Uebelstande ist daher im vorliegenden Falle nur durch Bekleidung
der Wände und Decken mit wärmeschotzenden Stoffen gegen die
von aussen durchdringende Kälte gründüch abzuheifen. In welchem
Maasse dies bei dem bestehenden Gebäude zu erfolgen hat, würdq
am zweckmässigsten während des Betriebes im Winter durch eine
kleine Probebekleidung an Wand und Decke mit Asbest oder Kork-
platten von verschiedener Stärke und, wenn möghch, nach völliger
Austrocknung der nassen Tlieile zu ermitteln sein. Im übrigen darf
die Entlüftung des Raumes nur durch Oeffnungen unter bezw. an
der Decke und nicht am Fussboden erfolgen, da die senkrechten
Abluftrobre durch die abziehende feuchte Luft selbstverständlich
noch mehr durchnässt werden, als die weiter nach innen liegenden
Flächen der Umfassungsmauern. . Bei einem Neubau wäre diesen
Gesichtspunkten auch noch dadurch Rechnung zu tragen, dass die
Umfassungsmauern nach innen und aussen hin völlig wasserundurch-
lässig hergestellt werden, weil sie durch jede Wasseraufnahme, ob
von innen oder aussen, wesentlich schlechter wärmeschützend wer-
den. Ihr innerer Kern würde deshalb, wenn von besonderen wärnie-
isolirenden Schichten Abstand genommen werden soll, am besten
mit scharfgebrannten porösen Vollsteinen ausgeführt, welche sehr
gut isoliren und daher auch die geringste Mauerstärke gestatten.— A
F r a ge b e ant w o rt un g aus dem L e s er kr e[is e.
Hrn. H. & E. in H- Auf Ihre Anfrage in No. 46 die Mit-
theilung, dass ich die gedämpften Dachziegel nicht empfehle. Die
Farbe, zuerst schieferähnlich, lässt nach und das Ansehen einer
solchen Bedachung wird hässlich. Ausserdem will es scheinen, als
leide der Thon durch den Theer, die Ziegel werden spröde und mit
der Zeit zunderähnlich, so dass sie bei späteren Reparaturen leicht
durchgetreten werden. Mit einer kleinen Zulage bekommt man
schon glasirte (schieferähnliche) Ziegel. Hier durch Gilardoni in
Altkirch (Eisass), Ludovlci in Jokgrim (Pfalz).
Strassburg i. E. Albert Nadler, Architekt.
Inhalt: Getvölbte Brücken bei den Niagara-Fällen. — Die Auffindung
des Khalifenschlosses Amra in der nordarabischen Wüste. — Mittheilun-
gen aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbe'werbuogen. — Personal-Nach-
richten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitnng, G. m, b. H., Berlin. Für die Redaktion
veraatwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 53.
340
AUZEITUNG.
GANG. Hs Hs NSL’54. H:
DEN 5. JULI igo2. Hs
9? a: sr « sr sr « 3t Ä Ä
Nördlicher Friedhof. Vestibül vor der Halle der Trauerversammlungen.
Die neuen Münchener Friedhöfe.
Architekt: Städt. Baurath Hans Grässel in München. (Hierzu eine Bildbeilage und die AbbUdangen S. 344 u. 345.)
I. Allgemeines. (Schluss aus No. 46).
'ie Pläne zu dem neuen östlichen Friedhof
bei Giesing wurden im Jahre 1894 geneh-
migt, die zu dem neuen nördlichen Fried-
hof bei Schwabing im Jahre 1895, die zum
neuen westlichen Friedhof im Jahre 1897;
und inzwischen wurden auch die auf den Geländen
errichteten Baulichkeiten beim östlichen Friedhof im
Jahre 1898, beim neuen nördlichen im Jahre 1899
und ein Theil derselben auf dem westlichen Fried-
hof im Jahre 1900 in Benutzung genommen; die ge-
sammten Bauten des westlichen ^Friedhofes werden
im Herbste dieses Jahres der Benutzung übergeben.
Die Anlage des als Waldfrie]dhJof geplanten neuen
341
südlichen Friedhofes soll erst in den nächsten
Jahren erfolgen.
Die Grösse des nördlichen und des westlichen
Friedhofes war Anfangs zu nur 15 bezw. 10 in Aus-
sicht genommen. In den letzten Jahren zeigte sich
aber, dass für einen rationellen Betrieb und bei dem
fortwährenden Anwachsen der Grosstädte diese Flächen
zu klein gewählt waren und mindestens 25 — 35 gross
zu nehmen seien. Es wurde daher von nun ab auch
auf Erweiterungen Bedacht genommen und z. B. für
den Waldfriedhof sogleich eine Fläche von etwa 50^^
Grösse erworben.
Um die gesaramten Verhältnisse, darunter insbe-
sondere auch die Umbauung der Friedhöfe, vollkommen
beherrschen undErweiterungen ungehindert vornehmen
zu können, war angelegentlichst darauf Bedacht zu neh-
men, dass von vornherein auch die um den Friedhof
gelegenen Bauplätze in den Besitz der Gemeinde
kamen. Es empfahl sich das auch aus dem Grunde,
um die durch die Friedhof-Anlage erfolgende Werth-
steigerung des umliegenden Grund und Bodens der
Stadtgemeinde zugute kommen zu lassen und die für
den Friedhof aufzuwendenden Mittel möglichst wieder
aus dem Erlöse der Bauplätze zu ersetzen. Bei der
Mehrzahl der 4 neuen Münchener Friedhöfe wurde hier-
auf Bedacht genommen und glücklicherweise waren die
früher ausgeführten Baulichkeiten von vornherein nach
grösseren Gesichtspunkten entworfen, so dass dieselben
nicht auch erweitert zu werden brauchen, sondern den
vergrösserten Anforderungen ohne Weiteres genügen
— ein neuer Beweis dafür, dass man selten zu grossbaut.
Es liegt auch im Interesse der Stadt, auf die Art der
Bebauung der Umgebung der Friedhöfe durch bau-
liche Vorschriften Einfluss zu nehmen, was am leich-
testen geschehen kann, wenn die Stadt Besitzerin des
umgebenden Geländes ist. Um den um die Friedhöfe
gelegenen Häusern und ihren Bewohnern den Ein-
blick in die Friedhöfe zu entziehen, wurden diese
ausserhalb der Umfassungsmauern mit doppelreihigen
Baumalleen umzogen.
Die Grunderwerbüngs-Kosten betrugen beim öst-
lichen Friedhof für 34 rd. 515000 M.; beim nörd-
lichen für 22^^ 480000 M. und beim westlichen für
58 I 367 000 M.
Ueber die Anlage und die Austheilung der
Gräberfelder in den älteren Friedhöfen ist fol-
gendes zu bemerken: Bei sämmtlichen älterenFried-
höf en Münchens erfolgte die Austheilung des Friedhof-
Geländes in der Weise, dass zunächst längs der ganzen
Innenseite der umgrenzenden Friedhofmauer eine Grab-
reihe mit davor liegendem Wege, die sogen. „Mauer-
gräber“, angelegt wurden, deren Denkmäler unmittel-
bar an die Friedhofmauer angebaut bezw. über die-
selbe hinaus errichtet werden durften. Das verbliebene
übrige Gelände wurde sodann unter Anlage eines vom
Haupteingang zum Leichenhause führenden geraden
Weges in möglichst rechteckige Felder mit schach-
brettartiger Aneinanderreihung eingetheilt, deren Breite
zwischen 30 und 40*^ bei 50 — 60 “Länge betrug und
welche „Sektionen“ genannt wurden. Die Wege
zwischen den einzelnen Sektionen wurden meist 3,5
bis 4™ breit angelegt, in ihren Haupttheilen, und so-
weit es das nothwendige 'Anfahren schwerer Grab-
steine gestattete, mit Klinkerplatten gepflastert und in
Versitzgruben entwässert. An den einzelnenKreuzungs-
punkten wurden zum Begiessen der Pflanzen und zum
Spritzen der Wege im Sommer kleine Wasserbecken
angeordnet, Die Sektionen wurden in Gräberreihen
und jede Gräberreihe wieder in fortlaufend nummerirte
Einzelgräber eingetheilt, so dass ein Grabplatz z. B.
bezeichnet wurde mit: „Sektion i, Reihe III,
Nummer 7“, bezw. „Mauer rechts (links) No. 35“
bei den Mauergräbern. Die Abbildungen Seite 344
zeigen solche ältere Austheilungen vom südlichen
und vom östlichen Friedhof. Ein Grabplatz war in der
Regel I — 1,2“ breit und 2,4 — 2,5“ lang, so dass
zwischen den einzelnen Gräbern eine Erdwand von
30 — 40 cm Stärke stehen blieb. Oberirdisch durfte eine
Einfriedigung mittels Gitter nur in der Breite von
0,75 m und in der Länge von 1,75"' erfolgen, so dass
25 — 45 cm breite aufgekieste Steige für den Verkehr
zu den inneren Reihen der Gräber frei blieben. Der
Preis der Kaufgräber wurde gegen die Tiefe der
Sektionen zu billiger und es betrug derselbe für die
Gräber erster Reihe auf 25 Jahre 90 — 144 M., für die
Gräber ab 3. Reihe 36 M. Nur hie und da wurde ein
Hauptweg mit einer aus Laubbäumen bestehenden
Baumallee bepflanzt, und wenn nicht nach und nach
die Bäume von einzelnen Grabstätten hinzugekommen
wären, würde der Eindruck dieser Friedhöfe, selbst in
der Zeit der Belaubung der Bäume, ein sehr ungün-
stiger gewesen sein.
Die Anlage und Austheilung der Gräber-
felder in den neuen Friedhöfen geht von etwas
anderen Gesichtspunkten aus. Bei der Anlage dieser
neuen Friedhöfe Münchens wurde zunächst das
Friedhof -Gelände längs der Aussenseiten der Mauern,
wie schon erwähnt, mit Doppelalleen umzogen und
die Einfriedigungs-Mauern selbst durch in regelmässi-
gen Abständen wiederkehrende Aufbauten von Mauer-
grüften des einförmigen Eindruckes möglichst ent-
kleidet. Die auch im baulichen Unterhalt sehr ver-
schiedenen und die Mauer schädigenden beliebigen
An- und Aufbauten von Grabdenkmälern über Mauer-
gräbern wurden nicht mehr zugelassen, sondern auf
der Innenseite der Mauer längs derselben eine Hecken-
pflanzung hergestellt, und erst vor dieser die . Mauer-
gräber mit freistehenden Denkmälern angelegt. Bei
Zur Angelegenheit des Heidelberger Schlosses.
uf eine an den Grossherzog Friedrich von Baden im
Dezember des vergangenen Jahres durch ehemalige
Studirende der Universität Heidelberg gerichtete
Adresse, in welcher um die Erhaltung der Heidelberger
Schlossruine in ihrem gegenwärtigen Zustande gebeten
wurde, ertheille das Grossh. Geheime Kabinet im Aufträge
des Grossherzogs unter dem 30. Mai 1902 die Antwort,
„dass zu einer Beunruhigung über das Schicksal des
Heidelberger Schlosses, wie solche mannigfach obwaltet“,
kein Grund vorhanden sei. Der Grossherzog sei, ebenso
wie seine verantwortlichen Berather', der Ueberzeugung,
dass es die Aufgabe der badischen Regierung sei, „die
Heidelberger Schlossruine, soweit es irgend thunlich ist,
in dem Zustande der äusseren Erscheinung, wie ihn die
letzten Jahrhunderte überliefert haben, der Nachwelt zu
überlassen.
Der Streit der Meinungen betrifft hauptsächlich den
Otto Heinrichsbau, dessen Umfassungsmauern infolge der
Witterungseinflüsse sich leider in einem schon weit vor-
geschrittenen Zustande der Zerstörung befinden. Die
Frage ist hier die, ob und in welcher "Weise bei diesem
herrlichen Bauwerke die Erhaltungspflicht erfüllt werden
kann. Die maassgebenden Faktoren stehen auf dem Stand-
punkte, dass in erster Linie und mit allen annehmbaren
Mitteln der Technik -die Erhaltung des Baues in seiner
heutigen äusseren Gestalt erstrebt werden muss; erst dann,
wenn es sich als unmöglich erweisen würde, diesen Zweck
zu erreichen, müsste an die Frage der Ueberdachung des
Gebäudes und der Befestigung desselben von innen her-
aus herangetreten werden, weil dieser Ausweg, so uner-
wünscht er an sich wäre, dem sonst zu erwartenden Ein-
sturz der Umfassungsmauern vorgezogen werden müsste.
Auf diesen Grundlagen bewegen sich die von der
Grossh. Regierung angeordneten und zurzeit im Gange
befindlichen technischen Untersuchungen und Berathungen.
Seine Königliche Hoheit der Grossherzog selbst verfolgen
diese Arbeiten mit voller Theilnahme und mit dem Vor-
behalt eigener Entscheidung aller wichtigeren Fragen.“ —
Diese Antwort entspricht durchaus den thatsächlichen
Verhältnissen. Auch diejenigen, welche sich angesichts
des früheren Zaubers der Ruine nur schweren Herzens
für die Schaf er’schen Pläne im Allgemeinen aussprachen,
thaten dies in der Ueberzeugung, dass, wie es auch vor der
Agitation eine Reihe von hervorragenden technischen Beur-
theilern ausgesprochen hatten, eine Erhaltung derUeberreste
auf anderem, die künstlerische Erscheinung nicht beeinträch-
tigenden Wege nicht möglich sei. Ob, wenn im weiteren
Verlaufe der sehr eingehenden und sorgfältigen Unter-
suchungen, welche die Grossh. Regierung neuerdings un-
geordnet hat, die Nothwendigkeit der Bedachung des Otto
HeiuT'ichsbaues und seiner Befestigung von innen heraus
als nicht zu umgehender Ausweg erkannt werden sollte,
No. 54.
342
der Austheilung der Friedhoffläche war sodann m erster
Linie das Bestreben , 'maassgebend, mehr als bisher
für Anpflanzung zu sorgen, um im Laufe der Jahre
möglichst einen parkartigen Eindruck hervorzurufen.
Sämmtliche Hauptwege wurden daher mit Baumalleen
bepflanzt, längs derselben nur grosse Familien-Begräb-
nisse (von 7 '4“ Grösse) angeordnet, in der Mitte jeder
Gräber-Sektion ein Platz für Baumgruppen-Pflanzung,
sowie Plätze für Erbbegräbnisse, für Teppichgärtnerei
usw. freigehalten, und statt der bisher schmucklosen
Wasserbecken wurden Springbrunnen in künstlerischer
Form hergestellt. FlächeninbevorzugterLage wurden bei
grosszügiger architektonischer Anlage für Ehrenbegräb-
nissevorbehalten (Abb.S.345).BeiderainMünchenbeste-
henden Gebrauch, jedes der zahlreichen Familiengräber
mit einem Denkstein zu versehen (es werden sogar bis
zur Errichtung eines Denkmales Tafeln mit dem ent-
schuldigenden Vermerk „bis zur Errichtung eines Mo-
numentes“ aufgestellt) und bei der vorher beschriebe-
nen Austheilung der Gräbersektionen in mehreren
Reihen hintereinander, mit zahlreichen Kiesflächen
dazwischen, ist jedoch die Häufung des Steinwerkes
und der Fläche der Kieswege so gross, dass wenn
überhaupt, so nur mit Inanspruchnahme ziemlich
grosser Flächen für allgemeineAnpflanzungen ein park-
artiger Charakter erzielt werden kann, was natürlich
im Interesse sparsamer Gelände-Verwendung nur bis
zu einem gewissen Grade möglich ist.
Hierdurch sowie durch den raschen Aufbrauch
des Friedhof-Geländes kam man bald dazu, die Aus-
theilung der Gräber in anderer Weise, als bisher üb-
lich, vorzunehmen. Zunächst wurden 1901 die soge-
nannten „Reihengräber“ eingeführt für alleLeichen,
welche nicht in einem gekauften Familiengrab beerdigt
werden. Diese Reihengräber unterscheiden sich von
den übrigen Gräbern dadurch, dass bei ihnen nicht
mehr für jeden einzelnen Sarg ein einzelnes Grab für
sich ausgehoben wird und zwischen jedem Grab eine
Erdwand von 30 — 40 Stärke stehen bleibt, sondern
dass fortlaufende Beerdigungsgräben hergestellt und
die_ Särge in Reihen mit nur kleinen Zwischenräumen
zwischen denselben beigesetzt werden. Oberirdisch
werden diese Gräber als durchgehendeRasenflächen an-
gebaut und mit Blumen geschmückt; es dürfen auf ihnen
nur kleine Grabkreuze und Denksteine ohne Fundament
eingesetzt werden (Abb. S. 344). Hinter den am Wege
gelegenen Reihen werden niedrige Hecken gepflanzt
und in der Mitte des ebenfalls in Reihen abgetheilten
innerenTheiles der Sektion wird meist eineBaumgruppe
mit Sitzplätzen gebildet. Diese Reihengräber-Sektionen
sind demnach frei von den vielen dicht aneinander-
stehenden Steindenkmälern, und die Kiesflächen der
Steige ziehen sich nur zwischen den Doppelreihen
hin, sind also auf das geringste Maass beschränkt.
Der Eindruck solcher Friedhof-Abtheile ist der von
blühenden freundlichen Blumenbeeten.
Auch für die Kaufgräber (Familiengräber)
wurde die Austheilung in Doppelreihen anstatt der
5— öfachen Reihen gewählt, durch welche die früher
auch in der Tiefe der Einzelgräher zu denselben be-
stehenden Steige beseitigt wurden und das Ansäen
mit Grassamen sich ermöglichte, um auch hier mög-
lichst viel grüne Flächen zu erhalten (Abb. S. 344 u. 345) .
Im Sommer bilden nun die derart hergestellten
Friedhoftheile zugleich mitdem ausserordentlich reichen
Blumenschmuck der von der Münchener Bevölkerung
grösstentheils mit seltener Pietät gepflegten Grab-
stätten, belebt von den plätschernden Springbrunnen,
einen sehr angenehmen Eindruck. Diese Wirkung
der Münchener Begräbnisstätten beschränkt sich aber
nur auf die Zeit der Baumbelaubung, da alle Nadel-
bäume, welche den stimmungsvollen winterlichen
Schmuck der Begräbnisstätte bilden würden, in näch-
ster Umgebung von München auch in Humusgräben
durchaus nicht mehr gedeihen. Die Gärtner behaup-
ten, die Ursache sei der hohe Schwefelgehalt der in
München viel verwendeten oberbayerischen Kohle.
Mit dem Fallen des Laubes werden daher die fast
lediglich mit Laubbäumen geschmückten Friedhöfe in
München einförmig und leer, die ständige Zierde, der
tiefernste Eindruck, welchen Nadelbäume bieten, ist
ihnen versagt. Der vierte der neuen Friedhöfe ist
daher in einem Nadelholzwald in Aussicht genommen
und hoffentlich kann dieser infolge der grösseren Ent-
fernung von der Stadt, infolge des vorhandenen Wald-
bodens und durch die grosse Ausdehnung des Ge-
ländes als Wald-Friedhof erhalten bleiben.
Mehr noch aber als durch ihre landschaftliche
Schönheit sind die neuen Friedhöfe Münchens be-
merkenswerth und — wir fürchten mit dieser Behaup-
tung nicht einem Widerspruch zu begegnen — einzig
dastehend durch ihre hygienischen Einrichtungen
und durch die künstlerische Haltung ihrer Friedhof-
bauten und sonstigen architektonischen Anlagen. —
(Fortsetzung folgt.}
Vom IX. internationalen Schiffahrts-Kongress in Düsseldorf.
Dm 29. Juni wurde der IX. internationale Schiffahrts- einige kurze Begrüssungsworte durch den I. Präsidenten
kongress, der bis einschl. den 4. Juli in Düsseldorf des Kongresses, Hrn. Ministerialdir. Schultz-Berlin, der
tagt, eingeleitet durch einen Begrüssungsabend in der die rasche Folge dieses Kongresses auf denjenigen in
Tonhalle, zu welchem die Kongressleitung eingeladen hatte. Paris (statt der üblichen 3 nur 2 Jahre Zwischenraum) be-
Die offiziellen Reden des Abends beschränkten sich auf gründete durch die Düsseldorfer Ausstellung, deren hohe
der Ausbau der Ruine nicht vielleicht auch in anderen
Formen, als sie Schäfer zunächst angenommen hat, er-
folgen könnte oder müsste, das ist eine Frage für sich,
die weiteren kunstgeschichtlichen Studien unterworfen ist.
Wir setzen das Vertrauen in den ausgezeichneten Meister
deutscher Baukunst, dass er sich dem begründeten Er-
gebnisse dieser Studien nicht verschliessen wird.
Als werthvolle Beiträge sind hierzu zwei umfangreiche
Studien zu erwähnen, die kürzlich erschienen sind und
als „Beiträge zur Klärung schwebender Fragen“ hier eine
Erwähnung finden müssen. Die eine Studie ist eine Arbeit
des Architekten und Professors Bernhard Kossmann in
Karlsruhe und betrifft „Die Bedachung am Heidel-
berger Otto Heinrichsbau vor 1689“.*) Kossmann
hat sich hier die Aufgabe gestellt, angesichts der viel-
seitigen, verwirrenden und zumtheil recht unerquicklichen
Erörterungen über diese wichtige Frage „gar nichts als
bewiesen anzusehen ausser den allgemein geschichtlichen
Thatsachen und alles Spezielle, soweit es in eines Menschen
Kraft steht, selbst zu untersuchen.“ Der Verfasser ver-
sichert uns, mit völliger Unbefangenheit an seine Arbeit
gegangen zu sein und die Ergebnisse, die er gewonnen,
nicht unter dem Einflüsse einer Tendenz, sondern ein-
fach im Dienste der Wahrheit erzielt zu haben. Es lag
*) Mit 15 Abbildungen. Karlsruhe 1902. Üriick und Verlag der G.
Braun'scheu Hofbuchdruckerei.
5. Juli 1902.
für den Verfasser die Versuchung vor, wie Seitz, Schäfer
und Haupt die alten Giebel im Einzelnen nachzubilden;
er hat jedoch im Interesse der Sache dieser Versuchung
widerstanden und nur die Hauptform der Dächer und
Giebel des Otto Heinrichsbaues klar za legen sich be-
müht. Die Untersuchungen hatten folgendes Ergebniss:
I. . Kurfürst Otto Heinrich hat keine Giebel, sondern
einen horizontalen Abschluss beabsichtigt. Letzterer ist,
mindestens zumtheil, ausgeführt worden.
II. Die sog. Merian’schen Giebel, bezw. die beiden
grossen Quer-Giebeldächer, waren thatsächlich vorhanden ;
sie sind eine spätere Zuthat von zweifelhaftem künstle-
rischen Werth gewesen.
III. Diese Giebel wurden vor Beginn des dreissig-
jährigen Krieges auf Geheiss des Kurfürsten Friedrich V.
durch ein Längsdach mit Zwerchgiebeln ersetzt. —
Der Verfasser zieht aus seinen Ergebnissen den Schluss,
dass wenn die technischen Prüfungen des Baubestandes,
wie sie von der Regierung eingeleitet wurden, zu einer
Ueberdachung des Otto Heinrichsbaues zwingen sollten
und dann — wie allgemein angenommen werde — das
Historische als Richtschnur diene, oberstes Ziel sein müsse,
zu ergründen, was Otto Heinrich beabsichtigt habe. Die
beiden mächtigen Querdächer mit ihren Giebeln ferner
erklärt der Verfasser für eine Wiederherstellung als nicht-
empfehlenswerth. Vom rein historischen Standpunkte aus
(Fortsetzung auf S. 346.) -
343
Bedeutung , auch
für das Arbeitsge-
biet des Kongres-
ses, den Zeitpunkt
und die Wahl des
Ortes wohl recht-
fertigten. Darauf
folgte ein kur2er
Dank eines Vertre-
ters der ausländi-
schen Gäste.
Die Eröffnung
desKongressesfand
am 30. Juni im Kai-
sersaale der städti-
schen Tonhalle in
Gegenwart des
Kronprinzen, des
Protektors des Kon-
gresses, statt. An-
wesend waren un-
ter Anderen der
Staatssekretär des
Reichsamtes des
Inneren, Graf Po-
sadowsky, der
Handels - Minister
Möller, der neue
Minister der öffentl.
Arbeiten Budde,
der Ober - Bürger-
meister der Stadt
Düsseldorf Marx
und zahlreicheVer-
treter in- und aus-
ländischer Regie-
rungen. Von aus-
wärtigen Staaten
waren vertreten
Argentinien, Bel-
gien, Chile, Chi-
na, der Congo-
S taat,Dänemark,
Frankreich, Gr.-
Britannien, Ita-
lien, Japan, Mo-
naco, die Nieder-
lande, Norwe-
gen, Österreich,
Paraguay,Rumä-
nien, Russland,
Schweiz, Sch We-
den, Spanien,
Türkei, Ungarn
und die Vereinig-
ten Staaten von
Nord - Amerika,
ausserdem haben
die Europäische
Donau-Kommis-
sion und zahlrei-
che Körperschaften
Vertreter entsandt.
Ministerial - Dir.
Schultz leitete den
Kongress mit einer
Ansprache ein, in
welcher er zunächst
einen kurzen Rück-
blick auf die frühe-
ren Kongresse gab,
von denen bereits
einer, d er in F r a n k-
furt a. M., auf deut-
schem Boden statt-
gefunden hat, und
sodann auf die Ent-
wicklung des Was-
serbaues inDeutsch-
land seit dem letz-
ten Kongresse ein-
ging. Er veizeich-
nete an erster Stelle
den Abschluss der
werthvollen Arbei-
ten des Hochwas-
ser - Ausschusses,
dessen technisches
Bureau jetzt umge-
5. Juli 1902.
345
wandelt ist in die preussische „Landesanstalt für Gewässer-
kunde“, welche berufen ist, auf der gewonnenen wissen-
schaftlichen Grundlage mit den älteren Anstalten gleicher
Art in Deutschland, sowie mit dem Bureau für Hauptnivelle-
ments, der Zentralstelle für Wasserversorgung und Ab-
wässerbeseitigung, dem Institut für Meereskunde und der
in Ausführung begriffenen hydrologischen Versuchsanstalt
weiter zu arbeiten. Von weiteren wasserbauiichen Aus-
führungen wurden die Pläne für die Regulirung des Ober-
rheins durch Bayern, Baden und den Eisass, die Fort-
setzung der Mainkanalisirung durch Hessen und Bayern, die
Thätigkeit der Hansastädte — Elbe-Trave-Kanal, Korrektion
der Unterweser, Vergrösserung der Bremer Hafenanlagen,
Vertiefung des Fahrwassers der Unterelbe — besonders
hervorgehoben, dann dieThäiigkeit des preussischen Staates
für die planmässige Regulirung der schiffbaren Flüsse, die
Fertigstellung des Königsberger Seekanals, die Vertiefung
der Ünterems nebst Ausbau des Eradener Aussenhafens,
die Beleuchtung der Meeresküste, der Ausbau der staat-
lichen Seehäfen und der Plan für die Erweiterung des
grössten europäischen Binnenhafens von Ruhrort erwähnt.
Besonderes Interesse erregte derjenige Theil der Aus-
führungen, welcher sich auf die wasserwirthschaftliche
Vorlage bezog und aus welchem die Hoffnung sprach, die-
selbe bei der nächsten Wiedervoriage doch durchzubringen.
Mit einem Hoch auf den Deutschen Kaiser, auf dessen
zähem Festhalten an den einmal für richtig erkannten
Plänen namentlich die Aussicht auf ihre Verwirklichung
beruhe, und auf die Oberhäupter aller auf dem Kongresse
vertretenen Staaten schloss der Redner seine mit Beifall
aufgenommenen Worte.
Es folgte eine kurze Ansprache des 2. Vorsitzenden
des Kongresses, Oberbaudirektor S)r. iiig. Franzius-
Bremen, der dem Kronprinzen den Dank des Kongresses
für die Uebernahme des Protektorates aussprach und einen
Rückblick gab auf die früheren Kongresse, ihre Bedeutung
und die seitdem eingetretenen ungeheuren Veränderungen
in den Ansprüchen der Schiffahrt an die Grösse und den
Tiefgang der Fahrzeuge und dementsprechend an die
Wasserstrassen, Häfen und deren Einrichtungen; denn wo
vor 30 Jahren noch ein Binnenschiff 100— 200t trug, ver-
langt'man jetzt 1000 1, während beim Seeschiff die Trag-
fähigkeit von 1000 auf 20 000 1 gestiegen ist. Im Deutschen
Kaiser haben wir den mächtigsten Förderer der modernen
Verkehi’sideen und die Uebernahme des Protektorates
durch den Kronprinzen sei ein Zeichen, dass auch dieser
sein Interesse diesen Aufgaben zuwenden werde. Er bitte
letzteren nun, den Kongress eröffnen zu wollen. Nach
einem Hoch auf den Kronprinzen vollzog dieser die Er-
öffnung in kurzen schlichten Worten.
Es folgte nun die lange Reihe der Ansprachen der
Vertreter der Regierungen und Körperschaften. An erster
Stelle nahm Graf Posadowsky das Wort als Vertreter der
Reichsregierung, ihm folgte der neue preuss. Minister der
öffentl. Arbeiten Budde, der, vom Bilde des Rheins aus-
gehend, dessen Ufer die Strasse und die Eisenbahn folgen,
wobei alle 3 in friedlichem Wettstreit ihrer Verkehrsaufgabe
zu genügen suchen, auf die Nothwendigkeit hinwies, unsere
Wasserstrassen auszubauen, die unerlässlich seien zur Ent-
lastung unserer Eisenbahnen. Ob.-Bürgermstr. Marx rief
der Versammlung ein Willkommen namens der Stadt
Düsseldorf zu, Geh. Kommerz.-Rth. Lueg, Düsseldorf,
sprach als Vertreter der Ausstellung, Kommerz.-Rth. M ö h l a u
als Vertreter der rheinisch-westfälischen Handelskammer,
der Reichstags-Abgeordnete Dr. Beumer im Namen des
„Vereins zur Wahrung der wirthschaftlichen Interessen in
Rheinland und Westfalen“, und hob insbesondere die Ver-
dienste des Geh. Brth. Sympher für die treffliche Durch-
arbeitung der wasserwirthschaftlichen Vorlage hervor. Es
schlossen sich daran die Vertreter der fremden Staaten, von
denen der belgische und der niederländische Vertreter
deutsch sprachen, während sich die anderen mit Ausnahme
der englischen der französischen Sprache bedienten. Mit
einem Hoch auf den Protektor des Kongresses schloss die
erste Plenarsitzung. Am Nachmittage fanden Besichtigungen
des Hafens, sowie eines Theiles der Ausstellung statt. Am
Abend waren die Kongress-Mitglieder Gäste des „Zentral-
Vereins zurHebung der Binnenschiffahrt“ in der Ausstellung.
Wie schon frühere ist auch dieser Kongress begleitet
von einer Ausstellung von Plänen wasserbaulicher Natur,
unter denen sich mancher interessante neue Plan findet. Wir
behalten uns ein kurzes Eingehen darauf vor. — Fr. E.
Der Simplon -Tunnel, mit Rückblicken auf die Baugeschichte der älteren Alpen-Tunnel. (Fortsetzung.)
2. Der' Gotthard-Tunnel.
nie Baugeschichte des Gotthard-Tunnels ist durch die
über ihn erschienene Litteratur so sehr zu allge-
meiner Kenntniss gelangt, dass es genügen wird,
hier nur diejenigen Momente hervorzuheben, welche be-
sonders fördernd oder verzögernd auf den Fortgang der
Arbeiten eingewirkt haben.
Der Gotthardtunnel verbindet das Thal der Reuss bet
Göschenen im Norden mit dem Thal des Tessin bei Airolo
im Süden. Er durchbricht das sogenannte Gotthardmassiv und
unterfährt die an dessen Nordabhang belegene Ebene von
Andermatt. Die ganze Länge des Tunnels beträgt 14912,4“.
Das Nordportal liegt auf der Seehöhe von 1109 “. Der
Tunnel steigt von hier aus mit 5,82 oder i : 172 auf
7822 “Länge, womit die Scheitelhöhe mit 1154,52 erreicht
könne eine Berechtigung zu ihrer Neuherstellung sich
nur dann ergeben, wenn wir die Gründe, welche Fried-
rich V. zu ihrer Entfernung und Nicht-Wiederauf-
richtung bewogen haben, kennen lernten und dieselben
als für unsere Zeit nicht bindend betrachten müssten. Für
eine Ueberdachung des Otto Heinrichsbaues könne nur
ein Walmdach inbetracht kommen. Hierbei sei, solange
über das, was Otto Heinrich beabsichtigt habe, keine
Klarheit herrsche, entweder — unter Verzicht auf Balustrade
oder dergl. — ein einfacher Horizontalabschluss zu wählen
oder es seien die beiden Zwerchgiebel mit den drei
Löwen auszuführen, die unter III. der Ergebnisse nach
dem Stiche von Kraus genannt sind. —
So weit Kossmann, dem wir hier nicht in das Ein-
zelne seiner interessanten Untersuchungen folgen können.
Beschränkt sich dieser auf die Giebellösung des Otto
Heinrichsbäues, so fasst Albrecht Haupt in Hannover
seine Untersuchungen über das Heidelberger Schloss etwas
weiler.^J In einer reich illustrirten prächtigen kleinen
Schrift von 6 Bogen gr. 8° mit 42 Abbildungen bietet er
uns über das Heidelberger Schloss die Ergebnisse einer
zwanzigjährigen gewissenhaften Stilvergleichung unter Be-
rücksichtigung der vorhandenen Dokumente und beab-
sichtigt, damit den Beweis zu führen, „dass die heute auf-
gestellteri und der demnächstigen Herstellung zur Grund-
*) Zur Baugeschichte des Heidelberger Schlosses. Neue Forschungs-
Ergebnisse über die Heidelberger Renaissancebauten. Von Albrecht H aup t,
Dr. phü., Professor, Architekt zu Hannover. Frankfurt a. M. igo2. Verlag
von Heinrich Keller. Preis 5 M, —
wird, die dann in einer Wagrechten von 319 “ Länge
beibehalten wird. Gegen die Südseite fällt der Tunnel
zunächst mit 1:2000 auf 2273“ Länge, dann mit 1:500
auf 3794 “ und endüch mit i : 1000 auf 705,4 “. Das Süd-
portal liegt auf 1145,10“ Meereshöhe, also 36,10“ höher
als das nördliche. Das wechselnde* Gefälle auf der Süd-
seite ist wohl durch die Rücksichtnahme auf die Abführung
der dort angetroffenen bedeutenden Wasserzuflüsse ge-
boten gewesen (s. Abbüdg. 3). Die höchste Erhebung des
Gebirges über der Tunnelsohle beträgt 1707,68“, also
96,85 “ mehr als beim Mont Cenis-Tunnel.
Man sieht aus diesen Angaben, wie die am Mont Cenis
erzielten Ergebnisse hier schon dazu ermuthigt haben, die
Scheitelhöhe des Tunnels um rd. 180“ tiefer zu legen,
trotz des Nachtheiles einer um 2679 “ grösseren Länge
und einer um 96,85 “ grösseren Ueberlagerungshöhe.
läge bestimmten Plane der heute erkennbaren Wahrheit
noch nicht entsprechen, dass vielmehr, sollten diese Ab-
sichten Wirklichkeit werden müssen, es zu fordern ist,
dass solche Pläne auf einer unendlich viel zuverlässigeren
und auf ganz anderen Vorstudien beruhenden Grundlage
aufgebaut werden müssen“. Der Verfasser findet gewiss
allseitige Zustimmung, wenn er vor Uebereilung warnt
und meint, mit Ruhe, Studium und Ueberlegung werde
gerade hier nichts verloren. „Eine entscheidende Auf-
klärung der noch dunkelen Punkte in absehbarer Zeit
kann bei der fortlaufenden Ameisenarbeit unserer Histo-
riker nicht ausbleiben und würde übereiltes Handeln als
herostratisches Thun der Nachwelt preisgeben. Darum
trage ein Jeder, der es kann, sein Sternchen getreulich
herbei, zunächst zum geistigen Wiederaufbau des Werkes;
nehme aber auch die ausschlaggebende, folglich die Ver-
antwortung tragende Behörde alle diese Scherflein gerne
an, betrachte sie nicht als Hindernisse, die Böswilligkeit
ihrem löblichen Wollen in den Weg legen will. Aus all’
dem Kleinen, aus jeder richtigen und scharfsinnigen neuen
Kombination oder Folgerung, aus jeder neuen Beobach-
tung oder Verwerthung älterer Feststellungen baut sich
zuletzt, wenn auch in Mosaik, ein Bild auf, welches der
Wahrheit und den Thatsachen so nahe als möglich kommt.
Und ist das erreicht, dann wird die Verwirklichung der
darauf begründeten neuen Absicht nicht mehr eine Ver-
fälschung der Geschichte des Baues bedeuten können.“ —
(Schluss folgt.)
346
No. 54,
Wahl und der späteren Verbesserung der zu verwenden-
den Gesteinsbohrmaschinen beschäftigt. Man ist dabei
von dem am Mont Cenis erprobten System der durch
komprimirte Luft getriebenen Percussionsmaschine nicht
abgegangen, hat dasselbe aber in fast allen damals be-
kannten oder während des Baues noch neu entstandenen
Formen verwendet. Nachdem sich die zuerst von Seraing
in Belgien bezogene, für den regelmässigen Bohrbetrieb
ausschliesslich benutzte Maschine von Dubois-Fran9ois
für das sehr harte Gestein des St. Gotthard als zu schwach
und da ihr der selbstthätige Vorschub des Bohrzylinders
fehlte, als schwierig im Betriebe erwiesen hatte, wurde
die vom Werkstättenvorsteher Ing. F e rr o ux in Göschenen
verbesserte Maschine vom Juni 1874 Nordseite
fast ausschliesslich benutzt. Nach mehrfachen Abände-
rungen erreichte diese Maschine bei dem Maximalhub
und bei 5 Atm. Luftspannung eine Geschwindigkeit von
495 Schlägen in i Minute. In Airolo wurde die Dubois-
Francois-Maschine zunächst durch die Mac-Kean-Ma-
schine ersetzt, die dann von dem dortigen Werkstätten-
vorsteher, Ing. Seguin, derart abgeändert wurde, dass
das Gewicht etwas vermindert, die nutzbaren Kolben-
fläcben aber vergrössert und dadurch die Zahl der Schläge
in I Minute bei Maximalhub und 5 Atm. absoluter Luft-
spannung von 387 auf 408 gesteigert wurde. Von 1877 an war
diese Maschine auf der Südseite fast allein im Gebrauch.
Aus dem Bau Vorgang ist folgendes hervorzuheben:
das lichte Profil des Tunnels hatte einen Querschnitt von
45,1 q™, wozu für die Ausmauerung noch rd. 11,5 qf" hin-
zukaraen. Der Richtstollen des Tunnels wurde bekannt-
lich als Firststollen und der Vollausbruch nach belgischem
System betrieben. Der Versuch, einen langen Tunnel
mit Firststollen zu betreiben, ist seitdem an keiner Stelle
wiederholt worden und die Erfahrungen am Gotthard
haben gezeigt, dass jedenfalls der Fortschritt der Voll-
ausbruchsarbeiten nachtheilig durch das belgische Bau-
system beeinflusst wird. Auf den Vortrieb des Richt-
stollens wird das System ebenfalls kaum fördernd ein-
gewirkl haben, wenn auch das kleinere Profil desselben für
den Stollenvortrieb an sich vortheilhaft gewesen sein mag.
Die Arbeiten vor . Ort waren am Gotthard wie folgt
geordnet: der Bohrwagen und die Förderwagen, letztere
Seitenkipper mit einem Fassungsraum von i bis 1,5 cbm^
liefen auf einem Gleis von i“ Spur. Neben diesem war
auf eine Länge von rd. 70 vom Ort eine kleine Bahn
von 0,31“ Spur gelegt. Nach dem Bohren, bei welchem
je nach Beschaffenheit des Gebirges 17 bis 35 Löcher mit
einer mittleren Tiefe von 1™ bis 1,30“, im Durchschnitt
von 1,18“, hergestellt wurden, schob man den Bohrwagen
etwa 200 m vom Ort zurück. Die Ladung der Löcher
betrug etwa i Dynamit für das Loch. Das Abschiessen
erfolgte in drei Gruppen, wobei zunächst in der Mitte ein
Einbruch hergestellt, dann die oberen und schliesslich die
unteren Löcher abgeschossen wurden.
Das Schuttern erfolgte an der Nordseite unmittelbar
in die Tunnelwagen, die an dem auf ein Nebengleis ge-
schobenen Bohrwagen vorbei bis dicht vor Ort geschoben
wurden. An der Südseite liess man den Bohrwagen auf
dem Hauptgleise etwa 20 bis 35“ vom Ort entfernt stehen
und schob denselben gleich nach dem Abschiessen wieder
möglichst weit vor Ort, während die Transportwagen hinter
ihm stehen blieben. Das Material wurde dann vor Ort
in kleine Körbe geladen, von denen je 16 auf leichten
eisernen Wägelchen Platz fanden, die ihrerseits mittels
eines Seiles von den rückwärts stehenden Arbeitern auf
dem kleinen Gleis bis an die Förderwagen gezogen wurden.
Der wieder vor Ort gezogene kleine Wagen wurde dort
aus dem Gleis geworfen, um dem inzwischen beladenen
Platz zu machen. Das Füllen der Körbe geschah mittels
Hauen. Nach den veröffentlichten Ergebnissen hat sich
aber das Verfahren auf der Nordseite besser bewährt,
denn die durchschnittliche Schutterzeit für i Stollen hat
dort einschl. Laden und Schiessen 3 St. 26 Min., auf der
Südseite dagegen 3 St. 59 Min. betragen. Die beladenen
Rollwagen wurden von- den Arbeitern bis in die etwa 100
bis 200“ rückwärts liegende Weiche geschoben und von
dort durch Pferde bis zu der Rampe, welche die Sohle des
Firststollens mit der Sohle des Tunnels verband, gezogen,
dort mittels einer Bremse hinuntergelassen und am Fuss
der Rampe, mit den übrigen Wagen zu Zügen vereinigt,
durch eine Luftlokomotive aus dem Tunnel geschafft.
Erwähnt muss noch werden, dass die Lüftung ledig-
lich durch die in den Tunnel geführte Pressluft zum Be-
trieb der Bohrmaschinen und der Luftlokomotiven bewirkt
wurde. Diese Lüftung hat nicht ausgereicht, um eine ge-
nügende Lufterneuerung für die grosse Zahl der im
Tunnel beschäftigten Arbeiter herbeizuführen. Die vielen
Klagen, welche hierüber laut, wurden, bildeten gegen das
Ende des Baues ein ständiges Kapitel in allen Berichten
348
über den Gotthard-Tunnel. Aus den mir zur Verfügung
stehenden Zahlen ergiebt sich, dass in den Jahren 1877
und 1878 durchschnittlich innerhalb 24 Stunden in Gosche-
nen 118527 in Airolo 171 245 cbm Luft verbraucht
worden sind. Es ergiebt dies für Göschenen 1,37 cbm tmd
für Airolo 1,98 ‘=bm in der Sekunde. Diese Mengen sollen
bis zum Durchschlag noch bis zu durchschnittlich 3 cbm
für I Sek. gesteigert worden sein. Wenn dieselben auch
dem Athmuugsbedürfniss der Arbeiter vielleicht gerade
genügt haben, so waren sie gewiss unzureichend für eine
hinreichende Abkühlung der Luft im Tunnel, deren Tem-
peratur bis zum Durchschlag eine mittlere Höhe von
31,25'^ C. in Göschenen und 31 '^C. in Airolo erreicht hat.
Endlich muss noch erw^nt werden, dass namentlich
in Airolo die Wasserzuflüsse ganz erheblich verzögernd
auf den Fortschritt des Richtstollens eingewirkt haben.
Während auf der Nordseite die Wasserzuflüsse 33 1 für
I Sek. nicht überschritten haben, betrugen dieselben auf
der Südseite im März 1873 75I, steigerten sich aber von
1874 bis 1877 auf durchschnittlich 233 ^ in i Sek. Der
stärkste Zufluss fand im Jahre 1875 mit 348 ^ statt.
Wie sich unter der Einwirkung der vorgeschilderten
Verhältnisse der Fortschritt des Richtstollens am Gotthard-
Tunnel gestaltet hat, ergiebt sich aus dem in Fig. 3 dar-
gestellten Fortschrittsprofil. Die in das Profil eingezeich-
nete Linie bezeichnet den vom Unternehmer Favre
laut Nachtrags -Vertrag vom 21./25. Sept. 1875 garantirten
Fortschritt des Richtstollens, wonach der Durchschlag am
31. Dez. 1879 und die Fertigstellung des ganzen Tunnels
am I. Okt. 1880 erfolgen sollte. Thatsächlich ist der
Durchschlag am 29. Febr. 1880, die Fertigstellung des
Tunnels Ende 1881 erfolgt, so dass für den Richtstollen
eine Verspätung von 2 Monaten, für die übrigen Arbeiten
eine solche von 15 Monaten eingetreten ist. Bei dem Vor-
trieb des Richtstollens ist auf der Nordseite nach Programm
gearbeitet worden, auf der Südseite aber hat die Ver-
zögerung, welche das Anfahren von zersetztem Gneis Ende
1877 herbeiführte, nicht wieder eingeholt werden können.
Sehen wir uns, die Gesammtergebnisse an, so finden
wir, dass die 14912,4“ Richtstollen in 2725 Tagen her-
gestellt sind, was einer Durchschnittsleistung von 5,47 “
für den Tag an beiden Orten, oder 2,73 “ an jedem Ort
entspricht. Mit Maschinenbohrung sind aufgefahren:
Nordseite: 7457,5“ in 2525 Tagen = 3,03“ für den Tag,
Südseite: 6948,5“ in 2434 „ = 2,86“ „ „ „
zus.; 14606,0“ in 4959 Tagen = 2,95“ „ „ „
gegen i,6o“ Durchschnittsleistung am Mont Cenis-Tunnel.
Wie zu diesem Ergebniss die Verbesserung der Bohr-
maschinen beigetragen hat, ergiebt sich daraus, dass am
Mont Cenis-Tunnel 1862 beim Beginn der Maschinenbohrung
in Bardonneche für i“ Stollen 3,12 Bohrmaschinen ver-
braucht wurden, während am Gotthard 1873 auf der Nord-
seite 2,09 Maschinen und im Durchschnitt der ganzen
Arbeit nur 0,5 Maschinen verbraucht wurden.
Die Zahl der für i “ Stollen verbrauchten Bohrer
betrug am Mont Cenis 191, am Gotthard 52,18, was sich
daraus erklärt, dass die Zahl der Bohrlöcher für i “
Stollen am Mont Cenis anfänglich 128,3, Gotthard da-
gegen nur 17.3 betragen hat. Diese erhebliche Verrin-
gerung der ßohrarbeit war am Gotthard nur durch die
Verwendung des Dynamites statt des am Mont Cenis aus-
schliesslich verwendeten Schwarzpulvers ermöglicht. Im
übrigen zeigt die späterhin abgedruckte Tabelle der Ver-
gleichszahlen der verschiedenen Tunnelbauten, wie die
bessere Organisation der Vorortarbeit am Gotthard günstig
auf den Zeitbedarf der einzelnen Arbeiten eingewirkt hat.
Die für die Herstellung von i “ Stollen erforderliche Ar-
beitszeit ist am Gotthard auf beinahe ein Drittel derjenigen
zurückgegangen, welche am Mont Cenis bei Beginn der
Maschinen-Bohrung erforderlich war. Dieses Ergebniss
wurde erreicht, obgleich das Gebirge am Gotthard dem
Bohren erheblich grössere Schwierigkeit entgegengesetzt
hat als am Mont Cenis, was deutlich aus den Vergleichs-
zahlen der zur Herstellung von 1 “ Bohrloch erforder-
lichen Zeit hervorgeht. Ara Mont Cenis wurden hierfür
7 Min. 33 Sek. gebraucht, am Gotthard dagegen ii Min.
27 Sek. Die Kosten des Gotthard-Tunnels haben imganzen
63 048 087 Frcs., oder 4205,5 Frcs. für i “ Tunnel betragen.—
(ForfsetzuBg folgt.)
Inhalt: Die neuen Münchener Friedhöfe (Fortsetzung). — Zur Ange-
legenheit des Heidelberger Schlosses. — Vom IX. Internationalen Schiff-
fahrts-Kongress in Düsseldorf. — Der Simplon-Tunnel, mit Rückblicken
auf die Baugeschichte der älteren Alpen-Tunnel (Fortsetzung).
Hierzu eine Bildbeilage: Halle für Trauerversammlungen
im Nördl. Friedhofe in München.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 54.
IE NEUEN MÜNCHENER FRIEDHOFE *
HALLE FÜR TRAUERVERSAMMLUNGEN
IM NÖRDLICHEN FRIEDHOF * * * *
ARCHITEKT: STÄDTISCHER BAURATH
HANS GRÄSSEL IN MÜNCHEN * * *
= DEUTSCHE BAUZEITUNG =
* XXXVI. JAHRGANG 1902 — NP; 54 ^
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 55. Berlin, den 9. Juli 1902.
3. Der Arlberg-Tunnel.
Das beim Bau des Gotthard-Tunnels ausschliesslich
angewandte System der Perkussions-Bohrmaschinen
mit Druckluft als ßetriebskraft hatte schon während
des Baues dieses Tunnels seine bisherige Alleinherrschaft
eingebüsst. Unter dem Ob.-Ing, der Gotthardbahn-Gesell-
schaft Heilwag war der bisher in Oesterreich beschäf-
tigt gewesene Ing. Alfred Brandt im Jahre 1875
Zentralbureau in Zürich angestellt worden. Gelegentlich
einer ihm übertragenen Begutachtung der in Airolo ge-
planten Verstärkung der Installation durch Herstellung
einer weiteren Wasserkraft mit Benutzung des Tessin,
hatte Brandt darauf aufmerksam gemacht, dass mit einer
unmittelbaren Verwendung der zur Verfügung stehenden
Wasserkraft zum Bohren, unter Ausscheidung der Zwischen-
stufe derLuftzusammenpressung, vermuthlich eine bessere
Ausnützung der Wasserkraft möglich sein werde. Brandt
hat dann diesen Gedanken weiter verfolgt und die von
Der Simplon -Tunnel, mit Rückblicken auf die Baugeschichte der älteren Alpen-Tunnel.
(Fortsetzung.)
Ordinate 1310,6 “ über Meer, also 156,1“ höher als der
Gotthard und 27,8“ tiefer als der Mont-Cenis -Tunnel. Die
Höhe des überlagernden Gebirges beträgt 732,0“ über
Tunnelsohle, also sehr viel weniger als bei den beiden
vorerwähnten Tunneln (s. Abbildg. 4).
Das Gebirge ist auf beiden Seiten Glimmerschiefer
mit wechselndem Quarzgehalt, im Inneren des Berges auf
eine Länge von etwa 600“ Gneis theilweise mit lettigen
Quarzgängen durchzogen. Das Gebirge hat den Arbeiten
auf der Westseite durch seine gebräche Beschaffenheit
mit sehr vielen Wasserzuflüssen grosse Schwierigkeiten
bereitet, die auf längere Strecken zu einem vollständigen
Einstellen der maschinellen Bohrarbeit nöthigten. Be-
gonnenwurde mit den Arbeiten am 24. Juni 1880 auf der
Ostseite in St. Anton und am Tage darauf auf der West-
seite mit Handbohrung, wobei beiderseits mit zweimännigen
Bohrschichten Forschritte von durchschnittlich 1,5“ für
den Tag erzielt wurden.
Zur Beschleunigung der Arbeiten wurden schon vor
Vergebung der gan-
: cJ-t , ■ zenTunnelarbeit bei-
derseits vorläufige
Installationen für die
betreffenden Bohr-
weisen hergestellt
und mit denselben
auf der Ostseite am
17. November 1880,
auf der Westseite am
13. November 1880,
der maschinelleBohr-
betrieb begonnen.
Am 21. Dezember
wurde die Gesaramt-
arbeit an die Unter-
nehmung G. Ce-
coni und Gebr.
Lapp vergeben,
weiche sich ent-
schlossen, die
schon im Betrieb be-
findlichen Bohr- Sy-
steme beizubehalten
und die Verpflich-
tung übernahmen,
vom I. Februar 1881
an jederseits einen
mittleren Fortschritt
von 3,3™ für den
Tag zu erzielen, bei
einer Strafe von 8oo{l.
für jeden Tag Min-
der-Leistung gegen-
über der sich aus
vorstehendem Fort-
schritt ergebenden
Arbeitszeit und einer
Abbildg.
rg-Tunnel (Länge 10260m).
ihm ausgebildete Druckwasser-Bohrmaschine, deren wesent-
lichster Konstruktionsgedanke wohl als bekannt voraus-
gesetzt werden kann, hat bei ihrer ersten Verwendung
im Sonnstein-Tunnel an der Salzkammerguibahn so
beachtenswerthe Leistungen gezeigt, dass sie die Auf-
merksamkeit der inbetracht kommenden technischen Kreise
alsbald in hohem Maasse auf sich lenkte.
Als dann im Jahre 1880 der schon lange geplante
Durchstich des Arlbergs zur Verbindung des Inn- mit dem
Rheinthal seiner Ausführung entgegenreifte, entschloss
man sich, für diesen Bau auf der Westseite in Langen die
Brandt’sche Bohrmaschine anzuwenden, während auf der
Ostseite die Ferroux’sche Perkussions-Bohrmaschine mit
Pressluft arbeitete. Um die hierbei gewonnenen Ergeb-
nisse mit den beiden älteren Tunnelbauten in Vergleich
ziehen zu können, muss demnach auch über die am Arl-
berg vorliegenden Verhältnisse kurz berichtet werden.
Der Arlberg -Tunnel verbindet das Thal der in den
Inn einmündenden Rosana im Osten mit dem dem Rhein
zufliessenden Alfenzbach im Westen; er hat eine Länge
von 10260“. Das Steigungsverhäliniss beträgt auf der
Ostseite 1:500, auf der Westseite 1:66,67. Der Scheitel-
punkt der Gradiente liegt 4105 “ vom Ostportal auf der
Prämie von gleichem Betrage für jeden Tag Mehrleistung.
Unter Uebergehung einer Beschreibung der vor-
läufigen Installations - Anlagen ist über die endgültigen
mitzutheilen, dass die erforderliche Wasserkraft auf der
Ostseite dem Rosanabach, auf der Westseite dem Alfenz-
bach entnommen wurde.
Auf der Ostseite kamen nasse Kompressoren zur Ver-
wendung, die aber gegenüber den am Gotthard benutzten
erhebliche Verbesserungen erfahren hatten. Die Rohr-
leitung für die Pressluft hatte dort eine Weite von 22c“.
Als Bohrmaschinen wurden die Ferroux’schen Maschinen
mit selbstüiätigem Vorschub und Rückgang gewählt, da-
neben wurde die Seguin’sche und die von dem Ingen.
Welker am Gotthard konstruirte Maschine probeweise
verwendet. Auf dem Bohrwagen waren anfänglich 6,
später 8 Maschinen gleichzeitig thätig.
Auf der Westseite wurde das durch die Brandt’schen
Pumpen auf 80 bis 100 Atm. gepresste Wasser in einer
aus gezogenen schmiedeisernen Röhren bestehenden
Druckleitung von 70““ Durchm. den Maschinen bezw.
der Spannsäuie zugeführt. Ais später die Anzahl der
gleichzeitig vor Ort arbeitenden Maschinen vermehrt
wurde, genügte diese Leitung nicht mehr, es wurde des-
3^9
halb eine zweite Leitung ,vöh So."»“' Durclirn. hinzugefügt.
Die Rohre hatten an'belden Enden 'entgegengesetztes Ge-
winde und Muffenverbindung.
Die Brandt’sche Maschine, wie dieselbe am Sonnstein-
Tunnel verwendet war, sollte durch ihre leichte Bauart
ermöglichen, schon vor Beendigung der Schutterung
wieder mit dem Bohren beginnen zu können, -Es. sollten,
zu diesem Zweck Maschinen und Spannsäule, welch’
letztere damals noch senkrecht stand, von Hand über
den losen Schutt vor Ort getragen werden. Diese An-
ordnung ist am Arlberg verlassen worden, da die dafür
erforderliche leichte Bauart der Maschine sich nicht be-
währt hatte, während andererseits das gleichzeitige Bohren
und Schultern vor Ort Unzuträglichkeiten zur Folge hatte,
welche die damit zu erreichenden Vortheile gänzlich auf-
hoben. Es ist deshalb für den ßohrbetrieb am Arlberg
eine auf einer Lafette gelagerte wagrechte Bohrsäule ver-
wendet'auf der 2, später 4 Bohrmaschinen arbeiteten!
Die Arbeiten vor Ort waren hier wie folgt eingetheilt:
Ostseite: Der Unternehmer Ceco'ni hatte von Anfang
an im ötollen ein Gleis von 70 cm Spur gelegt. Die auf
diesem Gleise laufenden Wagen hatten 1,6 cb“ Fassungs-
raum', konnten aber gehäuft geladen, 2 cbm aufnehmen.
In dem Sohlenstollen, dessen Breite 2,75 m betrug, wurde
kurz vor Ort ein zweites, mit dem Hauptgleis durchwei-
chen verbundenes, Nebengleis verlegt, wofür das sonst
in der Mitte des Stollens liegende Hauptgleis etwas auf
die Seite gerückt wurde. Nach dem Schiessen, das hier
auch in drei Absätzen geschah, wurden die auf dem
Nebengleis stehenden leeren Wagen einzeln vor Ort ge-
schoben, dort mittels Körben beladen und auf dem Haupt-
gleis zurückgeschoben. Der Bohrwagen stand während
der Zeit auf dem Nebengleis hinter den leeren Wagen.
Auf der Westseite waren grössere Wagen von 2,5 cbm
Fassungsraum in Verwendung, die auf einem Gleis von
1 ra Spur liefen. Es wurden dann gleichzeitig 2 Wagen
vor Ort geschoben, die nur dadurch beladen werden
konnten, dass man das Material von dem ersten auf den
zweiten Wagen überschaufelte. Man ist aber später auf
die gleiche Anordnung wie an der Ostseite übergegangen.
Die Organisation der Förderung bot am Arlberg be-
sondere Schwierigkeiten dadurch, dass auf der Ostseite
auf 1392 “Länge alleTunnelausbruchraassen eine Steigung
von 15% bergauf bewegt werden mussten (vergl. Abb. 4).
Das Fortschrittsprofil lässt deutlich die grosse Regelmässig-
keit der Arbeiten am Arlberg -Tunnel erkennen. Die von
der Bauunternehmung zugesicherte Leistung ist hier wieder
durch die Linie dargestellt, nach welcher der Durch-
schlag am 6. Januar 1885 hätte erfolgen müssen. That-
sächlich ist der Durchschlag am 13, November 1883, also
420 Tage vor dem festgesetzten Tage erfolgt. Die Durch-
schnitts - Leistungen sind die folgenden, wobei die Tage,
an denen auf der Westseite wegen schlechter Gebirgs-
beschaffenheit die Maschinenbohrung eingestellt und aus-
hülfsweise zur Flandbohrung zurückgekehrt wurde, in die
der Berechnung zugrunde gelegte Zeit mit einbegriffen sind :
Ostseite: 5280,5“ in 1092 Tagen = 4,82 “ für den Tag,
Westseite: 4552,0“ „ 1096 „ =4,16“ „ „ „
zus. 9832,5“ in 2188 Tagen = 4,48“ für den Tag,
gegen die gewährleisteten 3,3“ und die am Gotthard er-
reichten 2,95“. Ueber die Ursachen dieser erheblichen Stei-
gerung der Leistung im Vergleich mit den anderen Tunneln,
giebt wieder die späterhin abgedruckte Tabelle den besten
Aufschluss. Es sind in derselbenfür den Arlberg dieErgeb-
nisse der beidenTunnelseiten getrennt angegeben, um einen
Vergleich der beiden dort angewendeten Bohrweisen mit
einander zu ermöglichen. Allerdings ist hierbei ein solcher
Vergleich inbezug auf die Zahl der gebohrten Löcher und
die zur Herstellung von i “ Bohrloch verwendete Zeit
wegen der Verschiedenheit der Bohrloch - Durchmesser
ohne Werth. Um aber auch hierin einen Vergleich mit
den am Arlberg erzielten Ergebnissen zu gewinnen, sind
in der genannten Tabelle noch die Ergebnisse der Ar-
beiten am Brandleite-Tunnel in Thüringen, sowie die-
jenigen, welche bei einem im Mansfelder Bergwerksrevier
mit der Brandt’schen Bohrmaschine getriebenen Qner-
schlag .erzielt wurdfeh, aufgeftihrt. Der Brandieite-Tunnel
wurde in sehr hartem Porphyr mit einem gewährleisteten
Fortschritt von 4“ für den Tag, der Querschlag in Mans-
feld im Rothliegenden und Konglomerat desgl. mit 3 “für
den Tag getrieben. Leider fehlen für den Arlberg-Tunnel
getrennte Angaben über die Zeiten, welche für Bohren,
Schiessen und Schuttern erforderlich gewesen sind, so-
dass ein unmittelbarer Vergleich in dieser Beziehung mit
dem Gotthard- und dem Mont Cenis-Tunnel nicht möglich
ist, vielmehr nur die ganze für eine Attacke bezw. für die
Herstellung von i “ Stollen erforderliche Arbeitszeit mit
den früheren Tunnelbauten verglichen werden kann. .
Unter den in der Tabelle aüFgeführten Zahlen fällt
vor allem auf, dass der Attacken-Fortschritt im Vergleich
zur mittleren Tiefe der Bohrlöcher sich bei der Brandt’-
schen Maschine ganz erheblich günstiger gestellt hat, .als
bei der Fefroux-Maschine.
Unter Fortlassung der Tage, an welchen wegen
schlechter Gebirgs-Beschaffenheit nicht mit der Maschine
gebohrt werden konnte, stellt sich das Ergebniss der maschi-
nellen Bohrung für die beiden Arbeitsstellen wie folgt:
Ostseite: Westseite:
1092 Arbeitstage, worunter 1096 Arbeitstage, worunter
49 verlorene Tage, 200 verlorene Tage,
1043 Arbeitstage, 896 Arbeitstage,
5280,5“ Stollen, 4552,0“ Stollen,
5,05“ für den Tag. 5,09'" für den Tag.
Wenn auch der Nachweis, dass dieses günstige Er-
gebniss im wesentlichen der guten Einrichtung der Schutte-
rung zuzuschreiben ist, aus der Tabelle nicht unmittelbar
geführt werden kann, so geht doch daraus hervor, dass i. die
Zahl der Bohrlöcher für die Attacke gestiegen ist, 2. die
mittlere Tiefe derselben grösser geworden ist und dass
3. der Querschnitt des Stollens am Arlberg grösser ge-
wesen ist als am Gotthard (7 gegen 6,4 q“). Aus diesen
Umständen ist zu entnehmen, dass die Bohrzeit am Arl-
berg nicht geringer gewesen ist, als am Gotthard, wahr-
scheinlich sogar grösser, dass also, wenn trotzdem die
gesammte Attackendauer abgenommen hat, der Unter-
schied in der Schutterzeit gewonnen sein muss. Man sieht
hieraus wieder, wie wichtig gerade dieser Theil der Ar-
beit ist und wie die Bedeutung desselben mit zunehmen-
den Leistungen im Fortschritt immer mehr wächst.
Man hat deshalb auch bei anderen Tunnelbauten mit
maschinellem Vortrieb der Schuttermethode grosse Auf-
merksamkeit zugewendet und nach allerhand Mitteln ge-
sucht, um die Leistungen auf diesem Gebiete zu steigern.
Ara Kaiser Wilhelm-Tunnel bei Cochem wurde z. B.
das Material nach dem Schiessen auf kleine Wagen ge-
laden, die auf einer schiefen Ebene in den, dem Sohlen
Stollen dicht nachfolgenden Firststollen gezogen und von
dort durch Rollöcher in die im Sohlenstollen stehenden!
grossen Tunnel-Transportwagen entleert wurden.
Am Brandieite-Tunnel waren vor Ort zwischen die
Schienen des Haupt-Transportgleises dicht nebeneinander
zwei weitere Schienen gelegt, wodurch dort zwei Gleise
entstanden, auf denen kleine Wagen liefen, deren Kästen
unsymmetrisch über ihren Räderpaaren angeordnet waren,
um sie so bei einander vorbeifahren und leicht umwerfen
zu können. Mittels dieser Wagen wurde das Material
nach dem Schiessen auf grösserer Länge seitwärts im
Stollen auf Bühnen abgelagert und dann während der
wieder begonnenen Bohrarbeit auf die Tunnei-Transport-
wagen geladen. Dieses Verfahren hat sich dort gut be-
währt und mit Hilfe desselben konnte in dem harten Por-
phyr, welcher keine grossen Attacken-Fortschritte zuhess
und in welchem wegen starkerWasserzuflüsse das Schuttern
an sich sehr schwierig war, der gewährleistete Fortschritt
von 4 “ für 1 Tag dadurch erreicht werden, dass man die
Zahl der Attacken am Tag auf 4—5 steigerte.
Die Kosten des Arlberg-Tunnels haben imganzen ein-
schliesslich der Portalbauten, der Installation und des
Schotterkörpers, jedoch ausschliessl. der Gleise und der
Signaleinrichtungen 19082641 fl. betragen. Hiervon ent-
fallen 1505770 fl. auf die Installationen. —
(Fortsetzung folgt)
Mittheilungen aus Vereinen.
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine.
Der Düsseldorfer Arch.- u. Ing.-V. theiltmit, dass während
der Dauer der Düsseldorfer Industrie- und Kunstausstellung
das „Fürstenbergbräu“ nahe der Fontaine als Treff-
punkt der Vereins- und Verbands-Mitglieder gelten soll. —
Sächsischer Ing.- u. Arch.-Verein. Die 151. Haupt Ver-
sammlung fand am 8. Dez. vor. J. in Leipzig statt. Schon
am Abend vorher hatten sich die einheimischen und die von
auswärts bereits eingetroffenen Mitglieder und Gäste nebst
zahlreichen Damen im „Künstlerhaus“ gesellig vereinigt, wo
sie mit Ansprachen begrüsst und mit Vorführung eines
„Technischen Ueberbrettl’s“ und anderen, ausschliesslich
von Damen und Herren des Vereins dargebotenen Ueber-
raschungen, ergötzt wurden. — Der eigentliche Versamm-
lungslag brachte dann in der i. Fachabtheilung als Vortrag
von Hrn. Prof. Dr. Schreiber-Chemnitz: „Beiträge zur
Thalsperren-Frage“. Niederschlags-Messungen müssen
in Verbindung mit meteorologischen Beobachtungen statt-
No. 55.
350
fraderi; Die aaf 70 Jahre rückwärts - sich erstreckenden
Beobachtühgen lassen seit 20 Jahren eine Zunahme der
Niederschlagsmengen erkennen; es' giebt Gebiete, wo nur
33 v. H. des Niederschlages abfliessen und Perioden,' in
denen, die geplanten Sperren .(für industrielle Zwecke)
nur eben ausreichen würden. — • In der 2. Fachabtheilung
sprach Hr. Oberkunstmeister, Prof. Roch-Freiberg, über
Dampf-Selbstschiussventile., .Sie treten bei Rohr-
brüchen (infolge von Druckdifferenz) in Wirksamkeit und
werden in Abständen von etwa 500™ angebracht. — Die
3. Fachabtheilung besichtigte den mitten in der Ausführung
durch den Krach zum Stillstand gekomnienen Neubau der
Leipziger Bank, unter Führung des Bauleiters Hrn. Arch.
Bischoff. — Die 4. Abtheilung endlich hörte einen Vor-
trag des-Hrn. Oberbefgräth Prof. Dr. Erhard über Sich er-
heit.smaassregeln bei unterirdfschen Starkstroni-
Anlageü, insbesondere bezüglich der Maschinen ver-
schiedener Systeme und der Fortleitungskabel.
Die hiernach folgende Gesammtsitzung, die im grossen
Saale des Zoologischen Gartens stattfand, beschäftigte sich
hauptsächlich mit der Neuwahl des Vorstandes, wobei Hr.
Ob.-Brth. Andrae als Präsident für die Periode i90z/3
gewählt wurde. Sodann fand die Abstimmung über 17
Neuangemeldete statt, die sämmtlich zur Aufnahme ge-
langten. Nach einem Rundgange zur Besichtigung der
Bauwerke des Zoologischen Gartens, unter Führung des
Arch. Hrn. Rust, vereinigte ein gemeinschaftliches Mittags-
mahl die Theilnehmer der Versammlung. Am Montag
Vormittag wurden die reichhaltigen Sammlungen des
Völkerkunde- (Grässi-) Museums unter Führung von dessen
Direktor, Hrn. Dr. med, Obst, besichtigt.
Ara 4. Mai 1902. wurde in Dresden die 152. Haupt-
versammlung des Vereins abgehalten. Auch diesmal
vereinigte ein Begrüssungsabend schon am 3. Mai die be-
reits in Dresden anwesenden Theilnehmer im „Weissen
Saal'* der „Drei Raben“. Dresdener Mitglieder, Damen
und Herren, boten auch hier musikalische und dramatische
Unterhaltung aller Art. Am Versamralungstage wurden
in den Fachabtheilungen folgende Vorträge gehalten;
Abth. I. Hr. Arndt, Bauinspektor beim kgl. Kommissariat
für elektrische Bahnen machte ausführliche und inter-
essante Mittheilungen über den Bau und Betrieb elek-
trischer Strassenbahnen, wobei zahlreiche Modelle
und anschauliche Zeichnungen seine Ausführungen unter-
stützten. — In der II. Abth. sprach Hr. dipl. Ing., Adjunkt
Lewicki von der Techn. Hochschule, über Dampf-
turbinen, gleichfalls an der Hand vieler Modelle. Die
III. Abth. besichtigte den Neubau der Lukas- Kirche unter
Führung des Arch. Hrn. Weidenbach-Leipzig, der vor-
her Erläuterungen über dieBauausführungen gegeben hatte.
Die IV. Abth. endlich hörte einen Vortrag von Hrn. Berg-
rath Arnold-Zwickau über „Die Entstehung und
Ablagerung der fossilen Brennmaterialien“, der
reich an interessanten .Einzelheiten war, insbesondere
wegen der noch schwebenden Frage, ob die Steinkohlen
an Ort und Stelle gewachsen, oder aus Anschwemmungen
entstanden seien.
In der Gesammt -Sitzung beschäftigte sich dann die
weit über 2000 Theilnehmer zählende Versammlung zu-
nächst mit den Veränderungen im Mitglieder-Beslande;
dem Verlust von 12 Mitgliedern (unter den 5 Ver-
storbenen befand sich auch ein Gründer des Vereins:
Hr. Baudir. von Hänel-Stuttgart) stand erfreulicherweise
die Aufnahme von 28 Neuangemeldeten gegenüber. So-
dann wurde über folgende Gegenstände von einzelnen
Referenten Bericht erstattet: Beitrag zum von Guericke-
Denkmal in Magdeburg.; Anerbieten der Magdeburger
Versicherungs - Gesellschaft; Gutachten in der Meissener
Dombau-Angelegenheit; Stand des Bauernhaus-Verbands-
werkes und andere Verbands-Angelegenheiten. Den Vor-
trag hielt Hr. Prof. Kübler von der Technischen Hoch-
schule über „Erfolge und Fehler der Unternehmun-
gen für drahtlose T elegraphie“, der durch .zahlreiche,
mit unfehlbarer Sicherheit und Eleganz durchgeführte
Experimente ausgezeichnet illustrirt wurde. — Es folgte
dann das übliche gemeinsame Mittagsmahl im Hötel Bristol,
durch die Betheiligung zahlreicher Damen verschönt und
durch treffliche Ansprachen gewürzt. — Am Montag, den
5. Mai, fand sich eine zahlreiche Gesellschaft schon ^29 Uhr
vor der Jakobi-Kirche zusammen und besichtigte ein-
gehend und bewundernd das herrliche, seit i. Dez. vor. J.
in Gebrauch genommene Werk des Hrn. Arch. Kröger-
Wilmersdorf. Hieran schloss sich die Besichtigung der
Verein. Eschebach’schen Werke (Metall- und Holzwaaren-
Fabrik) in der Vorstadt Pieschen, wo den Damen und
Herren in gruppenweiser Führung und in zuvorkommend-
sterWeise die mit den modernsten Hilfsmitteln betriebenen
verschiedenartigsten Werkstätten desgrossartigenEtablisse-
ments gezeigt und erklärt wurden. Zu Mittag fuhr dann
die. gegen 90 Theilnehmer, zählende- Gesellschaft mit der
Eisenbahn durch die m.aiengrüne und blühende Lössnitz
nach Moritzburg und vereinigte sich in Adam’s Gasthof.
zum frohen gemeinsamen- Mittagsmahle. . Spater wurde
von Vielen . der Gesellschaft, das , schöne Jagdschloss be-
sichtigt und, der Fütterung des Hoch-, und Schwarzwildes
mitten imWalde zugeschaut. Mit d-er Rückkehr nach Dresden
fand die 152. Hauptversammlung ihren Abschluss.. — Ov Gr.
Mittelfränkischer Arch.- und Ing.-Verein zu Nürnberg.
Nach dem Halbjahrs-Bericht, der in der sommerlichen
Hauptvers. vom 19. Juni' erstattet wurde, fanden 8 Sitzungen
statt, in welchen ausser. Verbands^ und Vereins- Angelegen-
heiten folgende Gegenstände behandelt wurdeni Am
20. Dez. 1901: Königsberg in Franken und seine Kirche
ad .Sanctam Mariara durch Hrn. Arch. Oelenheinz; am
IO. Jan. 1902: Pläne von Landkirchen durch Hrn. Arch.
Kies er; am 31. Jan. 1902: Ausgeführte Bauten und Reise-
Aufnahmen durch die Hrn. Arch. Karl und Hans Söhn-
lein; am 14. Febr. 1902: Der Sprickerhoff sehe Plan eines
Durchgangs-Bahnhofs für Stuttgart durch Hrn. Reg.-Bmstr.
Wallersteiner; am 28. Febr. 1902: Umbau des Schlosses
in Lauf durch Hrn. k. Bauamtmann F. Miller; am 21. März
1902; Eine neue Verkleidung von Decken, Oefen usw.
durch Hrn. Arch. Röhm; am ii. April 1902: Errichtung
von städtischen Feuerwachen durch Hrn. Arch. Seegy
und am 25. April 1902: Ueber Sicherheit und Wirthschaft-
lichkeit im Eisenbahnwesen durch Hrn. k. Direktionsass.
Dr. Zinsm eis t er. Es wurden besichtigt; am 9. Jan. 1902':
Die Kassenschrank-Fabrik von Hrn. Konsul Meck (gemein-
schaftlich mit dem Bezirksverein deutscher Ingenieure);
am 12. Febr. 1902: Das neue Dienstgebäude des k. Ober-
landesgerichls; am 3. März 1902: Der Stadttheater-Neubau
in Fürth i. B.; am 7. Mai 1902: Die Funk’schen Marmor-
werke; am 24. Mai 1902: Das Schulhaus an der Preisler-
strasse und die Feuerwache West; am 5.. Juui 1902.; Der
Zentral-Rangirbahnhof (gemeinschaftlich mit dem Bezirks-
verein deutscher Ingenieure).
Die Mitgliederzafal stellt sich auf 92, nachdem 5 Mitglie-
der im verflossenen Halbjahr neu aufgenommen, dagegen
4 anderen Kreisgesellschaften überwiesen worden sind. —
— — r.
Vermischtes.
Die Frage eines neuen bayerischen Landtagsgebäudes
kehrt alljährlich in den Berathungen der bayerischen
Landesvertretung wieder, ohne dass diese Körperschaft
zu einer positiven Entschliessung kommen konnte. Nun-
mehr ist ein erster Schritt in dieser Hinsicht gethan. In
ihrer 319. Sitzung vom 31. Mai beschloss die Kammer der
Abgeordneten, weitere bauliche Veränderungen an dem
bestehenden Landtagsgebäude nicht mehr vorzunehmen
und die k. Staatsregierung zu ersuchen, der Lösung der
Platzfrage für ein neues Landtagsgebäude näher zu. treten
und einen geeigneten Bauplatz sicher zu stellen. Auch
die Monumentalbau-Kommission hat sich mit der Frage
befasst. Ueber die vielfach behauptete Unthätigkeit dieser
Kommission sprach sich der Minister Frhr. v. Feilitzsch
dahin aus, die Kommission habe lediglich den Zweck, den
Ministerien auf Ansuchen ein Gutachten abzugeben; sie
habe fleissig gearbeitet, aber ihre Beschlüsse nicht an die
Oeffentlichkeit gebracht, einmal, weil sie für die Ministerien
nicht bindend sind, und zum anderen, damit die Gelände-
Spekulation nicht begünstigt werde. ^
Sanitäre Anlagen und Einrichtungen. Die grossartige
Entwicklung der gesundheitlichen Anlagen im "Wohnhause,
imSchulhause, Krankenhause, in Hötels, Kasernen, Fabriken
usw. sind ein beredter Beweis dafür, welch’ grossen Werth
man denselben beilegt. Der Firma „Bayer. Metallindustrie
München Tobias Förster & Co.“ gebührt das Verdienst,
auf diesem Gebiete in Süddeutschiand erfolgreich mitge-
wirkt zu haben. Die neue Ausgabe ihres Taschen-Kataloges
enthält durchweg moderne Neuheiten, namentlich Präzisions-
Mischapparate fürKrankenpflege, sowie für die Haushygiene,
ferner eine reiche Auswahl nach eigenen Systemen aus-
geführter Kloset-Spülanlagen für jede Lage und Wasch-
einrichtungen für Wohnungen, Kasernen, Fabriken usw. —
Auszeichnungen an Firmen des Baugewerbes. Es er-
hielten: Die preussische Staatsmedaüle „für gewerbliche
Leistungen“ in Gold die Aktien- Ge Seilschaft Siemens
& Halske in Berlin; die gleiche Medaille in Silber die
A.-G. Mix & Genest, die A.-G. F. Butzke & Co. und die
Firma Heinrich Freese in Berlin; die gleiche Medaille in
Bronze die Firma Quantmeyer & Eicke in Berlin. —
Preisbewerbungen.
Zu dem Wettbewerb der Berliner Elektrizitäts-Werke
betr. Entwürfe zur architektonischen Ausbildung von Bogen-
licht-Kandelabern, welcher für die Mitglieder der „Ver-
9 Juli 1902.
35^
einigung Berliner Architekten" ausgeschrieben war, liefen
20 Arbeiten ein, von welchen 6 auf die engste Wahl
kamen. Den I. Preis von 1500 M. errang Hr. Stadtbmstr.
Emil Högg, den 11. Preis von 800 M. Hr. Stadtbmstr.
Alfons Schneegans, den III. Preis von 500 M. Hr. Arch.
H. A. Krause, sämmtlich in Berlin. Die Entwürfe der
Hrn. Alfr. J. Balcke und Rieh. Walter wurden ange-
kauft. Der Entwurf, welcher ausser den vorher genannten
noch auf die engste Wahl kam, führt das Kennwort „Lucifer“.
Sämmtliche Entwürfe sind vom 9. — 15. Juli von 12—4 Uhr
Luisen-Str. 35 öffentlich ausgestellt. —
Zu einem Wettbewerb des Münchener Architekten- und
Ingenieur-Vereins betr. Entwürfe für ein Sparkassen-Gebäude
in Kaufbeuren liefen 17 Arbeiten ein. Den I. und den
III. Preis errangen die Architekten Hessemer & Schmidt,
den II. Preis Arch. C. Jäger, sämmtlich in München. Der
mit dem I. Preise ausgezeichnete Entwurf soll zur Aus-
führung gelangen. —
Bei dem Preisausschreiben zur Erlangung von Be-
bauungsplänen, welches die Terrain-A.-G. Park Witzleben in
Charlottenburg für die Mitglieder des Deutschen Techniker-
Verbandes erlassen, erhielt den I. Preis Hr. Arch. F.
Epstein in Kassel; den II. Preis Hr. Arch. M. Gerhardt
in Charlottenburg; den UI. Preis Hr. Arch. C. Pewe in
München. —
Wettbewerb Kudlich-Warte Troppau. Von den einge-
laufenen 30 Entwürfen wurde der unter dem Kennworte
„Mucki" eingesandte Entwurf des Arch. Curt von Brocke
in Breslau mit dem I. Preise ausgezeichnet. —
Chronik.
Die neue katholische Kirche in Ratibor-Altendorf wurde
am 5. Juni dem Gottesdienste übergeben. Dieselbe ist eine drei-
schilfige, gewölbte, gothische Basilika mit Querschiff in reicher
Backstein- Ausführung. Die Kirche ist für 3000 Besucher berechnet;
die Kosten des Baues betragen etwa 250000 M. bei einer bebauten
Fläche von 1350 qm; die Kosten der inneren Ausstattung und der
reichen Glasgemälde belaufen sich auf etwa 60000 M. Der Bau
wurde nach den Entwürfen des Arch. Schneider in Oppeln
ausgeführt. —
Die Ausführung einer schiftbaren Kanal -Verbindung
zwischen dem Griebnitz- und dem Wannsee bei Berlin erscheint
nunmehr gesichert. Voraussichtlich wird der Kreis Teltow im
Anschluss an die Herstellung des Teltow-Kanales auch diese Aus-
führung übernehmen, sobald die Kosten im Betrage von 650000 M.
durch die Hauptinteressenten, die Gemeinde Wannsee, Prinz Fried-
rich Leopold und den Forstfiskus aufgebracht sind. Die Linie be-
nutzt den Griebnitz-See, Stölpehensee, Kl.-Wannsee. Zwischen
denselben sind Durchstiche herzustelien , ausserdem ist eine ent-
sprechend tiefe Fahrrinne in den Seen zu baggern. —
Die Konzession zur Ausführung des Stichkanales durch
die Köllnischen Wiesen bei Berlin zur Spree ist der Gemeinde
Rixdorf ertheilt. Kosten 1250000 M. Die Erdarbeiten waren im
Frühjahr schon als Nothstands - Arbeiten in Angriff genommen
worden. — ■
Der Grundstein zur neuen „Nathanael-Kirche“ in Frie-
denau b. Berlin, die nach dem Entwürfe des Arch. J. Kröger in
Berlin ausgeführt wird, ist am 26. Juni d. J. gelegt worden. Kosten-
summe 250000 M. Sie enthält 1050 Plätze. Die Kirche wird als
frühgothischer Backsteinbau hergestellt. —
Dem Entwürfe zur ReguUrung der Tiber an der Tiber-
insel, Ing. Cozza & Bruno, hat die Ueberwachungs-Kommission
zugestimmt. Derselbe bezweckt die Beseitigung der Schäden, die
sich bei dem Hochwasser vom 2. Dez. 1900 zeigten, durch Ausge-
staltung des rechten Flussarmes als Kanal und des linken als eigent-
liches Flussbett für niedere und mittlere Wasserstände. Der Entwurf
bedingt einige Veränderungen bezw. Verstärkungen an Ponte Cestio
und Ponte Fabricos. —
Der Ankauf des Panama-Kanales ist vom amerikanischen
Kongress nunmehr in beiden Häusern beschlossen. Der Bundes-
Präsident ist ermächtigt worden, die Besitzthümer der Panama-Ge-
sellschaft für 40 Mül. Dollar (170 MÜl. M.) anzukaufen, wenn diese
einen genügenden Rechtstitel darüber nachzuweisen hat. Da letzteres
wohl der Fall ist, so wird anscheinend die Entscheidung doch nach
der Seite des Panama-Kanales fallen, während die Aussichten des
Nicaragua-Kanales in letzter Zeit die besseren waren. —
Technische Hochschule für Nürnberg. Der Finanzausschuss
der bayerischen Kammer hat die Summe von 10000 M. zu Vor-
arbeiten für die Pläne zur Errichtung einer technischen Hochschule
in Nürnberg nicht bewilligt. Als Gründe werden die schlechte
Finanzlage des Staates und die in letzter. Stunde aufgetretene
Rivalität von Würzburg angeführt. —
Die Errichtung eines Stadttheaters in Heilbronn soll nach
den Entwürfen des Hrn. Arch. Prof. Theod. Fischer in Stuttgart
erfolgen. —
Die Errichtung eines National-Denkmales für Richard
Wagner in Leipzig ist beschlossen worden. Die Mittel sollen
durch Sammlungen in Deutschland und Oesterreich, der Entwurf
wird durch einen allgemeinen Wettbewerb für deutsche Künstler
gewonnen werden. —
Die Grundsteinlegung des neuen Rathhauses ln Char-
lottenburg, von welchem der rückwärtige Theil durch die Erbauer
des ganzen Hauses, die Hrn. Arch. Reinhardt & Süssenguth
in Charlottenburg, bereits errichtet wurde, hat am xg. Juni statt-
gefunden. —
Der Bau einer höheren Maschinen- und Schiftbau-Schule
in Kiel ist von der Stadtgemeinde nach den Plänen des Stadtbau-
amtes mit einem Kostenaufwande von 600000 M. beschlossen wor-
den. Die Schule' soll schon am i. April 1903 eröffnet werden. —
Das Richard- Wagner-Denkmal für Berlin, dessen Ge-
staltung ein Entwurf von Prof. G. EbeiTein zugrunde liegt, soll
am I. Okt. 1903 enthüllt werden. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Den Postbauinsp. Ru b ach in Frank-
furt a. O., Seil in Posen und Siecke in Berlin ist der Charakter
als Brth. mit dem persönl. Range der Räthe IV. Kl. verliehen.
Die Mar.-Bfhr. Dietrich und Meyer sind zu Mar.-Schiff-
bmstrn. ernannt.
Preussen. Dem'Geh. Brth. Dr. Steinbrecht in Marienburg,
W.-Pr., ist der Rothe~Adler-Ordcn III. Kl. mit der kgl. Krone, dem
Stadtbrth. Wahn in Metz der Rothe Adler-Orden IV. Kl. und dem
Reg.-Bmstr. Schmidt in Marienburg, W.-Pr., der kgl. Kronen-
Orden IV. Kl., dem Reg.- u. Gewerberath Raether in Minden
ist der Char. als Geh. Reg.-Rath verliehen.
Es ist verliehen ; den Reg.- u. Brthn. Bergemann u. Roth
in Magdeburg die Stellen eines Mitgl. der kgl. Eisenb.-Dir. das.;
den Eisenb.-ßau- u. Betr.-Insp. Baltzer (z. Zt. in Tokio-Japan)
die Steile eines Mitgl. der kgl. Eisenb.-Dir. in Stettin, Genz in
Frankfurt a. O. 2 und Hammer in Königsberg i. Pr. i die Stelle
des Vorst, der Betr.-Insp. das.; den Bisenb.-Bauinsp. Höf er in
Kassel 2, Paschen in Lissa die Steilen des Vorst, der Masch.-
Insp. das. und Halfmann die Stelle des Vorst, einer Werkst.-
Insp. bei der Hauptwerkstätte in Saarbrücken.
Versetzt sind; der Reg.- u. Brth. Stampfer in Düsseldorf
als Mitgl. an die kgl. Eisenb.-Dir. in Elberfeld; die Eisenb.-Bau- u.
Betr.-Insp. H o r s tm an n in Giessen zur kgl. Eisenb -Dir. in Breslau,
Burgund in Altona als Vorst, (auftrw.) der Betr.-Insp. 2 nach
Gleiwitz, Bergkammer in Elberfeld als Vorst, der Betr.-Insp., 2
nach Düsseldorf, Lewin in Essen als Vorst, der Bauabth. nach
Oberhausen, Pröbsting in Dillingen zur Betr.-Insp. i in Trier,
T h 0 m a s in Trier als Vorst, der Bauabth. nach Koblenz, Zimmer-
mann in Mainz als Vorst, der Bauabth. nach Weinheim und
Fischer in Münster als Vorst, der Bauabth. nach Rheine; — die
Eisenb.-Bauinsp. E. F r ä n k e 1 in Guben nach Breslau 3, S. F r a e n-
kel in Dortmund nach Guben, Bredemeyer in Gleiwitz nach
Frankfurt a. O., Thomas in Danzig nach Gleiwitz (auftrw.) und
Lenz in Kattowitz nach Dortmund i (auftrw.) als Vorst, einer
Werkst. -Insp. das.
Die Reg.-Bmstr. Horn in Hannover und Lund im Techn.
Eisenb.-Bür. des Minist, der öffentl. Arb. sind zu Eisenb.-Bau- u.
Betr.-Insp., Harr in Frankfurt a. M. , Ritze in Berlin, Pieper
in Danzig und Wes sing in Breslau zu Eisenb.-Bauinsp. ernannt.
Technische Hochschule in Charlottenburg:
Als Abth.-Vorst. für das Amtsjabr i. Juli 1902/03 sind bestätigt
worden die Prof.; Geh. Brth. Koch für die Abth. für Archit.,
Dietrich fürBauingenieurwesen, Franz für Maschineningenieur-
wesen, Flamm für Schiffs- u Schiffsmaschinenbau, Geh. Reg.-Rath
Dr. Witt für Chemie u. Hüttenkunde, Geh. Reg.-Rath H a u c k für
Allgem. Wissenschaften.
Die Reg.-Bfhr. Jak. Janz aus Mainz, Herrn. Lange aus
Kahla, Paul Schmidt aus Göttingeu und Gg. Lieber aus Berlin
(Hochbfeh.), — Paul Menne aus Siegen, Otto Liebetrau aus
Eisenach (Eisenbfeh.), — Heinr. Lomnitz aus Zabrze, Hugo
K r 0 h n aus Berlin, Otto Brandes ans Essen u. Frledr. Lantzen-
dürffer aus Berlin (Masch.-Bfeh ) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. R. W. in Jever. Sofern das Preisausschreiben
nicht etwa ausdrücklich bedungen hatte, dass der Bewerber ver-
pflichtet sei, für die von ihm bezifferte Kostensumme den Bau zu
übernehmen und auszuführen, braucht der mit dem Preise gekrönte
Verfasser nicht den Bau zu übernehmen. Gewöhnlich fehlt eine solche
Bedingung und es wird den Bewerbern nur die Uebertragung der.
Ausführung an den in Aussicht gestellt, welcher den Preis erhalten
würde, also nur eine „Anwartschaft" auf die Bauübertragung eröffnet.
Dies scheint auch in Ihrem Falle geschehen zu sein. Denn da vier
Preise vertheilt sind und derselbe Bau doch nicht an vier Personen
gleichzeitig vergeben werden kann, muss sich die Preisausschreiberin
für die schliessliche Uebertragung des Baues das Wahlrecht Vor-
behalten haben , welches sie dann nach freier Entschliessung aus-
üben darf. Ein Widerruf der Preisbewilligung aus dem Grunde,
dass bezüglich der Kostensumme ein Irrthum obgewaltet habe, steht
dem Preisgerichte nicht zu. Ebensowenig kann dessen Ausspruch
durch die Preisausschreiberin angefochten werden, nachdem sie
sich mit der Preisvertheilung einverstanden erklärt hatte. Noch
weniger steht den Mitbewerbern ein Rlagerecht gegen den Sieger
im Preiskampf auf Abgabe des Anerkenntnisses zu, dass er den zu-
eckannten Preis nicht verdient habe oder wohl gar eine Klage gegen
das Preisgericht auf Widerruf seines Preisspruches, weil derselbe
auf falschen, thatsächlichen Voraussetzungen beruhe. Nur wenn
dem siegreichen Bewerber nachzuweisen wäre, absichtlich eine un-
richtige Kostenziffer eingesetzt zu haben, könnte gegen ihn wegen
Betruges straf- und zivilrechtlich vorgegangen werden. — K. H-e.
Hrn. Stdtbmstr. Z. in S. Mit Bezug auf die Ihnen in No. 45
gegebene Antwort theilt uns die „Zementwaaren-Fabrik Cossebaude
Windschild & Langelott“ mit, dass sie das alleinige Herstellurigs-
recht und den Alleinvertrieb der Sinkkasten nach System Mairich hat. —
Inhalt: Der Simplon-Tunnel, mit RücKblickea auf die Baugeschichte
der älteren Alpen-Tunnel ^Fortsetzung). — Mittheilungea aus Vereinen. —
Vermischtes. — Preisbetverbungen. — Chronik. — Personal-Nachrichten.
— Brief- und Fragekasfen.
Verlag der Deutschen ßauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
352
No. 55-
AUZEITUNG.
GANG. * * NO- 56.
DEN 12. JULI IQ02. *
.«stsrststatürststsjsrsts:
Berliner Neubauten.
No. 103. Wohnhaus Henning, Knesebeck -Strasse 51.
Architekt: Kgl. Bauinsp. E. Fürstenau in Berlin.
“jn dem vielfach ungemessenen architcktoni-
I sehen Aufwand der westlichen Aussenvicrtel
von Berlin und seiner Vororte Wilmersdorf
j und Charlottenburg steht das Haus Knese-
‘ beck-Strasse 51 in Charlottenburg, welches
nach den Entwürfen des Architekten und kgl. Bau-
insp. E. Fürstenau in der Zeit von September 1898
bis Oktober 1899 entstanden ist, in feiner künstlerischer
Zurückhaltung, in einer Anspruchslosigkeit da, welche
das Ergebniss weitgehender künstlerischer Reife ist.
Für die eigenartige Grundrissgestaltung und für die
in unseren Tagen seltene Stilwahl für die architek-
tonische Ausbildung waren die besonderen und sehr
eingehenden Wünsche des
Bauherrn maassgebend, wel-
chen der Architekt gerne folgte
und in ihrer Berücksichtigung
ein Kunstwerk schuf, welches
unter den Wohnhausbauten
unserer Tage eine eigenartige
und ganz vereinzelte Stellung
einnimmt. Es ist nicht ohne
Interesse, an diesem Beispiel
und in seiner Gegenüberstel-
lung mit der üblichen Hervor-
bringung von heute denWerth
zu ermessen, welchen die
italienische Renaissance trotz
dem Verdammungsurtheil, mit
welchem sie durch die mo-
derne Bewegung getroffen
wurde, für uns heute noch,
oder wenn man will, heute
wieder haben könnte.
Das durchweg unterkellerte
Gebäude enthält im Erdge-
schoss des Vorderhauses eine
vermiethbare Wohnung von
5 Zimmern mit den erfor-
derlichen Nebenräumen, im
Sockelgeschoss eine kleine
Wohnung für einen verfaei-
ratheten Diener, der zugleich
Hauswart ist, und im übri-
gen lediglich die Wohnung
des Besitzers, des Hrn. Rent-
ners Hermann Henning.
Das Vordergebäude erhielt
dieFormender florentinischen
Fröhrenaissance, für den Sei-
tenflügel wurden Veroneser
Formen des späteren Mittel-
alters gewählt, das Maass-
werkfenster der Diele des I.
Obergeschosses ist nach ve-
netianischen Vorbildern ge-
staltet. Die 15“ breite Stras-
senfront hat grosse Verhält-
nisse mit 4,45“ Axen weite.
Auf den Postamenten des Bal-
kons sollten Ursprünglichzwei
Sandsteinfiguren (Porträt-Sta-
tuen) aufgestellt werden, wel-
che aber leider nicht ausge-
führt sind. Das Obergeschoss
(Hierzu die Abbildungen S. 356.)
ist in ganzer Grundstücksbreite über der vorderen
Zimmertiefe als Loggia mit sichtbarem Dachstuhl aus-
gebildet, welche durch das 1,75*" vorspringende Dach
gegen Regen gut geschützt ist. Die für den Hof be-
stimmten Formen führten in Verbindung mit der Aus-
bildung der Fensteröffnungen von sehr verschiedener
Lage und Grösse der dort liegenden Räume mannig-
faltiger Zweckbestimmung (Küchen, Räume für Diener-
schaft, Schlafzimmer, Gemäldegalerie im Obergeschoss
des Seitenflügels usw.) zu einer mehr malerischen Aus-
bildung, welche durch Anbringung eines Kenotaphs,
einer Sonnenuhr, sowie eines farbigen Majolikareliefs
{della Robbia Nachbildung von Cantagelli in Florenz)
353
noch unterstützt wurde. — Das Innere ist durchaus
gediegen ausgeführt worden; die Wohnung des Erd-
geschosses hat den für die neueren und besseren Berliner
Wohnhäuser üblichen Ausbau erhalten. Die Räume des
Besitzers sind reicher durchgebildet durch Verwendung
von polirtem Marmor für Treppen. Paneele, Säulen und
Thürgewände, durch fouraierte Thüren aus edlen Höl-
zern, Kachelpaneele und Holzdecken in den Schlaf-
zimmern usw. Das I. Obergeschoss enthält die Wohn-
räume der Familie, das II. die Saramlungsräume des
Besitzers, das Dachgeschoss nur die Loggia an der
Vorderfront. Die baupolizeilichen Bestimmungen, von
welchen mehrere Dispense erforderlich waren, Hessen
einen weiteren Ausbau des Dachgeschosses nicht zu.
Leider ist die Loggia auf ausdrücklichen Wunsch des
Bauherrn nur von der Hintertreppe aus zugänglich,
welche jedoch entsprechend durchgebildet ist.
Das Gebäude hat einen Sockel von röthlichem
Beuchaer Granit. Für die Vorder- und Hinterfront und
Gipsglätt- und Fugarbeiten: Boswau & Knauer in
Berlin; für die Marmortreppen, Marmorpaneele, Thür-
gewände: A. G. Kiefer in Kiefersfelde; für die Thür-
gewände und Säulen: G. Krebs in Balduinstein und
'yckerhoff & Neumann in Wetzlar. Die Tischler-
arbeiten liefertenFeldmann, Joost, Lübnitz, Reese
und Olm ; die Schmiede- und Schlosserarbeitcn: E. P uls,
A.>L. Benecke und Scheidenrecht; die Warm-
wasser-Niederdruckheizung ist von Joh. Haag, A.-G.;
die Rohrlegerarbeiten von Otto Hoehns, Hoflieferant;
die Kachelpaneele von Villeroy & Boch; die elek-
trische Beleuchtung von Armin Tenner; die Dach-
deckerarbeiten von W. Neumeister; die Klerapner-
arbeiten von Heinrich Kunitz.
Die Kosten haben etwa 250000 M. betragen, da
der Besitzer auf nur bestes Material und beste Aus-
führung den grössten Werth legte.
Eine als Abschluss des Hofes und Gärtchens ge-
plante zinnengekrönte Umwähruiigsmauer und eine
Photographische Aufnahme von H. Lichte m Berlin_SW.48.
die Architekturtheile des Flügels ist der kräftig wirkende
Wünscheiburger Sandstein verwandt, nur die Streifen
des Flügels sind in Cottaer Sandstein hergestellt.
Die Treppe des Vestibüls sowie die Architektur-
theile dieses Raumes und der Diele des I. Oberge-
schosses sind in grünem Bayerfelder Sandstein aus-
geführt. Die Dielen des I. und des II. Obergeschosses
haben Belag von rothen sechseckigen Plättchen, welche
unmittelbar von Ellena in Genua bezogen wurden, er-
halten, die übrigen Räume theils Terrazzo, theils Stab-
fussboden in Asphalt. Sämmtliche Decken sind massiv
nach System Kleine gebildet worden. Auf die Maler-
und die Tapezierer-Arbeiten sowie auf einige andere
Arbeiten hatte der Architekt leider keinen Einfluss.
Von den bei der Herstellung des Hauses thätig
gewesenen Firmen seien genannt für die Maurerarbeiten :
Ramelow’sche Erben (C. Pinx); für die Granit-
sockel-Sohlbänke: G. Günther in Leipzig; für die
Steinmetzarbeiten: Hofsteinmetzmstr. C Schilling in
Berlin; für die Estricharbeiten: Johann Odorico; die
Gartenloggia sind leider nicht zur Ausführung gelangt.
Der verbliebene winzige Garten ist, so gut es mit ge-
ringen Mitteln ging, durchgebildet worden.
Der Besitzer dieses eigenartigen Hauses hat es
leider versäumt, sich auch die Umgebung durch An-
kauf des neben dem Hause gelegenen Eckplatzes zu
sichern, wodurch ihm die Möglichkeit gegeben ge-
wesen wäre, bei voller Berücksichtigung der wirth-
schaftlichen Ausnutzungsfähigkeit der Häuser die
Höfe zu einem künstlerischen Ganzen zusammenzu-
legen. Wer innerhalb der bebauten Stadtviertel sich
zu dem Schritte entschliesst, mit reichen Mitteln einen
eigenartigen Besitz sich zu schaffen, dürfte sich dieMög-
Hchkeit nicht entgehen lassen, durch Beherrschung der
Umgebung diese Eigenart dauernd zu erhalten, wie es
z. B. Bernhard Sehring bei seinem Künstlerheim in der
Fasanenstr. that. Aus dem Umstande, dass das Nach-
bargelände in fremdem Besitz sich befindet, kann eine
Beeinträchtigung der künstlerischenWirkung des inrede
stehenden Hauses wohl befürchtet w'erden. — H. —
No. 56.
354
Die Münchener Kunstgewerbe-Ausstellung vom Jahre 1904.
Durch' den äiti ij. Juni abgfelaUfenen Wettbewerb um
1 Skizzen für die Gestaltung der Kunstgewerbe-Aus-
stellung im Glaspalast in München, bei welchem
IO Vorschläge eingelaufen sind, ist die Ausstellungsfrage
zwar noch nicht völlig gelöst, aber doch ihrer Klärung
entgegen geführt worden.
Dass man nicht von vornherein und nicht allseitig die
Anregung des Prinzregenten von Bayern zur Abhaltung
einer Kunstgewerbe- Ausstellung im Jahre 1904 mit Freuden
begrüsste, hatte seinen Hauptgrund in den Mängeln, welche
den in Aussicht genommenen Ausstellungsräumen anhaften ;
dies kam auch in den betreffenden Berathungen des Kunst-
gewerbe-Vereins so entschieden zürn Ausdruck, dass wohl
oder übel erst die Frage untersucht werden musste, ob
sich mit dem Glaspalast eine den Ansprüchen der Gegen-
wart genügende Ausstellung machen lasse, die nicht nur
an sich gut ist, sondern auch eine Steigerung gegenüber
dem Bisherigen bedeutet.
Die vielfach, herrschende Abneigung gegen den Glas-
palast beruht zumtheil darauf, dass es schwer ist, bei
Unterbringung von Wohnräutiien, bei Vorführung des
häuslichen Lebens, welche doch bei einer Kunstgewerbe-
Ausstellung die Hauptsache sein soll, genügendes Seiten-
licht zu erhalten. Der Glaspalast besitzt ringsherum Holz-
verschalung. und Eisenvefgittefühg, bis zu einer Höhe, die
der Ausgestaltung behaglicher Wohnräume — infolge der
Hochlegung von Fenstern und Decken — grosse ifinder-
nisse bereitet oder zu Bildungen führen musste, die nichts
mit unseren Wohngewohnheiten zu thun haben, und das
Oberlicht kann wohl für die raagazinartige Aufstellung von
Materialgruppen, niemals aber für die Beleuchtung von
Wohnräumen geeignet sein, zumal es im vorliegenden
Falle vielfach' durch die ringsumlaufende, rd. 5 bezw. 10®
hoch liegende Galerie beeinträchtigt wird. Eine weitere
Gegnerschaft besteht aus den unentwegten Verfechtern des
Kohleninsel-Projektes — jener Bauaniage, welche vom
bayerischen Kunstgewerbe-Verein auf der Isarinsel geplant
ist und als kunstgewerbliche Zentrale mit Lehrwerkstätten,
Bibliothek, Ausstellungsräumen usw. eingerichtet werden
soll Als vor etwa 3 Jahren die Kohleninsel vom Kunst-
gewerbe-Verein zum ersten Male inbetracht gezogen wurde,
da hatte man zuerst an die Abhaltung einer Ausstellung
zur Feier des 50jährigen Bestehens des Vereins gedacht;
die Lage und die landschaftlichen Reize der Insel hatten
sich bei den vorher dort stattgehabten Ausstellungen als
günstig erwiesen. Um aber etwas ganz Neues, Eigenartiges
zu bringen, sollten hier bleibende Bauwerke erstehen, die
im ersten Sommer den Ausstellungszwecken dienen, später
aber anderen Zwecken, an denen es nicht fehlt, zugeführt
würden; man sagte sich, dass man in den für das wirk-
liche Leben geschaffenen Räumen auch ein getreues Bild
unserer Wohnverhältnisse zur Schau stellen könne. Ueber-
dies durfte man, da ja die Kosten für Aufstellung und Ab-
bruch provisorischer Ausstellungsbauten wegfielen, hoffen,
ohne das übliche Defizit durchzukommen. Hindernisse
aller Art, nicht zuletzt die alsbald eingetretene wirthschaft-
liche Krisis, haben den umfassenden Plan zu Falle ge-
bracht und auch einem späteren, viel bescheideneren Bau-
vorschlage vorerst die Daseins-Bedingungen unterbunden.
Aber der Gedanke der Errichtung einer kunstgewerblichen
Zentrale lebt fort und er treibt Manchen ins Lager der
Glaspalast-Gegner; es wurde sogar auch jetzt noch die,
Meinung laut, mit allen Kräften die Kohleninselidee zu ver-
wirklichen und dann die Ausstellung doch dort zu halten,
wenn auch erst 1905.
Ueber die Nothwendigkeit, die genannte Zentrale zu
schaffen, sind alle Freunde des Münchener Kunstgewerbes
einig; während aber die Einen unmittelbar diesem Ziele
zustreben und die Erreichung desselben durch eine Aus-
stellung feiern wollen, glauben die Anderen, dass man —
unter den derzeitigen wirthschaftlichen Verhältnissen —
im Gegentheil eine Ausstellung als Mittel benutzen inüsse,
um die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf das Kunst-
gewerbe hinzulenken, also mittelbar für das Kohleninsel-
Projekt Stimmung zu machen. Da galt es nun, den Gegnern
des Glaspalastes zu beweisen, dass dieser besser ist als
sein Ruf und dass es unter gewissen Voraussetzungen wohl
möglich sei, etwas Originelles und Gutes aus dem bald
ein halbes Jahrhundert alten Glaskasten zu machen — dass
es, unter Aufbietung aller Kräfte, gelingen werde, die
Theorie vom Niedergange Münchens als Kunststadt zu
widerlegen.
Nach heutigen Anschauungen ist allerdings der Glas-
palast keineswegs das Ideal eines Ausstellungsbaues; die
Lage inmitten der Stadt ist vielleicht sein einziger Vorzug.
Dagegen leidet er ausser an den schon gerügten Mängeln
namentlich daran, dass er so gut wie keine Möglichkeit
12. Juli igo2.
gewährt, Anbauten anzufügen oder Gartenanlagen in den
Alisstellütigs-Bereich zu ziehen. Bis es aber einmal dahin
kömmt, das füf eine grössere Ausstellungs-Anlage in Aus-
sicht stehende Gelände bei der Bavaria diesem Zweck zu-
zuführen ^ .was bis jetzt noch durch gewisse Grund-
eigenthums-Verhältnisse vereitelt wird, darf noch viel
Wasser die Isät hinunterfliessen!
An dem ln dem Einleitungswort erwähnten Ideen-
Wettbewerb betheiligten sich zehn Münchener Künstler.
Um die einzelnen Vorschläge zu verstehen, muss man
wissen, dass der GläspalaSt in den annähernd halbkreis-
förmigen Stidtheil des Botanischen Gartens eingebaut ist
und zwar so, dass sein weit vortrefeUder Mittelbau den
an der Söfiettstrasse (nach Norden) liegenden Scheitel des
Halbkreises bildet; zwischen dem Längsbau und dem Kreis-
bogen liegen kleine Terrain-Zwickel brach, während alles
südlich vom Glaspalast liegende Gelände zum Botanischen
Garten gehört und als solches der Oeffentlichkeit zugänglich
ist, also für die Ausstellung nicht zur Verfügung steht.
Die von einigen Künstlern gemachten Vorschläge, den Bo-
tanischen Garten als Zugang, zutn Gläspalast zu benutzen,
indem das an der Ostecke des Gartens (am Maximilians-
platz) stehende Portal a\s Haupteingang behandelt würde,
der dann mit dem Südeiiigahg des Glaspalastes durch Hallen
und andere bauliche Anlagen.zu verbltiden wäre — alle dies&
Vorschläge (noch vielmehr die weitergehenden einer völli-
gen Verbauung des Gartens) mussten natürlich an der
Unmöglichkeit, dem Botanischen Garten auch nur das Ge-
ringste abzuzwacken, scheitern. Nur auf den etwa 8
breiten Kiesstreifen, der am Glaspalast entlang zieht,
könnte man die Hand legen.
Unter den verschiedenen Vorschlägen waren auch
solche, die mit der Lösung der Hauptfrage^ wie die eigent-
liche Ausstellung im Glaspaläst eingerichtet werden soll,
gar nichts zu thun hatten (z. B. pomphafte Portalbauten und
weiträumige Festhallen) ; die meisten Vorschläge aber zeig-
ten das Bestreben, das Vorhandene möglichst praktisch
auszunutzen. Abgesehen von zwei Vorschlägen, jenem
des Prof. A. Hildebrand, welcher mehr im Sinne der
Kunstausstellungen grosse Säle schaffen, aber jeden Ein-
zelnen von Korridoren aus zugänglich machen will, —
und jenem von Al Petrasch, der den ganzen Raum in
Seitenlicht- und Oberlicht- Säle eintheüt, aber den Be-
sucher zur Durchschreitung aller Gelasse zwingt, gehen
alle Entwürfe davon aus, in der Mitte, parallel mit der
Längsaxe, Höfe anzuordnen, um welche herum dann die
auszustellenden Wohngemächer zu liegen kämen; letztere
erhielten demnach ihr Licht theils von deii genannten
Höfen oder Gärten, theils von den Aussenseiten des
Glaspalastes.
Vielfach wurden hierbei die vorhandenen Galerien
zur Unterbringung der Obergeschosse benutzt; die Aussen-
seiten gegen die Höfe wurden als Gärten- öder Strassen-
Fassaden ausgebildet und so entstand bei den einen ein
lustiges Strassenbild mit Erkern und Giebeln,- bei anderen
das Bild kleiner Schlosshöfe. Job. Kronfuss z. B. legt
gleich eine ganze Strasse an, die nur an wenigen Stellen
auf Gesehosshöhe überbrückf ist, — K. Hocheder und
Emanuel Seidl legen; nach den -Höfen hinaus Freitreppen, ;
Erker, Lauben, — lauter malerische, abwechselungsreiche
Bilder, die aber leider an Reiz unendlich viel verlierenr-
wenn man sich das Stabgitter des Glasdaches darüber,
denkt. Will man aber letzteres durch ein Velum maskiren,
so wird das durch die Schmalheit der Höfe ohnehin schon
karge Licht noch mehr geschwächt, so dass die nach dem
Hofe zu liegenden Räume des Erdgeschosses als Aus-
stellungsgelasse schon minderwerthig sind; nur auf den
Galerien Hessen sich genügend helle Räume auch nach
den Höfen hinaus gewinnen.
Eine wirklichbrauchbare Lösung der Beleuchtungsff age
inusste auf, einem anderen Wege gesucht werden; diesen
Weg hat Bauamtmann W. Bertsch betreten. Während
alle anderen Vorschläge die Aussenwände des Glaspalastes
ziemlich unberührt lassen, nahm Bertsch eine “vveitgehende
Auswechselung dieser Wände an; auf diese Weise gelang
es ihm, für die Aussenseiten passendes Seitenlicht zu be-
kommen und damit die Möglichkeit zu schaffen, eine aus-
reichende Zahl von wirklichen Wohnräumen, die unseren
Lebensgewöhnheiten entsprechen, unterzubringen. Er
legte sich die Frage vor: unter welchen Bedingungen kann
im Glaspalast eine Ausstellung geschaffen werden, die
modern in dem Sinne ist, dass sie Räume möglichst genau in
der Gestalt, in der Umgebung und in der Beleuch-
tung zeigt, wie sie in Wirklichkeit ausgeführt
werden? Und die Beantwortung dieser Frage führte ihn
zu jener Forderung, die Glaspalastwände nachBedürfniss zu
beseitigen. Dadurch wurde es möglich, ganze Wohnungen
3.55
Wohnhaus Henning, Knesebeckstr. 5i ln Charlottenburg. Architekt: Kgl. Bauüisp, E, Fürstenau in Berlin.
Zum Ausbau der Thürme des Meissner Domes.
Bicht im gleichen Maasse und in der Allgemeinheit
wie das Heidelberger Schloss, aber doch auch recht
lebhaft, namentlich in sächsischen Landen, hat in
der letzten Zeit die Frage des Ausbaues der ThÜrme des
Meissner Domes die Oeffentlichkeit beschäftigt, und es
stehen sich hier dieselben Personen gegenüber, welche
schliesslich auch in dem Streite um das Heidelberger
Schloss in so ausgesprochener Weise einander gegen-
tiberstanden: Karl Schäfer und Cornelius Gurlitt. Unsere
Leser sind aus den Gurlitt’schen Ausführungen in No. 36
über die Angelegenheit unterrichtet. Inzwischen hat sich
der Meissner Dombau-Verein wiederum mit der Frage
beschäftigt und den Beschluss gefasst, die Thürme nach
den Entwürfen Schäfers, die wir in skizzenhafter Weise
— leider durch Zufall im Spiegelbild — mitgetheilt haben,
zur Ausführung zu bringen und mit dem Künstler einen
entsprechenden Ausführungs-Vertrag abzuschliessen. Die-
ser Beschluss hat, soweit wir zu sehen vermögen, mehr
Widerspruch wie Zustimmung gefunden.
Wir sind nun weit entfernt, uns zu jener Gruppe Wider-
sprechender gesellen zu wollen, welche in den „Pastoral-
blättern“ zu Worte kommen und mit dem Hinweise auf die
nur langsam fortschreitende Protestations- Kirche in Speyer
den Ausbau der Meissner Domthürme sds „ in noch viel höhe-
rem Grade kirchlich zwecklos“ halten, als die Errichtung der
Speyerer Protestations-Kirche. In der Innerlichkeit liege das
Wesen der protestantischen Kirche, nicht in der äusseren
Pracht. Die Seelen der Meissner Domgemeinde würden
356
durch die anderthalb Millionen, die in den Dom verbaut
werden, nicht der inneren Heiligung näher geführt wer-
den. „Welchen Zweck hat es, dass wir Protestanten die
Bischofskirche des Meissner Sprengels ausbauen! Gerade
dass vor Vollendung des Domes die Werkheiligkeit und
-Geschäftigkeit des 15. Jahrhunderts ihr Ende erreichte,
jene Baukunst der guten Werke, das ist ja eines der
grossen Verdienste Luthers: er machte jene auf hohem
Schlossberg thronende Bischofskirche unnöthig und band
die Seelen der Gemeinden an jene kleineren, traulicheren
Bauten, die in der Mitte ihrer Wohnstätten stehen und
ihnen auch geistig zu eigen sind. Die Nichtvollendung
der Meissner Domthürme ist das grosse ge-
schieh tlicheDenkm al der Reform ationinSachsen.“
Es sei daher ein im Grundplan verfehltes Werk, das man
beginne. „Habt protestantische Kraft genug, den Irrthum
einzugestehen, ehe er endgiltig begangen ist) Verzichtet
auf den zwecklosen, kirchlich und künstlerisch werthlosen
Ausbau der Domthürme." Der Herausgeber der „Pasto-
ralblätter“ begleitet diese Ausführungen mit der Bemerkung,
er nehme sie auf „als ein Wort wider die falsche Romantik,
mit der endlich gebrochen werden muss, wenn wir in der
immer brennender werdenden Frage des evangelischen
Kirchenbaues weiter kommen wollen.“
Wir sind nun nicht in der Lage, gegen Anschauungen
zu kämpfen, die sich in wirkungsvoller Weise kaum wider-
legen lassen, da sie mehr oder weniger Gefühlssache und
Sache der religiösen Ueberzeugung sind, die wir, so ver-
schieden sie auch sein mag, unter allen Umständen hoch-
(Fortsetznn^ auf S. 358.)
No. 56.
vorzuführen, genau so, wie sie in
Wirklichkeit verkommen. Ja noch
mehr: durch Hinzuziehung der oben
genannten Geländezwickel an der
Nordseite böte sich die willkommene
Aussicht, künstlerischen Geschmack
auch an Vorgärten zu bethätigen.
Bertsch’s Vorschläge sind aber
nicht nur wegen ihrer glücklichen
Lösung der Kardinalfrage, sondern
auch wegen ihrer programmatischen
Bedeutung von mehr als vorüber-
gehendem Werthe. Er nimmt einen
Mittelhof an, an dessen kreuzgang-
artige Arkaden sich Läden an-
schliessen zum Verkauf all’ jener
Dinge, die mehr in grossen Mengen
gefertigt, aber doch in den ausge-
stellten Wohnräumen nur einzeln
untergebracht werden können —
Metallgeräth, Spitzen, Stickereien
usw. Dieser Mittelhof sammt den
daran anstossenden Arkaden, Wan-
delhallen, Gemäldesälen ist der Er-
holung bestimmt; es wird ange-
nommen, dass diese Raumgruppe
auch Abends geöffnet bleibt, wobei
auch Konzerte abgehalten werden
könnten. — Vom Nordvestibül aus
schliessen sich dann nach Osten die
Wohnungen mit den Vorgärten an,
während das Ostende — wie schon
seit Jahren — von der Restauration
besetzt ist; diese letztere ist durch
eine Terrasse mit, dem östlichen
Gartenhofe (im Inneren des Glas-
palastes) verbunden. — Daran
schliesst sich (auf der Südseite) eine
Westfassade des Domes zu Meissen, 1:500.
Kirchengruppe, bei welcher nicht
nur von der Beseitigung der Glas-
palastwände reichlich Gebrauch ge-
macht, sondern auch der ausserhalb
liegende Kiesstreifen benutzt würde:
eine Dorfkirche, eine Taufkapelle,
eine Sakristei mit Messgewändern
und Altargeräth, ein kleiner Friedhof
mit guten Grabsteinen. Daran könn-
ten sich Schulräume anschliessen.
Auf der Westseite würde das Post-
Gumberti kirche
Aus Gurlitt; Dje WestÜiürme des Meisisner
Domes.
amt selbst Ausstellungsstück werden,
daneben ebenso ein Wartesaal und
vor diesem (im Freien) ein gut aus-
festatteter Eisenbahn- (SchlS- oder
peise-) Wagen. — Auch andere
Transportmittel sollten hier Platz
finden, ferner Bauernstuben, klein-
bürgerliche Wohnungen, zumtheil
mit Vorführung häuslicher Kunst:
Handweberei, Töpferei usw.
Bertsch’s Ideen fanden viel An-
klang, wenn man ihrem Autor auch
Recht geben muss, dass auch bei
Erfüllung aller Forderungen der Glas-
palast niemals das Ideal eines Aus-
stellungsraumes für die Zwecke der
Wohnungskunst werden kann; am
meisten zu bedauern ist aber, dass
auch hier grosse Summen auf vor-
übergehende Einbauten verwendet
werden müssen, die man lieber
einem bleibenden Bau zugewendet
haben würde. Diese Kosten werden
um so höher kommen, als auch die
zurzeit im Glaspalast stehenden und
von der Münchener Künstlerge-
la. Juli 190a.
357
nossenschaft hergestellten Einbauten beseitigt und unter
Umständen sogar wieder erneuert werden müssen.
Die letzte General -Versammlung des Bayerischen
Kunstgewerbe-Vereins hat nun die Abhaltung der „Kunst-
gewerbe-Ausstellung München 1904“ im Glaspalast unter
der Voraussetzung beschlossen, dass auf die gegenwärtigen
Einbauten keine Rücksicht genommen zu werden braucht,
— dass die Umfassungswände ausgewechselt und die
nächstliegenden Theile des anstossenden Geländes benutzt
werden dürfen, — dass der Glaspalast ab i. Juli 1903 zur
Verfügung steht, — dass zu den auf 500000 M. veranschlag-
ten Kosten ein namhafter Zuschuss aus öffentlichen Mitteln
gewährt wird usw. Da die Künstlergenossenschaft im
Glaspalast alljährlich eine Sommerausstellung abhält, so
scheint es zweifelhaft, ob sie, die schon durch die Ent-
ziehung des Glaspalastes für 1904 geschädigt erscheint,
sich etwa im Jahr 1903 mit einer Frühjahrs-Ausstellung
begnügen würde,
Inbezug auf den Umfang der Veranstaltung soll es
dem Zentral-Comite nahe gelegt werden, den Rahmen
der Ausstellung so zu fassen, dass das einheimische
Kunstgewerbe und sein Einfluss in den Nachbargebieten
vorwiegend zur Geltung kommen.
Die nächsten Wochen werden Gewissheit darüber
bringen, ob auf die Erfüllung obiger Forderungen gerech-
net werden kann. Was etwa geschieht, wenn sich dies
als unmöglich heraussteilen sollte, darüber lassen sich
auch nicht einmal Verrauthungen anstelien; denn auch
die seit längerer Zeit geplante Bereitstellung eines grösseren
Ausstellungsgeländes saramt Bau auf der Theresienhöhe
mit Einbeziehung des Bavariaparkes hat in absehbarer
Zeit noch keine Aussicht auf Verwirklichung. — G.
Vom IX. internationalen Schiffahrts-Kongress in Düsseldorf.
(Fortsetzung;.)
Hach den Mittheilungen über den Verlauf der Er-
öffnungs-Sitzung des Gesammt-Kongresses, an wel-
chem ausschl. der Damen etwa 1800 Personen theil-
nahmen, sei ein kurzer Ueberblick gegeben über die Ver-
handlungen der beiden Abtheilungen für Binnenschiffahrt
und für Seeschiffahrt, von denen jede 3 Fragen als Ver-
handlungs-Gegenstand gewählt hatte.
Die unter dem Vorsitz der Hrn, Geh. Rath Ob.-Baudir.
Honsell, Karlsruhe, und Geh. Reg.-Rth. Wittich, Berlin,
tagende Abth. I für Binnenschiffahrt beschäftigte sich mit
der Frage der „Ueberwindung grosser Höhen“, der
„Schiffahrts-Abgaben" und der „Werthverminde-
rung von Kohle und Koke bei der Schiffs-Be-
förderung“.
Zu der i, Frage der Ueberwindung grosser Höhen
lagen der Versammlung 13 gedruckte Sonderberichte vor,
welche werthvolle Beiträge zur Beurtheilung der in den
verschiedenen Ländern diesseits und jenseits des Ozeans
erzielten Erfolge lieferten, sich aber bei der jetzigen, noch
ungeklärten, Sachlage nicht nur mit den bereits erzielten
praktischen Erfolgen, sondern auch mit Entwürfen und
theoretischen Erw.ägungen beschäftigen. Ueber diese
13 Berichte, auf welche wir später noch einzugehen uns
Vorbehalten, lag der von Hrn. Geh. Brth. Bubendey,
Prof. a. d. techn. Hochschule in Berlin, erstattete General-
bericht vor, der sich nach folgenden Abschnitten gliederte:
Weitere Ausbildung der gewöhnlichen Kammerschleuse;
Sparschleuse ; Schwimmerhebewerke ; senkrechte Hebe-
werke, bei denen das Troggewicht durch Gegengewichte
ausgeglichen wird, die an Ketten hängen; Druckwasser-
Hebewerke; geneigte Ebenen im allgemeinen; längs ge-
neigte Ebenen; quergeneigte Ebenen; sollen die Schiffe
trocken oder schwimmend befördert werden ? ; Ausgleichung
des Troges; Schleusen oder Hebewerke?; Wehre und
Schleusenthore; Schleusen ohne Wasserverbrauch.
Der General-Berichterstatter gab einen kurzen Aus-
zug aus seinem zusammenfassenden Berichte, Er kam zu
dem Schlüsse, dass wirkliche Fortschritte auf diesem Ge-
biete nur dann erzielt werden könnten, wenn auch in
anderen Ländern der eine oder andere Entwurf verwirk-
licht und für 6oot-Schiffe der Verkehr an den Punkten
starker Gefälle thatsächlich eröffnet wird. In Deutschland
ist das bereits geschehen durch das Hebewerk bei Hen-
richenburg im Dortmund-Ems-Kanal, das 8oot-Schiffe bei
16“ senkrechter Hebung befördert; in Oesterreich ist die
Ausführung grosser geneigter Ebenen bei der Herstellung
des Donau -Moldau -Elbe -Kanales voraussichtlich zu er-
warten, sodass auch auf diesem Gebiete Erfahrungen in
grossem Maasstabe gemacht werden können.
In der sich anschliessenden Erörterung sprach sich
zunächst Herr Genard, Ob.-Ing., Direktor des Brücken-
und Wegebaues in Brüssel, dahin aus, dass keinesfalls
den Wasserstrassen mit Schleusen eine grössere Leistungs-
fähigkeit zuzuschreiben sei, als einer Wasserstrasse mit
Hebewerken, wie es die in Belgien mit dem Hebewerke
von La Louviere im Canal du Centre gemachten Erfah-
rungen bestätigten. Das Hebewerk besitzt zwei sich das
Gleichgewicht haltende Tröge, die je auf einem mittleren
Druckwasserstempel ruhen und hebt göot-Schiffe. Es ist
von 1888 — 1901 in Betrieb und hat sich so bewährt, dass
auch die anderen Gefällstufen des Kanals, deren Höhen-
unterschiede alle zwischen 15—17 “ liegen, in gleicher
Weise überwunden werden sollen. Redner giebt dem
Schiffshebewerk wegen seiner Einfacheit den Vorzug vor
der geneigten Ebene und beurtheilt die Grenzen, bis zu
welchen Hebewerke verwendbar sind, lediglich vom
Standpunkte der Kostenfrage.
Auf dem entgegengesetzten Standpunkte stand Hr.
Barbet, Ob.-Ing. des Brücken- und Wegebaues in Valen-
ciennes (Nord), der Hebewerke nur da zulassen will, wo
die Anwendung von Schleusen aus örtlichen Gründen
unmöglich ist. Die gleiche Ansicht vertrat auch Hr. d e
Mas, Generalinspektor der Brücken und Wege aus Paris.
Für Schiffshebewerke traten dagegen ein die Herren
Ing. Schönbach, Dir. der Masch.-A.-G. in Prag-Karolinen-
thal, uiid Gerdau, Ob.-Ing, der Firma Haniel & Lueg in
Düsseldorf. Ersterer wünscht, dass die Frage, ob Schiffe
auf geneigten Ebenen trocken oder schwimmend be-
halten. ' Aber zwei Bemerkungen können wir doch nicht
unterdrücken. Unzweifelhaft steht der protestantische
Kirchenbau vor einer grossen Reihe brennender Fragen,
die aus der Entwicklung unserer sozialen. Verhältnisse
hervorgegangen sind und die sorgfältigste Beachtung er-
heischen. Zu diesem Zwecke müsste aber zunächst inner-
halb des Kirchenbaues selbst der Anfang gemacht wer-
den, in welchem man über bescheidene Ansätze hierzu
kaum noch hinausgekommen ist. Bis heute hat es die
protestantische Kirche z. B. noch nicht gelernt oder viel-
leicht aucla nur unterlassen, aus den guten sozialen Mo-
menten, welche in der Einrichtung der katholischen Klöster
des Mittelalters zur Erscheinung kamen, die entsprechen-
den Folgerungen zur Ausgestaltung des kirchlichen Ge-
sellschaftslebens unserer Tage zu ziehen. Welche Fülle
von anziehenden neuen Baugedanken könnte sich daraus
ergeben!
Etwas besser schon steht es mit der Verwerthung des
hohen sittlichen Einflusses, welchen eine reine Kunst auf
die kirchlichen Zwecke auszuüben vermag. Und giebt es
eine reinere, dem Sinnenleben mehr entrückte Kunst, als
die Baukunst? Uns dünkt, den Ausbau der Meissner
Domthürme aus innerreligiösen Gründen verwerfen zu
wollen, wäre ein schwerer Fehler, den Martin Luther nie
gebilligt haben würde. Denn dieser grosse Reformator
verurtheilte jeden Radikalismus, er wendete sich wieder-
holt gegen die Fanatiker, er begann seine reformatorische
Thätigkeit mit voller innerer Freiheit, er wusste den weit-
gehenden Einfluss der Kunst wohl zu schätzen und konnte
358
von sich sagen: „Meine Schale mag hart sein, aber mein
Kern ist weich und süss.“
Ist es also nicht diese Gruppe Widersprechender, der
wir uns anschliessen möchten, so ist es doch die Gruppe,
welche die Art des beabsichtigten Ausbaues der Thürme
aus künstlerischen und kunsthistorischen Gründen be-
kämpft. Alexander Linnemann in Frankfurt a. M. hat es
in seinen herrlichen Entwürfen, die wir S. 229 veröffent-
lichten, nachgewiesen, ein wie ungleich reicheres und
harmonischeres Bild der Schlossberg von Meissen
darbieten könnte, wenn sein Dom nicht mit zwei Thürmen,
sondern mit drei Spitzen ausgebaut würde. Und als ein
überzeugungsvoller Kämpfer hierfür in künstlerischem und
kunsthistorischem Sinne ist lange schon Cornelius Gurlitt
in Dresden aufgestanden und hat auch in diesen Blättern
in dem angedeuteten Sinne mehrfach das Wort genommen.
Wir verweisen in dieser Beziehung auf die Ausführungen
im laufenden Jahrgange S. 225 ff., sowie auf den Vorent-
wurf zum dreitheiligen Ausbau der Thürme im Jahrgang
1898 No. 60.
Neuerdings nun ist von Cornelius Gurlitt eine hoch-
interessante Schrift: „Die Westthürme des Meissner
DomesJ)“ erschienen, welche ein reiches baugeschicht-
liches Material zur Begründung des von ihm nach unserer
Ansicht mit künstlerischem und geschichtlichem Recht
geforderten Ausbaues der Domthürme mit drei Spitzen
*) Mit 41 Abbildungen. Berlin, igo2. Verlegt bei Emst Wasmuth,
Markgrafenstrasse 35. Preis M. 1,50.
No. 56.
fördert werden sollen, ob die Bewegung auf Rollen oder
auf hydraulischen Schlitten den Vorzug verdient, durch
praktische Versuche entschieden werden möge. Bei den
österreichischen Kanalplänen ist der Trockenförderung
der Vorzug gegeben wegen der befürchteten grossen
Wasserstands-Schwankungen. Bei eisernen Schiffen mit
festem Deck sei eine solche Trockenförderung jedenfalls
zulässig. (Es ist allerdings die Frage noch nicht gelöst,
ob solche Schiffe nicht wesentlich schwerer werden, also
unwirthschaftlich sind.) Herr Gerdau hält eine Trocken-
förderung für bedenklich, die Frage bezügl. der senk-
rechten Schiffshebewerke durch den Erfolg des Henrichen-
burger-FIebewerkes dahin entschieden, dass die Konstruk-
tionen mit einem mittleren Druckwasserkolben als über-
holt anzusehen sind, Bezüglich der geneigten Ebenen giebt
er dem Entwurf der Firma Haniel & Lueg mit Gleit-
schlitten den Vorzug, während von österreichischer Seite
Wälzungsrollen vorgeschlagen sind.
Der General-Berichterstatter fasste sodann das Ergeb-
niss der Besprechung noch einmal kurz zusammen und
schlug vor, dass die anwesenden Berichterstatter und
Redner eine Resolution mit ihm aufstellen sollten. Diese
kam in der 3. Sitzung der Abtheilung zur Annahme. Sie
lautete; i. Die Kammerschleusen bleiben die einfachsten
und dauerhaftesten Einrichtungen zur Ueberwindung des
Gefälles der Kanäle. Die Sparbecken ermöglichen eine
beträchtliche Verminderung des Betriebswassers, ohne
dabei die Schleusungsdauer übermässig zu verlängern.
Die Bestrebungen zur weiteren Verminderung des Be-
triebswassers sind zu fördern.
2. Bei aussergewöhnlichen, auf kurzer Länge zu über-
windendenHöhenunterschieden bilden doppelte Schleusen-
treppen ein. genügendes Mittel zur Bewältigung eines
grossen Verkehrs, sobald reichliche Wassermengen zur
Verfügung stehen. Bei Wassermangel bilden iothrechte
Hebewerke eine durch dieErfahrung bewährte Einrichtung.
3. Geneigte Ebenen wurden bisher nur für kleine
Schiffe angewendet, es sind aber äusserst sinnreiche Vor-
schläge für geneigte Ebenen zur Beförderung grosser
Schiffe gemacht worden. Der Kongress empfiehlt, eine
solche geneigte Ebene sobald als möglich auszuführen
und in Betrieb zu setzen.
Die Beschlüsse sind also, wie das bei dem gegenwärtigen
Stande der Frage kaum anders zu erwarten, vorsichtig und
bezüglich der geneigten Ebene noch zuwartend gefasst,
bis durch einen Probebefrieb in grossem Maasstabe sichere
Grundlagen gewonnen werden.
Bezüglich der weiteren Fragen, welche die 2. Abth.
beschäftigten, kann nur kurz auf diejenige der „Schiff-
fahrtsabgaben" eingegangen werden. Hierzu lagen
8 Einzelberichte vor; General-Berichterstatter war Hr. Frhr.
V. Biegeleben, grossh. hess. Minist.-Rath in Darmstadt.
Die Meinungen gingen nicht nur in den Berichten, son-
dern auch in der nachfolgenden Erörterung ziemlich weit
auseinander. Man einigte sich jedoch schliesslich auf eine
Resolution, die wir nur auszugsweise wiedergeben. Sie
betont an erster Stelle, dass die Abgabe auf künstlichen
Wasserstrassen so niedrig gehalten werden muss, dass
die Schiffahrt dadurch nicht überhaupt unterbunden, es
ihr unmöglich gemacht wird, mit den Eisenbahnen zu
konkurriren; dass ferner in solchen Ländern, in welchen
die Schiffahrts- Abgaben gesetzlich oder nach den herrschen-
den Anschauungen nur die Mittel zur Deckung der Unter-
haltungs- und Betriebskosten, sowie der landesüblichen
Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals liefern dürfen,
bei der Abgabenbemessung auch die mittelbaren wirth-
schaftlichen Vortheile in Rücksicht zu ziehen sind. Die
dem Kongress vorgelegte Frage; „Kann durch Erhebung
von Schiffahrtsabgaben auf Binnenwasserstrassen und
Binnenhäfen die Deckung der Betriebs- und Unter-
haltungskosten, sowie einer massigen Verzinsung des
Anlagekapitals erzielt werden?“ wird dahin beantwortet,
dass unter entsprechenden Umständen dies wohl möglich
ist, allgemein aber nicht beantwortet werden kann. Aller-
dings ist dies Ziel in den letzten 50 Jahren nur selten
erreicht worden. Bei der Aufstellung der Rentabilitäts-
Berechnung einer künstlichen Wasserstrasse sind jeden-
falls die Baukostenantheile auszuscheiden, welche Zwecken
dienen, die, wie die Aufgaben der Landeskultur, die Be-
und Entwässerung der Schiffahrt ganz fremd sind.
Ausser den 3 Verhandlungs-Gegenständen lagen der
Abtheilung nicht weniger als 15 gedruckte Mittheilungen
vor über dieAnlage von Stauweihern, die Vervollkommnung
des mechanischen Schiffszuges auf Kanälen, Flussfahrzeuge
von geringerem Tiefgange als 75'=“^, Ausnutzung der Wasser-
kraft an Wehren, neuere Versuche über Schiffswiderstand,
insbesondere auf Kanälen, neuere badische Rheinhäfeii,
den Rheinhafen zu Krefeld, über hydrographische Arbeiten
in Preussen und Norddeutschland, Konjunktur und Binnen-
schiffahrt, Walzenwehre, insbesondere der neue Grund-
ablass in Schweinfurt, die österreichischen Wasserstrassen,
die Wasserversorgung bei den österreichischen Kanälen,
die elektrischen Anlagen der russischen Wasserstrassen
und Häfen vom ökonomischen und technischen Stand-
punkte, die Korrektur der Hunte unterhalb der Stadt
Oldenburg, die Bewegung des Wassers in den Strömen.
An diese Gegenstände knüpft sich noch an die Frage
des mechanischen Schiffszuges eine kurze Erörterung.
Dann werden die Verhandlungen der Abtheilung ge-
schlossen. — (Schluss folgt.)
Vermischtes.
Umbau der alten Eisenbahnbrücke über den Rhein bei
Mainz. Die in den Jahren 185g — 62 von der Vereinig-
ten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinen-
bau-Gesellschaft Nürnberg A.-G., Zweiganstalt
Gustavsburg bei Mainz, erbaute Eisenbahn-Brücke
darbietet. Wir folgen den Hauptsätzen der Schrift im Nach-
stehenden nahezu wörtlich: „Waren die frühromanischen
Kirchenbauten des Abendlandes breite, ungefüge Massen-
bauten, so läutete nach Dehio und von Bezold das
Kompositionsproblem für die Westfassaden in der späteren
Zeit: „Wie soll das Verhältniss der Thürme als relativ
selbständiger Körper zu der Stirnwand des Hauses aus-
gedrückt werden?“ Es geschah durch Lostrennen der
Thürme von der Stirnwand des Mittelschiffes und Ein-
schränkung der eigentlichen Fassade auf die dem Mittel-
schiff entsprechenden Wandabschnitte. Der Meissner
Dom ist ursprünglich als eine basilikale Anlage, als eine
Anlage mit hohem Mittel- und niederen Seitenschiffen
geplant. Die Kirche wurde mit den Westthürmen im
13. Jahrhundert angelegt; diese Theile entsprechen in
ihrer Grundanlage dem ersten Bauentwurf. Der grosse
Umschwung im Bau vollzog sich durch die Einführung
des Hallensystems anstelle des Basilikalsystems. Zu Ende
des 14. Jahrhunderts war das Langhaus als Halle fertig
gebaut, man baute am zweiten Geschoss der Thürme und
begann das neue Westthor. Am 16. Oktober 1412 wurden
Fenster, Thürme und Glocken durch einen Sturm hart
beschädigt; es ist nicht ausgeschlossen, dass der Sturm
auf den Mauerkörper einen so ungünstigen Einfluss aus-
übte, dass dieser theilweise wieder abgetragen werden
musste. Ein tiefgreifender Umschwung erfolgte durch
den Bau der Fürstenkapelle 1423—1425. Sie, umfasste das
eben vollendete Thor und verdeckte mit ihren Strebe-
pfeilern je eine Blende der beiden Thürme. Ihr First
12. Juli igo2.
über den Rhein (südliches Gleis) der Linie Frankfurt-
Mainz ist den Anforderungen, welche die schweren Fahr-
zeuge und grossen Geschwindigkeiten im Eisenbahn-Be-
triebe an Brücken-Konstruktionen heutzutage stellen, nicht
mehr völlig gewachsen. Während nun die 4 Stromüber-
bauten im vorigen Jahre der nothwendigsten Verstärkung
unterzogen wurden, beschloss die Eisenbahn-Verwaltung,
erreichte nicht die Höhe des Firstes über dem Langhausi
das sich nun besonders ungünstig an der Westfront
zwischen den beiden zerstörten Thürmen bemerkbar ge-
macht haben muss. Ist es nun möglich,, dass zwischen
dem Sturm von 1413 und der Nachricht aus des Fabricius
Annalen, dass 1479 drei Thürme erbaut wurden, der
Bauplan gewechselt und statt einer zweispitzigen eine
dreispitzige Anlage geplant wurde? Gurlitt nimmt nicht
ohne Wahrscheinlichkeit an, dass der Sturm von 1413 die
Meissner wohl belehrt habe, dass die Thurmanlage zu
schwach sei, um den Unbilden der Witterung zu trotzen
und dass sie sich daher kaum entschlossen haben dürften,
den einmal als mangelhaft erkannten Bau aufs Neue durch-
zuführen. Dazu kam die durch die Anlage einer Hallen-
kirche veränderte Sachlage. Der First des Schiffdaches
lag nach der alten, zweithürmigen basiiikalen Anlage 30“
über dem Kirchenfussboden, während der First des
Hallenkirchendaches bis zu 36™ Höhe anstieg. Es musste
somit die zweithürmige Anlage neben dem grossen Giebel
der Halle kleinlich erscheinen. Dazu kamen die Gründe
aus der Anwendung schwerer Glocken mit dem 35. Jahr-
hundert. Beide Gründe drängten zu einer massigeren
Thurmanlage im Westen. Wie die Abb. unten auf S. 357 zeigt,
wurde diese über dem Gesims, welche die beiden Thurmge-
schosse trennt, durchzuführen begonnen. Gurlitt belegt nun
diese Umbildung einer zweispitzigen in eine dreispitzige
Anlage mit einer grossen Reihe von Beispielen, von welchen
wir u. a. die Gumpertikirche zu Ansbach und St. Severi zu
Erfurt im Bilde S. 357 anführen. Das Ergebniss der ge-
359
die Fluthbrücken völlig auszQwechseln. Da diese Aus-
wechselung bei vollständiger Aufrechterhaltung des zwei-
gleisigen Betriebes und vom Standpunkte der Betriebs-
sicherheit nicht ganz unbedenklich und sehr schwer durch-
führbar gewesen wäre, da die neuen Konstruktionen eine
völlige Umänderung des Mauerwerkes erforderten, wurde
der Vorschlag der genannten, auch mit dem Umbau be-
trauten Firma angenommen, nur eingleisigen Verkehr
durchzuführen, dafür aber die ganze Auswechselung der
31 Fluthbrücken mit zusammen 628 «n Stützweite, darunter
6 Brücken von je 35m, 20 zu 16®, 2 zu 26“, je i zu 20,
18 und 8 “ Stützweite einschl. der Umänderung sämmt-
licher Pfeiler und der Auswechselung von 418“ Fussweg-
brticken in dem Zeiträume von 9 Wochen vorzunehmen.
Die Auswechselung der Brücken auf der rechten Rhein-
seite mit 582 ® und der auf der linken mit 46 m Fahrbahn-
Stützweite wurde nebeneinander , ausgeführt. Auf der
rechten Rheinseite sind die beiden Gleise durch 2 mäch-
tige Krahne, von je 40 1 Tragkraft überbrückt. Diese lassen
die Lichtprofile völlig frei und laufen auf den Schienen
eines durch eingerammte Pfähle und Trägerlagen gebil-
deten Fahrbahn. Der Antrieb der Krahne erfolgt elektrisch
von einer im östlichen Biückenthurme errichteten Zen-
trale .aus. Sowohl die Krahnlaufbewegung, wie die Hub-
und Katzenfahrbewegung erfolgt' durch je einen beson-
deren Elektromotor. Der Strombedarf dieser Motoren
beträgt für die Fahrbewegung 42 Amp., für die Katzen-
bewegung 28 Amp., für die Hubbewegung 57 Amp., bei
230 Volt Betriebsspannung. Durch passende Anhänge-
vorrichtungen werden die alten Brücken gefasst und auf
Wagen gehoben, welche auf dem neu verlegten Gleise
hinter den in Abbruch begriffenen Brücken aufgestellt
sind. Lokomotiven befördern die Brücken in das nahe-
liegende Werk der „Brückenbauanstalt Gustavsburg. In
umgekehrter Reihenfolge erfolgt das Einsetzen der vor
Beginn der Auswechselungs- Arbeiten im Gustavsburger
Hafen bereitgestellten Konstruktionen. Der ganze Arbeits-
vorgang des Aushebens einer alten bezw. Einsetzens einer
neuen Oeffnung erfordert 2 — 4 Stunden einschl. Verlegens
der Auflager. Das Gewicht der Mfeh Eisenkonstruktionen
beträgt etwa 600 das der neuen etwa liook
^ Bei den 3' kleinen Oeffnungen der Mainzer Seite
konnten so kostspielige Einrichtungen nicht Platz greifen.
Die Auswechselung wurde aber auch hier.' im Gänzen,
aber durch einfache, von Hand bewegte hölzerne Lauf-
krahne in ähnlicher Weise bewirkt. Die Arbeit wurde
am 22. Mai d. J. begonnen und ist zurzeit soweit vorge-
schritten, dass deren rechtzeitige Vollendung bis 24. Juli
zu erwarten ist. Am 15. Juli soll in Gegenwart einge-
ladener Behörden und Fachleute die Aushebung der letzten
Fluthbrücke und die Einsetzung des vorletzten neuen Joches
sich vollziehen. . Die ganze Arbeit , ist als . eine Leistung zu
bezeichnen, die einen weiteren Beweis des hohen Standes
der deutschen Brückenbautechnik liefert. —
Die Errichtung eines Denkmales für Eduard Jacobsthal
inform einer. Büste mit Sockel in den Räumen der Tech-
nischen Hochschule zu Charlottenburg, „an dieser Pfleg-
stätte architektonischen Studiums, das er während einer
zweiunddreissigjährigen Lehrthätigkeit mit treuester Hin-
gebung gefördert hat", ist von einer. Gruppe von Fach-
führten Untersuchung ist, dass wo die aus basilikalen
Anlagen stammenden Westthürme unmittelbar an Schiffe
herantfeten, welche zum Hallensystem ausgebäut wurden,
ein harter künstlerischer Konflikt entstand. In vielen
Fällen kommt es nicht zur Lösung desselben; wo sich
aber die Mittel dazu finden, erfolgt die Lösung in ver-
schiedener Form. Soweit es in spätgothischer und in der
Renaissance-Zeit überhaupt noch zu grösseren Thurm-
bauten kam, wurde die dreithürmige Anlage in Mittel-
deutschland zur eigentlich typischen Form der West-
fassaden neben der zumeist bei Neubauten angewendeten
einthürmigen Anlage. Sowohl die kunstgeschichtliche
wie die urkundliche Forschung ergeben mit grösster
Wahrscheinlichkeit, dass beim Westbau des Meissner
Domes um 1480 von einer zweithürmigen Anlage zu
einer dreithürmigen übergegangen worden sei. Die
dreithürmige^ Anlage ist auch die normale in dem in
Meissen vorliegenden Fall. • Wenn Arnold von Westfalen
wirklich der Meister der Meissner Domthürme war, so
durfte man bei seiner individuellen Kunstweise eine eigen-
artige und selbständige, ja eher eine geistreichelnde als
eine herkömmliche Lösung der Frage erwarten.
Die Frage bleibt nun noch offen, ob es in Meissen
zu einer stattlichen Ausbildung der Thürme kam, oder
ob man sich mit einem vorläufigen Zustande behalf. Die
urkundlichen Nachrichten- verlassen uns fast ganz und
bildliche Nachrichten aus der Zeit vor dem Brande von
360
genossen tmd Freunden des Entschlafenen eingeleitet. Ein
Aufruf zur Widmung von Beiträgen, welchen diese Nummer
unseres Blattes enthält, sei allen Freunden und Verehrern
des zu früh heimgegangeiien Meisters der Baukunst zur
Beachtung warm empfohlen, —
Preisbewerbungen.
Ein Wettbewerb betr. Entwürfe für ein neues Rathhaus
in Eberswalde wird für deutsche Architekten zum 15. Okt.
d. J. ausgeschrieben. Es gelangen 3 Preise von 3000,
2000 und 1500 M. zur Vertheiiung; ein Ankauf nicht preis-
gekrönter Entwürfe für je 500 M. ist Vorbehalten. Dem
Preisgerichte gehören u. a. an die Hrn. kgl. Brth. Fr.
Schwechten und kgl. Brth. Stadtbrth. L. Hoffmann,
beide in Berlin. Unterlagen gegen 3 M. durch ^den
Magistrat in Eberswalde. —
Ein Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für eine
höhere Töchterschule mit Seminar in Essen a. Ruhr wird
vom dortigen Ober-Bürgermeister als „Ideen-Konkurrenz“
für deutsche Architekten zum i. Nov. d. J. ausgeschrieben.
Es gelangen 3 Preise von 2000, 1500 und xooo M. zur
Vertheiiung; ein Ankauf nicht preisgekrönter Entwürfe
ist Vorbehalten. Unterlagen unentgeltnch durch das Ober-
Bürgermeister-Amt Essen. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Geh. Brth. Gerstner in Koblenz
und der Int- u. Brth. Schwenck in Frankfurt a. M. sind gegen-
seitig versetzt — Der Garn.-Bauinsp. Matte! in Münster ist z.
I. Okt. d. J. als techn. Hillsarb. zur Int. des V. Armee-Korps und
der Garn.-Bauinsp. Klein in Mainz als techn. Hüfsarb. z. Int. d.
XVIII Armee-Korps versetzt
Baden. Dem Ob.-Ing. Tegeler in Kehl ist die Amtsstelle
des Babnbauinsp. in Mannheim übertragen.
Die Wahl des Hofraths Prof. Dr. v. Oechelhäuser zum
Rektor der Techn. Hochschule in Karlsruhe für das Studienjahr
igoa.'os ist bestätigt worden.
Bayern. Der Bez.-Ing. Baumgärtel in Lindau ist wegen
fortdauernder Krankheit auf die Dauer von 2 weiteren Jahren im
Ruhestand belassen.
Versetzt sind: die Eiseob.-Ass. Iblher in München zur Gen.-
Dir. der Staatseisenb., Vorndran in Treuchtlingen zur Eisenb.-
Betr.-Dir. München, Hahn in Nürnberg nach Treuchtlingeu und
Straub bei der Gen.-Dir. zur Eisenb.-Betr.-Dir. Augsburg.
Bremen. Der Ing. Krohn ist zura Bmstr. bei der Strassen-
Bauinsp. ernannt
Preussen. Verliehen ist aus Anlass ihres Uebertritts in den
Ruhestand: Dem Kr.-Bauinsp. Geh. Brth. Jaeckel in Stolp der
Rothe Adler-Orden III. Kl. mit der Schleife,, dem Wasser-Bauinsp.
Brth. Siber in Königsberg i. Pr. der kgl. Kronen-Orden III. Kl.,
dem Kr.-Bauinsp. Brth. Wolff in Karamin und dem Wasser-
Bauinsp. Brth. Reimers in Rendsburg der Rothe Adler-Orden
IV. KL, dem Eisenb.-Telegr.-Insp. Klebe in Berlin der Char. als
Eisenb-'Dir. mit dem Range der Räthe IV. Kl.
Württemberg. Dem i. Dir. des Germanischen Museums in
Nürnberg v. B e z o 1 d ist das Ritterkreuz des Ordens der Württem-
berg. Krone verliehen.
Inhalt: Berliner Neubauten. No. 103. Wohnhaus Henning, Knesebeck-
Strasse 51. — Die Münchener Kunstgewerbe-AussteUung vom Jahre 1904.
— Zum Ausbau der Thürme des Meissner Domes. — Vom IX. Internationalen
Schiffahrts-Kongress in Düsseldorf (Fortsetzung). — Vermischtes. — Preis-
bewerbiingeii. — Personal-Nachrichten.
Verlag, der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
vcrantwortl. Albert Hofmänn, Berlin. Druck von Willi. Greve, Berlin.
1547 sind: bisher nicht aufgefunden worden. Der Meissner
Dom dürfte entweder- spitze Holzhelme wie die grossen
Kirchen des Nordens, oder Steinhelme von knapperPassung
wie die des Magdeburger Domes oder ein reiches, , durch.
Nebenthürme belebtes Bild wie das der Teinkirche in
Prag gehabt haben. Ein Entwurf für die Westfront von
St. Peter in Löwen von Joost Metsijs, den wir auf S. 357
wiedergeben, dürfte nach Gurlitt lehren, „dass in der
Hand eines selbständig denkenden Künstlers die drei-
thürmige Anlage zu hoher Vollendung durchgeführt
werden kann.“
Wir schliessen uns dieser Ansicht sowie der inter-
essanten Untersuchung Gurlitts und ihren Schlussfolge-
rungen völlig an. Nach unserem Gefühl wird das Bild des'
Schlossberges von Meissen ein ungleich künstlerischeres
und harmonischeres durch eine Thurmanlage mit drei
Spitzen, was auch schon die köstliche Baugruppe des
Domes und von St. Severi in Erfurt lehrL Die künst-
lerischen, Eindrücke, die der Beschauer hier.] empfängt,
sind so lebhaft und so überzeugend, dass wir glauben,
dass Schäfer nicht unerbittlich auf einem Standpunkte be-
harren wird, den der Markgraf Georg von Brandenburg-
Anspach, der in den kampferfüllten Reforniationszeiten
der Wende des 15. und 16. Jahrhunderts lebte, einmal in
einer Umschrift um eine Medaille einnahm, die lautete:
„Eh köpf ab, als von der lehr abstehn." — — H. —
No. 56.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 57. Berlin, den 16, Juli 1902.
Spri ngbrunnen- An lagen auf dem nördlichen Friedhofe.
Die neuen Münchener Friedhöfe.
Architekt: Städtischer Baarath Hans Grässel in München.
II. Der nördliche Friedhof in Schwabing.
(Hierzu die Bildbeilage von No. 54, sowie die Abbildungen S. 293, 295,
397p 30*1 34^p 344. 345. 3&4 und 363.)
„Gehet Ihr Christen durch freundliches
GrQn zum himmlischen Wege, sehet,
vergönnt ist Euch der Eingang durch
heitere Gärten; wenn Ihr's verdient,
wird Euch der Ausgang zum Paradiese.“
(Inschrift in der Vorhalle gegen das Gräberfeld.)
ie bereits in unserem Eingangs-Artikel S. 294
erwähnt wurde, besass München schon einen
alten nördlichen Friedhof an derArcisstrassc,
dessen Anlage durch das schnelle Wachs-
thum der Stadt um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts sowie durch das grosse Sterben der
Cholera-Epidemie des Jahres 1854 veranlasst war.
Die Arbeiten an ihm wurden 3867 begonnen und
es wurde daselbst am 8. Oktober 1868 die erste
Leiche bestattet. Das weitere Wachsthum der Stadt
durch Eingemeindungen und natürliche Zunahme der
Bevölkerung sowie die Zentralisirung des Beerdigungs-
wesens führten dann zur Anlage des neuen nördlichen
Friedhofes in Schwabing, welcher nach der Einver-
leibung der Stadt Schwabing im Jahre 1890 aus der
Erweiterung des alten Schwabinger Friedhofes her-
vorging. Die sämmtlichcn Gebäude des Friedhofes
sowie die Eintheilung des Gräberfeldes entwarf der
städtische Baurath Hr. Hans Grässel; unter seiner
Oberleitung wurde in etwa dreijähriger Bauzeit die
Anlage fertiggestellt; sie wurde am 6. Juni 1896 be-
gonnen und so gefördert, dass sie am 15. Nov. 1899
der Benutzung übergeben werden konnte.
Die Gesammtanlage des Friedhofes, insbesondere
die Eintheilung des Gräberfeldes und seine beabsich-
tigten Erweiterungen gehen aus dem Lageplan S. 295
hervor. Die Hauptaxe des Friedhofes zieht in süd-
östlicher Richtung senkrecht zur Ungerer-Strasse;
arallel mit dieser entwickeln sich die Hauptgebäude,
ie besteben in der Hauptsache aus einem mittleren,
die Anlage beherrschenden achteckigen Kimpelbau A,
welchem gegen die Strasse eine Vorhalle (S, 341) vor-
gelagert ist, zu deren beiden Seiten links Räume für
die katholische und die protestantische Geistlichkeit
— die Münchener Friedhöfe dienen diesen beiden Kon-
fessionen, was die Wahl des künstlerischen Schmuckes
nicht immer leicht machte, eine Schwierigkeit, die je-
doch mit grossem Taktgefühl bewältigt wurde — rechts
solche für die Verwaltung liegen. In der Queraxe
der Kuppelhalle, welche durch eine offene Vorhalle
(S. 301), an der seitlich Treppen liegen, zu dem Grä-
berfeld Zutritt gewährt, reihen sich die Leichenhallen an
und zwar zur Linken die Abtheilung für die Leichen,
welche nicht der allgemeinen Besichtigung zugänglich
gemacht werden sollen, weil dies die Anverwandten
nicht wünschen, zur Rechten die Abtheilung, in welche
die Friedhofsbesucher zur freien Besichtigung der
Leichen zugelassen werden. Die Anlage dieser
Leichenhallen ist eine dreitheilige; sie erinnert an die
basilikalen Kirchenanlagen. Sie zeigen einen hoch-
gezogenen Mittelraura, in welchem die Leichen (je
15 Leichen Erwachsener und 15 Kinderleichen) in einer
weiterhin noch zu erwähnenden Weise aufgebahrt
werden, einen gegen die Strasse davor gelegenen
Gang, durch welchen die Leichen eingebracht werden,
und einen gegen das Giebelfeld gelegenen breiteren
Gang für die Besucher. An diesen letzteren Gang
schliessen sich im rechten Winkel gegen das Gräber-
feld offene Rundbogenhallen an, die in Kuppelbauten
endigen (S. 293 und 36^) und welche die Wirthschafts-
räume verdecken, die an grossen, mit Mauern
umwährten Wirthschaftshöfen liegen. In den äusseren
Theilen derselben sind noch Hausgärten für die Be-
diensteten angelegt, während die Leichenwagen in
dieTheile der Vorhöfe einfahren, welche dem Kuppel-
bau zunächst liegen und durch Rondelle ausgezeich-
net sind. Hier können die Leichenwagen unmittelbar
vor dem Gang anfahren, von welchem aus die Leichen
in die Aufbahrungshalle gebracht werden. An die
Leichenhallen reihen sich, den gesammten ßaukörper
abschliessend, die Gruppe der Wohnräume für die
Bediensteten an. In dieser Anordnung ist die Anlage
eine ungemein übersichtliche und klare, eine im
besten Sinne akademische und zugleich eine solche,
welche für den Aufbau eine günstige künstlerische
Wirkung ermöglicht.
Der Aufbau nun, für welchen in freier Ausbildung
der frühchristliche Stil in edelster Auffassung gewählt
wurde, möge durch die Abbildungen zu uns sprechen.
Diese Sprache ist eine ungleich lebhaftere und ein-
dringlichere, als jede Beschreibung, eine so über-
wältigende, dass das Wort und sei es noch so beredt,
ohnmächtig gegen sie wird. Das Aeussere wie das
Innere tragen das weihevolle Gepräge ernsten religi-
ösen Zweckes und pietätvoller, poesiedurchtränkter
Empfindung. Unter dem Eindrücke einer in solchem
Maasse zu dem deutschen Gemüthe sprechenden
Stimmung verliert der Tod von dem Schrecken, mit
welchem die nordische Kunst ihn gern umkleidete
und nähert sich der anmutigeren Auffassung des griechi-
schen Alterthums. „Vergönnt ist Euch der Eingang
durch heitere Gärten; wenn Ihr’s verdient, wird Euch
der Ausgang zum Paradies,“ so lautet eine Inschrift
in der Vorhalle gegen das Gräberfeld.
Die ruhige Aneinandergliederung der Bauinassen,
die grosse Flächenwirkung, die einfache Formen-
behandlung, das bescheidene Zurücktreten des bildne-
rischen und farbigen Schmuckes, der gleichwohl doch
wieder zu voller Wirkung gelangt, rufen den feierlich
ernsten Gesammteindruck hervor, den die Anlage auf
den Beschauer macht. Sie ist auf einer Terrasse auf-
gebaut, durch welche sie aus der Geländehöhe der
Strasse und des Gräberfeldes herausgehoben ist. Der
Bau hat eine Frontlänge von io6“ und eine über-
bauteFläche von 2600 q®. Der Mittelbau ist von derBau-
linie um 4,5*”, die Leichensäle sind von ihr 5,5“ entfernt;
durch diese starken Vor- und Rücklagen erhalten die
Gebäude trotz ihrer strengen symmetrischen Anlage
eine lebhafte malerische Gruppirung, ohne dass indess
hierdurch der Eindruck der ernsten Monumentalität
beeinträchtigt würde. Der Kuppelbau entwickelt sich
aus dem Quadrat bis zu einer Hauptgesim'shöhe von
14,5“, seine äussere Seitenlänge beträgt 22,5®. Im
Inneren ist der Kuppelbau achteckig mit diagonal
angeordneten durchbrochenen Nischen, in welchen
die Leichen für die Feierlichkeit aufgebahrt werden,
ln seiner oberen Entwicklung (s. Beilage zu No. 54)
geht der Kuppelbau in die runde Form über und
empfängt seine Belichtung durch in den Seiten des
Achtecks liegende grosse Fenster. Sein oberer Ab-
welche, in der Richtung der Arkaden des Leichenhauses
in Halbkreuzform anschliessend, den architektonischen
Abschluss der Baugruppe gegen das Gräberfeld vollen-
den sollen. Die Anordnungen der Gruftanlagen sowie
die Herstellung der Grabstein -Fundamente für durch-
laufende und zweireihige Familiengräber zeigen die
beistehenden Abbildungen
Der künstlerische Schmuck des Aeusseren ver-
folgt in seinen durchgehends in Kalkmörtel aufge-
tragenen Reliefdarstellungen einen bestimmten Ge-
dankengang. Diese Darstellungen erstrecken sich über
die ganze Baugruppe und sind theilweise farbig gefasst
und vergoldet. Es sind dargestellt gegen die Strasse die
Vertreter des alten Testamentes, das Lamm Gottes, die
zu ihm wallenden Ab geschiedenen, Go ttV ater von Engeln
umgeben usw. Zwei sphinxartige lagernde Gestalten
aus schwarzem belgischem Granit, mit Hahnenköpfen
als dem Zeichen der Wachsamkeit, sollen den Ein-
tretenden mahnen, jederzeit zur Abberufung sich be-
reit zu halten. Die Aussenwände des Kuppelbaues
schmücken Darstellungen des himmlischen Friedens.
Der plastische Schmuck der Aussenseite der Vorhalle
gegen das Gräberfeld (S. 301) zeigt musizirende Engel,
Petrus mit dem Himmelsschlüssel, Johannes mit dem
Buch der Offenbarung und darüber Christus als Welt-
erlöser. Von dem Inneren der Vorhalle gewährt unsere
Grabstein-Fundamente, durchlaufende Form für zweireihige
Famihengr aber.
Schluss nach Aussen besteht in einem schlichten Zelt-
dach. Er wird von vier achteckigen thurmartigen Auf-
bauten begleitet, welche den Uebergang aus dem kubi-
schen unteren Mauerkörper in das Achteck hersteilen.
Das künstlerische Material für das Aeussere besteht aus
schlichten Putzflächen, einfacher Ziegelbedachung, spar-
samerWerksteinverwendung und angetragenem plasti-
schem Schmuck mit Inschriften. Die Gebäude sind auf
Fundamenten aus Kiesbeton in Backsteinmaüerwerk er-
richtet, welches durchgehends mit Kalkmörtel verputzt
ist; die Dächer sind mit gelbrothen Falzziegeln einge-
deckt; zu denHauptportalen und Säulen wurde gdblich-
weisser Donaukalkstein verwendet. Die Umgänge um
die Kuppelhalle und die offenen Säulengänge gegen
das Gräberfeld haben Balkendecken aus amerikani-
nischem Föhrenholz unter Verwendung von Göhring’-
schen Holzleisten erhalten. Vor den geschlossenen
Fassaden der Leichenhallen, die gegen das Gräberfeld
gewendet sind, wurden Postamente mit Vasen aus
.alkstein aufgestellt (s. Abbildungen S. 365).
Ueber die Eintheilung des. Gräberfeldes ist noch,
soweit sie nicht aus dem allgemeinen L,ageplan S. 295
hervorgeht, zu bemerken, dass unterhalb der Terrasse
ein freier Platz mit Blumenschmuck und Springbrunnen
angelegt wurde, welcher von grösseren Grabstätten
umgeben ist, die Gelegenheit zur Aufstellung-bedeuten-
derer Grabdenkmäler von künstlerischer Haltüng bieten,
Abbildung S. 341 ein Bild. Ueber dem Eingang zur
Kuppelhalle befindet sich das Lamm Gottes, zu beiden
Seiten ziehen sich die Medaillons der 12 Apostel hin.
Säulen aus verschiedenfarbigem Marmor (Cipolino,
Bardiglo, Untersberger) tragen auf reichen Kapitälen
die symbolischen Gestalten Glaube, Liebe, Hoffnung.
Die Kuppelhalle (Beilage zu No. 54) erhält ihreHaupt-
gliederung durch 8 Pfeiler und 16 Nischensäulen,
wieder aus verschiedenfarbigem Marmor (Florentiner,
Belgischer, Adneter und Smyrna-Marmor); über den
mit Stuckmarmor in Violett, Grün und Schwarz be-
kleideten, Wandflächen zieht sich ein Relieffries mit
symbolischen Darstellungen der Herrlichkeiten des
himmlischen Jenseits hin; in den Gewölbezwickeln
stehen auf vorkragenden Konsolen 8 Engelgestalten.
Im Vestibül der Vorhalle gegen das Gräberfeld bildet
der Weinstock das Motiv des Schmuckes. Auf den
Gewölben der beiden Kuppelbauten, welche die Ar-
kaden abschliessen, sind Christus -zu Pferd als ein-
ziehender König der Herrlichkeit und die Kreuzes-
erhöhung dargestellt. Die sämmtlichen plastischen
Arbeiten stammen von Hrn. Bildhauer Bruno Diamant;
die in Caseintechnik ausgeführte Bemalung der Kuppel-
schale derHallefürTrauerversammlungen, dann die Be-
malung der Vorhalle und der Kuppeln der beiden Ar-
kaden-Pavillons führteHr. Kunstmaler CarlDöttl, beide
in München, aus. Ueber dem äusseren Umgang der
362
No. 57.
grossen Kuppe], welcher' den gewöhnlichen Verkehr
leitet, befinden sich, für die Trauerversammlung un-
sichtbar, Musik und Sänger, deren Töne durch die
runden Oeffnungen der in die Dreitheilung einge-
setzten Platten dringen und die Feierlichkeit des musi-
kalischen Theiles der Beerdigungsfeiern zu ergreifen-
der Wirkung steigern. —
Noch ein kurzes Wort über die Aufbahrung der
Leichen im Leichenhause vor der Beerdigung. Nach
einer ortspolizeilichen Vorschrift vom i. Juli 1862,
welche am 2. Juli 1898 erneuert wurde, muss in
München nach ansteckenden Krankheiten der Todte
längstens binnen 6 Stunden, bei nicht ansteckenden
Krankheiten längstens binnen 12 Stunden nach fest-
gestelltem Tode in das Leichenhaus verbracht werden.
Ausnahmen sind durch den Magistrat besonders zu
bewilligen, werden aber in nur seltenen Fällen nach-
gesucht. Es ist dies eine Anordnung, die auch in
Berlin und in zahlreichen anderen Städten Deutsch-
lands besteht, in Frankreich, Italien und anderen
Ländern aber noch nicht. Gründe der Pietät dürften
es in erster Linie sein, welche gegen die Vorschrift
sprechen und diese hier verhindert haben; man will
den Todten so lange besitzen als irgend möglich. In
den südlichen Ländern kommt als weiterer Umstand
hinzu, dass die Frist bis zur Beerdigung der Leiche über-
haupt nur 2 Tage und weniger beträgt. Gleichwohl sind
mit diesem Brauch gesundheitliche Unzuträglichkeiten
verknüpft, die insbesondere bei beschränkten Woh-
nungsverhältnissen in die Erscheinung treten und
nicht allein für die ärmeren Bevölkerungsschichten die
in Deutschland eingeführte Maassregel als eine will-
kommene Erleichterung erscheinen lassen. Während
nun andere Städte Leichenaufbewahrungshallen nur
für die ärmeren Volksklassen und zur Benutzung bei
besonderen Anlässen besitzen, und während die
älteren Münchener Friedhöfe Leichenhäuser besitzen,
in welchen die Todten in mehreren Reihen hinter
einander liegen, wodurch eine Besichtigung erschwert
wird, ist bei den neuen Friedhöfen die Aneinander-
reihung der aufgebahrten Leichen in nur einer Reihe
getroffen, aber doch wiederum getrennt in solche
Leichen, deren Familien die öffentliche Besichtigung
zulassen und in solche, deren öffentliche Besichtigung
hiclrt gewünscht wird. Die Aufbahrungshallen sind dem-
nach räumlich getrennt in solche für nicht allgemeine
und solche für allgemeine Besichtigung. Beim nörd-
lichen Friedhof liegt die erstere Halle links der
Kuppelhalle, die andere rechts derselben.
Für die Aufbahrung nun wurden früher mit Blech
beschlagene Holzpodien verwendet, welche aber der
durchsickernden Flüssigkeit nicht Stand hielten. Grassel
führte daher sehr sinnreich gestaltete Steinsarkophage
aus polirtem künstlichem Granit ein, deren Formen
aus den Abbildungen S. 364 hervorgehen. Sie werden
in 3 Grössen verwendet: für kleinere und grössere
Kinderieichen , sowie für Erwachsene; die Kinder-
leichen werden zu je zweien nebeneinander aufge-
bahrt, die Erwachsenen allein. Leicht zu handhabende
Vorrichtungen gestatten, der Leiche eine ähnliche
Lage und -Neigung zu geben, wie sie dieselbe auf
dem Sterbelager haben würde. Am Kopfende jedes
Sarkophages befinden' sich • Kerzenständer -F' ünd-dic
Namenstafel zu den^Seiten -laufen- die Blumen-
kästen D hin..-. Das Triebwerk für -die. Herstellung
der gewünschten Neigung ist aus dem Längsschnitt
des Sarkophages für Erwachsene, der auf den Rollen B
beweglich ist, ersichtlich. Der gesammte Eindruck die-
ser Art von Schaustellung der Leichen ist, wenn man
sich überhaupt einmal mit derselben befreundet hat und
namentlich wenn, wie üblich, reicher Blumenschmuck
hinzutritt, ein ungemein würdiger und feierlicher.
Dem leitenden Architekten standen bei; der Aus-
führung der Gebäude in erster Linie zur Seite Hr. Arch.
Georg Z eitler undHr.Bfhr. HaosSchweiger. An den
Bauarbeiten waren die folgenden Firmen und Gewerks-
meister — soweit nicht anders angeführt aus München —
betheiligt: Carl Libotte für die Gründlings- und Aug.
Hock für die Maurerarbeiten; die Steinmetzarbeiten
hatten F. X. Will und die Granitwerke Blauberg.
Die Zimmerarbeiten' führten Georg Maier und Barth.
Lochner, die Spänglerarbeiten und die Blitzableitung
Hans Scherbauer aus; die Eisenlieferung hatte J.
Ungerer. In die Schreinerarbeiten theilten sich
J. Zugschwert, J. B. Dietrich, Seb. Riesemann
und Al. Siegel, Chr. Külken in Geestemünde führte
die Balkendecken der Säulengänge aus; in dieSchlosser-
arbeiten Fr. Grohmann, Gottfr. Schweisgut, M.
Kröninger, Fr. Höck und Jos. Haindl. An den
Glaserarbeiten waren M. Buchmaier und F. S.
Riepold; an den Maler- . und Anstreicherarbeiten
Barth & Cie., Schmidt & Cie., J. Wagners Nachf.,
A. Kemmeter, Ant. Meyer und Arn. Gschwind;
an den Stukkaturarbeiten Rappa & Giobbe und
Jos. Gianna betheiligt. Die Bildhauerarbeiten führte
Bruno Diamant, die Rabitzarbeiten M. Steinmetz,
die Terrazzo- und Zementböden J. Gianna und Joh.
Odoricoaus,währenddieRiemenbödenIgn.Bachruch
legte. Die Tapeziererarbeiten wurden von H. Müller,
Fr. Hinterleitner und G. Kronenbitter, die Ent-
wässerungs-u.Klosetanlagen von Pfister & Schmidt,
dieVentilationsanlagenvon Gebr. Rusp ausgeführt. Die
Ausstattung des Sezirsaales.war -an E. Koch in Frank-
furt a. M. und an Franz Hemm, die Lieferung der
elektrischen Läutewerke an E. Klotz, der Uhren an
die Joh. Mannhard’sche Thurmuhrenfabrik, die Ar-
beiten für das Gewächshaus an P. Katz und R. O.
Meyer übertragen; die Hafnerarbeiten übernahmen
Ant. Roth und Al. Lommer. Die Marmorsäulen
stammen aus den Brüchen von Kiefer in Kiefersfelden,
die Kalksteinsäulen aus denen von C. A. Lang in
Kelheim.
Was nach den Entwürfen Grassels und unter der
Mitwirkung seiner künstlerischen und technischen Mit-
arbeiter sowie der vorstehenden zahlreichen Firmen
und Gewerksleute hier geleistet wurde, steht in der
Geschichte der neueren Monumental-Baukunst Bayerns
mit an erster Stelle. ; Eine Gesainrnt-Würdigung der
Bauwerke vom künstlerischen Standpunkte aus und
eine Besprechung ihrer Stellung gegenüber den Be-
strebungen der Baukunst unserer Tage behalten wir
uns bis nach dem Abschluss, der Wiedergabe der
Werke vor. •—
Albert Hofmann.
Vom IX. internationalen Schiffahrts-Kongress in Düsseldorf.
(Schluss.)
ieAbth. II für Seeschiffahrt tagte unter dem Vor-
sitz der Herren von Dömming, Ob.-Baudirektor in
Berlin, und Sartori, Geh. Kommerzienrath in Kiel.
Die zur Berathung stehenden 3 Fragen lauteten:. „An-
lage und Unterhaltungskosten eiserner und_höL
zerner Schleusenthore," „Verkehr mit See-
prähmen (Seeleichtern)" und „Dockanlagen".
Generalberichterstatter -ln- der i. Frage war Hr. Geh.
Ob.-Brth. Fülscher-Berlin. Es lagen 5 gedruckte Einzel-
berichte vor aus Deutschland, Belgien, Holland, Frank-
reich, England, die sich theils für Eisenthore, theils für
Holzthore aussprachen. Auch der Gedanke,. Thore aus
gemischtem Material auszuführen, bei denen die dauernd
.unter Wasser liegenden, also nicht der Fäulniss aus-
gesetzten Theile aus Holz, die oberen dagegen aus Eisen
16. Juli 1902.
herzustellen seien, wurde vertreten. Der Generalbericht-
erstatter giebt eine Uebersicht über die verschiedenen zu
Tage getretenen Anschauungen und schlägt folgende
Resolution vor, die auch zur Annahme kommt (N.B. ein
auf die Thore aus gemischtera Material gemachter Zu-
satz fällt) :
1. der Kongress erklärt, dass über die Frage, ob für
den Bau von Schleusenthoren Holz oder Eisen vorzu-
ziehen ist, eine allgeraeih"'giltige Entscheidung nicht ge-
troffen werden kann.
2. Die Frage wird sowohl von wirthschaftlichen, wie
von technischen Gesichtspunkten von Fall, zu Fall nach
Lage der besonderen Verhältnisse zu prüfen sein.
3. Bei grossen. Schleusenweiten spricht zu Gunsten
der eisernen Thore, dass sie leichter in der nöthigen
363
Stein-Untersarg für kleinere Kinderleichen. 1:40.
Leichenhalle.
Stein-Untersarg für die Aufbahrung Erwachsener.
Maasstab 1:30.
A. UntersBTg in einem Stück aus polirtem künstlichen
Granit
B Fussrollen.
C. Zum Aus- und Einschieben gerichtete y-Eiscn als
Unterstützung für Blumenkästen.
D. Bewegliche Blumenkästen.
E. Doppmi bewegliche Bühne zur Aufnahme des Sarges.
F. Kerzenstander.
G. Tafel für die Namensinschrift.
Seitenansicht.
Vorder'AnsicW.
Seden -AnsicKl.
LangsnseViTiiH
Die neuen Münchener Friedhöfe.
Architekt: Städt. Baurath Hans Grässel in München.
Der nördliche Friedhof in Schwabing.
LangenschniU.
Vorderansicht.
Stein-Untersarg für grössere Kinderleichen.
5^^
Vorder -AnsicKl.
LängmscKnill.
Haltbarkeit und Steifigkeit herzustellen sind, ferner, dass
sie im Betriebe leichter und mit grösserer Geschwindig-
keit bewegt werden können, endlich, dass sie in kurzer
Zeit und mit geringerem Kostenaufwande auszuheben
und einzusetzen sind, als Holzthore.
Bezüglich der 2. Frage des „Verkehrs mit See-
prähmen“ lag die General-Berichterstattung in der Hand
des Hm. Ob.-Brth. Hermann in Münster. Hierzu waren
5 Eiuzelberichte eingegangen. Aufgrund der Berichter-
stattung und der Verhandlungen kam man zu dem Er-
No. 57.
364
gebniss: dass der Gebranch von Schleppschiffen für den reiches, mit zahlreichen guten Abbildungen versehenes,
Verkehr von ausserordentlicher Wichtigkeit ist und durch vornehm ausgestattetes Werk »Der Rhein von Strass-
keine besonderen Abgaben bei Benutzung der Wasser- bürg bis zur holländischen Grenze in technischer
Strassen und Häfen beschränkt werden darf, dass die und wirthschaftlicher Beziehung",*) sowie eine
Kanal-Seeschleppschiffe sich den Abmessungen der Ka- Schrift über »Die Entwicklung der preussischen
näle anpassen müssen, dass es jedoch anzustreben ist, Wasserstrassen*,**) beide bearbeitet im Aufträge des
den unmittelbar zur See
führendenWasserstrassen
eine Mmdesttiefe von 3“
bei entsprechender Breite
zu geben, schliesslich dass
die Verwendung von See-
Schleppschiffen keinen
Ersatz für Wasserwege
im Binnenlande bietet.
Als 3. Verhandlungs-
Gegenstand wurde die An-
lage und Ausbildung von
„Docks“, d. h. zu Schiff-
bau- U- Reparaturzwecken
erörtert, lieber die ein-
gegangenen vier Sonder-
berichte erstattete Hr.
Geh. Admiralitäts - Rath
Franzius in Kiel Be-
richt. Die Verhandlungen
führten zu dem Ergeb-
niss: dass Trocken-
docks wegen ihrer Ein-
fachheit, Sicherheit und
Dauer fast immer vorzu-
ziehen seien, falls die An-
lagen als Tüeil eines Ha-
fens dem allgemeinen
Schiffahrts-Interesse die-
nen sollen; dass für die
Reparatur sehr grosser
Schiffe nurTrocken- bezw.
Schwimmdocks infrage
kommen könnten. Keiner
der beiden Formen kann
der Vorrang vor der ande-
ren zugesprochen werden.
Der Abtheilung lagen
ausserdem noch ir Mit-
theilungen im Druck vor
über: Spülung von See-
häfen, Schutz der Leucht-
feuer, Bauart, Leistungen
und Kosten von LöfTel-
und Greifbaggern, Fort-
schritte auf dem Gebiete
des Seezeichenwesens ,
neuere Versuche über
den Schiffswidersland im
freien Wasser, Bagger-
arbeiten im St, Peters-
burger Seekanale und
seinen Häfen, Seekanäle
in den Mündungen des
Dniepr und Bug, der
Kaiser Wilhelm -Kanal,
Betriebs-Erfahrungen und
-Ergebnisse, Häfen an der
Westküste Portugals, Bau
eines Hafens in der Bucht
von Monaco, Beseitigung
vonSandbarren durch Be-
nutzung der Stromkraft.
Wie schon bemerkt
wurde, war mit dem Kon-
gress eine Ausstellung von
Zeichnungen und Model-
len von wasserbaulichen,
mit den Berathungs- Ge-
genständen in Beziehung
stehenden Ausführungen
und Plänen in einer Reich-
haltigkeit verbunden, wie
sie kaum ein früherer
Schiffahrts-Kongress auf-
zuweisen hatte. Der von
der Kongressleitung auf-
gestellte Katalog, der eine Reihe schätzenswerlher An-
gaben über die Gegenstände enthielt, wies nicht weniger
als 309 Nummern auf. Verschiedene der Aussteller hatten
ausserdem besondere Druckschriften herausgegeben, die
zur Vertheilung kamen. Als besonders werthvolle Er-
gänzung wurde den Kongress-Theilnehmern ein umfang-
Säuleahalle gegen das Gräberfeld.
Postamente vor den südlichen Leichenhallen.
Die neuen Münchener Friedhöfe. Arch.: Städt. Brth. Hans Grässel.
Der neue nördliche Friedhof in Schwabing.
HerrnMinistersderöffentl.
Arbeiten überreicht.
Besonders reichhaltig
war die Ausstellung der
preussischenWasser-
bau-Verwaltung, der
Hansastädte Bremen
und Hamburg, der vom
Zentralbureaufür He-
bung der deutschen
Fluss-undKanalschiff-
fahrt veranstalteten Sam-
melgruppe deutscher Pri-
vataussteller, der öster-
reichisch-ungarisch.
Gruppe, in welcher sich
Staat und Privatindustrie
vereinigt hatten, sowie des
Minist, der öffentl. Arb.
von Argentinien, welch
letztere erkennen Hess,
dass dort in zielbewusster
Weise mit dem Ausbau
der Häfen und Wasser-
strassen vorgegangen
wird; Belgien, Dänemark,
England, Italien, Norwe-
gen, Mexiko, Spanien
hatten nur wenige Num-
mern beigebracht.
Das DeutscheReich
war vertreten durch die
vom Kanalamt in Kiel
ausgestellten, schon be-
kannten Pläne undModelle
vom Kaiser-Wilheim-Ka-
nal, sowie durch inter-
essante Modelle der kais.
Werft in Kiel von der
zum Bau der beiden
Trockendocks in Kiel be-
nutzten Taucherglocke,
sowie der Docks selbst.
Die Taucherglocke zeigt
die ungewöhnlichen Ab-
messungen von 42 zu 14m
Höhe des Arbeitsraums
2,5“, darüber ein Ballast-
raum von gleicher Höhe
mit besonderem Ballast-
zyünder. Das Ganze ist
mit 20 Tragstangen an
einer schwimmenden, auf
2 Schiffen aufgestellten
Rüstung aufgehängt. Die
Taucherglocke war mit
2 Personenschleusen,
2 doppelten Material-
schleusen und I Beton-
schleuse ausgerüstet. Der
gesammte Betrieb der
Maschinen erfolgte auf
elektrischem Wege. Die
Arbeiten sind bekanntlich
beendet. Die völlige
Trockenlegung des Docks
bereitete Schwierigkeit.
Die Ausstellung der
preussischen Wasser-
bau-Verwaltung glie-
derte sich in die Vor-
führungen der Zentralbe-
hörde, welche die werth-
voUen Sympher’schen
Karten der deutschen
Wasserstrassen ausstellte,
der Landesanstalt für Ge-
wässerkunde, welche die bekannten Arbeiten des Hoch-
*) Unter Benutzung amtlicher Quellen im Auftr. d. Hrn. Minist d.
OffentL Arbeiten bearbeitet im FrOhjahr i9(» von E.Beyerhaus, Wasser-
bauinsp. b. d. kgl. Rheinstrom-Bauverwaltung in Koblenz.
**) Bearbeitet im Minist d. öffentl. Arbeiten durch Brth. Roloff und
Wasserbauinsp. Bergius unter Benutzung von Bericblen der zuständigen
Strombau-Bebörden.
16 Juli 1902.
365
Wasser- Ausschusses vor kurzem übernommeii h'at unid
zur Auslage brachte, des Bureaus für die Haupt-Nivelle-
ments . und Wasserstands - Berechnungen und schliess-
lich die Ausstellungen der einzelnen Provinzen. Ost-
preussen trat namentlich mit dem Königsberger See-
kanal und einigen Hafenerweiterungen, Westpreussen
mit den Arbeiten an der Weichsel auf. Die Provinz
Brandenburg interessirte, besonders durch die'Prahe ünd'
Modelle zur 2. Schleuse bei Wernsdorf mit Hotopp’schen
Hebern und durch die Pläne der im Bau begriffenen Ver-
suchsanstalt für Wasserbau und ßchiff ahrtauf der Schleusen-
insel im Thiergarten zu Berlin.' Die auf 365000 M. veran-
schlagte Anstalt, die zum Frühjahr 1903 eröffnet werden soll,
ist zu wasserbaulichen Versuchen jeder Art, besonders
für solche bestimmt, die auf die Bewegung des Wassers
und der Geschiebe Bezug habpn, ferner für die Tarirung
der Apparate zur Messung der Wassergeschwindigkeit, die
Messung der Schiffswiderstänjde usw. Sie ist in erster
Linie zur Benutzung der preuäsischen Wasser- ün’d Melio-
rationsbau-Verwaltung, der technischen Unterrichts-Ver-'
waltung und der deutschen Reichsmarine' bestimmt, soll
aber auch anderen Behörden ,und Privaten für Versuchs-
arbeiten zugänglich sein. Schlesien war durch' eine
reichhaltige Sammlung der auf die Verbesserung der
oberen Oder und die damit im [Zusammenhänge stehenden
Arbeiten, der ausgeführten uind zu erweiternden Häfen,
der Anlagen bei Breslau usw.' vertreten, Sachsen hatte
Eisbrechdampfer-Modelle ausgestellt, H anno ver Brücken,
Pläne, Photographien und Modelle von der kahalisirten
Fulda, darunter eine verbesserte Form des Nadelwehrs,
Pläne und Einzelheiten vom Hafen in Emden und Harburg,
letztere mit den geplanten umfangreichen Erweiterungen.
Westfalen trat mit den Plänen und Modellen vom
Dortmund-Ems-Kanal hervor,, während die Rheinpro-
vinz auf ihre Sonderausstellung in der Abtheilung für
Bauwesen der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung ver-
weisen konnte.
Baden hatte durch die Generaldirektion der Staats-
eisenbahnen den Rheinhafen zu Kehl ausgestellt, der nach
völligem Ausbau etwa 9 Millionen Mark kosten wird,
Bayern Pläne vom Rheinhafen zu Ludwigshafen und be-
merkenswerthe Modelle. Unter letzteren ist namentlich der
Verschluss des 18™ weiten Grundablasses vom Mainwehr
zu Schweinfurt mit 3,2 “ Stauhöhe hervorzuheben, ein Hohl-
zylinder mit schnabelförmigem Ansatz, der auf .gezahnten ,
geneigten Auflagerflächen mit Stahlseilen aufgezogen
bezw. abgelassen wird. Der seit Ende April d. J. in Be-
trieb stehende Verschluss ist von der „Vereinigten
Maschinenfabrik Nürnberg und Augsburg" ent-
worfen und ausgeführt'. Bremen führte seihe Hafen-
anlagen in Bremen, mit den in Ausführung begriffenen
Erweiterungen, ferner in Bremerhaven und die Arbeiten
bei der Korrektion der UnteR und Aussen-Weser vor,
Hamburg ebenfalls die Entwicklung seines Hafens, Kai-
anlagen, Leuchtthürme usw., Lübeck sein Hauptwerk,
den Elbe-Trave-Kanal.
In der Sammelgruppe des Centralvereins für
die Hebung der deutschen Fluss- und Kanal-
schiffahrt hatten sich der Ber-Iiner Verein mit Plänen
und Veröffentlichungen von deutschen und -österreichisch-
ungarischen Wasserstrassen, der Verein für Hebung der
Fluss- und Kanalschiffahrt in Bayern mit seinen be-
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- u. Ing.-Verein zu Bremen. Zur Vorbereitung für
eine im Mai stattgehabte Besichtigung der Erweiterungs-
bauten des städtischen. Wasserwerkes gab in der
Mai-Versammlung Hr. Obering. E. Götze einen inter-
essanten Ueberblick über die ne.u,erdings bei der Anlage
der Filterbecken vorgenommenen Verbesserungen. Der
zunehmenden Wasserabgabe entsprechend, die von 9000
stärkster Wasserlieferung in 24 Stunden des Jahres 1876
auf 20oooct>® im Jahre, 1892 und auf 34 000 cbm igoi ge-
stiegen ist, muss das Brethische Wasserwerk stetig er-
weitert werden. Das Filterwerk, das vor 32 Jahren mit
etwa 2000 qm Fiiterfläche angelegt wurde, hat jetzt 13000 qm
Fläche, und diese wird z. Zt. um rd. 6000 qm ^ d. h. um
5 Filter erweitert. Von diesen 19 000 qm sollen aber 2000
zur Erweiterung des Reinwasserkellers verwendet werden,
so dass alsdann 17 000 qm nutzbare Fläche vorhanden sind.
Die alte Bauweise, nach der Boden und Umfassung der
Filterbecken mit gestampftem Thon' in etwa 0,5 m Stärke
umhüllt und dicht gemacht wurden, ist bei dieser Er-
weiterung verlassen worden. Der Thon bewährt sich
nämlich bei nicht absolut festem Baugrunde nicht als
Dichtungsmittel und hat bei eingetretenen Undichtheiten
den Nachtheil, dass die Fehlstellen nur schwer aufzufinden
366
kannteren Plänen, namentlich des Donau-Main-Kanales,
sowie zahlreiche Stadtverwaltungen wie Breslau, Köln,
Krefeld, Dortmund, Karlsruhe, Leer i. Ostfriesl.,
Magdeburg, Mannheim, Münster!. W., Offenbach,
Stettin, Strassburg., Worms mit ihren Hafenplänen
■ausserdem noch Verschiedene Private zusammengefunden.
Unter den deutschen Sonderausstellern traten naraent-
, lieh die Hrn. Brth. Havestadt & Contag mit Plänen
und Aufnahmen von dem in ' Ausführung begriffenen
Teltow-Kanal, mit verschiedenen anderen Entwürfen und
dem bemerkenswerthen Modell eines Walzen-wehres nach
dem Entwürfe von Zivil-Ing. R. Köchlin in Paris hervor,
das bei der Nutzbarmachung der Wasserkräfte des Rheins
bei Mülhausen i. E. nach dem gemeinsamen Entwürfe
der drei genannten Ingenieure zur Anwendung kommen
soll. Der bewegliche Theil der 26,60“ weiten Wehr-
öffnungen wird von einem Hohlzylinder gebildet,, der sich
gegen die Wehrpfosten stützt und an denselben, durch
Kabel geführt, 'senkrecht auf- und abrollt.
Besondere Aufmerksamkeit zog die Ausstellung
Oesterreich-Ungarns auf sich, und zwar namentlich
• in demjenigen Theile, welcher die geplante Donau-
Moldau - Elbe - Wässerstrasse in Plänen und Mo-
dellen behandelte. Hier hatten sich das Donau-Moldau-
Elbe-Kanal-Comite in Wien, die Kommission für die
Kanalisirung des Moldau- und Elbeflusses in Böhmen,
Prag, und die 6 vereinigten Maschinenfabriken zusammen-
gefunden, die sich namentlich mit der Frage der Aus-
bildung der Schiffshebewerke als geneigte Ebenen bei
Stützung des Troges mit Wälzungsrollen beschäftigen.
Alles in Allem bot die Ausstellung einen reichen Stoff
des Wissenswerthen und Lehrreichen, sodass nur be-
dauert werden kann, dass das Material nicht für längere
Zeit zusammenbleiben und weiteren Kreisen zugänglich
gemacht werden konnte.
Ara 4. Juli fand nach Schluss der Abtheilungs-Sitzungen
eine letzte Plenarsitzung statt, bei welcher zunächst ein
Danktelegramm des Kaisers verlesen wurde und die
Beschlüsse der Abtheilungen vorgetragen und angenommen
wurden. Es folgten dann Ansprachen der Vertreter der
fremden Regierungen und Schlussworte der beiden Präsi-
denten des Kongresses, welche in einem Dank an die
gastliche Stadt Düsseldorf und in einem Hoch auf den
Protektor des Kongresses -ausklangen. Am Nachmittage
bildete ein Festmahl der Stadt in den Räumen der Ton-
halle den glänzenden Abschluss des Kongresses. Das Er-
gebniss des letzteren besteht, wie das in der Natur der
Sache liegt, weniger in positiven Beschlüssen, als in der
trefflichen Üebersicht, die über das ganze Gebiet der zur
Verhandlung stehenden Fragen durch die Berichte gegeben
wurde, in' der sachgemässen Gegeneinanderstellung der
verschiedenen Anschauungen und in einer Fülle neuer
Eindrücke und Anregungen, die nicht zum kleinen Theile
auch auf den vielen Besichtigungen gewonnen wurden,
die während und nach dem Kongresse nach Barmen-
Elberfeld, Ruhrort-Duisburg, nach Dortmund und dem
Hebewerk bei Henrichenburg, nach Essen, nach Köln,
nach Remscheid und Müngsten und schliesslich nach dem
Kaiser Wilhelm-Kanal und den Hansestädten veranstaltet
und von den in Frage kommenden Behörden, Stadt-
verwaltungen und Privaten in entgegenkommendster Weise
unterstützt wurden. — FF
sind. So sind schon seit einer Reihe von Jahren undichte
Fehlstellen des Bremer Werkes so gedichtet worden, dass
ift den Umfassungen das Mauerwerk durch Anwendung
sehr guter Mauersteine und Klinker in Zementmörtel i : 2,
die Sohle aber durch Asphalt undurchlässig gemacht wurde.
• Die neuen Filter wurden zunächstmit einer durchgehen-
den Betonsohle u.gemauertenUrafassungswändenkonstruirt,
die in der Eiszone Klinkerverblendung erhalten sollten.
Von dem ursprünglichen Bauplane wurde jedoch aufgrund
eines Angebotes der Firma Aktien-Gesellschaft für
Betonbau Diss & Co. in Düsseldorf, in einigen Punkten
abgewichen, weil die darin vorgesehene Bauweise der
Umfassungen bei sehr viel geringeren Baukosten gleiche
Sicherheit gegen die Eisbeanspruchung versprach. — Die
Filterbecken sind 45“ lang, 26,80“ breit, haben an den
Umfassungen 2,80“, im übrigen eine grösste Tiefe von
3,50 “. Die Fundamentplatte ist eine flache, nach den Um-
fassungen hin hochgezogene Schale von 60 Dicke und
entsprechender Verstärkung unter den Umfassungen; eine
doppelte Eiseneinlage von Bandeisen erhöht ihre Festig-
keit. Die Herstellung erfolgte aus 1 Th. Zement, i Th.
Trass, 0,25 Th. Fettkalk und 14 Tti. Kies mit Sand. Durch
einen Asphaitestrich von 25 ““ Dicke, der ringsum in einen
Falz der Umfassung fasst, ist sie gedichtet. Die Masse
der Umfassung besteht aus Beton gleicher Mischung und
' No. 57.
ist nach innen gedichtet durch eine gleichzeitig mit dem
groben Beton hochgestampfte Verblendung in Mischung:
I Th. Zement, r Th. Trass und 2 Th. Sand. Diese Ver-
blendung hat sich ausgezeichnet bewährt und ist bei einem
Bauwerk, wie einem offenen Filter, das allen Witterungs-
Einflüssen und vor allem der Gefährdung durch Eis aus-
gesetzt ist, einem Putzüberzuge vorzuziehen. Die Um-
fassungen sind oben 0,8“, unter Gelände 0,34 m stark, und
Von hier bis 2,80 ™ Tiefe bildet ihr Querschnitt ein Trapez
mit 0,95 m unterer Breite. Die Verblendung ist 3—4
dick. Das Filterbecken wird mit einer Schicht von groben
Steinen von 15 cm an den Umfassungen, 45 cm an der tief-
sten Stelle gefüllt, darüber mit Kies in drei Korngrössen
und 15, 13, 3 cm Schichthöhe, darüber endlich mit 1,1 bis
1,2“ Sand. Die Baukosten betragen für i q“ nutzbarer
Filterfläche einschl. aller Nebenarbeiten, Apparate und
Rohrleitungen etwa 50 M. —
Vermischtes.
Feuersichere Holzbalken - Decke von Ph. Esch. Das
Bestreben, die Vorzüge der Holzdecke mit der Feuer-
sicherheit der Massivdecke zu verbinden, hat zu mannich-
fachen, Konstruktionen geführt, von denen die einen unter
Beibehaltung der üblichen Deeken-Konstruktion einfach
die Holzschalung durch feuersichere Platten ersetzen,
während die anderen die ganzen Balkenfache nach Art
der amerikanischen Decken mit Hohlkörpern aus ge-
branntem Thon, Zement, Gips und anderen Materialien
ausfüllen. Zu der letzteren Gattung gehört die Decke
D. R.-P. 110794
des Archit. Ph. i--- ^ -- - - -
Esch in Frank- ' .! . i
furt a. M., diesich
inSüddeutschland :
bereits einiger
Verbreitung erfreut und den
Vorzug der Einfachheit und
raschen Herstellungbei guter
Versteifung der Deckenbal-
ken besitzt. Die fast quadra-
tischen Hohiplattenkörper,
die in den beistehenden Ab-
bildungen dargesteiit sind,
werden aus Gips oder Ze-
ment mit Beimischung von
Kohlenschlacken, Bimssand
u. dgl. in Formen hergestellt,
die sich für jede Balkenweite leicht verstellen lassen. Die
Platten verkleiden mit ihren seitlichen Ansätzen die Balken
noch 3—4 cm stark von unten und reichen fast bis zu deren
Oberkante. Die Querfugen sind hakenförmig ausgebildet,
sodass also durchgehende Querfugen vermieden sind Die
Befestigung erfolgt in einfacher Weise durch Nagelung
unmittelbar an den Deckenbalken. Die durch Nagellöcher
geschwächten Stellen der Platten werden dabei durch ein-
gelegte 2™“ starke Drähte verstärkt. Für die seitlichen
Nägel sind in den Hohlkörpern Löcher ausgespart, die
nach der Befestigung durch Deckstücke geschlossen wer-
den. Die fertige Decke bedarf nur eines dünnen unteren
Mörtelüberzuges, es kommt also, wenn die Hohlkörper
vorher genügend ausgetrocknet sind, nur wenig Feuchtig-
keit in die Decke, was auch als ein Vorzug zu betrachten
ist. Das Gewicht der Decke stellt sich mit Rücksicht auf
die Hohlräume verhältnissmässig niedrig. Die Kosten
sollen nach Angabe der Firma diejenigen einer einfachen
gestakten Decke nicht überschreiten. —
Deutsche Städteausstellung 1903 in Dresden. Von den
eingeladenen 158 deutschen Städten haben 128 ihre Be-
theiligung zuges.agt, von welchen 82 auf 240Q q“ Tisch- und
Boden- und 6000 q“ Wandfläche etwa 6000 Ausstellungs-
Gegenstände der mannigfachsten Art ausstellen werden,
wozu der im Dresdener Ausstellungspalaste vorhandene
Raum nicht ausreicht, so dass verschiedene Gruppen, wie
Gas, Wasser und Elektrizität, in besonderen Pavillons
Unterkommen finden müssen. Besonders glanzvoll werden
u. a. auch die von den Städten gepflegte und geförderte
Kunst und das Kunstgewerbe vertreten sein, und zwar
nicht nur inbezug auf die Gegenstände, sondern auch hin-
sichtlich der ganzen Anordnung. Auch die zumtheil in
grossen Interimshallen und zumtheil im Freien unterzu-
bringende gewerbliche Abtheilung der Ausstellung wird
sehr umfangreich werden. Sonderausstellungen werden
u. a. veranstaltet für Gas, Wasser und Elektrizität, soweit
sie inbezug zu den Städten stehen, für die Sicherheits-Poli-
zei, für das Samariterwesen, für Beseitigung der Rauch- und
Russbelästigung, für den Gärtnereibetrieb in Dresden und
Umgebung, inbezug auf städtische Park- und Gartenanlagen
und als interessante Ausstellungs-Gegenstände sind zuge-
16. Juli J902.
lassen worden ein im Durchmesser 30“ (?DieRed.) grosses
Gipsmodell der Ringparkanlage zu Würzburg, ein kleines
Krematorium der deutschen Vereine für Feuerbestattung,,
eine Anlage der Münchener Aktien-Gesellschaft für Haus-
müli-Verbrennung, eine gleislose elektrische Bahn im Be-
triebe und anderes mehr. — Die feierliche Eröffnung der
Ausstellung, zu welcher auf Anregung des Reichskanzlers
auch die Städte Rom, Madrid, Paris, London, Brüssel,
Haag, Kopenhagen, Stockholm, Ghristiania, Petersburg,
Moskau, Budapest, Wien, New-York, Washington und
Philadelphia eingeladen werden sollen, findet am. 20. Mai
1903 statt. Mit der Ausstellung ist die Veranstaltung eines
deutschen Städtetages in der zweiten Septemberwoche
1903 auf Einladung der Stadt Dresden in Verbindung mit
den Vorständen des preussischen und des bayerischen
Städtetages geplant; es soll ausser einem Vortrage über
die Ergebnisse der Deutschen Städteausstellung das Thema
„Die sozialen Aufgaben der deutschen Städte“ mit Ober-
Bürgermstr. Dr. Adickes-Frankfurt a. M. als Referenten
und Ob.-Bürgermstr. Beutler-Dresden als Korreferenten
behandelt werden. —
Der Ausbau der Meissner Domthürme. Aus Meissen
wird berichtet, dass die Arbeiten zum Ausbau der Meissner
Domthürme Anfang Juli mit Untersuchungen über die
Gründungsverhältnisse des Domes begonnen , hätten. Es
wird ferner eine Erklärung bekannt, welche in letzter
Stunde von einer grösseren Anzahl namhafter sächsischer
Künstler und Kunstgelehrter gegen den vom jDorabauverein
gewählten Entwurf Schäfers erlassen wurde. Unter der Er-
klärung stehen die Namen Ferd. Avenarius, K. B erling,
Dr. J. Erbstein, Dr. Ermisch, Felician Gess, Jul.
Gräbner, B. Gross, Corn. Gurlitt, O. Gussmann,
Gotth. Kuehl, Max Lehrs, W. Lossow, H. Prell,
Rüge, Fr. Schumacher, P. Schumann, von Seidlitz,
J. Sponsel, Stern, Treu, Weissbach undWoermann.
Die Erklärung lautet nach den Tagesblättern: „Der Meissner
Dom wird durch das Aufbauen neuer hoher Thürme auf die
Westfront an künstlerischem Werthe nicht gewinnen, an
geschichtlicher Bedeutung jedoch verlieren.“ Vielleicht
darf man vermuthen, dass die Fassung dieser Erklärung
auf einem Kompromiss beruht, denn in ihrem zweiten
Theile nähert sie sich etwas der von uns S. 356 erwähn-
ten Auffassung der „Pastoralblätter“, die den baukünst-
lerischen. Wünschen nicht entsprechen dürfte. Vielleicht
aber auch darf man den Nachdruck auf die Worte „neuer
hoher Thürme“ legen. Wir haben bereits unserer Auf-
fassung dahin Ausdruck gegeben, dass ein Aufbau der
Thürme mit zwei Spitzen uns nicht als erwünscht erscheine,
dass aber eine dreispitzige Anlage wohl eine künstlerische
Bereicherung des Dombildes und des Gruppenbildes des
Schlosshügels werden könnte. Man hofft nun auch König
Georg für die Angelegenheit interessiren zu können, da be-
kannt wurde, dass .er in einem früheren Stadium derselben
persönlich Stellung zu ihr genommen hatte. Ferner verlautet,
die sächsische Regierung habe , auf den Einspruch der
Künstlerschaft hin eine nochmalige Prüfung der Entwürfe
beantragt. — ,
Jubiläums-Stiftung der deutschen Industrie. In seiner
Sitzung vom 28. Juni d. J. hat das Kuratorium über nicht
weniger als 42 Anträge auf Bewilligung von Mitteln aus
der Stiftung zu entscheiden gehabt. Es wurden bewilligt
Hrn. Geh. Reg.-Rath. Prof. Dr. Slaby, Berlin, in Aner-
kennung seiner hohen Verdienste um die wissenschaft-
liche und praktische Durchführung der Funkentelegraphie
zur Fortsetzung seiner Versuche 20000 M., ferner Hrn.
Prof. Dr. von Linde, München, behufs Einleitung und
Anstellung der für die gesammte Technik so wichtigen
Versuche über die Ausfluss - Erscheinungen von Gasen,
Dämpfen und von erhitzten Flüssigkeiten 10000 M. Ausser-
dem wurden noch einige kleinere Beträge, insgesammt
49 400 M. ausgeworfen.
Zur Beurtheilung über die Berücksichtigung von An-
trägen hat das Kuratorium Leitsätze aufgestellt, nach denen
■im allgemeinen verfahren werden soll. Darunter ist her-
vorzuheben, dass Anträge, bei denen die wirthschaftlichen
Interessen von Erfindern im Vordergründe stehen und
Aufgaben, die vom Staate oder von Gemeinden zu lösen
wären, nur ausnahmsweise Berücksichtigung finden sollen.
Geldbewilligungen können im übrigen nur an bestimmte
Personen und auf einen nach allen Richtungen hin klaren
Antrag erfolgen. —
Bestimmung der Auflagerplatten eines Freiträgers. In
der Dtschn. Bztg. No. 50 vom 21. Juni d. J. veröffentlicht
Hr. Ramisch einen Artikel über die.' Auflagerung eines
Freiträgers. Dieser Gegenstand ist Vorjahren von Bach
in dem Buche „Elastizität und Festigkeit“ i. Aufl.
S. 289 u, ff. behandelt worden, und zwar unter ausdrück-
licher Betonung des Umstandes, dass die exakte Lösung
-3Ö7
auf die Deformalions - Verhältnisse der betr. Materialien
Rücksicht zu nehmen hätte. Hr. Ramisch dürfte also,
selbst wenn seine Ableitungen keinen Rechnungsfehler
enthielten, nicht sagen, dass er die Drehaxe vollständig
bestimmt angiebt, wennjer auf die statische Unbestimmt-
heit keine Rücksicht zu nehmen gedenkt. Die Formel des
Hrn. Ramisch ist aber nicht wohl brauchbar, denn aus der
Gleichung — ^ ^ folgt nicht, dass — = — ist,
sondern, dass — = - — ist, wo mit l/tol der Absolut-
a + IfrsI
werth von bezeichnet ist. Uebrigens ist es auch sehr
fraglich, ob das Gewicht des Mauerwerkes so eingeführt
werden darf, wie Hr. Ramisch es thut, denn der Mauer-
werks-Streifen über dem Träger wird mit dem übrigen
Mauerwerk im Verband sein, sich also auf alle Fälle in
dem vorderen Theile der Einspannung freitragen können,
im. hinteren Theile aber wird ein weit breiterer Streifen mit
seinem Gewichte dem betr. Auflagerdrucke entgegenwirken.
Karlsruhe, den 22. Juni 1902. Kriemler.
Volks wlrthschaftll che Preisfragen beabsichtigt dem
Vernehmen nach die bayerische Staatseisenbahn - Ver-
waltung alljährlich ihren jungen Beamten zu stellen, um
so ihre Eisenbahn- Assessoren zu wissenschaftlicher Arbeit
auf diesem Gebiete anzuregen. Zur Förderung der Sache
sollen an die Verfasser |der besten Arbeiten Geldpreise
vertheilt werden und ausserdem sollen sie auch bei der
Beförderung noch entsprechend berücksichtigt werden.
Gegenstand der Bearbeitdng werden wichtige volkswirth-
schafthche Fragen aus dem' Gebiete des Eisenbahnwesens
sein, die nach der Richtung der ingenieur- und betriebs-
technischen, verkehrspolitischen und finanz-wirthschaft-
lichen Seite zu bearbeiten sind. Die Prüfung der einge-
laufenen Arbeiten soll einem fünfgliedrigen Ausschüsse
übertragen werden. Diese Einrichtung ist als eine zeit-
gemässe mit Freuden zu begrüssen sowohl im Interesse
der Fortbildung der jungen Beamten und nicht zuletzt im
Interesse der Verwaltung selbst. — — r.
Preisbewerbungen.
Einen Wettbewerb um Skizzen für einen Erweiterungs-
und Umbau des Ständehauses In Kassel schreibt der Landes-
hauptmann in Hessen unter den Architekten deutscher
Reichsangehörigkeit aus, die innerhalb der Provinz Hessen-
Nassau ihren Wohnsitz haben, und zwar zum 15. Noy. d. J.
Abends 6 Uhr. 3 Preise von 2000, 1200 und 800 M., ver-
theilt ein Preisgericht, dem als Arch. angehören die Hrn.
Reg.- und Brth. Bohnstedt, Stadtbrth. Höpfner und
Landesbrth. Stiehl, sämmtliehnn Kassel. Unterlagen für
3 M., welche nach Einsendung eines Entwurfes zurückver-
gutet werden, durch den Landeshauptmann in Kassel. —
In einem engeren Wettbewerb betr. Entwürfe für eine
evangelische Kirche in Duisburg -Neudorf, zu welchem
4 Architekten eingeladen waren, errang der Entwurf des
Hrn. Prof.- Friedr. Ratzel in Karlsruhe Sieg und Aus-
führung. Als Preisrichter war Hr. Prof. Friedrich von
Thiersch aus München berufen. —
Personal-Nacbrichten.
Preussen. Die Erlaubniss zur Annahme und Anlegung der
ihnen verliehenen fremdländ. Orden ist ertheilt und zwar: dem
Geh. Postrath Z o p f f in Dresden der Krone zum Kitterkreuz I. Kl.
des kgl. sächs. Albrechts-Ordens ; dem Eisenb.-Dir. Mackensen in
Magdeburg der Ritterinsignien I. Kl. des Herz, anhalt. Hausordens
Albrechts des Bären; dem Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Schröder
in Magdeburg-N. des Ritterkreuzes II. Kl. des herz, braunschweig.
Ordens Heinrichs des Löwen.
Versetzt sind: Der Kr.-Bauinsp. Brth. W 0 11 e n h a up t von
Neumarkt nach Glatz, der Wasser-Bauinsp. Brth. R a d e b o I d von
Neuhaus nach Rendsburg, der Kr.-Bauinsp. Runge von Obornik
nach Stolp, die Wasser-Bauinsp. Abraham von Harburg nach
Neuhaus a. O., Sandmann von Wittenberge nach Steinau a. O.
und J o s ep h von Stettin nach Königsberg, der Landbauinsp. Süss-
apfel von Kleve als Kr.-Bauinsp. hach Obornik.
Dem Landbauinsp. Ludwig in Berlin ist die Kr.-Bauinsp.-
Stelle Berlin III übertragen.
Ernannt sind die Reg.-Bmstr. : Schierer in Brandenburg u.
V. Winterfeld in Schlochau zu Kr.-Bauinsp. ; Steinickein
Danzig und Dr.-Ing. Muthesius in London zu Landbauinsp.;
Brauer in Breslau , Hentrich in Krefeld und Strauss in
Pillau zu Wasser-Bauinsp.
Die Reg.-Bfhr. Walter Schuffenhauer aus Zehlendorf,
Theod. Wille aus Schleswig, Reinh. Stöcke aus Heldrungen,
Ed. Jüngerich aus Verviers, Aug. Ritz aus Meiningen und
Theod. Hamacher aus Beckum (Hochbfch.), — Gg. B en th i e n
aus Kolberg (Wasserbfch.), — Gust. Lindstädt aus Stettin, Karl
Rust aus Aerzen und Frz. Koepke aus Kuhz (Wasser- u.
Strassenbfch.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Der Brth. Schötensack in Danzig ist gestorben.
Württemberg. Der Reg.-Bmstr. Sigel in Gmünd ist zum
Techn. Bür. der Minist-Abth. f. den Strassen- u. Wasserbau versetzt.
368
Brief- und Fragekasten.
Stadtbauamt in Sch. Die Anlage von Bürgersteigen ist nur
dort eine Pflicht der dahinter liegenden Grundbesitzer, wo es durch
Ortsrecht oder Herkommen begründet ist. Im allgemeinen ist sie
ein Theil der Wegebaupflicht, welch’ letztere der Gemeinde obzu-
liegen pflegt. Diese darf nach dem Baufluchtengesetz vom 2. Juli
^^75 § durch Ortsstatut die anliegenden Grundbesitzer zu Bei-
trägen für die Anlage der Wege verpflichten, also Erstattung ihres
eigenen Aufwandes von denselben sich verschaffen. Weil die
Bürgersteige einen Bestandtheil der Wege bilden, erstreckt sich
die Beitrags- und Erstattungspflicht auf die Kosten für den ausge-
führten Bürgersteig. Die Wegepolizei darf nur dort unmittelbar
von den Anliegern gemäss des Zuständigkeits-Gesetzes v. 1. August
i883_ § 56 die Herstellung des Bürgersteiges fordern, und sie somit
zu eigenem Aufwand zwingen, wo die Unterhaltung der Bürger-
steige eine herkömmliche oder ortsrechtliche Last der Anlieger
bildet. Mithin ist der Fall schwer denkbar, dass die Gemeinde
kraft des Anliegerrechtes dazu kommen wird, besonderen Aufwand
für die Einrichtung von Bürgersteigen zu machen und dessen
Erstattung zu verlangen. Meist wird dieser Aufwand vielmehr
in dem Gesammtaufwande für die Anlage der Strassen liegen.
Sollte jedoch der Fall eintreten, dass die Gemeinde lediglich Auf-
wand für BürgersteigS:Anlage hatte und ihn durch Umlage an die
Anlieger aufzubringen hat, so handelt es sich um Erfüllung eines
Theiles der Anliegerlast. Er hat dann die Rechtsnatur der vollen
Last und ist wie diese dinglicher Natur. (Man sehe hierüber;
Germershausen Wegerecht, 2. Aufl. Bd. I. S. 457.) Weil die An-
sprüche auf Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstückes
wegen der laufenden und der aus den letzten zwei Jahren rück-
ständigen. Beträge nach dem Zwangsversteigerungs • Gesetz vom
24. März 1897 § 1° No- 3 i™ Range den Hypotheken Vorgehen,
kann es einem begründeten Bedenken nicht unterliegen, dass die
Anliegerbeiträge dies gleichfalls thun, sofern nicht etwa mit ihrer
Beitreibung länger als zwei Jahre gezögert wurde. Denn dann
würden sie erst den 7. Rang erhalten und damit den Hypotheken
nachstehen. Zu einem Reichsgerichts-Urtheil ist es bei der kurzen
Geltungsdauer des erst mit dem i. Jan. 1900 in Kraft getretenen
Gesetzes v. 24. März 1897 noch nicht gekommen. — K. H-e.
Hrn. Arch. K. B. J. Es istzuzugeben, dassin Gebieten mit offener
Bauweise Eckgrundstücke im Vergleich zu Reihengrundstückeii
weniger werthvoll .sind als da, wo geschlossene Bauweise statt-
findet. Immerhin gemessen Sie auch in jenen oft noch baupolizei-
liche Vortheile, z. B. den, dass der bebaubare Flächentheil und die
zulässige Höhe des Eckgebäudes grösser, die Hofgrösse aber ge-
ringer sein kann als bei Reihengebäuden. Und immer haben Eck-
grundstücke die Vortheile besserer Beleuchtung und Zugänglich-
keit, sowie freierer Gestaltung in der Grundrissanordnung der
darauf zu errichtenden Gebäude. Daher erscheint uns die Heran-
ziehung derselben zu den Strassenkosteu in der ganzen Lange, mit
welcher das Eckgrundstück die Strasse berührt, im allgemeinen
wohl berechtigt, wenngleich Fälle denkbar sind, in welchen die
grössere Last durch die Vortheile nicht aufgewogen wird,
Es war uns interessant zu erfahren, dass in dortiger Stadt
bisher die ortsstatutarische Vorschrift galt, dass Eckgrundstücke
zu den Strassenbaukosten nur für diejenige Strasse herangezogen
werden, nach welcher sie einen Ausgang haben. Wir bezweifeln
aber, dass in einem Streitverfahren diese Bestimmung als rechts-
giltig anerkannt worden wäre. Denn wenn die Gemeinde ein
Ortsstatut erlässt, in welchem die Tragung der Strassenbaukosten
durch die Anlieger ausgesprochen wird (Abs. r im § 15 des Ges.
V. 2. Juli 1875), so, kann nach der positiven Vorschrift im Abs. 2
des genannten Gesetzes der Maasstab für die Vertheilung nur die
Länge sein, mit welcher ein Grundstück — also auch ein Eckgrund-
stück — die Strasse berührt. Wir vermuthen, dass aus dieser
Erkenntniss heraus der Gedanke, das dortige Ortsstatut abzuändern,
entstanden ist, und glauben nicht, dass ein Statut, welches eine
mit dem § 15 Abs. 2 des gen. Gesetzes in Widerspruch stehende
Bestimmung über die Vertheilung der Strassenbaukosten enthält,
die Bestätigung der Aufsichtsinstanz erhalten würde. —
Hrn. G. P. ln Schwiebus. Die Kennzeichen, welche Sie
angeben, beweisen, dass das Wasser reich an Eisenhydrooxyd ist;
dasselbe nimmt beim Stehen an der Luft Sauerstoff auf und wird
als Oxyd ausgefällt. Ein einfacheres Verfahren als das bei grösse-
ren Wasserwerken bisher vielfach ängewendete Verfahren der Ent-
eisenung, der Belüftung, und nachherigen Filtration, giebt es nicht.
Sie könnten dasselbe vielleicht in der Weise ausführen, dass Sie unter
dem Ausguss der Punipe ein Sieb an bringen und mindestens i m tiefer
ein kleines Kiesfilter; aus letzterem wird das Wasser klär ablaufen.
Versuche, Brunnenwasser eisenfrei zu machen, hat man auch mit
Packungen von Kalksteinen gemacht, die man im. Brunnen selbst
oder am Umfange desselben anbrachte. Dass dieses Verfahren
immer gute Ergebnisse liefert, bezweifeln wir; es ist bei einem
Rohrbrunnen auch kaum ausführbar. —
Hrn. Arch. P. G. in Al Für die Errichtung einer Baubude
sind lediglich die ortspolizeilichen Vorschriften maassgebend. Wir
vermögen deshalb nicht einzusehen, was eine allgemeine Aussprache
an den bereits an Sie ergangenen gerichtlichen Entscheidungen
ändern könnte. —
Anfragen an den Leserkreis.
Giebt es Leichenhallen, welche nicht mit einer an das Känal-
netz der Stadt angeschlossenen Be- und Entwässerung versehen
sind? H. in M.
Inhalt: Die neuen Münchener Friedhöfe (Fortsetzuog). — Vom IX.
internationalen Schiffahrts-Kongress in Düsseldorf (Schluss). — Mitthei-
lungen aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbevrerbungen. — Personal-
Nachrichten. — Brief- und Fragekästen.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die' Redaktion
verantwojlL Albert Hofmann, Berlin., Druck von Wilh. Greve,. Berlin.
No. 57.
Der Einsturz des Campanile von San Marco in Venedig.
Ansicht der dem G i o c k e n t h u r m e vorgelagerten Loggietta des Sansovino.
AUZEITUNG.
GANG. * * NO- 58.
DEN ig. JULI 1902. *
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine.
Programm der XXXI. Abgeordneten-Versammlung in Augsburg.
Freitag, den 29. August.
Ankunft der Abgeordneten. Auskunftsstelle auf dem Bahnhofe.
8 Uhr Abends. Zwangloses Zusammensein mit Damen im Gartensaale der Gesellschaft
Sonnabend, den 30. August.
9 Uhr Vorm. Beginn der Verhandlungen im Landrathssaale des kgl. Regierungs -Gebäudes (vergl. die
Tagesordnung in No. 52 der „Dtschn. Bauztg.“)
1—3 Uhr Mitt. Mittagspause. Mittagessen nach Wahl.
3 Uhr Nachm. Fortsetzung und Schluss der Verhandlungen.
8 Uhr Abends. Gemeinsames Abendessen im Gasthof „Zu den drei Mohren“
Sonntag, den 31. August.
rtu tr Feststellung des Protokolls. Ort und Zeit wird noch bestimmt.
Hl Vemeinsamer Ausflug. Abfahrt mit Spnderzug nach Landsberg am Lech.
74a Uhr Abds. Ankunft m Augsburg. (Daran anschliessend Begrüssung der Theilnehmer der Wander-
Versammlung. Vergl. das Programm in No. 52 der „Dtschn. Bauztg.)
Schluss der Abgeordneten-Versammlung,
Vereine, welche ihre Abgeordneten noch nicht genannt bezw. sich noch
nicht übCT ihre Betheiligung geäussert haben, werden ergebenst ersucht, dies schleunigst thun zu wollen
Ano-nct hlÖci n werden gebeten sich möglichst umgehend, spätestens aber bis Anfang
August hinsichtlich der Unterkunft unmittelbar an Hrn. städt. Ingenieur Niederreiter, Stadtbauamt Aues-
burg wenden zu wollen. Das ausführliche Programm wird den Hrn. Abgeordneten zusammen mit der
1 heilnehmerliste spater direkt zugesandt.
Dresden - Berlin, im Juli 1902.
Der Verbands-Vorstand: Waldow. F. Eiselen.
369
Die statische Berechnung des Normalyiaduktes der Berliner elektrischen Hochbahn.
1^1 eher den Bau und die Konstruktionen der elektrischen
i^l Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von Siemens
& Halske ist in technischen Zeitschriften bereits
mehrfach mehr oder weniger ausführlich berichtet worden,
ohne dass jedoch auf die statischen Berechnungen der
Bauwerke eingegangen worden wäre. Und doch bieten
auch die statischen Berechnungen für den Bauingenieur
manches Interessante und Lehrreiche. Ganz besonders
dürfte dies bei dem Normalviadukte der Hochbahn, von
dessen verschiedenen Arten rd. 4 ^® ausgeführt sind, der
Fall sein, da es sich hierbei um eine mehrfach statisch
unbestimmte Trägerform handelt, die von derFirmaSiemens
& Halske eigens zu diesem Zwecke konstruirt worden ist^
und in ihrem statischen Verhalten vorher noch unbekannt
war. Nachfolgend soll nun zuerst die Berechnungsweise,
wie sie ursprünglich im Konstruktions-Bureau der Hoch-
bahn angewandt worden ist, kurz berührt und dann eine
neue Art der Berechnung, die .ebenfalls im genannten
Bureau, und zwar vom Ing. Vianello, gefunden wurde,
eingehend erläutert vyerden.
Der Normalviadukt der Berliner Hochbahn besteht
aus einer Reihe eiserner Fachwerkträger, bei denen
Kragträger und einfache Balkenträger abwechsein. Die
Abbüdg. I.
eigenthümliche Ausbildung der Kragträger zeigt Abbildg. i.
^Die stark gezeichneten Stabe ZJ«, V2, U3 und S sind steif
■mit einander verbunden und zur Aufnahme von Biegungs-
moraenten befähigt. Das System besitzt 4 überzählige
Stäbe, nämlich D.y und D3, D.2 und D^' und 2 feste, ge-
lenkartig ausgebildete Auflager; es ist mithin innerlich
4-fach, äusserlich einfach, imganzeh also 5-fach statisch
unbestimmt.
Ursprünglich sind nun auch die nach diesem System
iaijsgebildeten Kragträger, und zwar für 5 verschiedene
iälützweiten von 12.0,' 16,5, 21,0, 25,16 (Unterführung der
;Möekernstrasse) und 15,0m (normale Haltestellen), als 5-fach
:.statisch unbestimmte Systeme nach der Methode der
ijleinsteii Formänderungsarbeit berechnet worden, wobei
•äer Horizontalschub H arri Auflager und die Spannkräfte
der überzähligen Stäbe als statisch unbestimmte Grössen
Abbildg. 2.
X^, X^, Xc, X^ und Xg angenommen wurden. In Abbildg. 2
ist das statisch bestimmte Hauptsystem dargestellt.
Nach der allgemein üblichen Bezeichnungs art erhält man
die Spannkräfte, Momente und Normalkräfte in der Form:
5 = ^0+
M =■ Mq + X^ + Xjj + X^. + X^ -f- Xg Mg
N= + -1- Xj
Unter Vernachlässigung des äusserst geringen Ein-
flusses der Normalkräfte erhält man dann für jede mögliche
Laststellung 5 Gleichungen von der Form:
2jM, M, X.
rechnet werden; alle übrigen Ausdrücke brauchen nur
einmal gerechnet zu werden.
Man erhält also eine grosse Anzahl Gruppen von je
5 Gleichungen. Die zahlenmässige Berechnung wird imrner-
hin noch etwas einfacher, als es nach obigem scheinen
mag.. Einmal wird eine grosse Anzahl von Gliedern zu
Null; sodann entsprechen sich, wegen der Symmetrie des
Systems, und Xg und Xg. Schliesslich ist der Ein-
fluss einer Last P zwischen den Stützen proportional den
an den Stützen entstehenden Auflagerdrücken. Durch
Eintragung der gefundenen Einzelwerthe in passend ge-
staltete Tabellen kann auch die Uebersichtlichkeit noch
gewahrt werden. Trotzdem bleibt die vollständige Durch-
führung einer solchen Berechnung eine uogeheure Arbeit,
die yon einem einzelnen Ingenieur wegen der vielen
möglichen Rechenfehler nicht bewältigt werden kann.
Sind aber Rechenfehler gemacht worden, so kann man
das nur selten den Rechnungs-Ergebnissen sofort ansehen.
Auch lässt sich der Einfluss von Ungenauigkeiten in den
Annahmen und Abkürzungen schwer verfolgen.
Bei der Berechnung spielen die Trägheitsmomente
der biegungsfesten Stäbe (Ug, Fg, l\, S) eine grosse Rolle;
die mittleren Trägheitsmomente dieser Stäbe sind aber
auch schwer einigermaassen richtig zu schätzen. Es wird
sich demnach eine zweite Berechnung nach den aufgrund
der ersten Berechnung gewählten Querschnitten nicht um-
gehen lassen. Umsomehr muss also eine Abkürzung der
Berechnung ins Gewicht fallen
Als es sich darum handelte zu prüfen, ob die Via-
dukte in ihrer ursprünglichen Ausführungsform auch für
eine für später in Aussicht genommene erheblich ver-
grösserte Verkehrslast genügen würden, wurde das Be-
dürfniss besonders stark fühlbar, auch für solche Träger, die
als Abarten des Normaiyiaduktes unter Weglassung eines
Feldes oder Veränderung der Feldweite ansgeführt und
daher nur überschläglich berechnet waren, -schnell zuver-
lässige Berechnungen aüfzustelien. Ing. Vianello hat sich
dann das Verdienst erworben, eine Berechnungsart an-
gegeben zu haben, die an Kürze, Uebersichtlichkeit und
Zuverlässigkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Im Ein-
verständniss mit genanntem Herrn, der selber hierzu leider
keine Zeit gefunden hat, sei dieselbe hier an einem Beir
spiele erläutert, wozu wir den bereits oben skizzirten
Träger von 15,0 m Stützweite wählen, der als Abart des
normalen 16,5 ® = Kragträgers konstruirt worden ist und
an mehreren schiefen Strassenkreuzungen in der Gitschiner.
Strasse Anwendung gefunden hat,
I. System und Annahme für die Berechnung.
In Abbildg. 3 sind sämmtliche Systemmaasse in
sowie die für die Berechnung benutzten Winkelfunktionen
Abbildg. 3. • S
angegeben. — Der Berechnung werden folgende Quer-
schnitte zugrunde gelegt:
Sämmtliche Stäbe 0, F— 100 qcm ; = Ui, F= 150 qcm ■
+ X,SS^ S, S, ^+X,2S, 8,
+ x^:s8,s,-^=o.
Die 4 übrigen Gleichungen erhält man, indem man
für das in jedem Summenausdruck an erster Stelle
stehende bezw. die Werthe Ifj, und S^, Mg und
S„ usw. der Reihe nach einsetzt.
Die Werthe Mq und Sq sind von der Laststellung ab-
hängig und müssen daher für jede Laststellung neu be-
f/ß = ZJß — U7, P’ = 90 '5'="' ; A = A. 65
Die Querschnitte von ü^, Us, Fg und S werden unend-
lich gross angenommen, d. h. die Normalkräfte werden
vernachlässigt. Hiernach berechnen sich die Längen-
änderungen jener Stäbe für eine Stabkraft S = 1^, wenn
der Elastizitätsmodul E — i gesetzt wird:
J0 = ^ = I,5™; /<i7i = ^;74 = — = locm; Jir JU
100 ’O ’ i ^ 150 ’ ’ °
= JU7 = — = 1,7 cm; JD. — JBfi = ^ = 2,6 cm.
'90 . 65 ’
Die wirksame Länge der Stäbe Dg und D3 ist wegen
der grossen Anschluss-Knotenbleche kleiner als die System-
länge angenommen.
Für eine Kraft m = i ‘ an den Stabenden von U2, Uz,
Fg und S, senkrecht zur Stabrichtung wirkend (vergl.
No. 58.
370
Abbildung 4) wurden zeichnerisch die Durchbiegungen
ermittelt zu fJJi~ fJJ^ = 79,4
fy, = 577,7 ; fS = 55,5 ““ für
Abbildg.
E=l.
Dieselben entsprechen mittleren
Trägheitsmomenten von 40000 bezw.
12000 bezw. 125000
II. Gang der Berechnung.
Die Spannkräfte der Diagonalen
D21 D3, l)^, D% und der Horizontal-
schub H werden als die statisch un-
bestimmten Grössen eingeführt.
Da bei den Belastungszuständen
7)2=1, 1)3=1, £>3'=! die Fach-
werkstäbe des statisch bestimmten
Hauptsystemsspannungslosbleibenundnur in den biegungs-
festen Stäben (Stützengliedern) V% und Normalkräfte
und Querkräfte (Biegungsmomente) entstehen, und da der
Träger vollständig symmetrisch ist, kann man die beiden
Stützenscheiben , bestehend aus den Scheiben Z7g I73 Fg,
T>-i und Dg bezw. den entsprechenden Stäben der
rechten Seite von dem übrigen System getrennt behandeln.
Wir untersuchen daher die Formänderung der Scheiben
für die beiden Belastungszustände: i. Horizontalschub
2. Last P im Knoten und Last Q im Knoten
30, und erhalten hieraus die gesuchten Kräfte (Spann-
kräfte von Dj und Dg, Normal- und Querkräfte der übrigen
Stäbe der Scheibe) als Funktionen der Grössen FT, P und
Q. Die Einflüsse aller anderen Laststellungen lassen sich,
wie gezeigt werden wird, aus obigen Belastungszuständen
leicht ableiteh und man ist, falls S bekannt ist, imstande,
die Einflusslinien für diese Stäbe zu zeichnen.
Zur Bestimmung des Horizontalschubes H wird für
den Zustand IT=i die Biegungslinie der oberen Gurtung
durch Rechnung aus den Winkeländerungen bestimmt.
Bei diesem Belastungszustande nähern sich die Stützen-
füsse um das Maass d, das sich gleichfalls leicht aus den
Winkeländerungen und den Durchbiegungen von Fg und
S errechnen lässt. Dividirt man die Ordinalen der Biegungs-
linie des Obergurtes durch cf, so erhält man nach bekanntem
Satze die Einflusslinie für den Horizontalschub S, und da-
mit sind sämmtliche statische Unbestimmtheiten beseitigt.
Als Maasseinheiten dienen die Tonne (‘) und das
Centimeter (<^®).
III. Untersuchung der Stützenscheibe.
I. Erster Belastungsfall, JI-=iK Denken wir
uns nach Anbringung einer Horizontalkraft 11= am
Auflager die linke Stützen-
scheibe aus dem Systeme her-
ausgeschnitten und die bis-
herigen Anschlusstäbe durch
Auflager ersetzt, so erhalten
wir das in Abbildg. 5 dar-
gestellte Belastungsbild. Die
Stäbe Dg und D3 werden be-
seitigt und durch die Kräfte
X und y, welche bei positivem
Vorzeichen Zugkräfte sein
sollen, ersetzt gedacht. Bei
E = 1 erleiden dann die Stäbe
Ug, Z7g und Fg folgende Durch-
biegungen ;
£ Da = 79,4 X cos = 79,074 X,
f Db = 79,4 ( Fcos 9 + 4,4 cos y) = 79,074 ¥ + 247,036,
f ¥2 = 577,7 [(X— X) cos 4+ 3,4] = 443,801 {¥—X)+ 1964,18.
Die Projektionen dieser Durchbiegungen auf die Rich-
tungen X und y sind:
f Ug cos (fl = 78,749 X,
i Dg cos (f = 78,749 Y 246,02t,
f Fg cos d = 340,937 (F— X) + 1508,922.
Die Elastizitäts-Gleichungen drücken nun die Bedingung
aus, dass die Längenänderungen der Stäbe Dg und Dg in-
folge der Kräfte X und Y gleich den Aenderungen der
Entfernungen ihrer System - Endpunkte infolge obiger
Durchbiegungen sind, und lauten demnach:
I. 2,6 X = — 78,749 X -b 340,937 (T— X) + 1508,922,
II. 2,6 Y= —78,349 T— 246,021— 340, 937(r—X)— 1508,922.
Hieraus: X= + 0,626, T= — 3,650, oder allgemein:
X= +0,626 ff, 7= —3,650 ff.
Die Biegungsmomente , in der Entfernung = i vom
Stabende, sind:
MÜ2 = X cos ?) = + 0,6234 ff,
Al Dg = — Y cos (f — 4,4 cos y ff == + 0,5237 ff,
jjf Fg = (7— X) cos tf -f 3,4 . ff = + 0,1151 ff.
Abbildg. 5.
Die Normalkräfte sind:
ff Dg = — X sin y = — 0,0567 ff,
ff Dg = — 7 sin — 4,4 sin v II 2,7808 ff,
Fg = - ( 7 + X) sin J'= + 1,9359 -H".
Als Probe auf die Richtigkeit kann man die Summe
der Momente der 3 Stäbe Dg, Dg, Fg für die Einspannungs-
stelle bilden:
2 M = 212,132 (0,6234 + 0,5237) + 275 . 0,1151 = 274,989 ‘cm
Statt 275,0 tcm, wie es das Gleichgewicht mit dem in durch
ff=i hervorgerufenen Momente verlangt.
Eine weitere Probe kann man durch Zusammensetzen
der iothrechten Komponenten der Normal- und Querkräfte
an dem Schnittpunkte der 4 Stäbe Dg, Dg, Fg und S machen.
Die Summe dieser Kräfte muss natürlich gleich Null sein.
2. Zweiter Belastungsfall, P im Knoten i, Q im
Abbildg. 7.
Knoten 3 (vergl. Abbildg. 6).
Bei 5^ entsteht eine Auf-
lagerkraft ^ — -P + ^ Q-
Denken wir uns die linke
Scheibe wiederum herausge-
schnitten, so erhalten wir das
Belastungsbild Abbildg. 7.
Der Rechnungsgang ist nun
ganz genau entsprechend
dem bei dem ersten Be-
lastungsfall.
Die Durchbiegungen der
Stäbe sind:
f Dg = 79,4 (X cos (p — Pcos y) = 79,074 X— 56,145 P,
f Dg = 79,4 [Fcosf/) + 1,08 (P-0 siny — (o,iP+ 0,9 (J cos y]
= 79,074 Y + 55,022 P — 111,166 Q,
f ^2-^577,7 [(£'— X) cos<>4- i,o8(P— Q)J
---443,801 (r-X) + 623, 916 (P— 5).
Die Projektionen dieser Durchbiegungen auf den
Richtungen von X und Y sind:
f Dg cos f =-■ 78,749 X — 55,914 P,
f Dg cos (f — 78,749 7 + 54,795 P — 110,709 Q,
f FgCoscf = 340,937(y— X) + 479,305 ~ 0-
Die Elastizitäts-Gleichungen lauten dann:
I. 2,6 X = — 78,749 X + 55,914 p + 340,937 (5^— X)
+ 479.305 (-P— Q),
II. 2,6 7= — 78,749 K — 54,705 -P + 110,709 Q
— 340,937 ( 7 — X) — 479,305 ( P — ^) •
Hieraus : X = + 0,707 P — 0,020 Q,
7 = — 0,604 P + 1,381 Q-
Die Momente in der Entfernung i vom Stabende
sind dann:
if Dg= —0,00262 p —0,01999 Q,
Mü^= — 0,00222 P + 0,02475 Q,
M Fg = + 0,00369 (P — Q).
Die Normalkräfte sind:
ff Dg = — 0,77116 P + 0,00182 Q,
ff Dg =: — 0,77159 P 0,00224 Ql
ff Fg = — 0,00881 P — 0,87 124 Q.
Auch hier wird man zur Prüfung der Richtigkeit der
Rechnung die beim ersten Belastungsfall angegebenen
Proben machen.
3. Andere Belastungsf alle,
a) Lasten Q zwischen den Stützen.
Es ist ohne Weiteres einleuchtend, dass der Einfluss
der Last Q unmittelbar proportional dem durch Q an. der
Stütze erzeugten AuÜagerdruck ist. Beispielsweise wäre
bei der Belastung Q im Knoten 4.
^ = 0,8 ^ und
X — — 0,020 . — D= CO — 0,018 Q,
0,9
p= + 1,38+^ §=+ 1,228
19. Juli 1902.
37^
b) Last P im Knotenpunkt o.
Anders verhält es sich mit der Last P, deren Einfluss
bei Verschiebung auf dem Kragarme durchaus nicht pro-
portional ihrer Entfernung von der Stutze bleibt. Rückt
nämlich P nach links, so entstehen in den bisher spannungs-
losen Stäben 0^ und Ui gleichfalls Spannkräfte, die als neu
hinzukoramendes Kräftepaar an der Stützenscheibe an-
Abbildg. 8a. Abbildg. 8b.
greifen. FürPo=i^ erhalten wir die in Abbildg. 8a dar-
gestellte Belastung; diese können wir uns aus den in Ab-
bildg. 8b u. c dargestellten Belastungen zusammengesetzt
denken. Die Werthe für den Fall Abbildg. 8b erhält man,
wenn man in den allgemeinen Formeln 2Pstatt Pschreibt;
die Werthe für den Fall Abbildg. 8c erhält man, wenn
man sich die Abbildg. umgeklappt denkt, also ZJg und Z7g,
Dg und Dg mit einander vertauscht, und nun in den Formeln
für die vertauschten Stäbe — P statt 0,9 Q, also — i,iiip
statt Q schreibt.
Beispielsweise erhält man für die Diagonale D3:
Dg = ~ 0,694 ■2 Pq — 0,020. — I,III Po = 1,366 Pq.
Bei den Momenten hat man hierbei besonders genau
auf die Anwendung des richtigen Vorzeichens zu achten.
Die Ordinaten der diesen Drehungen entsprechenden
Biegungslinie lassen sich, von der Mitte ausgehend, leicht
berechnen, wie folgt:
Y^ = o,
Fß = 0,0448 . 150 — 6,72 cm,
F5 = (0,0448 . 3 -t- 0,0649) 150 29,90
F4 := (0,0448 . 6 + 0,0649 . 3) 150 = 69,53
Fg“ (0,0448 . IO + 0,0649 .6) 150= 125,61
F2=(o, 0448. 14 + 0, 0649. 9 + 0, 0408 j-
0,35 150 + 0,0539.275 =207, 92
Fj— : (0,0448 . 18 + 0,0649 • 12 + 0,0408 . 2 +
0,353 .2+ 0,0077). 150 +
0,0539 -425 = 284,65 cm.
Oder für =
— 76,73- •23= + 82,3I, 3'4=I38,39,
^5= 178,02, ^Tß — 201,20, ^17 = 207,92 cm.
Infolge der Kraft H’= i nähern sich
die Stützenfüsse um das Maass cT. Das-
selbe setzt sich zusammen erstens aus
dem Antheil der Winkeländerungen,
zweitens aus der Durchbiegung von
■ S (f5=55.5cm) und schliesslich aus dem
Einfluss der Durchbiegung von Die
Durchbiegung von ist schon durch die
Längenänderung von Dg berücksichtigt. Wir erhalten:
tl=i= 2 1^0,0448 . 4 . 430 + 0,0408 . 425 + (0,064g • 3 + 0,0352
+ 0,0539) 550 + 555 + 577,7 • 0,1151: ■“] = 743,8“.
Die Ordinaten der Einflusslinie für Ff erhält man
dann zu also
7^ — — 0,103, ’Za^o, >?3= + o,iii, 7/4 = + 0,186,
^5= + 0,240, 7(J= + 0,270, 77 = 0,20.
Die weitere Fortsetzung der D”- Linie am Kragarme
kann man genügend genau als geradlinig annehmen, also
7o = 2 . 7i = — 0,206. In Abbildg. II ist die D-Linie ge-
IV. Berechnung der Einflusslinie für den
Horinzontalschub £T.
Bei der Belastung 5”= i hat man die in Abbildg. 9
eingeschriebenen Spannkräfte; die Kräfte der Stäbe Fg und
D4 werden als unwesenthch vernachlässigt. Unter Berück-
sichtigung der durch diese Spannkräfte bei E — i ent-
stehenden Längenänderungen erhält man die in Abb. 10
eingeschriebenen Winkeländerungen, nämlich J& = — .
(Auf die Verwendung des Schnittpunktes von Dg mit dem
Obergurt als idealem Drehpunkt wird aufmerksam ge-
macht). Durch die Winkeländerungen erleiden die Ober-
gurtstäbe bestimmte Drehungen.
Abbildg. 9.
Der Einsturz des Campanile von San Marco
in Venedig. (Hierzu die Abbildungen S. 369 und 373.)
igraim Vormittag des 14. Juli ist in Venedig der Glocken-
thurm von San Marco in sich zusammengestürzt,
|W»,a| Ereigniss, welches die Anadyomene der Adria
und Italien mit tiefster Trauer erfüllt und die gesammte
gesittete Welt schmerzliche Theilnahme für den schweren
Verlust an den Kunstschätzen Venedigs empfinden lässt.
Aus den sich zumtheil widersprechenden Nachrichten über
die kurze Vorgeschichte des Einsturzes führen wir an,
dass bereits am 9. Juli oberhalb der Loggia des Thurmes
ein Sprung bemerkt und infolge dieser Wahrnehmung
durch den leitenden technischen Beamten der Basilika
Pietro Saccardo Vorsichtsmaassregeln angeordnet wurden.
Schon am folgenden Tage zeigte der Riss eine Erweite-
rung, die beständig zunahm, sodass zur Untersuchung des
Bauwerkes durch eine Kommission geschritten werden
musste. Diese Untersuchung der Ingenieur-Kommission
der Provinz Venedig fand am 13. Juli statt; der Ausspruch
der Kommission war, wie verlautet, eine Gefahr sei nicht
zu befürchten. Als sich aber am frühen Morgen des
14. Juli eine abermalige Erweiterung des Risses des Mauer-
werkes zeigte, hielt man es doch für gerathen, Absperrungs-
maassregeln vorzunehmen, Maassregeln, die leider durch
das gegen 10 Uhr Morgens eingetretene Ereigniss eine
verhängnissvolle Rechtfertigung erhalten haben.
Um diese Zeit stürzte der Thurm in sich derart zu-
sammen, dass die untere Hälfte des Bauwerkes barst,
stetig auseinanderging und die obere Hälfte in sich auf-
nahm, sodass ein in sich gehäufter Trümmerhaufen von
30 m Höhe entstand. Diese Höhe der Trümmer lässt sich nur
erklären, wenn man annimmt, dass der untere Theil des
Thurmes noch aufrecht steht. Diese zentrale Art des Ein-
sturzes war auch die Ursache, dass das Unglück nicht den
Umfang annahm, welchen es bei der unmittelbaren Nachbar-
schaft der Basilika, des Dogenpalastes und des königlichen
Palastes sowie der Bibliothek hätte annehmen können.
Gleichwohl ist der Verlust einer der schwersten, welchen
die historische Kunst je erfahren hat, denn die Trümmer
des Thurmes zerschmetterten die ihm vorgelagerte Loggietta
des Sansovino, brachen in die benachbarte Ecke des königl.
Palastes ein und beschädigten auf 10 ® Läng e die alte Libreria.
Unter den Glockenthürmen Italiens, die italienischem
Brauch zufolge losgelöst vom Gotteshause für sich da-
stehen, war der von San Marco weder der interessanteste,
noch der künstlerisch bedeutendste; die Glockenthürme
von Pisa und Florenz, ja selbst die Glockenthürme von
Pistoja, Sta. Maria in Cosmedin in Rom und zahlreiche
andere sind architektonisch vielleicht interessanter, wenn
auch nicht eindrucksvoller. Denn das gewaltige Anwachsen
des Thurmes von San Marco in einem Zuge und ohne
Unterbrechung bis zur Loggia übte auf den Beschauer
einen überwältigenden Eindruck aus, weil ihm durch die
schlichte und straffe Art der architektonischen Gliederung
der Maasstab für die Beurtheilung der Grössenverhältnisse
am Thurme selbst verloren ging. Der Thurm stieg bis zur
Höhe von rd. ggm an; der geschlossene Baukörper ent-
wickelte sich bis zu einer Höhe von 54 ihn krönte die, 9
hohe Loggia, auf dieser erhob sich die 9,6“ hohe Attika,
welche die Basis bildete für die 22,5 m hohe Pyramide mit
dem sie krönenden 3,5“ hohen vergoldeten Engel. Die un-
tere Seite des quadratischen Thurmes wird mit 12,8 an-
gegeben, ein Maass, welches sich bis zur Loggia um i “
verringerte. Begründet wurde der Thurm von dem Dogen
Pietro Tribuno 888, 1178 wurde er vollendet. Jedoch 1400
No. 58.
372
uer L-ampanüe von San Marco in Venedig.
f lieimgesucht und 1489 zerstörte der Bütz die alte Glockenstube.
n ^ Bartolommeo ßuon den Auftrag, das Obergeschoss in istrischem Kalkstein
zu erstellen, 1514 war der Auftrag vollendet und seit 1517 krönte der Engel die Spitze.
Die in kleinem Maasstabe gehaltene, mit einer verschwenderischen Fülle 'von Bild-
werken ausgestattete Loggietta wurde der Ostseite des Thurmes gegen San Marco im
d». vorgelagert Die Kopfabbildung dieser Nummer giebt
SL® .■ ^ anmuthlgen Bauwerkes wieder. Da der Campanile fast unmittelbar an die
Bibliothek sich anschliesst, so kann es selbst bei der
df/s^er überraschen, wenn Theile
dieser kostbaren Bauten in Mitleidenschaft gezogen wurden, Vielleicht darf man hoffen
dass von der Loggieua wenn auch nicht die Architektur, so doch wenigstens das BLdwerk
und namentlich die herrlichen Bronzegitter, die Antonio Gai 1750 goss, nicht so be-
schädigt sind, dass sie nicht wieder hergestellt worden könnten
WäSr Einsturzes gehen die Ansichten noch sehr auseinander.
r 1 ot “ n" E'üWirküfgun der Ausläufer des dalmatinischen Erdbebens
zurückführen woUen, imU man andererseits in dem Architekten Pietro Saccardo den
Schuldigen sehen, welcher den Plan gehabt haben soU, im Thurme einen Aufzug anzulegen
und, wie man sagt, zu diesem Zwecke die Mauern angriff. Indessen es sind aUe dilse
Vermuthungen mit Vorsicht aufzunehmen. Der Architekt Fabiani hat die Empfindung
a^usgesprochen, dass überhaupt vtele Backsteinbauten in Venedig sich langsam eine?
Epoche nähern, die ihre Altersgrenze darstellt.« Otto Wagner in Wien befürchtet den
Untergang von ganz Venedig, da der Unterbau der Stadt morsch und faul geworden sei.
Es liegt nun auf der Hand, dass der nächste Gedanke, nachdem man Überhaupt wieder
zi^ Besinnung gekommen war, der war, den Thurm und die Loggietta wieder aufzurichten.
Hierzu sind schon so reiche Geldmittel geflossen, dass man diese Absicht als die der All-
gemeinheit bezeichnen darf. Und doch hat es nicht an Stimmen gefehlt, welche der Meinung
sind dass der Markusplatz ohne den Thurm nur gewinnen könne und dass ohne ihn das
herrliche Portal des Dogeupalastes zu besserer Wirkung käme. Indessen die Bedeutung
des Campantle lag nicht m erster Linie in seiner architektonischen Gestaltung, sondern
in dem eigenartigen Bilde, welches der Markusplatz und die Piazetta mit ihm lewährten
Dieses historische Bild wieder herzustellen ist möglich und erwünscht und ist vom Rathe
von Venedig auch einstimmig beschlossen worden. Hier spielen andere Fragen mit als
Erwägungen über den Werth von Bauwerken als Dokumenten. — ®
19 Juli 1902.
373
Ausstellungs-Pavillon der kgl. Eisenbahn-Direktionen Koin-Elberfeld-Essen. Entworfen im kgl. preuss. Ministeriuni der öffenll. Arb.
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldori 1902,
zeichnet für den Krfifte-Maasstab it = 5o“>n> mid Längen-
Maasstab 1:150.
Abbüdg. IO.
^
Hiermit sind sämmtlicbe statisch unbestimmte Grössen
ermittelt und es bleibt nur noch
V. 'Die Bestimmung des Temperaturschubs
Ist die Aenderung der Stützweite des statisch be-
stimmten Haupfsystems infolge einer Temperaturänderung,
die Aenderung infolge einer Kraft IT =-i, so ist bekanntlich:
JL
■
Jl^ = e .l.t, wo ( der Wärmeausdehnungs - Koeffizient
— Gels., l = 1500 c™, ^ = ± 4o*> Gels.,
= 743iS2 demnach
2000
1500 • 0,4
800
743.82
= 00 ±1,5 1.
E
Das angegebene Verfahren zeigt, wie durch passende
Zerlegung eines Systems und Trennung der statisch un-
bestimmten Grössen eine ungemeine Vereinfachung der
Berechnung erzielt werden kann, und wirkt vielleicht in
dieser Richtung anregend. —
Herrn. Kuckuck, Ing.
Ueber Luxfer-Prismen und deren Anwendung im Bauwesen.
er Architekt wird öfter in die Lage versetzt werden,
nach Hilfsmitteln zu suchen, die es ihm gestatten,
Räumen auf künstliche Weise Tageslicht zuzuführen,
welchewegen ihrerTiefe oder wegen dicht davor stehender
Mauern auf gewöhnlichem Wege von dem durch die
Lichtöffnungen einfallenden Tageslicht nicht ausreichend
erhellt werden können. Ein sehr geeignetes Mittel hier-
zu ist die Anwendung von Luxfer-Prismen (die von dem
deutschen Luxfer-Prismen-Syndikat, G. ra. b. H., Berlin
S., vertrieben werden), die unmittelbar, wie gewöhn-
liche Fenster oder Oberlichte in die Lichtöffnungen selbst
eingesetzt, oder als geneigte Flächen (Marquisen) vor oder
hinter den Lichtöffnungen angebracht werden.
Die Wirkungsweise der Luxfer-Prismen beruht auf
dem einfachen Gedanken, dass ein Lichtstrahl, der ein
Prisma passirt, in seiner Richtung abgelenkt wird, dass man
also infolgedessen noch Strahlen unter flachem Neigungs-
winkel bis tief in einen Raum hineinführen kann, welche
durch die Lichtöffntmg in einem solchen Winkel einfallen,
dass sie an sich nur einen kleinen Theil des Raumes er-
No. 58.
374
hellen würden. Je nach dem Raume, den man zu er-
hellen hat und je nach dem Einfallswinkel der Lichtstrahlen
wird man einen anderen Prismenwinkel wählen müssen,
um den Zweck voll zu erreichen.
In der praktischen Anwendung tritt anstelle eines
grossen Prismas ein zusammengesetztes, das nun eine
.sägeförmige Fläche aufweist, vgl. Alibildg. ly in seiner
Wirkung aber dem einheitlichen Prisma nahe kommt. Um
den verschiedensten Fällen gerecht werden zu können,
werden solche Prismen mit 30 verschiedenen Winkeln ge-
fertigt. Durch ein einfaches Verfahren ist für jeden Em-
zelfall die zweckmässigste Form bestimmbar. Die Prismen-
tafeln bestehen aus weissem Kry.stallglas von joo zu 100
mauern zugelassen. Derartig raontirte, also gebrauchs-
fertige Luxfer-Prismen-Scheiben kosten für i q® 85 M.
Für Waarenkeiler, Fabriken, Krankenhäuser, Gewächs-
häuser usw., wo es nicht auf konzentrirte Beleuchtung be-
stimmter Arbeitsplätze, sondern nur auf gleichmässige Er-
hellung ankommt, kann statt der Prismen in Tafeln von
80 zu 150 c“ gewalztes Glas verwendet werden, das wie
gewöhnliche Fensterscheiben eingesetzt wird. Der Preis
dieser Verglasung stellt sich natürlich erheblich niedriger,
als derjenigeder einzeln hergestellten und gefasstenPrismen.
Wie schon hervorgehobeu wurde, werden diese Scheiben
entweder unmittelbar in die Lichtöffnungen eingesetzt, oder
als geneigte Marquisen benutzt. Ein Beispiel für letztere
Abbildg. 3. Licht-Marquise.
Abbildg. 4. Prismatische^Luxfer-Krystallglas- Fliese.
(Untere Ansicht) ^
Abbildg. 7. Keller-Oberlicht mit
Unter-Marquise.
Abbild^. 6.
Luxfer-Multiprisma.
Abbildg. 9.
Elektro-
Verglasung.
Fläche, 4—8 ““ Stärke. Die Aussenfläche ist glatt bezw.
flach gemustert, dielnnenfläche enthält zoRauten in Prismen-
form. Diese Platten werden nach Art des Elektroglases
gefasst, d. h. sie werden durch i ““ starke Kupferstreifen
getrennt, auf welchen sich dann im galvanischen Bade
halbrunde, 3 breite Wulste aufsetzen, die eine ausser-
ordentlich feste Fassung erzielen (Abbildg. 2) und solche
Scheiben, wie durch Brandversuche und Brandfälle nach-
gewiesen ist, auch ge^n Feuer ausserordentlich wider-
standsfähig machen. Derartig gefasstes Glas wird von
den Baupolizeibehörden als feuersicher anerkannt. Elektro-
glasflächen (wobei ausschliesslich die Fassungsart das Ent-
scheidende ist) werden in Berlin zum Verschluss kleiner
Oeffnungen und in Bayern bis zu 0,5 q® Grösse in Brand-
Anwendung ist in Abb. 3 dargestellt. Es ist dies ein Fall,
bei welchem an schmalen Strassen oder Höfen ausreichende
Beleuchtung erzielt werden soll. Bei Läden usw. erfüllen
diese Marquisen zugleich den Zweck eines Regenschutz-
daches. Derartige geneigte Flächen sind ausserdem na-
mentlich unter den Oberlichten tieferer Keller als sog.
Untermarquisen oft mit Vortheil zu verwenden.
Für die Abdeckung von Kellerlichten werden Luxfer-
Prismen in verschiedener Form und Stärke, je nachdem
die Flächen nur begehbar oder auch befahrbar sein sollen,
in gusseisernen Rahmen gefasst, hergestellt. Es kommen
zur Anwendung sogen. Glasfiiesen, Abbildg. 4, Prismen-
Fliesen, Abbildg. 5, und Multiprismen, Abbildg. 6 (so ge-
nannt, weil die Seitenflächen wieder vielfach prismatisch
19. Juli 1902.
375
gezahnt sind). Diese Materialien werden in Grössen von
63 . 6o . 20 bis 360 . 360 . 35 mni hergestellt. In Rahmen ge-
fasst stellt sich ihr Preis, auf 50—85 M. Das Glas wird in
den Rahmen in Zementmörtel eingesetzt. Die Multiprismen
eignen sich besonders für begehbare und befahrbare Ober-
lichte. Die einfallenden Strahlen werden meist unter einem
Winkel von 35 ^ gegen die Wagrechte abgeleitet. Die
Glasfliesen, welche eine fassettenartige Unterfläche zeigen,
zerstreuen das von oben einfallende Licht wenig und
eignen sich in Verbindung mit Untermarquisen besonders
zur Beleuchtung sehr tiefer Keller. In Abbildg. 7 ist eine
solche Verbindung dargestellt, während Abbildg. 8a u. b
Anordnung und Schnitt eines Multiprismen - Oberlichtes
wiedergeben. (In Abbildg. b. sind dabei im Schnitt darge-
stellt das eine Mal Prismen und Rahmen mit glatter Ober-
fläche, das andere Mal mit Ausbuckelungen versehen, um
beim Begehen einen besseren Halt zu geben.)
Die Leistungsfähigkeit der Luxfer-Prismen selbst bei
Räumen sehr grosser Tiefe ist verschiedentlich durch
Vermischtes.
Die Halle des deutschen Sängerbundesfestes ln Graz,
welches in den Tagen vom 26. — 30. Juli d. J. abgehalten
wird, gehört zu den grössten Anlagen dieser Art, denn
sie soll Raum bieten für 7500 Sänger und 8000 Zuhörer.
Sie besitzt eine Spannweite von 50 und eine Länge von
96“; ihre Höhe beträgt 21,5“. 54 Ausgänge führen un-
mittelbar ins Freie und gewährleisten die Sicherheit der
grossen Besucherzahl. Das Gebäude wurde nach den
Entwürfen der . Architekten Brth. F. Siegmundt und
F. Staerk durch Stadt-Zimmermstr. Otte und Brüder
Fekonja errichtet. —
Architekten als Dozenten für Kunstgeschichte an tech-
nischen Hochschulen. Dem Privatdozenten für Geschichte
der neueren Baukunst und Stillehre an der Architektur-
Abtheilung, der Technischen Hochschule in München, Hrn.
Architekten Dr. Richard Streiter, wurde der Auftrag er-
theilt, in der allgemeinen Abtheilung Vorlesungen über
Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts zu halten. Wir be-
grüssen diese Nachricht mit um so grösserem Interesse,
als sie eine Weiterverfolgung des immer mehr zur Er-
kenntniss gelangenden Grundsatzes bedeutet, dass für die
Kunst- und Baugeschichte an technischen Hochschulen,
die hier von durchaus anderen Gesichtspunkten gelesen
werden muss als an Universitäten, historisch gebildete
Architekten die geeigneteren Dozenten sind. Im
vorliegenden Falle tritt noch hinzu, dass der Technischen
Hochschule in München in Streiter eine hervorragend be-
gabte und unterrichtete Kraft gewonnen wurde. —
Ehrenbezeugung. Der I. Direktor des Germanischen
National-Museums in Nürnberg, Architekt von Bezold,
wurde aus Anlass der Jubelfeier des Museums von der
Universität Erlangen zum Ehrendoktor ernannt. —
Preisbewerbungeh.
Ein Preisausschreiben betr. Fassaden-Eatwürfe für die
neue Landes-Verslcherungsanstalt Westpreussen in Danzig
wird vom Vorstand der Anstalt für in Deutschland an-
sässige Architekten erlassen. Es gelangen 3 Preise von
1000, 600 und 400 M. zur Vertheilung. Dem Preisgerichte
gehören u. a. an die Hrn. Ob.-Brth. Prof. K. Schäfer in
Karlsruhe, Geh. Brth. Breidsprecher, Reg.- u. Brth.
Lehmbeck, Stdtbrth. Fehlhaber und Brth. Ehrhardt
in Danzig. Unterlagen, „so lange der Vorrath reicht'*,
kostenfrei durch den Vorstand der Landes-Versicherungs-
anstalt Westpreussen. —
Der Wettbewerb betr. Entwürfe für eine städt. höhere
Töchterschule mit Seminar zu Essen a. d. Rhr. wird als
eine Art Ideenwettbewerb aufgefasst, weshalb die Zeich-
nungen 1:200 und eine perspektivische Darstellung auf
der Grundlage dieses Maasstabes gefordert werden. Der
Baustil ist frei; Haustein ist, wenn überhaupt, in nur
ganz bescheidenem Umfange zu verwenden. Das Bau-
programm ist das übliche. Nicht preisgekrönte Entwürfe
können für je 500 M. angekauft werden. Die Preissumme
kann auch in anderer, als der S. 360 angegebenen Weise
verwendet werden. Eine Zusicherung über die Ausführung
enthalten die Bedingungen nicht. Im Preisgerichte be-
finden sich u. a. die Hrn. Brth. Schmohl in Essen, Prof.
Georg Frentzen in Aachen, Prof. Theod. Fischer in
Stuttgart und Prof. E. Beck in Karlsruhe. —
Wettbewerb Rathhaus Eberswalde. Für das in zwei
Abschnitten zur Ausführung gelangende Rathhaus ist
ausschi. der Gründungsarbeiten eine Gesammt-Bausumme
von 400000 M. in Aussicht genommen. Der Stil ist frei-
gestellt, für die Architekturtheile wird Haustein gefordert.
37Ö
wissenschaftliche V ersuche festgestellt worden , unter denen
besonders diejenigen des physikalischen Staats - Labora-
toriums in Hamburg zu nennen sind (Untersuchungen h^r
den durch Luxfer-Prismen- Fenster zu erreichenden Hellig-
keitsgewinn, nach den im phys. Staatslab. i. Hamburg aus-
geführten Beobachtungen von Dr. J. Classen.^'J Aus die-
sen Versuchen, bei denen ein möglichst; unmittelbarer
Vergleich der mit gewöhnlichen Glasfenstern und Lux-fer-
Prismenfenstern zu erzielenden Helligkeit angestrebt wurde,
geht hervor, dass ihatsächlich die Luxfer-Prismen den
grössten Theil der einfallenden Lichtstrahlen , in die Tiefe
des Raumes ablenken. Demzufolge ist in, unmittelbarer
Nähe des Fensters die Fiächen-Beleuchtung etwas geringer
als bei gewöhnlichen Glasfenstern, fällt'dann aber sehr viel
langsamer ab und stellt sich mit zunehmender Entfernung
vom Fenster bedeutend günstiger als bei gewöhnlicher
Verglasung. Bezüglich bestimmter Zahlenwerthe sei auf
die oben genannte Schrift verwiesen. —
Die Zeichnungen sind i : 200, eine perspektivische Dar-
stellung auf der Grundlage des Maasstabes i : 100 ge-
wünscht. Zusicherungen über die Bauausführung sind
nicht gegeben. Die Preissumme kann auch in anderer
als der S. 360 angegebenen Weise vertheilt werden. Ueber
die Rückerstattung der 3 M. für die Unterlagen bei unver-
sehrter Zurücksendung der letzteren oder bei Einiiefe-
rung eines Entwurfes ist nichts gesagt; vielleicht beruht
die Unterlassung nur auf einem Versehen. —
Wettbewerb Rathhaus Kassel. Unter 118 Entwürfen
errang den I. Preis von 9000 M. der des Hrn. Arch. Karl
Roth, Assistent. an der Technischen Hochschule in Darm-
stadt. Die beiden II. Preise von je 5000 M. fielen an die
Entwürfe der Hrn. F. Berger und F. Wilde in Berlin
bezw. Cfaarlottenburg, sowie an die Hrn. ■ J. Kröger,
Jürgensen und Bachmann in Wilmersdorf. Die beiden
III. Preise von je 3000 M. errangen die Hrn. Börnstein
und Kopp in Friedenau, sowie Hr. Franz Thyriot in
Köln a. Rh. Die beiden IV. Preise von je 1000 M. ge-
wannen die Hrn. Karst & Fanghänel in Kassel, sowie
Hr. Pritsche in Bielefeld: —
Chronik.
Die erste deutsche Kolonialbahn vom Küstenplatz Swa-
kopmund nach dem Sitz des Gouverneurs in Windhoek in
Deutsch-Südwestafrika ist am 20. Juni d. J. in ihrer vollen Länge
von 380 km eröffnet worden. Sie durchschneidet den mittleren und
werthvollsten Theil des Schutzgebietes, das zur Viehzucht besonders
geeignete Damaraland. Der Bau hat 4V2 Jahre in Anspruch ge-
nommen. (Aussei'dem besitzen wir noch die vom Reich nach-
träglich übernommene , aber noch unfertige Usambarababn in
Deutsch-Ostafrika ) —
Die Errichtung eines neuen Ausstellungs-Gebäudes der
Berliner Sezession soll geplant sein; die Entscheidung darüber dürfte
im Frühherbst fallen. —
Elektrische Bahn von Brüssel nach Antwerpen. Ein
belgischer Industrieller hat Pläne für den Bau einer normalspurigen
elektrischen Vollbahn von Brüssel nach Antwerpen aufgestellt. Die
Linie soll auf Viadukten von 7 m Höhe gelegt werden und die Züge
sollen in Abständen von 10 zu 10 Minuten von einander verkehren.
Die Geschwindigkeit würde bis zu 120 km in der Stunde gesteigert
werden können. Die Kosten werden auf etwa25Mill.Frcs. geschätzt —
Wiederaufbau der Ordensburg Busau in Mähren. Die
seit i6g6 im Eigenthum des Deutschen Ritterordens befindlichen
Trümmer der Burg Busau in Mähren wurden seit 1896 nach den
Plänen von Prof, von Hauberrisser in München zu einer neuen
Ordensburg ausgebaut. —
Die Grundsteinlegung der neuen Sendlinger Kirche bei
München, die nach einem Entwurf des Hrn. Arch. M. Dosch zur
Ausführung gelangt, hat Anfang Juli stattgefunden. —
Die Wiederherstellung des Schlosses Tirol, zu welcher
das österr. Unterrichts-Ministerium einen Beitrag von 10000 Kr.
leistete, ist begonnen worden. —
Für die künstlerische Ausgestaltung des Zentral-Fried-
hofes In Wien ist eine Summe von 5 Mill. Kr. zur Verfügung ge-
stellt worden. Es handelt sich um Gelände-Erweiterungen, sowie
um die Errichtung einer Begräbnisskirche mit Grüften nach dem
preisgekrönten Entwürfe des Arch. Max Regele, um die Anlage
eines Arkadenhofes mit Columbarien, um zwei grosse Leichenhallen,
eine Einsegoungs- Kapelle, sowie um die Vergrösserung vorhandener
Verwaltungs-Gebäude. —
*) Hamburg 1901. Kommissions-Verlag der Verlagsanstalt A.-G. vorm.
J. F. Richter.
Inhalt: Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. —
Die statische Berechnung des Normalviaduktes der Berliner elektrischen
Hochbahn. — Der Einsturz des Campanile von San Marco in Venedig. —
Ueber Luxfer-Prismen und deren Anwendung im Baugewerbe. — Ver-
mischtes. — Preisbewerbungen. — Chronik.
Hierzu eine Bildbeilage: Mittelbau der Haupt-Industrie-
Halle der Düsseldorfer Ausstellung.
Verlag der Deutschen Bauzeituug, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortL Albert. Ho fmänn., Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 58.
ON DER .INDUSTRIE- UND KUNST -At
STELLUNG IN DÜSSELDORF * MITTE
BAU DER HAUPT-INDUSTRIE-HALLE
ARCHITEKT FÜR DIE GESAMMTANLAC
GEORG THIELEN t * ARCHITEKT DI
CARL STOCK :
iU DÜSSELDORF ********
= DEUTSCHE BAUZEITUNG XXXVI. JAHRG. 68 I
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 59. Berlin, den 23, Juli 1902.
Gesamnitansicht von der Rheinseite.
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902.
IV. Die Ausstellungsbauten in künstlerischer
Hinsicht. (Hierzu die Bildbeilage in No. 58 und die Abbüdg. S. 374)
Von O. Vorlaender.
Hchon in füheren Berichten wurde hervorgehoben,
dass die Verwaltung der Stadt Düsseldorf im vollen
Verständniss des schon vor einigen Jahren geplanten
Ausstellungsunternehmens und mit weitschauendem Blicke
für die Entwicklungsfähigkeit und räumliche Ausdehnung
ihres von der Kunst und einer lebhaften Industrie ge-
tragenen Gemeinwesens keine Mühen und keine Opfer
gescheut hat, um in Verbindung mit grossartigen IJfer-
anlagen, neuen Schienenwegen für Güter und Personen-
verkehr usw. ein Gelände zu schaffen, wie es für eine
Ausstellung mittleren Umfanges kaum Übersichtlicher und
bequemer gedacht werden kann. An die Stelle des kleinen
„Sicherheitshafens“ vor dem langgestreckten. Kunstaka-
demiegebäude sind hübsche Anlagen getreten, mit einem
eigenartigen kleinen Aieliergebäude für akademische Frei-
lichtstudien usw.; gleich dahinter erhebt sich die neue
Rheinbrücke mit ihren mächtigen Kopfbauten und dem
lebhaften elektrischen Wagenverkehr nach den Nachbar-
städten auf dem linken Rheinufer. Vom Güterbahnhof
Derendorf im Nordosten der Stadt waren seitens der
Königl. Eisenbahnverwaltung besondere Schienenstränge
nach dem Ausstellungsgelände gelegt worden und ebenso
eine Verbindung mit den neuen Halenanlagen und den an
der Rheinwerft errichteten grossen Drehkrahnen für das
Ein- und Ausladen der auf den Wasserweg gewiesenen
Güter, während ein besonderer Bahnhof mit grossen
Warte- und Einsteighallen am Nordende des Ausstellungs-
geländes für den Personenverkehr geschaffen wurde.
Der Grundriss ergiebt annähernd ein langgezogenes
Rechteck (vergl. den Lageplan in No. 26), auf der West-
seite vom Rheinstrom berührt, im Süden und Osten theil-
weise noch von dem herrlichen „Hofgarten“ umzogen,
weiterhin östlich und im Norden von dem wenig höher
gelegenen Friedhof begrenzt, der im Vergleich zu dem
ausgedehnten grossen städtischen etwas weiter nördlich
gelegenen Friedhof am Tannenwäldchen nur noch wenig
benutzt wird. In dieses Gebiet, das am besten von den
oberen Atelierfenstern im Westrisalit des königl. Akademie-
Gebäudes überblickt werden kann, münden von allen dem
Rhein abgekehrten Seiten bequeme Zugangsstrassen hin-
ein, so zwar, dass von selbst und noch in genügender
Entfernung eine erwünschte Vertheilung des Menschen-
stromes geschehen kann, je nachdem die Interessenten
zunächst in das Kunstausstellungsgebäude im Süden oder
in die grosse Maschinenhalle an der Krefelder Strasse,
oder in die „Bureaux der Abfertigungs-Räume für die
Aussteller“ an der Schäferstrasse gelangen wollen.
Eine weitere angenehme Gelegenheit, die Ausstellung
zu besuchen, ohne zunächst die Stadt betreten zu müssen,
wird den Vergnügungsreisenden auf dem Rhein in diesem
Sommer dadurch noch geboten, dass Schiffe der Köln-
Düsseldorfer Dampfschiffabrtsgesellschaft über die End-
station Köln hinaus bis an die Landungsstege der Aus-
stellung fahren. Andererseits ist durch eine Brücke der
als Kopfstation angelegte oben erwähnte Ausstellungs-
bahnhof von seiner Ostseite aus mit der dem Ausstellungs-
gelände parallel gehenden Kaiserstrasse verbunden worden,
um so den Verkehr mit der Stadt zu vermitteln, ohne
dass es nöthigwäre, das Ausstellungsgelände zu betreten.
Da die Rückfahrkarten für die in diesen Bahnhof ein-
mündenden Sonderzüge nicht zur Abfahrt vom Düssel-
dorfer Hauptbahnhof berechtigen, den Inhabern aber doch
die Gelegenheit geboten werden sollte, schnell mittels
der elektrischen Strassenbahn von der Kaiserstrasse aus
die Verbindung mit der Stadt zu gewinnen, war jene
Einrichtung nothwendig. Für den Verkehr in der schönen
Düsselstadt, mit ihren breiten modernen Strassen, ist
durch den weiteren Ausbau ihres Strassenbahnnetzes
bestens gesorgt.
Als die Hauptzugangsstrassen zur Ausstellung können
wohl die neue Rheinwerftstrasse, die breite Alleestrasse
bis zum Ratinger Thor und die Kaiserstrasse bis zum
„Luftballonrestaurant“ angesehen werden. Während die
erstere an der Brücke vorbei unmittelbar in das Rheinthor
einmündet, durch welches auch die meisten Ausstellungs-
güter vom neuen Hafenbahnhof bei Hamm a. Rh. auf
einer Vollspurbahn eingefahren wurden, führen von den
beiden anderen i;den stattlichsten Strassen der Stadt) aus
schattige Wege in kürzester Frist durch den westlichen
Theil des Hofgartens zu den verschiedenen Eingängen der
Ausstellung hin.
Wir sind in der Alleestrasse, an der von Giese & Weidner
(Dresden) erbauten „städt. Kunsthalle“, dem gegenüber-
liegenden Stadttheater (von denselben Erbauern), fer-
ner am neuen Kunstgewerbemuseum am Friedrichsplatz
an den Denkmälern von Kaiser Wilhelm I. und v. Bis-
marck vorbeigekommen und betreten an der Biegung zur
„Schöne Aussicht" genannten Landzunge des Hofgartens
mit dem Blick auf den Rhein und die Akademie, an der
Südostseite das Ausstellungsgelände. Der Blick fällt bald
auf die schlichte und doch würdige Fassade des schon in
No. 22 beschriebenen und am 8. März d. J. seiner dauern-
den Bestimmung übergebenen Kunstausstellungs-Ge-
bäudes (Architekt Rückgauer), in dessen vorzüglich be-
leuchteten Räumen gegenwärtig die erste grosse Kunst-
ausstellung, die sich mit Rücksicht auf die weitgezogenen
Grenzen eine „.Deutschnationale“ nennt, sowie die „Kunst-
historische Ausstellung“, über die noch besonders berich-
tet werden soll, ihren Glanz und Reichthum entfalten.
Unter einem ganz anderen aesthetischen Gesichtswinkel
müssen die zahlreichen übrigen, grösstentheils aus Eisen
und leichtem Füllmaterial bestehenden und nur vorüber-
gehenden Ausstellungszwecken dienenden Baulichkeiten
betrachtet werden. Man darf für die Beurtheilung vom
künstlerischen Standpunkte aus den meisten dieser ver-
schiedenartigen Bauten gegenüber freilich nicht den Maass-
stab anlegen, den man z. ß. von der letzten Pariser Welt-
ausstellung her etwa mitgebracht hat, wiewohl es nahe
hegt, dass manche Besucher mit noch frisch haftenden Ein-
drücken von dort unwillkürlich Vergleiche ziehen werden.
Die Mannigfaltigkeit der Aufgaben war auch hier gross
genug, um reizvolle eigenartige Lösungen schaffen zu
können, und selbst bei einer gewissen Gleichartigkeit des
Stoffes geräth der Künstler nicht leicht in Verlegenheit,
sondern sucht dem oft behandelten Thema immer wieder
neue Seiten abzugewinnen. Form und Farbe stehen ihm zu
Gebote, pb es sich um grosse, viel Raum beanspruchende
Ideen oder um scheinbar geringe Dinge handelt.
In der Kunst giebt es bekanntlich nichts Kleines, und
das gilt auch von der dekorativen Kunst. Der Wucht
und weltbekannten Arbeitsleistung der rheinisch-west-
fälischen Eisenindustrie, ihres Bergwerks- und Hütten-
betriebes, der Mannigfaltigkeit der Grossindustrie und des
Kleingewerbes in beiden Provinzen Entsprechendes im
künstlerischen Ausdruck und in einer ganz subjektiven
Verwerthung der in den Fabrikationserzeugnissen oder
377
in den Betriebs-Eigenthümlichkeiten gegebenen Motive et-
was Neues zu schaffen — wenn auch immerhin in mehr oder
weniger enger Anlehnung an historische oder moderneForm-
gebung — war jedenfalls für die herangezogenen Archi-
tekten eine lohnende, dankbare Aufgabe. Einigen ist sie in
recht ansprechender Weise gelungen. Die Ausstellungs-
halle der Firma Friedr. Krupp inEssen(vgl.die neben-
stehendeAbbildg.) zähltunbestritten zu den besten Lösungen,
Der Urheber des Entwurfs, Hr. Prof. K. Hoffacker in
Karlsruhe, hat für die künstle-
rische Ausgestaltung, ohne An-
lehnung an frühere oder soge-
nannte moderne Stilformen (wie
es ausdrücklich in der ihm ge-
stellten Aufgabe hiess) sich in
einem Formenkreise gehalten,
wie er von dem Inhmt dieser
Sonderausstellung sowie von
den hauptsächlichsten Fabrika-
tions-Erzeugnissen und ihrer
Verwendung gegeben schien:
Schiffsbau- und Kriegsmaterial,
Walzprodukte schwersten Kali-
bers, Panzerplatten undKanonen
usw. Im Grundriss, der sich
den gegebenen engen Grenzen
zwisdien der Hauptallee und
einem längs des Rheines geführ-
ten Eisenbahn-Gleise anpassen
musste, war nur eine Längs-
entwicklung ungefähr von Süd
nach Nord möglich. Die hier-
durch entstehende Schwierig-
keit für eine günstige architek-
tonische Wirkung wurde über-
wunden im Inneren durch zwei
Brücken, die den Raum in drei
Theile gliedern, entsprechend
<ien Hauptwerkstätten derWelt-
firma, und in der äusseren Ar-
chitektur dadurch, dass die Ein-
gänge nicht an die Enden der
Haupthalle gelegt, sondern von
diesen etwas nach der Mitte ab-
gerückt und mit 2 schweren
Tbürmen überbaut worden sind,
zwischen denen ein die Haupt-
halle erweiternder, niedrigerer
Vorbau liegt. An die südliche
Stirnseite der Halle legt sich
ein Anbau in Apsisform, der
im Inneren die Ausstellung des
Grusonwerkes beherbergt, wäh-
rend der Hauptbau allein für
das Hauptwerk Essen bestimmt
ist und der nördliche Anbau bei
rechteckigem Grundriss Erzeug-
nisse von der Germaniawerft
birgt. DieganzeLängedes Baues
beträgt rd. 134®, die gesammte
Bodenfläche 4280 qm. Das kon-
struktive Gerüst der Halle ist
bereits in No. 49 beschrieben
und dargestellt. Die portalarti-
gen Binder, aus vertikalen Sei-
tentheilen und einem in Höhe
von 12 m ansetzenden Bogen be-
stehend, haben eine lichte Höhe
von 18,5 m, eine Stützweite von
24,9 m und geben der Haupt-
halle eine Weite von 26®.
Die Längsentfernung zwischen
zwei Portalträgem beträgt von
Mitte zu Mitte 10 ®. Vor der
östlichen Langseite, den Vorbau
flankirend, der sich in der Art
eines Seitenschiffes vor die
Haupthalle legt und diese auf
einer Länge von 50® zu einer
Breite von rund 35® erweitert,
liegen die beiden Thürme, in den äusseren Winkeln zwi-
schen diesen und der Langseite sind die Eingangs- bezw,
Ausgangsportale eingebaut. Hoch über das Gebäude hin-
aus, das Dach der Apsis durchbrechend, ragt ein Gefechts-
mast bis zu 54® empor, mit elektrischem Scheinwerfer
und mit Salutkanone ausgerüstet. Die unten quadratischen,
oben kreisrunden schweren Thürme geben nebst den
übrigen massigen Formen dem Ganzen em überaus derbes
etwas gemildert wird. So dient das Motiv der vergoldeten
Metallbeschläge, Reifen, Ringe, ineinander gewundener
Taue, Scheiben, Seile usw. zur ornamentalen Markirung
der Stütz- und Gelenkpunkte der Binder. Die tiefgrüneFarbe
der Regenrinnen steht gut gegenüber dem braunrothen
Anstrich der als Kupfereindeckung gedachten Asphaltpapp-
flächen der Dächer; lebhaft glitzernd heben sich im Sonnen-
licht die Aluminium-Kuppeln und die vergoldeten breiten
Streifen der Hauptthürme ab. Die Wände im seitlichen öst-
von Krupp in Essen. Architekt: Prof. Karl Hoffacker in Karlsruhe.
Pavillon des Mörder Bergwerks- und Hüttenvereins. Architekt: E. Marx in Dortmund.
liehen Vorbau haben grosse Fenster in etwas geschweifter
Grundform und mit gitterartig dichter, rothgestrichener
Scheibenrahmung erhalten. EsraussfürdieBeurtheilung der
ganzen Anordnung berücksichtigt werden, dass der geniale
Architekt gezwungen war, an eine der Idee nach bereits
vorhandene, später alsWerkschuppen wieder aufzustellende
Eisenhalle sich anzuschliessen, ferner auf die Ausgestaltung
w.. .der Westseite aus den oben angeführten Gründen zu ver-
wuchtiges Gepräge, das durch sparsame farbige Zuthaten .zichten, und dass er auf die Aufstellung der Gegenstände
378
No. 59.
im Inneren keinen Einfluss hatte. Nach seinen Plänen haben
übrigens die Innenräume nach der Eröffnung noch farbigen
Schmuck, Vergoldung der Stucktheile, farbige Friese in
den Eingangshallen üsw. erhalten. Leider ist durch später
hinzugekommene andere kleine Pavillons der nordöstliche
Anbau mit seiner interessanten architektonischen Gruppirung
und Durchbildung fast vollständig verdeckt.
In nächster Nähe der Krupphalle am Rheinufer be-
findet sich, neben anderen vom „Rheinischen Verein
zur Förderung des Arbeitest -Wohnungswesens“
aufgestellten Muster- Arbeiterhäusern in sehr verschiedener
Charakteristik, ein weiteres von der Firma Krupp' zur
Ausstellung aufgeführtes Gebäude, nämlich ein Doppel-
wohnhaus für Arbeiter, nach einem der in den Krupp-
schen Arbeiter -Kolonien gebräuchlichen Typen. . Neben
dem Rheinthor am Süd ende der Ausstellung, welches 'sich
wegen der darüber hinwegziehenden Brücke nicht recht
entwickeln konnte und viel zu klein und dünn in seinen
Eisenverzierungen geblieben ist, befindet sich ein Panorama
(Blüchers Rheinübergang bei Gaub 1814 darstellend) mit
angegliederten Wein- und Bier-Restaurationen. Die grossen
Flächen, wie der von zwei kleinen Thürmchen fiankirte
doppelt geschweifte Giebelaufsatz über dem Eingang sind
mit naturalistischem Blumen-Ornament in Relief und mit
massiger moderner Dekorationsmalerei versehen.
In der Nähe befinden sich zahlreiche von einzelnen
Ausstellern oder Gewerkschaften erstellte Pavillons, unter
denen der bei Krupp eingeschobene, mit Kupferkuppeldach
und reicher Vergoldung ausgestattete quadratische Pavillon
der „Vereinigten Rottweiler Pulverfabriken“ her-
vorragt. Uebrigens auch das Eingangsthor an der Insel-
Strasse, nahe nni: Kunstpalaste, wirkt.. zu klein. und dünn;
seine in Schniiedeisen kunst'voll getriebenen Ranken und
Blumen mögen jedoch mit ihren zahlreichen aufgesetzten
farbigen Leuchtbirnen Abends einen recht angenehmen
■Eindruck machen. Das auf derselben Seite rechts neben
Krupp gelegene Ausstell ungs -Gebäude des „Ho er der
Bergwerks- und Hütten.vefeins“ (vergl. die Abbildg.
S.,378) zeigt einen. einfachen, klär gegliederten Grundriss
und Aufbau: quadratischen, kuppelgekrönten Mittelbau
von. grossen Abmessungen, die- Seitenflächen im Rund-
bogen geschlossen und mit . mächtigen durch aufrechte
Pfosten in je drei Flächen zerlegten Fenstern. Nördlich
und südlich erweitert sich die Mittelhalle durch breit im
Halbkreis heraustretende Anbauten, deren zahlreiche
gleichfalls im Rundbogen geschlossene Fenster dem
Inneren ein reiches Licht zuführen. Auf den vier Ecken
des Mittelbaues erheben sich quadratische, stark durch-
brochene Eckthürme, die ihren Abschluss finden in kleinen
Aufbauten, und mit dem geflügelten Rad versehenen
Kuppeln. Die Hauptkuppei trägt eine zierliche, offene
kreisrunde Säulenhalle und zuletzt einen zylindrischen
Aufsatz mit der Weltkugel als Bekrönung. Das Ganze,
in moderner recht ansprechender Empfindung nach den
Entwürfen des Architekten E. Marx in Dortmund ge-
schaffen, hat eine sparsame farbige Behandlung durch Ver-
goldung an einzelnen Stellen, durch Metallbedachung usw.
erfahren. Die drei Eingänge sind durch kleine Vorbauten in
Holzkonstruktion überdacht. Unter den Stuckornamenten
finden sich gute Motive, unten Scheiben und Rosetten
usw. mit angehängten Laubkränzen und Gehängen, an
den Fenster-Pfosten Vorgesetzte Masken mit Ketten, Zahn-
rädern, mit Diademen aus Tauen, usw. — Die Höhe des
Mittelbaues beträgt 32 “ die Längsaxe misst 46“, die Quer-
axe 27“. Zwei überlebehsgrosse „Arbeit“ und „Segen“
symbolisirende Figuren, gut bewegt und modellirt, sitzen auf
höhen Sockeln vor dem Gebäude. — Es folgen die grossen
Anlagen des „Deutschen Betonvereins“. Dieselbenbe-
stehen in der Hauptsache aus einem, grossen viereckigen
Wasserbecken mit Wasserfällen nach dem Rhein zu, von
•Balustraden auf den Seiten und einem reichgegliederten,
ein zweites ellyptisches Brunnenbecken mit riesiger. Cen-
taurengruppe umschliessenden Arkaden-Vorbau begrenzt,
nebst malerischen Treppenanlagen, Br.uekenbauten, Restäu-
rations-und Ausstellungshallen im Untergeschoss, Säulen
und Portalen und'vielen dekorativenEinzemeiten, die einem
Chronik.
Der Neubau der kgl. Akademie der Künste zu Berlin
ist bereits so weit fertiggesteOt, dass der Umzug der einzelnen Ab-
theilungen der bedeutenden Unterrichtsanstalt seit längerer Zeit
begonnen hat. —
Das Sanatorium der Münchener Ortskrankenkasse VIII
bei Kirchseeon, welches nach den Entwürfen der Arch. Hessemer
■&’Schmidt errichtet und von.uns im Jahrg. ipor No. 15 veröffent-
'licht wurde, ist in diesen Tagen in Benützung genommen worden. —
Ein Bismarckdenkmal für Ansbach soll nach dem Entwurf
des Hrn. Kreisbrtii. Förster mit einer Summe von rd. 15000 M.
.als .Thurmbau errichtet werden. — . . . . . f
•23. Juli 1902.
doppelten Zweck dienen, nämlich einmal: zu zeigen, was
die Technik des Giessens und Stampfens, des Abformens
aus wohl vorbereiteten Holzmodellen wie auch des feinen
Modellirens und Aufbauens grösserer Massen nach den
verschiedenen Richtungen zu leisten vermag, andererseits
aber: durch reizvolle Gruppenbildungen in Verbindung
mit Wasserkünsten und gärtnerischen Anlagen der Aus-
stellung ein weiteres Moment künstlerischer Durchbildung
zuzufügen.
Die Verdienste um den Entwurf gehören den Archi-
tekten A. Bender und W. Fraenkel in Düsseldorf; die
Hauptgruppe, 7,5“ hoch, in dem ellyptischen 20 Längs-
axe messenden ßrunnenbecken, sowie die Nebenfiguren
wurden entworfen und modelKrt von Bildhauer Prof.
C. Janssen in Düsseldorf. Die bronze-imitirten Relief-
porträts des Kaisers und des Kronprinzen in den vorderen
wappengeschmückten Postamentflächen der beiden insge-
sammt 35 m hohen Säulen, welche rechts und links die
Anlage überragen und mit ihren vergoldeten Viktorien
auf stark gerollten Kapitalen weithin das Gesichtsfeld be-
herrschen, sind von Prof. Uphues in Berlin geschaffen;
betheiligt sind im übrigen die bekannten Firmen Schwenk
in Ulm, Dyckerhoff & Widmann in Biebrich a. Rh.,
Liebold & Co. in Holzminden, Dücker & Co. in Düssel-
dorf, Hüser & Cie. in Oberkasse], Garstanj en & Cie. in
Duisburg usw. Die Brücke in etwa 30 “ Sparmungsweite
wurde ausgeführt von der anzweiterStelle genanntenFirma.
Tiefe, wohlabgestimmte Glockentöne, die hin und wie-
der über das Aussteiiungsfeld erdröhnen, — auch ein
künstlerisches Moment — laden den Besucher ein, jetzt
dem rechts anschliessenden, nach basilikalem System,
d. h. mit Haupthalle (die Längsaxe rechtwinklig zum Rhein)
und niedrigeren Seitenschiffen, Querhaus und Glocken-
•thurm, errichteten Gebäude des „Bochumer Vereins
für Bergbau und Gussstahl-Fabrikation“ einen Be-
such zu machen, von dem wir später eine Abbildung bei-
geben werden. Der für denselben ständig thätige Archi-
tekt Schumacher hat sich redlich bemüht, den schweren
Charakter der. grossen durch die Eisenkonstruktion fest-
gelegten Gebäudemassen zu mildern durch dekorative, in
Form und Farbe reich gehaltene Ausgestaltung der Giebel-
fronten an Lang- und Querhaus in gothischem Stile. In der
Hauptfassade nach Osten und in den Querhaus -Giebeln
sind grosse Maasswerkfenster, in breiten Spitzbogen ge-
schlossen über durchbrochener Gallerie angeordnet; die
Eckpfeiler und alle Gliederungen in röthlicher Sandstein-
nachahmung gehalten. Strebepfeiler mit geschweiften,
zierlichen, ziegelrothen Bedachungen, zahlreiche Spitz-
thürmchen mit dem grünen Ton der oxydirten Kupfer-
belme und allesammt in Goldknäufe auslaufend, sechs-
theilige Fenster in den Hochwänden des Mittelschiffs
usw. lieferten die Einzelheiten, die neben dem an die Süd-
ostecke sich anlehnenden, etwa 70 ® hohen und für sich
selbst mit seiner Schieferbekleidung in durchaus anderem,
mehr profanem Charakter gehaltenen Glockenthurm etwas
kleinlich und unruhig wirken. Zwei ruhende Sphinxgestalten
in Bronzefarbe auf ungegliedertem Sockel bewachen den
Haupteingang, in dessen tiefe Laibung ein breiter, kräftig
reliefirter und ebenfalls bronzefarben gehaltener Wulst ein-
gespannt ist. Das Innere, mit dem offenen Dachstuhl des
farbig abgesetzteri Eisengerüstes und dem mächtigen Glas-
dach, macht zunächst Eindruck durch die geschickte Auf-
stellung der grandiosen Ausstellungs-Gegenstände: Schiffs-
wellen,- Hintersteven, Räder, Reifen, Schienen, kolossale
Stahlrohre,' Eisenbahnwaggons (dazu ein ganzer Zug von
'mehr als 15 Achsen und einzelneWaggons von je 30t Lade-
fähigkeit), ferner Schwungräder, Lokömotivradsätze, Low-
ries, Krahne und Glocken. Das Riesenfenster in der West-
seite zeigt in geschickter Kunstverglasung eine glühende
Lohe mit aufzüngelnden Flammen in roth, gelb und dunklen
Rauchwolken und bildet einen wirkungsvollen ernstgestimm-
•ten Hintergrund für einen in der Form eines Orgelgehäuses
.aufgestellten „kornplizirtenGiockenstuhl“. Die durchgehends
geschickt durchgeführte Malerei des Inneren erstreckt sich
-besonders auf die hohe mit dem Wappen der deutschen
•Staaten und derW eltreiche geschmückte Galleriebrüstung. —
(Schluss folgt.)
Das berühmte Chörlein von St. Sebald in Nürnberg,
dessen Verwitterung eine so starke ist, dass eine Wiederherstellung
sich als unmöglich erwiesen hat, wird im Germanischen Museum
zur Aufstellung gelangen, welchem es die Stadt Nürnberg als Ge-
schenk überwiesen hat. Am Pfarrhofe von St. Sebald soll eine
-treue Nachbildung des Werkes Aufstellung finden. —
Der Umbau des Königs-Stiftungshauses zum-Bibliothek-
Gebäude des Germanischen Museums in Nürnberg ist igoi zum
Abschluss gebracht worden. Für den Lesesaal konnte moö schöne
Rococo-Stuckdecke aus dem abgebrochenen alten Bezirksamts-Ge-
bäude in Nürnberg verwendet werden. —
• Das Bauprogramm für die neuen österreichischen'Wasser-
'-strassen nimmt die erste Baüperiode vom Jahre 1904 bis- zum
379
Ende des Jahres 1912 an, und es ist für dieselbe ein Kredit von
250 Mül. Kr. in Aussicht genommen, wovon 75 Mill. Kr. für die
Flussreguürüngen verwendet werden sollen. Innerhalb der ersten
Bauperiode sollen die folgenden Bauten in Angriff genommen und
durchgeführt werden: i. Der Donau-Oder-Kanal von der Einmündung
bei Wien bis Mährisch-Ostrau; 2. die Kanalisirung der Moldau im
Weichbilde von Prag und ein Theil der Elbe-Regulirung auf der
Strecke Melnik-Jaromerz; 3. eine Theilstrecke der geplanten schifff
baren Verbindung vom Donau-Oder-Kanal zum Stromgebiete der
Weichsel. Der Bau soll auf allen diesen Strecken gleichzeitig in
Angriff genommen werden. Die Vorarbeiten sollen unverzüglich
begonnen werden, damit mit dem Jahre 1904 die praktische Durch-
führung erfolgen kann. —
Aufnahmen elsässischer Baudenkmäler aus französischem
Besitz sind dem Denkmalarchiv für EIsass-Lothringen überväesen
worden. Die Aufnahmen betreffen die Zeichnungen von Baudenk-
mälern des Eisass, welche von der „Commission historique des
monuments frangais“ in Paris veranlasst waren und beim Friedens-
schlüsse im Jahre 187: nicht mit überwiesen wurden —
Eine Drahtseilbahn bei Bozen zwischen Kaltem und dem
Mendelpass ist in Ausführung begriffen, die mit ihrer höchsten
Steigung von öq^/o noch diejenige der bekannten Stanserhorn-Bahn
übertrifft. Sie hat {in der Steigung gemessen) eine Länge von
2,5 km und überwindet 850 m Höhe. Sie wird in einer Betriebs-
strecke ohne Umsteigestation betrieben werden, unterscheidet sich
also auch darin von den bisherigen Ausführungen. Die Wagen
sollen 50 Personen fassen, der Antrieb ist elektrisch und erfolgt
vom oberen Ende aus. —
Die Errichtung eines neuen Theaters im Bezirk Land-
strasse in Wien erscheint gesichert. —
Die Einführung des elektrischen Betriebes auf der Wiener
Stadtbahn ist durch Versuche eingeleitet, welche die Akt.-Ges.
Siemens; & Halske, deren Vorschläge bei einem seinerzeitigen
Ausschreibeu zur Ei'langung des geeignetsten Systems gewählt
wurden, vornimmt. —
Die kartographische Aufnahme des Khalifenschlosses
Amra in Nordarabien ist durch die Akademie der Wissenschaften
in Wien beschlossen worden und der Entdecker des Schlosses,
Dr. Alois Musil, mit einer für diesen und andere Forschungs-
zwecke bestimmten Expedition betraut worden. —
Ein Shakespeare-Denkmal für Weimar wird nach den
Entwürfen des Bildhauers Prof. Otto Lessing-Berlin errichtet. —
Der Bau der neuen Kaisergruft im Dome von Speyer soll
zu Ende dieses Jahres vollendet werden. —
Die Einrichtung des elektrischen Betriebes auf der Vor-
ortstrecke Berlin-Gross-Lichterfelde-Ost ist beschlossen wor-
den. Das Betriebssystem ist Gleichstrom, die Betriebs-Anlagen
werden von der Elektrizitäts-Gesellschaft „Union“ ausgeführt. —
Ein Verein für Volkskunst und Volkskunde in München
hat sich unter dem Vorsitz des Hrn. Prof. Aug. Thiersch ge-
bildet. Der Verein hat sich in erster Linie zur Aufgabe gemacht,
für das südliche Bayern die Ueberlieferungen zu sammeln, welche
im Hausbau, io der Einrichtung und Ausschmückung des Hauses
und in dem Hausgeräthe des Volkes noch erhalten sind. Zu den
leitenden Personen des dankenswerthen Unternehmens gehören
u- a. noch die Hrn. Hans Grässel, Franz Zell, Heinr. Handl,
Fritz Jummerspach usw. —
Der künstlerische Schmuck des Sitzungssaales des preussir
sehen Abgeordnetenhauses geht unter, der Leitung des Erbauers
desselben, Geh. Brth. Fr. Schulze, seiner Vollendung entgegen.
Der Schmuck besteht in einem Gemäldezyklus des Prof. Koch,
Ansichten aus den Hauptstädten der preussischen Provinzen dar-
stellend, und aus den beiden allegorischen Standbildern „Recht“
und „Gesetz“, von Prof. Brütt. Die Standbilder stehen in Nischen
zu beiden Seiten des Hauptgemäldes hinter dem Präsidentensitz. —
Personal-Nachrichten.
Baden. Der Bahnbauinsp. Hauger. in Waldkirch ist zur
Leitung der Neubauarb. der Murgthalbahn nach Gernsbach versetzt.
Der Bahnbauinsp. Lehmann in Freiburg ist nach Kehl versetzt
zur Wahrnehmung der Vorst. -Geschäfte der Hafenbauinsp. — der
Eisenb.-Ing. Fr. Wolf f in Offenburg ist landesherrl. augestellt.
Preussen. Verliehen ist: Den Geh. Brthn. Grosse in Erfurt,
Koenen in Münster i. W. und Uhlenhuth in Hannover beim
Uebertritt in den Ruhestand der Rothe Adler-Orden III. Kl. mit
der .Schleife; dem Kr.-Bauinsp. F aerber in' Neisse der Rothe
Adler-Orden IV. KL; dem Prof. Frentzen in Aachen und beim
Uebertritt in den Ruhestand dem Eisenb.-Dir. Urban in Kassel
der kgl. Kronen-Orden III. Kl.
Dem Dir. der kontinentalen Gesellsch. für elektrische Unter-
nehmungen in Nürnberg Stadtbrth. a. D. Köhn ist die Erlaubniss
zur Annahme und zum Tragen des ihm verlieh. Kommandeur-
kxeuzes des kgl. Italien. St. Mauritius- und Lazarus-Ordens ertheilt.
Dem Gew.-Insp.-Assist. Matthiolius in Unna ist die Ver-
waltung der Gew.-Insp. das. übertragen. — Der Gew.-Insp.-Assist.
Bublitz in Gumbinnen ist nach Unna versetzt.
Den Gew.-Insp. Dr. Isenbeck in Osnabrück, Rübens in
Goslar, Simon in Düsseldorf, T ö p e r t in Reichenbach und U n -
ruh in Stettin ist der Char. als Gew.-Rath mit dem persönl. Range
als Rath IV. Kl. verliehen.
Die Reg.-Bfhr. Aug. Schlott aus Mottgers, William Wo 1 f f
aus Berlin , Otto B 1 e 1 1 aus Fischhausen (Eisenbfeh.), — Aug.
S chi e v e 1 b u s c h aus Landringhausen, Paul Sachs aus Katto-
witz, -Mart. Fabian aus Graudenz und Gg. C r a y e n aus Magde-
burg (Masch.-Bfeh.) sind zu Reg-Bmstrn. ernannt. “
Dem Reg.-Bmstr. Hans Ben da in FrankfurtJ'a. M.^istjdie
naebges. Entlass, aus dem Dienste der allgem. Bauverwaltg. , dem
Eisenb--Bau- u. Betr.-Insp. Rohlfs in Köln und den Reg.-Bmstrn.
Emil Schück iu Breslau, Bruno Volkraann in Berlin, Friedr.
M i e th e r in Krefeld, Job. Werner in Nürnberg, Herrn. M ey, ey
in Chärlottenburg und Karl T o 0 p in Königsberg i. Pr. ist die
nachges. Entlass, aus dem Staatsdienste ertheilt.
Der Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. z. D. Schwamborn, früher
in Marburg, ist in den Ruhestand getreten.
Der Reg.- u. Brth. Mathie.s in Berlin ist [aus dem Staats-
dienst ausgeschieden.
Sachsen. Dem Geh. Brth. u. vortr. Rath Weber in Dres-
den ist die Erlaubniss zur Annahme und Anlegung des ihm verlieh.
Komthurkreuzes II. Kl. des herz, sachsen-ernestinischen Hausordens
ertheilt. — Der Reg.-Bmstr. B e s s e r ist z. Telegr.-Insp. ernannt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. A. F. in Burg D. Zu i. Die Entscheidungen
des Reichsgerichtes und die des preuss. Ober-Verwaltungsgerichtes
erscheinen in amtlichen Sammelwerken, welche sich auf alle Rechts-
gebiete erstrecken, über welche der betr. Gerichtshof zu entscheiden
berufen ist. Einen Auszug derjenigen Entscheidungen, welche bau-
rechtliche oder baupolizeiliche Fragen behandeln, besteht nicht,
nachdem ein diesbezüglicher Versuch eines Hamburger Bau-Sach-
verständigen wegen Theilnahraslosigkeit in den Kreisen der Baüge-
v^erksmeister missglückt ist. Zu 2. Das preuss. Ober-Verwaltungs-
gericht hat wiederholt den Grundsatz vertreten, dass die Polizei das
Ausbrechen von Fenstern oder Oeffnungen in Brandmauern selbst
dann untersagen darf, wenn der Bauherr dem Nachbar gegenüber
ein wohlerworbenes Recht besitzt, Fenster in Grenzmauern anzu-
bringen. Da Grenzmauern fast in allen Polizeirechten als Brand-
mauern behandelt werden, ist die. Polizei befugt, die Ausübung des
Rechtes zur Fensteranlage thatsächlich zu zerstören. Die getroffenen
Entscheidungen wurzeln im wesentlichen in dem Rechtssatze, dass
das öffentliche Recht dem Privatrechte vorgeht , weshalb dem
Schutze der Allgemeinheit, welcher im öffentlichen Rechte ange-
strebt wird, etwaige Sonderrechte des Grundeigenthümers zu weichen
haben. Da nun das Verbot der Fenster in Brandmauern aus Grüur
den der Feuersicherheit getroffen ist, bewegt sich die Polizei im
Rahmen ihrer Befugnisse, seine Verwirklichung selbst dort zu for-
dern, wo der Nachbar gezwungen sein würde, Fenster nach seinem
Grundstücke zu dulden. — K. H-e.
Hrn. B. K. ln Eltville. Wir können Ihnen nur rathen, sich
wegen der Beschädigung des Sandsteines mit einem tüchtigen
Chemiker in Verbindung zu setzen. Die Beschädigung wird wahr-
scheinlich nicht durch Salpeter, sondern durch Bildung von Glauber-
salz verursacht sein. Es ist leider immer nur möglich gewesen,
diese Thatsache festzusteüen, nicht aber durch Chemiker ein Gegen-
mittel zu finden. Leinöl ist bereits versucht, doch nutzte das nur
eine kurze Zeit, selbst im Inneren des Gebäudes'; Wir würden
Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie weitere Erfahrungen veröffent-
lichen oder wenigstens uns .mittheilen wollten. —
Hrn. K. H. in Mannheim. Nach Ihrer Beschreibung der
Schornsteinanordnung und der eingetretenen Risse hat Ihre An-
schauung von ungleichmässiger Beanspruchung, bezw. bei d.er Lage
des festen Baugrundes auch ungleichmässigen Widerstandes des
letztei'en, die "Wahrscheinlichkeit für sich, namentlich wenn (was
Sie nicht angeben) die Fundaraentplatte nicht sehr stark sein sollte.
Ein technisch zutreffendes Urtheil können Sie sich aber nur durch
einen Sachverständigen geben lassen, der die Verhältnisse an Ort
und Stelle genauer untersuchen kann. —
Hrn. Arch. B. in Chemnitz. Selbstverständlich giebt es
solche Bestimmungen, die aber nicht in allen Landestheilen gleich
sind. Für Sachsen sind vermuthlich Angaben im Schulgesetz vom
3. April 1873 enthalten. Die auf den Schüler entfallende Fläche
muss mindestens 0,6 qm betragen. Es ergiebt das aber sehr ge-
ringe Maasse. Höhe mindestens 3,2 m. Nähere Angaben finden
Sie in Baukunde des Architekten, Bd. II, Th. 4, 2. Aufl. 1900.
Verlag der Dtschn. Bztg. —
Hrn. Stadtbmstr. Z. in S. Zu der Beantwortung in No. 45
ist uns unter dem 19. Juni d. J. nachstehende Berichtigung zuge-
gangen, die wir nachträglich zum Abdruck bringen:
„In der Fragebeantwortung ist gesagt, dass „ein Sinkkasten-
Eimer, der allen Ansprüchen gerecht wird, von Mairich konstruirt
sei und von der Geiger’schen Fabrik in Karlsruhe geliefert werde'“;
dies ist insofern nicht zutreffend, als wir zwar Schlamm-Eimer
fabriziren, aber nicht nach Mairich’schem, sondern nach bekanntern
eigenem, seit langen Jahren bewährtem und in etwa 150 Städten
eingeführtem System, welches dem von Ihrem Herrn Referenten
aufgestellten Grundsatz, dass die Abdichtung des Eimers
gegen die Zylinderwand des Sinkkastens gut und dauer-
haft sein müsse, dadurch vollkommen entspricht, dass die Dich-
tung zwischen Eimer und Zylinderwandung durch konische Metall-
, kränze gebildet, wird.
Bei dem Mairich’schen Eimer wird diese Abdichtung bekannt-
lich durch eine Gummimanchette bewirkt, die jedenfalls dem Ver-
schleisse und der Beschädigung in weit höherem Maasse unterliegt,
als unsere (in Form und Material unverwüstlichen) Metallkränze,
und deshalb der oben aufgestellten Forderung nicht in dem in Ihrer
Auskunft angegebenen Maasse genügen dürfte.
Geiger'sche Fabrik f. Strassen- u. Haus-Entwässerungsartikel
G. m. b. H. in Karlsruhe i. B.“
Anfragen an den Leserkreis.
Welche Litteratur giebt es über -Schneeschutzdämme, Schnee-
schutzzäune und hauptsächlich Schneeschutzhecken an Landstrassen
und Eisenbahnen? G. St. in Naila.
Welche Decke bewährt sich, am besten in einer grossen
Käserei mit Dampfbetrieb? Bekanntlich giebt es daselbst viele
■Dunstniederschläge und immer 'nasse' Decken.
P. A., Arch. in Oelenberg.
Inhalt: Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 190a
(Fortsetzung). — Chronik. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
-Verlag .der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H-, Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von 'Wilh. Greve, Berlin.
380 No. 59.
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
H^BERLIN
AUZEITUNG.
GANG. * * NO- 6o. ^
*
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseidort 1903. Ausstellungs-Bahnhof.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Bau eines neuen
Rathhauses in Kassel.
"ler Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen
für den Bau eines neuen Rathhauses in
Kassel, welcher seit Jahresfrist zahlreiche
deutsche Architekten beschäftigte und die
■' Einsendung der stattlichen Anzahl von 119
Arbeiten im Gefolge hatte, ist in diesen Tagen dahin
entschieden worden,
dass der I. Preis von
9000 M. dem Entwurf
mit dem Kennworte
„Stadtbild“ des Hrn.
Arch. Karl Roth,
Assistent an derT ech-
nischen Hochschule
in Darmstadt, die bei-
den II. Preise von je
5000 M. den Entwür-
fen „Mäh hunns, mäh
kunns" der Hrn. F.
Berger in Berlin in
Gemeinschaft mit
FelixWilde in Char-
lottenburg, und „Gie-
bel“ der Hrn. Jürgen
Kröger in Gemein-
schaft mit Jürgen-
sen und Bach mann
in Wilmersdorf zu-
gesprochen wurde,
Die beiden III. Preise
von je 3000 M. er-
rangen die Entwürfe
„Waldmeister“ der
Hrn. Börnstein &
Kopp in Friedenau, sowie „Volkslied“ des Hrn. Franz
riiyriot in Köln a. Rh.; die beiden IV. Preise von
je 1000 M. die Arbeiten „Roland“ der Hrn. Karst &
Fanghänel in Kassel und „Nur einmal blüht im Jahr
der Mai“ des Hrn. M. Fritsche in Bielefeld. Das
Preisgericht hat demnach von der Freiheit des Pro-
grammes, dieSumme
der Preise von 27 000
M. auch in anderer
Weise zur Verthei-
lung zu bringen, kei-
nen Gebrauch ge-
macht, was mit An-
erkennung zu be-
grüssen ist ; denn ein
Abweichen von den
in Aussicht gestellten
Preisen, die doch nur
in der nun einmal
festgesetzten Höhe
ihre Anziehungskraft
ausüben, hat immer
etwas Missliches und
bereitet zahlreiche
Enttäuschungen,
durch welche das
ohnehin schon an
Enttäuschungen so
reiche Wettbewerbs-
Verfahren nicht noth-
wendigerweise noch
mehr belastet zu wer-
den braucht. Die ört-
lichen Bedingungen
381
für die Aufgabe waren günstige. Das Gebäude, für
welches einschliesslich der Heizungs-, der Ent- und Be-
wässerungs-Anlagen sowie der Beleuchtungs-Anlagen
eine Summe von i 650000 M. zur Verfügung steht, in
welcher Summe jedoch die Herstellung der Umgebung
des Rathhauses, die nicht unwesentlich umzugestalten
ist, nicht einbegriffen wird, soll auf einem regelmässig
begrenzten rechteckigen Platze errichtet werden, der an
der oberen Königsstrasse, der Hauptverkehrsader der
Stadt, in unmittelbarer Nachbarschaft des alten, an
der oberen Carlstrasse gelegenen Rathhauses liegt
und welchen, wie der umstehende Lageplan zeigt, die
Königs-, die Wilhelms-, die Carls- und die Fünffenster-
Strasse umziehen. Es stand den Bewerbern frei, den
in sich geschlossenen mit AB CD bezeichneten Theil
zu bebauen oder aber eine Anlage mit nach der
Königsstrassc vorgezogenen Seitenflügeln zu schaffen.
Das Gebäude war für zwei Bauperioden zu planen;
die erste Bauperiode sollte für 19 Raumgruppen
6050 die zweite etwa 2400^® Fläche umfassen.
Dem zunächst zur Ausführung gelangenden Theil
war ein in sich geschlossener monumentaler Cha-
rakter zu verleihen. Die Architektur sollte den Cha-
rakter des Bauwerkes klar zum Ausdruck bringen,
war aber in ihrer Stilhaltung völlig in das freie Er-
messen der Bewerber gestellt. Als Material für die
Aussenansichten. war Haustein, für die Hofansichten
Backstein zu wählen.
Das Rathhaus sollte ein Kellergeschoss, ein Unter-,
ein Erd-, ein Zwischen- und zwei Obergeschosse er-
halten. Sämratliche Kassen, sowie die Armenverwaltung
und das Gewerbegericht waren ira Erdgeschoss, die
Arbeits - Vermittelungsstellc und die Sparkasse im
Sockelgeschoss unterzubringen. Die übrigen dem Ver-
kehr mit dem Publikum dienenden Geschäftsräume
sollten im Erd- und im Zwischengeschoss angelegt
werden. Die Sitzungssäle und die Hauptverwaltung
waren in das als Hauptgeschoss zu betrachtende erste
Obergeschoss, das Stadtbauamt in das zweite Ober-
geschoss, die übrigen Verwaltungsräume in die ver-
schiedenen Geschosse zu legen. Gefordert waren
ferner eine Rathskellerwirthschaft mit Nebenräumen
und Wohnung für den Wirth usw. Mit dem Haupt-
eingange war eine der Würde des Gebäudes ent-
sprechende Haupttreppe zu verbinden. Die Einzel-
forderungen des Raumprogrammes gingen nicht über
die für Gebäude ähnlicher Art gebräuchlichen Er-
fordernisse hinaus. Es war auch hier die häufig
wiederkehrende Forderung gestellt, dass der Sitzungs-
saal für den Magistrat mit 100 und der Sitzungssaal
für die Stadtverordneten mit 240 Fläche unter Ein-
schluss eines Garderoberaumes so zusammen zu legen
seien, dass sie leicht in Festräume umgewandelt wer-
den können. Im Grossen und Ganzen waren die Forde-
rungen klar und übersichtlich aufgestellt, und die
treffliche' Bearbeitung der Unterlagen im Verein mit
der heute glücklicherweise nicht mehr so sehr seltenen
Zusage, dass hinsichtlich der Ausführung die Absicht
bestehe, einen der Preisträger mit der künstlerischen
Bearbeitung der Ausführungs -Entwürfe zu betrauen,
mögen zusammengewirkt haben zu dem reichen Er-
folge des Preisausschreibens, der nicht allein der ge-
schäftlichen Stille unserer Tage zuzuschreiben ist. —
(Fürtsetzung folgt.)
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1002.
IV. Die Aussteliungsbauten in künstlerischer
Hinsicht. (Schluss.) Hierzu die Abbildg. S. 381.
eiterhin tritt -die grosse, von dem Ausstellungs-Ge-
lände mit ihrer Länge von 280 “ weit in die Kre-
IfcSaflll felderstrasse hineingebaute Maschinenhalle mit
ihrer Schmalseite von 52 “ an die Hauptallee hinan. Sie
bedeckt mit ihren Anbauten für Dampfkessel, Pumpen,
Kondensations-Maschinen und Kühlthürmen eine Boden-
fläche von insgesammt etwa 20 000 q®. Die dreischiffige
in Eisen, Stein und Glas erbaute Halle hat vorn eine quer
vorgelegte Eingangshalle und ist an der Schauseite ver-
kleidet mit einer von den Architekten Kayser & v. Grosz-
heim in Berlin und Wühler in Düsseldorf entworfenen
Architektur, die mit ihrer reichen Putzfassade in einem
mattgelblichen Ton, ohne weitere farbige Zuthaten, in
einem grossen mittleren und zwei kleineren Halbkreis-
bögen zu den Seiten die riesigen in warm grünlichem
Glase schimmernden Fenster umschliesst. (Vergl. die Ab-
bildg. in der nächsten No. 61). Zu den guten Innenräumen
der Ausstellung gehört jedenfalls die Ausschmückung der
Eingangshalle. Der Raum ist getheilt durch offene Säulen-
stellungen und empfängt sein warm gebrochenes Licht aus
einer Kuppel mit naturalistischer Kunstverglasung in vor-
wiegend grünen und gelben Farben. Die kurzen Pfeiler
des Umganges oben sind mit lebenden Topfpflanzen besetzt
und durch würdige hübsch durchbrochene dunkelgrün
gehaltene schmiedeiserne Schranken verbunden; in den
Interkoluranien der Säulen hängen die etwas schwer und
massig mit Adlern und Eichenzweigen besetzten, sonst
vorzüglich gearbeiteten Messingkronleuchter herab, und
die Mitte wird eingenommen von einer schön bewegten
Brunnenfigur über kreisrundem von Pflanzengrün recht
geschmackvoll dekorirtem Wasserbecken. Auch der Blick
von hier oder von den Emporen aus in die Maschinen-
halle selbst, mit ihrem Leben und Treiben, dem Auf- und
Niedergehen der Kolben, dem Getriebe der Räder und
Transmissionen, ist von eigenthümlichem fesselndem Reiz.
Ein einfacherer Bau neben dem Bochumer Verein,
dient der Ausstellung polygraphischer Gewerbe, so-
wie für die Vorführung von Leistungen der zahlreichen
westdeutschen Fachschulen. Es folgen in der Um-
gebung einige kleine Sonderausstellungen in einigen durch
den farbigen Anstrich würksam herausgehobenen Einzelge-
bäuden von geringeren Abmessungen.
Hervorragend wieder, in der Reihe der Gross-Industrie-
paläste, tritt rechts neben dem Gebäude für die Papier-
industrie das von den Düsseldorfer Professoren Schill
und Kleesatte] entworfene Gebäude der Rheinischen
I'Ietallwaaren und Maschinenfabriken vor Augen.
382
(Vergl. die Abbildg. S. 385). Der Mittelbau mit breiten
Giebelaufsätzen und durchbrochener Bogengallerie ist mit
seiner Längsaxe im rechten Winkel zum Rhein gerichtet, die
Seitenhallen sind mit hübsch durchbrochenen Brüstungen
besetzt. Prächtig präsentirt sich die Front zwischen den
starken Rundthürmen, die in ihrem oberen Geschoss ins
Achteck übergehen und hier auf jeder Achtecksseite ge-
schweifte in zierliche Knäufe auslaufende Giebel tragen.
Die geschweiften schiefergedeckten Kuppeldächer sind mit
schmiedeisernem Zierrath versehen, getriebene schmied-
eiserne Wasserspeier springen aus den 8 Ecken der Trauf-
rinne hervor. Der malerische Eindruck dieser Strassen-
front wird gehoben durch die ansprechende Art, wie die
Treppen mit ihren durchbrochenen Wangen der Vorhalle
angelegt und mit der Gesammtwirkung, wie auch mit der
Fenstertheilung im Halbrund des Mittelbaues in Einklang
gebracht sind. Die Thürme sind durch Bogenstellungen
mit rother Ziegelabdeckung mit dem Mittelbau verbunden.
Die Giebelschrägen der Front- wie auch der Seitengiebel
sind mit abgetreppten Säumen und mit Muschel- Ornamenten
besetzt. Ein wohlabgewogenes Verhältniss ruhiger Flächen,
namentlich bei den von nur wenigen gerade geschlossenen
zweitheiligen Fenstern durchbrochenen Thürmen, zu den
reicher gehaltenen Gesimsen, Rahmungen und oberen
Endigungen verleiht diesem Gebäude seine Vorzüge.
Der ganz in Eisen erbaute, nur mit leichten Füllungen
unten geschlossene mächtige Bau der Gutehoffnung.s-
hütte in Oberhausen und der Gasmotorenfabrik in
Deutz, Architekt Bruno Möhring in Berlin, zeigt an der
Vorderseite ein langgestrecktes Rechteck, mit einer von
zwei schlanken, im offenen dünnen Eisengespärre er-
scheinenden Thürmen flankirten Giebelfront in der Mitte
und zwei kleineren Giebeln an den Enden rechts und
links; der Mittelbau wird belebt von je 6 auskragenden
Seiten-Giebeln auf der Süd- und Nordseite. (Vergl. die
schon früher gegebene Abbildg. S. 305). Dabei ist wenig-
stens der Eigenart des Materials vollauf Rechnung getragen
und ein Versuch gemacht worden, die Gedanken des In-
genieurs unverkleidet zum Ausdruck zu bringen.
Unter den kleineren Bauten weiter nördlich, unter den
Pavillons von dauerhafterem Material, , tritt der kapellen-
artige Rundbau der Buderuss’schen Eisenwerke in
Wetzlar hervor. Er ist in schweren byzantinisirenden
Formen nach dem Entwürfe der Arch. vom Endt &
Bauer in Düsseldorf mittels grauer Schlackensteine
aufgeführt, mit Maskenaufsätzen in den Scheiteln der
Fensterbögen und vergoldeten Laubwerkfriesen an den
Rundsäulen und eingesetzten Thürmen. Im ultramodern-
sten Stil ist ein Werk von Schaefer & Lange in Kre-
feld gehalten, eine einfache rechteckige Halle mit lebhaft
No. 60.
bewegter oberer Begrenzungslinie, 4-iheilig an den Seiten-
flächen mit abwechselnd gelber und orangerother Tönung
und mit grünpatinirte Bronzebeschläge nachahmenden
naturalistischen Reliefs. Zu den besten kleineren Bauten
gehört dann wieder das Sonder-Ausstellungsgebäude der
Allgem. Thermitgesellschaft in Essen in Firma Th.
Goldschmidt. Es stellt sich dar als ein dorischer Bau mit
Vorgesetztem Giebelportal, zwischengestellten ionischen
Säulen und begrenzt von hochaufstrebenden, durch
einen schmalen Säulengang verbundenen Seitenobelisken.
Eine vergoldete Viktoria krönt das Giebelfeld. Die Pro-
fessoren Schill und Kleesattel haben bei der Lösung
dieser Aufgabe, bei welcher es sich darum handelte, dem
ersten Theil des ganzen, nämlich dem nördlichen Ende
der Ellipse, in welche die vierreihig mit Bäumen be-
pflanzte Hauptallee zunächst ausraündet, einen wirksamen
Abschluss zu geben, auch das Innere berücksichtigt und
gezeigt, mit wie wenigen Mitteln eine wohlabgewogene
Dekorationsmalerei den Raum vornehm und freundlich
zu schmücken vermag. Der reichverzierte Pavillon für
die Ausstellung von „Kayserzinn", für, die Firma
J. P. Kayser & Sohn in Krefeld, von den Architekten
Kayser & v. Groszheim in Berlin entworfen, zeigt
eine achteckige Halle mit farbig verglaster Kuppel und
Vorgesetzten Säulen auf den 8 Ecken, romanisirende
Kapitale, breite bis auf die Sockelplatte hinabgehende
Fenster mit reichen Kunstverglasungen und zart vertieften
Reliefumrahmungen. Der schmale Fries ist mit akanthus-
artigem Laubwerk und mit vergoldeten Kornährenbündeln
ausgestattet, auf den Ecken prangen vergoldete Wappen-
schilde.
Ein Werk des Ausstellungs-Bureaus, an dessen Spitze
der Chef-Architekt der Ausstellung Fischer steht, und ins-
besondere des I. Architekten dieses Büreaus, Carl Stock,
ist die Festhalle, die hier den Sammelpunkt der aus der
vorhin erwähnten Prachtstrasse und der weiter nördlich
sich verzweigenden, namentlich die Haupt-Industriehalle
umgebenden Strassenzüge Herankommenden bildet.-. Es
ist eine vorn im Halbkreise geschlossene Halle mit einem
verandenartigen Umgang in leichter Holzkonstruktion, nach
Süden mit Vorhalle und Empore, nach Norden mit halb-
rundem Orchesteranbau undmitgrossemhalbkreisförmigem
Fenster. Die Holzkonstruktion im Inneren ist in blau-
grauen Tönen mit aufschablonirtem Muster bemalt, die
Gurte sind mit gelblichen Laubkränzen besetzt und die
hohen Wandfriese zeigen eine Malerei von grosslaubigem
naturalistischem, mit Thieren durchsetztem Rankenorna-
ment, regelmässig unterbrochen von abwechselnd rothen
und grauen Wappensctiildern mit den Emblemen der ver-
schiedenen bürgerlichen Gewerbe. Im Aeusseren wirkt,
wie bei vielen derartigen anderen Bauten, der kräftige
Farbenakkord: Ziegelroth {der Sattel- und Walmdächer),
Kupfergrün (der Kuppel- und Zwiebeldächer), Gold
(der kleinen Knäufe und Spitzen und sonstigen Zierrathe)
und endlich das mehr oder weniger abgetönte reliefirte
Weiss der grossen Putzflächen.
Unter Verwerthung des eigenen Fab rikations-Materiales
ist der grössere Pavillon der „Vereinigten Zinkwalz-
werke" mit verkupferten Zinkplatten abgedeckt worden.
Es ist ein kleinerer Längsbau mit Mittel-Querbau und mit
höher gezogenem Mittel-Giebeldach in sehr bewegter
Linie. Der Entwurf ist das Werk der Düsseldorfer Archi-
tekten H. Goerke und E. Roeting.
Ein hochaufragendes eisernes Fördergerüst lässt den
Besucher schon von weitem das Vorhandensein der charak-
teristischen Theile einer Zechenanlage ahnen. In Ver-
bindung damit erhebt sich ein Gebäude, das mit Recht
die Augen der Laien, der Ingenieure und der Künstler
auf sich zieht, und zwar wegen der grossen Ausdehnung,
der klaren Grundriss-Anordnung und Ausschmückung des
Inneren und der sinnvollen Aufstellung der Gegenstände.
Es ist die gewaltige Ausstellung des Vereins für berg-
bauliche Interessen im Ober - Bergamtsbezirk
Dortmund. Ob das Programm dafür von den königlichen
Behörden oder von den Zechenverwaltungen ausgegangen,
oder ob es von den betheiligten Künstlern und Ingenieuren
ersonnen ist, gleichviel, man kann hier wieder sehen,
welch’ eigenartige Reize in der Lösung einer solchen Auf-
gabe sich erschliessen können, sobald man ein herge-
brachtes Schema verlässt und das besondere Wesen der
: Industrie im Auge behält. (Wir geben die Abbildung des
Mitteltheils dieses Baues in nächster Nummer).
Weniger noch in der äusseren Architektur als viel-
mehr in der Gruppirung der Innenräume und in der
originellen dekorativen Ausgestaltung der Vorhalle liegen
die Vorzüge des in den ersten Entwürfen vom verstor-
benen-Architekten Thielen in Hamburg und in der weite-
ren Bearbeitung vom Architekten der AusstellungFischer
herrührenden Gebäudes. Es ist eine grosse mit rothem
26. Juli 1902.
Asphaitpapp- Satteldach gedeckte Mittelhalle, von Süden
nach Norden hin sich erstreckend und in der ganzen Länge
begleitet von zwei niedrigen Seitenhallen mit je halbkreis-
förmig geschlossenen Fenstern. Ueber der Mitte der
Haupthalle erhebt sich ein 8 eckiger Kuppelbau von recht
ansehnlichemUmfange mit einer zierlichen Arkadenkrönung
und kräftig heraustretenden Spitzthürmen auf den Ecken.
In das rothe Kuppeldach schneiden, den einzelnen Kappen
entsprechend, grosse kreisrunde Fenster ein, ferner ent-
hält jede Seitenfläche dieses Zentralbaues je zwei im Esels-
rücken geschnittene Fenster. Das Motiv der in vergoldete
Knäufe ausgehenden Eckthürmchen wiederholt sich in dem
hübschen, von einer Säulenstellung durchbrochenen Auf-
bau, welcher die Kuppel oben abschliesst. Die Giebel-
seiten des Gebäudes sind auf den Ecken und im Scheitel
ausgezeichnet durch Aufsätze in der Form mehrfach ge-
kuppelter Eckpfeilerchen. In der Hauptfassade herrscht
die grosse halbkreisförmige Bogenöffnung, entsprechend
der in der mittleren Queraxe vorgebauten Eingangshalle
mit breitem Tonnengewölbe. Dieser weit gespannte Ein-
gangsbogen enthält in der Mitte einen wappengeschmückten,
mit den Emblemen des Bergbaues in Ornament versehenen
Flächenaufbau und wird rechts und links flankirt von
kräftigen, mit Zinnenkranz und schiankgezogener Zwiebel-
kuppel endigenden Eckthürmen, die mit dem Vorbau
bastionartig vortrelen und dem Ganzen ein ernstes Ge-
präge verleihen, In der Hallenöffnung stehen auf'hohen
Postamenten die wohlgelungenen Standbilder eines Hütten-
arbeiters und eines Bergmannes.
Das Bergmannsleben hat seine Poesie. Der Zauber
des Geheimnissvollen waltet in ihm. Jeder fühlende Mensch
ist dafür empfänglich und schenkt dem Arbeiter in der
Tiefe sein besonderes Interesse. So ist auch interessant
die Art, wie die Kohle, der „schwarze Diamant“ im
Inneren der Eingangshalle dekorativ verwerthet wird.
Auf dem mit orangerothen Fliesen belegten Boden
heben sich die schwarzen Kohlenblöcke, wohlgeordiv t
und von Pflanzengrün umgeben, recht wirkungsvoll ab.
In 2 Blendarkaden und in . einem auf' Lisenen . ruhenden
hohen Fries sind auf mattgelblichem Putzgrunde die Bögen,
Rahmen und Füllungen aus schwarzen Briketts rriit gelb-
lichem Fugenmörtel ausgeführt, die grossen Scheitel- und
Seitenquader in den Blendbögen aber aus roh gebrochenen
und ungeglättetenKohlenstücken gebildet. Dießogenfelder
in den Seitenarkaden vergegenwärtigen in ihren rauh ge-
haltenen gelblichen Felswänden ein sogen. „Gebirge", d. h.
je einen Felsen mit sogen. „Querschlag“. Kohre und Koks
sind ferner zu hübschen pyramidalen Aufsätzen verwen-
det, während seitliche Nischen an die Theergewinnung
erinnern. In der Gewölbefläche breitet sich wie ein grosser
Gobelin, schwarz und gelb besäumt, eine in Farbe und
Zeichnung dem Ganzen wohl angepasste Malerei von
Schütz aus, welche Landschaften aus der Steinkohlenzeit
darstellen. Auch der Mittelbau zeigt in seinen vier Bogen-
öffnungen unter dem Kuppelbau, mit den gekuppelten
Säulenstellungen in den breiten Laibungen, den reichver-
goldeten Zierstücken mit Wappenaufsätzen und weiblichen
zinnengekrönten Masken, sowie nicht zum wenigsten auch
durch die nächtlich gefärbten 4 Wandgemälde von Zieger,
eine gute Wirkung, Das Glasdach der Kuppel ist in
ruhigen Tönen gehalten und auf dem niedrigen Tambour
mit reichvergoldeten stilisirten Fruchtbäumen und Festons
besetzt. In einem Nebenraume, der einer Ausstellung
von Dynamit -Sprengstoffen dienen' soll, hat S. "Witt-
schas eine allegorische Darstellung der Erdgeister und
ihrer Segnungen in lebensgrossen gut gezeichneten Fi-
guren mit Kase'infarben gemalt. — Vorbei an dem kleinen
im romanischen Stil aus Schwemmsteinen, Stampfbeton,
und Tuffstein erbauten Gebäude für die „Akt.-Ge-
sellsch. Rheinischer Bergbau und Hüttenwesen“
kommt der Besucher an die Südfront der Haupt-In-
dustriehalle. Dieses Gebäude gewährt in seiner be-
deutenden Länge von etwa 400°», trotz der naturgemäss
unvermeidlichen Eintönigkeit einer langen Flucht von
weissen Flächen, von vorn oder vom Rheine her gesehen,
einen eindrucksvollen Anblick. Bedeutungsvoll tritt der
Mittelbau in die Erscheinung. Auf achteckigem mächtigem
Unterbau (der amtliche Führer spricht von 800 Boden-
fläche allein für die Kuppelhalle) erhebt sich die gewaltige
Hauptkuppel, auf 4 Seiten von je einem giebelüberdeckten
grossen Rundfenster durchbrochen. (Vergl. die voraus-
geschickte Bildbeilage in Nr. 58). In der Queraxe tritt west-
lich eine mit Satteldach gedeckte Vorhalle vor, die sich in
grossem Halbkreisbogen öffnet und rechts und links mit
starken quadratischen Eckthürmen sowie mit einem
Schmuckgiebel ausgestattet ist. Die Thürme sind mit der
niedrigeren, in der ganzen Länge der Haupthalle vorge-
legten westlichen Seifenhalle eingebaut. Vorn treten noch
zwei kleine gleichfalls im Halbkreis geöffnete Vorbauten
383
vor, welche von je 2 in offenen Arkaden durchbrochenen
und mit Halbkuppeln bedeckten Thürmen [flankirt sind.
Die Hauptthürme sind im Obergeschoss mit je 3 Bogen-
öffnungen auf jeder Seite, mit durchbrochenen Gallerien
und kleinen kuppelgekrönten Eckthürmchen versehen,
während zuletzt die schwere Masse der Thürme sich auf-
loser Linie sich hinziehenden rothen Dach der^iaupthalle
in gehörige organische Verbindung. Das Bild des reich-
gegliederten Mittelbaues würde ein noch freundlicheres
werden, wenn Farbe oder Vergoldung noch mehr hinzu-
gezogen wären. Die Vorhalle unter den Thürmen ist der
durchgehenden ersten Vorhalle noch als zweite hinzuge-
fügt. Letztere mündet in einer Entfernung von ungefähr
der Breite des Mittelbaues rechts und links von demselben
in je einem schweren ungegliederten Rundthurm mit ein-
fachem rothem Kegeldach und zwei kleinen zylindrischen
Aufsätzen, die wieder kuppelartig geschlossen sind. Die
lange Flucht ist über der endlosen Reihe der 4theiligen
rechteckigen Fenster viermal unterbrochen durch ge-
schweifte Giebelaufsätze mit flachem antikisirendem Relief.
Endlich sind die schmalen Nord- und Südfronten ausge-
zeichnet durch halbkreisförmige kurze Vorhallen, Giebel-
aufsätze und schmale Rundthürmchen auf den Ecken. Von
den seitlichen schweren Ausbauten in runder Grundriss-
form ist der eine nach dem Rhein zu gelegene mit einem
Glaskegel gedeckt und trägt oben eine viel zu zierliche,
Abbildg. 5. Lagcplan des Simplon-Massivs.
Der Slmplon-Tunnel, mit Rückblicken auf die Baugeschichte
der älteren Alpen-Tunnel.
Abbildg 6. LinienfOhrung des Tunnels.
löst wieder in Sseitige Durchbrechungen und dann endigt
in orangefarbenen schlanken Kuppelhelmen. Alle kleinen
und grossen kuppel- oder helmartigen Bedachungen laufen
in vergoldete Knäufe aus. Der Hauptkuppelbau setzt sich
mit dem höher über dem Längsdach hinauf gezogenen
Satteldach des Mittelbaues und mit dem monoton in cnd-
in Strebebögen mit Fialen endigende Bekrönung. Das
Innere des Mittelbaues ist als kreisrunder Fest- und Re-
präsentationsraum ringsum mit Wandgemälden von Prof.
Fr. Roeber geschmückt. Die Front des Gebäudes öffnet
sich ganz dem Rheine zu und hat gegenüber nur die
Riesenfontainen-Anlage. Der erste Entwurf des Gebäudes
No. 60.
384
rührt noch vom Arch. G. Thielen her. Er ist dann im wesen, Gesundheits- und Wohlfahrts - Einrich-
Ausstellungsbüreau wiederholt umgearljeitet und verein- tungen schiebt sich das malerisch angelegte Landschafts-
facht. Die Durcharbeitung des Mittelbaues in seiner jetzigen bild der Tyroler Alpen mit dem „SuldenthaT und „Ziller-
Form ist das Werk des schon genannten Arch. Stock, thal", ein von Boswau & Knauer in Berlin nach den
In den Blick zwischen nördlichem Ende des grossen Entwürfen der Berliner Arch. Hochgürtel und v Stipp
Industriepalastes und Halle für Bau- und Ingenieur- mit allen Mitteln der Täuschung geschaffenes und wohl-
26 Juli 1902. g
gelungenes Arrangement, das nur etwas fremdartig in diese
Welt der Industrie und der Technik dreinschaut. Dasselbe'
gilt von den umfangreichen Bauten des auf deranderenSeite
näher am Rheinstrande gelegenen Vergnügungs-Etablisse-
ments, das sich „Kairo“ nennt, und denen gegenüber
die schwermüthig düstere, aber malerisch und echt wir-
kende Fassade des als Weinhaus benutzten Alt-Trierer
Hauses im schärfsten Gegensatz steht. — Die grossen Aus-
stellüngs-Gebäude der K'önigl. Staats-Eisenbahn-Di-
rektionen urid der Vereinigten Waggon- und Loko-
motiv-Fäbriken und des Ausstellungs-Bahnhofes
treten vornehm zurück, die zahlreichenPavillons undKioske
beleben in bunter Fülle den runden Platz ..bei der „Ver-
gnügungsecke“ und gruppiren sich, mehr oder weniger
reich gehalten, -um den farbigen Musiktempel,'
Noch einWort über die zuletzt genannten drei grösseren
Bauten. Die Ausstellung der Köhigl.' Staatsbahn-Ver-
waltungen in Köln, Essen und Elberfeld ist mit rei-
chen Mitteln ins Werk gesetzt worden (vgl. die Abbildg. in
No. 58, S. 374.) Auf höher gelegenem, mit niedriger relief-
geschmückter Brüstungsmauer umgebenem Hofe, auf denn.
Apparate für die Zeichengebung, Signals'tangen usw. aufge-
stellt sind, erhebt sich mit quadratischem Grundriss das Ge- .
bäude, bestehend ausMittelbau mit flacher Kuppel auf niedri-
gem'Tambour, umgebender Halle mit Pyramidendach- und
breit vorgelegtem weit nach vornhinausgezbgenemTreppen-
bau. -Schön bewegte und drohend vorgeneigte Adler halten
den .Tambouransatz auf 4 Seiten besetzt, die Kuppel trägt
eine, vergoldete Königskroiie, die 4 Würfelflächen des
Mittelbaues sind von breiten, durch dichte Pfostenstellung
getheilten Fenstern durchbrochen, und die 4 Ecken des
ganzen Gebäudes sind ausgezeichnet durch quadratische
oben kurz verjüngte, reich; rnit Masken bezw. Laubge-
hängen geschmückte und' zuletzt von je einer Erdkugel in
GlasgekrönteThürme. Eine.in deryeriängerungderTreppe
geführte Vorhalle, im' Halbkreis geöffnet, , mit -Satteldach
geschlossen,' zeigt nach vorn einen, hoch hinaufgezogenen
BarockgiebeTmit dem Symbol des Eisenbahndienstes, dem
geflügelten Rad,- als obeirsten Abschluss. Die weit vor-
tretehden Treppenwängen endlich tragen freistehende
Rundsäulen auf hoheiii Stuhl. In der Nähe dieses Gebäu-
des tritt die' grosse Front der. Halle für ‘die Vereinigten
Waggon- und Lokoraotiv-Fabriken Düsseldorf in
die Erscheinung. Etwas kalt wirken die grossen weissen
Flächen mit der Menge dünner Reliefs, etwas streng sind die
paarweise mit dem Rücken zusammenstehenden Genien
auf den Gipfeln der Mittelbauthürme. Die Eckrisalite sind
ähnlich dem Mittelrisalit von d.icht gekuppelten Säulen
flankirt, die Seitenfassaden sind im flachen Stichbogen ge-
schlossen, imganzen herrscht die Senkrechte vor. — An-
muthig und freundlich wird dieser Theil der Ausstellung
begrenzt von der quer vortretenden Fassade des als Kopf-
station am Nordende gelegenen Bahnhofes (s. Seite 381).
Sie darf unter den nach malerischen Grundsätzen und als
Fachwerksbau komponirten, wie auch gegenüber den ver-
schiedenen althistorischen Bauten getreu nachgeahmten
Gebäuden, zu welch’ ersteren die Haupt-Weinwirth-
schaft und Speisehalle amNordende und das lustig
aussehende Cafe zur schönen Aussicht (dicht am
. Rhein von den Düsseldorfer Professoren Schill und Klee -
s att e 1 entworfen), sowie andererseits das alte wohlbekannte
Bacharacher Haus gehören, als besonders gelungen be-
zeichnet werden. Das gilt von der Gruppirung der vor- und
zurücktretenden, voh'Thürmen und Giebeln überhöhten
Theile, wie auch von der Farbengebung. Der Entwurf
ist ebenso wie der des Ausstellungs-Gebäudes der Eisen-
bahn-Direktionen im Ministerium der öffentl. Arbeiten ent-
standen. Die künstlerische Leitung der Ausführung hatte
Landbauinspektor Mettegang. Zu den geschmackvollen
Bauten in dieser Umgebung ist auch die Ausstellung der
Uerdinger Waggonfabrik (von den Archit. Bomert
und Niebel in Krefeld) zu rechnen.
Zum Schlüsse sei noch bemerkt, dass die Ausführung
eines grossen Theiles der Ausstellungsbauten (vgl. übrigens
auch die schon gemachten Mittheilungen in dem Abschnitt
über die Konstruktionen) von der Firma Boswau &
Knauer herrührt, die auch die sämmtlichen Arbeiten des
Ausbaues und der Ausschmückung übernommen hat. Der
Entwurf der Eisen- bezw. Holzkonstruktionen ist von ihr,
wie schon erwähnt wurde, z. Th. dem Ing. O. Leitholf in
Berlin übertragen worden. Unter diesen Ausführungen
nennen wir da.s Hauptgebäude, das Gebäude des Hörder
und Büchumer Vereins, des Vereins für die bergbaulichen
Interessen usw. — O. Vorländer.
Der Simplon -Tunnel, mit Rückblicken auf die Baugeschichte der älteren Alpen-Tunnel.
(Fortsetzung; ans. No. 55.)
4. Der. Simplon-Tunnel.
ie Vorgeschichte des Simplon -Durchstiches beginnt
schon mit den Entwürfen, welche als Varianten zu
dem Plane des Mont Cenis - Tunnels bearbeitet
wurden.- 'Alle- Entwürfe unterschieden sich im wesent-
lichen durch die Höhenlage der Gradiente, keiner derselben
gelangte' aber über die ersten Anfänge hinaus. Die Pläne
mit hochliegender Gradiente und kurzer Tunnellänge
konnten wegen der starken Gefälle in den Zufahrtsrampen,
die einen' wirksamen Wettbewerb mit den bestehenden
Alpen Uebergängen ausschlossen, nicht infrage kommen,
während die sog. Basistunnel -Entwürfe mit tiefliegender
Gradiente an den mit 80—90 Mül. Frcs'. berechneten Kosten
und an den Zweifeln, welche inbezug auf ihre Apsführ-
barkeit bei- den zu erwartenden hohen Gebirgs-Tempe-
raturen .mit -Recht gehegt- wurden, scheiterten.
Der Plan des Simplon-Durchstiches gewann deshalb
erst greifbare Gestalt, ’ als Ing. Alfred Brandt mit dem
Gedanken hervortrat, statt des bis dahin stets in Aussicht
genommenen zweigleisigen Tunnels zwei eingleisigeTunnel
mit tiefliegender Gradiente auszuführen. Diese Theilung
des Richtstollens in'a heben einander liegende Stollen bot
vor allem den grossen Vortheil, dass man den einen Stollen
als Luftleitung benutzen , und dadurch eine ausreichende
Lüftung ..und Abkühlung erreichen konnte, uiid sie ge-
stattete ferner, die Kosten dadurch zu vermindern, dass
zunächst nur der eine der beiden Stollen zu einem ein-
gleisigen Tunnel -ausgebaut zu werden brauchte. Die tiefe
Lage, der Gradiente gewährte ferner den Vortheil, an
beiden Portalen für die Betriebs-Einrichtungen genügende
Wasserkräfte zur Verfügung zu haben.
Aufgrund der Vorschläge von Brandt ist dann am
2o.Sept. 1893 der Verträg zwischen der „Baugesellschait
Brandt, Brandau & Co.“ und der Jura-Simplonbahn
zustande „gekommen, nach welchem die Baugesellschaft
die Herstellung- des 19 731™ langen Tunnels zu folgenden
Preisen übernahm:
1. für Installationen 7000000 Frcs.,
2. „ ' einen eingleisigen Tunnel mit
Parallelstolle'n 47 500 000 „
3. „ den zweiten eingleis. Tunnel 15000000 „
zus. 69500000 Frcs.
Der erste eingleisige Tunnel muss nach 5^3 Jahren
nach der Aufforderung zum Baubeginn vollendet sein bei
einer Strafe von. 5000 Frcs. für jeden Tag der Fristüber-
schreitung und einer Prämie in gleicher Höhe für jeden
Tag der früheren Fertigstellung. Der Simplon-Durchstich
wird seitens der Baugesellschaft auf eigene Gefahr über-
nommen. Die im Vertrage festgesetzten Preise enthalten
alle Entschädigungen für erschwerte Durchführung der
Arbeit, sei es durch Wasserzudrang, hohe Gesteins-Tempe-
raturen, schlechtes Gebirge oder irgend welche anderen
Ursachen, mit Ausnahme von Kriegsfall, wenn Italien oder
die Schweiz dabei verwickelt sind, von Epidemien oder
Generalstreiks ohne Verschulden der Unternehmung. Als
weitere wichtige Bestimmung des Vertrages ist noch zu
erwähnen, dass die Unternehmung verpflichtet ist, für
eine genügende Lüftung mit einer Lufterneuerung bis zu
50 cbm in I Sek. zu sorgen und die Luft an den Arbeits-
stellen bis zu 25OC. abzukühlen.
a) Lage, Höhe und Richtungs- Verhältnisse.
Der Tunnel verbindet das Thai der Rhone im Norden
mit dem Thal der Diveria im Süden. (Vergl. den Lage-
plan Abbildg. 5 und die Skizze der Linienführung Abb. 6.)
Er durchbricht den Gebirgsstock, welcher durch die, sich
zu Höhen von 3561, 3255 und 2991m erhebenden Spitzen
des Monte Leone, "Wasen- und Furggenbaumhornes gebildet
wird,, und über welchen die Simplonstrasse, von Brig im
Rhonethal ausgehend, das Thal der Saltine und Ganter
benutzend, an dem Orte Berisal vorbei zwischen dem
Monte Leone und dem Fletschhorn die Passhöhe von
2008 m überschreitet. Nach Süden senkt sich die Strasse
in das Thal der Diveria, in welchem sie durch die hoch-
romantische Gondoschlucht bald hinter dem schweize-
rischen Dorfe Gondo die italienische Grenze überschreitet,
um dann im Tocethal den Ausgangspunkt der italienischen
Bahn nach Novarra in Domodossola zu erreichen.
Die Lage der Tunnelaxe ist festgelegt im Norden durch
die Lage des Bahnhofes Brig und durch die Nothwendig-
keit, den 200 “ oberhalb am linken Rhöneufer anstehenden
Gips zu vermeiden. Im Süden war die Ausmündung durch
die klimatischen und sonstigen örtlichen Verhältnisse des
sehr eng eingeschnittenen Thaies der Diveria bedingt.
Erstere verboten eine Lage des Tunnel-Portales oberhalb
No. 60.
386
des Ortes Iselle behufs Vermeidung der dort noch häufig
vorkommenden Lawinen. Unterhalb Iselle bildet das Thal
dagegen zwischen dem Strassen-Tunnel von Iselle und der
Einmündung des Cairasca-Baches eine Erweiterung, welche
die Anlage des Platzes für die Betriebs-Einrichtungen, so-
wie die Anschüttung eines Plateaus für den Bahnhof Iselle
bestattet. Die Abbildg. auf S. 333, sowie der später folgende
Lageplan Abbildg. ii geben einen Ueberblick über die
Anordnung des Installations-Platzes. Die aus dem Lage-
plan und aus der Photographie ersichtliche Lage der
Abbildg. 7. Längsprofil des Dlveria-Thales. Südl. Zufahrtsrampe.
die einen Vergleich mit den Zufahrtsrampen am Gotthard
im Rcuss- und Tessinthale wohl vertragen kann.
An beiden Enden des Tunnels fallen die Anschluss-
kurven an die zu Tage liegenden Bahnstrecken zum Theil
noch in den Tunnel selbst. An der Nordseite liegen
285,4 in einer Krümmung von Halbmesser, an der
Südseite 173,4“ desgl. von 300® Halbmesser. An beiden
Tunnelenden ist aber die gerade Linie des östlich gelegenen
Stollens I . welcher auch zunächst allein zu einem ein-
gleisigen Tunnel ausgebaut wird, durch besondere Rich-
Abbildg. 8. Mündung des Richtstollens mit Brücke über die Dlveria.
Simplonstrasse ist die alte, wie sie bisher bestanden hat.
Die Strasse wird, um für die Anlage des Bahnhofes Iselle
Platz zu gewinnen, bis dicht an das Bett der Diveria ver-
legt werden. Ueber die Weiterführung der Bahn bis
Domodossola habe ich genaue Angaben nicht erhalten
können und war auf mündliche Mittheilungen angewiesen,
nach welchen die.selbe in der aus dem Lageplan, Abb. 5,
ersichtlichen Weise erfol-
gen wird. Aus dem in Ab-
bild. 7 dargestellten Längs-
profil des Diveriathales
ist ersichtlich, dass zur
Gewinnung der erforder-
lichen Wagrechten für den
Bahnhof in dem stark ab-
fallendenThal an derStelle
der Einmündung des Cair-
ascabaches einKehrtunnel
zur Ausführung gelangt,
welcher nachUeberschrei-
lung des Cairasca-Baches
dicht oberhalb der Brücke
für die Simplon - Strasse
am linken Ufer des Bache.s beginnt, diesen oberhalb unter-
fährt und unterhalb der Simplon -Strasse die Thalsohle
des Diveria-Baches wieder erreicht. Die Bahn verfolgt
dann noch das linke Diveria-Ufer bis unterhalb des Ortes
Varzo, wo sie auf das rechte Ufer Übertritt, erreicht das
Tocethal bei Crevola und überwindet die bei der Ein-
mündung der Diveria in den Toce vorhandene Thalstufe
daselbst dadurch, dass sie am Gehänge des rechten Toce-
Thalrandes mit einer Ausbuchtung in das Thal der Bogna
bei Domodossola den Bahnhof daselbst erreicht. Nach
den mir zur Verfügung stehenden schweizerischen und
italienischen Generalstabskarten kann auf diesem Wege der
Höhenunterschied zwischen dem südlichen Tunnelportal
(634,2 m über Meer) und dem Bahnhofe Domodossola (etwa
278 “ über Meer) mit einem Gefälle von i : 50 überwunden
werden. Die Lage der Bahn wird namentlich bei der
Einmündung des Cairasca-Baches und bei Crevola eine
landschaftlich äusserst malerische und interessante werden,
tungsstollen durchgeführt. Dieser^Richtungsstollen schneidet
an der Südseite den in die Krümmung fallenden Theil
des Stollens II, da die Kurve hier nach Osten von der
Geraden abweicht.
Die Gradiente der Bahn wird bedingt im Norden durch
das Hochwasser der Rhone, im Süden durch die Höhen-
lage der Simplonstrasse, auf der der Verkehr durch den
Bau möglichst wenig gestört
werden sollte. Die Höhenlage
ist hier der Art gewählt, dass
die beiden Tunnelmündungen
mit der Simplonstra.sse ungefähr
auf gleicher Höhe liegen, wäh-
rend der Richtungsstollen die
hier stark ansteigende Strasse
unterfährt und durch eine, aus
einem hölzernen Sprengwerk
bestehende Brücke (vgl. Abb.8J
mit dem auf dem rechten Ufer
der Diveria belegenen Ablage-
rungsplatz des Tunnelmaterials
uerprofile. verbunden ist. Es ergiebt sich
hiermit ein Höhenunterschied
beider Portale von 53,08 ® um welchen das Südportal tiefer
liegt. Die Gradiente steigt vom Nordportal von der See-
höhe 687,10 “ mit 2°/(jo bis zur wagrechten Scheitelstrecke
auf 705,20 ® Meereshöhe und fällt von da mit 7O/00 bis zum
Südportal. Die höchste Gebirgshöhe über der Tunnelsohle
wird ungefähr 9^® vom Nordportal beim Furggenbaurapass
unterfahren, wo dieselbe 2135® beträgt, also rd. 430“
mehr als beim Gotthardtunnel (vergl. Abbildg. 3, S. 347).
Die angetroffenen, bezw. zu erwartenden Geb irgs Ver-
hältnisse in geologischer Beziehung (vgl. das später
folgende Profil) sind vom Nordportal beginnend folgende:
Bis auf etwa 3700® Länge glänzende graue und schwarze
Schiefer, durchbrochen von nicht sehr mächtiger Dolo-
mit- bezw. Gipsschicht, welche Getriebe-Zimmerung und
Mauerung mit Sohlengewölbe erforderte. Es folgt bis
etwa 6700 ® das Becken der Ganter in welchem kry.stal-
linische Schiefer, unterbrochen durch Schichten' von
Glimmerschiefer, Dolomit, Marmor und Hornblende zu
26- Juli 1902.
387
erwarten sind. Von 6,7 — 13,5''™ wird das Zentraimassiv
des Simplon durchfahren, welches aus Gneiss und Glimmer-
schiefer vom Monte Leone besteht, im letzten Theil
wechsellasjernd mit Dolomit oder krystallinischen: Kalk-
steinen. Der ganze südliche Theil des Tunnels ist in dem
sehr -harten und sehr schwer schiessenden wagrechte
Schichtung zeigenden Antigoriogneiss aufzufahren, welcher
dem Fortschritt des Stollens ganz erhebliche Schwierig-
keiten dargeboten hat, und auSserdem durch seine Eigen-
schaft, .sich unter dem Einfluss geringerer Temperatur
in schalenförmigen Platten von zum Theil beträchtlichen
Abmessungen explosionsartig abzulösen, dazu nöthigt, fast
den ganzen Voltausbruch und auch die Richtungsstollen
Vermischtes.
Ausstellung des künstlerischen Nachlasses von Ed.
Jacobsthal. Zum ehrenden Gedächtniss des am i. Jan.
1902 verstorbenen Geh. Reg.-Rths. Prof. Eduard Jacobs-
thal wird mit Genehmigung und unter Förderung des
Hrn. Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-
Angelegenheiten auf Veranlassung der Abtheilung für
Architektur eine Ausstellung des künstlerischen Nachlasses
in der Aula der Technischen Hochschule zu Berlin, Char-
lottenburg,, Berlinerstr. 151, zum Beginne des nächsten
Winterhalbjahres veranstaltet werden. Um ein vollstän-
digeres Bild der künstlerischen Leistungen des hochbe-
gabten Meisters zu erreichen, ist eine Erweiterung der
Ausstellung auf besonders wohlgelungene Arbeiten seiner
einstigen Schüler sehr erwünscht. Rektor und Senat der
Hochschule bitten daher die Herren, denen eine unmittel-
bare Aufforderung wegen unbekannter Adresse nicht zu-
gehen konnte, diejenigen ihrer Zeichnungen, die unter der
Leitung des Meisters entstanden' sind, für die Dauer der
Ausstellung freundlichst zur Verfügung zu stellen. Die
Einlieferung wird bis zum i. Okt. d. Js. an das Sekretariat
der Technischen Hochschule zu Berlin erbeten. —
auszuzimmern. Das Querprofil des Tunnels mit den vor-
geschriebenen Ausmauerungstypen, deren Wahl, entspre-
chend dem vorhandenen Gebirgsdruck, der Bauunterneh-
mung unter eigener Verantwortung überlassen bleibt, ist aus
Abb. 9 ersichtlich. Das Querprofil der beiden Richtstollen
ist so klein wie möglich gewählt; es beträgt bei 2,40“ Breite
und 2,10“ Höhe nur etwa 5^1“, ist also erheblich kleiner,
als bei den bisher besprochenen Alpentunneln. Eine so
kleine Querschnittsfläche für den Rtchtstollen wäre bei
einem Einzel-Stollen wegen des Raumbedarfs für die
Lüftungsleitungen und für die Lüftung überhaupt ganz
unausführbahr gewesen. —
(Fortsetzung folgt.)
Brief- und Fragekasten.
Hrn. W. B. in Chemnitz. Nach § 2 des seit r. Januar 1900
gütigen Handelsgesetzbuches vom 10. Mai 1897 können auch In-
haber von Baugeschäften zur Eintragung in das Handelsregister
gezwungen werden, wenn nach dem Ermessen des Registerrichters
der Betrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise
eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Würden Sie sich aus-
schliesslich mit dem Entwerfen und der Leitung von Bauten be-
schäftigen, so würde Ihr Unternehmen als gewerbsmässig und kauf-
männisch nicht behandelt werden können. Weil Sie jedoch nach
Ihrer eigenen Darstellung bereits vereinzelt Bauten in Entreprise
übernommen und in diesen Fällen Ihr Unternehmen auf Geschäfte
ausgedehnt haben, die nach Art und Umfang eine kaufmännische
Einrichtung nothwendig machen können, ist keineswegs ausge-
schlossen, dass der Registerrichter die Ueberzeugung von der Be-
rechtigung gewinnt, Ihre Eintragung in das Register zu fordern,
Zwar würden Sie gegen seine Verfügung vorstellig werden oder
sie im Beschwerdewege anfechten können. Doch haben Sie hierzu
einen sachkundigen Juristen nöthig, weil nur eine gründliche Wider-
legung der Gründe des Registerrichters einigermaassen Erfolg ver-
spricht. Der seinerzeit besprochene Fall der Heranziehung einer
Architektenfirraa zur Gewerbesteuer ist für Sie bedeutungslos, weil
er einerseits ein preussisebes Gesetz zum Hintergrund hatte, anderer-
seits damals der heutige Handelsgesetzbuch - Paragraph 2 noch
nicht bestand. K. H-e.
Preisbewerbungen.
Ein Preisausschreiben zur Erlangung von Fassaden-
Entwürfen zum Zwecke der Erhaltung des historischen
Gepräges der Stadt Bautzen wird vom dortigen Rathe
unter Verheissung dreier Preise von 1200, 900 und 600 M.
erlassen werden. Der Ankauf nicht preisgekrönter Ent-
würfe für je 300 M. ist in Aussicht genommen. —
L. C. Bargum
ra 6. Juli wurde in seiner Vaterstadt Kiel ein Ver-
treter unseres Faches zur letzten Ruhe bestattet,
der zwar schon seit einer Reihe von Jahren fern
von beruflicher Thätigkeit in stiller Zurückgezogenheit
lebte, dessen Andenken aber bei vielen Fachgenossen in
lebhafter und freundlicher Erinnerung steht. Nur wenige
Tage bevor er das 70. Lebensjahr vollendet hätte, ist
Ludolph Conrad Bargum in Wilhelmshöhe, wo er eine
Heilanstalt aufgesucht hatte, sanft entschlafen. Vor allem
in Hamburg, wo der Verstorbene sowohl durch seine
18jährige Thätigkeit als Baupolizei- Inspektor, wie durch
seine &rvorragende Stellung im Architekten- und In-
genieur-Verein sich Anerkennung und reiche Freundschaft
erworben hat, wird sein Tod herzlich betrauert.
Bargum wurde am 13. Juli 1832 in Kiel geboren, wo
er auch seine erste Jugend verlebte, bis er 1845 das Glück-
städter Gymnasium bezog. Bei Ausbruch des Krieges 1848
trat er als Kadett in die schleswig-holsteinische Marine ein
und bedauerte lebhaft, diesem Berufe, an den er auch in
späteren Jahren mit besonderer Freude zurückdachte, ent-
sagen zu müssen, als die Flotte aufgelöst wurde; er trat
darauf mit einigen Freunden zur Artillerie über und machte
die Gefechte bei Missunde und Neudubenstadt mit. Nach
Beendigung des Krieges 1851 zog Bargum nach Hannover
zum Studium an der Polytechnischen Schule, von wo er
1855 nach Kiel zurückkehrte, um dort das Landmesser-
Examen abzulegen. Er wurde dann zunächst bei ver-
schiedenen Strassen- und Brückenbauten beschäftigt, bis
er 1864 von der schleswig-holsteinischen Regierung als
Wegebauinspektor für das östliche Holstein angestellt wurde.
Nachdem die Herzogthümer an Preussen gefallen waren,
wurde B. 1871 als Bauinspektor nach Schleswig an den Sitz
der Regierung berufen, wo er sich namentlich nach der
schweren SturmfIuthimJahrei872hervorragendeVerdienste
bei den Arbeiten zur Wiederherstellung der Schäden an den
Küsten erworben hat; 1874 er in den bamburgischen
Staatsdienst über. Es erfüllte sich ihm . hierdurch ein
Herzenswunsch," denn er liebte den: regen Verkehr mit
Fachgenossen, der sich ihm in Hamburg eröffnete; auch
mochte ihm die freiere, selb^ändigere Stellung des _ham-
burgischen Beamten trotz des Mangels äusserer Würden
und Titel mehr Zusagen, als die preussische Beamten-
Inhalt: Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Bau
eines neuen Rathhaitses in Kassel. — Von der Industrie- und Kunstaus-
stellung in Düsseldorf 1902 (IV. Schluss). — Der Simplon-Tunnel, mit Rück-
blicken auf die Baugeschichte der älteren Aipen-Tunnel (Fortsetzung). —
L. C. Bargum +. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Brief- und
Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitimg, G. m. b. H-, Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
laufbahn. Bargum war besonders veranlagt für die Auf-
gaben der Baupolizei; mit einer klaren Auffassung der
technischen Aufgaben verband er die scharfe juristische
Unterscheidung der springenden Punkte; so hat er einen
bestimmenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Gesetz-
gebung in seiner amtlichen Thätigkeit in Hamburg geübt
und wurde häufig von den Behörden als Berather bei
den verschiedensten Fragen dieses Gebietes gehört. Die
Entscheidungen der Rekursinstanz des Senates in Bau-
polizeisachen hat er in einer Reihe von Heften bearbeitet
und für den Handgebrauch herausgegeben; ebenso^ hat
er eine Textausgabe des hamburgischen Baupolizei-Ge-
setzes mit allen einschlägigen Entscheidungen der Ge-
richte und Behörden veröffentlicht, die immer noch einen
werthvollen Wegweiser durch das Labyrinth der Gesetze
bildet. Neben seiner beruflichen Thätigkeit widmete sich
Bargum mit grossem Eifer dem Arch.- und Ing.-Verein,
in dessen Vorstand er bald gewählt wurde; an „Hamburg
und seine Bauten“ hat er eifrig mit gearbeitet. Vor
allem aber hat er durch die trefflichen Eigenschaften
seines Charakters sich die Liebe und Verehrung eines
grossen Freundeskreises erworben. Als echter Sohn seiner
Heimath hatte er zwar nicht die leicht gewinnenden ein-
nehmenden Formen raschen Entgegenkommens, sondern
eher etwas Zurückhaltendes, ja unter Umständen Ab-
weisendes und Schroffes gegen ihm unsympathische Be-
rührungen. Wo er aber mitklingende Saiten im Verkehr mit
anderen empfand, da gab er sich mit herzlicher Liebens-
würdigkeit, die den Umgang mit ihm zum Genuss machte.
Im Jahre 1893 fühlte sich B. nach einer überstandenen
Venen-Entzündung nicht mehr _ kräftig genug, seinen Be-
ruf mit gleicher Hingebung wie bisher zu erfüllen; er
kam um seine Versetzung in den Ruhestand ein und zog
sich nach Wiesbaden zurück. Der Arch.- und Ing.-Verein
ernannte ihn beim Scheiden in dankbarer An^kenming
seiner Verdienste zum Ehrenmitglied. Eine Reihe
schöner Jahre der Müsse, die er mit litterarischer Be-
schäftigung auszufüllen wusste, sind ihm an der Seite
seiner gleichgesinnten Gattin noch zutheil geworden, bis
die Gebrechen des Alters sich mehr und mehr fühlbar
machten. Als wir :uns anschickten, ihm zum 70. Geburts-
tag die Glückwünsche darzubringen, traf uns die Nachricht
seines am 3. Juli erfolgten Todes : so bheb uns nur, den
Sarg des Freundes mit Blumen zu schmücken. — CI.
388
No. 60.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 6i. Berlin, den 30. Juli 1902.
Der Simplon -Tunnel, mit Rückblicken aui die Baugeschichte der älteren Alpen-Tunnel.
Der Simplon-Tunnel. (Fortsetzung). Nähe des Ortes Mörel, etwa 5,5''™ oberhalb des
bllnstallations-Einrinhtiincr^n Installationsplatzes, das Wasser der Rhöne darch ein Wehr
DJ instaliations tinrichlnngen. gefasst und von dort mittels eines Kanales in Hennebiqae-
j ie schon ob^en erwähnt, hatte man infolge der tiefen Konstruktion von i zu l » Querschnitt, 4300m Länge und
Lage des Tunnels grosse Wasserkräfte znm Betrieb 3«U Gefälle am rechten Thalhang bis zum sog. Massaboden
'der Installationen zur Verfügung. Für die tiordseite geführt, wo der Druckbehälter 755m aber Meer angelegt ist.
enthielt die Rhöne mit einem Niederschlags-Gebiet von Das Maschinenbaus auf dem Installationsplatz liegt 6^ m
Über Meer. Die vom Druck-
behälter dorthin führende Lei-
tung hat einen Durchmesser von
I™. Bei diesen Verhältnissen
und einer Geschwindigkeit des
Wassers von a™ in der Druck-
leitung ergiebt sich am Ma-
schinenbaus ein nutzbares Ge-
fälle von söm, womit bei einer
Wasserentnahme von gewöhn-
lich 3 cbm und 4,3 cbm im Höchst-
fälle am oberen Einlauf eine Lei-
stung von gewöhnlich 1680 P.S.
und 2360 P.S. im Höchstfälle
erzielt werden können.
Mittels dieser Wasserkraft
werden auf dem Installations-
platze (s. Abbildg, to), welcher
am linken Rhöneufer so ange-
legt ist, dass derselbe später,
nach F ertigstellung desTunnels I,
auch für den Ausbau desTunnels
II verwendet werden kann, ohne
den Bahnbetriebzu stören, durch
Turbinen von zus. 850 P.S, die
folgenden Maschinen getrieben;
3 Paare Brandi'scher Druck-
pumpen zu 6 J Wasserlieferung
in I Sek., 2 Paare Brandt’scher
Druckpumpen zu 12 1 Wasserlie-
ferung in I Sek. Ferner zwei
Luftkompressoren, die zusam-
men 100 P.S. erfordern zur Er-
zeugung von Press-Luh für die
Luftlokomotiven. Für den Be-
trieb der Werkstelle ist eine
besondere Turbine von 55 P.S.
aufgestellt. Eine weitere Tur-
bine von roo P.S. treibt zwei
Dynamos für die elektrische
Beleuchtung des Installations-
platzes, ferner sind 2 Turbinen
von je 30 P.S. zum Betrieb
eines Steinbrechers für die Her-
stellung von Mauersand und
Schotter zur Kanalmauerung,
sowie zum Betrieb von vier
Zementsteinpressen und einer
Mörtelmisch-Mascbine vorhan-
den. Endlich werden noch ein
Sägegatter und eine Kreissäge
durch eine besondere Turbine
angetrieben. DieAnordnung die-
ser verschiedenen Anlagen auf
dem Betriebsplaize ergiebt sich
aus dem Lagepian in Abbildg. 10.
Ganz neue Einrichtungen
sind hier mit Rücksicht auf die
zu erwartende, im Höchstfälle
auf 40° C, geschätzte Gebirgs-
temperatur für die Lüftung ge-
troffen worden. Die anfänglich
hierfür vorgesehene Einrichtung
hat Hr. Professor Dolezalek in
dem von ihm im Jahrgang 1899
der „Deutschen Bauzeitung“ ge-
brachten Artikel über den Sim-
plon-Tunnel bereits geschildert.
Bei weiterem Eindringen in den Berg genügte diese Lüftung
aber nicht mehr, weshalb zur Verstärkung derselben je 2 be-
sondere Turbinen za je 200 P.S. zum Antrieb von 2 Ven-
tilatoren zu 3,75“ Flügeldurchmesser aufgestellt wurden.
DieseVentUatoren liefern jeder bei 400 Touren 25 cbm Luft in
Pavillon des Vereins für bergbauliche Interessen im Ober-Bergamts-Bezirk Doilmund,
Architekt: Fischer in Düsseldorf. (Erster Entwurf von G. Thielen f.)
Maschinenhalle. Architekten: Kayser & v. Groszhetm in Berlin u. Wöhler in Düsseldorf.
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldori 1902. (Text siehe No. 60.)
570,70 qkm eine hinreichende Wassermenge, die oberhalb
der Massamündung mit einer Mindest-Abflussmenge von
5,5X7cbm Sek. festgestelltwurde. Daneben kamen dieSaltine
bei Brig, der Kelchbach bei Naters und die Massa bei der
Massabrücke infrage, die jedoch sämmtlich sich als nicht
geeigneterwiesen. -
Man hat deshalb bei der Gfrischbrücke i Sek. von 250““» Wassersäulen-Druck. Die Anordnung ist
nun so getroffen, dass sie entweder neben einander je 25,
also zusammen 50 cbm Luft von 250™« Druck, oder hinter
einander geschaltet 25 cbm Luft von 500 Druck in den
Stollen II pressen können. Vorläufig arbeiten die Ven-
tilatoren neben einander, da die Pressung von 250
Wassersäule reichlich hoch ist und sogar im Stollen durch
Oeffnung von Traversen auf 100 ““ zurückgeführt werden
muss, um den zu starken Zug im Tunnel zu vermeiden.
Die Verbindungsleitung zwischen den Ventilatoren und
dem Stollen II ist durch einen Kanal von grossem Quer-
schnitt in Monierbauweise hergestellt. An der Südseite,
wo der Richtungsstollen in der Verlängerung des Stollens I
den in der Krümmung belegenen Theil des Stollens II
durchschneidet, war es nöthig, um den Richtungsstollen
für die Förderung frei zu halten, den Stollen II mittels
eines Ueberbrechens über den Richtungsstollen hinweg
zu führen, um für die einzublasende Luft auch an dieser
Steile einen genügenden Querschnitt zu schaffen. Im
Anschluss hieran mag inbetreff der Lüftung der über die
letzte Traverse hinaus vorgetriebenen Stoilenörter gleich
erwähnt werden, dass hierzu theils kleine Ventilatoren
verwendet werden, die mit einer von dem Druckwasser
der Bohrmaschinen angetriebenen Turbine unmittelbar
gekuppelt sind, oder Wasserstrahlgebläse, von denen
mehrere hintereinander geschaltet eine sehr kräftige Lüf-
tung zu erzeugen imstande sind. Man scheint geneigt zu
halb des Ortes Iselle überschreitet die Leitung die Diveria
auf einer eisernen Brücke, vgl. den Plan Abbildg. 11, von
wo sie auf einen Durchmesser von 1000 erweitert ist.
Unmittelbar vor dem Installationsplatze musste die Leitung
durch einen 320°^ langen Tunnel gelegt werden. Mit dem
Gefälle von 170 und einer Wasserentnahme von 1,6 ^bm
an der Fassungsstelle stellt sich die an der Turbinenwelle
erzeugte Kraft auf etwa 2100 P.S. Mit dieser Wasserkraft
werden in Iselle 6 Pumpenpaare nämlichj
I zu 3 J in der Sek.,
3 » 6 „ „ „ „
I „ 12 „ „ „ „
zur Lieferung des Druckwassers für die Bohrmaschinen
angetrieben. Für den Werkstättenbetrieb dient hier eine
Turbine von 30 P.S. Die übrigen Einrichtungen sind ähn-
lich wie in Brig, zu erwähnen ist nur noch, dass in Iselle
eine besondere Eismaschine für den Bedarf der Wirth-
schaften und Spitäler das erforderliche Eis liefert, und
dass für beide Installationen noch die Aufstellung von
Zentrifugalpumpen von 80 1 Wasserlieferung in i Sek.
beabsichtigt wird zur künstlichen Kühlung der zur Lüf-
tung dienenden Luft.
Die Leitung für das Druckwasser vom Maschinenbaus
in den Tunnel besteht aus Mannesmannrohren von
100™“ Durchmesser, deren Verbindung durch eine Ueber-
fallmutter und durch Gummidichtungen hergestellt wird
,1 Restaurant. 6 Jura-Simplon-Büreaux.
2 Wasch- und BaderSume. 7 Pump.- u. Dampfmasch.-Haus.
.3. Bureaux. , 8 Werkstatt.
4 Bohrschmiede. 9 Wageii-Reparaturhalle.
5 Ventilatoren. '10 Dynamo.
sein, zur Lüftung der Stollenörter nur noch die Wasser-
strahlgebläse zu verwenden.
Für die Installation der Südseite war die Auswahl
unter verschiedenen zur Verfügung stehenden Wasser-
kräften zu treffen. Man hat die Diveria unterhalb Gondo
mit 1,422 cbm Wassermenge in der Sek. gewählt, dieselbe
dicht an der Landesgrenze durch ein Wehr gefasst und
von dort eine Druckleitung bis zum Installationsplatze
grösstentheils an der Simplonstrasse entlang gelegt, .da
die Führung eines offenen Kanales an den Thalgehängen
wegen der grossen Steilheit und felsigen Beschaffenheit
derselben ausgeschlossen erschien. Die Fassungsstelle
iiegt_ hier. ,79411 über Meer oder etwa i6om über dem'
Tunnelportal. Die Leitung besteht auf eine Länge von
140011 aus Gussröhren und auf eine Länge von , 2600®
aus Biechröhren,. beide von goo““ Lichtweile.' Dicht o.ber-
Mittheilungen aus Vereinen.
Ar,ch.-,:u. Ing.-Verein für, Niederrhein und Westfalen.
Vers., vom 14, April,, Vors. PIr. Heimann., ,anw'es. 15 Mitgl.
Der ,Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit einem Nachruf
an C..W, Hase. Als einheim. Mitgl. wird aufgen. Hr.
Reg.-Bmstr. Steinmatz.
Hr. Wille berichtet über neuere litterarische
Erscheinungen auf dem Gebiete der Architektur. Zur
Erläuterung sind aus jedem der vorgeführten Werke eine
Anzahl Blätter ausgehängt.
16 Kalk- und Zement-Lager.
17 Stall,
18 Kantine.
19 Schlafhaus.
20 Zerreiss-Maschine. ^
Man hat diese Rohre später gegen solche von 120 «in Dur.cfe
messer streckenweise ausgewechselt. Die VerbinduhöL
welche sich gut bewährt hat, weil sie ein leichtes A,uih
wechseln der Rohre, gestattet, soll in Zukunft wieddh
durch die alte Verbindung mit zwischengelegten Kupf^,-
ringen und Muffen mit entgegengesetztem Gewiridd
ersetzt werden, vermuthlich wegen der billigeren Her-
stellungskosten derselben. Die Druckleitung, hegt m
jedem der beiden Stollen und in jeder' Traverse ist eine
Verbindung zwischen beiden Leitungen 'hergestellt: mit
Absperrventilen, die es ermöglichen, Auswechselungen
an den Leitungen vorzunehmen, ohne den-Betrieb zu storep.
Im Anschluss an die Betriebseinrichtungen sei ..er-
wähnt, dass sowohl für die Arbeiter wie für die Ingenieure-
Wohlfahrtseinrichtungen aller Art geschaffen sindj auf Bie
einzugehen uns der Raum leider verbietet. — ' ' ^
(Fortsetzung folgt.)^ .
Die Besprechung berührt: Deutsche Fachwerkbauten
der Renaissance mit einer Reihe von Aufnahmen wunder-
schöner Bauten von Miltenberg a. M., namentlich des
Marktplatzes,, des Rathhauses in Gross-Heubach usw... Auf
gleicher Basis stehend zeigt sich das ansprechende Sammel-
werk „Deutsche Landarefiitekturen aus alter Zeit“ von Rud.
Kerapff, Augsburg, welches in sehr guter Wiedergabe
ehrwürdige Landhäuser und Landsitze alter Adelsge-
schlechter im Bilde festhält.
Vom preiiss. Plrn. Minister für Kultus und öffentl. Unter-
richt ist demVerein dasWerk geschenkt worden: „Die Abtei
11 Giesserci, Magazin, Lazareih.
12 Lokomotivschuppen.
13 Kohleoschuppeii.
14 Filter.
15 Wächter-Wohnhaus.-,.
390
No. 61.
Eberbach im Mittelalter" von Ob.-Brth. Schäfer. Das Werk
lässt in ausgezeichneter Weise in Bild und Wort dies leider
dem Greuel der Verwüstung anheimgefallene prächtige
Cistercienser-Kloster vor unseren Blicken wieder aufer-
stehen und wird für Manchen Veranlassung sein, sich mit
dem Studium dieser einen der berühmtesten Weinnamen
tragenden Niederlassung im herrlichen Rheinga.u mehr zu
beschäftigen als bisher. Als Geschenk des Hrn. Min. für
öffenti. Arbeiten für den Verein liegt auch das Werk von
Jasrhund vor, welches zum 50jährigen Jubiläum der Rhein-
strom-Verwaltung herausgegeben worden ist.
Weiter sind noch ausgehängt Blätter aus dem Werke:
Das deutsche bürgerliche Einfamilienhaus von Aug. Exter.
Das Werk, das Ergebniss eines Wettbewerbes, kann als
ein guter Erfolg des sorgfältig vorbereiteten Programmes
angesehen werden. Es enthält sehr viel Verwerthungs-
fähiges auf dem Gebiete des Bürgerhauses.
„Nicht dasselbe“, sagt Redner, „möchte ich glauben
von dem Werk: Moderne Fassaden, Wettbewerb See-
mann. Man kann sich voll auf den Boden neuer An-
schauung stellen, sich freuen über das Ringen nach selbst-
ständigen neuen Formen, wird aber trotzdem zugeben
müssen, dass eine grosse Reihe der veröffentlichten Blätter
gelinde gesagt vollkommene Verirrungen sind. Wenn
dieselben, wie das aber gerade zu befürchten ist, von
Händen benutzt werden, die nicht gebildet genug sind,
dann wird das Werk nur Unheil schaffen“.
„Ich möchte schliesslich hierbei noch an das Werk
erinnern, welches hervorgegangen ist aus dem Hildes-
heimer Fassadenwettbewerb. Dieses vortrefflich gelungene
Werk fand in der „Deutschen Bauzeitung“ v. 12. Dezbr. 1900
eine Besprechung, worin ebenfalls die Befürchtung aus-
gesprochen wurde, dass ein künstlerisch reifer Entwurf
bei Ausführung von ungeeigneter Hand in’s Gegentheil
von dem verkehrt werden kann, was er ausdrücken
wollte. Ein Abhilfsmittel dagegen giebt’s aber nicht. Das
in Rede stehende Werk hat die vornehme Bestimmung,
einzugreifen in die missbräuchliche Benutzung von Licht-
druckwerken grosstädtischer Bauwerke in kleineren
Orten. Es ist dabei auch weiter gesagt; „Hier einzu-
greifen ist ein dankbares Gebiet für unsere Baugewerk-
schulen, wenn diese es verstehen, die Ansprüche ihrer
Zöglinge an die von ihnen zu bewältigenden Aufgaben
auf ein der Umgebung und dem Können entsprechendes
Maass einzudäramen". Dieser Satz enthält zweifellos eine
unumstössliche Wahrheit. Aber selbst, wenn zugegeben
werden muss, dass es heute noch — glücklicherweise
nur vereinzelt — Entgleisungen auf dem Gebiete des
Entwerfens an den Baugewerkschulen giebt, ist mit dem
nothwendigen Eindämmen das Unheil noch lange nicht
aus der Welt geschafft. Die missbräuchliche Benutzung
der Abiturienten der Baugewerkschulen seitens derjenigen,
die dieselben anstellen, ist der Krebsschaden, gegen den
anzukämpfen ist. Wenn der selbstplanende Bauunter-
nehmer und Baugewerksmeister und diese — nicht die
Architekten — sind die Urheber der meisten Bauten und
zwar ebensowohl in der kleinen als auch in der grossen
und grössten Stadt, oder gar der Architekt, den eben von
der Schulbank kommenden, mit der nothwendigen Be-
scheidenheit erzogenen Baugewerkschüler mit der selbst-
ständigen Ausarbeitung von Entwürfen betraut, so ist das
einfach als Unfug zu bezeichnen. Leider ist dies aber
nicht die Ausnahme, sondern heute Regel“-. —
Der Vorsitzende dankt Hrn. Wille für die beifällig
aufgenommenen Besprechungen. — , '
Vers, vom 28. April 1902. Vors. Hr. Heimann, an-
wes. 20 Mitgl., r Gast. Die Hrn. Ing. Ree und Brandihstr.
Prochnow werden als einheim. Mitgl. aufgen.
Hri Päffgen berichtet über die Durchsicht der Ab-
rechnungen der Vereinsjahre 1898— igor. Hr. Schreiber
erläutert den Stand des Vereinshaushaltes ünd Vereins-
Vermögens am Schluss 1901. Es schliesst dasselbe mit
einem Fehlbeträge von 332,14 M., hervorgerufen durch
die Ausgaben gelegentlich des Besuches der . belgischen
Fachgenossen. Die Versammlung ertheilt Entlastung.
Hr. Ing. Markus spricht sodann über Propeller-
Rinnen. Der Vortrag wird durch Lichtbilder und Zeich-
nungen erläutert. Diese Rinnen führen ein neues Transport-
mittel als Ersatz für Transportbänder, Schnecken, Schüttel-
rinnen u. dergl. ein. Sie bilden den Schaufelwurf nach und
fördern das Material in geschlossener Masse ohne dasselbe
zu schütteln und zu stossen. Wenn das System auch zu-
nächst nur für Kohle bestimmt ist, so wird man damit auch
Steine, Ziegel, Kies, Sand, Zement usw. befördern können.
Hr. Erben regt die Frage bezüglich der gemein-
schaftlichen Mauern unter Wirkung des neuen bürger-
lichen Gesetzbuches an. Es treten dabei heute Fälle ein,
deren richtige Lösung vollkommen unsicher erscheint.
Die Frage bleibt für weitere Erwägungen offen., —
30. Juli 1902.
Vermischtes.
Eine Diplomprüfung für Architekten ist an der Tech-
nischen Hochschule in Berlin, als nothwendige Folge des
den Technischen Hochschulen verliehenen Rechtes der
Doktorpromotion, durch Ministerial-Erlass vom 16. Juni
d. J. eingerichtet worden, sodass die Ausnahmestellung,
die Berlin nach dieser Richtung hin bisher auch unter
den preussischen Hochschulen einnahm, aufgehört hat.
Es ist bekannt, dass die Abtheilung für Architektur früher
auf die Einrichtung einer solchen Prüfung nicht nur keinen
Werth legte, sondern eine solche nicht wünschte. Inter-
essant ist, dass im „Centralbl. d. Bvwaltg.“ als Grund für
diese ablehnende Haltung angegeben wird, man habe das
freie Studium, welchem durch die Staatsprüfungen bereits
ziemlich enge Grenzen gezogen waren, nicht noch mehr
beschränken wollen, da erfahrungsgemäss die Studirenden,
die eine Prüfuug ablegen wollten, sich zu einseitig mit
den Prüfungs-Gegenständen beschäftigten unter Vernachr
lässigung der die allgemeine Ausbildung und Vertiefung
ihrer Kenntnisse bezweckenden Vorträge, für welche ihnen
keine Zeit übrig geblieben sei. ' Es wird damit also eigent-
lich der Vorwurf zugegeben, der unseren Hoclischulen
früher wiederholt gemacht worden ist, dass sie zu sehr
auf die Erziehung von Staatsbeamten zugeschnitten seien.
Daher auch die ausgesprochene Absicht der Technischen
Hochschulen, in den neuen Diplom-Prüfungsordnungen zu
spezialisiren, zwar natürlich eine ausreichende allgemeine
Kenntniss des gesammten Fachgebietes des Examinanden
zu verlangen, im übrigen aber schon auf die Vertiefung
in einem bestimmten Gebiete hinzuarbeiten.
Dem entspricht auch die neue Diplom - Prüfungs-
ordnung für Architekten, indem sie der üblichen Vor-
prüfung nach zweijährigem Studium eine Hauptprüfung
nach mindestens vierjährigem Studium folgen lässt, die
nach 3 Hauptrichtungen abgelegt werden kann, die in der
Hauptsache betreffen: das konstruktive Gebiet, die Bau-
kunst der Antike und der Renaissance und die altchrist-
liche und mittelalterliche Baukunst. Vorbedingung für die
Zulassung ist bei Angehörigen des Deutschen Reiches der
Nachweis des Reifezeugnisses eines Gymnasiums, Real-
gymnasiums oder einer Oberrealschule und die schon
Gezeichnete Studienzeit an einer deutschen technischen
Hochschule.
Die Vorprüfung entspricht der bisherigen Vorprüfung
für den Staatsdienst. Die Hauptprüfung zerfällt in eine
dreimonatliche häusliche „Diplomarbeit“ aus der vom
Examinanden gewählten Fachrichtung, in Klausurarbeiten
und in eine mündliche Prüfung, die sich in einigen Fächern
von der bisher üblichen im Staatsexamen unterscheidet. —
Schaffung ständiger Ausstellungsbauten In München.
Durch die Erörterungen über die Abhaltung einer Kunst-
gewerbe-Ausstellung in München 1904 ist die schon frü-
her angeregte Schaffung ständiger Ausstellungsbauten in
München wieder in den Vordergrund des Tagesinteresses
getreten. Es ist bekannt, dass der Bayerische Künst-
gewerbe-Verein hierfür die Kohleninsel in Aussicht ge-
nommen hatte und beabsichtigte, mit Ausstellungsräumen
auch andere für München nothwendige Raumgruppen., zu
schaffen. Diesem Verein steht eine andere Gruppe gegen-
über, welche die Schaffung ständiger Ausstellungs-Gebäude
für alle künftigen Ausstellungen auf der Theresienhöhe
anstrebt. Es ist insbesondere die verhältnissmässig hohe
Summe von 500000 M., welche der Kunstgewerbe-Verein
für die Umgestaltung des Glaspalastes für .die beabsich-
tigte Ausstellung und für die Wiederherstellung des alten
Zustandes für nöthig hält und welche sozusagen eine ver-
lorene Ausgabe sein würde, welche die Vertreter des anderen
Gedankens veranlasst, diesem zu huldigen. Als Baustelle
der Ausstellungs-Gebäude sind die Alte Schiesstätte und
das benachbarte Gelände in Aussicht genommen, ein.fe
Fläche von etwa 80 Tagwerk (zu 3400 Q“). Bereits 1894
stellte Prof. G. von Hauberrisser einen entsprechenden
Entwurf auf, welcher auch den heuen Berathuiigen,. die
am 10. Juli eine Bürgerversammlung beschäfpgtep, .zu-
grunde gelegt wurde. Nachdem noch betont worden waij,
dass die Pläne für dieKohleninsel und die für die Theresien-
höhe keineKonkurr.enzpläneseien,wurdeeineEntsch]iessun,g
angenommen, in der die Hoffnung ausgesprochen wurde,
dass die Errichtung ständiger Ausstellungs- Gebäude mit
Park- und anderen Anlagen bald in Berathung- geiiomnien
werde, weil dann Ausstellungen auf allen Gebieten Ef-
spriessliches leisten können und jedes Unternehmen dieser
Art nicht schon von Anfang an durch die Errichtung kost-
spieliger Bauten den Grundstock zu einem Fehlbeträge
in sich tragen würde. — ■,
Vom studentischen Arbeitsamt® der Wildenschaft der
Technischen Hochschule in Berlin (vgl. die frühere Notiz
auf S. 364 y. J.) geht uns eine Mittheilung über den Erfolg
391
seiner Thätigkeit im i. Jahre seines Bestehens zu. Dasselbe
hat auf 561 eingegangene Meldungen 150 Stellen vermittelt,
also 27 % der Gesuche berücksichtigen können. Meist
handelt es sich um technische Beschäftigung, wobei den
Maschinen-Ingenieuren der Hauptantheil zufiel; z. Th. auch
umNachhilfestunden, stenographische undschriftstellerische
Arbeiten, darunter namentlich fremdsprachliche Ueber-
setzungen. Die Einrichtung des Arbeitsamtes, dessen Ver-
mittelung unentgeltlich erfolgt, hat sich also als eine sehr
zweckmässige erwiesen, und es ist zu erwarten, dass der
Kreis seiner Thätigkeit sich noch erweitern wird. —
Beachtenswerthe Vorschläge zur Aenderung des Sub-
missionswesens liegen der Stadtverordneten-Versammlung
von Charlottenburg vor. Die Vorschläge lauten im wesent-
lichen wie folgt; Bei Arbeiten und Lieferungen imWerthe
von 1000 M. erfolgt die Vergebung aus freier Hand nach
einer im Voraus testzusiellenden Liste der Bewerber in
regelmässiger Abwechselung. Soweit es möglich ist, sind
die Preise für die Arbeiten und Lieferungen alljährlich
im voraus festzustellen und bei der Vergebung nach Mög-
lichkeit festzuhallen. Ein weiterer Vorschlag bestimmt,
dass bei Arbeiten bis zu 5000 M. der Zuschlag dem er-
theilt werden soll, dessen Angebot dem aus der Summe
aller Angebote sich ergebenden Mittelpreise, nach unten
gerechnet, am nächsten kommt. Angebote, die 20^0 über
oder unter dem Kostenanschläge oder dem Mittelpreise
stehen, bleiben unberücksichtigt. Durch den ersten Vor-
schlag sollen die Handwerker gegen schlechtes Rechnen
geschützt werden. Es kommt nur zu häufig vor, dass
Handwerker sich bei ihren Angeboten verrechnen, zu
einem sehr niedrigen Preise den Zuschlag erhalten und
bei Ausführung der Arbeit grossen Schaden erleiden.
Der zweite Theil des Vorschlages soll die Handwerker
gegen die Konkurrenz schützen, die alles unterbietet, nur
um die Arbeit an sich zu reissen. Und damit diese Kon-
kurrenz sich nicht an den Arbeitern schadlos halten und
die Löhne drücken kann, wird weiterhin bestimmt, dass
die Ertheilung eines Auftrages davon abhängig zu machen
ist, dass der Bewerber die in dem Gewerbe üblichen
Arbeits-Bedingungen erfüllt und die üblichen Löhne zahlt.
Arbeiten und Lieferungen von grösserem Umfange sind,
soweit möglich, in kleineren Loosen auszuschreiben. Auch
in anderen Städten (z. B. in Barmen und Dresden) be-
schäftigt man sich z. Zt. mit einer Neuregelung des Sub-
missionswesens, über dessen schwere Mängel bei dem
heutigen Verfahren wohl nur eine Ansicht herrscht,
während man über die Wege, welche einzuschlagen sind,
um eine Gesundung herbei zu führen, sehr getheilter
Meinung sein kann. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Erweiterungsbau Ständehaus Kassel. Der
kurzen Ankündigung S. 368 sei ergänzend angefügt, dass
es sich um die Erweiterung eines am Ständeplatze in
Kassel gelegenen historischen Bauwerkes handelt, dessen
vornehmes und edles Aeussere nach dem Programm
„thunlichst“ keine Veränderung in seiner Strassenansicht
erfahren soll. Vielleicht hätte man bei der feinen Haltung
des Aufbaues wünschen können, dass das Programm die
unberührte Erhaltung der Strassenansicht zur Bedin-
gung macht. Bei den Veränderungen handelt es sich um
die Erweiterung des Sitzungssaales und seine Verwendung
als Repräsentationsraum, um die Anlage einer Wohnung für
den Landeshauptmann, um die Schaffung neuer Geschäfts-
räumeusw. Dem Bewerberbleibtes überlassen, die Schaffung
dieser Geschäftsräume durch Umbauung des bestehenden
Saales, durch Anbauten an denselben , durch Errichtung
eines besonderen Gebäudes im hinteren Theile des Gartens
oder durch einen Erweiterungsbau im Anschluss an das
Vorderhaus unter Beseitigung des Sitzungssaales zu er-
möglichen. Die Zeichnungen sind i : 200 verlangt. Bei
der Preisentscheidung wird „der möglichst niedrige Betrag
der erforderlichen Baukosten nicht unwesentlich mit-
sprechen.“ Die mit Preisen ausgezeichneten Entwürfe
gehen zwar zur freien Benutzung in den Besitz der Ver-
waltung über, dieselbe erklärt aber in anerkennenswerther
Weise, dass die Uebertragung der Planverfassung im Ein-
zelnen an einen der Preisträger nicht ausgeschlossen sei,
wenn die Verwaltung auch eine Zusage zunächst nicht
machen will. Die Theilnahme an dem Wettbewerb sei
angelegentlichst empfohlen —
Einen internationalen Wettbewerb zur Erlangung des
besten Originalwerkes über spanische Archäologie erlässt
der Magistrat von Barcelona zum 23. Okt. 1906. Zuge-
lassen werden handschriftliche oder gedruckte Arbeiten
spanischer und ausländischer Urheber in lateinischer,
kastilianischer, katalonischer, französischer, italienischer
oder portugiesischer Sprache. Es gelangt ein Preis von
20000 Pesetas (20 Pesetas = 26,20 M) zur Vertheilung.
Die Preiszuerkennung erfolgt am 23. April 1907. Unter-
lagen durch den Hrn. kgl. preuss. Minister der geistl.,
Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten in Berlin. ■ —
Chronik.
Technische Hochschule in Nürnberg. Die Forderung der
bayerischen Regierung von looooM für die Vorbereitungs-Arbeiten
zur Errichtung einer technischen Hochschule in Nürnberg, um
welche auch die Städte Würzburg und Augsburg sich beworben
haben, wurde nunmehr auch vom Plenum der Kammer abgelehnt. —
Die Einweihung der St. Josephs-Kirche InMünchen, eines
im Stile der Renaissance gehaltenen Werkes des Architekten
Schürer in München, hat Mitte Juni stattgefunden. ~
Die Errichtung eines Denkmals für Karl den Grossen
an der Peterskirche in Wien mit einem Aufwande von goooo Kr.,
an welchem Staat, Land und Stadt theilnehmen würden, ist an-
gebahnt. —
Die Wiederherstellung des grossen Apollotempels von
Phigalia ist durch die griechische Regierung beschlossen worden.
Der Tempel wurde 430 v. Chr. durch Iktinos errichtet und ist
besser erhalten, als die übrigen griechischen Tempel. Die Leitung
der Wiederherstellungs-Arbeiten, von welchen nicht gesagt ist,
wie weit sie sich erstrecken sollen, hat Nikolaus Balanos. —
Die neue Kirche zum heiligen Kreuz zu Münster i. W.,
welche nach den Plänen und unter der Oberleitung des Reg.-Bmstr.
H. Hertel in Münster mit einem Kostenaufwande von 300000 M.
{Thurm nur bis Kirchendachgesims) bei 1600 Sitzplätzen erbaut
wurde, ist am 19. Juli nach feierlicher Einweihung in Benutzung
genommen worden. —
Die neue St. Josefskirche zu Münster i. W., ebenfalls
nach Plänen und unter Oberleitueg des Hrn. Reg.-Bmstr. H Hertel
in Münster vorläufig zur Hälfte erbaut (250000 M-), wurde am
20. Juli dem Gottesdienste übergeben. —
Die Kapernaumkirche in Berlin, die nach dem Entwürfe
des Hrn. Reg.-Bmstr. Siebold in Bielefeld im Stile des > spät-
romanischen Backsteinbaues errichtet wurde, soll^im August die'
Weihe erhalten. —
Personal-Nachrichten.
Baden. Der Bahnbauinsp. Straub bei der Gen.-Dir.' der
Staatseiseub. ist z. Kollegial-Mitgl. ernannt.
Preussen. Dem Geh. Reg.-Rath Ziebarth, Mitgl. des kais.
Patent-Amtes in Berlin, ist der Rothe Adler-Orden III Kl. mit der
Schleife, dem Kreis-Bmstr. W o I f f in ’Bitburg der Rothe Adler- '
Orden IV. KL, dem Ing. u. Fabrikbes, Karl v. Siemens in Berlinif
der kgl. Kronen-Orden II. KI. und dem Reg -Rath Schober, in
Kiel der kgl. Kronen-Orden III. Kl. verliehen.
Der Reg - und Geh. Brth. Böttger aus Wiesbaden ist z.
Geh. Brth. und vortr. Rath im Minist, für Landwirthschaft, Domänen
und Forsten ernannt.
Kgl. Techn. Hochschule in Aachen. Der Senat für
das Jahr i. Juli 1902/1903 besteht aus dem Rektor Prof. Dr. Brauer
(Eisenbahnbau) als Vors, und den Vorst derAbth.; Prof. Schup-
mann für 1. Architektur, Prof. Holz für II. Bauingenieurwesen,
Prof. Köchy für III. Maschinen - Ingeiiieurwesen , Prof- Dr.
Klockmann für IV. Bergbau- und Hüttenkunde, Chemie und
Elektrochemie, Prof. Dr. Jürgens für V. Allgemeine Wissen-
schaften, sowie den Herren Prof.: Dr. Bredt, Geh. Bergrath
Lengemann und Geh, Reg.-Rath Dr, W ü 1 1 n e r.
Den Reg.-Bmstrn. Reinh. R u 1 f f in Glogau und Heinr. B r ahl
in Berlin ist die nachges. Entlass, aus dem Dienste der allgem.
Bauverwaltg. und Gg. Hoppe in Konstadt dieselbe aus dem
Staatsdienste ertheilt.
Die Reg.-Bfhr. Karl Blumenthal aus Czarlin, Johs Müller
aus Fingen u. Erich W ulsten aus Frankfurt a. O. (Wasser- u.
Strassenbfeh.), — Herrn. S chäf er aus Kassel, Alfr. Schlochauer
aus Hamburg, Rieh. Rothacker aus Esslingen, Friedr. Kutz-
b a c h aus Trier, Konr. Hermann aus Friedrichsthal, Jul. Stroh
aus Offenbach a. M. und Paul Nathansohn aus Berlin (Hoch-
bfeh.), — Hugo Lippmann aus Posen, Günther Schoepplenberg
aus Berlin (Eisenbfeh.) , Emil Oes er aus Berlin, Karl Bange
aus Hamburg (Masch.-Bfeh ) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. C. Schn, in Bautzen. Den genannten Zweck dürften
das bereits von Ihnen genannte „Repertorium für Kunstwissenschaft"
sowie das „Jahrbuch der kgl. preuss. Kunstsammlungen in Berlin“
noch am ehesten erfüllen. Wir nehmen an, dass die „Kunstchronik“
Ihnen bekannt ist. Besondere Veröffentlichungen über die genannten
Zweige giebt es nicht. —
Hrn. J. H. K. ln Bremen. Ohne Angabe darüber, um was
für ein Dach es sich handelt, sind wir leider nicht in der Lage,
Hire Anfrage zu beantworten. Sollte das aber nicht auch jeder
Dachdeckermeister können?
Anfragen an den Leserkreis.
Welche Mittel hat man, um den Fussboden in einem neuen
Hause (vor, 2 Jahren erbaut), welcher so sehr eingetrocknet ist,
dass sich Fugen von 5mm gebildet haben, auszubessern? Wie
bewährt sich „Nivellin“, welches zum Ausbessern bezw. Ueber-
ziehen von alten Fussböden angepriesen wurde? Hat man sonstige
Mittel, in einer Kittmasse oder dergl. bestehend, welche sich hier-
für eignen? 0. Fl. in M.
Inhalt: Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902. —
Der feimplon-Tunnel, mit Rückblicken auf die Baugeschichte der Älteren
Alpen-Tunnel iFortsetzungl. — Mittheilungen aus Vereinen. — Vermischtes.
— Preisbewerbungen. — Chronik. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin, Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmaun, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 61.
392
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
H^BERLIN
s!!g:!g!!»s;ssig:s^s!2:s;s:s!:st
AUZEITUNG.
GANG. * * NO- 62. ^
DEN 2, AUG. 1902. ^
Entwurf mit dem Kennwort: „Stadtbild“. I. Preis. Architekt: Karl Roth in Darmstadt.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Bau eines neuen
Rathhauses in Kassel.
(Fortsetzung.) Hierzu die Abbildungen Seite 396 und 397.
ie im vorangegangenen Aufsatze bereits er-
wähnte sorgfältige Bearbeitung der Unter-
lagen, die augenscheinlich auf einen Vor-
entwurf des Stadtbauamtes zurückgeht, und
die hieraus abgeleiteten genauen Forderun-
gen inbezug auf die Lage der einzelnen Raumgruppen
in den verschiedenen Geschossen sowie der einzelnen
Räume innerhalb der Gruppen zu einander haben im
Verein mit den reichen Erfahrungen, über welche die
Theilnehmer des Wettbewerbes aus den zahlreichen
Bearbeitungen der gleichen Aufgabe aus vergangenen
Jahren verfügen konnten, kaum zu einer Lösung ge-
führt, welche schlechtweg abzuweisen wäre. Inbezug
auf gänzlich unbrauchbare Arbeiten hebt sich dieser
Wettbewerb auf das vortheilhafteste von früheren
Wettbewerben ab; völlig ungenügende Entwürfe sind
freilich auch vorhanden, aber in einer so geringen
Minderzahl — wir erinnern uns, deren höchstens zwei
oder drei gesehen zu haben — , dass sie den hohen
Durchschnittsgehalt des Wettbewerbes nicht beein-
flussen können. Dieser fast gleichmässig hohe Durch-
schnittswerth der Entwürfe ist es, welcher den Wett-
bewerb auszeichnet und er ist mit in erster Linie dem
Umstande zuzuschreiben, dass die- Theilnehmer über
klare Angaben verfügen konnten. Daher kommt es
auch, dass die Entwürfe in der Lage [der Raumgruppen
und in der Gestaltung derselben wenig grundsätzliche
Unterschiede aufweisen; dieBedingungdesProgramraes
jedoch,, welche wesentlichere Unterschiede in der An-
lage hervorgerufen hat, war die, nach welcher das Ge-
bäude erweiterungsfähig sein sollte, gleichwohl aber
so zu planen war, dass auch, der jetzt zu errichtende
Theil ein in sich geschlossenes, harmonisches Ganze
bilden sollte. Wie nun die Lageverhältnisse der Bau-
stelle, die in den sie umziehenden Strassenzügen eine
ziemlich regelmässige, wenig malerische Bebauung
zeigt, ergeben und wie sich auch aus dem vorherr-
schenden baulichen Charakter der Neustadt ableiten
lässt, ■«'■ar ein symmetrisches Bauwerk hier das in
erster Linie gegebene System der Anlage, w'enn diese
auch keineswegs, wie der schöne Entwurf von Franz
Thyriot zeigt, eine durchaus malerische Anlage aus-
schloss. Indessen, es kam bei der Beurtheilung dieser'
Verhältnisse noch ein Umstand hinzu, der auch für
die Entscheidungen des Preisgerichtes bestimmend
gewesen sein dürfte. Heute liegt ein Theil des für
das neue Rathhaus bestimmten Geländes unbebaut als
„Messplatz" da und es mögen daraus einzelne Kon-
kurrenten die Berechtigung abgeleitet haben, die be-
dingte Erweiterung in der Art vorzunehmen, dass sie
zunächst nur die nordöstliche Hälfte der Baustelle be-
bauten und die nordwestliche der späteren Bebauung
vorbehielten. Diesem Standpunkte gegenüber machte
die Stadtverwaltung den berechtigten Wunsch geltend,
es möge, um jede spätere Disharmonie zu vermeiden,
da man nicht wissen könne, unter welchen Verhält-
nissen nach 20 Jahren etwa die dann nothwendige
Erweiterung durchzuführen sei, jetzt schon der Theil
an der oberen Königsstrasse, welcher nach Lage, der
Dinge als der Haupttheil mit dem Haupteingang zu
betrachten ist, abgeschlossen bebaut werden. Aehn-
lichen Erwägungen gaben auch die grösste Mehrzahl
der Konkurrenten Raum und so entstanden denn eine
Reihe von Vorschlägen, welche die Erweiterung auf
dem rückwärtigen Theil des Geländes' suchten, wo-
bei dann die vorläufig unsymmetrische Gestalt des
393
Grundrisses beim vollen Ausbau zu einer symmetrischen
wurde. Die Anzahl der Höfe des ausgebauten Bau-
werkes wechselte dabei zwischen i und 5. Einen
grossen Innenhof mit seinem unzweifelhaft etwas er-
schwerten Geschäftsverkehr zeigten die Entwürfe „Fern
von Madrid“, „Roland“, „Alt-Cassel“, „Westen“, „Resi-
denzstadt“, wobei die Erweiterung des ursprünglich
I I-förmig gestalteten Grundrisses durch Schliessung
der vierten Seite des Vierecks gedacht war. Der
Entwurf „recte [faciendo“ giebt der ersten Anlage eine
Entwurf mit dem Kennwort
Architekt: Franz Thy
I — [-Gestalt, zieht also, wie es das Programm als
Möglichkeit andeutete, die Seitenflügel gegen die
Königsstrasse vor und nimmt die Erweiterung gleich-
falls durch Schluss der vierten Seiten des hinteren
offenen Hofes an. — Anlagen mit zwei Höfen nach dem
Ausbau bei mehr oder weniger symmetrischer oder
malerischer Gestaltung zeigten die Entwürfe „Klar und
wahr“, „Los vom Mittelalter“, „Frühling“, „Guilielmus
von Nassauen“ usw. Der Entwurf „Mai 1902“ bildet
seine Anlage mit zwei Höfen durch Schliessung der
hinteren Seite der ursprünglich in der Form eines
liegenden E LU gedachten Baugruppe. Eine symme-
trische Anlage mit nur 2 Höfen schon vor der Erwei-
terung zeigt auch der Entwurf „Jung Deutschland“ ; der
Grundriss ist rechteckig und die Erweiterung ist so ge-
dacht, dass aus dem Rechteck später ein } — j wird, d. h.
es werden die Seitenflügel nach vorne wie nach rück-
wärts vorgezogen. Eine weitereArt zweihöfiger Anlage
ist in dem Entwurf „i. Mai 1902“ vorgeschlagen. Hier
reihen sich an ein geschlossen umbautes Rechteck an
einer Seite Flügel mit offenem Gartenhof. — Die drei
Höfe des ausgebauten Rathhauses sind entweder so ge-
wonnen, dass in ein zunächst ausgebautes geschlosse-
nes grosses Rechteck zwei innere verbindende Flügel
eingelegt wurden, wie bei den Entwürfen mit den
Kennworten ,,Carpe diem“ und „Mieze“, oder dass
zwei etwa quadratische Baukörper mit inneren Höfen zu
einer □ Q-förmigen Anordnung verbunden wurden
und später die offene Seite geschlossen wird, wie bei
dem Entwurf ,,Nach der Gross väter Weise“ oder dem
mit dem Monogramm CR; oder dass die ursprünglich
1~ ~i-förmige Anlage geschlossen und mit zwei inneren
Verbindungsbauten ausgestattet wird , wie bei den Ent-
würfen „Mittelthurm“, „Schomburgbrunnen“, „Giebel“;
oder aber dass ein |—|- förmiger Grundriss an der rück-
wärtigen Seite geschlossen und mit inneren Verbin-
dungsbauten versehen wird, wie beim Entwurf „Chasala
913“, oder endlich, dass aus einer - förmigen An-
lage durch Angliedern zweier rückwärtiger seitlicherHöfe
eine dreihöfige Anlage wird. Der letztere Fall ist der
häufigste; er findet sich bei den Entwürfen „Ab nach
Kassel“, dreitheiligesHerzblatt, „i. Mai-Waidmannsheil“,
„Ballermännchen“, „Pfingsten 1902“, Kleeblatt, „Simpli-
cissimus“, „Waldmeister“, „Glückspiel“ usw.. Eine An-
lage mit 4 Höfen würden nach ihrem vollen Ausbau
die Entwürfe „Freitreppe“, „In den Spuren des Bru-
nelleschi“ usw. zeigen, während der Entwurf mit dem
Kennzeichen des getheilten Doppelkreises, es gar auf
5 Höfe bringen würde. Un-.
ter den preisgekrönten Ent-
würfen sind sowohl derT ypus
mit nur einem Hof nach vol-
lendetem Ausbau (,, Roland“,
IV. Preis), wie der mit zwei
Höfen („Stadtbild“, I. Preis;
,, Volkslied“, III. Preis), wie
auch der mit drei Höfen
(,,Mäh hunns“,II. Preis; ,,Gie-
bel“, II. Pr.; „Waldmeister“,
III. Preis) vertreten. ^
In stilistischer Beziehung
zeigt der Wettbewerb in in-
teressanterWeise den Kampf
zwischen der deutschen Re-
naissance und dem Barock-
stil. Das Mittelalter tritt nur
ganz vereinzelt auf; roma-
nische Bestrebungen, augen-
scheinlich entstanden unter
dem Einflüsse der mittel-
alterlichenVorbilder, wie sie
Tirol etwa bietet, verräth
der etwas unter der Art
seiner Darstellung leidende,
aber eigenartige Bildungen
zeigende Entwurf mit dem
charakteristischen Kenn-
worte „Neues aus Altem
— Lässt Vernunft walten“. Gothischen Entwürfen er-
innern wir uns nicht, begegnet zu sein, wenn man
nicht etwa den mit einem II. Preise ausgezeichneten
Entwurf mit dem Kennwort „Giebel“, der in einer Art
persönlich gefärbter Neugothik vorgetragen ist, hier-
her rechnen will. Eine ganz vereinzelte Stellung, die
auch schon in seinem Kennworte angedeutet ist, nimmt
der Entwurf „In den Spuren des Brunelleschi“ ein.
Der Verfasser des Entwurfes bemerkt in seinem Er-
läuterungsberichte, dass er den Namen des grossen
h
„Volkslied“. Ein III. Preis.
’ 0 1 in Köln a. Rh.
394
No. 62.
Florentiners hierbei als Gattungsbegriff angesehen
haben wollte, und zwar in zweifacher Hinsicht. Denn
einerseits lag es ihm natürlich fern, etwa seinen Ent-
wurf durch die Gegenüberstellung eines übermächtigen
Vorbildes von vornherein zu gefährden; sondern er
wollte durch die Wahl dieses Namens vor allem zum
Ausdruck bringen, dass er aus dem Studium der
grossen Paläste der toskanischen Frührenaissance, der
Pitti, Strozzi usw. den Muth gewonnen hat, wenigstens
bei der Komposition der Hauptfassade von jeder Zer-
splitterung der Kräfte abzusehen, in dieser vielmehr
nur einen schlichten Gedanken mit möglichst unge-
brochener Kraft auszusprechen. Zweitens war eben-
sowenig die Absicht vorhanden, in den stilistischen
Einzelheiten etwa die Formensprache des Brunelleschi
und seiner Zeit bis ins geringste Detail nacfazuahmen
„wie er sich räuspert usw.“ — ein Blick auf das hohe
Steildach, auf die Breitgestalt der Bogenfenster und
auf andere Einzelheiten erweist das Gegentheil: der
Verfasser ist durchaus nicht gewillt, auf das historische
Bild des deutschen Rathhauses zu verzichten, denn
er glaubt, dass man wohl auch ohne weiter gehende
Gliederung und sogar unter Verzicht auf reichen
Erker- und Giebclschmuck dennoch gut deutsch bauen
könne (wie das Nürnberger Rathhaus und andere
echt deutsche Bauten bekunden). Ja, das Streben,
einen in der Phantasie klar erschauten Eindruck wieder-
zugeben, hat ihn sogar stellenweise zu direkt moder-
nen Anordnungen geführt, und er glaubt, dass dieser
moderne Einfluss bei einer etwaigen Ausführung das
Detail auch noch stärker beeinflussen würde, insonder-
heit den ornamentalen Theil.“ Wir glauben uns er-
innern zu können, dem Verfasser auch bei anderen
Wettbewerben, z. B. denen betreffend die Rathhäuser in
Hannover und Leipzig, begegnet zu sein und immer
erregte er unser höchstes Interesse durch die merk-
würdig echte und malerische Auffassung, in welcher
er seine Entwürfe, die infolge ihrer etwas ängstlichen
und nichts weniger als auf bestechende Wirkung be-
rechneten Darstellung nicht die Beachtung fanden,
welche sie verdienten, darzubieten wusste. Aus ihnen
spricht ein Künstler von feiner und tiefer Empfindung.
Entwürfe dieser und ähnlicher Art jedoch sind
Ausnahmen; der überwiegende Theil der Arbeiten zeigt
entweder die Formen der deutschen Renaissance, die
Formen des Barock oder eine Vermischung beider
und das Bestreben, die Hauptentwicklungs -Perioden
der Stadt durch eine Art Uebergangsstil zum Aus-
druck zu bringen. Die Bewerber, welche die deutsche
Renaissance wählten, knüpften an die Zeiten der Re-
formation an, an das XVI. Jahrhundert, in welchem
die Stadt durch Philipp den Grossmüthigen und Wil-
helm IV. wesentlichen baulichen Veränderungen unter-
worfen war. Im Hinblick hierauf mögen in trefflicher
Stilauffassung entstanden sein die Entwürfe mit den
Kennworten „Klar und wahr" (schön durchgebildete
Formen), „Residenzstadt" (maassvolle gute Haltung),
„Vier Eckdachreiter“ (mit eigenartigen Zügen dieses
Stiles namentlich in der Hauptfassade), „Recte faciendo
usw.“, „Kurz und bündig“, „Guilielmus von Nassauen“,
„Pfingsten 1902“, „Es muss doch Frühling werden“
(Verf.,: Hr. Arch. Joh. Roth in Kassel), der Entwurf
mit deiii Kennzeichen des dreitheiligen Herzblattes
usw. Der Entwurf mit dem Kennworte „Wonne-
mond“ zeigt eine gute Spätrenaissance und einen
schönen Thurm und glaubt mit einer späteren
Auffassung der Renaissance in Deutschland den histo-
rischen Ueberlieferungen der Stadt gerecht werden zu
können. Die Verfasser des mit einem II. Preise aus-
gezeichneten Entwurfes „Mäh hunn’s usw.“, die Hrn.
F. Berger in Berlin und F. Wilde in Charlottenburg,
erstrebten dieses Ziel durch eine unbefangene Mischung
deutscher Renaissance und des Barockstiles. Eine
ähnliche Mischung, jedoch in etwas weitergehender
Verarbeitung, zeigt auch der Entwurf „Hercules“,
dessen Feinheiten durch die etwas trockene Art der
Darstellung nicht voll zur Geltung kommen.
Die meisten Entwürfe knüpften in ihrer Stilfassung
an die Periode der Stadt an, welche den Anfang ihres
Aufschwunges zu der heutigen Bedeutung bildete, an
die Regierungszeit des Landgrafen Karl, unter welchem
die Aue, das Orangerieschloss, die grossartigen An-
lagen am Habichtswald und durch die Aufnahme der
aus Frankreich vertriebenen Hugenotten die schöne
Ober-Neustadt südwestlich vom Friedrichsplatz ent-
standen. Insbesondere der mit dem L Preis gekrönte
schöne Entwurf „Stadtbild“ des Hrn. Karl Roth in
Darmstadt zeigt die monumentalen Formen des Barock-
stiles in prächtiger Fassung und mit jenem glück-
lichen Anhauch deutscher Empfindung, die grade in
Kassel dem Ortscharakter am besten entspricht. Neben
diesem Entwurf zeichnen sich noch durch eine inter-
essante, theils maassvollere, theils reichere Auffassung
dieses Stiles aus die Entwürfe „Fern von Madrid“,
„Auch ein Rathhaus“ (in eigenartiger, selbständiger
Durchbildung), „Carpe diem" (mit interessanten mo-
dernen Einflüssen), „Nach der Grossväter Weise“,
„Hessenland“ (mit freier Formensprache); ein etwas
gewaltsam kraftstrotzendes Barock zeigt der Entwurf
„Residenz“. In einem schönen Barock mit deutscher
Haltung ist der Entwurf „Simplicissimus“ dargestellt,
während der Entwurf „Freitreppe“ in einem eigen-
artigenSpätrenaissance-Stii mit sehr strengemDreiecks-
giebel vorgetragen ist. Unter dem bezeichnendenKampf-
rufe „Los vom Mittelalter“ ist ein Entwurf entstanden,
welcher eine so schöne und intime Auffassung des
Barockstiles verräth, dass derselbe vielleicht hätte in die
engste Wahl einbezogen werden können. Es ist einer
der künstlerisch werthvollsten Entwürfe des Wettbe-
werbes. Durch ein prächtiges farbiges Blatt mit der
perspektivischen Ansicht der Vorderfassade, das best-
gemalte des Wettbewerbes überhaupt, sowie durch
flotte Federzeichnungen ragt der Entwurf mit dem
Kennzeichen eines Kleeblattes hervor, dessen Archi-
tektur sich an die Bauten der Altstadt anlehnt, jedoch
nicht ohne einen Uebergang zum Stil der Neustadt
zu suchen. — (Schluss folgt.)
Neue Bestimmungen für die Berechnung der Standfestigkeit von Schornsteinen.
Bnter dem 30. April d. J. hat der preuss. Minister d.
öffentl. Arbeiten durch Rundschreiben an die Reg.-
1 Präsidenten usw. neue Bestimmungen für die Be-
rechnung der Standfestigkeit von Schornsteinen bekannt
gegeben, gemäss Vorschlägen, welche die preuss. Akademie
des Bauwesens in Abänderung bezw. Ergänzung ihres Gut-
achtens vom 13. Juli 1889 über diesen Gegenstand jetzt
gemacht hat. Die von der Akademie des Bauwesens aufge-
stellten Grundsätze sind von den Staats-Baubeamten und
den Polizei-Behörden usw. bei der Prüfung der Gesuche
um Genehmigung solcher Schornstein- Anlagen anzuwen-
den. Soweit die neuen Bestimmungen denjenigen der Bau-
polizei-Verordnungen über die Beanspruchung der Bau-
materialien und die Belastung des Baugrundes entgegen-
stehen, sind die Bauverordnungen zu ändern.
Das Gutachten hält im allgemeinen fest an der Be-
messung des Winddruckes auf 125 für eine ebene,
senkrecht zur Windrichtung stehenden Fläche, wobei be-
reits die etwaige Saugwirkung auf der Leeseite berück-
2. August 1902.
sichtigt ist. Die in Rechnung zu stellende Angriffsfläche
des Windes ist der lothrechte Schornsteinschnitt (senkrecht
zu zwei gegenüberliegenden Seiten des Grundrisses bei
eckigem Querschnitt), dessen Schwerpunkt als der An-
griffspunkt des Windes anzunehmen ist; es wird also eine
gleichmässige Vertheilung des Druckes in der ganzen
Schornsteinhöhe angenommen. Diese Fläche ist bei run-
den Schornsteinen auf 0,67, bei achteckigen auf 0,71 des
Werihes bei rechteckigem Querschnitt (wie früher) zu ver-
ringern, der Wind zur Ermittelung der grössten Kantenpres-
sung bei eckigen Schornsteinen aber übereck anzunehmen.
Die Fugen dürfen sich an der Windseite bei 125
höchstens bis zur Schwerpunktsaxe des Querschnittes
öffnen. Die Zugspannungen sind zu vernachlässigen, die
Druckspannungen sowohl für 125 wie für 150
Winddruck zu berechnen. Zu dieser Doppelberechnung
der Druckspannungen giebt der Erlass keine nähere Er-
läuterung. Anscheinend sollen die Höchstwerthe der zulässi-
gen Pressungen dem Winddruck von entsprechen.
395
Entvvmrf mit dem Kennwort „Stadtbild". I. Preis. Architekt: Karl Roth in Darmstadt.
Entwurf mit dem Kennwort; „Waldmeister“. Ein III. Preis. Hauptgeschoss.
Architekten: Börnstein & Kopp in Friedenau.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Rathhaus in Kassel.
- - Das Einheitsgewicht
der Materialien ist mit
dem wirklichen,
dem nachzuweisenden
Werthe in die Berech-
nungem2ufnhren,wird
also im allgemeinen für
dieStaudfestigkeit gün-
stiger ins Gewicht fal-
len, Genauer festgelegt
und z.Th. günstiger als
früher sind die Bestim-
mungen über die zu-
lässigenBeanspruchun-
^ gen. Festgehalten sind
für gewöhnliches Zie-
gelmauerwerk in Kalk-
mörtel (1:3) 7
als Höchstwerth, da-
gegen festgesetzt 12
bis 15 kg/qcm für Hart-
brandsteine (Mindest-
festigkeit 250 kg/ qcm) in
Kalk-Zement-Mörtel (i
Raumtheil Zement, 2
Kalk, 6—8 Sand). Bei
festeren Steinen und
stärkerer Zement-Bei-
mischung sind höhere
Beanspruchungen zu-
lässig, jedoch ist stets
eine lofache Sicherheit
und als Höchstwerth
25 kg/qcm Pressung bei
150 kg/qcia Winddruck
festzuhalten (früher 14
bis 20 kg/qcm bei bestem
Klinkermauerwerk in
reinem Zementmörtel;
für verlängerhZement-
mörtel fehlten Bestim-
mungen). Allerdings ist
der Nachweis der Zu-
lässigkeit höherer Be-
anspruchungen durch
völlig einwandfreie
F estigkeits - Prüfungen
anganzenMauerwerks-
körpernzuführea. Zu-
lässige Beanspruchung
der Fundamente bei
Schüttbeton 6--8kg/qcm^
bei Stampfbeton ro bis
iskg/qcm (früherfehlten
Bestimmungen über
Beton); zulässige Bau-
grundpressung bei An-
nahme eines Wind-
druckes von 125 bis
150 kg/qcm in der Regel
bis 3 kg/qcm^ ausnahms-
weise l?is 4 kg.
Während der Erlass
also die bisherige Fest-
setzung der Wind-
druckgrössen für aus-
reichenderachtet, lässt
er eine günstigere Aus-
nutzung besseren Bau-
materials zu als bisher.
Auch in Oesterreich
sind in diesem Jahre
Vorschriften über die
Berechnung hoher
Schornsteine erlassen
worden, von denen die
abweichenden Punkte
kurz angeführt seien'^).
") Technische - Anleitung
für die gewerbepolizeüiche
Prüfung von Projekten für
die Errichtung oder Erhöhung
der einen Be^tandtheil ge-
werbl. Betriebsatilagen bil-
denden gemauerten hohen
Schornsteine. Erlass des
Minist, d. Innern im Ein-
vernehmen! mit dem Han-
dels - Minist, vom 24.. März
1902 an alle politischen Lan-
dessteilen.
No. 6a.
Entwurf mit dem Kennwort; „Volkslied“. Ein III. Preis. Architekt: Franz Thyriot in Köln a. Rh.
Entwurf mit dem Kennwort: „Waldmeister“. Ein III. Preis. Architekten: Börnstein & Kopp in Friedenau.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Rathhaus in Kassel.
2, August 1902.
397
Der Winddruck ist in der durch die Bauordnungen
festgesetzten Höhe, bezw. wo solche Festsetzungen fehlen,
in der Regel mit 150 ^g/q“ in Rechnung zu ziehen, ge-
gebenenfalls auch höher, wo entsprechende Erfahrungen
vorliegen. Windstoss und Saugwirkung an der Leeseite
sind dabei nicht zu berücksichtigen. Als Winddruckfläche
bei vier- und achteckigen Schornsteinen ist die senkrechte
Projektion parallel zu einer Vierecksseite zu rechnen.
Gegen Umkippen muss mindestens eine 2 fache Sicherheit
vorhanden sein. Die grösste Materialbeanspruchung ist
jedoch nur bei Annahme des einfachen Winddruckes, bei
eckigen Schornsteinen übereck wehend anzunehmen. Der
Abminderungskoeffizient des Winddrucks für rechteckige
und runde Schornsteine entspricht den deutschen Vor-
schriften. Die zulässigen Beanspruchungen weichen da-
gegen nicht unwesentlich ab. Zunächst werden bei Schaft-
höhen von nicht mehr als 30“ Zugspannungen bis i,2%/q°i
zugelassen, die jedoch für jeden Meter Mehrhöhe um
0,05 kg/qcm 2U Verringern sind, ln der untersten Schicht
des Fundament-Mauerwerkes ist dagegen Zugspannung
nicht zulässig. Die Druckbeanspruchung darf höchstens
Vio der Festigkeit der Steine und des Mörtels erreichen,
in der Regel jedoch nicht mehr als ßkr/qem bei gewöhn-
lichen Mauerziegeln, 12 kg;qcm bei gepressten Maschinen-
Formziegeln. Bei Nachweis höherer Festigkeiten können
auch entsprechend höhere Belastungen angenommen wer-
den. Für die Bodenpressung werden zugelassen:
ijS^g/qcm, bei sehr feuchtem Lehm und Thon, bei
Sand von mindestens i “ Mächtigkeit, jedoch gegen seit-
liches Ausweichen geschützt ; 2,5 kg/qcm bei sandigem, festem
Kies von geringer Mächtigkeit oder wechselnder geneigter
Lagerung, stehendem oder theilweise stehendem und ge-
gen Ausweichen geschütztem Lehm und Thon; 3,5 kg/qcm
schliesslich bei festgelagertem, grobkörnigem Kies, bei gro-
bem Geschiebe von grosser Mächtigkeit und bei liegendem
trockenem Lehm und Thon.
Die Vorschriften, die also sowohl bezüglich des zu-
grunde zu legenden Winddruckes wie auch hinsichtlich der
zulässigen Beanspruchungen nicht unwesentlich von den
deutschen abweichen, geben im übrigen noch eingehende
Bestimmungen über die Ausführung, über die zu wäh-
lenden Materialien usw. —
Der Simplon-Tunael, mit Rückblicken auf die Baugeschichte der älteren Alpen -Tunnel.
4. Der Simplon-Tunnel. (Fortsetzung).
c) Ausführung des Richtungsstollens und
Förderung.
S^^jei den hier inbetracht kommenden Arbeiten und
IPJ Einrichtungen hat sich, vermuthlich infolge der Ver-
• schiedenartigkeit der (jebirgsbeschaffenheit, eine auf
beiden Seiten in vielen Punkten von einander abweichende
Art des Vorgehens herausgebildet.
Die beiden Stollen werden parallel auf gleicher Höhe
in einem Abstande von 17 m von einander vorgetrieben.
In Entfernungen von je 200 « sind
beide Stollen durch Querörter, die
sog. Traversen, mit einander verbun-
den, deren Richtung nicht senkrecht
zur Längsaxe der Stollen, sondern
etwas dagegen geneigt angeordnet ist.
In beiden Stollen Hegt ein Gleis von
80 cm Spur auf eisernen Querschwellen
und in jeder Traverse ist eine Weichen-
verbindung zwischen den beiden Glei-
sen hergestellt. Die beiden letzten
Traversen vor Ort bilden die Vorort-
sta’tion, während in dem fertig ausge-
mauerten Tunnel I möglichst nahe an
den Arbeitsstellen der Mauerung die
Tunnel-Hauptstation eingerichtet ist.
Die allgemeine Anordnung dieser Sta-
tionen im Inneren des Tunnels, wie
dieselbe z. Z. für die Nordseite gewählt
ist, ergiebt sich aus der Abbildg. 12.
Die Einrichtung der Förderung ist da-
bei wie folgt organisirt: Die aus leeren
Vorort- und Vollausbrucliwagen, so-
wie aus beladenen Wagen für Maurer-
Materialien, Holz und Gezähe bestehen-
den, auf dem Installationsplatz ran-
girten Züge werden durch Dampf-
Lokomotiven bis in die Tunnel-Hauptstation gezogen. Nach
Ankunft eines Zuges auf der Hauptstation trennt sich die
Lokomotive von demselben und holt die beladenen Wagen
aus den Arbeitsstellen des Tunnels und Stollens I heraus,
soweit sie in diesen Stollen vorzudringen vermag. Alle
diese Wagen werden bis in die Tunnel-Hauptstation durch
die Dampf-Lokomotive zurückgeschafft, wobei dieselbe
also die Arbeitsstellen der Mauerung und des Vollaus-
bruches zu durchfahren hat. Nachdem so die Maurer-
und Vollausbruchs-ArbeitssteJlen von den Wagen befreit
sind, schiebt, die Dampf-Lokomotive die leeren Vorort-
wagen, sowie die beladenen Mauer-, Holz- und Gezähe-
wagen in die Vollausbrüche und kehrt dann in die
Tunnel-Hauptstation zurück. Für den Transport der be-
ladenen Vorortwagen im Stollen II bis zur Weiche li
und von dort durch die Traverse in den Tunnel I, sowie
zum Weiterbefördern der von der Dampf-Lokomotive bis
in die Vollausbrüche geschobenen leeren Wagen bis vor
Ort im Tunnel I dient je eine Luft-Lokomotive in jedem
Stollen. Die auf die Tunnel-Hauptstation zurückgekehrte
Dampf-Lokomotive rangirt dann auf dieser Station die
beladenen Vorortwagen mit den beladenen Vollausbruch-
und leeren Maurerwagen zu einem Zuge und führt den-
selben ins Freie auf die Halde bezw. auf den Arbeitsplatz.
Bei diesem System der Förderung wird also der Stollen II
zwischen der Tunnel-Hauptstation und der Vorort-Station
mit zur Förderung benutzt, so dass die Traverse in der
398
Tunnel-Hauptstation zum Durchschieben der beladenen
Vorortwagen gebraucht wird, also zeitweilig geöffnet wer-
den muss. Dadurch wird natürlich ein Theil der in den
Stollen II eingeblasenen frischen Luft durch diese Traverse
unmittelbar in den Tunnel I gelangen, ohne erst die bei-
den letzten Traversen vor Ort durchstreichen zu müssen.
Die Lüftung vor Ort und in den Arbeitsstellen im Tunnel I
wird demnach durch dieses Verfahren etwas beeinträchtigt,
was sich aber nach der von mir selbst gemachten Wahr-
nehmung kaum fühlbar macht, weil eben die Lüftung zur-
zeit überhaupt eine überreichliche ist. Für diesen Förde-
rungs- und Rangirdienst sind 2 Dampf- und 2 Luft-Loko-
motiven im Betrieb und es verkehren im Tage 24 Züge,
also jede Stunde einer nach feststehendem Fahrplan.
Die durch die Dampf-Lokomotive in den Stollen I
vorgeschobenen leeren Vorortwagen werden von dort
durch die Luft- Lokomotive bis zwischen die beiden letzten
Traversen vor Ort geschafft. Nachdem das Bohren und
Schiessen im Stollen beendigt ist, wobei der Bohrwagen
vom Ort zurückgezogen und auf einer im Stollen ange-
ordneten Schiebebühne auf die Seite gestellt ist (Abb. 13
und 14), werden 2 leere Wagen vor Ort geschoben, von
denen aber der eine zunächst auf einer zweiten Schiebe-
bühne ebenfalls zur Seite gestellt wird. Gleichzeitig gehen
2 Schlepper vor Ort, denen etwa 100 leichte aus Bast
geflochtene Körbe über die Wagen hinweg zugereicht
werden, die sie aus dem unmittelbar vor Ort liegenden
Material unter Zuhilfenahme von Hacken mit kurzem Stiel
füllen. Während dieser Arbeit wird der erste Wagen,
wie Abbildg. 14 zeigt, von 4 Schleppern aus dem weiter
zurückliegenden Material beladen, wobei ein auf dem
Wagen stehender Schlepper dieses Material im Wagen ver-
theilt. Nachdem dieser Wagen gefüllt ist, wird er von
einem Pferd durch die erste Traverse in den Stollen II
gezogen und dort zwischen den beiden Traversen stehen
gelassen. Sofort, nachdem der gefüllte Wagen an dem
inzwischen auf der Schiebebühne zur Seite gestellten
2. leeren Wagen vorbei gelangt ist, wird dieser ins Gleis
No. 62.
gerückt und zusammen mit einem weiteren inzwischen
dem Depot der leeren Wagen im Stollen I entnommenen
Wagen vor Ort geschoben. Während dieser Vorgänge
sind die inzwischen unmittelbar vor Ort gefüllten Körbe
durch mehrere eine Kette bildende Schlepper nach rück-
wärts geschafft und seitwärts im Stollen niedergesetzt.
Nach Ankunft der beiden neuen leeren Wagen erfolgt
dann die Beladung des dem Ort zunächst stehenden in
der Weise, wie vorher beschrieben, während die rück-
wärts abgesetzten Körbe von den übrigen Schleppern in
den 2. Wagen entleert werden. Gleichzeitig füllen die
beiden Schlepper vor Ort die ihnen wieder zugereichten
oder dort noch vorhandenen Körbe. Nach Beendigung
des Schutterns stehen also hier die gefüllten Vorortwagen
im Stollen II, von wo sie dann durch die Luft-Lokomotive
bis zur Traverse der Tunnel-Hauptstation und durch die-
selbe in den Tunnel I geschafft werden. Um bei diesem
Verfahren die gefüllten Vorortwagen bei der Schutterung
in jedem der beiden Stollen vom Ort zurückschaffen zu
können ohne genöthigt zu sein, beim Durchfahren der
Weiche in der Traverse die Bewegungsrichtung zu ändern,
ist die Lage der Traverse hier so angeordnet, dass die-
selbe von II nach I gegen das Ort gerichtet ist. Imganzen
sind 12 Schlepper vor jedem Ort beschäftigt, wovon zeit-
weilig 2 Ruhepausen haben.
Die Förderwagen sind durchweg Kippwagen, sie sind
mit federnden Buffern und Zugvorrichtungen ausgerüstet
und haben einen Fassungsraum von 1,6“=^™. Die Vorort-
wagen haben schmalere Wagenkasten von nur i “ Breite.
Die Tunnel-Hauptstation wird durch Acetylengas beleuchtet,
welches auf einem fahrbaren Apparat an Ort und Stelle
erzeugt wird.
Von der vorstehenden Schilderung in vielen Punkten
abweichend sind die Vorortarbeiten und die Förderung auf
derSüdseiteder Anlage eingerichtet. Die Abweichunggegen-
den übrigen Zug in das Gleis a— b (Abbildg. i6). Sie wird
dann vom Zuge getrennt und fährt in die Arbeitsstellen,
wo inzwischen die gefüllten Vollausbruchs- und Vorort-
wagen durch Pferde zusammengeschoben sind. Diesen
Zug holt die Lokomotive und zieht ihn zurück in das
Gleis c— d; sie setzt sich dann vor die Gezähe-, Holz- und
gefüllten Maurerwagen, zieht diese in das Gleis a— b und
schiebt von hier aus gleichzeitig die leeren Vorort- und
Vollausbruchswagen vor sich her bis in die Vollausbrüche,
von wo die leeren Vorortwagen mit Pferden durch die
vorletzte Traverse bis in den Stollen II der Vorortstation
befördert werden. Unterwegs sind die Gezähe-, Holz- und
Maurerwagen in den Arbeitsstellen, für die sie bestimmt
waren, abgehängt und sofort entladen worden, so dass die
Maschine bei ihrer Rückfahrt diese entleerten Wagen vor
sich her in das Gleis c— d der Tunnel-Hauptstation hinter
die dort stehenden gefüllten Vorort- und Voilausbruchs-
wagen drücken kann. Dann setzt sich die Maschine durch
das jetzt leere Gleis a— b vor den Zug und befördert ihn
auf den Arbeitsplatz. Für diesen Betrieb sind hier nur
2 Dampf-Lokomotiven und eine Luft-Lokomotive im Dienst,
letztere wurde aber zurzeit meiner Anwesenheit auf der
Baustelle, im Juni 1901, noch nicht im Tunnel verwendet.
Wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, ist die För-
derung hier wesentlich einfacher eingerichtet und wird
mit 3 Personen- und 9 Materialzügen für den Tag nach
festem Fahrplane bewältigt. Es wird hier ausschliesslich
der Stollen I für die Förderung benutzt, so dass alle rück-
wärtigen Traversen dauernd geschlossen gehalten werden
können und der Stollen II nur für die Luitzuführung und
die Wasserabführung verwendet wird.
Auch die Schutterung vor Ort weicht hier von der
früher für die Nordseite beschriebenen Art und Weise
ab; sie ist wie folgt eingerichtet; In einer Höchstentfernung
von 30 ra vom Ort ab ist für das Auswechseln der Wagen
eine Schiebebühne eingebaut
‘vVwitjiAtW. I
(s. Abbildg. 17). Nachdem der
Raum vor Ort nach dem Ab-
schiessen genügend gelüftet
ist, werden 2 leere Wagen vor
Ort geschoben, von denen
einer auf der Schiebebühne
vorläufig zur Seite gerückt
wird. Für den anderen leeren
Wagen wird das Gleis mög-
lichst weit von Material ge-
Abbildg. .5. SMseite. Abbildg. i6. reinigt, so^ dass der Wagen
so weit wie irgend möglich
gegen den Ort herangebracht
werden kann. Unmittelbar vor
Ort, wo das Material am
höchsten liegt, arbeiten drei
Schlepper, denen das Material
durch einen Mineur aufgepickt
wird, indem sie dasselbe auf
Bleche von 50—80^10 im Qua-
drat werfen und mittels dieser
nach rückwärts befördern.
Von hier wird es von 2 Schlep-
pern, die sich vor Kopf des
Wagens aufstellen und eben-
falls von 2 Mineuren durch
Abbildg. 17.
über der Nordseite besteht hier namentlich darin, dass die
leeren Vorortwagen durch die vorletzte Traverse in den
Stollen II geschafft und dort zwischen den beiden letzten
Traversen abgesetzt werden (s. Abbildg. 15), während die
gefüllten Vorortwagen mit Pferden in den Stollen I ge-
bracht und dort zwischen den beiden Traversen aufge-
stellt werden. Damit nun sowohl bei der Förderung aus
dem Stollen II als auch aus I die vollen Wagen ohne
Umkehrung der Bewegungsrichtung durch die Weichen
geschoben werden können, hat man hier die Richtung der
Traversen, wie Abbildg. 15 zeigt, umgekehrt angeordnet
wie auf der Nordseite, wodurch auch der im Stollen I er-
folgende Transport der leeren Vorortwagen bis in den
Stollen II zwischen die beiden letzten Traversen ohne
Unterbrechung möglich ist. Für die Hauptforderung ist
auch hier eine Tunnel-Hauptstation vor den Mauerungs-
und Vollausbruchs-Arbeitsstellen angeordnet, die aber nur
in einem Ausweichgleise besteht (s. Abbildg. 16).
Auf dem Arbeitsplätze im Freien werden die Züge
so geordnet, dass die leeren Vorortwagen unmittelbar an
die Maschine gehängt werden; diesen folgen die leeren
Vollausbruchs- sowie die beladenen Holz- und Gezähe-
wagen, während die mit Maurerraaterialien gefüllten Wagen
den Schluss bilden. Bei Ankunft auf der Station lässt die
Maschine die letzteren vor der Weiche stehen und zieht
Aufpickeln unterstützt werden,
auf den Wagen geladen, wo es
von einem in demWagen stehenden, das Kommando führen-
den Schlepper mit einer Kratze im Wagen nach rückwärts
vertheilt wird. Die beiden Schlepper und die Mineure
vor demWagen werden während der Füllung eines Wagens
dreimal abgelöst, so dass für diesen Posten 6 Schlepper
und 6 Mineure erforderlich sind. Sofort nach der Füllung
des Wagens wird derselbe von einem Pferde in den
Stollen I zwischen die beiden letzten Traversen gezogen.
Hinter der Schiebebühne wird der dort stehende Reserve-
wagen ins Gleis gerückt und vor Ort geschoben. Mit dem
Auswechseln der Wagen vor Ort vergehen etwa 1—1,5
Minuten, die zur Reinigung der Platten und des Gleises
benutzt werden. Sobald der durch das Pferd zurück-
gezogene volle Wagen die nach dem Stollen il führende
Weiche durchlaufen hat, wird ein neuer leerer Wagen
aus Stollen II in die Schiebebühne vor Ort geschoben.
Wie man sieht, ist bei dieser Schutterungsmethode
vor allem darauf Bedacht genommen, dass den unmittel-
bar vor Ort beschäftigten Leuten möglichst alle diejenigen
Arbeiten abgenommen werden, welche auch von den
weiter rückwärts stehenden Leuten ausgeführt werden
können, also namentlich das' Aufladen des Materiales auf
den Wagen; sie haben nur möglichst schnell den grossen
Haufen vor Ort zurückzuwerfen, wobei sie sich gar nicht
um den Wagen zu bekümmern brauchen. — (Schluss folgt).
2. August 1902.
399
Vermischtes.
Der Panama-Kanal. Neueren Nachrichten aus Amerika
zufolge scheint der Panama-Kanal aus terrestrischen und
aus wirthschaftlichen Gründen gesichert. Prof. Angelo
Heilprin von der Universität in Philadelphia, ein. Gut-
achter in der Isthmuskanal-Frage, leitet die ersteren Gründe
aus den vulkanischen Ausbrüchen auf der Insel Martinique
ab und führt etwa aus: „Die ganz unzweifelhafte Ver-
bindung, welche zwischen den vulkanischen Eruptionen
von Martinique und St. Vincent besteht, beweist, dass ein
weiter vulkanischer Kreis sich gebildet hat, der ein für
allemal dem Plane des Baues eines Nicaragua-Kanales ein
Ende machen sollte. Diesen Schluss begründe ich . folgen-
dermaassen : Die Zustände am Mont Pelde und in St. Vincent
beweisen unbedingt eine Zunahme, nicht eine Abnahme
der vulkanischen Phänomene in der Region des karaibischen
: Golfes. Die Zerstörung, wurde in diesem Falle auf ganz
neue Art bewerkstelligt, nicht durch Lava, Asche oder ein
Erdbeben, sondern durch explosible Gase und Dampf, die
alles in Atome zerrissen, als würde es aus der Mündung
einer Kanone geschossen. Sieben (englische) Meilen weit
sind ganze Dörfer aus. solidem' Ziegelbau eingestürzt und
verschüttet. . Ich habe das 90 Meilen entfernte St. Vincent
besucht und finde dort ganz dasselbe Phänomen. Ich hege
keinen Zweifel am Zusammenhänge der Eruptionen. Es
wäre einfach thöricht, sieh beim Bau eines Kanales durch
ein vulkanisches Land wie Nicaragua auf die Lokalisirung
oder die Seltenheit vulkanischer Eruptionen zu verlassen.“
In anderer Beziehung hat der Selbstmord des gröss-
ten Terrainspekulanten in Nicaragua-Werthen wegen der
Fortschritte des Panama-Kanales die Lage hell beleuchtet.
SämmtlichePanama-Interessenten erklärten sich solidarisch
für das Zustandekommen des grossen Werkes, welches von
der nordamerikanischen Union lebhafte Unterstützungfindet.
Todtenschau.
Hugo Mairich f. Am 21. v. M. verunglückte bei der
Fahrt mit einem Automobil' der als tüchtiger Fachmann
■weiten Kreisen bekannte Ingenieur Hugo Mairich aus
Gotha in eben vollendeten 40. Lebensjahre. Mairich war
ein sogen, self-made-man, der es schon in dem frühen
Alter von 24 Jahren zu einer Vertrauensstellung in der
städtischen Verwaltung von Gotha gebracht hatte und der
von einer ganzen Anzahl von deutschen Städten bei Fragen
der Wasserversorgung und Kanalisation zugezogen wor-
den ist. Unbeeinflusst durch Schulmeinungen war er im
doppelten Sinne ein Mann des freien Schaffens, der jede
Aufgabe ihren Besonderheiten entsprechend anzufassen
und zu lösen wusste. Wie er in den Grundgedanken der
Lösung einer Aufgabe immer eigenartig war, so wandte
er auch allen Einzelheiten peinlichste Sorgfalt zu und Hess
abweichend von manchen Spezialisten seiner Gebiete
niemals Pläne aus der Hand gehen, welche den Stempel
der Unreife an der Stirn trugen. Für die hinterlassene
Familie, wie für Förderung der Technik des Kanalisations-
Wesens bedeutet das frühe Hinscheiden Mairichs einen
harten Verlust. —
Preisbewerbungen.
Zur Erlangung von Entwürfen für den Neubau eines Lan-
deshauses des Regierungs-Bezirkes Wiesbaden erlässt der zu-
ständige Landeshauptmann für die im Deutschen Reiche
ansässigen Architekten einen Wettbewerb mit Frist zum 15.
Nov. igo2. Es gelangen 3 Preise von 3000, 2500 und 1000 M.
zurVertheiliing; der Ankauf zweier nicht preisgekrönter Ent-
würfe fürjesooM. istvorbehalten. DemPreisgerichtgehöreu
als Architekten, die in der Mehrzahl sind, an die Hrn. Ob.-
Baudir. Prof. Dr. Jos. Durm-Karlsruhe, Stdtbrth. Ludwig
Hoffmann- Berlin, Prof. Friedr. von Thiers ch -München
und Geh. Brth. Voiges in Wiesbaden. Unterlagen gegen
3 M., die nach Einsendung eines Entwurfes zurückvergütet
werden, durch den Landeshauptmann in Wiesbaden. —
Wettbewerb Rathhaus Kassel, Wir bitten die Hrn.
Verfasser der Entwürfe mit den Kennworten: „recte
faciendo“, „Es muss doch Frühling werden“, „Los vom
Mittelalter“, „Hessenland“, „Simplicissimus“ u. „Guilielmus
von Nassauen“ gestatten zu 'Wollen, dass wir diese Ent-
würfe unter den Abbildungen unseres Berichtes über den
Wettbewerb berücksichtigen. —
Chronik.
Das 25jährige Jubiläum der Schleppschiffahrt auf dem
Neckar voh Heilbronn nach Mannheim ist am 25. Juli unter der
Theilnahme von Vertretern Badens, Württembergs und Hessens in
Heilbronn festlich begangen worden. —
Das St. Paulshaus in Stuttgart, ein mit einem Aufwande
von rd. 270000 M. nach den Entwürfen der Architekten Bihl '&
400
Wolt'z dorten errichteter neuer Kranken-Pavillon des Marien-
Hospitales wird im September vollendet werden. Das Haus ent-
hält irö Betten. — ...
Das Residenz -Theater in Dresden wird gegenwärtig von
- Hrn. Arch. Reuter einer Wiederherstellung unterzogen, besonders
durchgreifend in malerischer Beziehung, durch G. G. Klemm und
Paul Rössler, frühere Schüler aus dem Atelier von Prof. Guss-
.mann. Von denselben Künstlern wird das Theater auch einen
neuen Vorhang erhalten.' — ■ - ■ ,
Der Bau eines neuen städtischen Krankenhauses in
Karlsruhe, ein längst gefühltes , dringendes Bedürfuiss, ist nunmehr
gesichert und wird demnächst in Angriff genommen werden. Die
Stadtverwaltung hat schon im vorigen Jahre' ein im Nordwesten der
Stadt gelegenes Waldgelände von nahezu 100 000 qm Flächengehalt
von der grossh. Zivilliste hierzu erworben. In der B.-A.-Sitzung
V. 22. Juli d. J. wurde für Bau- und Mobiliar-Aufwand nach den
Plänen und Voranschlägen des Stadtbauamtes für die Ausführung
im zunächst vorgesehenen Umfange für 6co Betten die Summe von
4 MLIl. M. genehmigt. Zur künftigen Erweiterung bis zu 900 Betten
ist reichlich Platz vorhanden. DieVerwaltungs-Gebäude und Betriebs-
Einrichtungen werden nach dem späteren vollen Ausbau der Anlage
bemessen. Als Bauzeit sind, 3 Jahre in Aussicht genommen. W. —
' Das neue Chörlein von St. Sebald in Nürnberg schmückt
seit Pfingsten schon den Pfarrhof, dem es . eine neue schöne
Zierde ist. Die Arbeiten fanden unter der sorgfältigen Leitung des
um die Wiederherstellung der Sebalduskirche sehr verdienten Archi-
"tekten Prof. Jos. Schmitz in Nürnberg statt. —
Ein Anzengruber-Theater ln Meidling bei Wien soll mit
einem Aufwande von etwa 600000 Kr. errichtet werden. —
Thüringisches Gewerbe -Museum in Erfurt. Nach dem
Vorbilde, des Bayerischen Gewerbe-Museums in Nürnberg ist in
Erfurt ein thüringisches Gewerbe-Museum geplant, zu welchem
bereits ein Betrag von 200000 M. zur Verfügung steht. —
Das Stuttgarter Interims-Theater, welches nach den Ent-
würfen der Architekten Brthe. Eisenlohr & Weigle in Stuttgart
errichtet wird, soll zum 10. Okt., dem Geburtstage der Königin,
eröffnet werden. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Geh. Ob.-Brth. im kgl. preuss. Kriegs-
Minist. Wodrig ist als nichtständ. Mitgl. des Pat.-Amtes auf
weitere 5 Jahre ernannt.
Bayern. Dem i. Dir. des German. Museums in Nürnberg,
Gustav V. Bezold, ist die 3. Kl. des Verdienstordens vom heil.
Michael verliehen, und der Dir.- Assess. bei der Zentr.-Werkstätte
München Michael H a u c k in seiner bisherig. Diensteigenschaft
zur Zentr.-Werkstätte Nürnberg versetzt. — Dem Priv.-Doz. für
Geschichte der neueren Baukunst und Stillehre an der Arch.-Abth.
der Techn. Hochschule in München, Arch. Dr. Richard Streiter,
ist der Uebertritt in die Allgem. Abth. dieser Hochschule bewilligt
und ihm zugleich der Auftrag ertheilt worden, an der Allgem. Abth.
Vorlesungen über Kunstgeschichte des 19. Jahrh. abzuhalten.
Preussen. Dem bisherig. Handelsrichter, Fabr.-DIr. Brth.
Grund in Breslau ist der Rothe Adler-Orden IV. Kl., dem Doz.
an der Techn. Hochschule in Hannover, Prof. Friedi'. K a u l b a c h
der kgl. Kronen-Orden II. Kl. u. dem i. Dir. des German, Museums
in Nürnberg v. Bezold ders. III. KI. verliehen.
Die Wasser-Bauinsp. Brth. Schulze in Emden u. G r e v e in
Kassel sind zu Reg - u. ßrthn. ernannt, die Wahl des Geh. Reg.-Rth.
Prof. Ende zum Präs, der kgl. Akademie der Künste in Berlin
für das Jahr vom i. Okt. 1902 bis dahin 1903 ist bestätigt worden.
Der Reg.- u. Brth. Greve ist dem kgl. Polizei-Präsidium in Berlin
überwiesen worden. Der Wasser-Bauinsp. Brth. Millitzer ist
von der kgl. Reg. in Danzig an die Weichselstrom-Bauverwitg.
daselbst versetzt. — Die Reg.-Bmstr. Beneckein Graudenz und
Heintze in Breslau sind zu Wasserbauinsp. ernannt. —
Brief- und Fragekasten.
Anfragen an den Leserkreis.
Wie ist es möglich, aus einem massiven Petroleumkeller den
anhaftenden Petroleumgeruch, sowie das durch Auslaufen und Aus-
schwitzen eingesogene Petroleum, abgesehen vom Lüften, zu ent-
fernen, sodass der Keller anderen Wirthschaftszwecken dauernd
nutzbar gemacht werden kann? Der ganze Bau liegt im blauen
Thon eingeschlossen. Fachleute, vielleicht aus dem Auslande, wo
schon seit Jahren abgeschlossene Versuche mit grösserem Erfolge
vorliegen dürften, sind höflichst gebeten, sich zu äussern. Für
Deutschland dürfte diese Frage brennend werden bei den für den
Petroleumhandel einschneidenden neuen Maassnahmen der „Deutsch-
Amerik. Petrol. -Gesellschaft", die den Zwischenhandel unmöglich
machen und kostspielige Anlagen theilweise entwerthen.
Sch. in Quedlinburg.
Wie schützt man ein Holzzementdach, auf welchem sich Moos
und Gras gebildet haben, vor der Gefahr, dass sich diese Schichten
durch Feuerfunken aus den Schornsteinen entzünden? Eine Be-
seitigung der Moosschicht ist wegen der Stürme, denen das Dach
ausgesetzt ist, nicht erwünscht. K. in L.
Wie haben sich Torfmull-Closets für geruchlosen öffentlichen
Betrieb in Orten ohne Kanal und Wasserleitung bewähiü?
C. Sch. in D.
Inhalt: Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Bau
eines neuen Rathhauses in Kassel. (Fortsetzung.) — Nene Bestimmungen
für die Berechnung der Standfestigkeit von Schornsteinen. — Der bimplon-
Tunnel, mit Rückblicken auf die Baugeschichte der älteren AJpen-TunneJ.
(Fortsetzung.) — Vermischtes. — Todtenschau. — Preisbewerbungen, —
Chronik. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Hofmänn, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 62.
Entwurf „Mäh hunn’s usw." Ein IL Preis. Architekten: F. Berger in Berlin und F. Wilde in Charlottenburg.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Rathhaus in Kassel.
Das Umlegungsgesetz für Frankfurt a. M.
er von der königlichen Staatsregierung vorgelegte
Gesetzentwurf betr. die Uralegung von Grundstücken
in Frankfurt a. M. ist im Juni d. J. von beiden
Häusern des preussischen Landtages zum Beschluss er-
hoben worden, jedoch, in einer Fassung, welche von dem
Vorschläge der Staatsregierung erheblich abweicht. Das
nunmehrige Gesetz besteht aus drei Abschnitten, von
denen der erste die Voraussetzungen der Umlegung und
das vorbereitende Verfahren, der zweite das Umlegungs-
Verfahren selbst behandelt und der dritte Schluss -Be-
stimmungen enthält.
I.
Voraussetzung der Umlegung sind Gründe des öffent-
lichen Wohles; die Zwecke derselben sind Erschliessung
von Baugelände und die Herbeiführung baugerechter
Grundstücksformen. Die Umlegung kann sich nur auf einen
zweckmässig umgrenzten, vorwiegend unbebauten Theii
des Gemeindebezirkes erstrecken, -und zwar ist dieser
Theii nicht grösser zu bemessen als nöthig. Einzelne be-
sonders benutzte Grundstücke (Gärtnereien, Parks, Baum-
schulen usw., staatliche Grundstücke) können oder müssen
ausgenommen werden. Den Antrag auf Umlegung
ist zu stellen berechtigt i. der Magistrat im Einverständ-
niss mit der St.adtverordneten-Versammlung, 2. die Mehr-
heit der Eigenthümer, welche zugleich die Mehrheit der
Grundfläche besitzt (qualifizirte Mehrheit). Der Magistrats-
antrag ist unwirksam, wenn der überwiegende Theii des
Geländes von den Eigenthümern zur gewerblichen Gärt-
nerei benutzt wird; der Antrag der Eigenthümer-Mehrheit
bedarf der Zustimmung des Magistrates, wenn mehr als
30 % der Fläche für Strassen und Plätze bestimmt sind und
für dieses Mehr von der Gemeinde Zahlung verlangt wird.
Der Magistrat hat den Lageplan der umzuiegenden
Grundstücke offen zu legen unter Angabe des für
Strassen und Plätze abzutretenden Prozentsatzes und der
Frist für den Strassenbau. Ueber Einwendungen be-
schliesst, insoweit sie nicht vom Magistrat in Güte erledigt
werden, der Bezirksausschuss. Kommt eine Vereinbarung
zwischen den Betheiligten und der Gemeinde über die
Umlegung zustande , so unterbleibt auf Antrag beider
Parteien das Umlegungs-Verfahren. Auch nach Erzielung
einer Vereinbarung über die Umlegung eines Theiles des
inbetracht kommenden Geländes kann das Umlegungs-
Verfahren unterbleiben. FürsolchefreiwiiligenUmlegungen
hat der Bezirksausschuss je nach Lage der Sache eine
Frist zu bestimmen.
Die Abweichungen vom Regierungs-Entwurf be-
stehen im wesentlichen in der thunlichsten Einschränkung
des Umlegungs-Gebietes, in der Einführung der qualifizir-
ten anstatt der einfachen Mehrheit, in der Befreiung der
Gärtnereifelder vom Umlegungszwange, ln der Angabe
des Prozentsatzes der Strassenflächen und der Frist für
den Strassenbau, sowie in der Begünstigung der freiwilligen
Umlegung. Die Erfahrung wird lehren, ob diese zum
Schutze der Eigenthümer beschlossenen Abweichungen
der Anwendung des Gesetzes Abbruch thun.
II.
Für das Umlegungs- Verfahren ernennt der Re-
gierungs-Präsident eine Kommission, bestehend aus zwei
Regierungs-Kommissaren, von welchen einer den Vorsitz
führt, und wenigstens je einem Bauverständigen, einem
Rechtsverständigen, einem Landmesser und einem Sach-
verständigen für die Bewerthung der Grundstücke. Zur
Beschlussfähigkeit bei Feststellung des Umlegungsplanes
ist die Anwesenheit je eines Sachverständigen der vier,
genannten Fachgebiete erforderlich. Von der Gesammt-
masse sind zunächst die neuen Strassen- und Platzflächen
auszuscheiden; sie bilden den Ersatz der bisherigen Wege.
Die Restmasse ist nach Zweckmässigkeit und Billigkeit
nach dem Verhältniss zu vertheilen, in welchem die Eigen-
thümer an der früheren Gesammtfläche betheiligt waren,
ünd zwar thunlichst in der bisherigen örtlichen Lage und
senkrecht zu den Baulinien. Es verliert hiernach jeder
401
Eigenthümer denselben Prozentsatz seines Landes, gleich-
viel ob sein Grundstück an eine schmale oder breite Strasse
oder an einen Platz zu liegen kommt. Werden zu den neuen
Strassen und Plätzen über die bisherigen Wegflächen hin-
aus mehr als 30 vom Hundert der Grundfläche vertvendet,
so ist dieses Mehr, wenn nicht anders vereinbart wird, den
Eigenthümern zu entschädigen. Ausserdem erfolgt Geld-
entschädigung für Baulichkeiten, besondere Benutzungs-
arten, Benachtheiligung der Pächter usw. Zwerggrundstücke
sind auf Wunsch zur Bildung von Baustellen, die in ge-
meinsamen Besitz der Betheiligten übergehen, zusammen-
zulegen, anderenfalls zu enteignen und entweder den
Nachbargrundstücken gegen Vergütung zuzutheilen, oder
in die allgemeine Vertheilung aufzunehmen. Zur Erleich-
terung der Umlegung kann die Kommission Aenderungen
des Bebauungsplanes zwar nicht beschliessen, aber bei
der Gemeinde anregen. Die Kommission beschliesst über
die Frist für die Herstellung der Strassen; diese Frist
darf, wenn der Umlegungsantrag vom Magistrat ausge-
gangen ist, in der Regel 4 Jahre nicht überschreiten. Nach
Ablauf der Frist verliert das aus § 12 des Fluchtlinien-
Gesetzes wegen Unfertigkeit der Strassen abzuleitende
Bauverbot seine Wirksamkeit. Wenn nöthig, sind die
neuen Grundstücke durch vorläufige Wegeverbindungen
zugänglich zu erhalten. Umlegungs -Vereinbarungen der
Eigenthümer unter sich sind von der Kommission nach
Möglichkeit zu berücksichtigen. Die Bestimmungen über
Grunddienstbarkeiten, Hypotheken und sonstige Rechts-
verhältnisse usw. können hier übergangen werden. Die
erwachsenden Unkosten, auch die Kosten des Strassen-
baues, sind unter Berücksichtigung der Frontlängen, In-
halte, Lagen und Bodenwerthe den Eigenthümern inform
von Umlegungs-Beiträgen zur Last zu legen; die Zahlung
ist auf Antrag mit Verzinsung bis zum Verkauf
oder zur Bebauung des Grundstückes zu stunden.
-Ueber den Plan der neuen Grundstücks-Vertheilung,
der Entschädigungen, Zuschüsse, Vergütungen und Um-
legungs-Beiträge hat die Kommission mit den Betheiligten
zu verhandeln, über Abänderungs-Anträge Beschluss zu
fassen, alsdann den Plan mindestens vier Wochen lang offen
zu legen und die neuen Grundstücksgrenzen an Ort
und Stelle anzuweisen. Werden Einwendungen erhoben,
so hat die Kommission deren Erledigung durch Verhandlung
zu versuchen; gelingt die Erledigung nicht, so beschliesst
über die Einwendungen und den ganzen Verth eilungsplan
endgiltig der Bezirksausschuss. Bezüglich der Geldansprüche
steht der Rechtsweg offen ; die Ausführung des Vertheilungs-
planes wird dadurch nicht aufgehalten.
Abweichend vom Regierungs-Entwurfe ist nament-
lich die Bestimmung, dass den Eigenthümern für das über
30 Prozent ihres Besitzes hinaus abzutretende Land Ent-
schädigung gebührt. Da aber in diesem Falle der Um-
legungsantrag der vorherigen Zustimmung des Magistrates
bedarf, so tritt eine erhebliche Erschwerung ein. Schon
hat der Ober-Bürgermeister Dr. Adickes im Herrenhause
erklärt, der Magistrat werde für eine solche Zustimmung
nicht zu haben sein, diese vielmehr abhängig machen von
der unentgeltlichen Abtretung des gesammten Platz- und
Strassenlandes. Der Abgeordnete vonPappenheim-Liebenau
machte in letzter Stunde den Versuch, die Schwierigkeit
dadurch zu mildern, dass er vorschlug, für den Fall der
Beantragung der Umlegung durch die Eigenthümer eine
unentgeltliche Abtretung bis zu 35 Prozent festzusetzen
und das Erforderniss der magistratlichen Zustimmung zu
streichen. Nachdem aber die hierdurch herbeigeführte
ungleiche Abtretungspflicht von mehreren Seiten als nach-
theilig bezeichnet worden war, wurde der Pappenheimsche
Antrag zurückgezogen. Die Wirkung bleibt abzuwarten.
Erfordern die neuen Strassen- und Platzfiächen ausser
den alten Wegen weniger als 30 % des Grundbesitzes, so
kann das Verfahren glatt durchgeführt werden; beträgt
der Prozentsatz mehr, so ist das Zustandekommen des
gütigen Umlegungs-Antrages nur unter besonders zwingen-
den Umständen zu erwarten. Die Gefahr liegt vor, dass
für Theile des Bebauungsplanes, welche keine Plätze ent-
halten und geringe Ansprüche an die Strassenbreiten
machen, das Umlegungsverfahren eingeleitet wird, wäh-
rend Geländetheile mit Plätzen und breiten Strassen un-
geregelt bleiben. Für den Strassenbau und die Kosten-
vertheilung in diesen letzteren Geländetheilen bliebe es
somit bei den Vorschriften des § 15 des Fluchtlinien-Ge-
setzes, d. h. die Gemeinde kann mit „Unternehmern" freie
Verträge schliessen, kann aber auch das Strassen- und
Platzland enteignen, die Strassen ohne Regelung der Grund-
stücksgrenzen hersteilen und die erwachsenden Kosten
bis auf 26 “ Breite den Anliegern zur Last legen, sobald
sie bauen. Der Satz von 30% bildet vielleicht für den
Planleger eine nützliche Mahnung, beim Entwurf der
Strassenbreiten und Platzanlagen sich eine gewisse Be-
schränkung aufzuerlegen, wo es ohne Nachtheil möglich
ist; andererseits aber könnte jener Satz bei einer minder
einsichtigen Gemeindeverwaltung unter Umständen die
Folge haben, Licht und Luft und Verkehrsräume zum
Nachtheil der zukünftigen Bewohner zu beeinträchtigen.
Jedenfalls ist er für manche Umlegungs-Bestrebungen ein
unbequemer Hemmschuh.
Abweichend von der Regierungsvorlage ist auch die
Behandlung der Zwerg-Grundstücke, ohne indessBedenken
hervorzurufen, und ferner die Festsetzung der Strassen-
baufrist. Die Auferlegung dieser Fristbestimmung er-
schwert gleichfalls das Zustandekommen von Umlegungs-
anträgen wegen der Steigerung der gemeindlichen, auf
die Eigenthümer zu vertheilenden Aufwendungen, beför-
dert aber den sozialpolitischen Zweck, zahlreichere Bau-
gelände für den Anbau zu erschliessen, den Markt an
Baustellen zu vermehren und dem Antreiben der Boden-
preise entgegenzuwirken. Bemerkenswerth ist, dass die
in den Umlegungs -Beiträgen enthaltenen Strassen- Her-
stellungskosten nicht nach der einfachen Frontlänge, son-
dern zugleich nach dem Flächeninhalt, der Lage und dem
Werthe der zugewiesenen Grundstücke vertheilt werden
sollen, dass also hier eine zweite sozialpolitische Forde-
rung Berücksichtigung gefunden hat.
m.
In Gemässheit der Schlussbestimmungen kann der
Bezirksausschuss das Verfahren auf Antrag des Magistrates
einstellen, wenn sich herausstellt, dass die Durchführung
des Verfahrens unwirthschaftlich oder für die Gemeinde
mit unverhältnissmässiger Belastung verbunden sein würde.
Während des Verfahrens kann die Baupolizei-Behörde die
Genehmigung zur Errichtung von Bauten auf dem Um- '
legungs-Gelände, insoweit sie die Umlegung erschweren
würden, versagen.
Der Vorschlag der Staatsregierung, das Gesetz solle
durch Königliche Verordnung auf andere Gemeinden über-
tragen werden können, ist ;.,cstrichen worden. Vielleicht
ist diese Streichung, welche anfangs von manchen Seiten
bedauert wurde, als zweckmässig zu begrüssen, nachdem
das Gesetz so erhebliche Aenderungen erfahren hat. In
Frankfurt wird nunmehr voraussichtlich erprobt werden,
welche Bestimmungen des Gesetzes sich bewähren, weiche
nicht. Und eine neue Berathung der gesetzgebenden
Faktoren wird dann hoffentlich in nicht ferner Zeit ein
Umlegungsgesetz in derjenigen Form uns bringen, welche
für die Städte der Monarchie allgemein geeignet ist.
Das jetzige unvollkommene, auch in seiner Fassung
sehr verwickelte Gesetz ist nach unserer Meinung ein
erster, aber wichtiger Schritt auf dem Wege, den Adickes
im Jahre 1893 mit seinem Gesetzes-Vorschlage zur Er-
leichterung der Stadterweiterung und der Wohnungs-Für-
sorge betreten hat. Es ist eine noch unausgereifte Frucht
jahrzehntelanger Bemühungen, an welchen auch der Ver-
band deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine thäti-
gen Antheil genommen hat. Nach der fast einstimmigen
Abweisung der lex Adickes im Abgeordnetenhause im
Jahre 1894 ist die, wenn auch zögernde Annahme des
Grundgedankens der Umlegung im Jahre 1902 ein grosser
Erfolg. Die Erkenntniss und Erfahrung wird zunehmen
und die keineswegs abgeschlossene Gesetzgebung auf dem
Gebiete des Städtebaues wohlthätig beeinflussen. —
J. Stübben.
Vermischtes.
Das neue Dienstwohngebäude für den kommandirenden
General des III. Armeekorps zu Charlottenburg, ein aus Ha up t-
und einem Nebengebäude bestehender Neubau,
liegt an der Hardenbergstrasse auf einem etwa 2500 q“
grossen Gelände. Für die Anordnung der Baulichkeiten
war einerseits der Wunsch massgebend, eine möglichst
grosse zusammenhängende Gartenfläche zu gewinnen,
andererseits kam es darauf an, das Hauptgebäude thun-
lichst von dem Östlichen Nachbargrundstück abzurücken.
402
Die vordere Ansicht des Gebäudes wurde aus diesem Grunde
senkrecht zur Strassenrichtung gestellt. Aus polizeilichen
Vorschriften ergab sich für den Gebäudetheil an der Strasse
ein Rücksprung von 6“- hinter die Strassenflucht; das ge-
wonnene Vorland ist zur Anlage der Auffahrt ausgenutzt
worden. DasHauptgebäude enthält über einemUntergeschoss
von 3,25 Höhe, welches ausser zur Aufnahme der Pförtner-
wohnungWirthschaftszwecken dient, ein 5,0°^ hohes Haupt-
und ein 3,8™ hohes Obergeschoss. Von der Eingangs-
halle gelangt man zunächst in eine durch beide Geschosse
ragende Diele, um welche sich im Erdgeschoss die Ge-
No. 63.
sellschaftsräüme, im Obergeschoss die Wohn- und Schlaf-
räume gruppiren. Durch die in einfachen Formen deut-
scher Renaissance gehaltene Aussen - Architektur ist er-
strebt worden, eine ruhige, malerische Anlage zu schaffen.
Die Architekturtheile sind aus weissgelbem schlesischem
Sandstein, die Flächen in hydraulischem Mörtel geputzt
und mit reinem Weisskalk überfilzt. Die Dachflächen
zeigen deutsche Schiefereindeckung. Die innere Aus-
stattung wurde einfach, aber der Bedeutung des Gebäudes
entsprechend gehalten, Die Decke unter der Treppen-
Galierie in der Diele und die unteren Wandfiächen dieses
Raumes, sowie die Decke des Speisesaales, haben Holztäfe-
lung erhalten. Das gesammte Gebäude wird durch eine
gestellt worden. Die Ausführung erfolgte unter Aufsicht
des Intendantur- und Brths. Rossteuscher durch den
Garnison-Bauinsp. Mecke, mit der örtlichen Bauleitung
war der Reg.-Bmstr., Hausmann, der auch fjei der Aus-
arbeitung des Bauentwurfes mitgewirkt hat, betraut, dem
der Reg. - Bfhr. Lucht beigegeben war. —
Entwurf „Mali hunn’s usw.“ Ein II. Preis. Arch.': F. Berger, Berlin und F. Wilde, Charlottenburg.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Rathhaus in Kassel.
Warmwasserheizung erwärmt; die Beleuchtung ist durch-
weg elektrisch. Das an der Nordgrenze errichtete Stallge-
bäude ist ein Putzbau. Es enthält Stände für 8 Pferde, eine
Remise für 4 Wagen, sowie Räume für die Stabsordonnanz
und zur Unterbringung der Geschirre, ln einem beson-
deren Flügel sind in 2 Obergeschossen Wohnungen für
den Kutscher und einen Diener eingerichtet. Die Ge-
sammtkosten der Anlage betragen rd. 330000 M., für das
Plauptgebäude rd. 250000 M. iqm bebauter Fläche stellt
sich auf rd. 320 M., i cbm umbauten Raumes auf etwa
28 M. Der Entwurf ist in der Bauabtheilung des Kriegs-
ministeriums durch den Geh. Ob.-Brth. Schönhals auf
6. August 1902.
Todtenschau.
Baudirektor Karl von Sauter f. In Stuttgart ist am
28. Juli der Baudirektor Karl von Sauter, Kollegial-Mitglied
der Domänen-Direktion, Ehrenbürger von Freudenstadt
und Ehrenritter des Ordens der württembergischen Krone
im Alter von nur 63 Jahren
gestorben. Mit ihm ist einer
der bedeutendsten der zeit-
genössischen württember-
gischen Architekten dahin-
gegangen. Sauter wurde
am 18. Juni 1839 in Aalen
geboren und machte seine
fachlichen Studien auf der
Baugewerkschule, auf dem
Polytechnikum und auf der
Kunstschule zu Stuttgart.
1857 trat er in das Atelier
von Leins ein, machte
späterhin eine Studienreise
durch Frankreich und Ita-
lien und trat, nachdem er
1871 zum Bauinspektor er-
nannt worden war, 1874 in
das Baubüreau des von
Landauer geleiteten Justiz-
palast-Neubaues in Stuttgart
ein. 1877 wurde er als tech-
nisches Mitglied in
die Domänen-Direk-
tionberufenundstieg
nun bis zum Range
eines Baudirektors
empor, der ihm 1901 ver-
liehen wurde. Zu seinen
Werken gehören u. a. das
evangelische. Schullehrer-
seminar in Nagold, das
ständische Kanzleigebäude
und_ das Realgymnasium,
sowie die Neubauten des
elektrotechnischen Instituts
und des chemischen Labo-
ratoriums der Technischen
Hochschule inStuttgart, das
von 1892 bis 1897 errichtete
neue Justizgebäude in Ulra
usw.; Sauter war auch her-
vorragend betheiligt an den
Neubauten für die land-
wirthschaftliche Akademie
in Hohenheim. Ein beson-
ders von ihm gepflegtes
Gebiet war das des Kirchen-
baues und der Wiederher-
stellung von Kirchen. Die
Gotteshäuser von Sim-
mersfeld, Unterreichen-
bach, Liebenzell, Hörsau
und Freudenstadt sind
seiner kunstreichen
Hand zu verdanken. Für
den gross angelegten Neu-
bau einer Landes-Irrenan-
stalt bei Weinsberg konnte
er noch die Entwürfe fest-
stellen; vor Beginn der Aus-
führungs-Arbeiten aber fiel
er aufs Krankenlager, von
welchem er sich nicht mehr erheben sollte. Am 30. Juli hat
man ihn auf dem Prag-Friedhofe bei Stuttgart zur ewigen
Ruhe bestattet. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Kreishaus Kolberg. Unter 40 Entwürfen
fand das Preisgericht keinen, der des I. Preises würdig
gewesen wäre; es wurde daher von dem dem Preisge-
richte programmgemäss zustehenden Rechte Gebrauch
gemacht und die Summe sämmtlicher Preise in zwei
II. Preise von je 1000 und zwei III. Preise von je 500 M.
getheilt. Einen Preis von je 1000 M. erhielten der Ent-
■Wurf des Hrn. Ludw. Becker in Berlin, welcher letztere
mit einem ungenannten Verfasser zusammen arbeitete, so-
wie der Entwurf der Hrn. J. Gartzen in Köln a. Rh. und
J. Neiander in Leipzig. Je ein IIL Preis fiel der gemein-
samen Arbeit der Hrn. G. Milde in Berlin und F. Beyer
in Charlottenburg, sowie dem Entwurf des Hrn. P. Baum-
garten in Berlin zu. Die Bedingungen des Preisaus-
schreibens enthielten den Satz: „Die künstlerische Leitung
des Baues soll einem der Bewerber übertragen werden.“
Wir nehmen an, dass damit ein Preisträger gemeint ist und
geben der Hoffnung Raum, dass diese Bedingung durch
die veränderte Preisvertheilung nicht berührt wird. —
In der Preisbewerbung für ein Stiftsgebäude nebst
Küchen- und Gärtnerhaus der Elly Hölterhoff-Böcking-
Stiftung in Honnef wurden 64 Entwürfe eingereicht, von
denen 14 zur engeren und 5 zur engsten Wahl gestellt
wurden. Den I. Preis erhielt der Entwurf „Letzte Rose“
von Hrn. Arch. Gust. Jänicke in Schöneberg-Berlin; den
II. Preis der Entwurf „Quod bonum usw.“ von Hrn. Arch.
Const. Wille in Köln; den III. Preis der Entwurf
„Friede“ der Hrn. Ernst Rang und Arnold Silbers-
dorf in Schöneberg-Berlin. Der Entwurf „Elly“ des
Hrn. Joh. S eiff ert in Köln wurde angekauft. Der fünfte
Entwurf der engsten Wahl hatte das Kennwort „Ehre dem
Stifter“. Die übrigen Entwürfe der engeren Wahl waren
„Für Rheinlands Nizza“ — „Deutsch“ — „Trautes Heim“
~ „A bissei sähr ville Arbeet“ — „Am Siebengebirge“
— „Nord- und Süd-Veranda“ — „Rhein“ — „Am Rhein“
— „Kleeblatt“. Sämmtliche Entwürfe werden vom 13. bis
20. August d. J. in der Universitäts-Aula öffentlich ausge-
stellt. Das Ergebniss der Preisbewerbung ist sehr be-
friedigend, da die in den prämiirten Entwürfen niederge-
legten Lösungen die Testaments-Bestimmung des Stifters
der Ausführung näher gebracht haben. Die zur Verfügung
gestellt gewesene hohe Bausumme scheint für viele
eine gefährliche Klippe gewesen zu sein, indem hier-
durch verleitet, nicht nur höchst luxuriöse Bauentwürfe,
sondern auch Bauanlagen zu Papier gebracht wurden,
die weit eher Fürstenschlösser, Klostergebäude, Rath-
häuser, Hotels an der See oder in den Bergen und ähn-
liches mehr darstellten, als ein Stiftshaus, welches, „ohne
luxuriös zu sein, doch seiner äusseren und inneren Ein-
richtung nach eine den besseren Ständen angemessene
behagliche Wohnung“ gewährt. In der Beschränkung
offenbarten sich Jnanche tüchtige Meister. Die Darstellung
der Entwürfe war meist mit grosser Sorgfalt und Meister-
schaft durchgeführt. —
Einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
einen Bismarckthurm auf der Bornaer Höhe bei Chemnitz
erlässt der Bismarckverein in Chemnitz mit Frist zum
30. Sept. d. J. Es gelangen 3 Preise von 500, 300 und
200 M. zur Vertheilung. Dem Preisgerichte gehören als
Fachleute an die Hrn. Brth. Canzler, Brth. Gottschaidt
und Stdtbrth. Möbius, sämmtlich in Chemnitz. Unter-
lagen durch den Vereinsvorstand. —
Bücherschau.
Neubauten der Stadt Berlin. Gesammtansichten und Ein-
zelheiten nach den mit Maassen versehenen Original-
Zeichnungen der Fassaden und der Innenräume, so-
wie Naturaufnahmen derbemerkenswerthestenTheile
der seit dem Jahre 1897 in Berlin errichteten städti-
schen Bauten. Mit beschreibendem Text von Stadt-
baurath Ludwig Hoffroann. — Verlag von Bruno
Hessling, Berlin SW.
Mit der vorstehend genannten Veröffentlichung, die
aus zwanglosen Bänden von je 12—16 Seiten Text und
50 Tafeln (Format 40:52^“) zum Preise von 36 M. be-
stehen soll, ist beabsichtigt, die bemerkenswerthesten der
seit dem Dienstantritt des Stadibaurathes Ludwig Hoff-
mann geschaffenen oder noch zu schaffenden städtischen
Bauten nach dem Zeitpunkte ihrer Vollendung vorzuführen.
Die Berechtigung hierzu liegt in erster Linie in dem hohen
künstlerischen Gehalte, durch welchen die Bauten sich
auszeichnen. Diesem künstlerischen Gehahe entsprechend
ist die Veröffentlichung nach dem uns vorliegenden Probe-
bogen in der Form eines vornehmen Prachtwerkes ge-
dacht. Wir sehen mit grösstem Interesse dem Erscheinen
des ersten Bandes entgegen. —
Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14. vollständig neube-
arbeitete Auflage. Neue revid. Jubiläums-Ausgabe.
F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin, Wien 1902.
VII. Bd. Frankstadt— Gleyre mit 57 Tafeln, darunter
IO Chromotafeln, 7 Karten und Plänen, 324 Text-
abbildungen. 1040 S. Text.
Der VII. Band steht an Reichhaltigkeit hinter den frühe-
ren nicht zurück. Unter den Artikeln technischen und künst-
lerischen Inhaltes sind hervorzuheben: Französische Eisen-
404
bahnen, die allerdings nur vom historischen und statistischen
Standpunkte, nicht nach ihrer technischenAnlage besprochen
werden, französische Kunst, Funken-Telegraphie, Gas-Be-
leuchtung, Gasmotoren usw., Geschoss und Geschütz mit
besonders reichem Abbildungs- Material, Gesteins-Bohr-
maschinen, Glas und Glasfabrikation, Glasmalerei usw*
Unter den Namen bedeutender Techniker fällt derjenige
von Franzius in Bremen auf, dessen Bedeutung für die
Entwicklung des Bremer Seehafens im besonderen und
der deutschen Wasserbaukunst im allgemeinen vielleicht
noch etwas schärfer hätte zum Ausdruck gebracht werden
können. Unter dem Abbildungs-Material treten namentlich
die Tafeln naturwissenschaftlichen Inhaltes vortheilhaft her-
vor. Am schlechtesten kommen Kunst und Architektur da-
bei fort. Die bezüglichen Abbildungen stehen zwar durch-
weg auf der Höhe gleichartiger Werke, hier wäre aber
doch noch Besseres anzustreben. Jedenfalls aber sind die
Beispiele zweckentsprechend ausgewählt und bis in die
neueste Zeit hinein verfolgt. So finden wir z. B. unter
französischer Bildhauerkunst auch das wunderbar stim-
mungsvolle Monument der Todten auf dem Kirchhofe
Pöre-Lachaise in Paris von A. Bartholome, das erst 1900
dort Aufstellung fand und wohl bei jedem Besucher der
interessanten Begräbnisstätte einen nachhaltigen Eindruck
gemacht haben wird. —
Bel der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten:
Mattem, E., Reg.-Bmstr. Der Thalsperrenbau und die
deutsche Wasserwirthschaft. Eine technische
und wirthschaftliche Studie über die Frage der Niedrig-
wasservermehrung der Ströme aus gemeinsamen Sammel-
becken für Hocbwasserschutz, Kraftgewinnung, landwirth-
schaftliche Bewässerung und Schiffahrtszwecke. Berlin 1902.
Polytechnische Buchhdig. A. Seydel. Pr. 3,75 M.
Mende, Alfred. Berlin und seine Vororte, umfassend
430 qkm , im Maasstabe i: 23,500 in 8 Farben aus-
geführt, wodurch jeder Vorort sich von seinem Nachbarort
scharf abhebt; enthält alle Strassenbahnlinien und die Grenze
der Nachbar-Postorte (5 Pf.-Taxe). Berlin 1902. Selbstverlag.
Pr. 3 M.
Neumeister, A., Prof. Deutsche Konkurrenzen. XIII. Bd.,
Heft II, No. 155: Töchterschule für Regensburg; Heft 12,
No. 156: Beamtenwohnhäuser für Hannover; XIV. Bd., Heft 3,
No. 159; Katholische Kirche für Bonn und evang. Kirche für
Frankfurt a. M. Leipzig 1902. Seemann & Co. Pr. des Heftes
1,80 M.; für den Bd. (12 Hefte mit Beiblatt) 15 M.
Piper, Otto. Die angebliche Wiederherstellung der
Hohkönigsburg. München 1902. Carl Haushalter.
Pr. 1,50 M.
V. Rohrscheidt, Kurt, Reg.-Rath. Gewerbe-Archiv für
das Deutsche Reich. Sammlung der zur Reichsge-
wej be-Ordnung ergehenden Abänderungs-Gesetze und Aus-
führungs-Bestimmungen, der gerichtlichen und verwallüngs-
gericiitlichen Entscheidungen der Gerichtshöfe des Reiches
und der Bundesstaaten, sowie der wichtigsten, namentlich
interpretatorischen Erlasse und Verfügungen der Zentralbe-
hörden. 1. Bd. 3. Heft. Berlin 1902. Franz Vahlen. Pr.
d. Bd. (4 Hefte) 12 M.
Ross, B., Prof. Einführung in das technische Zeichnen
für Architekten, Bauingenieure und Bautechniker, Entwick-
lung der wichtigsten Methoden zeichnerischer Darstellung
angewandt auf technische Gegenstände nebst Erörterungen
über die hierbei zur Verwendung kommenden Materialien.
Wiesbaden 1902. C. W. Kreidel’s Verlag. Pr. 12,60 M.
Schmohl & Stähelin, Arch. Moderne Bauschreiner-
Arbeiten. Neue Vorlagen für die Praxis des Bautischlers
mit Grundrissen, Schnitten und detailliiten Querschnitten.
Liefrg. 2, 3 und 4. Ravensburg 1902. Otto Maier. Pr. d.
Liefrg. (vollst. in 12 Liefrg.) 2 M.
Personal-Nachrichten.
Baden. Versetzt sind: Der Reg.-Bmstr. Müller in Basel
nach Freiburg, der Bahnbauinsp. Brentano in Villingen nach
Basel, der Eisenb.-Ing. Riegl er in Waldshut nach Villingen und
der Reg.-Bmstr. Schlössinger in Freiburg nach Waldshut.
Preussen. Zu Reg.-Bmstrn. sind ernannt: die Reg.-Bfhr. Franz
Josef Winkclmann aus Recklinghausen, Richard Kohnke
aus Bütow, Otto Keindorff aus Ebendo.rf, Georg Klinne
aus Berlin (Eisenbfeb.) ; — Otto Vollmar aus Köln und Gustav
Hangarter aus Haspe (Masebbfeh.).
Den Reg.-Bmstni. Richard Rothacker in Bruchsal und
Theodor Hamacher in Berlin ist die nachgesuchte Entlassg. aus
dem Dienste der allgem. Bauverwltg. und den Reg.-Bmstrn, Nathan
Broniatowski in Berlin, Karl Henneking in Elberfeld und
Abraham Uli mann die aus dem Staatsdienste ertheilt worden.
Sachsen. Ernannt sind zu etatsmäss. Reg.-Bmstrn. : die Reg.-
Bfhr. Buddeberg bei der Bauleitung des Ständehaus-Neubaues
in Dresden unter Belassg. bei dieser Bauleifg., Z eitler und
Z ü r b i g , bisher bei der Bauleitg. des Ministerialgeb. in Dresden-
Neustadt, unter Versetzg. zu den Landbauämtern Dresden i und
Dresden 2. —
Inhalt: Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Bau
eines neuen Ratlihauses in Kassel. — Das Umlegungsgesetz für Frankfurt
a. M. — Vermischtes. — Todtenschau. — Preisbewerbungen. — Bücher-
schau. — Personal-Nachrichten.
Verlag der Deutschen Eauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. .63,
AUZEITUNG.
GANG. * * NO- 64. ^
DEN g. AUG. IQ02.
Entwurf mit dem Kennwort: .Roland", Ein IV. Preis. Architekten; Karst & Fanghänel in Kassel.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Bau eines neuen
Rathhauses in Kassel.
^Schluss.) Hierzu eine BildbeHage und die Abbildungen 5. 407, 408 und 409.
Hiit der Walil des Stiles hing die Frage der
j Eingliederung eines Thurmes in die Bau*
I gruppe auf das engste zusammen. DieUeber-
I lieferungen des deutschen Rathhauses bis
' zur Barockzeit wollen meist auf einen macht-
voll aufstrebenden Thurmbau für das neben demGottes-
hause das Stadtbild beherrschende Rathhaus nicht
verzichten. Dieser Ueberlieferung haben sich denn
auch fast alle die Bewerber unterworfen, welche für
ihre Entwürfe den mittelalterlichen Stil oder die For-
men der deutschen Renaissance wählten. Sie haben
einen in seinen Verhältnissen der Ausdehnung der
Baugruppe angepassten Thurm entweder in der Mitte
der Hauptfassade, oder etwas aus der Mittelaxe ver-
schoben, oder an einem Endpunkte der Hauptfassade
oder auch an einer Seitenfassade angeordnet. In
einzelnenEntwürfen ist auch der Versuch unternommen,
durch die Anlage von zwei Thürmen das Bild des
zukünftigen Rathhauses von Kassel anziehend zu ge-
stalten. Der Versuch ist theils geglückt, theils miss-
glückt, je nachdem die Verfasser es verstanden haben, i
die Thürme an einer gut gewählten Stelle anzuordnen
und sie in ihrer Massenentwicklung so zu beherrschen,
dass sie die übrigen Bautheile nicht schlugen.
Interessant war es zu beobachten, welche Kämpfe
die Verfasser durchkämpften, die für ihre Entwürfe
die Formen der späten Renaissance, des Barockstiles,
gewählt hatten. Manche, wie die Verfasser des einen
der mit einem II. Preise ausgezeichneten Entwurfes
(s. Nr. 63), welche unbefangen Elemente deutscher
Renaissance mit denen des Barock miscliten, haben
ebenso unbefangen einen traditionellen Thurm in das
Architektiu-bild eingefügt. Andere haben geglaubt, in
der vermittelnden Form des Kuppelthurmes einen
Ausweg zu finden aus dem Gegensatz zwischen dem
Rathhaus als mittelalterlichem Thurmbau und zwischen
dem schlichten, höchstens durch einen Dachreiter aus-
gezeichneten städtischen Verwaltungs-Gebäude der Ba-
rockzeit, das in seiner Grundanlage auf den italienischen
Palastbau zurückgeht. Wieder andere haben nicht
.eigentliche Thurmbauten entworfen, sondern sich da-
mit begnügt, der Fassade an entsprechenden Stellen
405
kuppelthurraartige Aufsätze zu geben. Mit zu den her-
vorragendsten künstlerischen Lösungen gehören die
Entwürfe, welche auf jede Auszeichnung durch Thürme,
seien sie nun zu hochragender Entwicklung getrieben
oder seien sie nur auf Andeutungen von Thürraen
beschränkt, verzichtet haben und für das Rathhaus
das Vorbild des in Frankreich umgebildeten und mit
deutschen Elementen versetzten italienischen Palast-
baues der Barockzeit wählten. Namentlich der mit
dem I. Preise ausgezeichnete Entwurf scheint seinen
berechtigten Erfolg neben der guten Anlage des Grund-
risses als Gesammtorganismus hauptsächlich der un-
gemein glücklichen stilistischen Haltung des Aeusse-
ren zu verdanken. Das ist das Rathhaus für die
Fürstenresidenz Kassel, die in der Barockperiode eine
Glanzzeit durchgeraacht hat, welche der Stadt heute
noch ihre Bedeutung verleiht. Das Gutachten des
Preisgerichtes erklärt die Grundrissanordnung zwar als
etwas akademisch und nicht ganz einwandfrei, in-
dessen Anlagen, wie sie der genius loci für Kassel
fordert, werden leicht etwas akademisches annehmen
und es ist ja mit diesem Worte keineswegs auch
immer ein Tadel verbunden. Jedenfalls sind die Ein-
wände gegen den Grundriss nicht solcher Art, dass
eine Berücksichtigung derselben bei einer neuen Be-
arbeitung das organische Gefüge der Anlage, ihren
schönen Grundgedanken, störte. Mit den höchsten
Ausdrücken rühmt das Gutachten mitRecht die Aussen-
gestaltung. „Der maassvolle architektonische Aufbau
verdient alles Lob. Durch mehrfache Vor- und Zu-
rücksprünge derBaumassenist eine herrliche Gruppirung
erzielt, die in dem zurückgeschobenen, bedeutungsvoll
charakterisirten Mitteltrakt mit vorgelagerterFreitreppe
ihrenGlanzpunkterhält(sieheBeilage). Obwohlzugestan |
den werden muss, dass der Grundriss nicht allenthalberi
einwandfrei ist, so überwiegt doch in der vorliegenden
Arbeit die Schönheit der Aussenarchitektur die aller
anderen Konkurrenzarbeiten in so hohem Maasse, dass
dem Entwurf eine hohe Stelle eingeräumt werden
muss.“ Die Berichterstattung kann sich diesem leb-
haften Urtheile nur in vollem Maasse anschliessen. In
dem Entwürfe des Hrn. Karl Roth ist ein Werk ge-
schaffen, welches sich nicht nur in glücklichster Weise
weit von der bereits stark abflachenden Rathhaus-
schablone entfernt, sondern welches auch für Kassel
„das“ Rathhaus ist, welches sich in das Bild dieser herr-
lichen Stadt harmonisch einfügt und ihrer grossen bau
liehen Vergangenheit in der Gegenwart eine ruhmvolle
Fortsetzung verleiht. Im Preisausschreiben war erklärt,
es bestehe die Absicht, einen der Preisträger mit der künst-
lerischen Bearbeitung der Ausführungs-Entwürfe zu be-
trauen. Da die Stadt vor kurzem mit einem Preisträger
in dem Wettbewerb betr. die Murhardt-Bibliothek ein
ähnliches Uebereinkommen abgeschlossen hat, so darf
man der Zuversicht Raum geben, dass auch in diesem
Falle ein Abkommen mit einem Preisträger getroffen und
dass dieser Preisträger Plr. Karl Roth in Darmstadt sein
werde. Es geschähe nur zum Ruhme der Stadt!
An dem mit einem II. Preise ausgezeichneten Ent-
wurf „Mäh hunns usw.“(No. 63) rühmt das Gutachten die
Grundrissanlage, die Erweiterung lasse sich organisch an-
gliederii; der Entwurf sei eine gut durchdachte, reife
Arbeit. ,,Dass die beherrschende Baumasse des Hauses
mit den Sitzungs- und Festsälen auf die höchste Stelle
des Bauplatzes unter Verwendung eines Theiles des
vorderen Messplatzes verlegt wurde und dadurch die
Front an der oberen Königsstrasse in einem Zuge
fertiggestelit werden kann, ist als ein glücklicher Griff
zu bezeichnen“. Zu dem mit dem anderen II. Preise
ausgezeichneten Entwurf „Giebel“ (S. 408) bemerkt das
Gutachten u. a.: „Sowohl Grundriss als Aufbau dieses
vortrefflichen gothischen Entwurfes sind von über-
raschender Klarheit und grossartiger Einfachheit. Der
Verfasser verzichtet auf den nicht mehr ungewöhnliche^
Rathhausthurra und bekrönt dagegen das von fünf
Giebeln eingefasste Satteldach seines Mittelbaues mit
einem prächtigen Dachreiter“.
Zu dem mit einem III. Preise ausgezeichneten Ent-
wurf ,, Waldmeister“ (S. 396 und 397) s'ägt das Gutachten:
,, Unter der grossen Zahl der vorliegenden Arbeiten steht
der Verfasser dieses Projektes, was seine Aussen-Archi-
tektur anbetrifft, ganz ausserordentlich auf eigenen
Füssen. Seine Hauptfassade ist eine durchaus selb-
ständige Leistung, die es verschmäht, den ausge-
tretenen Weg mancher schon oft bei Rathhaus-Kon-
kurrenzen verwendeter landläufiger Motive zu gehen“.
Der sehr poetische, mit dem anderen III. Preise aus-
gpeichnete Entwurf „Volkslied“ (S. 394 und 397) findet
die Anerkennung des Preisgerichtes mit den folgenden
Worten: „In sehr eigenartiger Weise hat der Verfasser
die Ausbauten des malerisch gestalteten Baukörpers in
verschiedenen Dachformen abzuschliessen gewusst.
Es verdient der feine künstlerische Sinn, mit welchem
die Aufgabe nach dieser Seite hin gelöst worden ist,
vollste Anerkennung, obwohl man im Zweifel sein
könnte, ob der Entwurf für die Residenzstadt Kassel
gerade wegen seiner Hinneigung zum alten ländlichen
Bauwesen geeignet ist“.
Ueber den Grundriss des mit einem IV. Preise
ausgezeichneten Entwurfs „Roland“ urtheilt das Gut-
achten, er sei zweckmässig, ohne besonders grossartig
zu sein. „Die Fassaden (S. 405) sind von hohem künst-
lerischem Reize und bringen den Charakter eines
deutschen Rathhauses gut zum Ausdruck“. An dem
anderen mit einem IV, Preise gekrönten Entwurf ,,Nur
ein Mal blüht im Jahr der Mai“ (siehe Beilage) rühmt
das Gutachten die in allen Geschossen wiederkehrende
grosse Halle; ,,auf die praktische Nutzbarkeit und Schön-
heit eines solchen der Allgemeinheit dienenden Innen-
raumes wird ausdrücklich hingewiesen. — — Die
Fassaden sind von charakteristischer Erscheinung und
grosser Schönheit, Der malerische Reiz derselben
wird durch die den Dachgiebeln zutheil gewordene
Ausbildung und durch die richtige Anlage einer offenen
Halle an der tiefsten Stelle des Baulandes mit einem
offenen Balkon darüber noch erhöht“.
^ I In der engeren Wahl befanden sich noch die Ent-
würfe ,,Klar und wahr“ (S. 408, Verf. Dr. ing. E.
VetterieininDarmstadt), getheilter Doppelkreis, „Fest
und unbeweglich“, „Alt-Cassel“, Kleeblatt, „Kurz und
bündig“, „Mai 1902“, „Nach der Grossväter Weise“,
„Frühling“ und „Segen sei der Mühe Preis“, welche
gleichfalls theilweise lebhafte Anerkennung fanden.
Wir geben im Bilde noch einige andere Entwürfe
wieder, weil sie uns in künstlerischer Hinsicht eine
solche Hervoi'hebung zu verdienen scheinen.
Alles in allem ist der Wettbewerb ein sehr werth-
voller, was auch das Preisgericht anerkannt hat, indem
es ausführte, es sei „eine grosse Anzahl von Entwürfen
eingeliefert worden, die künstlerisch auf einer hohen
Stufe stehen und praktisch von bedeutendem Werthe
sind“. Diese Werthschätzung des Wettbewerbes kommt
auch in der Art der Ausstellung der Entwürfe zum Aus-
druck, welche eine der sorgfältigsten ist, welcher wir
bisher begegnet sind. Die gleiche Sorgfalt durchzieht
somit die Vorarbeiten wie die Schlussarbeiten. Möge
diese Sorgfalt und das in ihrem Gefolge gehende
Glück auch den endgiltigen Entschliessungen der
Stadtvertretung zurseite stehen; für diese hat der reiche
Wettbewerb deutliche Hinweise gegeben, —
Vertiefung des Fahrwassers der Unterelbe.
p|^lm 14. Mai d. J. hat die Hamburger Bürgerschaft Beigabe von Plänen beschriebenen Korrektions-Arbeiten
einen Antrag des Senates betreffend die Vertiefung der Unterelbe zwischen Hamburg und Nienstedten,
des Fahrwassers der Unterelbe auf der Strecke von Die mit einem Kostenaufwande von über 8 Mill. M.
Neuraühlen bis Lühersand einstimmig angenommen und in den letzten Jahren ausgeführte Korrektion zwischen
hierfür einen Geldbetrag von zusammen 6500000 M. be- Hamburg und Nienstedten hat den gehegten Erwartungen
willigt; Diese in Aussicht -genommenen Arbeiten werden vollkommen entsprochen, indem durch dieselbe die seit
eine Fortsetzung sein von den S. 630 Jhrg. 1899 unter vielen. Jahren der Schiffahrt äusserst gefährlichen Un-
406 . No. 64.
tiefen auf dieser Strecke voll-
ständigbeseitigt sind. Aber schon
bei Abschluss des Vertrages zwi-
schen Preussen und Hamburg
über jene Arbeiten, wurden Be-
stimmungen über technische,
wirthschaftliche und geschäft-
liche Vorbedingungen einer spä-
ter vorzunehraenden durchgrei-
fenden Verbesserung der Strom-
und Schiffahrts-Verhältnisse der
gesummten Unterelbe aufgenom-
men, welche durch die Hambur-
ger Strombau-Verwaltung aus-
Entwurf mit dem Kennworte:
„Es muss doch Frühling werden".
Architekt: Johann Roth in Kassel.
(In engerer Wahl.)
Der Wettbewerb zur Erlangung
von Entwürfen für
ein neues Rathhaus ln Kassel.
aber ausserordentlich umfangreiche und eingehende Vor-
arbeiten erforderlich, weil hierbei nicht allein die Inter-
essen der Seeschiffahrtstreibenden, sondern auch die-
jenigen des Landwirthschaftsbetriebes der Anlieger des
Hauptstromes und der in dem Fluthgebiete liegenden
Nebenströme und diejenigen der Kleinschiffahrt berührt
werden. Während z. B. das Interesse der ersteren eine
möglichst grosse Fluthentwickelung und ein weites Vor-
dringen der Fluthwelle stromaufwärts behufs Vertiefung
und Tiefhaltung der Schiffahrtsrinne erheischt, kann die
Erhöhung des Wasserspie^ls für die Landwirthschaft
eine Schädigung bedeuten. Es müssen also, um allen ein-
schlägigen Interessen gerecht zu werden, in allererster
Linie die Herstellung verschiedener Stromkarten, genaue
Profilaufnahmen der Elbe und der Nebenflüsse im Fluth-
gebiete, ferner längere genaue Beobachtungen der Pegel-
stände, des Salzgehaltes des Wassers und dergleichen
mehr vorgenommen werden, bevor zu der Ausarbeitung
eines eigentlichen Entwurfes vorgeschritten werden kann.
Diese nothwendigen Vorarbeiten zur Feststellung eines
Arbeitsplanes hat nun der Ausschuss, dessen geschäftliche
Leitung in den Händen der Hamburger Wasserbau-Tech-
niker hegt, soweit gefördert, dass ein genereller Ent-
Entwurl mit dem Kennwort: „Roland". Ein IV. Pr.
Architekten: Karst & Fanghänel in Kassel.
gearbeitet und von einem Ausschuss aus preussischen und
hamburgischen Beamten und Wasserbau-TechnUcern fest-
gestellt werden sollten.
Für eine solche planmässige, durchgreifende Ver-
besserung des Fahrwassers auf der ganzen Unterelbe sind
Wurf für die Kor-
rektion der Un-
terelbe zur Vor-
lage gelangen
konnte, in wel-
chem in ange-
näherter Weise
die Korrekiions-
Unien,dieSlrom-
bauwerke, die
Fluth - Becken
usw. in ihrer all-
gemeinen An-
ordnung darge-
sieht sind. Da
jedoch bis zur
Feststellung, zur
Annahme und
Verwirklichung
eines auf diesem
Vorentwurf auf-
gebauten endgil-
ligen Entwurfes
noch Jahre ver-
gehen können,
die See-Schiff-
fahrts - Verhält-
nisse aber nach
einer baldigen
Verbesserung
d es F ahr wass ers
mehr und mehr
drängen, wenn
Hamburg nicht
seine Stellung als ein Seehafenplatz ersten Ranges ver-
lieren soll, so lag die Frage nahe, ob nicht an der für
die Schiffahrt ungünstigsten Stelle schon jetzt
Verbesserungen angestrebt werden können,
welche unbeschadet der Linienführung des künftigen end-
9. August 1902.
407
Hi'tiini r
Entwurf mit dem Kennwort: „Giebel“.
Ein II. Preis.
Architekt; J. Kröger, unter Mitarbeit
von jQrgensen und Bachmann in
Wilmersdorf bei Berlin.
Der Wettbewerb zur Erlangung
von Entwürfen für ein neues Rathbaus
in Kassel.
1. OBERGESCHOSS.
. ,10 20 3|0m
irlirx
Xl 'V
„L.
■J
Entwurf mit dem Kennwort; „Klar und wahr“.
Arclütekt: Dr. ing. E. Vetterlein in Darmstadt. (In engster Wahl.)
gütigen Entwurfes und im
Rahmen des generellen
Vor - Entwurfes vorzuneh-
men sind.
Eine genaue Prüfung der
einschlägigen Verhältnisse
hat nun zu der Ansicht ge-
führt, dass man mit Hilfe
der heut zutage bedeutend
verbesserten maschinellen
Baggerapparate im Stande
sein wird, das Fahrwasser
durch eine verstärkte
Baggerung noch be-
deutendzuverbessern.
Diese Ansicht stützte sich
einmal auf die in anderen
Ländern und dann auch
auf die an der Elbe selbst
gemachten Erfahrungen. So
wurde die grosse Mersey-
Barre vor Liverpool von
1890—1894 nur durch mäch-
tige Baggerung und ohne
Anwendung von Stromleit-
werken um 2,3 “ und in
weiteren Jahren bis 1900
um mehr als 4 “ vertieft.
Aehnliche Ergebnisse sind
im Mississippi in Nordame-
rika und in der Wolga in
Russland erzielt worden.
Auch an der Unterelbe sind
lediglich durch Baggerung
erfolgreiche Vertiefungen
des Fahrwassers erreicht.
Während 1845 vor Blan-
kenese bei gewöhnlichem
H.-W. durch Baggerung
eine kleinste Tiefe von 4,3“
und im Jahre 1872 eine
solche von 5,15“ vorhan-
den war, hat sich dieselbe
durch weiter fortgesetzte
Baggerung allmählich so
weit vergrössert, dass jetzt
bei gewöhnlichem H.-W.
eine Wassertiefe von 8 “>
der Seeschiffahrt zur Ver-
fügung steht. Und weil fer-
ner auf einzelnen Strecken
der Unterelbe, wie 2. B.
vor Nienstedten die in An-
lass der Beseitigung eines
dort vorhandenen Steinrif-
fes ausgeführte umfassen-
de Austiefung sich schon
jetzt, ohne besondere Nach-
hilfe, nicht allein gehalten,
sondern sogar vergrössert
hat, so ist bei den Techni-
kern die Ueberzeugung be-
festigt worden, dass es sich
unter Berücksichtigung der
örtlichen Verhältnisse und
des natürlichen Stromlaufes
durch energisches Baggern
ermöglichen lassen wird,
die zwischen Neumühlen
und Lühersand noch vor-
handenen, die Seeschiffahrt
jetzt sehr behinderndenUn-
tiefen zu beseitigen und
hier auch eine Fahrrinne
von 200“ Breite und eine
Fahrwassertiefe von 10 “
unter mittlerem H. W. her-
zustellen und sie auch ohne
wesentlich höhere Kosten
als jetzt erforderlich dau-
ernd zu erhalten.
Um aber einmal das in
einer Konkave liegende
nördliche Ufer nach er-
folgter Austiefung vor wei-
terem Abbruch zu schützen
und um dem vertieften
Stromstrich andererseits
nicht Wasser zu entziehen,
No. 64.
408
wird es aach nöthig sein, hier aaf der ganzen
Strecke des rechten Elbufers also zwischen
den Oertern Mühlenberg oberhalb und Witten-
berge unterhalb Blankenese, mit Stromleit-
werken zu versehen. Diese jetzt neu herzu-
stellenden Leitwerke entsprechen den Linien
des generellen Vorentwurfes und würden
jedenfalls bei Ausführung des endgiltigen
Korrektionsplanes zum Schutze des rechten
Ufers erforderlich sein.
Da die sämmtlichen vorzunehmenden
Arbeiten auf preussisches Gebiet entfallen,
so sind die Entwürfe hierfür von dem Aus-
schüsse beider Landesbehörden geprüft und
genehmigt worden. Es ist ferner zwischen
Preussen und Hamburg ein Vertrag abge-
schlossen worden, dahingehend, dass zum
Uferschutze an der Südseite gegebenenfalls
erforderlich werdende Parallelwerke, sowie
dass zur lokalen Schiffahrt erforderlich wer-
dende Baggerungen dann ebenfalls von Ham-
burg ausgeführt werden sollen,
Der Bauplan der jetzt vorzunehmenden
Arbeiten ist so aufgestellt, dass in dem ersten
Baujahre die eben besprochenen Leitwerke
am rechten Elbufer hergestellt werden und
die erforderlichen Bagger-Apparate, welche
anzuschaffen sind. Im 2. Baujahre soll dann
die Austiefung der einen Seite und im 3. Bau-
jahre die Ausbaggerung der anderen Seite
des Stromstriches folgen.
Um nun diese bedeutenden Baggerar-
beiten voa etwa 5 Mill. cbm Boden ausführen
zu können, sind zwei neue Bagger von je
300 cbm stündlicher Leistung mit einer Greif-
tiefe von II — 12®, 2 Pumpenbagger von glei-
cher Leistungsfähigkeit und ferner 18 Bagger-
schuten von je 150 cbm Fassungsraum neu zu
beschaffen. — Ein für den stetigen und
raschen Baggerbetrieb günstig gelegener
Entwurf mit dem Kennwort: „Guilielmus von Nassauen”.
(In engerer Wahl.)
Architekt: Alfred Meyer
in Charlottenburg.
Entwurf mit dem Kennwort:
.Hessenland*. Architekt: Regierungs-Baumeister H. Hausmann
in Berlin.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Rathhaus ln Kassel.
9. August 1902.
409
Löschplatz ist in der dem preuss. Fiskus gehörenden und
ungefähr 166^^ umfassenden Elbinsel Hahnöfersand ge-
funden worden, dessen Verkauf an Hamburg für den
Preis von 250000 M. die beiderseitige Genehmigung der
betr. Landesbehörden erhalten hat.
Die, wie eingangs erwähnt, nunmehr von den Ham-
burger Behörden bewilligten Baugelder von 6500000 M
vertheilen sich folgendermaassen:
für Beschaffung der Bagger- und Lösch-
geräthe 2326000 M.,
II Ba-gger- und Löscharbeiten .... 2640000 „
„ Herstellung der erforderlichen Korrek-
tionswerke 760 000 „
„ Ankauf der Insel Hahnöfersand . . 250 000 „
„ Insgemein und Unvorhergesehenes . 574000 „
Nach Fertigstellung dieser gesammten Arbeiten werden
mit Rücksicht auf noch vorhandene anderweitige Untiefen
bei gewöhnlichem Hochwasser immerhin Dampfer mit
einem Tiefgänge von reichlich 9 ohne leichtern zu müssen,
nach Hamburg aufwärts fahren können, was für die I-Iam-
burger Seeschiffahrt von um so grösserem Nutzen sein
wird, als die Anforderungen an das Fahrwasser durch den
in den letzten 10 Jahren so mächtig vergrösserten Tief-
gang der Seeschiffe in einem kaum vorausgesehenen Maasse
gestiegen sind und weil man in den englischen Hafen, wie
London und Liverpool, auch schon begonnen hat, neue
Dockhäfen mit einer Wassertiefe von ao“ zu erbauen.
Um aber die Kosten dieser Verbesserung des Fahr-
wassers möglichst zu verzinsen und zu amortisiren, soll
später nach Fertigstellung dieser Arbeiten die Frage er-
örtert werden, ob und nach welchen Grundsätzen die Er-
hebung einer Schiffahrts- Abgabe einzuführen sein würde. —
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902.
V. Die Architektur-Ausstellung.
■ it einem Gefühl der Genugthuung ist zu bemerken,
dass in der'allgemeinen Werthschätzung der Bau-
kunst gegen früher ein Fortschritt eingetreten ist
und dass in den grossen Kunstausstellungen neben der
Malerei und Bildhauerei auch den Leistungen der Archi-
tektur ein gebührender Raum zugewiesen zu werden pflegt.
Es kam leider früher viel zu oft vor, dass der strengen
Führerin aller bildenden Künste schliesslich nur kleinere ab-
seits gelegene Räume und Verbindungsgänge übrig blieben.
Die grosse Masse der Besucher fluthet zudem zumeist
in den Gemäldesälen hin und her und beachtet in der
Architektur- Ausstellung die Werke vielleicht nur dann,
wenn sie als gemaltes Schaubild oder sonst in der Form
und Grösse besonders auffallend hervortreten. Das ver-
schlägt nun freilich wenig. Die Architektur aber, mit allen
ihren Nebenkünsten der Dekoration und des Kunstge-
werbes, ist mehr als jede andere Kunst auf eine ein-
gehende liebevolle Betrachtung angewiesen, auf die nicht
so sehr verbreitete Fähigkeit, das augenblicklich in der
bloss bildlichen Darstellung Gesehene sich räumlich in der
entsprechenden Grösse und Wirkung gehörig vorzustellen.
Und wie in dem rechten Baukünstler poetisches Empfin-
den undpraktisch-nüchterneVerstandesthätigkeitsichgegen
seitig durchdringen, so fordert ja auch sein Entwurf die
ganze Summe der beim gebildeten Laien vorausgesetzten
ästhetischen Begriffe und anerzogenen Anschauungen
heraus, vor allem aber dessen warmherziges Gefühl für
Raumlösungen im Sinne der rechten Verbindung von
Schönheit und Zweckmässigkeit. Es sind daher immer
nur Einzelne, die sich an eine nähere Betrachtung von
Grundrissen und Schnitten, von Ansichten und Perspek-
tiven heranmachen, aber hier ist es dann wirklicher An-
trieb zur Prüfung, ein gewinnreiches Sichversenken in die
Eigenthümlichkeit der Aufgabe und ihrer Lösung.
Auch in Düsseldorf giebt es diesmal eine Architektur-
Ausstellung; sie ist in die „Deutschnationale Kunst-
ausstellung“ eingegliedert. Eine Berichterstattung über die-
selbe ist insofern eingeengt auf eine blosse Besprechung
von malerischen Gesichtspunkten der Darstellung aus, als
die Vorführung von Grundrissen und Schnitten ausge-
schlossen bleiben sollte; es sind die meisten Blätter in
Aquarellmanier gegeben. Im Verhältniss zu der ansehn-
lichen Beschickung der anderen Gruppen der Kunstaus-
stellung aus dem deutschen Sprachgebiet tritt die Bau-
kunst nach Zahl der Aussteller sehr zurück.
Wohl weist der Katalog eine Reihe bestens bekannter
Namen auf, wohl sind Leistungen ersten Ranges in der
Fassaden-Durchbiidung und entsprechend den verschieden-
artigen Problemen wie Kirchen, Theater, Landhäuser und
Nutzbauten, vorhanden, aber dennoch bleibt das reiche Bild
baukünstlerischer Leistungsfähigkeit im heutigen Deutsch-
l^d auf dieser Ausstellung ein recht lückenhaftes. Wieviel
eindrudcsvolLer und förderhcher wäre es gewesen, wenn
man •— ähnlich dem geschlossenen Auftreten der einzelnen
Künstlerschaften von Wien, Berlin, München, Düsseldorf
usw. in der Malerei — hier Gelegenheit genommen hätte,
die Eigenart der mehr oder minder scharf ausgeprägten
einzelnen Architekturschulen, wie z. B. der Münchener
der Berliner, der Stuttgarter, der Darmstädter oder der
Hannoverschen Schule zu zeigen, , wenn auch nur in
wenigen gut zusammengearbeiteten Beiträgen. Eine um-
fassende Vertretung hat eigentlich nur Düsseldorf aufzu-
weisen. Unter den 240 Nummern, die ausser der 33 Blatt
zählenden Sonder - Ausstellung des preussischen Mini-
steriums der öffentlichen Arbeiten hier hängen, sind allem,
von Düsseldorfer Architekten' etwa iio Nummern beige-
bracht, also beinahe die Hälfte. Vielleicht hat auch dieser
Umstand auf die Anordnung der eingesandten Werke
Einfluss gehabt. Den Düsseldorfern ist ein schöner Raum
am Ende der südlichen, der Düsseldorfer Kunst überhaupt
gewidmeten Saalreihe, und mit besonderem Eingang im
Endrisalit des Gebäudes, zugefallen, während von hier aus
erst ein Treppenaufgang zur Fortsetzung der Architektur-
Ausstellung in der südhchen Hälfte des Korridors führt.
Im Folgenden soll nur eine kurze Uebersicht über das
Dargebotene gegeben werden, da die hervorragendsten
Werke bereits früher an anderer Stelle und in anderem
Zusammenhänge besprochen wurden.
Der etwas über 30 “ lange und etwa 6 — 8 breite
Flur mit 7 Fenstern in der Front ist in eine grössere
Mittel- und 2 kleinere Seitenkojen abgetheilt. Beim Auf-
gang fallen zunächst einige grössere Arbeiten zur Ehrung
des grossen Reichskanzlers ins Auge: Der aquarellirte
Ausführungs-Entwurf zur Bismarckwarte auf den Müggel-
bergen bei Berlin von Otto Rietz (Berlin); weiterhin ein
Kohle-Entwurf zur Bismarcksäule für Köln, von A. Hart-
mann, und der grosse Konkurrenz-Entwurf für das Bis-
marck-Denkmal in Hamburg, von Erdm.Hartig (Barmen),
der bekanntlich bei der Preisvertheilung in der engeren
Wahl war. Von demselben Künstler sind ausgestellt: der
preisgekrönte Entwurf zür „Ruhmeshalle“ in Barmen
(Fassade), sowie eine Innenansicht (Treppenhaus), und
mehrere Einzelheiten in photographischen Wiedergaben,
die in einem geschlossenen Werke bei Ernst Wasmuth
in Berlin erschienen sind. Der Monumentalbau Hartigs,
aus freiwilligen Beiträgen reicher Patrioten und in edlem
Material errichtet, dient einem doppelten Zweck: der Ver-
herrlichung Kaiser Wilhelm I. und des Kaisers Friedrich III.
in der eigentlichen Ehrenhalle, sodann aber auch der Ver-
anstaltung von Ausstellungen des Barmer Kunstvereins,
des Bergischen Geschichts-Vereins usw. in den unteren
und oberen Sälen. Er wurde im Oktober 1900 eingeweiht.
Bemerkenswerth sind die in der Nähe hängenden
6 aquarellirten Entwürfe zu Villen und Wohnhäusern von
Prof. G. Wickop (Darmstadt). In derselben Koje sind
ferner 5 Arbeiten des bei den Düsseldorfer Ausstellungs-
bauten vortheilhaft betheiligten Dortmunder Architekten
Ernst Marx ausgestellt, darunter das Schaubild seines
grossen Pavillons für den Hörder Bergwerks- und Hütten-
verein, der Saalbau zum Freischütz im Stadtwalde
bei Schwerte in einem malerisch und virtuos behandelten
Aquarell, seine Umbauten des alten „Gildehauses“ zu
Dortmund (Photographien) sowie das in moderner
Auffassung gehaltene Olympia -Theater daselbst. Eine
hübsche Ansicht des alten Rathhauses zu Dortmund, nach
dem von der westfälischen Provinzial-Denkmalpflege be-
günstigten und von dem dortigen Stadtbrth. Kullrich
durchgeführten Wiederherstellungsbau, giebt uns derselbe
in einem flotten Aquarell dazu photographische Innen-
ansichten des Festsaales. Es folgen 3 Aquarelle von
dem Kölner Architekten K. Schauppmeyer, das
erste eine ausgeführte Kirche daselbst, wälirend die
beiden anderen „Heiligthum“ und „Studie“ benannten,
einem gewissen modernen Mystizismus ihren Tribut brin-
gen. Die Architekten Zeisel & Friedrich (Köln) stellten
sehr farbig und in moderner Technik gehaltene Pastell-
Zeichnungen zu einem Landhause und für ein Grabdenkmal
aus. In der zweiten Koje sieht man von Fritz Gottlob
(Berlin) einige von seinen durch die bei Baumgärtner
- (Leipzig) erschienene.Publikation und unsere Zeitung schon
bekannt gewordenen Architektur-Studien im Stile der nord-
deutschen Backsteingothik in grösseren Aquarellen hängen.
' I Berlin ist verhältnissmässig nur sehr schwach vertreten ;
I aus Hannover, Wien, München sirjd nur je 2 Architekten
1 (bezw. Firmen) erschienen und aus Stuttgart gar nur einer.
1 Cremer & Wolffenstein haben ihre schöne Fassade der
Nb. 64;
410
PropsteiSt.HedwigzuBerlin in gescilickter Aquarallbehand- der Beethoven-Aue mit dem Realschul - Neubau in der
lung gebracht und ebenso einige Photographien vom Inneren Mitte der Häusergruppe. Die freundlich und abwechslungs-
einiger ihrer Villenbauten. Viel Gefühl für landschaftliche reich geplante Strassenfront ist hier in einem grösseren
Stimmungsmaierei giebt sich in den flott und kräftig gegen Aquarell Zusehen. Endlich befindet sich in demselben
den leuchtend hellen oder tiefroten Abendhimmel vor- Saal von Schneck in Quedlinburg eine Erziehungsanstalt,
getragenen Aquarell-Perspektiven einer Villa in Fulda von sowie ein grosser mit reichen Mitteln ausgestatteter Gutshof,
Reg.-Bmstr. A. Menken (Berlin) kund, der ausserdem sein der ausser der Federzeichnung noch durch ein grosses Gips-
Vereinshaus „Treviris" in gleicher Behandlung vorführt, modell von Köhler & Schräder in Halberstadt illustrirt wird.
Gleichfalls in Aquarellbehandlung stellten die Architekten Im Balkonsaal des Mittelbaues, der durch ausgestellte
Erdmann & Spindler (Berlin) die Ansichten einer 1893 Kolossalbüsten von der Hand Siemerings, sowie durch
erbauten Villa in Wannsee, das 1897 errichtete Schloss dekorative Aufsätze mit dem Reichsadler u. A. eine vor-
Dammsmühle bei Berlin aus, sowie in Federmanier die nehraere Ausstattung erhalten hat, ist die Architektur-
grossen Aussen- und Innenansichten der Saalbau-Brauerei Ausstellung des Kgl. preuss. Ministeriums der
in Moabit. Sonst ist von Berlinern, ausser Janssen & öffentlichen Arbeiten untergebracht. Es sind farbige
Müller, die mit ihrem in der Behandlungsweise sehr ein- Perspektiven vonKirchen, Rathhäusern, Empfangsgebäuden
fach gehaltenen, mit einem Il.Preise gekröntenKonkurrenz- usw., unter welchen das neue Empfan^sgebäude auf
Entwurf für das Hamburger Bismarck-Denkmal und mit dem Rheinbahnhof in Koblenz, die Schifferbörse in
verschiedenen anderen kleineren Arbeiten für Wilmers- Ruhrort (Aussen- und Innen-Ansicht), das Oberbergamt
dorf, Mainz und Aachen erschienen sind, noch der in -in Bonn und das kleine malerische Empfangsgebäude in
neuerer Zeit durch seine Studien über mittelalterliche Cochem a.d.M. ammeistenAufmerksamkeitaufsichziehen.
Burgenbauten usw. bekannt gewordene Wiederhersteller Zum Schluss soll noch den Düsseldorfern im Erdge-
der „Hohkönigsburg“ 1. Eis. Bodo Ebhardt anzutreffen, schoss ein kurzer Besuch gemacht werden. Unter diesen
Seine prächtig in rotbraunem Ton, mit spärlich aufge- befinden sich auch Kayser & v. Groszheim, wohl durch
setzten Lichtern aquarellirten grossen Entwürfe zur Wieder- ihre geschäftliche Verbindung mit dem Architekten Wöhler
herstehung der trutzigen Vogesenveste werden gegen- in Düsseldorf. Neben Federzeichnungen zu reicheren
wärtig, nachdem die Zeitungen von dem wiederholter Wohnhausbauten und zu einem Jagdhaus in der Eifel
Aufenthalt des Kaisers auf dem hohen Bergkegel so viel haben dieselben ihr neuerbautes Park-Hotel zu Düsseldorf
gemeldet haben, mit besonderem Interesse betrachtet, in einem grossen prächtig aquarellirten Schaubild, mit
Daneben sind von demselben Urheber zu erwähnen zwei dem Blick auf das Stadttheater, das Cornelius-Denkmal im
landschaftlich ganz reizvoll behandelte Entwürfe zur Hofgarten und in die angrenzenden Strassen ausgestellt.
Wiederherstellung der Salzburg in Franken (v.'^J. 1900) Als ein vorzüglicher Aquarellist zeigt sich Prof. J. Klee-
und für die Schauenburg im Schwarzwald (v. J. 1901). — sattel. Seine Innen-Ansicht vom Chor der St. Rochus-
H. A. Krause (Berlin) tritt hier auf mit seinen grossen kirche ist virtuos in Licht und Farbe behandelt. Fünf
Kaufhäusern in Berlin in zwei Aquarellen und einer Photographien vom Inneren dieser Kirche lassen ihn auch
grossen wirkungsvollen Schwarzzeichnung, sowie mit als Meister des Details erkennen. Ausserdem sind von
seinem interessanten Hause Mattschass in Charlottenburg, ihm in je 2 Aquarellen die Pfarrkirche in Krefeld und die
Die dritte Koje der Gallerie wird eingenommen von der Pfarrkirche zu Düsseldorf vorhanden. Von demDirektor der
„Ausstellung des Fachverbandes der Dresdener Kunstgewerbeschule, die ihre hervorragenden Leistungen
Kunstgenossenschaft". Wir finden hier Pietsch mit auchauf deraArchitekturgebiet(Dekoratives)indemSonder-
seinem Künstlerhaus in Loschwitz (derb vorgetragenes bau für rheinische und westfälische Fachschulen ausge-
Aquarell), Reuter mit eigenartigen Federzeichnungen stellt hat, von Prof. H. Stiller, sind Entwürfe zu den
und einem merkwürdigen Interieur. Ferner Lehnert & Kopf- und Mittelbauten der neuen Rheinbrücke zu Düssei-
Mayenburg mitWohnhaus-Entwürfenundkleinerenlnnen- dorf sowie in einem grossen Fassadenmodell sein Anbau
räumen, Schilling & Graebner mit ihrer eigenartigen zur Westdeutschen Bodenkreditanstalt in Köln vorgeführt.
Zionskirche in Dresden (Modell) usw., und Schefer mit Ein anderer bekannter Düsseldorfer Architekt, L. von
einer Zeichnung zu einem Dampf- und Heissluftbad. F. R. Abbema, brachte seinen in die engere Wahl gekomme-
Vor etzsch ist vertreten mit sechs Arbeiten, darunter eine nen Konkurrenz-Entwurf zum Leipziger Rathhaus, sowie —
flotte Bleistiftzeichnung zum Rathhausportal für Gotha, in Wasserfarben gemalt — den Konkurrenz-Entwurf zu einer
ein Wohnhausentwurf in neuzeitlichen Formen für Frau Pfarrkirche in München, nebst zwei anderen Kirchen,
v. Nostiz-Wallwitz usw. Alwin L. C. Anger ist mit treff- Aus der Konkurrenz für ein Rathhaus in Neheim ging
lieh aquarellirten Arbeiten erschienen, darunter der mit der Architekt F. Hofmeister mit einem HI. Preise her-
dem III. Preise ausgezeichnete Konkurrenz-Entwurf zu vor. Diese Arbeit hat er hier umgeben mit reizvoll be-
einem Provinzial -Museum in Hannover, eine Sandstein- handelten farbigen Innen- Ansichten für Diele und Speise-
kirche in spätromanischem Stile, ein Rathhaus und meh- zimmer einer Villa in Helmstedt und mit einem reich
rere Villenbauten. ausgestatteten Aquarell der Gesammt- Ansicht, Kraemer
Die Emporen über demKuppeisaal des Mittelbaues wur- & Herold brachten ihre verschiedenen Rathbaus- und
den gleichfalls zu Ausstellungssälen hergerichtet und zwar Kreishaus-Entwürfe sowie den grossen Entwurf zu einer
auf der Südseite für den Verband deutscher Illustratoren Elektr. Centrale des Fürsten Pless in Waldenburg (Feder-
und auf der Nordseite wieder für Architekten. In diesem Zeichnung für Backsteiagothik) zur Ausstellung. Sein Talent
Saal ist vornehmlich Wiener und Münchener Architektur für vornehme Innen -Ausstattungen bekundet Reg.-Bmstr.
in einigen hervorragenden Arbeiten vertreten. Von Fellner W.Schleicher durch die fein gemalten Aquarelle; „Fest-
& Helmer in Wien werden die Entwürfe zu ihrem saal-Dekoration im sog. Thurm Karls des Grossen in der
in Berlin erbauten Monopoltheater (Federzeichnung), zum StolbergerBurg“, „Lesezimmer im Düsseldorfer Malkasten“
Königl. Hoftheäter in Wiesbaden (Photographien), für die und vor allem durch die prächtige Diele im Hause des
Tonhalle in Zürich (in photogr. Aussen- und Innen- Kaufmanns O. Schleicher in Düren. In noch höherem
ansichten), sowie Entwürfe für das Etablissement So- Grade gilt dies von den Arbeiten von Prof. A. Schill,
mossy in Budapest usw. und 3 grosse Tafeln mit zahl- Der Künstler für die Dekoration dieses Ausstellungs-
reichen Grundrissen von Theaterbauten vorgeführt. Von Saales, auf die noch ein Blick geworfen werden soll,
den Münchenern hat Arch. Martin Dülfer sein Theater in Arch. Peter Paul Fuchs, scheint Hotel- und Restaurations-
Meran ausgestellt. In noch frischer Erinnerung sind allen Bauten zu einem besonderen Zweige seiner Thätigkeit
Fachgenossen die Abbildungen und Besprechungen des gemacht zu haben; er ist mit 10 Arbeiten gut vertreten,
neuen Prinz-Regenten-Theaters in München, dessen Bau- während Herrn. vomEndt sein Apollotheater zu Düssel-
künstler Heilmann & Littmann (nebst ihrem begabten dorf, ferner seine Arbeiten für die Düsseldorfer Handels-
Mitarbeiter Habich) 3 Rahmen mit Federzeichnungen und kammer gebracht hat. Die Arch. Dahmen, Fr. Deckers,
Photographien beigesteuert haben. Diesen Süddeutschen L. H. Fettweis, Frankel, Fürthmann, Klein & Dör-
schliesst sich der Hannoveraner F. Usadel mit seinem schel, M- Korn, Salzmann, Thyriot, Vehling und
Tempera-Entwurf in der Hamburger Bismarck-Konkurrenz, Victor Wolff haben theils ausgeführte Wohnhausbauten,
mitseinerPastellzeichnungzurBismarcksäulebeiHannover,. theils kleinere Rathhäüser und kirchliche Bauwerke auf
und der aquarellirten Gesammtansicht dafür (im Hinter- dem Lande in Federzeichnungen oder in farbigen Dar-
grunde das Deistergebirge), sowie mit seinem farbigen Ent- Steilungen ausgestellt, meist Arbeiten von lokalem Interesse,
wurf zum neuenRealgymnasial-Gebäude in Uelzen an. Von Endlich seien erwähnt die Architekten Ernst Roeting
seinen vielen und begabten Kollegen in Hannover ist auf- mit 12 Bl. Photogr. u. Federzeichng., Rieh. Genschmer,
fallenderweise nur noch einer erschienen: Carl Arend. Die mit Rathhaus- und Schulentwürfen, Stadthalle in Gladbach,
derb und flott mit der Feder gezeichnete Perspektive der , Badeanstalt in Düsseldorf usw., dann Reg.-Bmstr. C. Peiff-
Villa Osmers am Lindener Berg verleugnet in der hübschen /^hoven mit einem grossen aquarellirten Entwurf zu einem
Gruppirung mit Mittelthurm und malerischen Anbauten.,; Zeughaus (Hauptansicht und Detail der Seitenfront), sowie
nichtdieörtlicheUeberlieferung. EinAuftragdesMagistrates||namentlich der Reg.-Bmstr. Friedrich Ostendorf. Von
der Stadt Linden b. Hannover führte zur Bearbeitung eines Mdiesem sind seine mit dem I. Preis ausgezeichneten Kon-
gressen Entwurfs für die Bebauung der westlichen Seite gkurrenz-Entwürfe für ein Rathhaus in Dresden und für
9. August 1902. 41 1
Häuser in Breinen’s Altstadt, ferner der angekaufte Ent-
wurf für eine Volksbank in Mainz und anderes ausgestellt.
Man kann von dem Architektursaale nicht scheiden,
ohne die Dekoration und einige hier passend aufgestellte
Gegenstände der „kunsthistorischen Ausstellung“, für
welche ein eigener Katalog herausgegeben ist, besonders
betrachtet zu haben. Der Saal empfängt eine (bei dunk-
lem Wetter für gezeichnete Blätter unzureichende) Be-
leuchtung durch ein mittels Leinen-Tuchspannung ge-
dämpftes Oberlicht. Die Dachbinder und Riegel sind be-
malt, ein breiter hoher Fries mit scharf umrändertem ge-
maltem Rankengewinde, an nordisch-keltische Linienfüh-
rung erinnernd und mit streng stilisirten, schwach abge-
tönten Löwenfiguren auf rothem Grunde und in schreiten-
der Stellung, begleitet oben die. Längswände, die unten
in 3/4 Höhe mit Grobleinwand in dumpfer Färbung be-
spannt sind. Die Decke der Stirnseiten ist blau ge-
halten, mit zartem Goldlinienwerk, der Fussboden ist mit
Vermischtes.
Der elektrische Versuchsbetrieb auf der Wannseebahn
bei Berlin ist am 30. Juni d. J. vorläufig eingestellt worden,
wie wir einer Mittheilung der Ztschrft.' d. V. d. E.-V. ent-
nehmen. Der Versuchsbetrieb, welchen die Firma Sie m e ns
& Halske eingerichtet und ausgeübt hat, erstreckte sich
über die Dauer von fast 2 Jahren und hat in technischer
Beziehung durchaus günstige Ergebnisse gehabt, da sich
der Stromverbrauch wesentlich geringer stellte, als er-
wartet wurde. Nicht in demselben Maasse ist das wirth-
schafüiche Ergebniss als günstig zu bezeichnen, wobei
aber die besonderen Verhältnisse zu berücksichtigen sind,
namentlich auch, dass- es sich um einen einzigen ge-
wöhnlichen, aus II Wagen bestehenden Eisenbahnzug
handelte, der sich fahrplanmässig in den Lokomotivbetrieb
einzupassen hatte.- Ob und wann die Versuche wieder
aufgenommen werden, ob sie das Ergebniss der Einführung
elektrischen Betriebes überhaupt zur Folge haben werden,
ist noch unbestimmt. —
Gebührenordnung für die Arbeiten des Gartenkünstlers.
Nach dem Vorgänge anderer Berufszweige hat nun auch
der „Verein Deutscher Gartenkünstler“ eine Gebühren-
ordnung für die einschlägigen Arbeiten aufgestellt, welche
auf der XV. Hauptversammlung des Vereins in Breslau
am 25. August d. J. berathen werden soll. Der Entwurf
hierzu ist der No. 8 der „Gartenkunst“ (Verlag von Gebr.
Borntraeger in Berlin S.W. 46, Dessauerstr. 29) beigelegt. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Kolleglen-Gebäude Freiburg 1. Br. Wie
uns von zuständiger Seite ’ mitgetheilt wird, beruht die
Notiz in No. 103 der „Konkurrenz-Nachrichten“, dass der
Einlieferungstermin für die Wettbewerbs-Entwürfe zu dem
neuen Kollegien-Gebäude in Freiburg i. B. der 15. Sept.
d. J. sei, auf Irrthum. Die Entwurfsskizzen sind vielmehr
bis spätestens i. Sept. d. J. Abends 6 Uhr bei dem Gr.
Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts in Karls-
ruhe einzureichen. —
Wettbewerb Landeshaus Wiesbaden. Für das auf einer
Eckbaustelle der Moritzstrasse und des Kaiser Friedrich-
Ringes zu errichtende Gebäude stehen 860 000 M. zur Ver-
fügung. Für den. Aufbau ist ein Stil nicht vorgeschrieben;
Ziege&ohbau ist ausgeschlossen. Die Architekturtheile
sind in Haustein zu erstellen; an der Fassade sollen Putz-
fiächen thunlichst vermieden werden. Das Gebäude soll
ausser dem Sockel- und dem Dachgeschoss 3 Hauptge-
schosse erhalten. Die Zeichnungen sind i : 200 verlangt.
Es bleibt ausdrücklich Vorbehalten, dass Abweichungen
von der S. 400 mitgetheiiten Art der Vertheilung der Preise
auf einstimmigen Beschluss der Preisrichter vorge-
nommen werden dürfen. Die Uebertragung der Aus-
führung an einen (preisgekrönten?) Bewerber
ist nicht ausgeschlossen, wenn auch in dieser Be-
ziehung alle Vorbehalte gemacht sind. Das Raumprogramm
sieht Raumgruppen vor für den Kommunal-Landtag, für
den Landesausschuss, für dieLandesdirektion, sowie Dienst-
wohnungen für den Landeshauptmann, den Hausmeister,
Schreiber und Diener. Es giebt zu besonderen Erwäh-
nungen keinen Anlass. Wir glauben die Theilnahme an
dem interessanten Wettbewerbe empfehlen zu können. —
Brief- und Fragekasten.
Stadtbauamt inN. Bei der Steigerung des Wasserverbrauches,
den die Einführung einer zentralen Wasserversorgung nach sich zu
ziehen pflegt, zeigt sich fast immer die Erfahrung, dass ohne Hin-
zufügung einer Schrautzwasser-Kanalisation auf die Dauer nicht
auszukommen ist. Immerhin lässt sich der Zeitpunkt zur Einführung
letzterer dadurch oft beträchtlich hinausschieben, dass man den
Wasserverbrauch so -weit als möglich einschränkt. Dazu giebt es
rothem Teppich und mit kleineren gut imitirten • orienta- .
lischen Fussteppichen bedeckt und mit Topfpflanzen und.
Lorbeerbäumen bestellt. Die östliche Schmalwand ist von
einem 4theiligen gothischen Fenster mit Glasmalereien
nach B. Ehrich von Gasser & Blaschke durchbrochen.
Gleich daneben, in der südöstlichen Ecke, ist das zur oben-
erwähnten Abtheilung gehörige Grabmal des Pfalzgrafen.
Heinrich aus der AbteiMariaLaach in einemGipsabguss auf-
gestellt, das mit seinem sechssäuligen kapellenartigen Ober-'
Bau hier eine ganz vorzügliche Wirkung macht, und gegen-,
über öffnet sich der Raum durch das ebenfalls in getöntem
Gipsabguss vorhandene, hier geschickt eingebaute Rund-.
bogen-Portal der Pfarrkirche zu Coesfeld in Westfalen,
welches mit seinen tiefen Laibungen, seinen 4fachen
Zwischensäulen, reichornamentirten Kehlen und Wülsten
gleichsam wie ein altkirchliches Präludium zu den Kunst-
genüssen anklingt, die dem Eintretenden in den folgenden
Sälen geboten werden. — — r.
verschiedene Mittel, -wie z. B. Einrichtung von Zapfstellen nur in
den Erdgeschossen der Gebäude, Abgabe und Bezahlung des Wassers
nach dem Wassermesser, Verbot der Zuführung von Schmutz-wassern
zu den Strasscnrinnsteinen , bezw. Forderung, dass zum Sammeln-
derselben sogen, nasse Gruben angelegt werden. Wo ein grösse-
res Gewässer oder mehrere kleinere Wasserläufe die Stadt durch-
ziehen, oder wo zu den meisten Grundstücken Gärten gehören, in
welchen man sich der Schmutzwasser entledigen kann, mag das
Fehlen einer unterirdischen Schniutzwasser-Ableitung lange Zeit
erträglich sein, und es sind uns auch einige Städte bekannt, in
welchen die eine oder andere Voraussetzung erfüllt ist. Aber ein
gewisser Zwang, früher oder später zur Kanalisation zu schreiten,
lastet auf allen Städten von dem Tage an, wo sie zentrale Wasserr
Versorgung besitzen, wenn das Wasser der Bewohnerschaft bequem
zugänglich ist und für geringen Preis abgegeben wird. —
Stadtbauamt in S. Es ist nicht undenkbar, doch wenig wahr-
scheinlich, dass die Pappestreifen mit Stoffen getränkt gewesen
sind, welche die Bindekraft des Zementes geschädigt haben; das
würde nur durch chemische Untersuchung der Pappe oder leicht
anzustcllende Probeversuche klar zu legen sein. Viel wahrschein-
licher ist es uns nach der Form, welche die Schäden zeigen, dass,
der Beton zu nass angefertigt wurde und infolge davon beim,
Stampfen desselben nach dem Umfange hin viel Wasser gedrängt
wurde, das den frei liegenden Mörtel ersäuft hat. —
Hrn. Arch. W. B. in Iserlohn. Ihren Anfragen fehlt zu-'
nächst der Nachweis des Bezuges unserer Zeitung, auf welchem
wir bei den zahlreichen auf uns cindringenden Anfragen bestehen
müssen. Sodann entziehen sich Dire Anfragen unserem Arbeits-
gebiete und werden schliesslich am zweckniässigsten zum Gegen-
stände einer Anzeige gemacht. —
Hrn. Reg.-Bmstr. Sch. in. Sommerfeld. Ein Imprägnirungs-
mittel,ura als stark begangenen Fussboden verwendete weiche Sand-
steinplatten dauernd widerstandsfähiger zu machen, giebt es u. W.
nicht. Die vermehrte Staubentwickelung könnte höchstens durch
Tränken mit heisseni Leinöl gemildert werden. —
Anfragen an den Leserkreis.
Welche Litteratur giebt es über die Anlage von Polizei Ge-
fängnissen, Aicbämtern und Spritzenhäusern mit Angabe der ein-
schlägigen gesetzlichen Bestimmungen? — B., Stdtbmstr. in A.
Man bittet um Angabe von Firmen, die sich mit der Herstellung
von Lehrmitteln für B aumat erialienlehr e zum Anschauungs-
unterrichte befassen. — F. F. in Bamberg.
Fragebeantwortungen aus dem Leserkreise.
Hrn. O. Fl. in M. Jede Verkittung löst sich in den meisten
Fällen durch die Bewegung in dem Fussboden von den Fussboden-
bretteni wieder los, fällt durch die Fugen oder quillt wieder heraus.
Ich habe daher, wie allgemein üblich, in derartigen Fällen mit Er-
folg Plolzleisten aus möglichst gleicher Holzart wie der vorhan-
dene Fussboden angewandt. Die Fugen werden zuerst von Schmutz
und Staub gereinigt, dann die dünnen Holzleisten in die Fugen
möglichst fest getrieben, mit ganz dünnen Stiften gegen das Auf-
springen befestigt und, wo erforderlich, wird mit gewöhnlichem
braunen Fussbodenkitt nachgekittet. Das Verfahren ist das bekannte
Ausspänen oder Ausfedern. Wenn dieses sorgfältig ausgeführt
wird, bewährt es sich sehr gut. — • J. H. Timm.
Zur Anfrage an den Leserkreis in No. 59 können wir ange-
legentlichst Decken von unseren sehr harten und tragfähigen Hohl-
dielen aus Gips empfehlen, die jede Feuchtigkeit aufsaugen und selbst
bei den bedeutendsten Dunstentwickelungen niemals tropfen.
Walkenrieder Gipsfabrik, Albrecht Meier & Co.
Desgl. Für Käserei mit Dampfbetrieb sind unsere Betondecken zu
empfehlen, die durch Haltbarkeit und Sauberkeit ausgezeichnet sich
besonders in Räumen, iu welchen niit'Wasser gearbeitet wird oder in
denen Damp ^ und Dunst unvermeidlich sind, vorzüglich bewährt haben.
Aktien-Gc .;ellschaft für Betonbau, Diss & Co., Düsseldorf,
Zu der Anfrage C. St. in Naila in No. 59. Ergiebige Auskunft
giebt der Aufsatz „Schneewehen und Schneewehren im Eisenbahn-
betriebe, mit bes. Bezugnahme auf Sachsen", vom Finanzrath Ludw.
Neumann-Dresden. —
Inhalt : Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Bau
eines neuen Ratbhauses'in Kassel (Schluss). — Vertiefung des Fahrwassers
der Ünter-Elbe. — Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf
1902. V. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Der .Wettbewerb um Entwürfe
für ein neues Rathhaus in Kassel.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., BerUn. Für die Redaktion
verantwort]. Albert Hofinann, Berlin. Druck von WiUi. Greve, Berlin.
No. 64.
412
Zur XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und
Ingenieur-Vereine in Augsburg.
vor zwei Jahren nicht zum wenigsten
nahe Meer dazu bei, dass Hunderte von
hgenossen die Wanderung nach der
zen Hansastadt Bremen zur Theilnahme
au. der XIV. Wanderversammlung des Ver-
bandes deutscher Archit.- und Ingcn.-Vereine antraten,
so wird gewiss auch heuer der Zauber der erhabenen
Alpenwelt seine Wirkung nicht verfehlen, die Fach-
genossen nach dem Süden Deutschlands zu locken,
zur XV. Wanderversammlung in Augsburg. Von den
dortigen Kollegen wird fleissig gearbeitet, den zu er-
wartenden Gästen den Aufenthalt so angenehm als
möglich zu gestalten; auch das nahe München wird
in vielen die Sehnsucht nach dem Süden rege machen
und dieses wird nach den Augsburger Festtagen das
Reiseziel umsomehr bilden, als nicht lange später dort
auch der „Deutsche Verein für öffentliche Gesundheits-
pflege“ tagt. Die Zwischenzeit lässt sich leicht durch
einen Aufenthalt in den bayerischen Bergen mit ihren
prächtigen Gebirgsseen ausfüllen.
Aber auch Augsburg selbst dürfte bei manchem
Fachgenossen den Wunsch rege machen, der Wander-
versamralung beizuwohnen, gehört es doch zu den-
jenigen Städten, die noch ein gut Stück altes deutsches
Wesen zeigen und weist es doch Bilder auf, um die es
viele andere Städte beneiden können. Die alten Stadt-
bilder können sich kühn neben denen Nürnbergs und
Rothenburgs sehen lassen.
Augsburg, das einst gross und mächtig dastand,
ein Juwel des deutschen Reiches alter Ordnung, ist ja
heute nicht mehr das, was es einst war. Erfasst vom
ewigen Wechsel, ist es aus einer beherrschenden eine
beherrschte Stadt geworden. Doch es sind nicht blos
bedeutende Spuren vorhanden aus der Zeit, da Michael
de Montaigne, der 1580 hier weilte, Augsburg die herr-
lichste Stadt im Deutschen Reiche nannte: auch dem
Geiste der Neuzeit wird Augsburg mehr und mehr ge-
recht, und wen auf der Reise der Weg in diese Rich-
tung lenkt, der darf an Augsburg nicht vorbeiziehen.
Wir lassen aus seiner Geschichte rasch an uns
vorüberziehen die Gestalten des armen Opfers be-
rechnender Politik — des Engels von Augsburg —
Agnes Bernauer, der Stammmutter des Hauses Löwen-
stein, Klara Tett, der schönen Gemahlin des Erz-
herzogs Ferdinand, Philippine Welser; wir sehen das
Aufblühen der Häuser Welser und Fugger, andere
413
alte Geschlechter gehen auf und nieder, neue steigen
empor, von denen manche bald wieder versinken,
andere den Lauf der Zeiten überdauern.
Der heilige Ulrich, der Vater des mittelalterlichen
Augsburg, machte unsere Stadt zu einer Festung;
Martin Luther weilte hier zur Rechtfertigung seiner
Thesen, die Augsburger Konfession giebt die Grund-
lage für seine Lehre. Auf dem Frohnhofe, wo einst
Johannes Capistranus durch die Macht seiner Rede
das Volk zur Entäusserung der kostbarsten Schätze
hinriss, erhebt sich heute das Sieges- und Friedens-
Denkmal, von Meister Kaspar Zumbusch entworfen.
Auf der Stätte des römischen Forum steht der
994 — 1006 frühromanisch erbaute, dann gothisirte und
vielfach veränderte Dom mit den hochinteressanten
Glasgemälden aus dem ii. Jahrh. im Mittelschiff. Aus
der zweiten Hälfte des gleichen Jahrhunderts stammt
das Prachterzeugniss des Erzgusses, die Bronzethüre,
deren biblische und mythologische Figuren den Kunst-
historiker immer wieder zu neuer Deutung reizen.
Wo einst ein Tempel des Jupiter stand, steht heute
St. Ulrichs-Gotteshaus, in das schon 1012 St. Benedikts
Jünger einzogen, bis der Sturm der Reformation und
die Säkularisation sie und die Bewohner anderer Klö-
ster vertrieben.
Hoch ragen vie-
ler Kirchen und
Klöster Thürme
in die Luft, da-
runter das alte
Wahrzeichen
ifinserer Stadt,
1 der Perlach-
tihurm. Von hier
führt uns nur
$in Schritt zum
' Stolze Augs-
burgs , zu dem
Prachtbau Elias
Holl’s, dem schö-
nen Rathhause
mit seinem herr-
lichen goldenen
$aale und seinen
reichen Fürsten-
zimmern. Noch
andere Bauten,
von denen wir
das Bäcker-, das
Metzger- u. das
Zeughaus nen-
nen, sowie alte
Thore geben
Untere Maximilians-Strasse.
(Photographische Aufnahme von Kutscher & Gehr
verleihen unsererSammlungbesonderenGlanz.Leonardo
da Vinci, Tizian, Tintoretto und andere Meister aus
Italien, sowie solche aus Frankreich, lassen uns ihre
Werke schauen. Peter Brueghel der Jüngere, genannt
der Höllenbrueghel, und Jean Brueghel der Aeltere, der
Sammet-Brueghel, treten uns als Vorläufer des ebenfalls
vertretenen grossen Rubens entgegen, ihnen schliesscn
sich des letzteren Schüler Anton van Dyck und
andere an. So lohnt unsere Gallerie allein schon den
Besuch der Stadt. Und hat der Fremdling sich genug
gesehen an den Werken der alten Meister, so erfreue
er sich an der Betrachtung des Theaters, dieses Schatz-
kästleins moderner Baukunst. Von da lenke er seine
Schritte zur reich ausgestatteten Halle der Wissenschaft,
der neuerbauten Bibliothek, die etwa 200000 Bände
in sich birgt, und in einem freundlichen und geräumigen
Lesesaale ausserdem Gelegenheit giebt, sich mit den
neuesten Tagesfragen zu beschäftigen. Im Maximilians-
Museum, dem Fugger-Museum, dem bischöflichen Mu-
seum und in sonstigen Sammlungen sind Kleinodien
und Schätze aus alter und neuer Zeit angehäuft — gleich
tauglich zum ernsten Studium wie lediglich zur geistigen
Anregung. — Wer hätte ferner noch nicht gehört von
der Augsburger Industrie, von den grossen, den
modernsten An-
forderungen ent-
sprechenden Fa-
briken mit ihren
Wohlfahrts -Ein-
richtungen, die
dem fleissigen
Arbeiter ein si-
cheres und ge-
sundesHeim bie-
ten? Wir mögen
einenBegriff von
der Ausdehnung
der hiesigen In-
dustrie erhalten,
wenn wir beden-
ken, dass 473000
Spindeln und
5400 WebstOhle,
von etwa 8500
Arbeitern be-
sorgt, in ihnen
aufgestellt sind;
von besonderer
Bedeutung sind
ferner die Ma-
schinen - Indu-
strie und das
Kunstgewerbe.
1 Augsburg.)
Zeugniss von der Kunst des Begründers der Renais- Auch der Ingenieur wird ba Besichtigung dieser
sance in Augsburg. Werke, welche das Wasser in Tausenden von Pferde-
VordenTzweithürmigenRathhause lässt der schöne kräften ausnutzen, auf seine Rechnung kommen.
Augustusbrunnen von Hubert Gerhard mit dem Gitter So ist Augsburg auch heute noch wohl werth, dass
von Georg Schelf seine Strahlen in den verschieden- man hier Einkehr halte und einige Zeit verbringe,
sten Formen springen (siehe die Abbildg. Seite 413), aber auch werth, als eigenes Ziel der Reise m Aus-
weiter voran in der schönen Maxiniiliansstrasse der sicht genommen zu werden, das Jeden befriedigen wird.
Neptuns-, und ganz oben in der gleichen Richtung der Für die Theilnehmer an der Wandervei Sammlung
herrliche Herkulesbrunnen mit den wunderschönen haben die Augsburger Fachgenossen 3 Werke vor-
Najaden von Adrian de Vries, wohl das hervorragendste bereitet, die jedem eine werthvolle Erinnerung an Augs-
Brunnendenkmal der Renaissance in Deutschland. bürg sein werden; sie geben ein treues Bild von Ver-
Von da wandern wir weiter nach unserer reichen gangenheit und Gegenwart der Stadt. Wn kommen
Gemäldegallerie , die so W^enige kennen! Und doch ausführlicher auf sie zurück.
ist sie voll von Schätzen der herrlichsten Art, vor Den Schluss der Wanderversamnüung bildet ein
allem an solchen der altschwäbischen Schule. Wir gemeinsamer Ausflug m die schöne Bergwelt, nach
erblicken eine Reihe von Werken Hans Holbein’s des dem alten Füssen und nach dem stolzen Königs-
Aelteren, darunter die Marien-Basilika von 1499 und
die berühmte Paulus-Basilika von 1504-, Hans Burgk-
mair fesselt uns durch seine Peters-Basilika von 1501,
die Lateran-Basilika von 1502, die Basilika S. Croce
von 1504, um nur diese hervorzuheben. Beide Künstler
sind hervorragendste Vertreter der Augsburger Schule.
Bartholomäus Zeitblom und Martin Schaffner sind
würdige Vertreter der Ulmer Schule, wie des Ersteren
Schüler Bernhard Strigel ein solcher der Memminger
Schule. Albrecht Dürer und Lukas Kranach der Aeltere
schlosse Neuschwanstein, in dem sich 1886 die tra-
gische Königs-Katastrophe einleitete. In dem idylli-
schen Hohenschwangau mit seinen 3 guten Gasthöfen
ist in frischer Bergesluft eine Reihe von 1 agen gut
auszuruhen, wenn nicht der eine oder andere es vor-
zieht, seine Wanderung durch Tyrol oder nach Schloss
Linderhof fortzusetzen, oder auch dem Bodensee und
der Schweiz einen Besuch abzustatten. Mögen die
Fachgenossen die Mühen der Augsburger Kollegen
durch einen starken Besuch lohnen! — — r.
414
No. 65.
Der Simplon -Tunnel, mit Rückblicken auf die Baugeschichte der älteren Alpen-Tunnel.
4. Der Simplon-Tunnel. (Schluss),
enn im Vorstehenden die am Simplon jetzt angewen-
deten Methoden der Schutterung etwas ausführlicher
beschrieben sind, so ist das geschehen um zu zeigen,
wie man dort bemüht gewesen ist, diesen wichtigen Theil
des ganzen Betriebes nach Möglichkeit so auszubilden,
dass mit demselben die grösstmöglichen f'ortschritte er-
zielt werden. Auch bei diesem Tunnelbau hat man nicht
gleich das Richtige gefunden, ist vielmehr nach mannich-
fachen Versuchen erst auf das jetzt angewendete System
gekommen. Aus dem im Jahre 1899 in der „Deutschen
Bauzeitung“ erschienenen Artikel über den Simplontunnel
von Hrn. Prof. Dolezalek ist zu ersehen, wie man sich
damals an der Nordseite den Vortheil, den die Beweglich-
keit kleiner Stollenhunde für die Schutterung vor Ort
zweifellos mit sich bringt, zu sichern versucht hat, indem
diese kleinen Gefässe zum Transport nach der Halde auf
grössere Wagen gestellt wurden. Man ist von diesem
System der Schutterung später zurückgekomraen, da der
Transport der kleinen Wagen auf den Plattwagen zu
mannichfachen Unfällen Veranlassung gegeben hat. Ehe
aber das jetzt an der Nordseite in Anwendung befindliche
System Eingang gefunden hat, ist dort noch versucht
worden, eine Anzahl der grösseren Tunnel-Transport-
wagen dadurch unmittelbar vor Ort zu beladen, dass man
über dieselben eine kleine Bahn auf Schwellen legte, nach-
dem der Zug vor Ort geschoben war. Auf dieser kleinen
Bahn liefen ganz kleine Hunde, die vor Ort beladen, dann
zurückgezogen und hierauf jeweils in den letzten leeren
13. August 1902.
Wagen ausgeleert wurden. Aber auch dieses System
hat sich, weil in seiner Anwendung zu unbequem, nicht
bewährt. Es hat sich dabei vielmehr herausgestellt, dass
nur ein System der Schutterung praktisch verwerthbar
ist, welches bei grösster Einfachheit der Hilfsmittel eine
möglichst weitgehende Ausnutzung der menschlichen Ar-
beitskraft der vor Ort Platz findenden Leute gestattet.
Da aber der für den Simplon-Tunnel von vornherein
in Aussicht zu nehmende Stollen-Fortschritt eine ausser-
gewöhnliche Leistung auf dem Gebiete der Schutterung
zur gebieterischen Nothwendigkeit machte, hat auch Brandt
schon vor Beginn der Arbeiten diesem Gegenstände seine
besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Er glaubte die
Lösung der schwierigen Aufgabe in der Einführung der
hydraulischen Schutterung mit Zuhilfenahme des unter
der Bezeichnung „Schutterkanone“ bekannt gewordenen
Apparates zu finden. Als mir Brandt zuerst, lange vor
Beginn der Arbeiten, von seinen Plänen für den Simplon-
Durchstich erzählte und mir dabei die Zahlen nannte,
welche er seinem Angebote inbezug auf den zu gewähr-
leistenden Fortschritt zugrunde legen wollte, sprach ich
ihm mein Erstaunen aus, da es mir unmöglich erscheinen
wollte, schon mit Rücksicht auf die erforderliche Zeit zum
Schuttern noch genügend Zeit zum Bohren und für sonstige
Nebenarbeiten zu erübrigen. Brandt erwiderte mir, dass
er jetzt endlich die Methode gefunden habe, um auch die
Schutterzeit entsprechend allen anderen Arbeiten vor Ort
abzukürzen und machte mir Andeutungen über die von
ihm erdachte Schutterkanone. Als ich dann vor zwei
Jahren die Baustelle in Brig besuchte, hatte Hr. Ing. G ay en
415
dieLiebenswürdigkeit, mir den damals aaf demlnstallations- Meinung, dass das Stadium der Versuche am Simplon
platze liegenden Apparat zu zeigen, dessen Ausbildung jetzt als abgeschlossen zu gelten habe, da jeder Versuch
in dem vorerwähnten Artikel des Hrn. Prof. Dolezalek Geld, und was noch wichtiger sei, Zeit koste, die man
beschrieben ist. Leider ist dieser Apparat nicht über den dort jetzt nicht mehr opfern dürfe. Ob es deshalb ge-
ersten Versuch hinausgekommen. Ib:. Ob.-lng. v. Kager lingen wird, diesen Plan Brandt’s nochmals zu neuem
gab mh' die Auskunft, dass;das Urtheil über die Wirkung Leben zu erwecken und*/ür den Bau des Simplon-Tunnels
der Schutterkanone nach den damit vorgenommenen Ver- nutzbringend zu machen, erscheint recht zweifelhaft. Es
suchen dahin gelautet habe, dass die Idee bei weiterer wird sich deshalb empfehlen, bei der später anzustellen-
Vervollkommnung des Apparates wohl noch gute Ergeb* den Untersuchung über die Möglichkeit der Einhaltung
nisse zeitigen könne. Er war aber wohl mit Recht der des gewährleisteten Voilendungs-Termines nicht damit zu
416
No. 65.
rechnen, dass die jetzt erreichten Schutterzeiten noch
wesentliche Abkürzungen erfahren werden. —
Bezüglich der sonstigen Tunnelarbeiten, insbesondere
der Ausführung des Vollausbruches und der Mauerung,
kann im allgemeinen auf den mehrfach erwähnten Artikel
ipi Jhrg. 1899 der „Dtschn. Bztg.“ verwiesen werden. Zu be-
merken ist dazu nur, dass wegen der Verschiedenartigkeit
des an beiden, Arbeitstellen_ anstehenden Gebirges auch bei
nähme der Traversen, welche auch mit der Maschine auf-
gefahren werden. Für den Einbau wird auf der Nord-
seite das Wandruthensystem mit Abstützung derselben
auf eine Mittelschwelle bevorzugt, während auf der Süd-
seite das Langständersystem vorwiegt. Die Mauerung der
Widerlager erfolgt in grösseren Längen im Verband,
während die Gewölbe in Ringen mit stumpfem Stoss auf
eisernen Lehrbögen hergestellt werden. Die Mörtel-
diesen Arbeiten abweichende Ausführungsweisen an den
beiden Seiten angewendet worden sind. Auf der Nordseite
bevorzugt man wegen des querschlägig zu durchfahrenden
Gebirges die Vorkopfarbeit, während auf der Südseite,
bei dem wagrecht gelagerten Antigoriengneiss, die Schiess-
arbeit in den Vollausbrüchen nach Möglichkeit von unten
nach oben erfolgt. Die ganze Schiessarbeit in den Voll-
ausbrüchen wird von Hand ausgeführt mit alleiniger Aus-
mischung erfolgt im Tunnel im Verhältniss von i : 3 von
hydraulischem Kalk und Sand. ~
^.v^Um ein abschliessendes Bild zu gewinnen, erübrigt
nun noch, eine Untersuchung über die Möglichkeit der
Einhaltung des gewährleisteten Vollendungstermines an-
zustellen. Bei dieser Untersuchung ist inbezug auf die
Südseite ein Unterschied zu machen zwischen den Arbeiten
bis zum 30. September 1901 und denjenigen nach diesem
13. August 1902.
417
Zeitpunkt, da von diesem Tage an durch Wassereinbrüche,
wie sie in diesem Umfange bei anderen Tunnelbauten
bisher noch nie vorgekomraen waren, die Arbeiten zeit-
weilig völlig zum Stilliegen gekommen sind. Die zur Be--
wältigung dieser aussergewöhnlichen Schwierigkeiten ge-
troffenen Maassregeln werden später besonders besprochen.
Dass es aber bis zum 30. September 1901 gelungen
war, den vertraglich übernommenen Verpflichtungen nach-
zukommen, zeigt ein Blick auf das in Abbildg. 18 darge-
stellte Fortschrittsprofil. In diesem Profil ist ebenso wie
bei den früherenTunnelbauten durch eine — • — • — Linie
das dem Bauvertrag zugrunde liegende Bauprogramm dar-,
gestellt, bei welchem für das letzte Baujahr ein beider-
seitiger Stollenfortschritt von je 7“ für den Tag ange-
nommen wurde. Aus dem Profil ist zu erkennen, dass
der Stand der Richtstollenörter damals auf der Nordseite
gegenüber dem. Programm um etwa iioom vorausgeeilt,
auf der Südseite um etwa 180“ zurückgeblieben war.
Dann trat an der Südseite der Wassereinbruch ein,
der mit einer Menge von rd. 1501/Sek. beginnend allmäh-
lich bis zu 95o>/Sek. anwuchs und wegen des starken
Druckes, unter dem das Wasser in den Stollen eintrat,
zunächst ein weiteres Fortschreiten des Richtstollens an
dieser Stelle unmöglich machte. Der starke Druck und
die niedrige .Temperatur dieses
Wasserzuflusses (14,5 Cels.) liess
erkennen, dass man ein aus grosser
Höhe gespeistes unterirdischesSara-
melbecken angeschnitten habe,
welches Schwierigkeiten bereiten
musste, deren Ueberwindung noch
nicht ganz gelungen ist.*) Ob trotz-
dem Aussicht auch vorhanden ist,
den gewährleisteten Vollendungs-
termin einzuhalten, wird wesentlich
von der Beschaffenheit des noch zu
durchfahrenden Gebirges abhängen.
Seit dem i. Januar 1901 sind auf
der Nordseite im Glimmreschiefer
des Beckens derGanter 2202“Stolien
aufgefahren, was für den Tag einen
Fortschritt von 6,05»» ergiebt, oder
richtiger 6,3® mit Rücksicht darauf,
dass in diese Zeit ein i4tägiger
Streik gefallen ist. Bezüglich der
Südseite kann man vielleicht an-
nehmen, dass wenn die Ueber-
windung der Quellenregion und
Durchfahrung des dort anstehenden
stark drückenden Kalkglimmer-
Schiefers gelungen sein wird, dann
der zu erreichende Fortschritt
grösser sein wird, als er vorher im
Äntigoriengneiss gewesen ist. Durch
die seit dem i. September 1901
im Südstollen angetroffenen Ge-
birgsschichten scheintnämlich nach-
gewiesen, dass im geologischen
Längenprofil hier die Grenze zwi-
schen Äntigoriengneiss und^den dolo*
mitischen und kristallinischen Kalk-
steinen, welche denUebergangzum
Zentralmassiv des Simplen bilden
sollen, unrichtig angegeben ist.
Es vergrössert sich dadurch die in dem aus Gneiss und
Glimmerschiefer vom Monte Leone bestehenden Zentral-
massiv des Simplon zu durchfahrende Strecke auf 8986“.
Dass der tägliche Fortschritt in diesem Gebirge jedoch
liicht das im Arbeitsprogramm für das letzte Baujahr vor-
gesehene Maass von 7“ für den Tag erreichen wird, scheint
jetzt schon mit ziemlicher Gewissheit festzustehen-
Es mag aber für die weitere Berechnung angenommen
werden, dass der m Becken der Ganter erreichte Fort-
schritt von 6,3“ auch im Zentralmassiv des Simplon bei-
behalten werden kann. Seit dem Beginn der Maschinen-
bohrung an der Nordseite, vom i. Februar 1899 bis zum
31. Dezember 1901, sind imganzen 5851 “ hergestellt, was
für I Tag im Durchschnitt eine Leistung von 5,5 “ er-
giebt. Danach erscheint die Annahme der Beibehaltung
der erreichten Leistung von 6,3“ für 1 Tag gewiss nicht
zu ungünstig gerechnet. Andererseits ist aber diese An-
nahme auch wohl nicht zu günstig, denn wenn auch bei
dem Eindringen des nördlichen Stollens in die älteren
.und härteren Gebirgsschichten eine gewisse Erschwerung
der Bohr- nnd Schiessarbeit daselbst wahrscheinlich ist,
so kann doch zugunsten des Fortschrittes damit gerechnet
werden, dass die Leute sich besser eingearbeitet haben,
als es in der ersten Zeit der Maschinenbohrung der Fall
war. Rechnet man unter diesen Annahmen rückwärts
vom II. Mai 1904, dem Vollendungstermin des Tunnels,
4 Monate für die Fertigstellung von Vollausbruch und
Mauerung nach dem Durchschlag des Richtstollens , so
müsste dieser Durchschlag am ii. Januar 1904 erfolgen
und es ständen danach für die Fertigstellung des Richt-
stollens vom I. Januar 1902 an noch 741 Tage zur Ver-
fügung. Mit dem täglichen Fortschritt von 6,3“ könnten
in dieser Zeit von der Nordseite 4668 ® aufgefahren wer-
den, so dass zur Erreichung des Durchschlages im süd-
lichen Stollen noch 4318 “ zu leisten wären. Hierzu sind,
wenn hier ebenfalls ein Fortschritt von 6,3“ für i Tag
angenommen wird, 686 Tage erforderlich; es müsste also
etwa am 24. Februar 1902 spätestens auch im südlichen
Stollen der normale Fortschritt wieder beginnen.*)
Die Störung des normalen Fortschrittes auf der Südseite
begann in Iselle schon Mitte Mai vorigen Jahres, als sich vor
Ort ein starkerWasserzudrang einstellte, der damals aufetwa
150— 2ooVSek. geschätzt wurde und aus einer der Tunnel-
axe scheinbar parallel verlaufenden Gebirgsspalte herzu- ^
rühren schien. Dieser Wasserandrang erschwerte die
Arbeit des Schutterns in hohem Maasse und hatte zur
Anmerkung der Redaktion. Man berücksichtige, dass die
vorliegende Arbeit aus dem Anfang dieses Jahres stammt.
418
Folge, dass die Arbeitszeit für x “ Stollen, welche in den
ersten 4 Monaten des Jahres durchschnittlich 4 St. 38 M.
betragen hatte, auf 5 St. 25 M. anwuchs, indem sich die
Schutterzeit von i St. 14 M. auf 2 St. 3 M. erhöhte (s. die
Tabelle der Ergebnisse). Diese Erschwerung der Schutte-
rung bei dem starken Wasserzufluss nahm aber in den
folgenden Monaten bis zum September, wo nur noch
I St. 29 M. Schutterzeit für i “ Stollen erforderlich war,
wieder ab und nachdem der Stollenort aus dem Antigörien-
gneiss in Kalkschiefer und weiche Marmorschichten ein-
getreten war, trat ausserdem eine Verminderung der
Bohrzeit von durchschnittlich 2 St. 23 M. in den Monaten
Januar bis August, auf i St. 43 M. im Monat September
ein, so dass im September die Gesammt-Arbeitszeit für
1“ Stollen auf 4 St. 15 M. gesunken war. In diesem
günstigen Stadium der Arbeit wurde am 30. September
beim Bohren im Stollen I plötzlich ein erneuter starker
Wasserzufluss angetroffen, der aus dem in der betreffen-
den Attacke zuletzt am linken Stoss gebohrten Sohlloche
unter so hohem Druck und in solcher Menge in den
Stollen eindrang, dass nicht allein das Bohren unterbrochen,
*) Anmerkung der Redaktion. Diese Voraussetzung ist that-
sächlich nicht zugetroffen. Es war aber dem Verfasser augenblicklich
nicht möglich, die ergähizenden Zahletiangaben beizubringen. Er behält
sich daher einen kurzen Nachtrag nach dem derzeitigen Stande vor.
No. 65.
13- August 1902.
sondern auch der Bohrwagen mit Maschinen und Zubehör
im Stich gelassen werden musste.
Man hat dann zunächst, allerdings erfolglos, versucht,
durch Herstellung eines am rechten Stoss angesetzten Bohr-
loches von 130 mm Durchm., welches bis auf eine Tiefe
von 9,2 m schräg gegen den Ort vorgetrieben wurde, die
wasserführende Kluft zu erreichen, um dadurch das Wasser
vom Ort abzuziehen. Nach vielen weiteren Bemühungen
ist es unter Herstellung einer vorläufigen Installation für
elektrische Beleuchtung mit Hilfe einer Akkumulatoren-
Batterie gelungen, wenigstens den Bohrwagen mit den
Maschinen vom Ort zurückzuziehen und einige der dort
vorhandenen Bohrlöcher zu laden. Das Abschiessen hatte
aber ebenfalls keinen Erfolg, so dass man sich genöthigt
sah, die Arbeiten im Stollen I vorerst einzust eilen. ■ -
Um das Wasser aus dem Stollen I nach dem Stollen
II hinüberleiten zu können, stellte man etwa 30“ vom
Ort entfernt eine Traverse her. Ein Versuch, von dieser
Traverse aus einen Parallelstollen vorzutreiben, um durch
diesen das Wasser von der Brust des Stollens I abzu-
ziehen, müsste ebenfalls wegen zu starkenWasserandranges
nach der ersten Attacke aufgegeben werden. Inzwischen
war man im Stollen II, unter starker Behinderung durch
den Wasserzudrang, theils mit Maschinen-,- theils mit -Hand-
bohrung etwa 12 m über die Brust des Stollens I vorge-
drungen, musste aber auch hier die Arbeit vorerst ein-
stellen, als am 7. November offenbar dieselbe Wasserader
wie im Stollen I angetroffen wurde. Die Menge des hier
ebenfalls aTas der Sohle zuströmenden Wassers betrug
950 ySek. und die Temperatur desselben wurde zu 14,5
Cels. gemessen.
Die weiteren Bemühungen, der unerwartet grossen
Schwierigkeiten Herr zu werden, hatten erst Erfolg, als
man nach Herstellung eines Querdammes im Stollen I
dort vor Ort einWasserbecken hergestellt hatte, in welchem
der in den Stollen eintretende Wasserstrahl gebrochen
und damit die Möglichkeit geschaffen wurde, mittels eines
am rechten Stoss angesetzten Ueberbrechens auf er-
höhter Sohle über , die Brust des Stollens I hinaus vor-
zudringen. Nachdem man so auf der höheren Sohle
etwas weiter gekommen war, öffnete man dem Wasser
durch Nachschiessen der Sohle einen grösseren Quer-
schnitt, wodurch es gelang, den Druck so herabzumindern,
dass am 15. November im Stollen I und am 19. November
im Stollen II der Bohrmaschinen -Betrieb wieder aufge-
nommen werden konnte. In der Zwischenzeit wurde ira
Tunnel I eifrig an der Nachführung des Voilausbruches
und der Mauerung gearbeitet und auch in beiden Stollen
die Sohle nachgenommen, welche an einzelnen Stellen
bis zu 2“ zu hoch angelegt war, um nur erst einmal über
die Wassereinbruchstelle hinaus zu kommen.
Am 22. November traf man im Stollen I bei St. 15321
auf einen plastisch weichen Kalk-Glimmerschiefer, in dem
mit Handbetrieb und starkem HoLzeinbait bis zum i.Dezbr.
etwa 5“ Stollen aufgefahren werden konnten. Auf dieser
Strecke stellte sich aber alsbald ein Gebirgsdruck von
bisher nie wahrgenommener Stärke ein, der dazu nöthigte,
die Lichtabmessungen des Stollens auf 2 zu 2“ einzu-
schränken und zum Einbau Hölzer von 40C“ und mehr
zu verwenden. Die Konstruktion des theils aus Lärchen-,
grösstentheils aber aus Eichenholz bestehenden Einbaues
und das Verfahren bei dem Auswechseln der Brust ist
aus der Abbildg. 19 ersichtlich. Während des ganzen
Monates Dezember konnte man auf diese Weise nur 7,5“
Stollen herstellen und war genöthigt, auf dieser Strecke
15 Thürstöcke einzubauen. Anfang Januar bot das Ge-
stein einen , etwas günstigeren Anblick und schien allmäh-
lich in einen gesunden, nicht mehr erweichten Kalk-
Glimmerschiefer überzugehen, so dass man hoffen durfte,
der in so unerwartet heftiger Weise aufgetretenen
Schwierigkeiten Herr geworden zu sein. —
Aus der vorstehenden Darstellung des Baues des
Simplon -Tunnels und aus dem Vergleich mit den vor-
geführten 3 grossen früheren Alpen-Tunnelbauten, nament-
lich auch aus den in Abbildg. 20 wiedergegebenen Ver-
gleichen des Stollenfortschrittes der 3 Tunnel bezw. aus
der beigegebenen Tabelle, in welcher noch 2 weitere
Ausführungen einbezogen sind, ist zu erkennen, dass
abgesehen von der Einführung und Vervollkommnung
der Bohrmaschinen, vor Allem das Bausystem, die Organi-
sation der Arbeit vor Ort und die Einrichtung der För-
derung den Fortschritt des Stollenortes beeinflussen.
Deshalb kann, da weitere Verbesserungen der Bohr-
maschinen während des Simplon-Tunnelbaues kaum zu
erwarten sind, die für' die Einhaltung des Vollendungs-
termines noch erforderliche Steigerung des Fortschrittes,
abgesehen von dem Einfluss der Gebirgsbeschaffenheit,
nur von der Vervollkommnung der Vorortsarbeiten er-
-419
wartet werden. Daraus ergiebt sich aber die Schwierig-
keit der Aufgabe, deren Lösung den Männern obliegt,
welchen die Leitung der Arbeiten anvertraut ist. Diese
Aufgabe wird noch dadurch erschwert, dass die Qualität
des Arbeiterpersonals am Simplon derjenigen bei den
früheren grossen Alpen -Tunneln erheblich nachsteht.
Wenn wir trotzdem sehen, dass am Simplon Leistun-
gen erzielt worden sind, welche vorher kaum für möglich
gehalten wurden, so ist das vor Allem der vorzüglichen
Lüftung zu verdanken, die allein durch das System des
Doppelstollens ermöglicht worden ist. Jeder, der die
Arbeiten an Ort und Stelle besichtigt' und die Verhältnisse
eines beschleunigten Stollenbetriebes bei knapper Luftzu-
führung an anderen Stellen kennen gelernt hat/wird den
Eindruck gewinnen, dass durch das System des Doppel-
stollens die Möglichkeit eröffnet ist, im Tunnelbau an Auf-
gaben heranzutreten, welche bisher als unlösbar galten. —
Aber nicht allein für die Einrichtung der Lüftung er-
weist, sich der Doppelstollen als ein überaus wirksames
Hilfsmittel, auch die Einrichtung der Förderung wird durch
Preisbewerbungen. ;
Zu einem internationalen Wettbewerb betr. den Ent-
wurf eines Wahrzeichens der Weltausstellung von St. Louis
1904 ladet das Direktorium unter Verheissung eines Preises
von 20oo DolIars ein. Dem Preisgerichte gehören 2 Maler,
2 Bildhauer, 2 Architekten und i Historiker an. Der
späteste Ablieferungstermin für New-York ist der 5. Nov.
d. J. Unterlagen sind durch das Berliner Bureau der
Ausstellung, Hrn. Jos. Brückner im Equitable-Gebäude,
zu beziehen. —
Ein Wettbewerb des Arch.- und Ing.-Vereins in München
für seine Mitglieder betraf Entwürfe zu einem Schulge-
gebäude für Wiseth. Es liefen 9 Arbeiten ein, . unter
welchen die des Hrn. Arch. Karl jäger in München den
I,. Preis und die des Hrn. Bauamtsassessor Schachner
in Freising den II. Preis erhielt. —
Wettbewerb Elly-Hölterhoff-Boecklng-Stiftung Honnef.
Es nennen sich uns mehrere Verfasser von.'in' die engere
. Wahl gelangten Entwürfen und zwar für den Entwurf
„am Rhein“ Hr. Walter Solbach in Elberfeld; für den
Entwurf „A bissei sähr ville Arbeet“ Hr. Fritz Epstein
in Kassel; für die Arbeit „Trautes Heim“ die Hrn. Müller
& Weise in Dresden. — .
Wettbewerb Rathhaus Kassel. Verfasser des Entwurfes
mit dem Kennwort „In den Spuren des Brunelleschi“ ist
;Hr. Hans Freude in Görlitz. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Mar.-Schiffbmstr. Harry Schmidt
ist z. I. Okt. 1903 -von ‘Wilhelmshaven nach Danzig, der Mar.-
Schiffbrastr. Wellenkamp z. i. Okt. 1902 von Wilhelmshaven
nach Kiel und der Mar.-Schiflbmstr. Eugen Schmidt vom 1. Okt.
1902 von Kiel nach Danzig versetzt und der kais Werft das. zugetheilt.
Baden. Der Bahn-Bauinsp., Ob.-Ing. Richard Hergt in Offen-
burg ist zum ‘Vorst, der Eisenb.-Bauinsp. das., der Zentr.-Insp.,
Ob.-Ing. Otto Hardung m Karlsruhe z. Vorst, der Eisenb.-Bau-
insp. das. und der Zentr.-Insp-, Bahn-Bauinsp. Otto Hauger in
Gernsbach z. Vorst, der Eisenb.-Bauinsp. das. ernannt.
Der Eisenb.-Ing. Friedrich Wolff in Offenburg ist landes-
herrlich angestellt und dem Prorektor der Techn. Hochschule Karls-
ruhe Prof. Dr. Otto Lehmann ist der Char. als- Geh. Hofrath verlieh.
Dem Reg.-Bmstr., Bahn-Bauinsp. Christian Lehmann in Kehl
ist die etatmäss. Amtsstelle des Bahn-Bauinsp, das., dem Reg.-
Bmstr., Bahn-Bauinsp. Johann Ri egg er bei der Gen.-Dir. der
Staatseisenb. unt. Belassung des Titels Bahn-Bauinsp., dem Reg.-
Bmstr. Heinrich Abele in Durlach unter Verleihg. des Titels
Bahn-Bauinsp. und Belassg. in seiner bish. Verwendg. und dem
Reg.-Bmstr. Hermann Hemberger bei der Gen.-Dir. der Staats-
Eisenb. unter Verleihg. des Titels Hoch-Bauinsp. je die etatmäss.
Stelle eines Zentr.-Insp. übertragen.
Dem Vorst, des masch.-techn. Bür., Reg.-Bmstr. Karl Schmidt
in Kehl ist unt. Verleihg. des Titels Masch.-Insp. die etatmäss.
Amtsstelle des Masch.-Insp. in Offenburg und dem Masch.-Insp. der
Main-Neckar-Bahn, Ob.-Ing. Johann Gugler in Darmstadt unt.
Belassg. des Titels Ob.-Ing. die etatmäss.. Amtsstelle eines Zentr.-
Insp. bei der Gen.-Dir. der Staatseisenb. übertragen. — Der Telegr.-
Verwalter der Main-Neckar-Bahn, Telegr.-Insp. Heinrich Zimmer-
mann in Darmstadt ist unt. Belassg. des Titels Telegr.-Insp. zum
Eisenb.-Ing. der Gehaltskl. i der bad. Staatsver-wltg. ernannt und
ist derselbe der Gen. -Dir., der Eisenb.-Ing. Friedrich Wolff in
Offenburg dem Masch.-Insp. das. und der Eisenb.-Ing., Bahn-Bauinsp.
Wilhelm Fesslet beim Bahn-Bauinsp. i in Offenburg der Eisenb.-
Bauinsp, das. zugetheilt.
PreUSSen. Die Erlaubniss zur.Annahme und Anleg. der ihnen
verlieh, fremdl. Orden wurde erth. und zwar: des kais. persischen
Sonnen- u. Löwen-Ordens II. KI. dem Geh. Ob.-Brth. Schneider,
vortr. Rath im Minist, der öffentl. Arb., des Ritterkreuzes I. Kl. des
herz, sachsen-ernestinischen Haus-Ordens dem Ob.-Brth. bei der
kgl. Eisenb.-Dir. in Erfurt Wilde, des Ritterkreuzes II KL des
herz, braunschweigischen Haus-Ordens Heinrichs des Löwen dem
Geh. Brth. Breidsprecher, betr.-leitend. Dir. der Marienburg-
denselben vereinfacht und wesentlich leistungsfähiger ge-
staltet. Die alte Streitfrage, ob es zweckmässig ist, einen
Tunnelbau mit einem Doppelfördergleis auch im Richt-
stollen auszurüsten, wird hier ganz naturgemäss gelöst
und bietet keinerlei Schwierigkeiten mehr; turz, wir sehen,
dass mit dem jetzt so einfach und natürlich scheinenden
Gedanken, 2 Stollen nebeneinander zu treiben, eine ganze
Reihe von Schwierigkeiten beseitigt ist, deren Ueberwin-
dung nach der alten Methode unmöglich war.
■ Das Verdienst, dies erkannt und mit Energie allen
entgegenstehenden Ansichten gegenüber durchgeführt zu
haben, gebührt aber vor allem dem leider so früh ver-
storbenen Ing. Alfred Brandt aus Hamburg, dessen Bild-
niss in No. 52 beigefügt war. , Es muss uUs deshalb mit
tiefer Betrübniss erfüllen, dass es ihm niicht mehr ver-
gönnt gewesen ist, sein grosses Werk vollendet zu sehen.
Sein Name wird aber für alle Zeiten mit ^diesem; Werke
unlösbar verbünden bleiben. Möge es gelingen, dies Werk
Brandt’s, so, wie es von ihm geplant war, glücklich zu
vollenden! - Hinjmellieber.
Mlawkaer Eisenb. in Danzig, des kais. chinesisthen Ordens des
dopp. Drachen II. Kl. 3. Stufe dem Brth. Hildebrand, Betr.-
Dir. der Schantung-Eisenb.-Ges. in Tsingtau (China), sowie des
Offizier-Kreuzes des kgl. siamesisch. Ordens vom weissen Eleplianten
deniBetr.-Leiter der kgl. siamesischen Staat-sb.S c h n e r r in Bangkok.
Versetzt sind: Die Eisenb. -Bau- u. Betr.-Insp. S a n n o w in
Halle a. S., als Mitgl. (auftrw.) an- die kgl. Eisenb.-Dir. in Erfurt,
Weise in Nakel, als Vorst, der Betr.-Insp. nach Heilsberg und
Mahler in Heilsberg, als Vorst, der Betr.-Insp. nach Nakel, die
Eisenb.-Bauinsp. Kohlhardt in Schneidemühl, als Vorst, der
Masch.-Insp. nach Glückstadt, und Althüser in Düsseldorf, als
Vorst, (auftrw.) der Masch.-Insp. nach Schneidemühl; ferner die
Wasser-Bauinsp., Brth. Thomas von Königsberg nach Minden
Brth. Thiele von Minden nach Kassel, S enger von Emden
nach Leer, Scherpenbach von Ruhrort nach Düsseldorf und
Ott mann von Düsseldorf nach Ruhrort.
Dem früh. Reg.-Bmsh-., jetz. kais. Hoch-Bauinsp. Julius Franz
in Strassburg i. Eis. ist die nachges. Entlassg. aus dem Staats-
dienste ertheilt.
Der Reg.-Bmstr. Phil. Katzen in eier in Hannover ist gestorben.
Württemberg. Befördert auf die Stelle des Vorst, der Masch.-
Insp. Stuttgart ist der Masch.-Ing. Jörg bei dem masch.-techn.
Bür. der Gen.-Dir. der Staatseisenb.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. O. St. in Friedrichshagen. Ihre Sachdarstellung giebt
kein klares .Bild der thatsächlichen Verhältnisse. Scheinbar hat D.
von seinem Grundstück zwei Theile abgezweigt, deren einer vor
7 Jahren an Pr. und deren zweiter an Chr. verkauft wurde. Beide
Trennstücke befanden sich bei der Veräusserung in dem heutigen
baulichen Zustande, was namentlich die Stallung und die Grube,
sowie die Umfassungs- bezw. Trennungs-Mauer anlangt. Ob Chr.
sein Grundstück früher als Pr. das scinige erworben hat, ver-
schweigt die Darstellung, ist jedoch wesentlich. War er bereits
Besitzer, als D. noch das jetzt Pr.’sche Grundstück besass, so
musste er wegen Aenderung des unvorschriftsmässigen Zustandes
der Mauer sich an D. halten, der den sachwidrigen Zustand ge-
schaffen hat. Erwarb er erst nach Pr., so fand er einen säch-
widrigen Zustand vor, den er nicht zu übernehmen brauchte; that
er solches gleichwohl, so muss er jetzt dessen Folgen tragen.
Gegen Pr. hat er kein Klagerecht, weil er durch dessen Handlung
nicht geschädigt ist. Uebrigens würde erst bei Vorlage der Er-
werbsverträge das bestehende Rechtsverhältniss völlig klar zu über-
sehen sein und sicher beurtheilt werden können, welche gegen-
seitigen Rechte und Verbindlichkeiten wirklich bestehen. Wir
rathen Ihnen unter Vorlegung der Erwerbsverträge das Einholen
eines Rechtsgutachtens. — K. H-e.
Hrn. R. & O. in Köln. Die beim Unterfangen eingestürzte
Mauer bildete scheinbar die Scheidewand zwischen den benach-
barten Grundstücken, auf deren jedem sie zur Hälfte stand. Han-
delt es sich nur um ihre Wiederherstellung, so darf sie auf der
bisherigen Stelle wieder errichtet werden. Soll sie jedoch Jetzt
zum Abschluss eines Gebäudes dienen, also zur Giebelwand wer-
den, so brauchen Sie dies nicht zu dulden und können verlangen,
dass der Nachbar mit seiner Giebelwand auf seinem Grundstücke
bleibt, weil das heutige bürgerliche Recht die Errichtung neuer
Gemeinschaften nicht begünstigt. Würde jedoch die eingesttirzte
Mauer gegen die obige Annahme schon früher zu einem Gebäude-
abschluss verwendet worden sein, so stände ihrer Wiedererrichtung
zu gleichem Zwecke das neue Recht nicht entgegen. — K. H-e.
Anfragen an den Leserkreis.
Welche Mittel giebt es, die Niederschläge an Küchen-Haupt-
umfassungsmauern einer Villa im Winter, die hauptsächlich durch
den Umstand, erfolgen, weil die Küche an einer Ecke und so liegt,
dass neben, unter und über derselben nicht geheizt wird, zu ver-
hindern? Diese Umfassungsmauern sind 0,45 m stark. V. in M.
Inhalt: Zur XV. Wauderversammlung des Verbandes deutscher Archi-
tekten- und Ingenieur-Vereine in Augsburg, — Der Wettbewerb zur Er-
langung von Entwürfen für den Bau eines neuen Rathhauses in Kassel. —
Der Simplon-Tunnel, mit Rückblicken auf die Baugeschichte der älteren
Alpen-Tunnel (Schluss). — Preisbewerbungen. — Personal-Nachrichten. —
Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort]. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 65.
420
lEUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN *
«rarststftssstsrftssa:
AUZEITUNG.
GANG. * * N2.- 66. *
DEN i6. AUG.IQ02.
«Ästararstssststsatars:
Berliner Neubauten.
No. 104, Wohnhaus Müller, Bellevue -Strasse 13.
Arch. : Cremer & Wolffenstein in Berlin.
(Hierzu «ine Bildbeilage und die Abbildungen Seite 433 und 435.)
it zu den hervor- besteht, die unter sich im Erdgeschoss durch einen
ragends^en und fein- breiten Gang mit erkerartigera Ausbau verbunden
sind. Es liegen im Erdgeschoss nach vorne die
durch zwei Geschosse reichende, auf grosse Repräsen-
tation angelegte Diele; vor ihr, an der Strasse, das
Arbeits- und das Wohnzimmer des Hausherrn, nach
rückwärts der Speisesaal mit geschlossenem Pflanzen-
hause. Die Diele ist so geräumig angelegt, dass sie
C oll TYl 'l iV.*- -1 — 1.
sten Schöpfungen
der neueren Berliner
Wohnhaus-Architek-
tur, insbesondere des
Einzel -Wohnhauses ,
gehört das vornehme
5 1 e i n in der Bellevue-
Strasse 13, einer der
schönsten Alleestras-
sen der Reichshaupt-
iai bu geräumig angelegt, dass sie
Haus, welches in die- mit einem schmalen, ihr vorgelagerten gangartigen
sem Jahre nach den Vorräum die ganze Breite des Grundstückes einnimmt,
tntwürfen der Arch. Im Obergeschoss liegen nach vorne drei weitere
Cremer&Wolffen- reicher ausgestattete Wohnzimmer, nach dem Garten
Schlaf- und Ankleide-Zimmer. Die Nebenräume, wie
Näh- und Dienerzimmer, Anrichte usw, sind in’ den
Zwischentheilen der Anlage passend untergebracht.
Das hohe Untergeschoss enthält nach vorne eine
Stadt einer Strasse, Wohnung des Hausdieners und Pförtners, eine Küche
welche vom Potsda- mit Nebenräumen, eine Weinkneipe, Kellerräume usw.
Hier Platz zum 1 hier- Im mittleren Theile des Grundrisses befinden sich
garten geht und zu von der Strasse durch eine Einfahrt zugänglich, eiri
dem feinsten Wohn- Wagenraura, sowie Pferdestallungen, Futter- und Ge-
Berlin, schirr-Kammern usw. Das Dachgeschoss enthält eine
geräumiger Zimmer für Dienstboten und für
tel führt, vollendet untergeordnete Zwecke. Der Hauptraum und Mittel-
Punkt des Hauses ist naturgemäss die Diele; in ihr
und in der Fassade schlägt die architektonische Aus-
stattung reichere Akkorde an. Die Stilfassnng des in
weissem Sandstein mit reichem, aber nicht aufdring-
lichem bildnerischen Schmuck errichteten Aeusseren ist
die einer frei aufgefassten französischen Renaissance
mit gothisirenden Einflüssen. Das Vorbild ist offen-
des Hrn. Geh. Ob.- bar die Gruppe von Bauwerken der frühen Renaissance
binanzrathesa.D.W. in Frankreich gewesen, welcher das Schloss von Blois
Müller, eines unyer als hervorragendstes Denkmal angehört. Mit dieserStil-
mählten Kunstlieb- wähl folgten die Architekten einer alten Neigung die
habers, nach dessen sich bei einerReihe früherer Bauten dergleichenGeeend
persönlichen Wün- — -i-- — t . • v, „ » .
sehen es angelegt ist,
wenn auch die An-
lagesich nichtwesent-
lich von den Anlagen tiagtii. J./1C oiciumuLzarueiien Hatten wimmel&Go.
unterscheidet, die bei übernommen; der plastische künstlerische Schmuck
dem feineren Fami- des Aeusseren rührt von Hrn. BDdh. E. Westphal in
lienhause beobach- Berlin her. An dem inneren Ausbau waren betheiligt
tet werden. Die ver- Tischlermeister Bilecki, Schlossermeister G. Franke
wurde und welches
wir in den beistehen-
den Abbildungen so
wie auf einer Bild-
beilage zur Darstel-
lung bringen. Das
Haus ist Eigenthum
.. uci glClCUCllOCgCIJU
findet, es sei an das Haus Löwe in der Bellevue* und
an Haus Pintsch in der Thiergarten-Strasse erinnert. —
Die gesammten Bauarbeiten waren der „Aktien-
gesellschaft für Bauausführungen“ inBerlin über-
tragen. Die Steinmetzarbeiten hatten Wimmel & Co.
.... X i3k.uicimcisLci uiiccKi, ocniossermeister Lf. t rank
hältnissmässig nicht Glasermeister J Schmidt, die Kunstschmiede P Ma
grosse Breiten - Ent- rn«: nnrl Cl/'hiiU Vt 1 j;_ TT- z_t__
grosse Breiten -Ent
Wicklung des Grund-
stückes, die nach
rückwärts sich noch
' vci mujuci 1,, nai zu
einer interessanten Grundrissanlage geführt, die aus
zwei durch einen inneren Hof getrennten Raumgruppen
j Xi in XU t , uxi_ xvuliaiaUiliiiJcUC r. IVi.
cus und Schulz & Holdefleiss und die Kunstglaser
Oetken & Eissing. Die Diele hatten Flatow &
Prieraer, das Speisezimmer Kimbel & Friederich-
sen, das Herrenzimmer Sichert & Aschenbach
-_.xx XXUGII aeu, uas nerrenzimmer äiebert & Aschenbach
vermindert, hat zu übernommen; dieKunstmalereienstammenvonBoden-
stein, die letzteren auch sämmtlich in Berlin.
Die Baukosten haben rd. aöo ooo M. betragen. —
Von der Industrie- und KunstaussteUung in Düsseldorf 1902.
deutscher Port- Eindruck uuf den Laien nicht verfehlen, so ist damit ihre
fand-Cement-Fabrikanten und des „Deutschen Bedeutung doch keineswegs erschöpft. Allerdings kommt
llrH ät. B ij I- A 1, ti'^'denAusstellnngenderMehrzahlderanderenlndustrie-
Düsseldorfer Ausstellung, zweige dem kritischen Beschauer trotz des hohen Standes
übhchen Provinzial- der Durchschnitts-Leistungen und trotz aUer Vortrefflichkeit
Ausstellungenhmanshebt.vorwiegendbest.mmtdurch emzelner Vorführungen doch bald zum Bewusstsein dass
dte Letstnngen auf dem Gebiete der Eisen-, Hütten- und er es eben nur mit den Leistnngerzwete? Provi'nze^^
die nnd des Maschinenbaues, Leistungen, wenn auch der industriereichsten, zu thun hat, und dass
die durch die Grossarügkeit der Vorführungen auch ihren hiernach eine Bewerihung der deutschen Industrie über-
421
haupt auf den betreffenden Gebieten niclit wohl möglich ik.si
Als eine Veranstaltung der deutschen Industrie und als^
ein Maasstab ihrer Leistungsfähigkeit darf jedoch die vom
deutschen Beton-Verein in Gemeinschaft mit dem Ver-
ein deutscher Portland-Cement-Fabrikanten ge-
schaffene, in sich abgeschlossene SonderaussteUung be-
trachtet werden, die eines näheren Studiums werth ist.
„Die Ausstellung soll Zeugniss ablegen von der Sorg^
fält, mit -der deutscher Portland-Cement hergestellt und
geprüft wird, sowie von der Leistungsfähigkeit der deut-
schen Cement- und Betonbau-Industrie; sie soll den Beweis
liefern, dass Beton- undKunststeinbauten in der Vielseitigkeit
derKonstruktions-MöglichkeitendenBautenausNatursteinen.
und andererri Materi^ mindestens ebenbürtig sind, ohne da-
bei in ästhetischer Beziehung hinter jenen zurückzustehen. "
Das ist nach den Worten des trefflichen' Sonder-Kataloges,
der nicht nur die Ausstellung selbst in Wort und Bild vor-
führt, sondern gleichzeitig eine knappe aber vollständige
Uebersicht über die Entwicklung der Fabrikation des
Portlandzementes, seine Prüfung und Verwerthung in den
verschiedensten Zweigen des Bauwesens und über die
Ausbildung des Betonbaues in Deutschland giebt, das Ziel,
das man sich gesteckt hatte. Dass man in sehr geschickter
Weise an die Lösung dieser Aufgabe herangetreten ist,
indem man eine monumentale Anlage von z.Th. bleibendem
Werthe und zwar unter ausschliesslicher Verwendung des
Betons als Baumaterial schuf (abgesehen von den Vikto-
rien auf den Säulen) und diese gleichzeitig als eine Aus-
stellungshalle für die Aufnahme von Apparaten, Modellen,
Zeichnungen, Photographien und kleineren Probestücken
ausgestaltete, haben wir bereits bei Besprechung der
Architektur der Gesammtausstellung erwähnt (vgl. S. 379)-
Wir fügen dem Worte nun noch das Bild hinzu _(S. 424)
indem wir in Abbildg. i einen Ueberblick über die ganze
Anlage (im Hintergrund die Halle des Bochumer Vereins)
und in Abbildg. 2 eine Ansicht der grossen Fahrbrücke
über das untere Wasserbecken wiedergeben. (Im Hinter-
grund links die Kuppel des Kunstausstellungs- Palastes,
rechts der Pavillon des Hörder Bergwerks-Vereins).
Nicht weniger als 16 verschiedene Zement-Baufirmen
haben zusammengewirkt, um das Bauwerk erstehen zulassen.
Der Kern der Anlage ist in den seitlichen Hallenbauten
von Hüser & Cie. in Oberkassel, im Mittelbau einschl. der
Kaskaden von Dücker & Co. in Düsseldorf hergesteilt.
Die Hinterwandungen sind dabei als Stützmauern ausge-
biidet, die Fassaden einschl. aller Gliederungen und Ver-
zierungen in der Schalung eingestampft und dann vom
Steinmetzen und Bildhauer nachgearbeitet. Die Decken der
Hallen hat W ayss&Freytag, A.-G.,Neustadt a. d. Haardt, in
12 verschiedenen Formen in Stampfbeton meist mit z.Th. auch
ohne Eiseneinlage erstellt (Modelle erläutern die Ausführung).
Sie tragen in rd. 8 “Länge ohne Unterstützung frei. Als
Belastung einschliesslich Abgleichung und Aufschüttung sind
850 kg/q“ angenommen. Es ergaben sich dabei Höchstfjres-
sungen von 3okg/qcni für den Beton, loookg/qcm für das Eisen.
DieFreitreppen vom oberen Plateau zu den unteren Wandel-
gängen sind in Granitnachahmung von J. S i m 0 n i s , Köln, die
8“ breiten zum Rheinufer herabführenden Treppen von
Ostermann & Co. in Rotthausen in sehr hartem Zement-
Quarzstein gebildet. In beiden Fällen hat eine Nach-
arbeit äurch den Steinmetzen stattgefunden. Treppenstufen
sind .ausserdem von Schulte- Oes tri chinHochlarb.R-e ck-
linghausen geliefert, desgl für den Säulenunterbau von Neu-
bau s & L amb a r t in Hagen. Ueber das untere W asserbecken
führt eine von Dyckerhoff & Widmannin Biebrich a.Rh.
hergestellte Fahrbrücke von 30“ Spannweite, auf die wir
noch später zurückkommen, während dicht an den Kas-
kaden von der A.-G. für Beton- und Monierbau in
Berlin, eine aus Koenen’schen Voutenplatten von 3, 4 und
3“ Stützweite gebildete Fussgängerbrücke errichtet ist.
Die Platten sind 10 cm stark, auf ihnen ruht ein 3 «“ star-
ker Zementestrich als Gehbelag. Die Belastung ist zu
400 kg/qm angenommen. Die Fahrbrücke ist mit Zement-
makadam auf dem 13,5 “ breiten Fahrdamm durch die
Grabower Cementstein-Fabrik „Comet" in Stettin
abgedeckt. Auf 15 cm starker Betonunterlage ruht der
6 c“ starke Zementmakadam, der nach dem verbesserten
Jantzen’schen Verfahren durch seitliches Anstampfen her-
gestellt ist. Die Bürgersteige sind mit Granitoi'dplatten
derselben Fabrik belegt. Die 25/25 cm grossen, 5 cm star-
ken Platten, die aus Beton unter Beimischung von Granit-
brocken unter hohem Druck hergestellt werden, haben
sich an anderen Orten (z. B. in Berlin am Leipziger
Platz) als dauerhaft und wetterbeständig gut bewährt.
Erwähnt sei hier gleich, dass Fussbodenbeläge in ver-
schiedener Ausführung in den Hallenbauten zu finden
sind. Zementfliesen sind von H. Reinarz in Heerdt bei
Neuss, von der Leipziger Zementindustrie Dr. Gas-
pary & Co. und auch von Hüser & Cie. hergestellt.
Besondere Beachtung verdient der Aufbau der beiden,
von Viktorien (von Fecht in Oberhausen getrieben) be-
krönten Säulen mit einer Gesammthöhe von 35“, die
auch später erhalten bleiben sollen. Bei der exponirten
Stellung dieser Säulen ist ein Winddruck von 150 kg, qm
(also mehr als im aUgeraeinen bei Schornsteinen verlangt
wird) zugrumie gelegt. Sie ruhen auf mächtigen, mit einem
Rost aus I-Trägern verstärkten Betonplatten von 13“ im
Quadrat und 1,40“ Stärke, die durch den aufgeschütteten
Kies bis 5,5“ herabgeführt werden mussten. Der Bau-
grund erhielt dabei eine Pressung von nur 1,5 kg/qcm. Auf
dem Fundament erhebt sich bis 8“ über dem Hochufer
der unten quadratische, oben 8-eckige Sockel, durch den
man in die besteigbaren Hohlsäulen eintreten kann. Diese
haben eine Schaftlänge von rd. 16“, sind unten 2,15,
oben 1,80 “ im‘ äusseren Durchmesser stark und tragen
ein 5,5“ hohes bis 1,10“ ausladendes Kapitäl. Die An-
griffsfläche des Windes ist also eine sehr erhebliche, da-
her auch die Vorsicht bei der Berechnung. Für das Ma-
terial des Sockels und des unteren, mit ihm zusammen
gestampften Schaftes ist ein Mischungsverhältniss von
I Zement auf 7I/2 Rheinsand bezw. Kies gewählt. Die
Schäfte selbst sind aus 10 <=“ starken, in Formen herge-
stellten, mit Eisen armirten und i “ hohen Ringen gebildet,
die im Inneren die Mischung 1:5, an der 2 cm starken
Haut von i : 2 aufweisen. Die .Ringe sind 30 c“ stark
hinterstampft im Mischungsverhältniss i : 10. Auch hier
ist Eisen eingelegt. Gegen Ausblühen infolge der nach-
träglichen Einbringung der feuchten Hinterstampfung sind
die Hinterflächen der Ringe mit Goudronanstrich versehen.
Die Pressung in den Säulenschäften übersteigt 10 kg/qcm
Augsburg in kunstgeschicbtlicher, baulicher,
industrieller und hygienischer Beziehung.
(Festschriften den Theilnehraern an der 15. Wanderversammlung des
Verbandes deutscher Arch.- und Ing.-Vereine gewidmet von der Stadt
Augsburg, den dortigen Fachgenossen und der Grossindustrie.)
ffl,ie jedes 2. Jahr wiederkehrenden Wanderversamm-
lungen des Verbandes deutscher Architekten- und
Ingenieur-Vereine haben den schönen Brauch ge-
zeitigt, den Theilnehmern als bleibende Erinnerung eine
von dem ortsansässigen Vereine der Stadt, welche der
Versammlung gastlich ihre Thore öffnet, verfasste Fest-
schrift zu überreichen. Diese Festschrift giebt eine Dar-
stellung von der Entwicklung des Bauwesens der betr.
Stadtgemeinde, in . geschichtlicher und technischer Bezie-
hung, ihres Verkehrswesens, ihrer Industrie, kurz ein ab-
gerundetes Bild von den Leistungen der Stadt auf tech-
nischem und künstlerischem Gebiete, wie es durch einen
Aussenstehenden sonst nur durch eingehendes, mühsames
Studium gewonnen werden kann. Diese Werke bilden
daher ein ausserordentlich werthvolles Material für die
Kenntniss der Entwicklung unserer deutschen Städte ;
ihre auf der freiwilligen Thätigkeit der Mitglieder beru-
hende,Bearbeitung stellt aber so hohe Anforderungen nach
verschiedener Richtung an die Vereine, dass sie nur noch
durch grössere Vereinigungen geleistet werden kann. Um
so erfreulicher ist es daher, dass auch in Augsburg die
Festschrift nicht fehlen wird. Die Stadtgemeihde selbst
422
ist in diesem Falle in hochanerkennenswerther Weise in
erster Linie für den Verein eingetreten, ein Beweis einer-
seits für die Werthschätzung, welche das Bauwesen und
seine Vertreter in Augsburg gemessen, ein Zeugniss ande-
rerseits von dem guten Einvernehmen zwischen Verein
und Stadtgemeinde. Mitglieder des Vereins sind es aller-
dings wieder, welche die Hauptarbeit geleistet haben, und
zwar an erster Stelle der städtische Oberbaurath, Fritz
Steinhäusser, mit seinen städtischen Ingenieuren.
Das vornehm ausgestattete, in deutschen Lettern vor-
trefflich gedruckte Werk^ enthält 139 Grossquart-Seiten
Text, 6 Pläne und Karten ^) und eine Anzahl guter Ab-
bildungen von ausgeführten Bauwerken, theils Autotypien,
theils Strichätzungen.
Eine frische DarsteUung über „Augsburgs Stellung
in der Kunstgeschichte von seiner Gründung bis
Ende des 18. Jahrhunderts" aus der Feder Stein-
häussers eröffnet das Werk. Ein Bild glänzender Ver-
gangenheit , reichen künstlerischen Schaffens wird vor
uns entrollt. Von der Römerzeit, als Tacitus die „Augusta
Vindelicorum" 'als die „splendissima colonia Rhaetiae“ be-
zeichnen konnte,, einer Zeit, der Augsburg neben seiner
günstigen Lage seine trefflichen Strassenverbindungen nach
dem Norden und Süden, dem Osten und Westen und da-
1) ' „Augsburg in kuQStgescbichtUcIier, baulicher und hygienischer Be-
ziehung“. Druck der Kgl, Bayerischen Hofbuchdruckerei von Gehr. Reichel
in Augsbu^.
2) Z.Th; aus der lithographischen Anstalt' von G.Stempfle -in Augsburg.
No. 66.
nicht. Die Kapitale sind tlieils aus Ringen, theils aus
4 Theilen zusammengesetzt. Der gesammte Säulenaufbau
stammt von der Firma L i e b o 1 d & C i e., A.-G. in Holzminden.
Es erübrigt noch, auf die architektonische Behandlung
des Ganzen einzugehen. Die Ballustraden, welche auf den
Hallenfronten errichtet sind, stellte die Firma Carstanjen
& Co. in Duisburg in einer dem Zementkunststein ähn-
lichen Ausführung her, während die grosse Centauren-
gruppe, der architektonische Unterbau der beiden Säulen
nebst den Aufbauten über den Halleneingängen ein Werk
werthe und lehrreiche Vorführung handelt, die für die
Portlandzement-Industrie und die • ausführenden Firmen
ein Zeugniss hoher Leistungsfähigkeit ablegt. —
' Nun zu dem Inhalt der Ausstellung selbst. Sie zählt
neben dem Verein deutscher Portland-Cement-Fabrilcanten,
der eine reichhaltige Sammlung von Prüfungsapparaten
verschiedenster Art ausstellt, noch 17 Zementbaufirmen,
von denen ein Theil zu den oben genannten gehört.
Wir beginnen mit der Ausstellung der Firma Dycker-
hoff & Widmann in Biebrich am Rhein, als der ältesten
der Firma E. S ch wenk in Ulm a. D. sind. Die täuschende Firma, die zuerst den Betonbau m grösserem Maasstabe
Nachahmung natürlichen Gesteins, Sandstein- und Marmor- aufnahm. Sie wurde 1865 in Karlsruhe gegründet und
Imitationen, beruht auf der Verwendung aus natürlichen, besitzt jetzt ausserdem selbständige Fabriken in Biebrich,
wetterbeständigen Gesteinen hergestellter Sande, welche Dresden-Cossebaude und Nürnberg. Sie beschäftigte im
der oberen Haut, zugesetzt werden. Das etwas zu gross Jahre 1900 eine Zahl von 2500 Arbeitern. Das Gebiet der
hergestellte Stück wird dann vom Steinmetzen wie Werk- Firma ist die Anfertigung von Zementwaaren aller Art, Aus-
stein überarbeitet. Ein anderes, billigeres Verfahren wen- führung. von Hochbauten, vorwiegend aber von Ingenieur-
det die Firma Brenzinger & Co. in Freiburg an, welche Bauten. Sie theilt mit dem Verein deutscher Portland-
verschiedene Figuren und Ornamente an dem Bauwerk Cement-Fabrikanten die vom Rhein her gesehen rechts
herstellte. Sie behandelt die geformten Stücke nach- liegende Halle. Ausserdem hat sie einige grössere Aus-
träglich mit Salzsäure, um der Oberfläche den Anschein stellungs- Gegenstände im Freien untergebracht. Einen
des Sandsteins zu geben. hervorragenden Theil ihrer Ausstellung bildet schliesslich
Es geht aus dieser Schilderung der Anlage und der die das Wasserbecken überspannende kühn gewölbte
bei ihrer Herstellung angewendeten Ausführungs -Ver- Fahrbrücke (Abb. 2, S. 424). Die etwas schiefe Brücke be-
fahren hervor, dass es sich um eine sehr bemerkens- sitzt eine Lichtweite von 30,13 “ zwischen den Wider-
lagern. Das Gewölbe enthält Schei-
tel- und Kämpfergelenke von Granit.
KELLER. ERDGESCHOSS^ ^.OBERGESCHOSS. Spannweite zwischen den
^^3 Kämpfergelenken stellt sich auf
1 BALKON 1 ' 1 28,022 “, sodass bei 2“ Pfeil das
1 ' 1 1 . 1 Pfeilverhältniss nur Vu beträgt,
wEiM- I [ I PFLAN- siTZPL. I 1 das Bauwcrk steht ulso hierin Unter
KNEIPE |s™l I 1 scH^LAF , ' dcH neuzeitlichen Ausführungen
___ ' 1 ] . r ■ ' j unerreicht da. (Die 1805 vollendete
WEIN Küche I I . I ankl.-| schl.- I Brücke über denLoing beiNemours
I I SPEISE-SAAL I y ; I hatte ein Pfeilverhältniss von nur
B■ I [ II I p j — k1 1 : 17, die 1772 erbaute von Pontoise
■ j -jj L I • 13,5- Beide haben nicht lange
J ’ bestanden. Seitdem ist ein Ver-
; I 'i i hältniss von 1 : 10 bis höchstens
''■■-'-''M ^ 'I 1 : II nicht mehr überschritten
' = [ ^51 I worden.) Das Gewölbe hat eine
\ I hll DiE-l Scheitelstärke von 0,65, eine Kämp-
'u< 1 fiUn NER „ 1 ferstärke von 0,70“ und eine grösste
Stärke der nach der Stutzlinie ge-
r’ n ' I I formten Bogenhälften von 0,85
= J I I I Das Mischungsverhältniss war i Th.
K DIELE I 1 DIELE 1 Zement auf 4 Kiessand, 4 Stein-
o J I =1 I schlag. Die grösste Beanspruchung
^ J 1 bei ungünstigster Laststellung stellt
slch rechnensch auf 47 Da
I ^ I I Q die Druckfestigkeit der Gewölbe-
ÄooriT t\ n I Betonmasse nach V? Jahr -zu
^=| U I H 1-1 278'^g/‘i‘^“ festgesteUt wurde, so ist
' I 1 I ^ also im ungünstigsten Falle noch
r ' ^ 1 "!' ■ nahezu 6 fache Sicherheit vorhan-
li. # \ / den. Bei dem kleinen Pfeil und
y , , . , ^ , -ip dem tiefliegenden tragfähigen Bau-
grunde (5 “ unter Uferstrasse) ha-
, Wohnhaus Müller,. Bellevuestr. in Berlin. Arch.: Cremer & Wolffenstein in Berlin. Widerlager eine erhebliche
-mit z. Th. die Grundlage seiner späteren Bedeutung als
Handelsempore Süddeutschlands verdankte, werden wir
durch die Wirren der Völkerwanderung, die Kämpfe mit
den Hunnen, die hier im Jahre. 955 endgiltig aufs Haupt
geschlagen wurden, durch das frühe Mittelalter in die
Glanzzeit Augsburgs geführt, in die Zeit der Fugger und
•Welser, als alle -Künste herangezogen wurden, um die
Prachtliebe des reichen Kaufmannes zu. befriedigen, als
sich die Fassadem der öffentlichen Gebäude und der Häuser
der Bürger mit Fxesken bedeckten: und der Ruf des „gol-
denen“ Augsburg von wenigen anderen Städten erreicht
wurde. Diese Prachtliebe Klommt auch noch zum Aus-
druck zu- einer Zeit, als Augsburg nur noch, an dem Ruhme
seines Reichthums zehrte, als Elias Holl auch in der Archi-
-tektur der Renaissance, die das Kunstgewerbe schon längst
beherrschte, deii Weg öffnete und das Rathhaus®) mit
•seinem „goldenen Saal“, den Fürstenzimmern schuf, als
der Augustusbrunnen-^), der Merkur- und Herkules-Brunnen
durcb Adrian- de Vries errichtet wurden. Eine letzte Nach-
blüthe erhielt dann Augsburg in der Zeit des Bafock.;
wieder findet eine weitgehende Umgestaltung der Bau-
werkestatt, die schon einmal eine solche erfahren mussten,
-als die Renaissance ihren Siegeslauf nahm, und so kommt
es, dass die wichtigsten Strassen der Stadt jetzt noch Vor-
wiegend den Charakter dieser letzteren bedeutenden Bau-
periode tragen. In den Rahmen der Betrachtungen sind aber
8^ Vei^L Abbildung in No. 52. *) Vergi. Abbildung in No. 65.
16. August 1902.
neben der Baukunst auch die Malerei, die Bildhauerkunst
und das Kunstgewerbe, das in Augsburg im Mittelalter in
besonders hoher Blüthe stand, einbezogen. Abbildungen
älterer Bauten, an denen Augsburg, trotzdem es jetzt vor-
wiegend den Charakter einer modernen Industriestadt an-
genommen hat, keinen Mangel besitzt, sind, abgesehen von
einem Bilde des Rathhauses, nicht aufgenommen. Es ist
das wohl geschehen, weil der Augsburger Verein seiner-
seits den Gästen, ein Lichtdruckalbum mit Aufnahmen der
hervorragenden Bauten stiften wird, auf das weiterhin
noch näher eingegangen wird.®)
Die weiteren Abschnitte des Werkes geben ein Bild
des neuzeitlichen Augsburg. Vorangeschickt ist eine kurze
Darstellung der Oberflächengestaltung und derUntergrund-
Verhältnissevomstädt. Vermessungsingenieur Zech und der
hydrographischen V erhältnisse vom städt. Ob. -Ing. M a i c hl e.
interessant sind die Angaben über die Wasserkräfte-der
Stadt, die zumeist dem Lech und der Wertach, z. Th.
kleineren Bächen entnommen werden und durch ein weit
verzweigtes Netz, von Kanälen, welche die bedeutende
Länge von 60,8 ^“ besitzen, den Triebwerken zugefühft
werden; Insgesammt werden so 12.581 effektive P. S. ge-
wonnen. Diesen billigen Wasserkräften verdankt Augs-
burg zum nicht geringen Theile den Aufschwung- seiner
Industrie.
.Einen weiteren Abschnitt bilden die städtischen Ver-
}) Öea Aufaahmen zu dieser Festfafae sind die Abbildungen io
No. 65 'nachgebildet. ’ -
'423
Abbildg. 3 u. 4. Chemnitzthal- Viadukt.'
Länge erhalten müs-
sen> nämlich 13“ in
Höhe der Fundament-
sohle. Sie sind in einem
Mischungs-Verhältniss
von I Z. zu 7 K. zu
7 Kiessteinen herge-
stellt, während die
durchbrochenen Ge-
wölbezwickel 1:6:6
Mischung aufweisen.
Die Druckflächen an
den Gelenkquadern
sind in fetter Mischung
I Z. zu 3 K. zu 3 fei-
nem Steinschlag aus-
geführt. Die Gelenk-
fugen sind offen ge-
lassen und mit losen
Zinkblechstreifen und
doppelter AspbaUfilz-
Jage überdeckt. Bei der
Probebelastung durch
Erdschüttung, die der
ungünstigsten Belas-
tung durch eine 27 *
schwere Dampfwalze
und 450 kgyqm Men-
sch en ge drän ge ent-
sprach, wurde nur eine
Scheitelsenkung von
1,235 ““ wag- Abbildg.
rechte Verschiebung
der Widerlager von
0,6775““! mit Bauschinger’schenMessinstrumenten, die Ab-
lesungen bis zu Vöoo“® gestatten, durch Prof. Rudeloff
in Charlottenburg lestgesteilt.
Aus dem Gebiete des Brückenbaues hat die Firma
ferner ausgestellt in Modellen, Zeichnungen und Photo-
graphien den Fluth-
viadukt der Eisenbahn-
Elbbrücke in Dresden,
den Chemnitzthal- Via-
dukt und die Vestner-
thorbrücke i.Nürnberg.
Die erstgenannte Aus-
führung ist 1894/96 für
die königl. sächsische
Sta'atseisenbahn - Ver-
waltung bewirkt und
steht seit 1900 in Be-
trieb. Der 200“ lange,
4-gleisige, 18,6 “ breite
Viadukt, der in einer
Krümmung von 350 “
Halbmesser liegt, ist
vollständig in Stampf-
beton hergestellt, in
den Stirnen jedoch mit
Sandstein verkleidet.
Der Viadukt besitzt 5
Oeffnungen zuje3i,5®,
I zu 1^6 “ Spw. mit
einem Pfeilverhältniss
von etwa Vs- Die Lai-
bung ist nach einem
Korbbogen gekrümmt,
in der Ansicht jedoch
durch Kuhhörner in
einen Stichbogen'über-
geführt. Die Bögen
besitzen 3 Gelenke
Köpcke’scher Ausfüh-
rung, d. h. mit konvexen bezw. konkaven Druckflächen der
Gelenk- und Auflagerquader, die hier übrigens ebenfalls in
Stamplbeton hergestellt sind. Diese Gelenkquader, deren
Zulässigkeit durch längere Versuche in der Versuchsanstalt in
Charlottenburg festgestellt wurde, sind in besonders sorg-
1. Gesammt-Uebersicht der Beton-Ausstellung.
Architekt: A. Bender in Düsseldorf.
424
No. 66.
fälüger.WeisemFormenundimMiscliunesverhältmssiZ.zu der Gewölbemischung ist durch Probekörper auf 172, 197
2V2 Kiessand zu 2^/2 Steinschlag ausgeführt. Die Gelenke 272, 290 kg/qcm nach 4 bezw. 13 Wochen und i bezw’
besitzen Berührungsflächen von 14— 20 cm Breite und er- 3 Jahren ermittelt worden, sodass also von Anfang an
halten auf denselben Pressungen, die für iqcm zwischen fast 8-fache, schliesslich fast 13-fache Sicherheit vorhan-
T43 bis 204 schwanken. Die Gewölbe selbst sind in den war. Die Pfeiler sind in einem Mischungsverhältniss
von 1:6:8, die Funda-
mente schliesslich in i : 7 : 9
ausgeführt.
Die Vestnerthor-
B rücke in Nürnberg ist
insofernbemerkenswerth,
als es sich hier um Her-
stellung von kegelförmi-
fen Gewölben handelte.
ür solche in Haustein
nur sehr schwierig, in
Ziegeln überhaupt nicht
auszuführende Gewölbe-
formen, ebenso wie bei
den schiefen Brücken
zeigt sich der Stampfbeton
den anderen Materialien
ganz besonders überlegen.
EinebedeutendeBrücken-
ausführung war die 1898
bis 99 bewirkte Herstell-
ung des Chemnitzthal-
Viaduktes, einer Eisen-
bahnbrücke im Zuge der
Linie Kieritzsch - Chem-
nitz, die in 370,5 Länge
und 17m Höhe das Thal
mit 4 Oeffnungen von je
27,9, mitöOeffnungen von
je 26,65 tmd mit i Oeffnung
von 43,10“ Spw. über-
schreitet. Nach je 3 Wöl-
bungen ist ein Gruppen-
pfeiler eingeschaltet. Die
ßogenform ist der Korb-
bogen. Der grosse Mittel-
bogen hat eine Scheitel-
stärke von 1,10, eine
Kämpferstärke von 1,25,
und eine grösste Stärke
im gefähriichsten Quer-
schnitt von 1,5m. Alle Bö-
gen haben 3 Gelenke aus
Granitquadern, die auf
der II— 12 cm breiten Ge-
lenkflächePressungen von
rd. 3ookg/qcm aufzuneh-
men haben. Die Press-
ungen im Gewölbe kamen
auf höchstens 28,5
bei einer Mischung von
I Zement auf 4 Kiessand
und 4,5 Steinschlag. Probe-
würfel von 40 c“ Kanten-
länge zeigten nach 13
Wochen eine Druckfestig-
keit von 2^kgyqcm bei Ein-
tritt von Kissebildungen,
während sie nach i Jahr
selbst bei 311 kg/qcm Be-
lastung rissefrei blieben.
Unsere Abbildg. 3 zeigt
die Ausbildung der Lehr-
gerüste und der Laufge-
rüste für eine der gros-
sen Seitenöffnungen, wäh-
rend Abbildg. 4 die im
Juni igor vorgenommene
Probebelastung mit 5 Lo-
komotiven von 42 t Ge-
wicht zeigt. Bei dieser
Belastung wurde in der
Ruhe im Scheitel des gros-
sen Gewölbes eine Sen-
kung von 0,8““, bei lang-
samer Fahrt eine solche
Wohnhaus Müller, Belleyuestr. 13 ln Berlin. Arehitekten: Cremer S Wolffenstein in Berlin ™n 0,2-0, 6»« gemessen,
■ uei schneiJer rahrt der
5 Maschinen ergaben sich
Seitenschwankungen am Scheitel und Kämpfer von je
0,25 “m nach beiden Richtungen. Imganzen hat die Firma
von 1880 — 1901 für Strassen- und Eisenbahnbau 24 Brücken
in Deutschland und Hollapd ausgeführt. Die mittlere Span-
nung des Chemnitzthal -ViaduKtes ist dabei die grösste.
einer ziemlich mageren Mischung von 1:5: 6^U ausgeführt
und erhalten dementsprechend nur eine verhMtnissmässig
geringe grösste Pressung von 23 kg/qcm. Die Bogenform
ist dabei wieder der Siützlinie angepasst, sodass keine
Zugspannungen entstehen können. Die Druckfestigkeit
16. August 1902.
425
Ein reiches Feld'der Anwendung Hat'sich der Beton-
bau in der Ueberwölbung von Wasserläufen inner-
halb von Stadtgebieten erobert. Von 12. Bachüberwölbun-
gen, die in dem oben genannten Zeiträume mit fast 6^“
Gesammt -Länge hergestellt wurden, sind einige Zeichnungen
und Modelle vorgeführt.
Die Herstellung von grossen wasserdichten Stampf-
beton-Behältern ohne jede äussere Dichtung für
Wasserwerke ist in Deutschland zuerst von der Firma
mit dem Bau des 4500 cbm fassenden Hochbehälters der
Stadt Wiesbaden im Jahre 1882 eingeführt worden. Eine
solche Ausführung erschien damals noch als ein Wagniss.
Ihre Bewährung hat Veranlassung zu zahlreichen Aus-
führungen dieses Gebietes gegeben. Als grösste und
reichste Ausführung dieser Art ist der 1900/1901 für die
städtischen Wasserwerke von Berlin zu Lichtenberg mit
iSsoQcbin Inhalt errichtete Behälter hervorzuheben. Die
Betonmischung der 50 cm starken Sohle und der Wände
ist sehr sparsam, i Zement, 7 Kiessand, 9 Steinschlag,
trotzdem ist vollkommene Wasserdichtigkeit erzielt.
Die Einfachheit der Herstellung hat den in Stampf-
beton ausgeführten Gasbehälter-Becken, seitdem Ende
der 70 er Jahre die erste Ausführung dieser Art von der
Heübronner Baugesellschaft bewirkt worden war, mehr
Mittheilungen aus Vereinen.
Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin. Die unter Vors,
des Oberstleut. a. D. Buchholtz abgehaltene Maisitzung
wurde mit einer Gedächtnissrede auf Wirkl. Geh. Ob.-Brth.,
Streckert eröffnet. Aus der darauf folgenden Neuwahl
eines i. Vorsitzenden ging der bisherige 2. Vorsitzende
des Vereins, Oberbau- und Ministerialdir. Schroeder, als
einstimmig Gewählter hervor. Dann folgte ein durch
zahlreiche Lichtbilder erläuterter Vortrag des Hauptmanns
Engels über Selbstfahrwes.en. Hierunter wollte der
Vortragende alles verstanden wissen, was mit. dem
mechanischen Betrieb unmittelbar auf der Strasse laufen-
der Fahrzeuge zusamraenhängt. Er schilderte nach Kenn-
zeichnung der Hauptunterschiede zwischen Strassen- und
Eisenbahn-Betrieben die Eigenart der Gasselbstfahrer im.
•Vm-gleich zu derjenigen von Dampf-Selbstfahrern. Elek-
trische Selbstfahrer wurden nur kurz erwähnt. Selbst-
fahrer-Omnibusse (Gas- oder Dampf-Selbstfahrer) und
Selbstfahrer -Züge (Dampf -Selbstfahrer mit einigen An-
hängewagen) hält der Vortragende auf Grund der mit
ihnen während der letzten 2 Jahre gemachten Erfahrungen
in ihren neuesten Konstruktionen für geeignet, in solchen
Fällen ziir Einrichtung von Personen- und Güterverkehrs-
Betrieben zu dienen, in welchen th-ierischer Betrieb un-
wirthschaftlich oder undurchführbar, Kleinbahn- oder
Eisenbahn-Betrieb noch nicht lohnend, ist.
Nach den Ausführungen des Vortragenden- müssen
solche Selbstfahrer-Betriebe, welche- auch militärische Be-
deutung besitzen, vortreffliche und nur geringem Wagniss
unterworfene Vorläufer für Kleinbahnen oder Eisenbahnen
namentlich in unseren der Aufschliessung- harrenden Kolo-
nien abgeben. Sie erfordern keinen- grossen erstmaligen
Kapitalaufwand, lassen sich den vorhandenen Verkehrs-
grössen leicht anschmiegen und ermöglichen, das Auf-
schliessen ganzer Flächen im Gegensatz zu den an ihre
und mehr' den Vorzug vor den gemauerten gegeben. 'Von
den verschiedenen ausgestellten Plänen seien nur die von
-der Stadt. Gasanstalt II zu Charlottenburg genannt. Der
1896 erbaute Behälter hat 57 “ Durchmesser bei 8,85“»
Höhe der Beckenwandung. Die Sohle besteht hier -aus
einer Mischung 1:7:9, die Wand aus 1:6:8. Die Sohle
ist. als umgekehrtes Gewölbe ausgeführt, um dem Druck
des Grundwassers bei leerem Behälter zu begegnen.
Es würde zu weit führen,, auf alle ausgestellten Ge-
fenstände der Firma einzugehen. Es sei daher nur noch
ingewiesen auf die ausgedehnte Anwendung des Stampf-
betons in der Kanalisation zur Herstellung von Rohren
und Kanälen kleinen Querschnittes, die in Formen in der
Fabrik fertig gestellt werden und denen grösseren und
grössten Querschnittes, die schliesslich die Gestalt der
Bachüberwölbungen annehmen, die in der Baugrube an
Ort und Stelle eingestampft werden. Auf dem ersteren
Gebiete hat die Firma seiner Zeit das heutige Verfahren
geschaffen, in dem sie. die Einstampfung der halbfeuchten
Masse anstelle der Ausfüllung der Form mit breiiger
Mischung setzte. Erst durch dieses Verfahren ist es der
Zementwaaren-Industrie möglich geworden, sich ein so
ausgedehntes Absatzgebiet zu erwerben. —
(Schluss folgt.)
Linie gebundenen Eisenbahnen. Vereinzelt liegende, ver-
kehrsarme Kulturstätten, sowie natürliche oder künstliche
Produktionsgebiete, welche entweder nur auf kurze Zeit,
oder alljährlich wiederkehrend, jedesmal höchstens einige
Monate lang und in bescheidenen Grenzen verkehrsbe-
dürftig sind, lassen sich durch derartige Betriebe am
besten an den Weltverkehr anschliessen. —
Vermischtes.
Die Form der Verzeichnisse der Kunstdenkmäler der
preuss. Provinzen war Gegenstand einer zweimaligen Be-
rathung, welche auf Anregung, des Hrn. Geh. Reg.-Rath
Hans Lutsch im preuss. Kultusministerium stattfand und an
welcher ausser dem Genannten als Vorsitzenden theil-
nahmen die Hrn. Reg.-Bmstr. E. Blunck, Prof. R. Borr-
mann, Prov.-Konserv. Büttner, Privatdoz. Dr. Gold-
schmidt, Brth. P. Graef, Privatdoz. Dr. Haseloff,
Arch. Albert Hofraann, Prof. G. A. Meyer, Prof. Pallat,
Brth. Fr. Schultze, Stadtbauinsp. Stiehl, Prof. P. Walle,
Oberpfarrer D. Wernicke, Prof. Wölfflin, Prof. Dr.
Clemen und Prof. G. Voss. Die Berathungen erstreckten
sich auf die zeitlichen Grenzen der zu verzeichnenden
Gegenstände, als welche die vorgeschichtliche Zeit einer-
seits, andererseits das Jahr 1870 angenommen wurde. Hin-
sichtlich der Be sitz Verhältnisse der Gegenstände wurde
beschlossen, dass das Verzeichniss alle grösseren und
kleineren öffentlichen und privaten Sammlungen sowie
den Einzelbesitz von anerkanntem künstlerischem Werthe
zu berücksichtigen habe. Die Berathungen berührten
ferner die Stoffsammlung, die Denkmäler - Be-
schreibung, die zusammenfassenden geschichtlichen
Darstellungen, die Art der bildlichen Wiedergabe
der Gegenstände, die Behandlung der Karten und der
Inhaltsverzeichnisse, sowie in buchtechnischer Be-
ziehung das Format der Verzeichnisse, die Wahl der
kehrsanlagen. Strassen und Plätze, Brü.ckenbauten, Garten-
anlagen und Alleen, Entwässerung., elektrische Strassen-
bahn und öffentliche Beleuchtung werden hier besprochen.
Die Bearbeiter sind die Ingenieure Brückner & Groos,
kgl. Bauamtmann Berling und Ob-.-Ing. Ma-ich-le, Garten-
Insp. Jung, Stadt. Kontrolleur Floss. Die Brücken über
den Lech und die Werfach sind vom Staate ausgeführt.
Unter den ersteren ist namentlich interessant die Brücke
bei Hochzoll, ein stattliches Bauwerk von. 81,6 “ Stützweite
(über der Fahrbahn liegender Bogen- mit Scheitelgelenk
und wagrechtem Versteifungsträger). Bemerkenswerth
sind die von der Stadt geschaffenen öffentlichen Anlagen,
zumeist erst Schöpfungen der letzten 2. Jahrzehnte, die
einen Ersatz bieten für die mehr und mehr verschwindenden,
einst so berühmten Gärten und Parks der alten Patrizier-
Geschlechter.
Stadterweiterung, Wohnungswesen und Baupolizei ist
wiederum von Ob.-Brth. Steinhäusser in Gemeinschaft
mit Ob.-Kontrolleur Spangenberger bearbeitet. Hier
werden einige schöne Beispiele alter noch erhaltener Haus-
anlagen aus der Renaissancezeit mit ihren -weiträumigen
Höfen und vornehmen Treppenfiuren vorgeführt und
einige typische Grundrisse moderner Miethhäuser, der fast
ausschliesslichen Form des Wohnhausbaues in Augsburg,
da das Einfamilienhaus selbst bei der wohlhabenden Be-
völkerung keinen Anklang findet. Es ist das übrigens die
einzige Stelle, an welcher der Privatbau berührt wird. Es
426
besteht also hier eine Lücke in dem Bilde der städtischen
Entwicklung, die allerdings durch die Entstehungsart des
Werkes erklärlich wird.
Der Fürsorge der Stadtgemeinde für Kunst und Wissen-
schaft ist die Anlage des 1875—77 errichteten Stadttheaters,
ein stattlicher Bau der Arch. Fellner & Helmer, wohl
einer der ersten ihrer in Deutschland ausgeführten zahl-
reichen Theaterbauten (besprochen von Theatermeister
Schütz), die Kreis- und Stadtbibliothek,®) in Barockformen
nach dem Entwürfe von Stadtbrth. Steinhäusser (unter
Mitwirkung von Martin Dülfer bei der Detaillirung der
Fassade) erbaut, usw. zu verdanken. Unter den Ver-
waltungs-Gebäuden ist das erst kürzlich erbaute neue.Foli-
zeigebäude hervorzuheben, das ebenfalls von Stadtbrth.
Steinhäusser unter theilweiser Benutzung eines Fassaden-
Entw-ur/es von Friedrich v. Thiersch und unter dessen
künstlerischem Beirath entstanden ist- und sich als Er-
gänzungsbau des Rathhauses i. in dessen Nähe es ausser-
dem liegt, in ähnlicher Stilfassung bewegt wie dieses.
Ein grösserer Abschnitt ist der allgemeinen Ge-
sundheitspflege und' den Wohlfahrts - Einrich-
tungen gewidmet. Die städtische Wasserversorgung, die
öffentl. Schwiihm- und Badeanstalten, die Beseitigung der
Abfallstoffe nebst den Bedürfnissanstalten, der Schlacht-
ünd Viehhofsneubau, die Nahrungsmittel-Märkte und die
*) Vergl. Dtsche. Bauztg. 1894, S. 233.
No. 66.
Druckart, den Druck der Abbildungen und den Vertrieb.
Die Berathungen waren sehr eingehend und sachlich und
dürften viel dazu beigetragen haben, die grossen Ver-
schiedenheiten in den preussischen Denkmäler-Verzeich-
nissen zu mildern. Sie haben aber bei manchen Theil-
nehmern auch den Wunsch hervorgerufen, dass unbe-
schadet der verschiedenen Verhältnisse der einzelnen
Provinzen es als -am erwünschtesten erscheint, die Her-
ausgabe der Verzeichnisse einheitlich unter Redaktion
von einer Zentralstelle, z. B. dem Ministerium aus, zu
leiten. Und nicht zum geringsten erschien es manchen
Theilnehmern im Gegensatz zu dem bisher geübten Brauch
wünschenswert!!, die Wahl der Abbildungen und die Art
ihrer Wiedergabe von Gesichtspunkten aus anzuordnen,
welche ihre Verwendung als Vorbilder für das künst-
lerische Schaffen mehr als bisher ermöglichen, denn in
erster Linie in dieser Eigenschaft werden die alten Denk
mäler erhalten und verzeichnet, erst in zweiter Linie ihres
historischen oder wissenschaftlichen Werthes halber.
Eine Tagegelder- und Gebührenordnung der Vereinigung
selbständiger, in Preussen vereideter Landmesser zu Berlin
ist erschienen. Nach derselben werden unter Voraus-
Setzung einer wenigstens 3-jährigen Praxis nach abge-.
legtem Staatsexamen als Mindestsätze gefordert: 20 M.
Tagegelder für den 8- stündigen Arbeitstag bezw. mindestens
4-stündigen Reisetag, eine Feldzulage von 5 M. beim Ar-
beiten ausserhalb der Geschäftsräume und für Reisetage,
IO M. Uebernachtungs-Zulage. Bei besonders schwierigen
Arbeiten ist eine Erhöhung der Sätze bis 50O/0 zulässig.
Nach den gleichen Sätzen sollen auswärtige Arbeitstage,
an denen die Witterung ein Arbeiten verhindert, und Sonn- •
und Festtage bei einer Arbeit von mehr als 8 Tagen rechnen. ;
Die Gebührenordnung enthält ausserdem noch Sätze
für Reisekosten und Auslagen, eingehende Erläuterungen zu
den neuen Annahmen von besonderem Interesse und einen
Anhang mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen.
NachMittheilung derVereinigung ist der deutsche Geometer-
Verein in seiner diesjährigen Hauptversammlung in Düssel-
dorf, im Juli zu den gleichen Sätzen gekommen.
Wir entnehmen den Erläuterungen noch, dass zur-
zeit in Preussen etwa 350 selbständige, vereidete und
öffentlich angestellte Landmesser den freien Gewerbe-
betrieb ausüben. Die Zahl der sämmtlichen Landmesser
in Preussen stellt sich auf über 3000. —
Bücherschau.
Jahrbuch, der bildenden Kunst 190a. Unter Mitwirkung von
Dr. Woldemar von Seidlitz-Dresden herausgegeben
von Max Martersteig. Verlag der Deutschen Jahr-
buch-Gesellschaft m. b. H., Berlin SW. 1902. Pr. 8 M.
In der Form eines handlichen Prachtwerkes von an-
ziehender Ausstattung ist der frühere „Almanach für bildende
Kunst und Kunstgewerbe" als „Jahrbuch der bildenden
Kunst" mit einem reichen Inhalte erschienen. Die eigen-
artige Zeichnung des Deckeis entwarf Emil Döpler d. J.
Der Text wird eröffnet mit einer schwungvollen Huldigung
an Arnold Böcklin von Emil Schoenaich-Carolath. Es
folgen dann Berichte über die Kunstausstellungen des
Jahres in Berlin, Dresden, München, Flensburg, Wien,
Venedig, Frankreich, Belgien und Holland, England und
Skandinavien. Ein werthvoller Bestandtheil des Jahr-
Tuches sind die in sich abgeschlossenen Einzelaufsätze
über die verschiedenen Zweige der bildenden Kunst und
über einige Künstler-Individualitäten. Es schreibt Hugo
V. Tschudi über den spanischen Maler Ignacio Zuloaga;
es werden durch A. G. Meyer (Reinhold Begas), A. de
St. Hubert fConstantin Meunier) und Herrn. Kienzle
(Ernst Stückelberg) drei Siebzigjährige geschildert. Die
Denkmäler des Jahres bespricht Fritz Schumacher, die
Ausstellung der DarmstädterKünstlerkolonieHans Sc hliep-
mann. Die Kunst im Handwerk ist Gegenstand von Ein-
zeldarstellungen von H. Obrist, V. Merk, J. Folnesics,
W. Gensei usw. Die Erziehung zur Kunst behandelt
M. M., die graphischen Künste im Jahre 1901 Max Lehrs.
Die Baukunst erfuhr in diesem Jahre eine eingehende
Berücksichtigung. Es berichtet Alb. Hof mann über die
deutsche Baukunst an der Wende des Jahrhunderts, eine
Betrachtung in vorgeschriebenen engsten Grenzen, die
aus einem Aufträge betr. die Architektur-Ausstellung der
Stadt Berlin herausgewachsen ist. Die Denkmalpflege
bespricht A. von Oechelhäuser; in die Besprechung
der reproduzirenden Künste theilen sieh W. v. Seidlitz,
Rudolf Kautzsch und Rieh. Graul. Einen gedrängten
Entwicklungsgang über Arnold Böcklin giebt H. A. S ch m i d,
ihr schliesst sich eine Huldigung für den dahingegangenen
Grossherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar von
M. M. an. In besonderen Abschnitten des schönen Werkes
werden die Todten des Jahres 1901 und die Litteratur
über moderne Kunst behandelt; es schildert ferner A.
Osterrieth das Recht des bildenden Künstlers. Diesen
lEinzelaufsätzen, die ihren Werth namentlich auch in ihrer
-^kurzen Fassung finden, sind die nahezu die Hälfte des
Umfanges des Buches einnehmenden Verzeichnisse
angeschlossen, welche I. die Museen, Galerien und Privat-
saramlungen, II. die Akademien, Kunst- und Kunstge-
werbeschulen, III. die ausübenden Künstler, IV. Künstler-,
Kunst- und Kunstgewerbe-Verbände, V. Ausstellungen und
Kunstsalons, VI. Kunstzeitschriften und Publikationen,
VII. Kunstverlage und Kunsthandlungen, VIII. Graphische
Anstalten und IX. die Kunstwerkstätten für die Gebiete
von Deutschland, Oesterreich und die Schweiz umfassen.
Wir glaubten dem auf das reichste mit Abbildungen
und Kunstbeilagen ausgestatteten Werke am meisten zu
nützen, wenn wir vorstehend einen Ueberblick über seinen
vielseitigen Inhalt gaben. Es ist für das Gebiet der bilden-
den Kunst eines der werthvollsten Nachschlagewerke, für die
Büchersammlung ein nicht minder werthvolles Kunstwerk.—
Preisbewerbungen.
Zu dem internationalen Wettbewerb betr, Entwürfe für
ein Sanatorium für Tuberkulose in England, welchen wir
S. 56 ankündigten und welcher hier sowie S. 71 von
anderer Seite besprochen wurde, sind 180 Arbeiten ein-
gelaufen. Der I. Preis von 10000 M. wurde Dr. Arthur
Latham in London (Arch.: William West in London)
zuerkannt, den II. Preis von 4000 M. erhielt Dr. F. J. W e t h e r e d
in London (Arch. : Lau und Allen in London); denllL Preis
von 2000 M. gewann Dr. E. C. Morland in Croydon (Arch.:
G. Morland in Croydon). Eine ehrenvolle Erwähnung
wurde den Arbeiten von Dr. P.S.Hichens in Northampton
Friedhöfe werden hier behandelt. (Bearbeiter: Ob.-Ing.
Maichle, Architekt Stein, Ob. -Kontrolleur Spangen-
berger, Ob.-Brth. Steinhäusser, Ing. Niederreiter.)
Eine Wasserversorgung besass Augsburg schon im
Mittelalter in ausgedehnter Weise. Schon sehr frühzeitig
waren nicht nur öffentliche Brunnen vorhanden, sondern
es wurde das Wasser auch mit Rohrleitungen den Privat-
Grundstücken zugeführt. (Schon 1412 war ein Netz guss-
eiserner Rohre angelegt.) Ein den modernen Anforde-
rungen entsprechendes Wasserwerk auf dem Hochablass,
das sein Wasser dem grossen zum Lech fliessenden
Grundwasserstrora entnimmt, ist erst, in der 2. Hälfte der
70 er Jahre erbaut worden.
Schwimm- und Badeanstalten besitzt Augsburg im
Lech und in der Wertach, sowie in den Lechkanäleii, ausser
dem Brausebäder und nunmehr auch ein grösseres Volks-
bad mit grossem Schwimmbecken, das hauptsächlich, aus
den Mitteln einer Schenkung der Familie Förster durch
Stadtbrth. Steinhäusser unter Mitwirkung des Arch,
Stein entworfen und ausgeführt ist. Eine besonders ein-
gehende Besprechung unter Beigabe zahlreicher Abbildun-
gen ist dem Schlacht- und Viehhof gewidmet, eine nicht
unbedeutende Anlage, die mit einem Kostenaufwand^ von
fast 3 Mill. M. nach den Plänen des Stadtbaurathes unter
Mitwirkung des Arch. Stein ausgeführt und erst Ende 1900
fertig gestellt ist.
Den Schluss des Werkes bilden Mittheilungen über
das Feuerlöschwesen, die Entwicklung der Schulbauten,
über das Armenwesen, die Krankenpflege, Wohlthätigkeits-
Anstalten und Stiftungen, zumeist besprochen von städt.
Ing. Niederreiter bezw. Ing. Müller. Die Ausführun-
gen, auf die wir im Einzelnen nicht näher eingehen können,
zeigen, dass die Stadt auch auf diesem Gebiete Schritt ge-
halten hat mit den Anforderungen unserer modernen Zeit.
Als interessanter Anhang ist dem Werke noch eine
kurze Besprechung einiger privater Wohlthätigkeits-An-
stalten beigegeben, unter denen vor allem die sogen.
„Fuggerei“ herv.orzuheben ist, eine Gruppe kleiner Häuser,
die in dem 3. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts von Jakob
Fugger zur Aufnahme von Tagelöhnern und bedürftigen
Handwerkern und Bürgern eingerichtet wurde, also als
ein frühzeitiger Vorläufer unserer heutigen Bestrebungen
zur Schaffung billiger Arbeiterwohnungen anzusehen ist.
Die Anlage dient mit ihren allerdings etwas patriarchalisch
anmuthenden Hausgesetzen noch jetzt ihrem alten Zwecke.
Aus der kurzen Uebersicht des Inhaltes geht hervor,
dass die Festschrift einen reichen Stoff bringt, der übersicht-
lich gegliedert und gefällig vorgetragen Zeugniss ablegt von
dem fortschrittlichen Geiste der städtischen Verwaltung
und der Tüchtigkeit ihrer bautechnischen und künstle-
rischen Kräfte.
Wie schon hervorgehoben, zeigt die Festschrift Lücken
insofern, als sie das alte Augsburg, bezw. das, was auf
uns davon überkommen ist,' nicht im Bilde darstellt und
16. August 1902. 427
(Arch.: K, W. Schnetz in London), Dr. Turban in Davos -
(Arch.; J. Gros in Zürich), Dr. Jane Walker in London^J
^Arch. : Smith und B r e v e r in London) und Dr. ■ J. P. Wi 1 1 : '
in Bexhill (Arch.: Wills in London) zutheil. Wer ' die'
Reihe der durch Preise oder durch ehrenvolle Erwähnungen
ausgezeichneten Bearbeiter^., durchgeht, wird erkennen,
dass unsere Vorhersage, dass deutsche Bewerber wenig
Aussicht auf eine Auszeichnung hegen konnten, zutraf.;
Die Schwierigkeit lag in der Forderung nur der englischen
Sprache für die wissenschaftlichen Abhandlungen. Man
hätte gewiss wünschen können, dass neben der englischen
auch die deutsche und die französische Sprache zugelassen
worden wären; das Ergebniss wäre dann zweifellos nicht
ein nahezu einseitig national englisches geworden, sondern
es hätte ein internationales werden können, was ja der
Wettbewerb eigentlich auch anstrebte. —
Das Reisestipendium der Lpuis Boissonnet-Sfiftung ist
in diesem Jahre an einen Bauingenieur zu vergeben, dem
als Aufgabe das Studium der' bisher wenig bekannten
Eisenhochbau- Konstruktion neuerer Stadtbahnen, moder-
ner .industrieller Anlagen und hoher Wohngebäude Nord-
amerikas, und zwar vornehmlich in New-York, den Staaten
Pennsylvanien, Ohio und in Chicago gestellt ist. Bewer-
bungen sind bis zum 20. August d. J. mit Lebenslauf,
Nachweis über praktische und litterarische Thätigkeit und
unter Vorlegung von Entwürfen an das Rektorat der Techn.
Hochschule Berlin zu richten. Das Stipendium besteht in
einem Geldbeträge von 2900 M., ausserdem sind 1000 M. für
die Veröffentlichung des Studienmaterials ausgeworfen. —
Wettbewerb Erweiterungsbau Rathhaus Nienburg a. W.
Unter 53 Entwürfen errang den I. Preis von 600 M. der
Entwurf „Tilly'' des Hrn. Arch. Oberlehrer Gebhardt
in Nienburg; den II. Preis von 400 M. der Entwurf „Roland"
der Hrn. H. Schaedtler & K. Müller in Hannover; den
III. Preis von 300 M. der Entwurf „Weser" der Hrn. Max
& Hans Köhler in Berlin. Der Entwurf „Mit Verlaub"
der Hrn. K. & A. Siebrecht in Hannover wurde zum
Ankauf empfohlen. Sämmtliche Entwürfe sind bis 19. Aug.
in der Aula der kgl. Baugewerkschule in Nienburg öffent-
lich ausgestellt. —
Chronik.
Die Wiederherstellung der Kirche zum Heiligen Geist
in Nürnberg, die unter der Leitung der Professoren Konr. ‘Walther
und F. Wanderer in Nürnberg stattfihdet, hat unter der Tünche
und dem Stückwerk der Barockdekorationen werthvolle Funde von
Bildwerken des XIV. und Malereien des XV. Jahrhunderts ergeben.
Die Fresken werden durch Hrn. Kunstmaler P f leiderer aus München
wieder hergestellt. —
Die neue St. Josefskirche zu Münster i. W. Zu dieser
uns aus Münster zugegangenen Nachricht der „Chronik“ S. 392 er-
halten wir die Mittheilung, dass der Entwurf zu der St. Josefs-
kirche in Münster i. W: abgesehen von einer kleinen Aenderung
an dem Sakristei-Neubau, welche durch spätere Umgestaltung des
Bauplatzes erforderlich wurde, vom Hrn. kgl. Landbauinsp. B.
Hertel in Berlin aufgestellt wurde. Der bis jetzt fertig gestellte
Theil der Kirche ist genau nach; den vom Genannten gefertigten
Planzeichnungen ausgeführt worden und ebenso soll der weitere
Ausbau der Kirche nach seinen Entwürfen erfolgen. Der Reg.-Bau-
meister H. Flertel zu Münster i. W. hat nur die Leitung der Bau-
ausführung übernommen. —
Die Bayerische Landesausstellung in Nürnberg 1906 wird
im Luitpoldhain, gegebeoenfalls unter Einbeziehung des Dutzend-
als sie die Privat-Bauthätigkeit nicht berührt. Das gleiche
gilt auch hinsichtlich der Industrie. Die erstere und die
letztere Lücke wirden aber geschlossen einerseits durch
ein werthvolles Album mit 50 Lichtdrucktafeln®) nach Auf
nahmen alter und neuer Bauten der Stadt, gewidmet von
den Augsburger Fachgenossen, und durch eine selbst
ständige Schrift , welche die Grossindustrie Augsburgs
den Festtheilnehraern der Wander-Versammlung widmet.
Eine Fülle malerischer Strassenbilder, vornehmer
Innenräume, reizvoller Einzelheiten lassen erkennen, wie-
viel doch noch von der Kunst des alten Augsburg in die
Gegenwart herübergerettet ist, weiche Anregung, welchen
unschätzbaren Stoff hier der Künstler, der Architekt noch
allenthalben finden kann. Dem Alten reiht sich das Neue
würdig an, wie einige Aufnahmen öffentlicher Gebäude,
WohnhausgruppenundGeschäftshäuser zeigen. Wir nennen
von den ausführenden Architekten: Fellner & Helmer,
Wien, mit dem Theaterbau, Ob.-Brth. Steinhäusser mit
Arch. Dülfer für die Stadtbibliothek, Arch. Jean Keller,
Walther Krauss, Jack &Wanner namentlich für zahl-
reiche Wohnhausbauten und Geschäftshäuser, Prof. Alb.
Schmidt in München für die kgl. Filialbank, Bauamtmann
Schildhauer in Kempten Ing. Müller für ein städt. Schul-
haus, Prof. Studerus, schliesslich die Arch..Wehl-Stipp-
Dülfer für das Hotel Kaiserhof. Die Sammlung bildet
Verlag von Kutscher & Gdir in Augsburg.
teiches, stattfindeh. Es steht hier ein Gelände von etwa 500 000 qm
gegen nur 300 000 qm des Maxfeldes, auf welchem die früheren
Ausstellungen stattfanden, zur Verfügung. Es soll von der früheren
Eintheiiung nach 'Kreisen abgesehen' und eine Eintheilung nach'
Industriezweigen gewählt werden. —
Der Neubau der Kurhaus-Anlagen in Wiesbaden ist dem-
Architekten Prof. Friedr. von Thiersch in München übertragen'
worden. — :
-. Die Umgestaltung des Rathhauses in Emden; erfordert
einen Kostenaufwand von rd. 190000 M. —
Die Arbeiten zur Tieferleguhg des Chiemsees haben in.
diese’m Frühjahr begonnen; sie werden von der Firma Säger. &
Wörner ausgeführt. — -
. Die Aufdeckung einer kanaanitischen Stadt in Palästina
ist dem Professor der alttestamentarischen Exegese an der evan-
gelisch-theologischen Fakultät der Universität in Wien, Dr. E. S ellin
gelungen.. Die Ueberfeste liegen auf dem Hügel Taanak in Lande
Kanaan und werden ihrer baulichen Struktur nach als aus dem
XIV. Jahrh. v. Chr. stammend geschätzt. —
Die Wiederherstellung des Rathhaussaales in Nürnberg,
welcher die Fresken Albrecht Dürers enthält, ist mit einem Auf-
wande von rd. 200 000 M. durch den Magistrat von Nürnberg be-
schlossen worden. — ;
Eine verkürzte Bahnverbindung zwischen München und
Innsbruck wird schon seit langen Jahren erstrebt. Nachdem vor
einiger Zeit die österreichische Regierung die Vorarbeiten für einen
Bahnbau nach Scharnitz eingeleitet hat, ist nunmehr auch die
bayerische Regierung in die Vorarbeiten für eine Vpllbahn Garmisch-
Mittenwalde-Landesgrenze eingetreten. —
Ein neues Vlncentinum in München, ein Heim des Vinzentius- .
Vereins zur Aufnahme von Pfründnerinnen und von besser be-
mittelten weiblichen Personen, ist nach' den Entwürfen des Arch,
Prof. Gabriel von Seidl in München an der Oettingenstrasse gegen-
über dem Nationalmuseum in der Errichtung begriffen.' —
Ein Wiesbadener Ozonwasserwerk in Schierstein ist
kürzlich dem Betriebe übergeben wörden. Die Anlage beruht auf
dem von der Firma Siemens & Halske in Berlin erfundenen
Verfahren, Wasser durch Einführung von Ozon keimfrei z.u machen.
Die Erzeugung des Ozons erfolgt, auf elektrischem Wege. — •
Das looojährige Bestehen der Stadt Ravensburg an der
Linie Ulm-Frledrichshafen soll in diesem Sommer gefeiert wer-
den. Graf Isenbard, Stammvater der schwäbischen Welfen, ein
Vasall Karls des Grossen, erscheint als erster Graf von Ravens-
burg; Welf II. nahm ständigen Aufenthalt auf der Burg und gab
dem Burgflecken städtisches Aussehen. 1100 wird er mit Mauern
umgeben und 1191 fällt er an die Hohenstaufen. 12^6 wurde die
Stadt Reichsstadt. —
Die neue Kriegsschule In Potsdam, nach den Entwürfen
des Hrn. Brth. Franz Schwechten in Berlin als gruppirter Bau
unter theilweiser Verwendung von Fachwerkeh errichtet, ist in
den letzten Tagen ihrer Bestimmung übergeben worden. —
Die Anlage eines gemeinschaftlichen Wasserwerkes der
Landkreise Bochum, Gelsenkirchen, Hattingen mit einem
Kostenaufwande von 2V2 Mill. M. ist beschlossen. Dasselbe ist
zunächst für 130000 Einwohner berechnet. Die Jahresleistung be-
trägt dabei 6,5 Mill. cbm. Entwurf und Ausführung wird von der
Firma H. Scheven in Bochum bewirkt. —
Die Einweihung des neuen Wasserwerkes von Memel
hat am 2. Aug. d. J. stattgefunden. —
Inhalt: Berliner Neubauten. No. 104. Wohnhaus Müller, Bellevue-
Strasse 13. — Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902. VI.
— Augsbmg in kunstgeschichtlicher, baulicher, industrieller und hj’gienischer
Beziehung. — Mitiheilungen aus Vereinen. — Vermischtes. — Bücherschau.
— Preisbewerbuagen. — Chronik.
Hierzu eine Bildbeilage: Wohnhaus Müller in . Berlin,
Bellevue-Strasse 13. ,
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort]. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
also eine werthvolle Ergänzung der Festschrift und der
Augsburger Arch.- und Ing. -Verein hat sich durch ihre
Herausgabe ein besonderes Verdienst erworben.
Schätzenswerthes Material enthält auch die Festgabe
der' Augsburger Industrie. Aufgrund von Mittheilungen
der Industriellen ist diese Schrift zusammengestellt von
Direktor J. Horn, Professor W. Miller, Direkt-Assessor
P. Reisser und Ingenieur Kraus. Sie enthält lithogra-
phirte Pläne und Ansichten’^), sowie kurze Notizen über
34 Betriebe, unter denen Maschinenfabriken und Spinner
reien die erste Stelle einnehmen. Ausser den schon er-
wähnten 12600 P.S. Wasserkräften erfordert der . Betrieb
noch 27000 P.S. Dampfkraft. Die zumeist an der Stadt-
peripherie liegenden Fabriken sind durch eine, als privates
Unternehmen hergesteUte, aber von der Staatsbahn be-,
triebene Ringbahn an den Hauptbahnhof angeschlossen.
Von den 90 000 Einwohnern Augsburgs sind 33 000 Ar-
beiter und Gewerbetreibende, die mit ihren Familienange-
hörigen auf etwa 50000 Personen geschätzt werden können,
also mehr als die Hälfte der Gesammtbevölkerung aus-
machen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein grösserer
Theil der Arbeiter ausserhalb wohnt. Aus der ehemaligen
Handelsempore ist also eine Industriestadt geworden, die
manchen Namen von gutem Klang zu den ihren rechnet und
die wieder ihre Erzeugnisse in alle Welt hinaus sendet.
— : Fr. E. .
Druck von Job. Walch in Aug.sburg. _ '
No. 66,
42B
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III X
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 67. Berlin, den 20. August 1902.
Der Strassenbahnverkehr in Berlin und seinen Vororten.
mer Strassenbahnverkehr in Berlin und seinen Vor-
orten liegt zurzeit in den Händen von 8 Gesell-
schaften, und zwar: i. der Grossen Berliner Strassen-
bahn A.-G., 2. der Ber-
lin - Charlottenburger
Strassenbahn A.-G., 3.
der Westlichen Berli-
ner Vorortbahn A.-G.,
4. der Südlichen Ber-
liner Vorortbahn A.-G.,
5. der Städtischen Ber-
liner Elektr. Strassen-
bahnen A.-G., 6. der
Berl. Ostbahnen A.-G.
tSchles.Bhf. -Treptow),
7. derContinentalenGe-
sellschaftfürelektr.Un-
ternehmungen (Berlin-
Hohen - Schönhausen),
8. der Ges. für elektr.
Hoch- u. Untergrund-
bahnen (Warschauer
Brücke - Z entral - Vieh-
hof). Das diesen Ge-
sellschaften gehörige
Strassenbahnnetz um-
fasst insgesammt rd.
345 Bahnlänge (d. i.
etwa die Entfernung
Berlin-Breslau). Im Betriebe wurden im Jahre 1901 nahe-
zu 82 Millionen Wagenkilometer zurückgelegt und dabei
mehr als 330 Millionen Personen befördert. Wie sich
diese Verkehrsziffern
auf die einzelnenStras-
senbahn-Betriebe ver-
theilen, zeigtTabelle I.
Die Zunahme des
Personenverkehrs ge-
genüber dem Jahre
1900 betrug etwa 18 %.
Wie sich die Ver-
kehrsverhältnisse der
Strassenbahnen inBer-
lin und anderen grösse-
I ren deutschen Städten
I zur Grösse der Bevöl-
I kerung verhalten, zeigt
Tabellen. Wenn hier-
nach die durchschnittl.
Bahnbenutzung in Ber-
lin mit 129 Fahrten auf
den Einwohner gerin-
ger erscheint, als in
Dresden undauch nicht
wesentlich verschieden
ist von der in Leip-
zig, so darf doch nicht
ausseracht gelassen
Tabelle I. Die Verkehr
sziffern der Be
im Jahre 1901
rliner Str
issenbahnen
Rahn-
km
Znrflck-
gelegte
Wagen-
kilometer
Befflrderte
Personen
Bemerkungen
Grosse Berl. Strassenbahn
Berlin-Charlottenb. Str.-B.
Westliche Berl. Vorortbahn
Südliche Berl. Vorortbahn
Berliner Elektr. Str.-B, . .
Berliner Ostbahnen ....
Berlin - HoheoschOuhausen
Warschauer Br. - Zentral-
Viehhof
334,0
»7,0
33.0
30.0
18,4
4,8
6,6
65663351
4796415
4435216
1949163
4130 035
408680
.53657
383600000
14788315
13230000
3241 OOD
13036453
1526033
1353899
135 9P9
Seit Oktober
1901 in Betrieb
Im Jahre iqoi Sa. . . .
Gegen im Jahre 1900 .
345.0
33», 0
8i8^6s6
70698166
330111589
söo 739378
TabeUe II. Die Verkehrsbewegung einiger grosstadtischer
Strassenbahnen im VerhSltniss zur Einwohnerzahl i. J. 1901.
Einwohner-
zahl
Bahalängel Wagcn-
m kilometer
Fahrten
auf den Kopf der Bevölkerung
Berlin und Vororte . . .
Hamburg und Vororte ■ .
München „ „ . .
Leipzig „ „
Dresden „ „ . .
Frankfurt a. M. und Vororte
3550000
1 000000
550000
500000
500000
390000
0.135
o,>54
0,084
0,196
0,218
0,126
32.1
33>4
20,3
41,6
47.2
25.2
II
j;
werden, dass letztgenannte Städte ausser den Strassen-
bahnen andere Verkehrsmittel von grösserer Bedeutung
nicht besitzen, wogegen in Berlin die Stadt- und Ring-
429
bahn, die Wannseebahn, zahlreiche Omnibuslinien und
Droschken und neuerdings noch die elektrische Hochbahn
für die Beurtheilung des Verkehres in Rücksicht gezogen
werden müssen.
Ueber den Antheil des Strassenbahnverkehres an dem
Gesammtverkehr der Bewohner der Reichshauptstadt giebt
die Tabelle III einige Angaben.
Tabelle III. Die Entwicklung des Personenverkehrs in Berlin
seit 1870.
11870
.%s|
1880
1885
1890
1895
1900 1
1901 1
Strassenbahnea . . .
1)5'
18,3
5L6
87.3
143.0
1 164,2
q8o,4
330,1
Mül.
Pers.
Stadt- und Rinsbahn
— 1
— 1
13.2
38,2
100,0
Omnibusliniea ....
10,5
15,0
10,8
16,2
27,8
37,4
80,3
80,7
„
In Sa. . .
12,0
33.3
116,7
2og,o
510,8^
Das ist bei einer Be-
völkerung von Berlin
einschl. Vororte von
o.<?l
j. j
1 62.4
^)35
1,8
1 2,55
Fahrten für i Kopf
und Jabr (
13 '
1
30 !
48 ■
75
116 1
132 1
183 !
»ol
Berücksichtigt man überdies noch den Droschkenver-
kehr sowie den Eisenbahnverkehr nach den nächstgelegenen
Vororten Friedenau, Steglitz, Pankow, Lichtenberg usw.,
so wird man kaum fehlgehen,
wenn man die Grösse des ge-
sammten Personenverkehrs
im Jahre 1901 auf etwa 540
Millionen Personen ver-
anschlagt, was einer Ver-
kehrs-Häufigkeit von 212
Fahrten auf den Ein-
wohner und das Jahr ent-
spricht. Von diesemGesammt-
verkehr entfallen mehr als
^/5 auf die Strassenbahnen.
Das nebenstehende Dia-
gramm giebt ein graphisches
Bild von der Entwicklung
des Berliner Verkehres seit
dem Jahre 1870. Es ist inter-
essant, an Hand dieser Dar-
stellung festzustellen, wie
vom Jahre 1870 bis 1890 der
Verkehr auf den Pferde-
bahnen sich andauernd stei-
gerte, dann vom Jahre 1890
bis iSpsdieVerkehrszunahme
wesentlich geringer wurde,
da sich für den Pferdebetrieb
allmählich die Grenze der
Leistungsfähigkeit heraus-
stellte, wogegen dann mit der
Einführung des elektrischen
Betriebes die Leistungsfähig-
keit der Strassenbahnen dank
dem schnellerenVerkehr und
der grösseren Wagenzahl
ganz erheblich zunahra. Ins-
besondere ist seit dem Jahre ' = ' ^ ''
1900 infolge Einführung des 10 Pfg.-Tarifes ein rapides
Steigen des Personen-Verkehres zu verzeichnen.
Im Verkehr der Stadt- und Ringbahn zeigt sich vom
Jahre 1890 ab gegenüber der abnehmenden Leistungs-
fähigkeit der Pferdebahnen ein stetiges Anwachsen der
Personenbeförderung, indessen dürfte entsprechend der
geringeren Verkehrszunahme seit dem Jahre 1895 die Auf-
nahmefähigkeit derselben sich allmählich dem Stillstände
nähern. Vielleicht entschhesst man sich, auch hier den
elektrischen Betrieb einzuführen, der vermöge der Steige-
rung der Fahrgeschwindigkeit und Verringerung des Zeit-
abstandes für die Zugfolge die Leistungsfähigkeit und damit
die Personenzunahrae wesentlich erhöhen würde.
Der Omnibusverkehr in Berlin ist scheinbar in erster
Linie vom Tarif und der Fahrgeschwindigkeit abhängig.
Solange die Pferdebahnen höhere Tarife und nahezu
gleiche Fahrgeschwindigkeit gegenüber den Omnibussen
aufwiesen, hat sich der Omnibusverkehr bis zum Jahr 1895
ziemlich stetig entwickelt. Als dann der elektrische Betrieb
der Strassenbahnen mit seiner höheren Fahrgeschwindig-
keit für die Omnibusse eine gefährlichere Konkurrenz zu
werden drohte, gelang es den Ömnibusgesellschaften, durch
Einführung von sPfg.-Linien, bezw. Theilstrecken, eine
erhebliche Zunahme des Personenverkehrs zu erzielen.
Mit der Durchführung des einheitlichen loPfg.-Tarifes Und
der weitestgehenden Steigerung der Fahrgeschwindigkeit
haben aber die Strassenbahnen seit dem Jahr 1900 einen
grossen Theil der Fahrgäste dem Omnibusverkehr ent-
zogen, sodass die Verkehrszunahme der Omnibusse sich
seitdem wesentlich verringert hat.
Aus der Tabelle III ist ersichtlich, dass der Personen-
verkehr Berlins und seiner Vororte seit 1870 auf etwa
das 42 fache, unter Berücksichtigung des Droschken- und
Eisenbahnvorortverkehrs sogar auf das 45 fache gewachsen
ist, und dass die Benutzung der Verkehrsmittel auf den
Kopf der Bevölkerung innerhalb dieser Zeit auf mehr als
das 15 fache (bezw. 16 fache) zugenommen hat, während
die Einwohnerzahl von Berlin und seiner Vororte auf das
2,8 fache angewachsen ist.
Wenn in der Tabelle IT die verhältnissmässig geringe
Bahnlänge der Berliner Strassenbahnen gegenüber Städten
wie Hamburg, Leipzig und Dresden auffällt, so findet dies
seine Erklärung in der weitestgehenden Ausnutzung der
Bahngleise für die Ueberführung der verschiedenen Bahn-
linien.
Die Tab. IV. giebt Aufschluss über die Vertheilung
der Bahnlinien bei den einzelnen Berliner Strassenbahn-
betrieben nach dem Stande vom Sommer 1902.
Tab. IV. Die Linien und ihre Bahn-Ausautzung bei den
Berliner Strassenbahnen,
Die gesammte Länge der Berliner Strassenbahnlinien
beträgt demnach 864,9 (d. i. etwa die Entfernung:
Berlin — Zürich).
Die längsteStrassenbahnlinie ist dieRinglinie„Rixdorf—
Blücherplatz — Schöneberg — T empelhof — Britz — Rixdorf "
mit 21,7 ä^tn^ die kürzeste die Pendellinie „Badstrasse—
Bellermannstrasse“ mit 0,3 km wogegen die durchschnitt-
liche Länge sämmtlicher Berliner Strassenbahnlinien
8,83 km beträgt.
Das Verhältniss der Linienlänge zur Bahnlänge stellt
sich auf 2,51, d. h. mit anderen Worten; die vom Strassen*
bahnverkehr benutzten Strassen werden im Durchschnitt
von 2^2 Linien befahren.
Wie gross die Verkehrsdichtigkeit auf einzelnen Strassen
ist, darüber giebt Tab.V Auskunft.
TabelleV, Die Wagenfolge der S tras s eub ahnen auf einigen
Hauptstrassen Berlins.
Länge der
® Strecke
Zahl der Linien
Zahld.p. Stunde
aufeinand. folg.
Motorwagen.
,
Sek, 1
Durchschn.
2 Wageu-
abstand
Potsdaraerstr. (zwischen Pots-
damer Platz u. Lützowstr.)
980
18
126
28,6
Spandauerstr. (zwisch. Molken-
markt und Königstr.). . .
240
18
80
Mühlendarnm (zwisch. Molken-
markt und Breitestr.) . . .
80
Leipzigerstr. (zwisch. Leipziger
Platz und Mauerstr.) . . .
16
HO
8s
, S cLüd
f .iS . ha
Königstr. Izwischen Ratlihaus
und Alexanderplatz) . . .
16
T07
84
Leipzigerstr. (zwischen Spittel-
markt und jerusalemerstr.) .
16
104
86
Gertraudtenstr. (zwisch. Spittel-
markt und Breitestr.) . .
16
104
34,6
86
1
Es zeigt sich darnach, dass die grösste Dichtigkeit des
Strassenbahnverkehrs in dem inneren Theil der Potsdamer-
strasse mit 126 im Laufe einer Stunde aufeinander fol-
genden Motorwagen erreicht wird, ungeachtet der zahl-
reichen Anhängewagen. Die Wagenfolge beträgt dabei
weniger als eine halbe Minute und der durchschnittliche
Wagenabstand nur 71
Entsprechend der z. Th. sehr grossen Verkehrshäufigkeit
der Strassenbahnen auf einzelnen Strassenzügen ergeben
sich auch für einige Strassenkreuzungen und Plätze recht
bedeutende Verkehrsziffern, wie aus Tab. VI ersichtlich
ist, worin für einige wichtigere Verkehrsknotenpunkte die
Zahl der kreuzenden Linien und der in der Stunde durch-
laufenden Motorwagen ermittelt ist. Zum Vergleich wurden
dieVerkehrshäufigkeit der Omnibusse und der übrigen Fuhr-
werke, wie auch derFussgängerverk ehr daneben angegeben.
Die Zahl der Strassenbahnwagen und Omnibusse
wurde aus den für den Sommer 3902 gütigen Fahrplänen
No. 67.
430
des normalen Wochentagsverkehres berechnet, während
die Verkehrsziffern der übrigen Fuhrwerke und der Fuss-
Tabelle VI. Der stündliche Verlcehr an e inl gen Haup t-
Verkehrspunkten Berlins.
j Strasseu-
1 bahnen
Omi
aibusse
Sonstige Fuhr- j
werke (einschl. |
Radfahrer) I
Fussgänger
1^"
Motorwagen
jn beiden
Richtungen
i
Omnibusse
in beiden
Richtungen
Alexandeiplatz
24
8
1 136
Spittelmarkt
22
284
TfSo
Potsdamerstr.-LOlzo-vvstr. , . ,
20
284
Leipzigerstr.-Jerusalemerstr. .
20
264
Morifzplatz
264
Leipzigerstr.-Cliarlottenstr . .
0
II6
Moikenmarkt
62
Potsdamer Br-ficke
18
TTO
Königstr.-Spandauerstr
2t
84
Leipzigerstr.-Mauerstr
18 1
b 1
1 ^28
Rosenthaler Thor
1 T
Leipzigerstr.-WiHielmstr. . . ,
ib
220
7
142
558
Gertraudten-Brücke
16
208
62
Hackescher Markt
198
-n
Blücher-Platz
176
8
264
Leipzigerstr.-Friedrichstr. . . .
12
276
Belle-Alliauce-Brücke
156
0
184
488
5290
Vermischtes.
Eine Abtheilung für Tiefbau an der kgl. Baugewerk-
schule in Erfurt wird, wie dies schon an einigen anderen
preuss. Baugewerkschulen geschehen ist, in diesem Winter-
halbjahr eröffnet. Die Tiefbau-Abtheilung, welche sich
die Ausbildung im Strassen-, Wasser- und Eisenbahn-
bau zur Aufgabe stellt, hat 4 aufsteigende Klassen, von
denen jedoch die beiden unteren denselben Lehrplan be-
sitzen wie bisher, sodass sich die Schüler erst nach Zu-
rücklegung der 3. Klasse zu entscheiden brauchen, welcher
Abtheilung sie angehören wollen. —
Auszeichnungen an Künstler. Hr. städt. Baurath Hans
Grässel in München erhielt die kleine goldene
Medaille der „Grossen Berliner Kunstausstellung 1902“. —
Preisbewerbungen.
Ein Preisausschreiben zur Erlangung von Entwürfen
für einen Skatbrunnen für Altenburg i. S. erlässt der dortige
Stadtrath zum 15. Nov. d. J. für in Deutschland geborene
Künstler. Zur Errichtung des Brunnens steht eine Stiftung
von 16 000 M. zur Verfügung. Der Brunnen heisst „Skat-
brtinnen“, weil er das Andenken an die Erfindung des
Skatspieles, das aus dem Altenburger Lande stammt und
nach der allgemeinen Angabe im Jahre 1817 von dem
Altenburger Advokaten Hempel erdacht worden sein soll,
bewahren soll. Dem Preisgerichte stehen 1000 M. zur
Vertheiiung in 3 Preisen zur Verfügung. Unterlagen gegen
2 M,, die zurückerstattet werden, durch das Stadtbauamt
in Altenburg. —
Ein Preisausschreiben zur Erlangung von Entwürfen
für Smyrna-Teppiche erlassen die Wurzener Teppich- und
Velours-Fabriken zu Wurzen zum 10. Sept. d. J. Es ge-
langen 3 Preise von 1000, 500 und 300 M. zur Vertheiiung.
Unterlagen durch die Kanzlei der kgl. Kunstgewerbeschule
in Dresden. —
Wettbewerb Elly-Hölterhoff-Böcklng-Stiftung Honnef.
Verfasser des zur engeren Wahl gelangten Entwurfes
„Deutsch“ sind die Hrn. Himmel & Abels in Honnef. —
Wettbewerb Rathhaus Kassel. Wir bitten den Ver-
fasser des Entwurfes „recte faciendo usw.“ gestatten zu
wollen, dass wir seine schöne perspektivische Darstellung
wiedergeben. Verfasser des Entwurfes „Segen sei der Mühe
Preis“ ist Hr. Arch. Rieh. Michel in Frankfurt a. 0. — -
Chronik.
Der Bau eines drittengrossenKrankenhauses in Schwabing
bei München soll demnächst begonnen -werden. Das durch Hrn.
städt. Bauamtmann Eggers geplante Gebäude wird. einen Kosten-
aufwand von rd. 10 Mül. M. bedingen und 1200 Betten enthalten. —
Die alte Stadtkirche St. Georg in Eisenach, deren Innen-
raum vor 2 Jahren urogestaltet und erneuert worden ist, hat nun-
mehr einen neuen Thurra und Portikus erhalten, wodurch das Stadt-
mid Landschaftsbild wesentlich bereichert ist. Die Leitung der
Bauausführung, welche nach den Plänen des Hrn. Brths. . Otto
March in Charlottenburg erfolgte, lag in den Händen des PIrn.
Arch. Herrn. Hahn in Eisenach. —
Ein Kriegerdenkmal in der Sachsenklemme im Eisackthal
wurde am 15. Aug. enthüllt. Es ist ein 8 m hoher Granitobelisk mit
dem österreichischen und dem Tiroler Adler, sowie den Wappen
Sachsens und Bayerns. Das Denkmal soll an die Kämpfe vom
5. Aug. 1809 erinnern. — .
20. August 1902.
gänger aus den amtlichen Zählungsergebnissen des Ber-
liner Polizeipräsidiums vom Oktober 1900 auf den Stunden-
durchschnitt ermittelt worden sind. Letztere Zahlen können
daher nur annäherungsweise in Vergleich gebracht werden.
Eine viel weiter gehende Steigerung des Wagenverkehrs
im lnneren der Stadt erscheint mit Rücksicht auf die Sicher-
heit des Strassenverkehres ausgeschlossen, und es dürfte
der Zeitpunkt nicht mehr fern sein, dass,- wenn auf den
Hauptstrassen die schon jetzt zeitweilig voll besetzten
Strassenbahnen dem Verkehrsbedürfnisse nicht mehr ge-
nügen können, die Entlastung der Hauptstrassen zur unab-
weisbaren Nothwendigkeit wird. Hierfür kommt einerseits
die Herstellung neuer Strassenbahnen in Parailelstrassen,
andererseits der Bau von Unterpflasterbahnen infrage.
Wenn man sich die Entwicklung des Berliner Ver-
kehres während der letzten Jahrzehnte vergegenwärtigt
und insbesondere die sich fortdauernd steigernde Zunahme
des Verkehres in den Hauptstrassen Berlins ins Auge
fasst, dann kann es kaum zweifelhaft erscheinen, dass die
Schaffung neuer Massen-Beförderungsmittel in Gestalt von
Unterpflasterbahnen in erster Linie geeignet ist, hier Ab-
hilfe zu schaffen, und man kann im Interesse des gross-
städtischen Verkehres nur wünschen, dass die von der
Stadt Berlin sowie von Siemens & Halske geplanten Unter-
grundbahnen bald zur Ausführung gelangen. —
M. Dietrich, Städt. Strassenbahn-Ingenieur.
Ein neuer Themsetunnel bei London zwischen Greenwich
und Millwall ist vor kurzem eröffnet worden. Der rd. 375 m lange
Tunnel, der durch den Londoner Grafschaftsrath in sVajähriger
Bauzeit erstellt wurde, kostete etwa 2,5 Mill. M. Der Querschnitt
hat 3,4 m inneren Durchmesser. Der Tunnel Hegt etwa 19 m unter
dem höchsten Wasserstande. —
Das Bismarck- Gymnasium zu Wilmersdorf bei Berlin,
mit einem Aufwande von rd. 570000 M. nach dem Entwurf der
Hrn. Gemeinde-Brth, Herrnring und Reg.-Bmstr. Albr. Becker
in Wilmersdorf errichtet, besteht aus dem au der Strasse gelegenen
Kiassengebäude mit Aula, 26 Klassenräume für 1150 Schüler ent-
haltend, aus der Turnhalle und dem Direktor-Wohnhause. Die
Baugruppen sind durch bedeckte hölzerne Wandelhallen mit ein-
ander verbunden. —
Die Entwürfe für den Neubau der kgl. Bibliothek in
Berlin, die auf dem Gelände der alten Akademie errichtet werden
soll, sind durch den Hrn. Geh. Hofbrth. E. Ihne fertiggestellt
worden. Das neue Gebäude ist für etwa 5 Mill. Bände berechnet. —
Die neue Max-Josefs-Brücke in München wird zum Oktober
d. J. dem Verkehr übergeben, Die Bauarbeiten hatte die Firma
Säger & Wörner übernommen, während die architektonische
Ausgestaltung Hrn. Prof. Th. F i s c h e r in Stuttgart übertragen war. —
Ein neues Postgebäude in München soll auf dem Maffei-
Anger, einem von der Arnulf-, Hopfen-, Mars- und I-Iasenstrasse
umgrenzten Gelände errichtet werden, welches für 4,5 Mill. M. er-
worben wurde. —
Die Anlage einer Rheinuferbahn zwischen Köln und Bonn
als normalspurige Bahn im Anschluss an die Staatsbahnhöfe Köln
und Bonn und in Verbindung mit der städtischen Hafenbahn in
Köln ist geplant. — ■
Thalsperren im Schwarzwald. Das Wiesenthal bei Todtnau
und das kleine Wiesenthal bei Maulburg im badischen Schwarzwald
sollen durch Thalspcrren abgeschlossen werden. Die Baukosten der
erstgenannten Thalsperre sind mit rd. 5 Mill. M. veranschlagt. —
Die Eisenbahnen von Transvaal, die in dem kurzen Zeit-
räume von 10 Jahren entstanden sind, besassen im Jahre 1898 eine
Länge von 1147 km, darunter ist die bedeutendste Linie diejenige
von der Delagoa-Bai nach Pretoria und Johannesburg. 1899 ist die
300 km lange Strecke Pretoria -Pietersburg eröffnet worden. Bei
Ausbruch des Krieges im Bau begriffen war die 115 km lange
Strecke Machadodorp-Karolina-Ermelo. Das gleiche gilt von der
350 km langen Strecke Komati Poort (Grenzstation der Delagoa-
bahn) nach Leydsdorp, von der _z. Zt. 114 km ausgeführt sind. —
Die Errichtung einer Bismarcksäule bei Heidelberg ist
durch Sammlungen eingeleitet, die nunmehr zu einem befriedigen
den Abschluss gekommen sind. Das Denkmal wird am West-
abhange des Heiligenberges errichtet. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Mar.-Bfhr. J a b o r g ist z. Mar.-Masch.-
Ptnstr. ernannt. — Die Reg.-Bmstr. Fr. Heinrich und Paul
Grub eck, die Ing. Treptow und Gent sch sind zu kais.
Reg.-Rätben und Mitgl. des Pat.-Amtes ernannt.
Preussen. Dem Prof. Kämmerer an der Techn. Hoch-
schule in Berlin ist der Rothe Adler-Orden IV. Kl. und dem Ing.
Brth. Th. Holz mann in Frankfnrt a. M. der kgl. Kroneo-Örden
III. KL, den Landesbauinsp. W e y 1 a n d in. Bonn und Müsset in
Düsselorf ist der Chan als Brth. verliehen.
Den Reg.-Bmstrn. Herrn. Werner in Schmiedeberg, Jos.
Höven er in Beverungen, Wilh. Brandes in Lübeck, Emil
Friedrich in Breslau, Arth, Przygode in Charlottenburg,
Erich Metzeltin in Hannover, Karl Kühne in Westend-Berlin,
Rieh. Albrecht in Berlin, Hans Bauer in Halle a. S., Walter
Hö lisch in Breslau, Erich Bogatsch in Nürnberg und Paul
Schmidt in Münster i. W. ist die nachges. Entlass, aus dem
Staatsdienste, dem Re^.-Bmstr. Max Benetsch in Droyssig die
Entlass, aus dem Dienste der aUgem. Bauverwaltg. ertheilt.
Der Eisenb.-Dir. R o h d e in Glückstadt und der Reg.-Bfhr.
Stamm er in Hamburg sind gestorben.
431
Brief- und Fragekasten.
Anmerkung der Redaktion. Die Anfragen für unseren Brief-
und Fragekasten häufen sich in der letzten Zeit in einer solchen
Weise, dass die Beantwortung derselben bei dem bescheidenen'
Raum, den wir dieser nur zur Verfügung stellen können, sich gegen
unseren Willen vielfach verzögert. Wir sehen uns daher zu der
Bemerkung genöthigt, dass wir nur noch die Anfragen von all-
gemeinem Interesse berücksichtigen können, welchen der
Nachweis des Bezuges unseres Blattes beigefügt ist.
Wenig Aussicht auf Beantwortung haben ausserdem die Anfragen,
deren Erledigung auf dem Wege der Anzeige möglich ist, Grund-
sätzlich sollte der Briefkasten nur dann in Anspruch genommen
werden, wenn andere Wege versagen. —
Hrn. B. in C. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Ab-
wasser-Reinigung durch Rieselung anerkanntermaasen das voll-
kommenste Verfahren sowohl bei Beurtheilung vom hygienischen,
als vom wirthschaftlichen Standpunkte aus. Ausnahmen, welche
voriiegen und auf Besonderheiten der Verhältnisse beruhen, ändern
an dieser Thatsache nichts. Voraussetzung f'ür günstigen Erfolg
der Rieselung ist die Möglichkeit des Erwerbes von geeignetem
dem Vorzüge nicht Uebelstände besonderer Art eintreten;
zu letzteren gehört namentlich die Erzeugung und Anhäufung grosser
unverwerthbarer oder lästig werdender Schlammassen.
Die bisher am meisten angewendete chemisch-mechanische
Klärung benutzt Aetzkalk, zuweilen für sich allein, zuweilen unter
Mitbenutzung von schwefelsaurer Thonerde und noch anderen
Stoffen. Diesem Klärverfahren haften zwei grosse Uebelstände an:
Vermehrung der Schlammengen und Schwierigkeiten der Be-
handlung und Beseitigung derselben, ferner Zuführung grosser
Mengen von ungelöstem Aetzkalk zu dem als Vorfluth benutzten
offenen Gewässer. Wenn dieses klein ist, können daraus un-
leidliche Zustände entstehen. Entsprechend hat das Verfahren
der Klärung mit Aetzkalk an Ansehen sehr eingebüsst und ist,
nachdem ihm neuerdings andere, bessere Verfahi'en zurseite getreten
sind, heute im Absterben begriffen.
Ausser durch da.s Auftauchen der biologischen Reinigungs-
verfahren, die sich noch ini Entwicklungsstadium befinden, aber
inbezug auf die Befreiung der Schmutzwasser von Keimen nichts
leisten, ist eine Wandlung in der Lösung der Abwasserreinigungs-
Aufgabe auch insofern eingetreten, als die Gesundheits-Behörde von
dem früheren strengen Standpunkte: dass nur desinfizirte Wasser
Entwürfe zu schmiedeisernen Mauerzierankern von Architekt Otto Schulze-Köln in Darmstadt.
Riesellaod in nicht zu grosser Entfernung und Sicherung aus-
reichender Vorfluth; beide Ansprüche müssen auch mit massigen
Geldmitteln erfüllbar sein. Zahlreiche Nebenansprüche, welche bei
Einrichtung von Rieselung auftreten, können füglich auf sich be-
ruhen bleiben.
Die Reinigung der Abwässer durch Klärung kann entweder
eine blos mechanische oder eine mechanisch-chemische
sein. Bei ersterer handelt es sich um Entfernung der in den Ab-
wässern im ungelösten Zustande vorhandenen Fremdstoffe, während
Einwirkung auf die gelösten Stoffe und auf den Keimgehalt des
Wassers nicht, oder nur in geringem Maasse stattfi'ndet. Die
mechanische Klärung leistet daher im hygienischen Sinne Minder-
werthiges; sie befriedigt gewissermaassen nur das Auge, doch auch
die Ansprüche, welche mit Bezug auf den Schutz der zur Vorfluth
zu benutzenden Gewässer gegen sichtbare — grobe — Verun-
reinigungen zu erheben sind. — Das chemisch-mechanische
Klärverfahren geht darauf hinaus, ausser den ungelösten auch die
gelösten Fremdstoffe und dazu die Keime,, welche die Abwässer
enthalten, in möglichst weitgehendem Maasse zu entfernen. Wo
dieser Zweck hinreichend erfüllt wird, steht die chemisch-mecha-
nische Klärung der mechanischen in dem Falle voran, daös neben
in offene Gewässer eingeleitet werden dürften, mehr und mehr
aufgiebt und heute sich vielfach schon mit der blos mechanischen
Klärung begnügt. Wenigstens geschieht dies Städten gegenüber,
die ein einigermaassen grosses offenes Gewässer mit nicht zu ge-
ringer Wassergeschwindigkeit zur Verfügung haben. Marburg,
Kassel, Hannover, Köln, Karlsruhe, Mannheim usw. bilden bekannt
gewordene Beispiele.
Einerseits hieraus, andererseits aus der zu erwartenden Ver-
vollkommnung der neueren Klärverfahren ist die Auffassung be-
gründbar, dass die Städte von der Zukunft eine Erleichterung der
Wasserreioigungs- Aufgabe zu erwarten haben, und dass die bisherige
Minderwerthigkeit, welche die Klärverfahren gegenüber der Rieselung
besassen, mehr und mehr schwinden wird. —
Inhalt: Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Bau
eines neuen Rathhauses in Kassel. — Der Strassenbahnverkebr in Berlin
und seinen Vororten. — Vermischtes. — Preisbewerbtmgea. — Chronik. —
Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten. — . Entwürfe zu schmied-
eisernea Mauerzierankern von Architekt Otto Schulze-Köln in Darmstadt.
Verlag der Deutschen Bauzeitun^ G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greye, Berlin,
No. 67.
433
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XXXVI. JAHR-
*BERLIN ^
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AUZEITUNG.
GANG. * * N2; 68. ^
DEN23.AUG.1g02. *
Das „Haus des Baumeisters“
in Rothenburg o. T. eine deutsche
Baumeister-Herberge.*)
nter den deutschen Städten hat wohl
keine den alten Charakter so treu er-
halten, bietet wohl keine andere auf
engem Raume eine solche Fülle male-
rischer Durchblicke, reizvoller Archi-
tekturbilder, wie das kleine Landstädtchen Rothen-
burg im idyllischen T aubergrunde. Manche Kämpfe
hat die einstige freie Reichsstadt ausfechten, manche
Stürme im 30jährigen Kriege über sich ergehen
lassen müssen, während dessen sie mehrfach be-
lagert und genommen wurde. Der „Meistertrunk“
ihres Bürgermeisters soll die Stadt 1631 von der
Zerstörung durch Tilly errettet haben, ln späterer
Zeit hat die Lage des Städtchens abseits von der
(grossen Heerstrassc des Verkehres ihm seine be-
schauliche Ruhe erhalten und es davor bewahrt,
sein vielleicht etwas enges, aber behagliches und
nur ihm eigenthümliches Gewand einzutauschen
gegen ein bequemeres, aber weniger charakte-
ristisches modernes Kleid. Als dann der Sinn
für volksthümliche Kunst wieder geweckt war,
als Maler und Architekten auszogen, „Motive“ zu
sammeln und hierbei Rothenburg g^ewissermaassen
neu entdeckten, da hat kunstverständiger, an der
lleimath hängender Bürgersinn die Erhaltung des
alten Städtebildes, die Pflege des von den Vätern
überkommenen Erbtheiles sich zur Aufgabe ge-
macht, und die Stadt Rothenburg, der von Bür-
gern gegründete Verein „Alt-Rothenburg“ haben
gethan, was in ihren Kräften stand. So ist vieles
geschehen und an die Opfcrwilligkeit der Bürger
des Städtchens, das jetzt kaum 8000 Einwohner
zählt, sind hohe Anforderungen gestellt worden,
da dieses bisher in der Hauptsache auf eigene
Kraft angewiesen war und ihm namentlich eine
Beihilfe durch den bayerischen Staat nicht ge-
währt worden ist.
Auf die Dauer ist aber die Stadt dieser Auf-
gabe nicht gewachsen und gerade jetzt droht
Gefahr, dass vielleicht unter dem Zwange der
wirthschaftlichen Lage eine Lücke gerissen wird
in das bisher pietätvoll Erhaltene, dass eines der
schönsten Rothenburger Bürgerhäuser, das be-
kannte „Haus des Baumeisters“ in der oberen
Schmiedgasse No. 343, dessen bisheriger Besitzer
verstorben ist, zwecks besserer VenA'erthung
modernisirt, d. h. also seines besonderen Reizes
beraubt wird. Denn gerade in diesen behaglichen,
nur als Wohnung für eine Familie dienenden
Bürgerhäusern, von denen das wahrscheinlich
im Jahre 1596 entstandene Baumeisterhaus das
schönste und in seiner gesammten Raumein theilung
des Inneren best erhaltene ist, liegt das Eigen-
thümliche der Stadt Rothenburg im Gegensätze
zu anderen alterthümlichen Städten, wie Nürnberg,
Augsburg usw., in denen von den Profanbauten
namentlich die vornehmen Häuser der reichen
*) Die Ansichten des Aeusseren und voin Hofe des Hauses
sind dem schönen, soTafeln umfassenden Bildwerke „Malerische
Architekturstudien von Rothenburg ob der Tauber*, photogra-
phische Original-Aufnahmen nach der Natur, in Lichtdruck
herausgegeben von Hofphotograph Arch. Hermann ROckwardt
in Berlin, Verlag von P. Schimmelwitz in Leipzig, Preis 40 M.,
entnommen. Die Grundrisse und Schnitte sind den Aufnahmen
des bekannten Werkes von A. Ortwein, die Deutsche Re-
naissance, nacbgcbildct.
433
Kaufherren mit ihren Kontoren und geräumigenWaaren-
kellem auf uns überkommen sind.
Um dieses Haus in seiner ursprünglichen Gestalt
zu erhalten und zwar so, dass es der Allgemeinheit
zugänglich bleibt, hat der bayerische Architekten- und
Ingenieur-Verein die Anregung gegeben, der „Verband
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine“ möge
hier helfend eintreten und das „Haus des Baumeisters“
erwerben, um es als Verbands- und im weiteren Sinne
vielleicht als Architekten- und Künstler-Herberge her-
zurichten. Die Abgeordneten-Versammlung des Ver-
bandes, die Ende August in Augsburg tagt, wird sich
mit dieser Frage zu beschäftigen haben. Wohl be-
sitzt '.der Verband kein nennenswerthes Vermögen,
aber ' sollten seine fast 7200 Mitglieder nicht in der
Lage sein, für einen solchen Zweck durch eine frei-
willige Beisteuer die Mittel aufzubringen?
Gefordertwerden für dasHaus 32000 M., von denen
jedoch nur die Hälfte baar zu zahlen ist, während der
Rest alsHypothek einzutragen seinwürde. Die nothwen-
dige gründlicheHerstellung desBaues (der Giebelaufbau
Zur Angelegenheit des Heidelberger Schlosses.
(FortsetzuDg statt Schluss aus No. 54.) Hierzu_die Abb. S. 436, 438 u. 43g.
|aupt giebt zunächst den Wortlaut des berühmten
Kontraktes, des „Dreh- und Angelpunktes der ge-
sammten Baugeschichte des Otto Heinrichsbaues"
wieder, welcher am 7. März 1558 mit dem Bildhauer
Alexander Colins aus Mecheln abgeschlossen wurde und
geht dann zum Otto Heinrichsbau selbst über. Das
Werk des Schlossbaubureaus nennt er mit Recht „eine
künstlerische und kunsthistorische That ersten Ranges;
wie mich dünkt, eine der vorzüglichsten und gewissen-
haftesten zeichnerischen Veröffentlichungen, welche je
über historische Bauwerke erschienen sein mögen; ich
betrachte es sogar als das Grösste in erhaltendem und
erkennendem Sinne, was bisher für das Heidelberger
Schloss geschehen ist“. Die Untersuchung über den Otto
Heinrichsbau wird in sehr eingehender historischer und
stilistischer Weise geführt und sie gipfelt in dem Ergeb-
niss (S. 68): „Die nach völlig italienischem Vorbild kom-
ponirte Fassade ist von einem italienischen Bildhauer aus-
geführt, von einem vlämischen umgeformt und bereichert;
von Deutschem ist an ihr kaum eine Spur, nur die herr-
liche Lage und Umgebung, das wunderschöne Material,
die Bestimmung, die mithelfenden Handwerker, vor Allem
aber die echt deutsche Gestalt seines Bauherrn und
ist 1901 vom Verein Alt-Rothenburg wiederhergestellt),
die etwa 8 — loooo M. erfordert, würde die Stadtge-
meinde voraussichtlich selbst übernehmen, der ausser-
dem Staatshilfe in Aussicht steht, wenn das Haus in
sichere Hände kommt. Die unteren Räume würden
zu vermiethen sein und es könnten hieraus die Kosten
für die laufende Unterhaltung, die Abgaben usw. be-
stritten werden, sodass also nur die Verzinsung noch
weiterhin vom Verbände aufzubringen wäre, während
die Einnahmen aus den oberen Räumen der Einrich-
tung des Hauses zugute kommen würden. —
Das „Haus des Baumeisters“ durch deutsche
Baumeister und für deutscheBaumcister erhalten ! Möge
dieser schöne Gedanke zur That werden! — -Fr. E.
Schöpfers mit seiner ebenso deutschen Sehnsucht nach
dem sonnigen Süden, dem goethe’schen Heimweh nach
Italien, welches wohl erst mit dem letzten Deutschen
sterben wird. Dieser Sehnsucht echtestes sichtbares Er-
innerungsmal bleibt der Otto Heinrichsbau für immer;
eine Blume, herübergeweht aus dem Garten der Este, wo
der Dichter des befreiten Jerusalem wandelte: Goethes
Tasso in Stein.“ Um diesen italienischen Ursprung des
Baues nachzuweisen, giebt Haupt einmal die Seite 438
wiedergegebene zweigeschossige Fassade des Palazzo
Roverella zu Ferrara, stellt ihr den dreigeschossigen Otto
Heinrichsbau gegenüber, wie er nach seiner Meinung nach
dem ältesten Entwurf ausgesehen haben würde (Seite 439),
und bezeichnet zum anderenden 1502 geborenen Pfalzgraten
bei Rhein Otto Heinrich als einen „echten Renaissance-
Fürsten (s. oben), einen leidenschaftlichen Anhänger
des Humanismus, einen ausserordentlichen Freund der
bildenden Künste, vor allem der Baukunst, und einen
Förderer der erwachenden Renaissance“ (S. 14). Nun ist
aber schon aus dem rhetorischen Schwung der vorhin ange-
führten Stelle ohne alle Zweifel zu erkennen, dass Haupt,
wie es in den geschichtlichen und kunstgeschichtlichen
Untersuchungen hier und da vorkommt, bei seinen Nach-
forschungen von einem Lieblingsgedanken geleitet wird und
dass er zugunsten dieses Lieblingsgedankens, sicher unbe-
wusst, sein Material sucht und gruppirt. Der beste Beweis
No. 68.
434
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902.
VI. Die Ausstellung des „Vereins deutscher Port-
land* Cement-Fabrikanten“ und des „Deutschen
Beton-Vereins." *) {Fortsetzung statt Schluss.)
Is vor etwa 20 Jahren die ersten Betonbrücken in
Deutschland ausgeführt wurden**), da handelte es
sich im wesentlichen um Bauten kleineren Umfanges
und namentlich um schiefe Brücken, bei denen die Einfach-
heit der Herstellung, wie schon erwähnt, gegenüber der
Schwierigkeit der Steinschnittlösung bei gewölbten Brücken
aus Haustein oder Ziegeln den Betonbau besonders vor-
theilhaft erscheinen liess. Seitdem ist aber mit dem Fort-
schritt in der Portlandzement-Erzeugung, welcher die Her-
stellung eines feingemahlenen, ganz gleichmässigen Mate-
rials und damit auch eines Betons von grösserer Zuver-
lässigkeit und höherer Festigkeit ermöglichte, der An-
wendung des Betons im Brückenbau ein weites Feld er-
öffnet worden, wobei in gleicherweise die Kostenfrage
und die Bauzeit zu Gunsten des Betons häufig den Ausschlag
gegeben haben. Dazu kam später die Einführung der
Maschinen-Arbeit zur Betonbereitung, die wiederum ein
gleichmässigeres Baumaterial gewährleistet; ferner die
bessere Erkenntniss von den Eigenschaften des Betons und
der Betongewölbe, wie sie durch die Versuche von Hartig,
Bauschinger und namentlich Bach, sowie durch die
verdienstvollen Arbeiten des Gewölbe-Ausschusses
des österreichischen Ing.- und Arch.-Vereins ge-
wonnen wurde.
Während man anfänglich sich hinsichtlich der Pressun-
gen in den Grenzen der Beanspruchung eines guten Klin-
•) Zu unseren AusfQhrungen in No. 66 sei bemerkt, dass sich die
Arbeiten der Grabower Zementstein-Fabrik „Comet“ nicht auf der Fahr-
bahn der Ausstellangsbrftcke, sondern auf dem von der Firma Dycker-
hoff & Widmann besonders ansfestellten Strassenquerschnitt befinden. Die
Brückenbahn ist von letzterer Firma selbst hergestellL — Das Mischimgsver-
baltniss 1:7:9, das für den Lichteoberger Wasserbehälter angegeben wurde,
bezieht sich nur anf die Sohle. Wände und Decken sind in 1 : 6 : 6 erstellt. —
**) Die erste Betonbrücke Oberhaupt ist 1816 in Romanzementbeton
bei Souillac Ober die Dordogne hergesteUt worden.
Abbildg. 7. EisenbahnbrQcke über den Braunaubach. (Spw. 12 m.)
dafür ist die merkwürdige Stelle S. 47 seiner Schrift, wo er
die Berechtigung des von ihm herrührenden Fassaden-
Entwurfes, den wir S. 439 wiedergeben, gewissermaassen
als Dokument für die frühesten Bauabsichten am Otto
Heinrichsbau, mit den Worten belegt; „Fassen wir nun
alle die Theile, welche dem ersten Arbeitsplan angehörig,
meist fertig Vorlagen, nochmals zusammen, ergänzen wii
dazu die unentbehrlichen glatten Profile, nämlich ganz
einfache Fenstergewände und horizontale Fensterver-
dachungen, die dorischen Kapitale des Erdgeschosses und
alle Pilasterfüsse, nehmen wir an, dass das Portal nur
zwei Karyatiden an den Seiten haben sollte (denn vier
hatten ja ursprünglich nicht Platz, und um sie anbringen
zu können, drängte man die flankirenden Pilaster im Erd-
geschoss auseinander), geben wir diesem Portal den noth-
wendigen Bogen und glattes Gebälk mit Kropf über jeder
Karyatide, so ergiebt dies merkwürdiger Weise, zu-
sammengesetzt unter Beibehaltung der Stockwerkshöhen,
eine ganz vollständige und wohlabgewogene Fassade —
aber zu unserem Erstaunen in ausgeprägter italienischer
Frührenaissance.“ Mit kurzen Worten ist hier der fol-
gende Vorgang festzustellen: Der Verfasser scheidet aus
einer nach unserer Meinung ganz unzweifelhaft unter
dem Einfluss des nordischen gothischen (vlämischen oder
deutschen) Vertikalismus entstandenen Fassade alles nor-
dische aus und ergänzt die Fassade durch italienische Ein-
23. August 1902.
kers hielt, sind später Brücken ausgeführt worden, bei denen
die Beanspruchung fast 4o^&/qc™ erreicht (Neckarbrücke
bei Neckarhausen, bei der Ausstellungsbrücke von Düssel-
dorf sogar 47*'g/qc“i), also derjenigen besten Werksteins
gleich kommt. Und aus den kleinen Spannweiten sind Weiten
bis zu 50“ geworden, bei denen gleichzeitig das Pfeil-
verhältniss bis unter Vio (Donaubrücke Munderkingen Vio.
Neckarbrücke Neckarhausen i/iu Ausstellungsbrücke 1/14,5)
heruntergedrückt worden ist. Die höhere Beanspruchung
des Betons bedingt allerdings auch einen höheren Zement-
zusatz, sodass dadurch die Kosten wieder erhöht werden.
Während Dyckerhoff etwa ein Mischungsverhältniss von
I Theil Zement auf 5 — 6 Theile Kiessand und 5 — 6 Theile
Kiessteine bezw. festen Steinschlag vorschlägt (wobei für
die Festigkeit in erster Linie das Mischungsverhältniss des
Zementes zum Sande maassgebend ist), hat das Gewölbe
der Brücke von Munderkingen z. B. ein Mischungsverhält-
niss von 1:21/20 erhalten. Man wird also in jedem Ein-
zelfalle über das zweckmässigste Mischungsverhältniss be-
sondere Erwägungen anstellen müssen.
Schliesslich hat der Betonbrückenbau auch an den
Fortschritten der Ausführung der gewölbten Brücken über-
haimt, wie sie namentlich dem verstorbenen Präs. Leibbrand
in Stuttgart zu verdanken sind, theilgenommen. Die flach-
gespannten Brücken sind dementsprechend zumeist mit
Gelenken am Kämpfer und dem Scneitel ausgestattet und
es sind dann die Querschnitte genau der Beanspruchung
entsprechend gestaltet, sodass die von den Steingewölben
abweichende Form entstand mit der grössten Querschnitts-
stärke an der Bruchfuge, also mit einer Schwellung jedes
Gewölbeschenkels zwischen Scheitel und Kämpfer.
Neben der schon genannten Firma Dyckerhoff &
Widmann in Biebrich a, Rh. pflegen den feetonbrücken-
bau in Deutschland namentlich Liebold & Co. in Holz-
minden (1873 gegründet), Way SS & Frey tag (früher Frey-
tag & Heidschuch, gegründet 1875) in Neustadt a. d. Haardt
und die A.-G. für Beton- und Monierbau in Berlin.
Abbildg. 8. Strassenbrücke bei Krapina. (Spvsr. 19,3111.)
zelheiten; dadurch erhält er eine italienische Fassade.
Nichts ist natürlicher als das; wo bleiben aber bei so
starken subjektiven Unternehmungen die objektiven That-
bestände? Unseres Erachtens ist es nicht ohne Gefahr,
an so schwierige Untersuchungen mit einem so entwickelten
Subjektivismus heranzutreten. Das bezieht sich auch auf
die Charakterisirung des Trägers des Baugedankens, 'des
Pfalzgrafen Otto Heinrich. Er machte Tn den Jahren
1519— 1520 seine erste grosse^Reise nach Italien. „i5[9
war der Palast Roverella aber noch neu und stand ohne
Zweifel im Mittelpunkt des Interesses“ (S. 50). Ist es nun
menschlich denkbar^ dass ein i7jähriger Prinz, der den
Kopf mit anderen Dingen voll hatte und der zudem „durch
des Kaisers Majestät zum künftigen Vizekönig von Neapel
bestimmt wurde und sich zunächst auf diesenBerufvor-
bereitete" (S. 51), sich schon mit so schwerwiegenden
Baugedanken wie die Errichtung des Otto Heinrichsbaues
in dem ihm vom nationalen Standpunkte immerhin fremden
italienischen Stil getragen haben könnte?
Vielmehr möchten wir da einer interessanten Anregung
folgen, die Haupt auf S.89 seines Werkes giebt. Er fragt hier,
„ist historisch irgend ein Anhaltspunkt dafür gegeben, dass
Otto Heinrich den nach ihm genannten Bau auch wirklich
von Anfang an erdacht und begonnen habe? — Es
findet sich nirgends auch nur ein Schimmer da-
von. Vielmehr trägt der Bau seinen berühmten Namen
435
Besonders reichhaltig ist auf diesem Gebiete die Aus-
stellung der Firma Wayss & Freytag. Wir führen in
Abbildg. 6 die schon melirfach erwähnte Neckarbrücke
bei Neckarhausen vor, die bei 50“ Spannweite nur
4,5 “ Stich, also ein PfeUverhältniss von Vn aufweist. Sie
kommt demnach der Donau-Brücke bei Munderkingen,*)
die 1893 erste derartig weit gespannte Stampfbeton-
brücke von Leibbrand erbaut wurde, an Spannweite gleich,
übertrifft sie aber noch an Kühnheit des rfeilverhältnisses.
Sie zeigt ausserdem offene Stahlgelenke (wie die Donau-
*) Vgi Dtscbe. Bztg. 1894 S. 4^.
Brücke von Inzigkofen von Leibbrand-Sigmaringen), wäh-
rend die Gelenke der Brücke von Munderkingen nach-
träglich vergossen wurden.
Eine grössere Stampfbetonbrücke mit Granitgelenken,
die Volme-Brücke bei Hagen, von 25“ Sp.-W., stellt im Modell
die Firma Hüser & Cie. in Oberkassel aus, desgl. Zeich-
nungen und Photographien Liebold & Co. in Holzminden.
Diese Firma hat ausserdem, seiner Zeit als erste in Deutsch-
land, eine Sonderheit der Ausführung aufgenommen, die
man als ein Mittelding zwischen dem Steinbau und der
Stampfbeton-Herstellung betrachten kann, die Ausführung
nach dem Thesaurus picturarum u. nach Haupt.
Gestalt der Giebel aes
allein und ausschliesslich wegen der Inschrift über
dem Portal'* (S. 89}. Dagegen trieb Otto Heinrichs Vor-
gänger das Bauen im Uebermaass bis zur gänzlichen Er-
schöpfung seiner Mittel.
Ein Umstand von grösster Wichtigkeit, auf den aufmerk-
sam gemacht zu haben, wir Haupt allen Dank wissen, ist in
diesem Zusammenhang die Bedeutung des gläsernen Saal-
baues für die Urheberschaft des O tto Heinrichsbaues. „Dieser
Bau empfängt sein gesammtes Licht nicht erst seit dem letz-
ten Umbau, sondern ganz ursprünglich, von der Nord- und
Ostseite. Die Südseite wird durch den Treppenthurm, der
gleichzeitig auch für den Otto Heinrichsbau zur Zugänglich-
machung der oberen Stockwerke dient, in zwei ziemlich
gleiche Theile zerschnitten, von denen der westliche mit
seinem malerischen Giebel und seiner dreigeschossigen
Halle als eine prächtige Schauseite ausgebildet ist". Der
östliche Theil dagegen ist so unansehnlich wie möglich,
nur in verputztem Bruchsteingemäuer hergestellt und
„sichtlich nicht darauf eingerichtet, auf die Dauer mit dem
wunderbar malerischen westlichen Theile zusammen ge-
sehen zu werden“. Es bestehen also die beiden Möglich-
keiten, dass der gläserne Saalbau von Anfang an durch
den Ludwigsbau verdeckt war, „was nicht recht wahr-
scheinlich ist und bestritten wird“, oder dass hier ein vor-
läufiger Zustand nur bestand und der gläserne Saalbau
bestimmt war, nur zur Hälfte sichtbar die Ecke auszu-
füllen und „als vorspringende Flankirung zu dienen für den
Otto Heinrichsbau“. Aus dieser Sachlage zieht Haupt im
Widerspruch zu einer früheren Annahme eine durchaus
einleuchtende Schlussfolgerung, indem er sagt (S. 89):
„Zusammengehalten mit der eigenthümlichen Anlage des
gläsernen Saalbaues und damit, dass Friedrich II. in ganz
gleicherweise, wie sein Neffe und Nachfolger Otto Heinrich
nicht nur baulustig im höchsten Grade, sondern auch weit-
gereist und gewandert war, dass er Spanien und Italien
auf das Genaueste kannte und zwar bereits lange Jahr-
zehnte, dass er am Hofe Kaiser Karls V. in Granada und
in Toledo sich öfters aufgehalten, führen die Umstände noth-
wendig auf den Schluss hin, dass bereits Friedrich II.
den nach Otto Heinrich genannten Palast ge-
wollt, geplant und begonnen habe. Mangelte es
doch sehr diesem prachtliebenden Fürsten an emer re-
präsentativen Wohnung, und hatte er sich sofort als Kur-
fürst den engen und düsteren Ruprechtsbau für diesen
Zweck einigermaassen ausgestattei“.
Lässt sich nun diese nichts Unwahrscheinliches be-
sitzende Annahme Haupts begründen, dann braucht man
nicht mehr so zwangvolle Gründe herbeizuziehen, um die
Thatsache des italienischen Urgedankens der Fassade
des Otto Heinrichsbaues mit dem — wir wiederholen es —
unzweifelhaft nordischen (vlämisch oder deutsch) Charakter
der heutigen Ausführung zusammenzubringen. Denn Haupt
schliesst mit Recht, wenn schon Friedrich II. des Otto
Heinrichsbaues als Wohnpalast bedurfte und ihn begann,
dann läge ein längerer Zeitraum zwischen dem Stillstände
der Arbeiten Friedrichs II. und ihrer Wiederaufnahme
durch Otto Heinrich. Es hätte der gläserne Saalbau
7 — 8 Jahre lang an der Stelle, wo der Palastbau sich an-
schliessen sollte, jene nothdürftige Form gezeigt. „Auch
ist es dann erst klar, weshalb der neue Meister den früheren
so ganz und gar nicht mehr verstand, wenn dessen
Thätigkeit Jahre zurück lag“ (S. 91). Mit anderen Worten;
wenn es zutreffend ist, dass der Fassade ursprünglich ein
Entwurf italienischen Charakters zugrunde lag, so kam nun
in die Ausführung ein anderer, ein nordischer Charakter,
der Charakter, den die heutige Fassade zeigt, der, wie ein
Vergleich der obenstehenden Abbildung mit den Abbildgn.
S. 438 u. 439 zeigt, völlig verschieden ist von dem Charakter
der italienischen Palast-Fassaden, und der nicht mehr
italienisch ist, als der Charakter hundert anderer Bauten der
deutschen Renaissance. Wenn auch z. B. dieVerkröpfungen
des Friedrichsbaues fehlen, so ist die Fassade durch die Art
der Fenster- und Nischen- Anordnungen usw. doch vom aus-
gesprochensten Vertikalismus beherrscht. — (Sciiiuss folgt)
436
No. 68.
AbbiWg. 6. Neckar brücke bei Neckarhausen (50 m Spw.; Stampfbeton).
in „Bruchs tein-Füllraauer werk“. Da ein regelrechter
Verband der kleinen Bruchsteine hierbei nicht ntehr be-
steht, so beruht die Festigkeit solcher Konstruktionen vor-
wiegend auf derjenigen des Zementmörtels.
Ausserdem stellt diese Firma noch ein grösseres Modell
der von ihr in Meiningen ausgeführtenHerzog Georg-Brücke
aus, die bei 40 “ Sp.-W. 3,7 “ Pfeil, also ein Pfeilverhältniss
zwischen und besitzt. Der Scheitel ist nur 0,7
düng des Walzeiscns zu Baukonsftniktionen veranlasste.
In Deutschland hat der Betoneisenbau in seiner Grund-
form, der Monierbauweise, erst nach 1887 festen Boden
gefasst, nachdem Ing. G. A. Wayss in Gemeinschaft mit
der schon genannten Firma Freytag & Heidschach
Sowie der Firma Martenstein & Josseaux In Offen-
bach a, M., welche zuerst die Monier-Patente für Deutsch-
land erwarben, in Berlin umfangreiche Belastungsproben
Abbildg. 5. Zeller Hochbrücke über die Ybbs (44m Spw.; mit_ Eiseneinlage).
der Kämpfer 0,9 stark. Das ohne Gelenke ausgeführte
Gewölbe enthält aber in den Beton eingebettet eiserne Fach-
werktr^er, ist also nach Art der Melan-Konstruktionen
ausgebildet. Dieses Bauwerk führt uns somit auf das Gebiet
der Betoneisen-Konstruktionen, deren Einführung
auf allen Gebieten des Bauwesens eine Umwälzung hervor-
gebracht hat bezw. noch hervorbringen wird, die nur
durch diejenige übertroffen wird, welche die Verwen-
23. August 1902.
veranlasst und die Broschüre „Das System Monier.
EisengerippemitZement-Umhüllung“ veröffentlicht
hatte, zu welcher der damalige Reg.-Bmstr. Koenen, der
spätere Direktor der Monierbau-Gesellschaft in Berlin, die
theoretischen Grundlagen geliefert hatte.
Wir müssen es uns bei diesen kurzen Betrachtun-
gen versagen, näher auf die Eigenschaften der Beton-
eisen-Konstruktionen einzugehen. Ihre ausserordentliche
437
Leistungsfähigkeit beruht bekanntlich darauf, dass Beton-
körper mit Eiseneinlagen im Stande sind l5ei Zugbean-
spruchungen Dehnungen auszuhalten, die der vollen Aus-
nützung der Zugfestigkeit des eingelegten Eisens ent-
sprechen, Erst wenn die Zugspannungen im Eisen dessen
Elastizitätsgrenze erreichen, treten Risse im Beton auf. Die
Eiseneinlage befähigt also den Beton selbst, weit grössere
Dehnungen ohne Schaden auszuhalten, als er für sich allein
in der Lage wäre. Während man daher bei reiner Beton-
konstruktion derartige Abmessungen geben muss, dass
keine oder nur sehr geringe Zugspannungen auf-
treten: können, fällt diese Rücksicht bei den Beton-
eisen-Konstruktionen fort, sie lassen sich also mit
sehr viel kleineren Querschnitten ausführen. Sie
sind demnach wirthschaftlicher als reine Steinkon-
struktion und haben gegenüber dem Holz und
Eisen den Vorzug der Feuersicherheit.
Im Brückenbau hat man von dieser Eigen-
schaft derBetoneisen-Konstruktionen Vortheii ge-
zogen, indem man die Abmessungen der Gewölbe
nun nicht mehr so stark zu nehmen brauchte, dass
die Dfucklinie im inneren Drittel verläuft. Es wird
daher ^an Konstruktionshöhe gespart, ausserdern
wird das Eigengewicht verringert. Bei ganz weit
gespannten Konstruktionen erfordert die Dfuckber
ansprüchung schon solche Querschnitte, dass die
Eiseneinlagen keinen so grossen Vortheil mehr
bringen; ihre Anwendung beschränkt sich daher
in_ Deutschland im allgemeinen auf kleinere und
mittlere Spannweiten, während die ganz grossen
Bauwerke fast sämmtlich in reiner Stampfbeton-
Konstruktion- erstellt wurden.*) Durch Ausführung
der Fahrbahnplatte und der ihre Last auf das Ge-
wölbe übertragenden Pfeiler in ßetoneisenbau, wie
dies z. B. bei dem Viadukt der Strassenbrücke über
den Rhein bei Worms**) geschehen ist und in hoch
höherem- Maasse für die loo “ weit gespannte,
bei Mannheim geplant gewesene massive Neckar-
brücke***) vorgeschlagen war, wird jedoch eine
erhebliche Verringerung der Belastung des Ge-
wölbesweit gespannter Brücken durch die Eigenlast
des Aufbaues erzielt werden können.
Neben der Monier-Gesellschaft, die. sich
darauf beschränkt hat, Photographien ausgeführter
Brücken in einem kleinen Pavillon auszustellen,
pflegt die Firma.Way&s & Freytag in Deutsch-
land besonders den Bau von Betonbrücken mit
Eiseneinlage. Wir geben von den verschiedenen
ausgestellten Werken in Abbildg, 5 eines -der be-
deutendsten Beispiele, die Zeller Hochbrücke
über die Ybbs, und zwar ihre mittlere, 44“
weit gespannte Oeffnung wieder, an die sich noch
eine Oeffnung von 21 “ Spannweite anschliesst.
In einer unserer nächsten Nummern geben wir
als Gegensatz zu dieser Hochbrücke mit grossem
Pfeil die ganz flach gespannte Brücke über den
Nymphenburger Kanal bei Gern wieder, die
bei 17,30 m Sp.-W. zwar noch 1,85 “ Pfeil besitzt,
also etwas weniger als 1/9 Pfeilverhältniss hat, im
mittleren Theile des Korbbogens aber einen Halb-
messer von 40“ aufweist, sodass also dieser Theil
ausserordentlich flach ist. Die Scheitelstärke be-
trug nur 0,35 m.
Die beiden genannten Brucken-Konstruktionen
haben eine Eiseneinlage nach dem System Monier,
d. h. also ein Netz gekreuzter Eisenstäbe und zwar
parallel zu den beiden Laibungen erhalten, die in
den Widerlagern verankert sind. Der Bogen ist
also fest eingespännt.
_ Während bei diesen Ausführungen dem Eisen
lediglich die Uebernahme von Zugspannungen zu-
gewiesen ist und der Beton allem die Druck-
spannungen aufnehmen soll, werden nach dem
System Melan (bezw. Wünsch) ganze Rippen aus
eisernen Bogenträgern (Walzträger oder Fachwerk)
in grösseren Abständen eingelegt, die zwar nicht
stark genug sind, um allein die Lasten aufzunehmen,
an der Tragfähigkeit der Gesammt-Konstruktion -
aber einen wesentlichen Amheil nehmen. Ein Beispiel ist
die schon genannte H e rz o g G e o r g- B r ü ck e in Meiningen,
ausgeführt von der Firma Liebold&Co. in Holzminden.
EineNachahmung der eisernenBalkenbrückenmit obeii-
liegender Fahrbahntafel sind die geraden Plattenbalken in '
Betoneisen-Konstruktion. Sie bestehen aus einzelnen Be-
tonbalken, die mit Eiseneinlagen in geeigneter Weise
armirt sind, welche die; Zugspannungen aufnehmen (vor-
wiegend also am Untergurt), über welche sich die Fahr.^.
bahn als Betonplatte mit Eiseneinlagen quer zu deii Haüpt-r;
trägem erstreckt. Träger und Platte bilden ein einheitliches
Ganze. Derartige Brückenbauten hat namentlich wiederum
die Firma Wayss & Freytag ausgeführt. Wir geben in
*)’-In Betoneisen-Konstruktion tesitzt wohl die 1899 über die Vienne
bei ChäteUerault ausgeführte Brücke die grösste Sp -W. mit 50 m. Sie
kann, aber kamn mehr als massiv ge-wölbte Konstruktion betrachtet wer-
den, da sie wie eine-Eisenbrücke aufgelöst ist in ein Sj'stem von Haupt-
trägern in Betoneisen-KonStruktion nach System Hennebique mit Quer-
verbindungen. Derartige Konstruktionen können in ihrer Dauerhaftigkeit
den Stein- bezw. Stampfbeton-Konstruktionen wohl kaum als gleichwerthie
erachtet werden. “
Vgl. 1900, S. 573: ***) Vgl.. 1901, S. 277 u. 295. -
438
Abbildg. 7 und 8 die 12“ weit gespannte Brücke über" den
Braunaubach der niederösterreichischen Waldviertel-
bahn und die mit, Aussparungen im Steg der Hauptträger
versehene Strassenbrücke bei Krapina (Oesterreich) von
I9i3 Sp.-W. wieder. Diese Konstruktionen zeigen iii den
Balken Ründeisen-Einlagen sowohl parallel zur Oberkante,
wie zur _ Unterkante, ausserdem eine 3, Einlage, die in
Trägermitte unten liegt, nach den Enden nach oben steigt..
Durch uragelegte Bügel, welche die Querkräfte aufnehmen
sollen, werden die 3 Eiseneinlagen in der senkrechten
Ebene mit einander verbunden. — • - -(Schhiss folgt.) • •
No. 68. -
Zur Angelegenheit des Heidelberger Schlosses. Pallazzo Roverella^ zu Eerrara. (Aus: Haupt, „Zur Baugeschichte des Heidelberger^Schrosses".]
Mittheilungen aus Vereinen.
Arc^- u. Ing.-Verein zu Hamburg. Vers, am i8. April
1902. Vors. Hr. Zimmermann, anwes. io4Pers.; aüfgen.
a. Mitgl. Hr. Alb. Erbe, Bmstr. bei der Baudeputation.
Der Vorsitzende macht Mittheilung von einer Ab-
handlung über „Santorinerde“ und ihrer Verwendung.
Verfasser, ist Ing. M. E. Ferber in Hamburg, Importeur:
C. Suksberg jun. Hamburg, Dovenhof. Die Erde stammt
von der Insel Santorin, einer der grössten der Cykladen-
gruppe, benannt nach der heiligen^Irene, der sie geweiht
|!'.l
war.. Santorinerde ist ein vulkanisches Produkt, eine natür-
liche Wzzolane von hervorragenden hydraulischen Eigen-
schaften und giebt in Verbindung mit Portland -Zement
einen äusserst festen Mörtel auch für Wasserbauten im
Meere. Seit 184g sind es die Hafenbauten von Fiume,
Triest, Pola, Spalatio, Zara,Chios, Kreta und alle griechischen
Häfen, welche mit vollkommenem Erfolge in Santorin-Mörtel
ausgeführt sind; zuletzt ist der eben vollendete Hafen von
Constanza am Schwarzen Meere mit Santorinmörtel erbaut.
Gemäss Tagesordnung hielt Hr. Prof. Dr. Kenssmann,
Hamburg, Wilhelm - Gymnasium , über die „Römische
23. August 1902.
Campagna“ unter Vorführung v6n Lichtbildern einen
fesselnden Vortrag. So sehr die Zahl der Romfahrer in-
folge der grossen Erleichterungen und Ermässigungen,
welche die Eisenbahn-Verwaltungen gewähren, gestiegen
ist, wird die nächste Umgebung der „ewigen Stadt“ trotz
ihrer grossen landschaftlichen Schönheiten und der Fülle
ihrer historischen Erinnerungen meist nur auf der An-
fangsstrecke der via Appia bis zum Grabe der Caecilia
Metella besucht. Aber selbst für den Geologen ist die
Campagna, welche vulkanischen Kräften ihre Entstehung
verdankt, einzigartig. Der einst vom Monte Cavo ausge-
gangene Lavästrom, der die ersten
I Meilen der via Appia trägt, ist der läng-
— — 1 ] I ste Europa’ s; der peperino (Pfeffer-
o stein)kommtnirgendssonstinEuropa
3 vor. Neben der Lava, deren Blöcke
(o man schon im Alterthum als Pflaster-
£ steine benutzte, und dem Pfefferstein,
-o mit dem die meisten Bögen der Aquä-
« dukte verkleidet sind, herrscht der
„ Tuff in den verschiedensten Härten
undTekturen vor; in dem aschgrauen
Bröckeltuff sind die Katakomben an-
i^-'.r:=.=afr||j . ^ gclcgt. Der bedeutendste der einsti-
PYYYYrrrtifl u) gen Vulkane ist das grosse Massiv
UJJJiiijl IM J des Albaner-Gebirges; ihm gehören
1 ™ die beiden Kraterseen, der Albaner-
in und Nemisee an, reich an historischen
= Erinnerungen — er trug einst Alba-
. D. longa, die Mutterstadt Roms, und den
■ S Tempel des Jupiter Latiaris, des lati-
j - I ® nischen Bundesgottes — bietet es,
^^^^1 g mitten in der Campagna gelegen,
! ^ nebenseinengrossenlandschaftlichen
' . w Reizen, von denen der Nemisee die
' §> g meisten vereinigt, denweitestenRund-
a ° blicküberdie CampagnaandemFusse
rrrrrTTTTÄl 01 5 ’S des Apennins bis zum Meeresgestade
UlMll M ^ “ und zu den Ponzinseln.
1 S w Der Vortragende schildert einen
_ 1 3 g Ausflug auf den Monte Cavo und
c 5 als Gegenstück einen zweiten nach
^ ^ Tivoli, wo der Travertin gebrochen
g o wird, aus welchem die monumen-
- . J ® „taisten Bauten Roms, u. a. das Ko^
c g losseum und die Peterskirche, erbaut
feinkörniger, wetter-
^ fester Kalkstein, den der Anio ausge-
, I ! ■’=' -5 schieden hat. Der 245“ hohe Hügel,
I J J 'S S auf dem Tivoli' liegt, ist aus diesen
[TiTrnTiill H ^ ^ Niederschlagen des kalkhaltigen Amo-
g Wassers gebildet. Die natürlichen
.Q a Cascatellis , welche Tivoli durch-
I 'S ^ rauschen, und noch mehr der 100“
|| '§ 3 aus dem Traforio Gregoriano nieder-
I ^ stürzende grosse Aniofall gehören
" I ® zu den schönsten Punkten der Um-
■ |j £5 gegend Roms. —. Den auffälligsten
' ,n4j I ® Schmuck der Campagna bilden die
j| I S Trümmer der Aquädukte. Die erste
I Wasserleitung hat der Erbauer der
I B via Appia, der Censor Appius, an-
■ ''4 y gelegt; dieser einfachen und kurzen
Tirrnrnill B Anlage folgten rasch grössere, seit-
-g dem Rom sich zur Grosstadt ent-
— — ^'“'1 ^ wickelte und das Wasser auch auf
. ■ I .H die Höhe der 7 Hügel hinaufgeleitet
I li - werden musste. Die grösste aller An-
- ^1 ^ lagen ist die Aqua Claudia, deren Bau
i I Ö volle 14 Jahre in Anspruch nahm. Im
^ Gebirge wurde das Wasser in grossen
w Becken gefasst und lief anfangs unter-
1! irdisch, ehe £S. auf die Höhe der
Aquädukte kam. Beim 7. Meilenstein
Ö VOX Rom lagen die ersten Klärungs-
_i J [S bocken und in der Nähe des Stadt-
■f^L.| ^ ■ gebietes vollzog sich in grossen, über-
wölbten Reservoiren eine zeitweise
Klärung, ehe es in Bleiröhren über die 14 städtischen Bezirke
vertheiltwurde.DieCampagnavorRom gehört zu den wasser-
reichsten Theilen Italiens; und doch hatte das Fieber im
Alterthum in der Umgebung der Hauptstadt nicht die er-
schreckende Ausdehnung wie heute erreicht, denn die
Alten hatten weitverzweigte Dräinagenetze oft in vier
Reihen übereinander und bis zu einer Tiefe von 17“ an-
gelegt. Heute sind die Röhren verschlammt, ihre Wirkung
ist vernichtet. Das Uebel der Malaria vergrösserte sich
mit dem Eindringen der Latifundien-Wirthschaft, welche
an Stelle des Kleinbauernthums das Sklavehwesen setzte,
439
die Ackerflure^n in Weidegrüode verwandelte. Latifundien-
Wirt-hSchaft besteht heute noch in der Gampag.na, soviel
auch die rdmischen Kaiser Und Päpste, sowie die junge'
italienische Regierung sich bemüht haben, diesem Un-,
wesen zu steuern. , Der grösste Theil der Campagna ge-
hört dem römischen Adel,- der seinen Besitz an römische
Grosskäufieute, die - sogen, „mercanti di Campagna“, ver-
pachtet hat; diese haben gewaltige Gebiete in ihrer Hand
. vereinigt. Der Ackerbau wird von ihnen mehr und mehr
trotz der grossen Ertragfähigkeit des Bodens eingeschränkt,
weil es bequemer und sicherer ist, die Pachtsumme von
den Besitzern der grossen Schafheerden einzuziehen,
welche in den Sommermonaten in den Triften des Apennins
weiden und im September in- die Ebene hinabgetrieben
werden. Neben diesen Schafheerden treten Pferde- und
Rinderheerden mehr und mehr, zurück; der Büffel ist auf
die Sum.pfzone von Ostia beschränkt. Die Zahl der zur Be-
wirths<tiiaftung der grossen Güterkomplexe in der Cam-
pagna ständig ansässigen Menschen ist verschwindend
gering; die Bevölkerungs- Dichtigkeit in der Umgebung
Roms ist gleich der in den Einöden der Pampas. Denn
die .Arbeiter kommen aus der Ferne, aus den armen
Dörfern der Sabina, der Mark Umbriens; und für sie sind
von den Arbeitgebern keine festen Wohnungen errichtet.
Sie erbauen sich: gebrechliche Hütten aus Maisstroh am
Rande 'der Tuffhügel oder nisten sich, so gut es geht, in
den feuchten ungesunden Tuffhöhlen ein. Schlechte Er-
nährung und dünne Kleidung nehmen dem Körper den
letzten Rest von Widerstandsfähigkeit. Die Feuer, welche
man anzündet, um die schlechte Luft, welche nach ihrem
Glauben das Fieber bringt, zu vertreiben, locken die Mos-
quitos, die Träger der Krankheitsstoffe, in Schwärmen
herbei. Die sanitäre Pflege ist völlig unzureichend, weil
nur i8 Aerzte für die ganze Campagna angestellt sind;
und so geht das Gespenst der Malaria unter den Sandalen-
trägern, wie der Stadtbewohner die armen Wanderarbeiter
nennt, furchtbar umher. Ihr schweres Loos wird erst
gebessert werden, wenn es gelingt, die Pläne des Major
von Donat die pontinischen Sümpfe zu entwässern —
zu verwirklichen und dann die vielen Arbeitskräfte, welche
der Mangel in fremde Länder und Erdtheile treibt, in
der Heimath auf gesunder raid ertragfähiger Scholle fest
zu. halten. — Lebhafter Dank- belohnt, den Vortragenden.
, Hr. Bauinsp. Merckel beleuchtet die Frage des
höheren technischen Verwaltungsdienstes in Hamburg in
der Hoffnung, dass sich der Verein der glücklichen Lösung
'derselben energisch annehm.en werde. Es handelt sich
um 'die Stellung derjenigen Baumeister des Hamburger
Staatswesen^, welche trotz ihrer akademischen Bildung
und entgegen dem Anträge des Senates infolge von Be-
rathungen der Bürgerschaft nicht zu ' den Beamten des
•höheren Verwaltungsfaches gerechnet werden sollen. Das
bedarf dringend der Abhilfe und erfordert jetzt schnell-
stens energischen Einspruch, weil zur Zeit in der Bürger-
schaft erneut darüber herathen werden soll,
Nach eingehenden Klarstellungen und Begründungen,
denen sich sämmtliche Anwesende in allen Punkten an-
schliessen, stellt- Hr. Merckel den Antrag, dass der A.-V.
beschliessen möge, die Bürgerschafts -Mitglieder bezw.
■den betr. Ausschuss von dem in einen Antrag zusammen-
.gefassten Inhalt seines Vortrages in Kenntniss zu setzen.
Der Verein stirnrnt.. dem vohzählig zu und überlässt es
dem Vorstände, den Antrag in geeignetster Form an die
maassgebende Stelle zu bringen. — Gbl.
.. Vermischtes.
Die 27. Versammlung des Deutschen Vereins für öffent-
liche Gesundheitspflege findet in den Tagen vom 17. bis
20. Sept. d. J. in, München statt. Aus der Tagesordnung
heben wir für unser Arbeitsgebiet die folgenden Gegen-
stände hervor ; „Die hygienischeUeberwachung der Wasser-
läufe“ (Berichterstatter: Geh. Hofrlh. Prof. Dr. Gärtner
in Jena und Wasserbauinsp. Schümann in Berlin); „die
Fürsorge für bestehende und die Besch^fung neuer Weiner
Wohnungen“ (Berichterstatter: Ob.-Brgrmstr. Dr. Ebeling
in Dessau); „Feuchte. Wohnungen: Ursache, Einfluss auf
die Gesundheit und Mittel zur Abhilfe“ (Berichterstatter:
Reg.‘ u. Medizinalrth. Dr. Abel in Berlin, Baupolizeiinsp.
H. Olshausen in Hamburg). —
Preishewerbungen.
Im Wettbewerb Wasserwerk Kolberg (vergl. No. 20)
ist ein l. Preis nicht zur Vertheilung gelangt. Einen II. Preis
hat der Entwurf „DerWille“ der Ingenieurfirma A. Unna
in Köln a. Rh. (Makowski) errungen, je ein.lll. Preis ist den
Arbeiten mit den Kennworten „Nordstern“, Verfasser
Licht--, Kunst* und Wasserwerk Neumünster, bezw.
„Hoffnung“ des Hrn. Ing.P.Hoffmann inBerlin zuge-
fallen. Die Entwürfe ‘ d!nd im Strandsdhloss zu Kolberg
vom 20. d. M. bis 3. Sept. täglich von ,10— 3 Uhr Öffent-
lich ausgestellt.. Die Verfasser, der nicht preisgekrönten
Arbeiten werden um Adressennennung bis 5. Sept, ersucht. —
Personal-Nachrichten. ,
Baden. Der Vorst, der Wasser- u. StraSsen-Bäuinsp. Wagner
in Bonndorf ist in' ,gl. Eigenschaft nach Mosbach -und der Reg.-
Bmstr. -G r elf f in Offenbiirg zur Wasser- u. 'Str.-Bauinsp. in Karls-
ruhe mit dem Wohnsitz in. Pforzheim versetzt. -.^- Der.Wasser-
und Str.-Bauinsp. M e e s s in Pforzheim ist z. Vorst, in Bonndorf
ernannt. •
Bayern. Dem kais. Ob.-Reg.-Rath Franken in Strassbuxg
ist die lil. KI. des' Verdienstordens vom hl; Michael verliehen.
Elsass-Lothringen. Dem Mel.-Bauinsp. Berger in Saar-
gemünd ist der Char als kais. Brth. mit dem Range der Räthe
iV. Kl. verliehen. . ,
Sachsen. Der Bauinsp. F r a n z e ist z. Strassen- und Wasser-
Bauinsp. ernannt und ist demselben die Verwaltg. des Bauinsp.-Bez.
Plauen i. V. übertragen. — Der Str.- u. Wasser-Bauinsp Lin'Öig
in Plauen i. V. ist der Wasser-Baudir. in Dresden beigegeben.
Die Reg.-Bfhr. E h m ig im hocbbautechn. Bür. des Fin. -Minist.,
Merz beim Landbauamte Plauen i. V. und Can zier beim Land-
bauarate Leipzig sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Württemberg. Dem techn. Leiter der Maschinen-Baugesell-
schaft Heilbronn, Dir. Leiter in Darmstadt ist der Tit. u. Rang
eines Brths. verliehen.
Dem Reg.-Bmstr. F a u s e r in Lud'wigsburg ist die etatm. Stelle
eines solchen bei der Strassen- u. Wasser-Bauverwitg. übertragen.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Brth. W. Sch. in Hirschberg. Nach der Sachdar-
stellung scheint es sich um zAvei verschiedene Stauanlagen zu
handeln, nämlich um Stau'werke für eine Mühle und für eine Fabrik.
Das ei'stere ist neuerdings in dem verordneten Verfahren genehmigt
•worden, durch welches drei erhobene Einsprüche beseitigt sind
und in welchem ein solcher der Stadtverwaltung wegen ihres
Rechtes zur Anlage einer Wasserleitung ausgeblieben ist. Im ande-
ren Falle wird die Erweiterung eines bereits genehmigten und im
Gange befindlichen Wassertriebwerkes angestrebt. Es fragt sich,
ob demnach die beiden Triebwerk-Besitzer Anspruch auf Schadlos-
haltung haben, wenn ihnen durch Anlage einer städtischen Wasser-
leitung Wasserkraft verloren geht, auf deren unverminderte Zufuhr
sie rechneten, als sie die gewerbepolizeiliche Genehmigung für ihr
Triebwerk erhalten bezw. nachgesucht haben. Eine endgiltige Be-
antwortung ist aufgrund der gebotenen Sachlage ausgeschlossen,
weil sie kein vollständiges Bild der thatsächlichen Verhältnisse
liefert. Scheinbar ist die im Arnsberger Gutsbezirk ent.springende
Quelle und der aus ihr entstehende "Wasserlauf bis zu seiner Ein-
mündung in 'die Eglitz ein Privatgewässer. Bejahendenfalls ist ihr
Eigenthünier (die kgl. Forstkammer) zu ihrer Benutzung berechtigt.
Diese Benutzung soll aus Gründen des Gemeinwohles der Stadt
überlassen werden, was an sich zulässig sein würde. Für die ;ge-
werbepolizeUiche Genehmigung zur Errichtung oder Erweiterung
eines Staues erlangt man keineswegs schon ohne weiteres das
Recht, jeder Störung im Bezüge der benöthigten Wasserkraft .zu
widersprechen. Der Einspruch muss vielmehr auf einen besonderen
Rechtstitel gestützt werden können. Woher die Besitzer der Stau-
werke ihr vermeintliches Recht auf Wassernutzung ableiten, ob
z. B. aus der Anlieger-Eigenschaft am Flussbett oder aus Einräumung
seitens des Berechtigten oder auf Verjährung usw., blieb ungesagt.
Nun giebt zwar die im geordneten Verfahren erlangte Genehmigung
eine Befugniss, ohne Störung durch die l?^zei das Triebwerk zu
gebrauchen; .. diese Befugniss ist jedoch ritir polizeilicher und nicht
rechtlicher Natur. Hat Jemand ein wohlerworbenes Recht .zum
Abschneiden' 'des Wassers oder zu seiner den Triebwerken nach-
theiligen anderweiten Verwendung, so bleibt es ihm trotz der polizei-
lichen Anlage-Genehmigung erhalten. Nun ist keineswegs ausge-
schlossen, dass der Besitzer der Quellen zu deren Benutzung allein
befugt ist und dass den Anliegern der Eglitz ein Anspruch auf die
Wassermenge durch -den Zuflussbach fehlt. Es würde also zunächst
noch der Rechtsgrund festzustellen sein, aus welchem die Trieb-
werks-Besitzer ihr Recht auf Wassergebrauch ableiten. -Endlich
ist zu berückrichtigen, dass die Wassernutzung, welche aus Gründen
des Gemeinwohles nothwendig wird, sogar zur Einschränkung 'des
Rechtes von Triebwerk-Besitzern führen darf. Das Maäss dessen
bestimmt die Regierung bezw. der Bezirksausschuss aufgrund einer
vorgängigen Erörterung des Sachverhaltes unter Zuziehung sämmt-
licher Betheiligten. — K. H-e.
Stadtbauamt L. Wir kennen kein anderes brauchbares
Mittel als das bei Baumpflanzungen, wenn die Wurzeln sich unter
gepflasterten Flächen erstrecken, oft angewendete: dass man zur
Bewässerung in der Umgebung des Stammes senkrecht in den
Grund Drainrohre, oder besser glasirte Thonrohre mit durchlochter
Wand einführt. In Ihrem Falle würden die Rohre an den tiefer
liegenden Stellen des Weges einzusetzen sein.. Welche Tiefe die
Rohre erreichen müssen, damit sie das Wasser sicher wegnebmen,
muss sich ganz näc-h der Durchlässigkeit des Bodens richten. —
Inhalt : Das „Haus des Baumeisters'' in Rpthenburg 'o. T. eine deutsche
BaumeisteriHerberge. — Zur Angelegenheit des .Heidelberger. Schlosses
(Fortsetzung statt Schluss). — Von der Industrie- und Künsfaasstellung in
Düsseldorf 1902. VI. (Fortsetzung statt Schluss). — Mitlheilungea aus Ver-
einen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen-. — Personal-Nachrichten-, —
Brief- und Fragekasten.
Verlag der De-utschen Bauzeitnng, G. m. b. H., Berlin. , Eü? ' die Redaktion
verantwort],. Albert Ho.fmann,. 'Berlin. Druck von WiÖi. Gr-eve, Bwlin.
... , :.No.:48.
440
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 69. Berlin, den 27. August 1902.
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
XV. Wanderversammlung in Augsburg vom 31. August bis 3. September.
(Programm in No. 52.)
Verbands-Mitglieder, die sich noch in letzter Stunde zur Theilnahme an der Versammlung entschliesscn,
werden dringend gebeten, sich noch vor derselben bei Hm. Stadt. Ing. Niederreiter, Stadtbauamt hi
Augsburg, anmelden zu wollen, da die Wohnungs-Beschaffung erst am Tage der Ankunft mit Schwierig-
keiten verbunden ist,
Augsburg, den 20. August 1902.
Der Vorsitzende des Ortsausschusses: Stcinhäusser, städt. Oberbaurath.
Die Geburtsstätte der Renaissance in Deutschland.
Henn zu Ende der Augusttage die deutschen Architekten Zunftmeister Hans Engelberg die Klosterkirche zu St. Kathe-
und Ingenieure in den Mauern der alten Augusta rinen (jetzt Bildergalerie) erbaute, für welche Hans Holbein
Vindelicorum, der Stadt Elias HoU’s sich versammeln, der Jüngere vorseinemWegzuge nach Basel den St. Sebasti-
um über ihre allgemeinen Berufsfragen Berathungen zu anus- Altar zu malen beauftragt war. 2) Die Verbindung mit
.pflegen, die berühmten Bauwerke alter Zeit zu beschauen, dem städtischen Zunftmeister dürfte wohl darauf schliessen
.sowie die hochbedeutsame gewerbliche
Entwicklung der Stadt seit Neugrün-
dung des Deutschen Reiches staunend
zu bewundern, wird es an erklärenden
Führern, persönlichen sowohl als in
Buchform, nicht mangeln. Alle werden
sie Hinweisen können auf die frühere
Blüthe der reichen Handelsstadt und
deren nahe Beziehungen zu dem Haupt-
.stapelplatz des Orienthandels, dem in
den letzten Wochen vielgenannten Ve-
nedig, sowie auf den späteren Rück-
gang der alten Reichsstadt infolge des
Wechsels derHandelswegeund der kläg-
lichen Verhältnisse des altersschwachen
Reiches Auch über die stattlichen
Werke des genialen Elias Holl, welcher
der Stadt auf Jahrhunderte sein Ge-
präge geben konnte, so dass dessen
Bauten auch heute noch unsere Be-
achtung beanspruchen, kann dank sei-
ner eigenen Aufzeichnungen und der
Nachrichten in den Chroniken der Stadt
kaum ein Zweifel herrschen.
Dagegen fehlen uns aus einer frühe-
ren Zeit jener wichtigen Uebergangs-
periode vom Mittelalter zur Reforma-
tions- und Renaissancezeit noch manche
Anhaltspunkte, sowohl über die leiten-
den Kräfte beim Aufbau, wie auch
bei der Ausschmückung bedeutsamer
Werke. Sind es doch kaum 20 Jahre
her, dass ein für die deutsche Kunst
bahnbrechendes Bauwerk erst als sol-
ches gefunden und der Fachwelt be-
kannt gegeben wurde. Es ist dies die
Grabkapelle der Fugger bei der
St. Annakirche, gestiftet von dem
Haupte der Familie Jakob Fugger im
Jahre 1509 und nach kurzer Bauzeit
vollendet 1512. Bei jener Veröffent-
lichungi) konnte darauf hingewiesen
werden, dass der von dem weitgereisten
und hochgebildeten Bauherrn erwählte
Baumeister vermuthlich ein geborener
Augsburger war, ein Meister Hier oni-
mus, welcher kurz zuvor in Venedig
einen bedeutenden Bau, den Fondaco
dei Tedeschi, das Kaufhaus der Deut-
schen, zur Ausführung gebracht hatte.
Bei dem Mangel an Belegen gerade
über jene Zeiten, sowohl in dem städti-
schen als dem fürstlich Fugger’schen
Familien- Archive, konnte bis jetzt über
diesen Baumeister leider Näheres nicht
festgestellt werden; auch nicht, ob es
derselbe Hieronimus Imhof sei, welcher
wenige Jahre nachher (1515) mit dem
Entwürfe und Aufnabmen von Bauscholera
der Technischen Hochschule zu Karlsruhe, Text
von Prof. Weinbrenner, 1884,
^ A. WoUmann, Holbein und seine Zeit.
. Fugger-Kapelle bei SL Anna in Augsburg.
lassen, dass der auswärtige Architekt sich 2ur Ausführung
des Beistandes eines städtischen Meisters bediente. Das-
selbe konnte auch bei der Fugger-Kapelle der Fall sein,
wo der spätgoihische Gewölbeabschluss eine solche Mit-
wirkung ebenfalls nahe legt. Wie sehr übrigens dieses
reizende Motiv der Gewölberippen mit einer Durchdringung
von 2 mal 4 Kreisen gefiel, zeigt die mehrfache Anwendung,
welche es in der Folge gefunden hat. Wir sehen es in
der Thurmhalle des Münsters zu Konstanz (1518, wohl
gleichzeitig mit der dortigen Welser-Kapelle) , aber auch
noch 7 Jahrzehnte später bei einem herrlichen Beispiele
hochentwickelter deutscher Renaissance, in Chor und
Seitenkapelle der Klosterkirche zuSt.Lucen beiFIechingen.^)
Wie planvoll aber der kunstsinnige reiche Kaufherr
verging, um der neuen Kunstrichtung in seiner Vaterstadt
und damit in Deutschland die Wege zu bahnen und sie
so ihrem Siegeslauf entgegenzuführen — der ja leider in
kurzem durch die Zeitverhältnisse unterbrochen werden
sollte — ersehen wir an den weitschauenden Aufträgen,
womit er alle damaligen hervorragenden Künstler be-
dachte, welche in den blühenden süddeutschen Reichs-
städten Nürnberg und Augsburg ihren Wohnsitz hatten.
Nicht allein die bedeutendsten Meister Albrecht Dürer und
Peter Vischer, Hans Burgkmair und Hans Holbein der
ältere, auch, wie wir später nachweisen möchten, des
letzteren Sohn Hans Holbein der jüngere wurden für dieses
Familiendenkmal in Thätigkeit gesetzt; und auch noch
andere, weniger bekannte Künstler werden in späteren
Chroniken der Stadt^) genannt, wie Lucas Cromberger
und Gumbolt Gültlinger.
Die Thätigkeit Albrecht Dürer’s bestand in Entwürfen
zu den herrlichen Grabplatten, welche, nach jenen in
Marmor ausgeführt, die ganze Rückwand der Grabkapelle
einnehmen und so den Unterbau für ein zu jener Zeit
berühmtes, prächtiges Orgelwerk bilden. Es ist das Ver-
dienst des Hrn. Prof. Rudolf Vischer in seinen „Studien
zur Kunstgeschichte" (Stuttgart 1886), den Zusammenhang
der Dürer’schen Entwürfe mit unserem Baudenkmal nach-
gewiesen zu haben.
Von noch grösserer Bedeutung sollte die Wirksamkeit
des Meisters Peter Vischer für die Grabkapelle werden.
Leider aber wurde durch die störenden Zeitverhältnisse
das beabsichtigte Ziel nicht erreicht, die Kapelle erhielt
eine ihrer höchsten Zierden nicht und es musste für die
erst später vollendete Arbeit eine andere Bestimmung
gefunden werden. Die dem Meister Peter Vischer über-
tragene Arbeit bestand in der Anfertigung eines aus Erz
zu giessenden Prachtgitters, welches die Kapelle gegen
die St. Annakirche abzuschliessen bestimmt war. Nach
jahrelangen Arbeiten an diesem grossartig angelegten
Werke, wurde nach dem Tode der Stifter die Annahme
3; Kunstdenkmälcr in den hohenzollernschen Landen wn Dr. Zingeier
und Architekt W. Laur.
*) Paul von Stettens d. jr. Geschichte der freyen Stadt Augspurg,
Frankfurt und Leipzig 1743- Desselben Erläuterungen der Voi Stellungen
aus der Geschichte der Reichsstadt Augspurg 1765.
desselben durch die Erben des Auftraggebers verweigert.
Ueber die mannigfachen Schicksale dieses Werkes, das den
höchsten Leistungen des berühmten Künstlers und seiner
W erkstätte beizuzählen ist , konnte in einer unter dem gleichen
Titel wie der vorliegend erschienenen Schrift^) näheres
berichtet werden; dort sind auch weitere Quellen®) über
das Prachtgitter, welches in der Folge seine Aufstellung in
dem grossen Saale des Rathhauses zu Nürnberg gefunden
hatte, seit hundert Jahren aber verschollen ist, erwähnt.
Die Arbeiten Hans Burgkmair’s werden zunächst in
der Ausmalung der Wände und Deckenfelder der Kapelle
bestanden haben, wovon aber heute Spuren nicht mehr
vorhanden sind. Doch wurde hierüber schon in der oben
angeführten Beschreibung und Veröffentlichung des Bau-
werkes eine Ansicht ausgesprochen, welche alle Wahr-
scheinlichkeit für sich hat, und durch eine Schrift des
Hrn. Dr. Heinr. GröscheU) „Die ersten Renaissance-Bauten
in Deutschland“ nur an Glaubwürdigkeit gewonnen haben
kann. Ob aber der Wirksamkeit Hans Burgkmairs, der
von den Augsburger Künstlern wohl am meisten befähigt
war, den Zielen Jakob Fuggers Verständniss entgegen-
zubringen, noch weitere Aufgaben gestellt wurden, könnte
aus dem folgenden erhellen.
Ueber das in den Chroniken Augsburgs öfter erwähnte
Orgelwerk der Kapelle waren bis jetzt ausser dem Kosten-
betrag auch einige Malernamen, hierunter der des älteren
Hans Holbein, sowie des Orgelmachers Ihan Doubrav,
welcher sich übrigens auf dem Orgelgehäuse selber nennt,
bekannt. In letzter Zeit ist es nun auch gelungen, durch
Vergleichung die Zeichnung des Entwurfes für das Gehäuse
der Orgel festzustellen. Solche fand sich in Georg Hirth's
„Formenschatz der Renaissance“, Jahrgang 1878, auf Blatt
No. X43, die äussere Ansicht einer Orgel in 2 verschie-
denen Lösungen darstellend, wovon die rechts gezeichnete
der Ausführung entspricht. Letztere zeigt dann noch
manches schmückende Beiwerk, so besonders einen zier-
lichen Rankenschmuck (in Metallguss mit Vergoldung),
welcher die aufsteigenden Flächen der Hauptstützen des
Gehäuses ganz bedeckt und auf den Blättern g— 11 der
oben angeführten Aufnahmen der Grabkapelle sich aufge-
zeichnet findet.
Das Urbild des Blattes No. 143 befindet sich unter
den „Goldschmiede-Rissen“ im Kupferstich-Kabinet des
Museums der Stadt Basel, einer Sammlung höchst werth-
voller Handzeichnungen, die mit der Feder und Tusche
auf grauem Papiere aufgerissen, nach dem Ausgange des
XV. Jahrh- entstanden sein müssen und auf etwa 150
Blättern in der Hauptsache Entwürfe zu Altären und
Monstranzen spätgothischenStils, sodann Pokale und Sockel-
bildungen u. dergl. mehr darstellen. Diesen Blättern,
welche erst im Laufe des vorigen Jahrhunderts in 3 mo-
®) Festgabe der Technischen Hochschule Karlsruhe zum 40jährigen
Jubiläum Sr. Kgl. Hoheit des Grossherzogs Friedrich von Baden. Karls-
ruhe 1892.
Ernst Mummenhof, Das Rathhaus zu Nürnberg. i8gi.
Repertorium für Kunstwissenschaft. XI. Band, 3 Heft. Stuttgart 1888.
Zur Angelegenheit des Heidelberger Schlosses.
(Schluss.)
er Gesichtspunkt nun, welchen wir bei unserer bis-
herigen Stellungnahme zur Angelegenheit des Heidel-
berger Schlosses nicht aus dem Auge verlieren dür-
fen, lässt sich zunächst in der Frage zum Ausdruck bringen :
i,Wie stellen sich die beiden Verfasser, Kossmann und
Haupt, zu dem Ausbau des Otto Heinrichsbaues, bezw.
zu dem Aufbau von neuen Giebeln auf denselben, falls
ein solcher Aus- und Aufbau als zur Erhaltung dieses
Schlosstheiles unumgänglich nöthig erachtet würde?“ Beide
Verfasser wenden sich nicht gegen den Ausbau, wenn
'sie auch über die Form desselben weit auseinander gehende
Meinungen haben. Flaupt hat unter Anlehnung an die An-
sicht des Otto Heinrichsbaues aus dem thesaurus pictu-
rarum in Darmstadt und mit Bezugnahme auf die Giebel-
spitze am „Ritter“ in Heidelberg den Wiederherstellungs-
. Versuch aufgestellt, welchen wir S. 436 nochmals abgebildet
haben. Er bemerkt dazu (S. 66): „Dass derGiebel(seiner An-
[nahme) sehr schön war, will ich nicht behaupten; der
;Kenner und Freund des Echten wird ihn dennoch ohne
■-Weiteres dem überladenen Werke von Seitz-Schäfer vor-
Sziehen“. Vielleicht kann man darüber doch auch anderer
(Meinung sein, ln diesem Falle, in welchem die Thatsachen
;S0 sehr fehlen — denn die Zeichnung des thesaurus pic-
•turarum steht z. B. der Zeichnung Merians in völliger
[yerschiedenheit 'gegenüber, kommt in der Hauptsache
das persönliche künstlerische Empfinden inbetracht, und
wo nur dieses mitspricht, da muss die Aeusserung einer
Ansicht, wie wir glauben, auf diese schwankende Grund-
lage Rücksicht nehmen. Keinesfalls aber darf sie bei so un-
442
sicheren Anhaltspunkten und bei so mangelhaften Grund-
lagen, wie sie bei den technischen Untersuchungen über das
Heidelberger Schloss nur zur Verfügung stehen, in den
sicheren Ton verfallen, den Kossmann ohne Grund seiner
Broschüre gegeben hat. Es ist unmöglich, will man nicht
eine Arbeit von dem dreifachen Umfang der beiden
Broschüren schreiben, auf alles einzugehen. Auf Ein-
zelnes sei aber bei Kossmann doch hingewiesen, um
die Art der Beweisführung anzudeuten. S. g sagt er:
„Oder sollte wirklich ein Nichtfachmann glauben, man
könne von vorne herein beabsichtigt haben, auf solche
Brüstungen (von 55 Stärke), zumal an der Ostfassade,
gegen 12™- hohe bteingiebel zu setzen?!“ Ein Nichtfach-
mann kann das allerdings nicht glauben, ein Fachmann
aber hat, wie einige Seiten weiter (S 15) berichtet wird,
später Giebel aufgesetzt, die nach S. 17 „grosse“ waren. Eine
Reihe anderer Ausführungen Kossmanns hat schon Haupt
treffend widerlegt. Welche Stimmung das Werkchen in sei-
nen im Einzelnen immerhin interessanten Untersuchungen
hat, zeige auch die Stelle S. 17: „Jedenfalls ist die
Thatsache der viel stärkeren Mauern an dem später er-
richteten Friedrichsbau ein für etwaige Neubelastung der
Mauern am Otto Heinrichsbau nicht zu vernachlässigendes
Moment.“ Diese Sorge kann man aber wohl füglich dem
Architekten überlassen, welcher die Neubelastung über-
nimmt, umsomehr, als die Mauern des Otto Heinrichs-
baues doch durch „grosse“ Giebel bereits belastet waren.
S, 22 heisst es, für eine Ueberdachung des Otto Heinrichs-
baues könne „nur ein Walmdach“ inbetracht kommen.
Diese apodiktische Ausschliesslichkeit aber lässt sich in
keiner Weise begründen; im Gegentheil hat Kossmann
selbst in einer recht wenig glücklichen Annahme den
No. 69.
dernen Einbänden 2usammengefasst worden sind, wurde
noch eine Anzahl anderer Risse, die sog. „Augsburger
Handzeichnungen“ beigebunden, und hier finden wir den
obengenannten Orgel -Entwurf, sowie andere Entwürfe
in frühestem Renaissancestil, wovon laut Ueberlieferung
etwa 12 Blatt dem jüngeren Hans Holbein zugeschrieben
werden; mit welchem Rechte, soll hier, soweit thunlich,
näher beleuchtet werden.
Zunächst ist es die Herkunft dieser Handzeichnungen,
welche auf diesen Künstler als vermuthlichen Urheber
hinweist. Alle diese Handzeichnungen bilden nämlich
einen Theil jener bedeutsamen Sammlung des gelehrten
Baslers Bonifacius Ambach, welche in späterer Zeit für
die Stadt erworben wurde und mit den Arbeiten aus Hol-
beins Meisterhand die wichtigste Grundlage des Museums
der Stadt Basel darstellt. Diese verdankt dem Kunstver-
ständniss und Sammeleifer ihres Bürgers, eines Freundes
Holbeins, dass der grösste Theil der vielen auf dem Boden
seiner neuen Heimath entstandenen, und auch vieler älterer
der so vielseitigen Arbeiten des herangereiften Künstlers er-
halten wurden, dessen Nachlass sonst wohl verschleudert
worden und dadurch der Kunst verloren gegangen wäre.
Nun befinden sich aber in demselben Bande mit dem
Orgel-Entwurf noch 2 weitere Blätter (No. 212 u. 213 und
No. 214 des Formenschatzes, Jahrg. 1878), welche bisher
irrthüralich als „Skizzen zu einem grossen Ofen“ bezeich-
net waren. Nach reiflicher Prüfung dürfen wir hierin wohl
den Entwurf für das verlorene Chorgestühl der Fugger-
Kapelle erkennen, für welche Annahme wir folgendes
als Beleg beitragen möchten.
Ueber das früher vorhandene Chorgestühl konnte die
fürstlich und gräflich Fugger’sche Stiftungs-Administration
Augsburg auf dahin gestellte Anfragen nach ihren Akten
folgende Auskunft ertheilen: Die Chorstühle wurden im
Jahre 1832 bei Gelegenheit einer Orgel- Reparatur, weil
sie schon lange der Kirchen- Verwaltung von St. Anna im
Wege gestanden hatten, weggenommen und der Fugger-
schen Stiftungs-Verwaltung zur Verfügung gestellt. Wegen
ihrer Grösse und Stärke anderwärts zu ähnlichen Zwecken
nicht ver werthbar, wurden sie, soweit nicht vom Wurme
zerstört, zu Bau -Reparaturen in den Stiftsgebäuden ver-
wendet. Einzelne hieran befindlich gewesene „Porträte“
sollen von einem Alterthurasfreunde gerettet worden sein
und den Weg in ein Museum nach Berlin gefunden haben.
Paul von Stetten erzählt in seiner oben angeführten
Chronik (S. 145) von einem Augsburger Bildschnitzer
Hans, Schwarz, der bald nach dem Jahre 1500 sehr
artige Porträte in Holz geschnitten hat, nicht nur in Me-
daillenform, sondern auch solche in Lebensgrösse, und
stellt die Frage: „Wer weiss, ob nicht dieser Schwarz
auch die Bilder in dein Fugger’.schen Chore bei St. Anna
gemacht hat?“ Hierunter konnten nur Bildnisse in Holz
gemeint sein und nicht etwa die oben erwähnten Marmor-
tafeln unter der Orgel.
Die bezüglichen Entwurfs -Skizzen bei den sogen.
Augsburger Handzeichnungen' zeigen uns verschiedene
Nachweis geführt, dass der Bau einmal senkrecht zur
Fassade laufende Satteldächer hatte. Und was ist, hat ein
Recht zu sein, sagt ungefähr der Philosoph.
Diese recht wenig glückliche Annahme betrifft den
Versuch des Verfassers zur Wiederherstellung der beiden
grossen Giebel vor den Querdächern im Gegensatz zu dem
Zwülingsgiebel des Seitz-Schäfer’schen Entwurfes. Man
begegnet gerade zurzeit der deutschen Renaissance in
deutschen Landen recht häufig Ausführungen, deren künst-
lerische Beweggründe nicht immer sofort oder überhaupt
nicht zu ergründen sind. Gänzlich ausgeschlossen aber
ist es, dass man zu einem so bedeutenden Bau wie den
Otto Pleinrichsbau einen Baumeister zugelassen hätte, der
es hätte wagen können, auf die Fassade ungleichschenk-
lige Giebel zu setzen. Kossmann kritisirt aber denn auch
selbst seine Annahme, indem er sagt, die Giebel, die er
übrigens nicht kennt, seien abgesehen von vielleicht
einigen Einzelheiten augenscheinlich keine erfreulichen
Leistungen gewesen. Bei dieser Annahme muss Koss-
mann in seinen Untersuchungen, deren Gewissenhaftigkeit
im Grossen und Ganzen nicdit angezweifelt werden soll,
ein wichtiger Umstand entgangen sein.
Doch genug von all dem unerquicklichen Streit über
nicht beweisbare Dinge und dem willkürlichen Ballspiel
mit Hypothesen und subjektiven Anschauungen. Wenn
-etwas durch alle diese Untersuchungen bewiesen worden
ist, so ist es die Richtigkeit . der Anschauung Schäfers, die
ungefähr lauten dürfte: „Wir wissen nichts.“ Und wenn
Kössmanh S. -22 die Meinung ausgesprochen hat, es müsse
bei einer Wiederherstellung „wie allgemein (?) angenommen
werde“,, das Historische als Richtschnur dienen, so kann
diese Forderung doch nur dann gfestellt werden, wenn man
•27. August 1902.
Motive von Feldertheilungen, oben z. Th. mit Brustbildern
geziert; sie alle erheben sich über einer sich gleichbleiben-
den unteren Wandtheilung, welche mit Stützen auf einem
stufenförmigen Podium aufsteht. Dieser untere Theil stellt
nun aber nimmermehr einen Ofensockel dar, sondern
entspricht in seinen Maassen und Verhältnissen ganz den
Sitzen eines Chorgestühles mit den Rück- und Seitenlehnen,
dem Sitzbrett zumAufklappen; das schwach herabhängende
Band am Rücken haben wir uns ebenso flach nach hinten
als eine bequeme Lehne ausgeschnitten zu denken. An
den Enden sehen wir Säulen mit korinthischen Kapitellen
und reichgeschnitzten Schäften angeordnet, welche oben
durch ein vorgekröpftes Gebälk abgeschlossen werden.
Darüber erheben sich antikisirende Krieger (jenen auf
den Grabplatten ähnlich), welche Schilde mit denFugger-
schen Lilien halten. Ueber dem fortlaufenden Gesims
ziehen reichgeschnitzte Bekrönungen hin, mit Putten, Del-
phinen, Vasen und daraus aufsteigenden Ranken. Die dar-
gestellten Porträte in den Wandflächen aber zeigen uns:
Rex Maximilian, Hertzog Gottfried, Gross Alexander und
Josua, also lauter Fürsten und Heerführer aus den ver-
schiedensten Zeiten.
Bei Zugrundelegung eines Maasstabes von i : 15 für
die Risse im Hirth’schen Formenschatze (das Basler Original
ist etwa von doppelter Grösse) hat sich ergeben, dass in
einem Seitenschitfbogen der Kapelle genau 10 Sitze Platz
finden und so den Raum aufs schönste abschliessen. Eine
würdigere, zum ganzen Charakter der Kapelle besser
passende Lösung des seitlichen Abschlusses könnte kaum
gefunden werden. Wie schmerzlich ist daher zu bedauern,
dass ein solches Werk für immer verloren gehen konnte.
Gehen wir zum Schlüsse näher darauf ein, den Cha-
rakter der beiden Entwürfe und einzelne ihrer Theile
einer Prüfung zu unterwerfen, so drängt sich zunächst
die nahe Verwandtschaft derselben auf, so dass sie wohl
dem gleichen Meister oder der gleichen Werkstätte zu-
zuschreiben sind. Von den heute noch so gut erhaltenen,
in Metall gegossenen Rankenverzierungen des Orgelge-
häuses können wir zurückschliessen auf die Pilaster-Orna-
raentfe des Chorgestühles. Wir sehen denselben leichten
Fluss der Ranken und das gefällige reizvolle Spiel der
Kindergruppen, überhaupt jene gewandte Ausdrucksweise,
welche uns an allen späteren Arbeiten Holbeins so vollen-
det entgegentritt. In der Gestalt des Kriegers und den
Bildnissen der Wandfelder erscheint uns mehr die Burgk-
mair’sche Art der Formgebung wiedergegeben.
Wir möchten daher in diesen Entwürfen gemeinsame
Arbeiten der beiden Künstler erkennen, an welchen der
jugendliche Holbein in der Werkstätte seines Oheims
Burgkraair sich heranbildet, und denken an ein Verhält-
niss, wie jenes von Rafael und seinem Lehrer Perugino.
So sind die Entwürfe entstanden unter dem Fugger’schen
Einfluss und deren Sammlungen, in der Nachbildung ober-
italienischer Formgebung, worin sich Hans Burgkmair am
frühesten auf deutschem Boden hervorgethan und damit
glänzende Leistungen vollbracht hat. Dieser Einwirkung
weiss, wie dieses „Historische“ ausgesehen hat. Von Haupt
aber erfahren wir, dass es nicht anders sein könne, als
dass der Otto Heinrichsbau bereits eine Planung seines
Vorgängers Friedrichs II. gewesen ist (S. 88); ferner, dass
am Otto Heinrichsbau zwei Perioden zu unterscheiden
sind, die so lange auseinander liegen, „dass der neue
Meister den früheren so ganz und gar nicht mehr ver-
stand“ (S. 91). Lagen also dem ersten Baugedanken wirk-
lich italienische Grundzüge zugrunde, so sind diese augen-
scheinlich später verlassen worden und die Fassade hat
nordischen Charakter angenommen. Unter dieser An-
nahme kann der Bau einen horizontalen Abschluss gehabt
haben, er muss ihn aber nicht gehabt haben. Tn der
Folgezeit hat der Bau dann ein Walmdach mit Zwerch-
giebeln und er hat Querdächer mit Stirngiebeln gehabt,
für die Kossmann eine so durchaus unkunstlerische Form
glaubt annehmen zu müssen. Alles das ist historisch. Was
kommt aber davon für eine Wiederherstellung inbetracht?
Ist es bei dieser Sachlage nicht zum mindesten ein
Standpunkt, welcher der Vertretung werth erscheint, dass
da, wo die Unterlagen für eine Beurtheilung des That-
bestandes so lückenhafte sind und das „historische“ Bild
ein so veränderliches und im Einzelnen so wenig be-
glaubigtes ist, das Recht der künstlerischen Freiheit zur
Geltung komme? Die alten Meister haben sich nicht ge-
scheut, Neues auf und neben Altes zu setzen und der
Schatz der Kunstwerke hat eine unendliche Bereicherung
dadurch erfahren. Und haben wir nicht jüngst, nach dem
Einstürze des St. Markusthurmes in Venedig, das inter-
essante Schauspiel gehabt, dass, obwohl man den Thurm
bis in alle Einzelheiten genau besass, man doch die Wieder-
errichtung eines modernen Thurmes befürwortete und mit
443
ist es wohl zu danken, dass in dem jüngeren Holbein die
schlummernden Kräfte geweckt wurden, welche ihn dann
später befähigten, in den verschiedenartigsten Kunstzweigen
Ausserordentliches zu leisten und sich zur vollen Höhe
seiner künstlerischen Leistungsfähigkeit zu erheben. So-
nach bildet auch für Holbein die Fugger’sche Grabkapelle
den Ausgangspunkt, an welchem sich sein Können übte,
um dann dn seinen späteren Wirkungskreisen, der Stadt
Basel und an Englands Königshof sich zu den herrlichsten
Meisterwerken aufzuschwingen. Mit diesem ersten Bau-
werke auf dem Boden der süddeutschen Reichsstadt ging
aus demSchoosse deutschen Bürgerthums eine neue Kultur-
blüthe hervor, lebenskräftiger und naturwüchsiger, als
spätere Versuche.
Mögen meine Darlegungen die Fachgenossen anregen,
in dieser Frage weiter zu forschen, und die noch immer
übrig bleibenden dunkeln Punkte in der Geschichte des
ersten Renaissancebaues in Deutschland einer Aufhellung
entgegenzuführen! —
Karlsruhe, im August 1902. Weinbrenner.
Todtenschau.
Oberingenieur Karl Jolas •('. Am 21. d. M. starb in
Ludwigshafen a. Rh. nach längerem Leiden der Ober-
ingenieur der Pfälzischen Eisenbahnen Karl Jolas, ein
durch seine hervorragenden Kenntnisse und durch treueste
Pflichterfüllung ausgezeichneter Beamte, dessen Verlust
nicht allein von der Bahnverwaltung, sondern auch von
seinen Kollegen und Freunden auf das tiefste beklagt wird.
Am 16. Sept. 1846 zu Ludwigshafen a. Rh. als eines der
ersten Bürgerkinder der damals im Entstehen begriffenen
Stadt geboren, machte er seine technischen Studien auf
dem Polytechnikum in München, welches er im Jahre 1868
absolvirte. Am i. Aug. 1868 trat er in den Dienst der
Pfälzischen Eisenbahnen als Ingenieur ein, nachdem er
schon während der Herbstferien 1866 und 1867 beim Bau
der Rheinbrücke, Ludwigshafen-Mannheim verwendet war.
Zunächst wurde Jolas bei der Planung und dem Bau der
Bahnlinie Dürkheim-Monsheim beschäftigt, von wo er am
I. Dez. 1872 in das Hochbaubureau der Direktion in Lud-
wigshafen einberufen wurde. Seine Thätigkeit daselbst
erstreckte sich bis zum i. April 1880, an welchem Tage
er als Bezirksingenieur in Ludwigshafen zum Bahnbetrieb
versetzt wurde. Am 16. Mai 1884 wurde er wieder in die
Direktion einberufen, wo er als Hilfsarbeiter beim inge-
nieurtechnischen Referate seine umfassenden theoretischen
und praktischen Kenntnisse zu verwerthen Gelegenheit
hatte. In dieser Stellung verblieb er bis zu seinem so
früh erfolgten Tode, nachdem er noch am i. Juli 3895
zum Obenngenieur befördert und in Anerkennung seiner
erspriesslichen Dienstleistungen am i. Jan. 1893 ^lit dem
bayerischen Michaels-Orden IV. KI. dekorirt wurde.
Nicht allein die Bahnverwaltung beklagt aufs schmerz-
lichste das Hinscheiden des so verdienstvollen Ingenieurs,
sondern auch die Pfälzische Kreisgesellschaft des baye-
rischen Arch.- und Ing.-Vereins verliert in dem Ver-
storbenen seinen langjährigen i. Vorsitzenden, unter wel-
chem das Vereinsleben in so hoher Blüthe stand. Auch
seine Vaterstadt Ludwigshafen, in welcher Jolas als Sladt-
rath und Mitglied des Bauausschusses längere Zeit hin-
durch seine technischen Kenntnisse zum Nutzen der-
selben zu verwerthen Gelegenheit hatte, blickt trauernd
auf den Dahingeschiedenen. —
Bücherschau.
Anlässlich der vom 30. Aug. bis 3. Sept. d. Js. in Augs-
burg stattfindenden XXXI. Abgeordneten -Versammlung
und XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher
Architekten- und Ingenieur-Vereine ist für den 31. Aug.
ein Ausflug nach Landsberg und für den 3. Sept. ein Aus-
Gründen, über die man sprechen kann? Man kann über
den Seitz-Schäfer’schen Entwurf im Einzelnen denken wie
man will: imganzen wird man ihm die Anerkennung nicht
versagen können, dass er eine hervorragende künst-
lerische Arbeit ist und dass er sich harmonisch in das
schöne Bild der Heidelberger Schlossgruppe einfügt und
dieses unzweifelhaft bereichert.
Nun hat man mit Recht für das Heidelberger Schloss
wie für alle alten Bauten von Kunstwerth die Bedeutung
eines künstlerischen Dokumentes in Anspruch genommen
und man fordert für Dokumente mit nicht minderem
Rechte, dass sie mit allen erreichbaren Mitteln unver-
ändert erhalten werden. Was ist nun aber ein grösserer
Verlust: ein erhabenes, dem Kunstbesitz der ganzen ge-
sitteten Welt angehöriges Kunstwerk untergehen zu sehen,
nur um es unberührt zu lassen, oder es mit Mitteln zu
erhalten zu suchen, die, wenn sie auch seinen künstle-
rischen Zustand antasten, immerhin aber doch seine Er-
haltung auf eine längere Dauer hinaus gewährleisten? Man
hat den sehr beachtenswerthen Vorschlag gemacht und
auch schon ausgeführt, die der Gefahr des Verlustes aus-
gesetzten Theile des Schlosses im geschlossenen Raume
aufzubewahren und sie am Gebäude selbst durch neue
zu ersetzen. Gewiss, wir würden auf diesem Wege all-
mählich eine Art Abschrift des ursprünglichen Doku-
mentes erhalten. Aber man erinnere sich doch, wie herz-
lich dankbar wir heute dem Schicksal sind, welches uns,
flug mittels Sonderzuges nach Füssen zur Besichtigung
des Schlosses Neuschwanstein geplant. Für die Theil-
nehmer an diesen Ausflügen wurde vom Arch,- und Ing.-
Verein Augsburg ein Führer herausgegeben. Das bei
Lampart in Augsburg gedruckte Büchlein ist ein geschmack-
volles, mit hübschen Bildern und einem Gebirgspanorama
geschmücktes Werkchen, welches jedem, Theilnehmer an
den Ausflügen die gewünschten Aufschlüsse geben und
eine schöne Erinnerung sein wird. —
Preisbewerbungen.
An dem Wettbewerb betr. den Geschwindigkeitsmesser
der Grossen Berliner Strassenbahn waren 127 Bewerber
betheiligt. Das Preisgericht hat entschieden, dass die aus-
gesetzten Preise keinem der Bewerber zuerkannt werden
könnten. Als Anerkennung für einzelne tüchtige Aus-
führungen wurde jedoch die für Preise ausgesetzte Summe
von 4500 M. mit 2500 M. an die Firma F. Schuchhardt,
Teiegraphenbau-Anstalt in Berlin; mit 500 M. an Hrn. Ing.
E. Gramer in Berlin; mit weiteren 500 M. an Hrn. Ing.
H. W. Hellmann in Berlin; wieder mit 500 M. an Hrn.
Ob.-Ing. K. Wilkens in Berlin und mit den übrigen 500 M.
an Hrn. Reg.-Bmstr. Georg M e y e r in Dresden N. vertheilt. —
Ein internationaler Wettbewerb betr. Entwürfe für ein
Mc. Kinley-Denkmal in Philadelphia wird zum 2. März 1903
erlassen. Die für eine Statue mit architektonischer Um-
gebung zur Verfügung stehende Summe beträgt 30000
Dollars. Es gelangen 5 Preise von je 500 Dollars zur
Vertheilung. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. P. B. in Essen. Für das Durchschlagen von
Feuchtigkeit an der Wetterseite der Gebäude bis auf die Tapete
ist keineswegs der Verputzer der Flächen, sondern der Architekt
verantwortlich zu machen. Denn es bedarf in solchen Fällen be-
sonderer konstruktiver Anordnungen, um zu verhindern, dass das
unter dem Einflüsse der Treibkraft der Weststürme aufschlagende
Wasser nicht in das Innere der Mauer eindringe. Zementputz mit
Oelfarbenanstrich ist lediglich ein Auskunftsraittel von vorüber-
gehendem Werth, ein dauerndes Abhilfsmittel ist es nicht. —
Hrn. Arch. H. R. in Braunschweig. Ihre Anfrage ist zu
allgemein gehalten. Meinen Sie weissen Zementmörtel, weissen
Mörtel lediglich zum Ausfugen oder wollen Sie zum Mauern
,, weissen Mörtel“ verwenden? —
Inhalt: Verband deutscher Arch.- und Ing.-Vereine. — Die Geburts-
stttte der Renaissance in Deutschland. — Zur Aneelegeuheit des Heidel-
berger Schlosses (Schluss). — Todtenschau. — Bücherschau. — Preis-
bewerbungen. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlm. Für die Redaktion
verantwortL Albert Hofmaun, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
da wir gerade von Dokumenten sprechen, in den Kloster-
bibliotheken des Mittelalters Abschriften der antiken Dicht-
werke hinterlassen hat. Freilich, das Original wäre inter-
essanter; aber sind der Geist, der grosse Gedanke nicht auch
in der Abschrift erhalten? Und man denke doch ferner dar-
an, welche wichtige Rolle bei den Untersuchungen über
das Schloss die kümmerlichsten Abbildungen, die wider-
sprechendsten bildlichen Wiedergaben aus vergangener
Zeit spielen! Mit welcher Begierde werden nicht Zeich-
nungen zur Beweisführung herangezogen, die grob ge-
arbeitet, radirt und übermalt sind (Haupt S. 65)? Hätte
man alles das nöthig, wenn es gelungen wäre, den Otto
Heinrichsbau auch nur einigermaassen besser zu erhalten?
Ist es deshalb nicht richtiger, das Erreichbare anzustreben,
als dem Untergänge des Unersetzbaren fatalistisch und
mit verschränkten Armen zuzusehen? Und dieses Er-
reichbare, das nach unserem Dafürhalten einzige künst-
lerische Mittel der Erhaltung des Bestehenden
am Heidelberger Schloss ist die Fortsetzung des
Ausbaues. So sehr man auch die Gründe, die gegen
diesen Vorschlag gemacht werden können, würdigen mag,
sie können doch in keiner Weise den Verlust eines der
erhabensten Werke der alten Kunst aufwiegen. Erhaltung
oder Verlust, das ist somit die ernste Frage, vor der
die badische Regieruhg steht. Ihre Beantwortung sollte
nicht zweifelhaft sein. — Pt.
*144
No. 69.
Das Müller’sche Volksbad in München.
Arch.; Prof. Karl Hocheder in München.
(Hierzu eine Bildbeilage und die Grundrisse auf Seite 447.)
n den Anlagen längs der Isar, un-
mittelbar unterhalb der Ludwigs-
brücke, ragen über die Kronen der
umgebenden Bäume die stark ge-
gliederten Baumassen des MüUer-
schen Volksbades heraus. Mit dem
Besitz dieser gross angelegten Bade-
anstalt, den es der hochherzigen
Schenkung eines seiner Bürger, des
Ingenieurs Karl v. Müller, zu danken hat, schloss
sich München einer Reihe von deutschen Städten an,
in denen dem Volkswohl dienende Badeanstalten grösse-
ren oder geringeren Umfanges, durch städtische Mittel
oder durch private Stiftungen hervorgerufen, schon
länger bestehen.
Das Gebäude bedeckt ohne den eingeschlossenen
Hof, jedoch einschliesslich eines künftigen Wohn-
hauses, das die Ueberleitung der Baumassen des be-
stehenden südlichen Häuserblocks der Zweibrücken-
strasse zum Badehause bilden soll, eine Grundfläche
von nahezu 4000 q“. Für die Lage wurde darauf Be-
dacht genommen, die alte, auf das Innere der Insel
sich hinziehende Allee schöner Kastanienbäume, die
nun über einen einspringenden Hof zum Eingang des
Bades führt, soviel als möglich zu erhalten, Ueber-
haupt waren für die weitere architektonische Durch-
bildung des Baues die ungezwungene Einfügung in das
Stadt- und das Landschaftsbild, eine klare, mderisclie
Gruppirung und angenehme Umrisslinie der Baumassen
ein wichtiges Erfprderniss, das die freie Lage des dicht
am Wasser sich erhebenden und aus grösserer Ent-
fernung ungehindert sichtbaren Gebäudes bedingte.
Um die nöthige Breite des Bauplatzes zu gewinnen,
445
wurde die ehemalige Zufahrtstrasse zur Baumschule
nach Osten verlegt, wo sie nun künftig durch einen
Bogen von 6 Spannweite unter dem geplanten Wohn-
gebäude hindurch zum städtischen Elektrizitätswerk
und zur Baumschule führt.
Für die Grundrissgestaltung in ihren Hauptzügen
galt es bei einer derartigen Anlage vor allem, darauf
Rücksicht zu nehmen, gleich von der Kasse ab die
Trennung der Geschlechter durchzuführen. Nur das
Dampf- und römisch-irische Bad, das von beiden Ge-
schlechtern zu verschiedener Zeit abwechselnd benutzt
werden soll, und der Erfrischungsraum erhielten neu-
trale Zugänge, die ausserhalb der Geschlechter-Ab-
theilungen erreichbar sind. Eine weitere Nothwendig-
keit, nämlich die langgestreckten Schwimmbäder in
den rückwärtigen Theil des Gebäudes zu verlegen, er-
gab sich aus der Forderung möglichster Abkürzung der
Wege zudenverschiedenenAbtheilungen des Gebäudes.
vom Vestibül aus geraden Weges erreichbar, der
Raum für die Kasse und für die Wäscheabgabe. Daran
schliesst sich zu beiden Seiten je ein Warteraum mit
Oberlicht an, rechts für die Männer, links für die
Frauen, von wo aus die betreffenden Einzelbäder und
Schwimmhallen zugänglich sind. DieMänner-Schwimm-
halle ist hinter dem Thurme in der Hauptaxe gelagert
und fast unmittelbar vom Warteraum aus erreichbar.
Das seitlich und etwas weiter rückwärts gelegene
Frauenbad ist durch einen kurzen Gang mit dem
Warteplatz verbunden. Auf der Männerseite befinden
sich ausserdem noch 13 Wannenbäder, i Jourzimmer,
I Requisitenraum und ein Friseurladen, während die
Frauen-Abtheilung nur 6 Wannenzellen Aufnahme
gewähren konnte, da der übrige Raum dieser Ab-
theilung von der ausgedehnten Einrichtung des
Dampf- und römisch-irischen Bades und von einem
geräumigen Erfrischungs-Raum eingenommen wird.
Die neue Anstalt enthält ein Schwimmbad für
Männer, ein solches für Frauen, das Dampf- und rö-
misch-irische Bad, ferner 86 Wannenbäder, zur einen
Hälfte für Männer, zur anderen für Frauen bestimmt,
das Brausebad, das mit eigenem Zugang ins Unter-
geschoss verlegt ist, endlich ein Hundebad, gleichfalls
im Untergeschoss und mit besonderem Eingang; hier-
zu treten die erforderlichen Wirthschafts- und Bedie-
nungsräume. Auf die einzelnen Stockwerke vertheilen
sich die zu den verschiedenen Abtheilungen gehörigen
Räume folgendermaassen:
Im Untergeschoss haben ausser dem schon er-
wähnten Männer-Brausebad für 15 Personen und einem
Hundebad, 3 Brausebäder für Frauen, i Wannenbad und
I Moorbad mit zugehöriger besonderer Kasse und
Wäscheabgabe sowie Abortanlage, dann die aus Wasch-
küche, Trockenapparat, Bügel- und Mangelraum be-
stehende Wasch- und Trockenanstalt und die Be-
dienungsräume für den Gesammtbetrieb Platz gefun-
den; ferner sind hier der Maschinenraum sowie eine
Anzahl verfügbarer Räume untergebracht. Der ge-
schlossene Hof liegt auf Kellersohle.
Im Erdgeschoss (Abbildg. S. 447) befindet sich zu-
nächst, in derHauptaxe des Gebäudes, unter demThurme,
446
Im ersten Obergeschoss (Abbildg. S. 447) sind
hauptsächlich die Wannenbäder untergebracht, und
zwar auf der Männerseite 19, auf der Frauenseite 29
Badezellen nebst Aborten und Requisitenräumen.
Ausserdem sind 14 Zellen so angeordnet, dass sie von
Männern oder Frauen benutzt werden können, je nach-
dem auf der einen oder anderen Seite ein Mehrbedarf
für Wannenbäder sich einstellt Das zweite Ober-
geschoss, das nur zu einem kleinen Theile ausgebaut
ist, enthält die Verwalterwohnung, die aus 4 Zimmern,
Garderobe, Magdkammer, Abort und Küche besteht,
ferner das Verwaltungsbüreau, i Depotraum für Re-
servewäsche und zwei vorläufig noch unbenutzte Re-
serveräume für beliebige spätere Verwendung.
In den verschiedenen Geschossen des Thurmes
befinden sich noch kleine Wohnungen für Bedienstete,
ein Raum für zwei grosse Wasserbehälter und das
Triebwerk der mit4 grossen Zifferblättern ausgestatteten
Thurmuhr. In der Höhe von etwa 35"* über dem
Fussboden des Erdgeschosses ist eine bequem zugäng-
liche, freie Aussicht geschaffen. Auch die mit Fenstern
geschlossene Laterne des Thurmhelmes dient dem an-
genehmen Zwecke einer schönen Rundsicht über die
Stadt und das Isarthal — (Fortsetzung folgt)
No. 70.
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902.
VI. Die Ausstellung des „Vereins deutscher Port-
land-Gement - Fabrikanten" und des „Deutschen
Beton-Vereins." (Schluss.)
ielleicht den weitgehendsten Einfluss auf die Umge-
staltung der Bauweise haben die Anwendung des
Zementmörtels^ des Betons und insbesondere der
Betoneisen-Konstruktionen im Hochbauwesen zur Folge ge-
habt. Zur Herstellung eines besonders starken Pressungen
ausgesetzten Mauerwerkes, zur Ausführung wasserdichter
liehen porösen bezw.Hohlziegeln, oder in besonderenForm-
steinen mit Zementmörtel.. mit und ohne Eiseneinlage, in
reinem Stampfbeton zwischen eisernen Trägern und in
Stampfbeton mit Eiseneinlage hergestellt werden. In den
neuesten Formen erscheinen sie schliesslich derart, dass auch
der eiserne Deckenträger verschwindet und an seine Stelle
ein Betonbalken tritt, ip. welchem die Zugspannungen durch
Eiseneiniagen aufgenommeri werden. Ebenso ist der massiv
gewölbten Decke in der geringere Höhe beanspruchenden,
leichteren und daher weniger Schub ausübenden Beton-
Kellersohlen bis zu beträchtlicher Tiefe unter dem Grund-
wasserspiegel, zu Gründungen aller Art sind Zement und
Beton unentbehrliche Hilfsmittel für uns geworden. Ze-
ment-Kunststein zu Treppenstufen, sowie zur Verkleidung
ganzer Fassaden, letzteres namentlich, seit man durch die
neueren Verfahren dem Kunststein eine täuschende Aehn-
lichkeit mit natürlichem Sandstein zu geben vermag, haben
eine weite Verbreitung gefunden.
Eine vollständige Umgestaltung hat der Deckenbau
erfahren. Anstelle der Holzdecken sind die flachen, feuer-
sicheren Massivdecken getreten, die entweder in gewöhn-
30. August 1902.
decke mitEiseneinlage ein lebhafterWettbewerb erwachsen,
besonders auch in solchen Fällen, in welchen es sich darum
handelt, reichgegliederte, nichttragendeDeckenherzustellen.
Die Anwendung des Betons zum Bau der Gebäuderaauern
hat im Norden Bedeutung im wesentlichen nur für Fabrik-
anlagen und Nutzbauten ähnlichen Charakters gefunden, da
Betonmauern infolge der physikalischen Eigenschaften des
Baustoffes fürWohnhausbauten vom Standpunkte der Hygi-
ene und der Ansprüche an Behaglichkeit des Wohnens hier
fürweniger geeignetgehalten werden, als Ziegelmauern. Ein
weitesFeld derAnwendung kommt dagegen demBetoneisen-
447
Fachwerkbau zu, bei welchem die Wände aufgelöst sind in träger aufgelegt sind, an welche eine zugleich als Putzträger
ein System von Betoneisenstützen, die in Gemeinschaft mit dienende Rohrmatte aufgehängt ist. Es wird dadurch die
den Innenstützen die Decken nebst Belastung tragen, wäh- Schalung erspart. Abbildg. na (S. 450) zeigt das System der
rend die Mauern je nach Decke fertig ausgeführt.
der Zweckbestimmung des
Gebäudes entweder aus
leichten Zwischen • Kon-
struktionen ebenfalls in
Betond.en-Bauweise aus-
geführt werden, oder als
äussere, nicht tragende,
daher schwach zu haltende
Steinhülle das konstruktive
Gerast umgeben. Diese
Anordnung entspricht also
im Grunde dem Eisenfach-
werkbau, besitzt vor ihm
aber, abgesehen von dem
Vorzüge der Feuersicher-
heit, den weiteren Vorzug,
dass dieStützenundDecken
nach Art ihrer Herstellung
ein einheitliches Ganze
bilden, daher auch stoss-
weise auftretenden Kräften
einen hohen Widerstand
entgegen setzen. Allerdings
erfordert die Ausführung
von Bauten in Betoneisen-
Konstruktion ein hohes
Maass von Sorgfalt und
Sachkenntniss, sowohl in
der Auswahl der Materi-
alien, wie in der Herstellung
und der Festsetzung der
Abmessungen aufgrund der
statischen Untersuchungen.
Eine Bauweise, die unge-
straft Jeder ausüben darf,
ist sie daher nicht.
Als Beispiel für die
vorbeschriebene Art [|der
Ausführung ist in Abb.
loa — c (S. 450) eine
Decken- und Stützen-
Konstruktion nach dem
System „Hennebique“
im Ganzen und in den
Einzelheiten gezeigt.
Ausserdem vergl. die
Abbildg. 17, 18 u. 19.
An dem Bau der Be-
ton-Ausstellung selbst
ist die Anwendung der
Betoneisen - Konstruk-
tionen, wie schon er-
wähnt, einerseits an
den monumentalen
Säulen, andererseits an
den Decken der unte-
ren Ausstellungshallen
vorgeführt. Um die
Konstruktion der letz-
teren, die sämmtlich
von der Firma Wayss
& Frey tag ausgeführt
sind, zur Anschauung
zu bringen, sind beson-
dere Probestücke aus-
festellt, welche die
inzelheiten der An-
ordnung deutlich er-
kennen lassen.
Zwei der Decken
sind gerade bezw. ge-
wölbt als einfache
Stampfbeton - Ausfüh-
rungen ohne Eisenein-
lage zwischen eisernen
I-Trägern hergestellt,
zwei weitere als gerade
bezw. gewölbte Mauer-
decken. Zwei Aus-
führungen zeigen die
Holzer’sche Decke,
die namentlich für
Abbildg. 19.
Betoneisenbau der Fabrik~von Ensslin & I.aiblin
in Reutlingen.
Abbildg. 18. Lagerhaus in Strassbarg I. E. Decken und Stützen.
Abbildg. II b vor Aufbrin-
gung des Betons.
In einer weiteren Probe
wird die Wayss'sche
Spanndecke, oder auch
Gelenkeisen-Decke ge-
nannt, (D.R.P. 109964) ge-
zeigt. Sie weicht von der
Koenen’schen Vout en-
platte (Abbildg. 12), mit
der sie die Verstärkung
des Betonquerschnittes an
den Auflagern gemein hat,
und von allen anderen ähn-
lichen Konstruktionen da-
durch ab, dass die aus
Flacheisen bestehenden
Eiseneinlagen an den Null-
punkten der Momente (die
Decke ist als kontinuir-
licher Träger mit Einspan-
nung an den Trägern zu
betrachten) gelenkartig ver-
bunden sind. Der Eisen-
querschnitt braucht also
nicht auf die ganze Länge
der gleiche zu sein, son-
dern kann entsprechend
der wechselnden Grösse
der Biegungsmomente ver-
schieden gewählt werden;
vgl. hierzu die Abbildg. 13.
Die Decke kann in Spann-
weiten bis zu 7 “ ausge-
führt werden, ist bei 3.5
bis 4 m aber am vortheil-
haftesten bezüglich der
Kosten. Wie alle Vouten-
decken , gestattet sie
eine sehr geringe Stär-
ke in der Deckenplatte
selbst, in welcher die
Druckfestigkeit des Be-
tons ausgenutzt wird,
während die Verstär-
kungen an den Trä-
gern die entsprechend
dem höheren Stützen-
moment nothwendige
Querschnitts- Vergrös-
serung ergeben.
Bemerkt sei, dass
die A.-G. für Beton-
und Monierbau in
Berlin, abgesehen von
der Anwendung der
Koenen’schen Vouten-
platte als Fussgänger-
steg über dem Wasser-
becken an derKaskade,
diese Decke auch noch
im Freien in einem Bau-
werk vorführt, das aus
einem 6 “ freitragen-
den Mittelfelde mit 2
Seitenfeldern von je
4,5“ auf Betonmauem
besteht. Die Platten-
stärke beträgt 16
Pavillonartige Aufbau-
ten von etwa 80 ‘ Ge-
sammtgewicht,inBeton
hergestellt, stehen auf
den Seitenöffnungen
und sind, mitKoenen’-
scher Plan decke ge-
schlossen, zur Aufnah-
me von Photographien
ausgeführter Beton-
bauten der Firma her-
gerichtet.
Eine weitere'* Aus-
Wohnhäuser geeignet ist und sich von den geraden Monier- bildung der Wayss’schen Decken zeigt Abbildung 14.
decken dadurch unterscheidet, dass statt der Rundeisen- Um die Decke bei einseitiger beweglicher Belastung,
Einlage kleine I-Eisen auf den Unterflansch der Decken- beziehungsweise bei verschieden weiten Spannungen
4^8
No. 70
entsprechend den auftretenden Kräften noch sicherer aus-
zubilden, als dies bei der Voutenplatte mit einfacher Eisen-
einlage der Fall ist, ist hier eine zweite Einlage vorge-
sehen, welche die untere Laibung der Vouten begleitet.
Einige andere Deckenbeispiele sind vollkommen iii
Betoneisen-Bauweise hergestellt, wobei also auch die Bal-
decke entsprechenden Eiseneinlagen sind noch neben den-
selben wagrechte Stäbe hinzugefügt. Zur Aufnahme der
Scheerkräfte dienen die wie bei System Hennebique um-
gelegten Bügel, deren Dichte entsprechend der Veriheilung
der Querkräfte nach den Enden zunimmt. Durch Ein
fügung von Blindbalken lässt sich die Decke architektonisch
Abbildg, I7. Lagerhaus in Eisenbeton in Strassburg i. E. wahrend der AusfQhrung durchAVayss & FreytagJ
Abbildg. 9. Brücke über den Nymphenburger Kanal bei Gern-München (Ausführung: Wayss & Freytag.)
ken, welche die Deckenplatte tragen (mit der sie übrigens
als (^nzes zusammen hergestellt werden), in Stampfbeton
mit Eiseneinlage ausgeführt sind. Abbildg. 15 stellt eine
derartige Decke Wayss’scher Anordnung in ihrer voll-
ständigen Ausführung dar. Ausser den der Gelenkeisen-
ausgestallen. Wird dagegen statt der Blindbalken eine
zweite, die ersten Balken kreuzende Schaar von Beton-
eisenbalken der vorbeschriebenen Konstruktion eingelegt,
so entsteht eine Kassettendecke von hoher Tragfähigkeit
da die Deckenplatte in jedem Felde auf aUen 4 Seiten
30. August 1902.
449
aufiiegt. Die Balken, welche in nicht Sehr grossen Ab-
ständen von einander liegen, können niedrig werden und
erfordern wenig Eisen, sodass die Decke billig wird, trotz-
dem sie sich besonders zum Tragen grosser Lasten eignet.
Schliesslich ist als eine besondere Form der Deckenaus-
stellung der Firma Wayss &Fre3'-tag noch die Zöllner 'sehe
Zellendecke zu erwähnen, die in Abb. i6 in einer Skizze
dargestellt- ist, weiche ihre Grundzüge zeigt. Die Decke be-
steht aus zwei getrennten Betonschichten, von denen die
obere in der Druck-, die zweite in der Zugzone liegt. Beide
sind durch Betonstege mit einander verbunden. Die untere
Betonschicht und die Stege haben etwa 4 cm Stärke, wäh-
rend die obere entsprechend der Druckbeanspruchung zu
bemessen ist;- In den Stegeri liegen Eiseneinlägen. Die
Hohlräume werden hergestellt, indem auf der unteren
Betonschicht Hohlsteine aus gebranntem Thon in Ab-
Abbildg. 13. Spanndecke bezw. Gelenkeisendecke von Wayss;
Abbildg. 14. Betondecke mit voutenförmiger Unteransicht und
zweifacher Eiseneinlage.
Abbildg. 15. Betonbalkeodecke, System Wayss.
Abbildg. 16. Zöllner’sche Decke.
Zum Ausbau der Meissner Domthürme.
ie Frage' des Ausbaues der Meissner Domthürme
Und der Wiederherstellung' des Gotteshauses auf
dem Schlossberge von Meissen hat, wenn auch in
engeren Grenzen, keinen geringeren Kampf gezeitigt, wie
die Frage- des Ausbaues des Otto Heinrichsbaues des
Heidelberger Schlosses! Wir, haben darüber bereits in
den längeren Ausführungen S. 356 ff. berichtet. Bei der
Heftigkeit, des Kampfes ist die eigentliche Sachlage viel-
fach getrübt worden, weshalb sich der Vorsitzende des
Meissner Dombau-Vereins, Geheimrath Prof. Dr. Wach in
Leipzig, veranlasst gesehen hat, in einer längeren- Aus-
führung den Stand der Angelegenheit klar zu legen.
Wir entnehmen dieser Ausführung im wesentlichen das
Folgende
Der Dombau-Verein in Meissen wurde am 28. März
1896 mindern satzungsgem.ässen Zweck gegründet, „die
Erhaltung, bezw. den Ausbau des Meissner Domes“
herbeizUführen. Ein von sämmtlichen Mitgliedern des'
Vorstandes- Unterzeichneter Aufruf vom 27. Oktbr. 1896
bezeichnete- u.- a. als Ziel des Vereines, den Dom „im
Geiste:;d6r alten Meister äuszubauen“! Diese Feststellung
erfolgtv gegenüber , deh Bestrebungen, einen Ausbau zu
verhindern- und' die für'diesen Zweck gesammelte Summe
anderen Zwecken dienstbar zu machen. Das wäre also
statutarisch unzulässig. Der Bericht gedenkt ferner des
Vorwurfes, „der Verein stelle sich mit der Betonung
seines grundsätzlichen Zweckes auf einen formalen Stand-
gunkt, während es sich doch da.rum handle, dem Dom
Utes ZU! erweisen, und, was eben fraglich sei, ob ein
Ausbau: dazu; diene“'. „Das ist uns nicht fraglich“, ent-
gegnet der Bericht; „der Dombauverein ist gegründet
auf die Ueberzeugung von der inneren Berechtigung des
■Wunsches, das herrliche Bauwerk zu erhalten und aus
dem Zustand des Torso zur Vollendung zu führen“. Die
Bauherren sind das Domkapitel, das sächsische .Kultus-
ünd das Finanzministerium. An diese Stellen hat der
Dombau- Verein seine Vorschläge gerichtet. Folgende
Vorschläge fanden die grundsätzliche Billigung: i. Ver-
setzung der Grabplatten ah die Wände nnd .die Erneue-
rung des gesammten Plattenbelages, sowie Ausbesserung
und Reinigung des Kircheninneren.. 2. Erneuerung sämmt-
licher Fenster und Ausbesserung der Fenstergewände und
des Maasswerkes. 3. Erneuerung des Daches und stärkere
Befestigung des Dachstuhles. 4 Aufbau des Nordthüfmes
und der beiden Westlhürme unter Verstärkung der Füri-
daraente der letzteren. Erhaltung und Ausbau des Domes
■waren also gleichmässig zu planen. Die Erhaltungs-Ar-
beiten erforderten keine weitere Vorbereitung, wohl aber
die Ausbau-Arbeiten. Für diese wurde zunächst durch
Messbild- Aufnahmen vom ganzen Gebäude durchMey den-
bauer eine Grundlage geschaffen. Man forderte dann
A. Beyer in Ulm, A. Linnemann in Frankfurt a. M.,
Karl Schäfer in Karlsruhe, Gabr. v., Seidl in München,
K. Steinbrecht in'Marienburg und P. T or n o w in Metz auf,
Entwürfe für den Ausbau zu machen.- Linnemann, Schäfer
und Seidl entsprachen dem Ansuchen. Dass Westthürme
zur Vollendung des Bauwerkes und, wie Seidl sagte, zum
„Abschluss einer so aussergewöhnlichen, grossartigen
Gruppirung von Landschaft und Baukunst“ geboten seien,
darin stimmten die Gutachten überein. Sie gingen aus-
. einander hinsichtlich der Art des Ausbaues. Seidl und
Schäfer schlugen einen z weithürmigen, Linnemann einen
dreithürmigen Ausbau vor (siehe die Abbildungen S. 229).
Der Dombauverein entschied sich in seiner Generalver-
No. 70.
450-
Ständen verlegt werden, welche der Stegdicke entsprechen.
Die Decke ist daher sehr leicht. Ist die Decke kontinuir-
lich oder an den Wänden eingespannt, so sind die Eisen-
einlagen so anzuordnen, dass sie auch die aus den. ne-
gativen Momenten entstehenden Spannungen aufnehmen
können. Soll , die Decke nicht kontinuirlich wirken, so
werden die Eiseneinlägen auf den Unterflanschen der
Deckenträger aufgelegt. Die Stege nehmen’ dann mit ihren
Eiseneinlagen die ganze Zugspannung auf,' die untere
Betonschicht kann ganz fortfallen. Bei Berechnung der
Tragfähigkeit kann man sich aus der Decke Streifen her-
ausgeschnitten denken, die einen Steg mit der Hälfte der
beiden anschliessenden Felder enthalten. Diese Streifen
besitzen dann also I- oder T-förmigen Querschnitt. Die
Decke wird in verschiedenen, von einander etwas ab-
weichenden Formen hergestelU.
Um das Bild der Deckenausstellungen zu vervoll-
ständigen, sei noch eine Ausführung der Eggert-Decke
erwähnt, die Dyckerhoff & Widmann im Freien vor-
führen. Sie besteht aus einer unteren Schicht in Zement-
mörtel mit Eiseneinlagen versetzter Formsteiiie, die be-
deckt sind durch eine obere Betonschicht, welche den
Druck aufzunehmen hat.
Als ein Beispiel vollständig in Betoneisenbau ausge-
führter Fabrikgebäude nach dem System des Fachwerkbaues
mit nur umhüllender, nicht tragender Aussenwand, ist in
den Abbildungen 17 und 18 das von der Firma Wayss &
Freytag ausgeführte Lagerhaus in Strassburg i. E. wäh-
rend der Ausführung zur Darstellung gebracht, ausserdem
in Abbildg. 19 das Innere eines von derselben Firma für
die Hrn. Ensslin & Laiblin in Reutlingen hergestellten
Fabrikbaues. Aus beiden ist ersichtlich, wie durch diese
Bauweise die Gewinnung grosser Lichtöffnungen in den
nicht tragenden Aussenwänden möglich ist.
Die Ausstellung bringt auch in den von anderen Firmen
ausgestellten Modellen, Zeichnungen und Photographien
manches werthvolle Material, es würde uns aber zu weit
führen, auf alles im Einzelnen einzugehen. Ausser den
schon bei der Ausführung des Aussteliungsbaues genannten
Firmen seien noch erwähnt A. Thormann & J. Stiefel
in Augsburg mit interessanten Entwürfen zu Wasserkraft-
Anlagen, Aquädukten, Joh. Odorico in Dresden namentlich
••■mit Hochbau-Ausführungen System Hennebique, ferner
Carl Brandt in Düsseldorf usw. Ausserdem haben ver-
schiedene der schon genannten Firmen Kunststeine, Beton-
rohre, Zementwaaren verschiedener Art ausgestellt, wäh-
rend die Firmen: Masch.-Fabr. „Rhein und Lahn“ Gauhe,
Gockel & Cie. in Oberlahnstein a. Rh., Alfred Kunz in
Kempten, Beyer & Zetzsche, Masch.-Fabrik, Plauen
i. Voigtl., F riedrich Krupp, Grusonwerk Magdeburg-Buckau,
hauptsächlich Beton -Mischmaschinen verschiedener Kon-
struktionen vorführen.
Zu erwähnen ist noch als bemerkenswerth eine Samm-
lung von Hölzern, die 5 Jahre lang in Beton eingeschlossen
waren und sich darin gut erhalten haben; sie ist von Hrn.
Prof. M. Möller in Braunschweig ausgestellt.
Zum Schlüsse sei noch einer sehr interessanten Ver-
anstaltung, der Sonderausstellung des „Vereins deut-
scher Portland-Cement-Fabrikanten“ gedacht, guf
welche näher einzugehen, wir uns leider versagen müssdn.
Sie enthält alle zur Prüfung des Zementes Üblichen Apparate
und Proben, welche das Prüfungs-Ergebniss zeigen. Es
finden sich dort die Apparate zur Prüfung der 'Bmdezeit,
der Raumbeständigkeit, zur Ermittelung der Feinheit , der
Mahlung, zur Prüfung der Zug- bezw. Druckfestigkeit. ' Die
Apparate umfassen also ein vollständiges Zement- Labo-
ratorium. Sie sind grösstentheils geliefert von dem che-
mischen Laboratorium für Thonindustrie in Berlin.
Hieran schliessen sich noch eine Reihe besonderer Prüfungs-
apparate, ferner die in No. 50 mit Abbildungen dargeslelite
Betonpresse ■'=) des deutschen Betonvereins, endlich
eine neue Röhr en-Prüfungspresse von Koenen. Eine
Zusammenstellung feiner Messinstrumente zu wissenschaft-
lichen Untersuchungen haben schliesslich die kgl. preuss.
mechanische Versuchsanstalt in Charlottenburg
und die Materiai-Prüfungsanstalt an der kgl. tech-
nischen Hochschule zu Stuttgart beigesteuert.
Wir müssen bezüglich dieser Einzelheiten unsere Leser
auf den trefflichen Sonder-Katalog der beiden Vereinigun-
gen verweisen, deren Zusammenarbeiten wir diese Aus-
stellung verdanken. Dieser Katalog; „Die deutschePort-
land-Cement-undBeton-IndustrieaufderDüssel-
dorf er Ausstellung 1902“, giebtin historischer, baulicher
und theoretischer Beziehung eine klare, durch gut gewählte
Illustrationen erläuterte Darstellung über die Entwicklung
der Zementindustrie und der Betonanwendung in Deutsch-
land und bildet eine werthvolle Ergänzung des verdienst
vollen Ausstellungs-Unternehmens. — Fr. E. —
Preisbewerbungea.
Einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
einen Erweiterungsbau des Restaurations-Gebäudes auf dem
Steinberge in Lauban erlässt der Magistrat zum 31. Dez.
d. J. unter Verheissung zweier Preise von 1200 und 800 M.
und mit der Absicht des Ankaufes nicht preisgekrönter
Entwürfe für je 500 M. —
Ein Wettbewerb des Oesterr. Ing.- und Arch.-Vereins
ln 'Wien für seine Mitglieder betrifft die Frage : „Auf welche
Sammlung vom 28. Dez. igoi „mit einer an Einstimmig-
keit grenzenden Majorität“ für den überarbeiteten zwei-
Äürmigen Schäferschen Entwurf. Es werden nun eine
■Reihe von Aeusserungen angeführt, die in zumtheil über-
. , schwänglichen Worten sich zugunsten des letzteren Ent-
^..yrurfes aussprechen.
Wir haben bereits S. 358 ausgeführt, dass wir uns
den Vertheidigern des Schäfer’schen Entwurfes leider nicht
anschliessen können, sondern aus künstlerischen
Gründen einer dreithürmigen Anlage den Vorzug geben
würden.’ Dass diese ein ungleich reicheres und für
den Schlosshügel harmonischeres Bild gewähren und
sich auch, historisch begründen lassen würde, haben
Gurlitt mit seiner Schrift und Linnemann mit seinem
Entwurf für viele überzeugend dargethan. Der Dombau-
verein sieht aber in dem Magdeburger Dom das Vorbild für
den Ausbau der Domthürme in Meissen: ,,das Anlehnen
an die Proportionirung des Magdeburger Domes ist un-
zweifelhaft richtig“. Doch wohl nicht so unzweifelhaft,
denn sonst könnten die Ausführungen Wach’s nicht un
mittelbar darauf sagen: „Wenn sie (die Proportionirung
des Magdeburger Domes) unserem Geschmacke nicht ent-
spricht, so ist zu bedenken, dass. das Gefühl mit den Zeiten
stark wechselt, wir deshalb keineswegs sicher sind, ob
wir auf immer Recht behalten, werden, und dass wir
wohl besser daran ihun, im Falle wir eine wirkliche
Restauration beabsichtigen, einem' so charaktervollen Bau-
werk des, Mittelalters unseren heutigen Geschmack nicht
aufzudrängen, sondern es der Nachwelt so gut wir können,
auch mit den charakteristischen Fehlern seiner Entstehungs-
zeit, ganz echt hinzustellen und es ihr zu überlassen, sieh
ein Urtheil zu bilden, statt es vorweg zu nehmen: Auf
solche Fehler in so unbefangener und natürlichen Weise
,30. August 1902.
Art und durch welche bautechnischen Vorkehrungen kann
die Feuchtigkeit von Mauern behoben, dem Eindringen
von Feuchtigkeit in dieselben von aussen hervorgebeugt,
bezw. der durch dieselbe verursachte Schaden bekämpft
werden?" Arbeiten, die nur als Ergebnisse von Sammel-
fleiss zu betrachten sind, werden von der Preisbewerbung
*) Die in No. 50 gemachte Preisangabe ist nicht mehr zutreffend. Um die
Betonpresse in möglichst -weite Kreise dringen zu lassen, ist ihr Preis vom
„Beton-Verein“ auf 2060 M. ohne und 2340 M. mit Fahreinrichtung herabgesetzt.
einzugehen, ist an und für sich schon nur Sache eines
Meisters, der in die Gefühlsanschauung des Mittelalters
ganz aufgegangen ist. Mit der Ausführung des Schäfer-
schen Entwurfes überliefern wir unseren Nachkommen
ein vollkommen getreues Bild dessen, was der Meissner
Dom geworden wäre, wenn das Mittelalter selbst ihn
vollendet hätte.“ So wenig wir uns leider der hier ge-
gebenen Beweisführung anschliessen können, so bestimmt
müssen wir auch den Schlussfolgerungen entgegen treten.
Indessen die Zeit ist noch nicht gekommen, zu einem
abschliessenden Urtheil zu schreiten, denn der Bericht
Wach’s erklärt, „dass auch jetzt nur die grundsätzliche
Billigung“ der Bauherren für den Schäferschen Entwurf
erbeten ist und nach allgemeiner Zustimmung des Dom-
kapitels eine weitere Vervollkommnung „so weit solche
in den Kräften des Autors steht“, erstrebt wird.
Wir haben ferner als Rechtfertigung eine Denkschrift
mit dem Arbeitsplan und wir haben ein Modell des Burg-
berges mit seinem gesammten Aufbau zu erwarten. Wenn
alles dieses vorliegt — es wird bis dahin wohl noch einige
Zeit verstreichen — dann wird man mit ruhigerer Stimmung
an die abschliessende Beurtheilung der Angelegenheit gehen
können. Sollten aber die Westthürme einstweilen nicht
zur Ausführung kommen, so ist Schäfer vertragsmässig
als Dombaumeister für die Erhaltungsarbeiten bestellt.
,, Diese Arbeit wird allen Anforderungen der wissenschaft-
lichen, kunstgeschichtlichen Kritik zu entsprechen haben,
fernbleibend von jedem Verschönerungsstreben, streng
pietätvoll das Bauwerk in seiner überlieferten Gestalt be-
wahren, die edle Patina, welche die Jahrhunderte dein
Dom aufgeprägt haben, unberührt lassen. Noch' ist kein
Stein am Dom bewegt und doch werden die Sturmglocken
bereits gegen uns geläutet. Dabei mag bestimmend sein
'451
ausgeschlossen. ' Es gelangen 2 Preise von 600 und 300 Kr.
zur Vertheilung. Das Preisgericht besteht aus den Hrn.
3c. k. Brth. Franz Berger, k. k. Hofrth. Fr. von Gruber
und Betr.-Dir. Franz Kapaun, sämmtlich in Wien. —
Wettbewerb Elly-Hölterhoff- Stiftung Honnef. Verfasser
des zur engsten Wahl gestellten Entwurfes „Ehre dem
Stifter" ist Hr. Arthur Werner in Leipzig - Connewitz.
Verfasser des zur engeren Wahl gelangten Entwurfes „Für
Rheinlands Nizza" sind die Hrn. Heinr. Möller und Paul
Opitz in Frankfurt a. M. Verfasser des zur engeren Wahl
gestellten Entwurfes „Trautes Heim" sind nicht die Hrn.
Müller & Weise in Dresden, es rührt vielmehr der Ent-
wurf von Hrn. Carl von Hövel in Düsseldorf her. Es
waren zwei Entwürfe mit dem gleichen Kennwort ein-
gegangen. —
Wettbewerb Rathhaus Nienburg. Das Preisgericht hatte
neben dem Entwurf „Mit Verlaub“ auch den Entwurf
„Heimatskiänge“ des Hrn. Arch. H. Minetti in Hamburg
zum Ankauf empfohlen. Von dem Ankauf aber musste
mangels weiterer Mittel abgesehen werden. —
Wettbewerb des Vereins deutscher Verblendstein- und
Terrakotten-Fabrikantcn. 'Eine öffentliche Ausstellung der
Entwürfe zu einem Wohn- und Geschäftshause in einer
Mittelstadt findet vom 17. — 30. Sept. in der Aula der kgl.
Techn. Hochschule in Charlottenburg statt. —
Chronik.
Ein romanisches Prachtportal an St. Dionys in Esslingen
ist in diesen Tagen aufgedeckt worden. Es fand sich unter dem
Nordthumi , und wird als eine spätromanische Pforte von einer
Grossartigkeit der Anlage und einem Reichthum der Schmuck-
formen bezeichnet, wie in Württemberg keine zweite und in Deutsch-
land mir wenige andere vorhanden seien. Die Freilegung wird von
der Bauleitung aus konstruktiven Gründen leider als unmöglich
bezeichnet. —
Der Neubau des bayerischen Armee-Museums in Mün-
chen, welches nach den Entwürfen des kgl. Geh. Ob.-Brths.
von Mellinger in der Errichtung begriffen ist, soll zu Beginn des
Jalues 1904 fertig gestellt werden. Die Maurerarbeiten hat die
L'iima Heilmann & Littmann in München, die Steinhauerarbeiteu
C. Vetter in Eltmann a. M. übernommen. —
Der Minerva-Brunnen des Parlaments-Gebäudes in Wien
ist in den letzten Wochen zur Aufstellung gelangt. Die Plauptgestalt
ist eine Athena Parthenos aus weissem Laaser Marmor, mit goldener
Panzerung und mit goldener Nike auf der Rechten; sie ist ein Werk
Kundmänns. Zu ihren Füssen sitzen die symbolischen Gestalten
der „Gesetzgebung" und der „Gerechtigkeit“ von Tautenhayn;
an dem Granitbecken lagern die allegorischen Gestalten der Donau,
des Inn, der Moldau und der Elbe von Härdtl. —
Die Schaffung einer schweizerischen Kunstakademie ist
durch eine aus Malern, Bildhauern und Architekten gebildete eid-
genössische Kunstkommission in Anregung gebracht worden. —
Das Museum von Kairo, die aus dem Museum von Gizeh
hervorgegangene Sammlung ägyptischer Alterthümer, befindet sich
■ ehrliche Fürsorge für dieses Heiligthum unserer sächsi-
schen und deutschen Geschichte. Aber dass in solcher
der Dombauverein hinter Niemanden zurückstehen wird,
dafür bürgt seine Vergangenheit, seine Tendenz und die
durch die Rechtslage gebotenen Garantien."
Wir haben gewiss in diesenAusführungen den Ausdruck
aufrichtiger Gesinnung und sorgfältigster Absichten, soweit
diese überhaupt in der Menschen Möglichkeit stehen, zu er-
kennen und die Arbeiten Schäfers an Jung St. Peter in Strass-
burg sowie am Friedrichsbau am Schlossabhang in Heidel-
berg berechtigen zu der Hoffnung, dass auch die Erhaltungs-
arbeiten am Dom von Meissen mit tiefstem künstlerischem
Verständniss und mit pietätsvollstem Sinn für die Ver-
gangenheit des Bauwerkes ausgeführt werden. Wir stim-
men in dieser Beziehung durchaus mit einer Ausführung
überein, die Hr. Reg.-Bmstr. L. Dihm in Friedenau im
Anschluss an unsere Ausführungen S. 356 ff. an uns richtete
und welche lautet: „Wer das Glück hat, Schäfer so intim
zu kennen, wie es mir beschieden ist, weiss, dass es auf
der ganzen Welt Niemand giebt, der mit grösserer Ge-
wissenhaftigkeit auf wissenschaftlichem und künstlerischem
Gebiete thätig ist, als er. Stimmungen bei ihm für mög-
lich zu halten, die auf Kosten der Sache zu dem Entschluss
führten: „Eh köpf ab, als von der lehr abstehn“, dagegen
spricht für einen genauen Kenner seiner Persönlichkeit
Alles. Es wäre von Herzen zu wünschen, dass wir recht
viele Männer seiner Art unter uns hätten, denen ihre Be-
thätigung in Kunst und Wissenschaft nicht zur eigenen
Verherruchung dient, sondern die sich ohne Rücksicht
auf ihren eigenen Vortheil ganz und ausschliesslich in den
Dienst dessen stellen, was sie aufgrund tiefen Wissens
und grossen Könnens für Recht erkannt haben.“ Auch
Dihm räth, die Denkschrift Schäfers abzuwarten. „Fällt
diese so aus, dass ein Vorurlheilsfreier Schäfer Recht
geben muss, so wird Hr. Gurhtt hoffentlich nicht zögern,
I zu bekennen, dass er geirrt hat. Er liefe sonst Gefahr,
452
seit einiger Zeit schon io einem Neubau auf der rechten Nilseite.
Wie man sich erinnern wird, war für diesen Neubau ein inter-
nationaler Wettbewerb ausgeschrieben (s. lahrg. 1894 No. 64). —
Einführung des elektrischen Betriebes auf englischen
Eisenbahnen. Die englische Nordost-Eisenbahn-Gesellschaft in
York beabsichtigt, auf einer 37 engl. Meilen langen Strecke bei
Newcastle-on-Tyne anstelle des Dampfbetriebes den elektrischen
Betrieb einzuführen. —
Die Errichtung von Standbildern des Kurfürsten Karl
Ludwig und des Grossherzogs Karl Friedrich auf den beiden
äusseren Plätzen vor dem Schloss in Mannheim soll im Spätjahr
begonnen werden. —
Die Erbauung von Thalsperren an der Schwarzen Neisse
und am Harzdorfer Bache bei Reichenberg in Böhmen ist
durch die Wasser-Genossenschaft zur Regulirung der Wasserläufe
und Erbauung von Thalsperren im Flussgebiete der Görlitzer Neisse
durch Ausschreibung der Arbeiten eingeleitet. —
Die Einweihung des neuen Stadttheaters in Köln a. Rh.
(Architekt Reg.-Bmstr. K. Moritz in Köln), wird am 6. Sept. d. J.
stattfinden. —
Ein Kaiserthurm auf der Alteburg bei Arnstadt wurde
nach den Entwürfen des Architekten Prof. Hugo Hartung in
Dresden errichtet und am 9. August der Oeffentlichkeit übergeben.
Der Thurm erhebt sich zu einer Höhe von 23,5 m. —
Zwischen Vertretern der österreichischen, preussischen
und russischen Wasserbauverwaltung haben kürzlich Verhand-
lungen stattgefunden, welche die Einrichtung eines geregelten Hoch-
wasser-Meldedienstes und die Ausführung von Flussregulirungs-
Arbeiten betraf. Die russische Regierung wirft jetzt Mittel für
diese Zwecke auf der russischen Sti'ecke des Stromlaufes aus. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. M. H. in Halle. Nach unserer Ansicht bedeutet
der Depeschenwechsel zwischen Ihnen und der Direktion der ge-
nannten Fachschule den Abschluss eines Vertrags-Verhältnisses,
kratt dessen Sie am i. Okt. d. J. eine Fachlehrerstelle in St. an-
zutreten gehabt hätten. Nachdem Ihr Antwort-Telegramm vor
dem Abgang des letzten Telegrammes der Direktion bei dieser ein-
getroffen ist, wie Sie belichten, hatte die Direktion nicht mehr das
Recht, Ihnen abzutelegraphiren. Wir würden Ihnen nun Vor-
schlägen, der Direktion mittels eingeschriebenen Briefes den Sach-
verhalt auseinander zu setzen und, falls das wirkungslos bleibt, den
Rechtsweg zu beschreiten. Das weitere wird Ihnen der Rechts-
anwalt schon sagen. —
Anfragen an den Leserkreis.
Giebt es Beizen, welche alten Oelfarbenanstrich auf äusseren
Putzflächen so entfernen, dass die letzteren dann mit dauerhaftem
Kalkfarbenanstrich versehen werden können? — M. K. in Borna.
Inhalt: Das Müller’sche Volksbad in München. — Von der Industrie-
und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902. VI. (Schluss). — Zum Ausbau
der Meissner DomthUrme. — Preisbewerbungen. — Chronik. — Brief-
und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Das Müller'sche Volksbad
in München.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wüh. Greve, Berlin.
dass man auf ihn mit Recht den Spruch wiederholte: „Eh
köpf ab, als von der lehr abstehn.“ Wir wünschen und
hoffen das und dürfen es von der Unbefangenheit Gurlitts
sicher erwarten, schon damit diejenigen nicht Recht be-
halten, die in der Heidelberger und der Meissner Ange-
legenheit nicht mehr sachliche Erörterungen, sondern per-
sönliche Kraftproben erblicken wollen.
Noch ein kurzes Wort. In FI. A. Lier in Dresden
ist Gurlitt ein Gegner erstanden, welcher sich gegen dessen
Broschüre: „Die Westthürme des Meissner Doms“ wendet.
Wir wollen nur den Schlussatz des Aufsatzes anführen,
in welchem Lier sagt: „Es ist ohne weiteres zuzugeben,
dass die von Gurlitt (und auch von uns S. 357. Die Red.)
reproduzirten Löwener Pläne imponirex“d erscheinen; aber
welche Unsummen würde ein Thurmbau nach diesen
Mustern verschlingen, und was würde von dem alten
Meissner Dom übrig bleiben, wenn ein Künstler auf den
Einfall kommen sollte, in Meissen auch nur entfernt Aehn-
liches zu versuchen!“ Nun, von dem „alten Meissner
Dom“ würde voraussichtlich genau dasselbe übrig bleiben,
was heute noch steht und was auch nach Aufsetz'üng 'der
Schäfer’schen Thürme übrig bleiben würde, denn auch
für diese wäre die Erhaltung des architektonischen Be-
standes die Vorbedingung. Dagegen würde der Dom nach
dem eigenen Urtheile des Verfassers eine „imponirende“
Bereicherung gewinnen. Was die Kosten anbelangt, so
würden diese vermuthheh nicht wesentlich höher sein,
wie die Kosten, für die zweithürmige Schaf er’sche Anlage;
gegebenenfalles aber müsste der Dombauverein seine
Sammlungen fortsetzen, wenn sie, was nicht anzunehmen
ist, überhaupt ‘schon eingestellt sind. Wo ein Wille ist,
da ist auch ein Weg. Und'eine ganze künstlerische That
zu th'un, das ist nach allem, was bisher von seiner Thätig-
keit verlautet hat, auch' das Bestreben des Meissner Dom-
bauvereins. Nur über /das ,;Wie“ gehen e'instvjeilen die
Ansichten noch auseinander. — — H. —
No. 70.
AS MÜLLER^SCHE , VOLKSBAD IN
MÜNCHEN * ARCHIT.: PROF. KARL
HOCHEDER-MÜNCHEN * ANSICHT
DER GROSSEN SCHWIMMHALLE *
^DEUTSCHE BAUZEITUNG^
* XXXVI. JAHRGANG 1902 - NO. 70 *
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 71. Berlin, den 3. September 1902.
Das Müller’sche Volksbad in München.
(Fortsetzung.) Hierzu die Abbildungen S. 435.
s möge nun noch eine kurze Be-
schreibung der einzelnen Badc-Ab-
theilungen folgen. Für das Brause-
bad ergab sich die Einrichtung im
Untergeschoss an der Wasserseite
in zweckmässiger Weise dadurch,
dass die hier freiliegenden Unter-
£eschoss-Mauern eine ausreichende
ichtzufuhr bequem ermöglichten.
Den besonderen Eingang zu diesem Bade vermittelt
eine Treppe, die in einer seitlichen Erweiterung der Ein-
gangshalle angeordnet ist und zu einem Warteraum
führt, von dem aus ein besonderer Kassen- und Wäsche-
raum, die schon erwähnten 3 Brausebäder für Frauen,
2 Medizinalbäder, sowie das Männer-Brausebad mit
15 Zellen erreicht werden. Die Brausezellen, die je aus
einer Auskleide- und einer Brause-Abtheilung bestehen,
sind in einer langen Reihe so aufgestellt, dass vorne
ein breiter zürn Warten geeigneter Raum und hinter
ihnen noch ein schmaler Bedienungsgang verbleibt.
Um eine gute Reinhaltung zu ermöglichen, sind die
Brause- Abtheilungen mit Marmorplatten hergestellt
und das Abwasser wird in eine im ßedienungsgang
offen daliegende Rinne geleitet, von welcher es an
entsprechenden Einläufen in den Kanal abfliesst.
Das Schwimmbad für Männer ist eine ge-
räumige, oblonge Halle, die von einem Tonnengewölbe
mit Stichkappen in Rabitzbauweise überspannt ist.
Grosse Fensteröffnungen erhellen den weiss verputzten
Raum in ausreichendem Maasse. Das 12,26“ breite
und 30,60 “ lange Schwimmbecken, dessen Fläche
demnach 3751“ misst, ist an der seichtesten Stelle
0,80“, an der tiefsten 2,50“ tief. Fussboden und
Seitenwände erhielten einen Belag von glasirten Mett-
Die Kunst an der Brennerstrasse.
er in den Tagen vom 8. bis 12. Sept. in Innsbruck
stattfindende kunsthistorische Kongress wird
für zahlreiche Theilnehmer aus dem Norden die
tirolische Residenzstadt am Aufgange zur Brennerstrasse
zum Ausgangspunkte von kunsthistorischen Ausflügen über
die Brennerstrasse und in ihre Seitenthäler hinein ver-
locken, die eine reiche Ausbeute versprechen. Und nach-
dem die Hitze der Sommerlage geflohen und der Herbst
heraufgezogen ist, wird auch das südliche Tirol seine alte
Anziehungskraft bewähren und einen Strom kunstdürstiger
Reisenden über den Brenner zu seinen gesegneten Thälern
ziehen. Ihnen allen wird ein Büchlein willkommen sein,
das zwar nicht mehr neu ist, aber über das zu berichten
wir nicht unterlassen möchten, weil es in handlicher und
übersichtlicher Form dem Wanderer ein trefflicher Be-
gleiter ist. Im Jahre 1898 schon veröffentlichte der Kunst-
historiker Berthold Riehl in München, Professor an der
Universität, das Werkchen: „Die Kunst an der Brenner-
strasse“*), womit im allgemeinen die KunstTirols gemeint ist.
Die Kunst Tirols besitzt einen durch die lebhaften
Wechselbeziehungen zwischen Italien und Deutschland
beeinflussten einheitlichen Charakter, eine Beurtheilung,
die sich in gleicher Weise auf Malerei und Bildhauerei,
wie auf die Architektur erstrecken lässt. Mit diesem in sich
geschlossenen Charakter scheidet sich die Kunst der
Brennerstrasse und ihrer Seitenthäler wahrnehmbar von
der Kunst der Nachbargebiete Schwaben, Bayern, Schweiz
und Oesterreich ab. Nichtsdestoweniger entwickelte sich
die Kunst selbst in nahe bei einander gelegenen Orlen des-
selben Thaies infolge der verschiedenen Lebensverhältnisse
doch wieder durchaus verschieden ; „in Schwaz und Hall, den
Städten der Bergleute, entfaltet sie sich anders, als in der
Residenzstadt Innsbruck, in dem Landstädtchen Sterzing
anders als in der deutschen Bischofsstadt Brixen und der
Handelsstadt Bozen oder gar in der italienischen Bischofs-
stadt Trient“. Aus diesem Grunde erfordert die Kunst in
Tirol vielleicht mehr wie die anderer Landestheile ein sorg-
*> Leipzig, Druck und Verlag von Breilkopf & Härtel. i6 Boeen 8 «
mit loo Abbildungen. 1898. Preis 5 M. —
lacher Plättchen. Die sich unter dem Beckenraum rings
herumziehenden eisernen Geländerstangen, die den
Badenden zum Anhalten dienen sollen, werden von
den Randsteinen des Beckens überragt, so dass die
Gefahr des I längenbleibens mit den Füssen beim Ab-
springen völlig ausgeschlossen ist. Zur Reinhaltung
des Beckens dienen sogenannte Spucklöchcr, die gleich-
zeitig auch den Ueberlauf des Beckens bilden. Die
Einführung des Badewassers in der richtigen Wärme,
sowie die Erhaltung derselben und die Bewegung des
Wassers w’erden durch Pulsometer besorgt. Ausser-
dem findet ein ständiger, langsamer Zu- und Ablauf
des Wassers statt. Zweimal wöchentlich wird das
Becken ganz entleert und frisch gefüllt. Die Ankleide-
zellen sind nach modernen Anforderungen so ange-
legt, dass der Besucher beschuht nur durch einen
äusseren Gang in die Zelle und nur ausgekleidet zum
Schwimmbecken gelangen kann. Auf diese Weise soll
die Verunreinigung des Wassers möglichst lange
verhindert werden. Die Zellen sind in z Geschossen
übereinander, im Erdgeschosse 44 und auf der Gallerie
453
40, an den beiden Langseiten des Bades angeordnet;
sie sind von Holz konstruirt; die äussere Thüre wird
nach Betreten der Zelle durch Niederklappen der Sitz-
bank geschlossen. Ausser den Zellen ist oben noch
ein grosser offener Auskleideplatz mit einer grösseren
Anzahl schmaler Kleiderkästen, die hinter den Sitzen
angeordnet sind, eingerichtet. Unter diesem befindet
sich im Erdgeschoss der Reinigungsraum, der für
Männer und Knaben gesonderte Abtheilungen enthält.
Vor Benutzung des Beckens soll hier jeder Badende
eine Vorreinigung vornehmen und sich der zu diesem
Zwecke angebrachten Brausen und Fusswannen be-
dienen. Den äusseren Zugang nach oben vermittelt
eine einarmige Treppe; von den inneren Gängen des
Obergeschosses, die dicht hinter den gewölbetragenden
Pfeilern liegen, führen zwei innere Treppen zum Bassin
hinab. Aborte und Pissoirs sind von beiden Stock-
werken des Männerbades aus leicht zu erreichen; über-
dies befinden sich Aborte im Bassinraume selbst neben
der grossen Nische an der Stirnseite der Halle und
2 Requisitenräume beim Reinigungsraum.
Das Frauen-Schwimrabad ist als Kuppelraum
mit einfallendem hohen Seitenlicht durchgebildet. Die
Gewölbe sind auch hier aus Rabitz hergestellt. Die
Ausstattung des Frauenbades, die Anordnung der
Zellen, sowie die Art des Zuganges ist die gleiche
oder ganz ähnliche wie beim Männerbade. Im Erd-
geschoss sind 32, im Obergeschoss 36 Zellen nebst
offenen Auskleidepiätzen mit Kleiderkästen wie in der
Männer-Schwimmhalle angeordnet. Unter den letzteren
zu beiden Seiten der inneren Treppe sind im Erdge-
schoss die Vorreinigungsräume nebst i Einzel-Reini-
gungszelle, ferner die Aborte und 1 Vorwärmeraum
angelegt. Die Abmessungen des Beckens sind 10,70
zu 17,60“, wms einen Flächeninhalt von 188 ‘i“ ergiebt.
Die Zellen für die Wannenbäder, deren jede
behufs selbständiger Heizung und Lüftung als voll-
kommen abgeschlossener Raum gebildet ist, erhielten
in Monier-Systera hergestellte, mit Mettlacher Fliesen
ausgekleidete Wannen, die auf ein Drittel in den Fuss-
boden versenkt sind, um das Einsteigen zu erleichtern.
Die Fussböden sind in Eisen und Beton konstruirt und
mit Mettlacher Plättchen belegt. Ebenso erhielten die
Wände in der Umgebung der Wanne eine Fliesen-
Bekleidung bis auf 1,80® Höhe.
Für das Dampf- und römisch-irische Bad
sind in den Auskleide- und Ruheräumen 29 Ruhezellen
eingerichtet. Von hier aus ist durch einen kleinen
Vorraum entweder das Warmluftbad, an das sich das
Heissluftbad anschliesst, oder das Dampfluftbad zu
erreichen. Während die beiden ersteren Räume mehr
ziramerartiges Gepräge tragen, erwies sich für das
Dampfbad, wegen der sich entwickelnden Feuchtigkeit,
eine besondere sorgfältige Ausstattung als erforderlich,
Wände und Gewölbe wurden daher vollständig mit
Fliesen belegt. Das Dampfbad ist so eingerichtet, dass
die Entstehung des für manchen Badegast unange-
nehmen Nebels verhindert ist und zwar durch Ein-
führung von zunächst trockener heisser Luft, die sich
aber an über einer Fontaine herabträufelndem heissem
Wasser sofort mit Feuchtigkeit sättigt. Der am an-
sehnlichsten ausgestattete Raum des römisch-irischen
Bades ist der Douche- und Bassinraum, der von den
an die beiden Bade-Abtheilungen angereihten Massage-
räumen aus betreten wird. In der Mitte desselben
befindet sich das kreisrunde, lauwarme Becken, wäh-
rend in drei umgebenden Nischen die verschiedenen
Douchen und ein Kaltwasserbecken untergebracht sind.
Der Fussböden und die Wände bis auf 4“ Höhe er-
hielten einen Belag von bräunlich-gelben Jurakalkstein-
platten — die an der Wand befindlichen sind polirt,
zu denen zwei Säulen aus dunkelrothem Veroneser
Marmor in schönem Farbenkontrast stehen. Der obere
Theil der Wand wurde mit Stuckmarmor verkleidet.
Der Raum ist von einer Kuppel überwölbt.' —
(Schluss folgt)
faltiges Einzelstudium in Stadt und Land, „denn oft er-
gänzen die Schlösser der Umgegend und die Dorfkirchen
gar wichtig das Bild der künstlerischen Thätigkeit der Stadt,
und wer nicht das abgelegene Herrenhaus mit seiner
hübschen Vertäfelung, die kleine Kirche auf steiler Höhe
mit interessantem, romanischem Portal, die stille Wald-
kapelle mit ein paar gut geschnitzten mittelalterlichen Figu-
ren oder einem anmuthigen Rokokoaltar kennt, der weiss
nicht, wie innig die deutsche Kunst mit dem deutschen
Volksleben verwachsen ist“.
Auf zahlreichen Wanderungen, auf welchen der Künst-
ler ihm gerne. foigen wird, hat Riehl diese Kunst siudirt.
Jeder, der in seinen Spuren geht, wird es ihm nachfühlen
können, wenn er befriedigt ausruft: „Das waren herrliche
Wandertage, in denen durch die grossartige, oft auch wieder
so trauliche Landschaft, durch das gemüthliche Leben und
nicht zum wenigsten durch die so vielfach interessante
Kunst Tirols die ernste Arbeit zu wahrer Freude wurde,
zu frohem Geniessen führte". Das Werkchen theilt sich
in 2 Abschnitte, welche der natürlichen Eintheilung des
Landes entsprechen: in Nord- und in Südtirol. Es be-
trachtet zunächst das Unter-Innthal von Fischbach bis
Schwaz. Der Grabstein Baumgartners in Kufstein lässt
den Verfasser darauf hinweisen, dass das spezifische Feld
der Nordtiroler Kunst die Steinplas'tik nicht ist, da di^se
grössere Mittelpunkte fordert, „wie sie etwa für die be-
deutende Grabsteinplastik Bayerns im 14. Jahrhundert
Regensburg, ferner Salzburg und- die damals wichtigen
Inn- und Salzachstädte, zu Ende des Mittelalters auch
München boten, oder wie wir sie jenseits des Brenners
in Brixen, namentlich aber Trient und Verona treffen“.
Ein Gang durch Rattenberg, führt zur Erörterung der
Besonderheiten des Tiroler Stadthauses, die .auf der Strasse
nach Italien in einer eigenthümlichen Verbindung des
deutschen und des italienischen Hauses liegen. Dieser
Einfluss -findet sich natürlich nicht nur in Tirol, sondern
auch in'üen bayerischen und österreichischen Gegenden,
deren Kunst durch den Verkehr mit' ‘Italien „eigenartig
schattirt wird“. Das städtische Haus' in Tirol bildet seinen
Charakter in innigster Fühlung mit Schloss und Bauern-
haus. jjDas Schloss und das stattliche Herrenhaus, das
vor der Stadt in den Gütern lag, später oft in die Stadt
verlegt wurde, waren es vielmehr in erster Linie, die jene
italienischen Einflüsse aufgriifen, von denen sie auf die
Stadthäuser übergingen, die dann wieder vielfach Einfluss
auf die eigenartige Gestalt des Tiroler Bauernhauses Übten".
Das Tiroler Haus ist ein stattlicher S'teinbau, ganz nach
Laune undBedürfniss gebildet und hierdurch echt 'deutsch.
Es'Hegt-'mit einer breiten Front an der Strasse; sein Dach
steigt nur massig an und ist durch Zinnen, Attiken usw.
meist verdeckt. Das^ewölbte Erdgeschoss dient zu Lä<Jep^
Remisen '.und Vörräthsraumeh. :Gäüge üiid Vorplätze sihd,'‘
je weiter hach.Südpn, urn. s'O; statilichW*' Die ' Zimmer
münden oft auf ^inen grossen Sääl, in dem sich das Haupt-*
leben abspielt. Den Hof umzieht eine offene Bogenstellung;
an den Strassen ziehen unter, dem Huuse me Lauben -
gänge hin. , ” ' ; ' ' '
Ein echt deutscher, Schmuck des tiroler Hauses -ist
der Erker. „Es giebt wohl kaum eine zweite Gegend in
deutschen Landen, die sich so an dem Erker freute, wo
er so volksthümlich war, wie in Deutsch-Tirol. Nicht nur
an den Stadthäusern und in d'en Märkten, sondern auch
am einsamen Bauernhaus finden wir ihn, von den statt-
lichen Häusern mit drei oder gar vier Erkern bis zu den
bescheidensten Versuchen, einem armen Haus den Erker-
schmuck zu geben, indem einfach auf einer Konsole zwei
Fenster schief gegen einander gestellt werden". Der Erker
geht auf das Chörlein der Schloss- und HauskapeUe zu-
rück, wie das Nassauerhaus und der Pfarrhof zu St. Se-
bald in Nürnberg zeigen* Beispiele aus Tirol sind Schloss
Täufers und Schloss Reifenstein. „Dieses Herausschieben
des Chores führten kirchliche Vorschriften herbei, die
über dem Altar die Anlage von Wohnräumen nicht ge-
statten“. Das italienische Haus kennt den Erker nicht.
„Er vor allem trägt deshalb dazu bei, den Tiroler Städten
bis zur Grenze des italienischen Kunstgebietes trotz aller
italienischen Züge doch einen so echt deutschen Charakter
zu wahren, und wenn wir nach dem Ueberschreiten des
Brenners in die Hauptstrasse Sterzings treten, wo fast
jedes Haus sich eines Erkers erfreut, wenn wir in der
Gegend von Brixen und Bozen noch manches stattliche
Bauernhaus mit hübschem Erker sehen, so ist es, als ob
gerade beim Nahen der Grenze sich deutsche Art noch
einmal recht ihrer selbst bewusst würde“.
Wir haben mit dieser auszugsweisen Wiedergabe über
das Tiroler Haus zeigen wollen, wie Riehl seinen Stoff
behandelt und mit wie zutreffenden Wahrnehmungen er
seine Ausführungen zu schmücken weiss. Es bezieht sich
das auf einen einzelnen Zweig, die Baukunst, Malerei und
Bildhauerei aber erfreuen sich einer ähnlichen Behand-
454
No. 71.
Mittheilungen aus Vereinen.
Sächsischer Ingenieur- und Architekten-Verein. Den
Anfang der Besichtigungen, die während des Sommers
anstelle der Wpchenversammlungen die in und um Dresden
wohnenden Mitglieder ab und zu vereinigen, machte am
zuerst das Maschinen-Laboratohum besichtigt, wo die z. Th.
fertige Anlage von 4 Turbinen als erstes betriebsfähiges
Versuchsobjekt vorgeführt wurde. Dazu gehört ein 85 m
langer, etwa 6“ hoher Kanal, der in seinem oberen Geschoss
das von 2 Pumpen gehobene Wasser (i in der Sek.)
zu deren Betrieb liefert; in der unteren Abtheilung fliesst
i?' Juli die Besichtigung eines Theiles der Neubauten, die
z-Zt.für die Technische Hochschule, im Südwesten
der Stadt nahe der Flürgrenze mit Räcknitz gelegen, ausge-
fühit werden. Unter Führung des Hrn. Geh. Hofrath Prof.
Lewicki und des den Bau nach Entwürfen des Hrn. Prof.
Weissbach leitenden Hrn. Landbauinsp. Lang wurde
das Wasser zu den Pumpen, zurück. Auch das im Rohbau
fertige Gebäude für die mechanisch-technische Versuchs--
anstalt wurde besichtigt. Eine Besichtigung der ge-
summten Anlage nach ihrer Fertigstellung blieb Vorbe-
halten; die diesmalige Betheiligung betrug etwa soPersonen.
— Die zweite Besichtigung fand am 6. August statt und
3. September 1902.
455
führte etwa 30 Mitglieder nach dem Glashüttenwerke
Adlerhütte in Deuberi, im Plauenschen Grunde. Einer
der Besitzer, Hr. Sievert, unterzog sich in liebenswürdig-
sterWeise selbst der Mühe des Führens und Erklärens.
Zuerst wurde die Herstellung der auf der Rückseite bunt
gemusterten grossen Glasplatten (Fensterverschlüsse aus
einem Stück u, dergl.) gezeigt. Das bunte Muster besteht
aus verschiedenfarbigem, mit Dextrin auf die papierene
Vbrzeichnung aufgeklebtem gepulvertem Glas; über den
.Papierbogen wird die zähflüssige Glasmasse hinweg ge-
walzt, wobei dieser natürlich verbrennt und das bunte Glas-
muster an die entstehende Glasplatte anschmilzt. Sodann
wurde vor den Anwesenden eine jener grossen gläsernen
Badewannen aus einem Stück erzeugt. Das Verfahren, bei
dem das Einsacken des an den Rändern eingeklemmten
bildsamen Glaskuchens durch das eigene Gewicht, die in
den Hohlkörper eingeführte Pressluft, manuelle Geschick-
lichkeit und untergesetzte Hohlformen gleichmässig zur
Entstehung des enormen Glasgefässes beitragen, lässt sich
in Kürze und ohne Abbildungen nicht beschreiben, aber
es wirkt verblüffend. Die Glaswannen erhalten entweder
auf galvanolytischem Wege einen äusseren Schutzmantel
aus Kupfer (namentlich wegen der Wärmeverhältnisse),
oder einen äusseren Anstrich mit Zoncafarbe, oder auch
nur ein aus Flacheisen bestehendes Schutzgitter; wegen
ihrer unübertrefflichen Reinhaltung haben sie in öffent-
lichen Anstalten schon starke "Verwendung gefunden.
(Preis etwa 150 M.)
Mittels derselben Maschine, auf der die Badewanne
entstand, wurde dann noch ein anderes Hohlgefäss ge-
blasen, ohne bestimmten Zweck, etwa eine Riesenbowle
zu dem bekannten Heine’schen Lied, in Abmessungen, wie
sie für Lungenbläser nach dem alten Verfahren niemals
erreichbar gewesen wären. Leider musste es in Scherben
geschlagen werden, ehe es, ohne die erforderliche sorg-
fältige Abkühlung, in Atome zerstäubte. Endlich führte
Hr. Sievert noch das von ihm erfundene Verfahren vor,
bei dem der Dampf sowohl die menschliche Lunge als
auch die Pressluft ersetzt. Auf einer Unterlage aus
Asbestgewebe, die sehr stark angenässt worden ist, wird
ein Klumpen Glasteig aufgelegt und durch rüttelnde
Bewegungen der Unterlage und Aufdrücken eines Asbest-
deckels möglichst rasch bezw. gleichmässig dick ausge-
breitet. Sodann wird die eiserne Matrize irgend einer
Hohlform darüber gestülpt und das Ganze umgekehrt,
sodass nun der Glaskuchen, der an den Rändern fest-
gehalten wird, über dem Hohlraum liegt. Durch sein
eigenes Gewicht und durch die aus der nassen Unter-
lage entwickelten Wasserdämpfe schmiegt er sich aufs
genaueste der Matrize an und giebt die Hohlformen
als Gefäss wieder; die Luft entweicht natürlich durch
Löcher in der Matrize. Auf diese Weise sahen die Be-
sucher jene bekannten viereckigen Glasbecken entstehen,
die zum Wässern photographischer Bilder gebraucht wer-
den; auch sehr saubere Waschschüsseln entstanden vor
ihren Augen, während sich in dem' Lager, das ihnen ge-
zeigt wurde, noch eine grosse Menge anderer Glasgefässe,
z. B. Futtertröge, Konservenlässer usw. vorfanden. Selbst-
gefertigte Keramo-Platten (aus gesintertem. Glasgrus) hat
Hie Fabrik im eigenen Gebrauch als Fussbodenbelag. Alle
Theilnehraer verliessen die Adlerhütte mit dem Gefühl,
Zeugen wunderbarer Fortschritte auf dem Gebiet der Glas-
industrie gewesen zu sein.' Auf die sonstigen Verbesse-
rungen im Betrieb, z. B. das Zwei-Ofensystem einzugehen,
fühlt sich der Berichterstatter nicht berufen. —
O., Grüner.
Personal-Nachrichten.
Baden. Der Wasser-Bauinsp. Meythaler bei der Ob.-Dir.
des Wasser- u. Strassenbaues ist z. Zentralinsp. ernannt. — Der
Bauing. Hausmann in Donaueschingen ist landeshcrrl. angestellt.
, Der Reg.-Bmstr. R. Sprenger ist gestorben.
Hessen. Der Reg.-Bmstr. Berth aus Bessungen ist z. Bau-
assessor ernannt.
Dem Stadtbmstr. Thiel in Biebrich a. Rh. ist das Ritterkreuz
des herz, nassauischen Militär- und Zivil-Verdienstordens Adolph
von Nassau verliehen.
Preussen. Den Brthn. Elze in Eberswalde, Hildebrandt
In Spandau und Mertins in Potsdam ist der Rothe Adler-Orden
IV. KL, dem Reg.-Bmstr. Hertel in Münster i. W. der kgl. Kronen-
Orden IV. Kl. verliehen.
DieWahl des bish. Wasser-Bauinsp. H.en t ri c h zum besold.
Beigeordneten der Stadt Krefeld ist für die gesetzl. Aratsdauer von
12 Jahren bestätigt.
Dem Gew.-Insp. Böhmer in Oppeln ist der Char. als Gew.
Rath und dem Telegr.-Insp. Tormin in Münster i. W. der Char.
als Eisenb.-Dir. mit dem Range der Räthe IV. Kl. verliehen.
Brief- und Fragekasten.
Anfragen an den Leserkreis.
1. Ist es zweckmässiger, Muffen- oder Flanschenschieber in die
Grundleitungen einzubauen? Legt man besser den Privathaupthahn
unmittelbar hinter die Anbohrschelle, oder in das Trottoir unmittel-
bar vor die Grundstücksgrenze? — M. in C.
2. Welche Beleuchtungsart empfiehlt sich für grosse Landkirchen
in Orten, die eine Gasbeleuchtung nicht haben? —
T. F. K. in Dortmund.
Inhalt: Das Mttller’sche Volksbad ia München. Die Kunst, an der
Brennerstrasse. — Mittheilungen aus Vereinen. — Personal-Nachrichten. —
Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
lung. Nach Rattenberg werden Brixlegg, Strass, Jenbach,
und Schloss Tratzberg betrachtet. Letzteres erscheint be-
merkenswerth vor allem dadurch, dass der Bau „so ge-
schickt die herrliche Lage des Schlosses nutzt, uns da
durch offene Bogen in das schöne Thal sehen läs.st, wo
das Mittelalter durch hohe Mauern den Ausblick verwehrt
hätte“. Es folgen der Markt Schwaz mit seiner merk-
würdigen Kirche, Kloster Volders und die schöne Salinen-
stadt Hall. Innsbruck mit seinen herrlichen Schätzen
nimmt den Raum in der Darstellung ein, der seiner Be-
deutung zukommt und schliesst die Buchhälfte, die sich
mit Nordtirol beschäftigt.,
„Nun aber steigen wir munter zur Passhöhe des
Brenners, zur Wasserscheide zwischen Donau und Etsch
empor, die trotz aller Uebergänge, die gerade an der
Brennerstrasse für den Kunsthistoriker so charakteristisch
sind, doch eine wichtige Grenze bezeichnet“. Der Ab-
stieg berührt zunächst Gossensass und Sterzing, welche
die Mittel für ihre Kunst gleich so vielen Tiroler Orten
aus der Blüthe des Bergbaues zogen. Die Wiederher-
stellung der Pfarrkirche in Sterzing entreisst dem Ver-
fasser einen Schmerzensschrei: „Wo die Bürgerhäuser
von der Geschichte der Stadt und von der manches ein-
zelnen Bürgers berichten, der hier gebaut und sich des
Lebens gefreut hat, bis er hinausgetragen wurde zur Pfarr-
kirche, wo wir noch seinen Grabstein finden, so, aber
noch feiner und bedeutender, würde uns auch die Pfarr-
kirche, in der ja all’ dies Leben wiederklingen soll, von
der Stadt und ihren Bürgern erzählen, wäre sie nicht
1859 restaurirt, d. h. ausgeräumt und in einer jämmer-
lichen Gothik umgestaltet worden. Es ist merkwürdig,
dass man bei solchen Restaurationen, die be-
ständig den historischen und künstlerischen Reiz
unserer Kirchen schädigen, nicht bedenkt, wie
durch das geschmacklose Umgestalten und Ent-
fernen von Kunstwerken aus jener Chronik der
Stadt, welche die Kirche bilden soll, dieBlätter
herausgerissenywerden“. Schloss Reifenstein, eine
436
Stunde südlich von Sterzing, hatte „das seltene Glück,
von einer wohlgemeinten Restauration verschont zu blei-
ben“. Mit Franzensfeste beginnt dann ein neuer Ab-
schnitt der Brennerstrasse. Er bringt Kloster Neustift,
Vahrn und Schalders. Hier begrüssen uns einige Bild-
stöckel, fast immer gute Arbeiten, oft sogar feine Kunst-
werke. „Setzt man sie, was ja zu ihrer Erhaltung manch-
mal leider nöthig ist, in ein Museum, so beraubt man die
Gegend um einen feinen poetischen Zug, und das Bild-
stöckel sieht uns dort fast so traurig an, wie ein Gems-
bpck in einem Zoologischen Garten“.
Ein von Sterzing völlig verschiedenes Bild bietet
Brixen dar; ist ersteres die Stadt des behaghchen, wohl-
habenden Bürgerthumes, so ist Brixen der reiche Bischofs-
sitz; Dom und bischöfliches Palais beherrschen das Stadt-
bild. Auf dem Wege nach Bozen folgt das malerische
Klausen, dann Bozen selbst. Allen diesen Städten „ver-
leihen die verschiedenen Charaktere einen eigenen Reiz,
sowie die Steigerung, die in ihnen liegt, und die fort
schreitende Annäherung an Italien.“ Schloss Runkelstein
ist der vornehmsteSitz mittelalterlicher Monumental- Malerei.
Ueber Kaltem und Neuraarkt .geht dann die Führung nach
Trient; es nähert sich italienisches Gebiet. Die Dorfkirchen
bleiben noch deutsch, aber das deutsche Bauernhaus findet
sich schon seit Bozen nicht mehr. „An seiner Stelle sehen
wir den fest umschlossenen Hof mit den grossen, gemauer-
ten VorrathshaUen, seiner schlechten, dürftigen Einrichtung
des Hauses, reich aber an grossen, zumal offenen Räumen.“
Die Landschaft ist bereits die italienische, in ihr liegt Trient.
Das Reich der italienischen Kunst ist angebrocheri. „Wer
aber die deutsche Kunst kennen lernen wiU, als die Kunst
des deutschen Volkes, in dem Reichthum ihrer Indivi-
dualitäten, in der Mannigfaltigkeit gerade ihrer Lebens-
äusserüngen", der besuche diese schönen Alpenthäler an
der Brennerstrasse und. lasse sich durch das treffliche, mit
warmer persönlicher Antheilnahme geschriebene Werkchen
Riehls führen und belehren. — __ tt
No. 71.
(Nach : R. Kemp
* N2: 72. *
Die XV. Wandelversammlung des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine
zu Augsburg vom 1.— 3. September 1902.
I. Der äussere Verlauf der Versammlung.
eit vor nunmehr 28 Jahren die 1. Wanderver-
sammlung des Verbandes nach seiner 1871 in
Berlin erfolgten Gründung ln München getagt
hat, ist bayerischer Boden bei einer solchen Ge-
legenheit nicht wieder betreten worden. Den
bayerischen Fachgenossen schien es daher an der Zeit, als
in Bremen der Ort^ für die Wanderversaminlung 1902 zu
bestimmen war, die deutschen Fachgenossen zu einem
zweiten Besuche einzuladen und zwar war es die Nachbarin
der Landeshauptstadt, die einst so glänzende freie Reichs-
stadt Augsburg, die sich erbot, der Versammlung deutscher
Architekten und Ingenieure gastlich ihre Thore zu öffnen,
war es die schwäbische Kreisgesellschaft des grossen
bayerischen Architekten- und Ingenieur-Vereins, welche trotz
der verhältnissmässig geringen Zahl ihrer Mitglieder freudig
die Mühen und Opfer übernahm, welche eine solche Ver-
anstaltung in immer gesteigertem Maasse fordert. Gern
folgte man diesem Rufe und so hatte sich denn auch zu
dieser Versammlung eine recht stattliche Anzahl von Facli-
gcnossen aus allen Kreisen Deutschlands, z. Th. begleitet
von ihren Frauen und Töchtern, eingefunden, waren Gäste
aus den befreundeten Vereinen Oesterreichs und der Schweiz
herbeigeeilt, um an den Verhandlungen und festlichen Ver-
anstaltungen theilzunehmen. Für die norddeutschen Fach-
genossen, die den grösseren Theil der Erschienenen aus-
machten, wird dabei neben der Antheilnahme an den Ver-
haüdiungen, neben der Freude an den hervorragenden
Werken der Baukunst aus Augsburgs glänzender Ver-
gangenheit, neben dem Interesse an den ausgedehnten ge-
werblichen Anlagen, welche Augsburg jetzt in die Reihe
der bedeutenden Industriestädte Deutschlands stellt, wohl
auch die Aussicht, bei dieser Gelegenheit einen wenn auch
nur kurzen Einblick in die herrliche Natur des bayerischen
Hochlandes zu gewinnen, bestimmend gewesen sein für die
Theilnahme an dieser Versammlung.
Die offizielle 2. Theilnehmerliste, die aber wahrschein-
lich nicht ganz vollständig sein dürfte, zählt 323 Verbands-
mitghederbezw. Gäste, dazu noch einige 80 Danien. Die Zahl
der Festtheilnehmer dürfte jedoch, bei der rfcen Antheil-
nahme, welche die ganze Bevölkerung den Veranstaltungen
entgegenbrachte, erheblich über 500 betragen haben. Bei
der oben genannten Zahl finden sich 130 Vertreter aus
Bayern, 35 aus Baden und Württemberg. Von den übri-
gen entfallen auf Sachsen 36, auf Berlin 22, auf Hamburg,
Bremen, Lübeck 25^ auf Rheinland-Westfalen u. Eisass 25.
Wie üblich, ging der Wanderversammlung eine Ab-
geordneten-Versammlung am 30. September vorauf, auf
welcher fast die vollzählige Stimmenzahl aller Verbands-
vereine vertreten war, ein erfreuliches Zeichen von dem
Interesse, das den Arbeiten des Verbandes aus den Vereinen
ent^gengebracht wird. Zu den Sitzungen dieser einige
60 Personen zählenden Versammlung war dankenswerther
Weise von der kgl. Regierung der schöne Landrathssaal
JP Regierungsgebäude, einst ein Theil der bischöflichen
Residenz, zur Verfügung gestellt. Ueber das Ergebniss der
Verhandlungen giebt der an anderer Stelle (s. S. 459)
abgedruckte offizielle Sitzungsbericht entsprechende Aus-
Ein gemeinsames Mahl schloss den Sitzungstag ab,
während am Sonntag ein gemeinsamer Ausflug nach dem
schön gelegenen, malerischen und durch mancherlei inter-
essante Bauwerke ausgezeichneten alten Städtchen Lands-
berg am Lech unternommen wurde. Die prunkvolle, aus
der 2. Hälfte des i8. Jahrhunderts stammende Maltheser-
KlfPn^ oiif aI. » E. _ .
Herkulesbrunnea io Augsburg. 2. ttaiite des i8. Jahrhunderts Stammende Maltheser-
, Alt- Augsburg“. Verlag Kanter & Mohr, Berlin.) Kirche auf der Bcrgeshöhe, die soeben einer Restaurirung
4S7
im Inneren unterzogene bemerkenswerthe Stadtpfarr-
kirche, die in ihrer ersten Anlage bis auf 1458 zurückgeht,
das alte Rathhaiis wurden mit Interesse besichtigt.
Das aus der Rokokozeit stammende, mit reicher Stuck-
fassade ausgestattete Gebäude ist im oberen Saale
mit Fresko-Gemälden aus der Geschichte der Stadt
von Ferdinand v.. Piloty und von Schwoiser ge-
schmückt, während der untere Saal in jüngster Zeit
mit Gemälden Hubert Herkomers ausgestattet wor-
den ist, der seine Vaterstadt Landsberg, die er alljähr-
lich besucht, mit Darstellungen von Sitzungen des
Magistrats und des Gemeinde-Kollegiums beschenkt,
sowie das Stadtbild mit einem eigenartigen, dem An-
denken seiner Mutter, gewidmeten Thurmbauwerke be-
reichert hat. Auch 'äeser, zeitweilig dem Künstler
.als Wohnung und Atelier dienende Thurm wurde be-
sichtigt und erregte besondere Aufmerksamkeit,
Am Abend kehrte man rechtzeitig nach Augsburg
zurück, um an dem in üblicher Weise am Vorabend
der Wanderversammlung veranstalteten Begrüssungs-
abend theilnehmen zu können: Dicht gefüllt war der
geräumige, von Hrn. Ob, -Ing. Schempff geschmackvoll
ausgeschmückte Festsaalder Schiessgraben- Gesell-
schaft. Auch die Herren Bürgermeister und Vorsteher
der Gemeinde-Bevollmächtigten hatten sich bereits
zu diesem Abend als Gäste des Augsburger Vereins
eingefunden. Neben Vorträgen einer Musik-Kapelle,
die leider ein lebhafteres Gespräch nur schwer auf-
kommen Hessen, beschränkten sich die Veranstaltungen
des Abends auf einige kurze aber herzliche Begrüssungs-
„worte des Vorsitzenden der schwäbischen Kreisge-
sellschaft, Hrn. Stadt. Ob.-Brth. Steinhäusser in
Augsburg und auf die Vorführung eines lebenden
Bildes. Redner führte aus, dass ihm die Einladung des
Verbandes nach Augsburg, nachdem er die grossartigen
Veranstaltungen in Bremen gesehen habe, fast wie ein
Wagniss erschienen sei und er habe sich fragen müssen.
was Augsburg als bescheidene Provinzialstadt seinen
Gästen bieten könne. Um so mehr freue er sich, dass
doch so Viele herbeigeeilt seien aus allen Theilen
Deutschlands und er hoffe, dass sie, dank dem weit-
gehendsten Entgegenkommen der Stadtgemeinde und
dank der Beihilfe des bayerischen Vereins später auch
zufrieden wieder scheiden würden, wenn sie das Ge-
botene nicht immer mit dem Maasstabe der Grosstadt,
sondern mehr nach der Freudigkeit und Herzlichkeit,
mit der es geboten werde, messen wollten. Sowohl
dieFachgenossen, wie dieBewohner Augsburgs, hiessen
ihre Gäste herzlich willkommen.
Das lebende Bild wurde eingeleitet durch einen
kurzen, von Hrn. Lehrer und Schriftsteller Nagel in
Augsburg verfassten und trefflich vorgetragenenProlog ;
dann öffnete sich der Vorhang und es erschien die
Verkörperung Augsburgs „Augusta“, umgeben von
den Personen, deren Namen unzertrennlich verbunden
sind mit der grossen Vergangenheit, der Glanzzeit der
Stadt, als ihre Kaufleute den Welthandel beherrschten
und Fürstensöhne ihre Bürgerstöchter zum Weibe
nahmen; Konrad Peutinger, Elias Holl, Fugger,
Schertlinv.Burtenb ach, Welser,Philippine Welser,
Erzherzog Ferdinand und andere waren in diesem
Büde vereint.
Den deutschen Architekten und Ingenieuren den
Gruss der Stadt entbietend, trat dann Augusta vor
(Frl. J. Stella vom Kurhaus-Theater in Göggingen), ein
gutes Gelingen der ernsten Arbeit, einen frohen Ver-
lauf des Festes wünschend. Rauschender Beifall be-
lohnte diese von dem Mitgliede des Augsburger Ver-
eins Hrn. Architekt Müllegger-Augsburg geleitete
Szene, die sich vor einem Gesammtbild der Stadt Augs-
burg, gemalt vom Hoftheater-Maler Ammann-Augs-
burg, abspielte, das wir in einer späterenNr. wiedergeben.
Von der Reise ermüdet, begaben sich die meisten
der Gäste an diesem Tage schon frühzeitig zur Ruhe. —
(Fortsetzung folgt.)
Das Müller’sche Volksbad in München.
(Schluss.) Hierzu die Abbildungen auf S. 460, 461 u. 463.
as Volksbad wird mit einer Zentral-Dampf-
heizuDg und Lüftung versehen, für welche,
gleichwie für den gesammten Badebetrieb,
der nöthige Dampf von dem nahen Muffat-
werk bezogen wird, was leicht ermöglicht
werden konnte, da der Hauptbetrieb des .Elektrizitäts-
werkes in den Winter, der des Bades aber in den
Sommer fällt. Die künstliche Beleuchtung des Ge-
bäudes geschieht mittels elektrischen Lichtes. Die
Wasserversorgung des Volksbades verrichtet die städti-
sche Hochdruckleitung sowie eine ältere, eine Zeit lang
aufgegebene Leitung, die sogen. Hofbrunnen-Leitung,
welche etwa go^/Sek. Wasser liefert. Für den Noth-
fall dienen ein gegrabener Brunnen in Zusammenhang
mit denzweiWasserreseryoiren imThurme zur Aushilfe.
Die Zentrale für die Warmw.asser-Versorgung befindet
sich im Untergeschoss. Die Entwässerung der Bade-
anstalt bot keinerlei Schwierigkeiten, da ein städtischer
Abwasserkanal unter dem Bau selbst hindurchführt.
Soweit die technische Schilderung des schönen
Gebäudes nach Anlage und Einrichtung. Es geht
ein grosser, ein monumentaler, ein des edlen Sinnes
des Stifters und der Bedeutung der Stadt München
würdiger Zug durch das Werk. .Das Volksbad reiht
sich durch die hohe Künstlerschaft seines Erbauers
unter die ersten Monumentalbauten der bayerischen
Hauptstadt ein. ,ln seiner Stilfassung verbindet es in
künstlerischer Verschmelzung die Formen heimischer
Bauweise mit frei angewendeten dekorativen Elemen-
ten italienischer Herkunft. Inbezug auf die ökonomische
Verwendung der Architektur- und der Zierformen ist
d.ss Werk ein nachahmenswerthes Vorbild. Es ist
überraschend zu bemerken, wie durch eine wohlbe-
.rechnete Anwendung des künstlerischen Gegensatzes
der über die eigentliche Raumgestaltung hinausgehende
.architektonische Aufwand und der künstlerische
Schmuck auf ein Mindestmaass beschränkt sind, ohne
dass dem Werke an irgend einer Stelle der Charakter
der Entbehrung anhaftete. Nicht zum geringsten auch
in diesem zurückhaltenden Abwägen bekundet sich
die hohe Meisterschaft seines Urhebers.
Die Bauausführung fiel zumtheil in eine Zeit, in.
welcher PIr. Prof. Hocheder durch seine Berufung an
die Technische Hochschule nicht mehr dem Stadtbau-
amte in München angehörte; man hat es aber für
selbstverständlich gehalten, die künstlerische Ober-
leitung in seiner bewährten Hand zu lassen, während
die amtliche Oberleitung durch den Vorstand des
Stadtbauamtes, Hrn. Ob.-Brth. A. Schwiening und
durch Hrn. Brth. R. Rehlen ausgeübt wurde. Die
Bauleitung an Ort und Stelle war Hrn. Ob. -Ing.
G. Rottmann anvertraut. Der Leiter der technischen
Einrichtungen des Gebäudes war FIr. Ing. J. S c hn eid er,
während die elektrischen Anlagen durch das städt.
Beleuchtungsamt geleitet wurden.
Die Erd- und Maurerarbeiten wurden durch Gehr.
Grassel & Krauss (Max Krauss), die Betonirung
der Wannenkörper durch Edwards & Hummel aus-
geführt. Die Steinmetzarbeiten waren an die Firmen
Zwisler & Baumeister, Granitwerk Blauberg
und Gebr. Pfister, die Zimmerarbeiten an L. Ehren-
gut und M. Weiss übertragen. Die Kupferschmied-
und die Blitzableiter- Arbeiten besorgten Fr. Krasser ’s
Nachfolger und Th. Holländer; die Eisenkonstruktion
das Eisenwerk München. Die Eisenlieferung und
die Erstellung der eisernen Dachstühle hatte F. S.
Kustermann übernommen. In die Schreinerarbeiten
theilten sich J. Hartmann, M. Weiss, PI. Eybl
und P. Pietsch; in die gewöhnlichen Schlosserarbeiten
Jos. Blab und Fr. Blab; in die Kunstschlosser-Arbeiten
D. Bussmann und R. Kirsch; in die übrigen Metail-
arbeiten Steinicken & Lohr, Ad. Roth und Heck
&Sohn. Die Glaserarbeiten waren an M. Waiger-
No. 72.
leitner und L. Möller, die Maler- und Anstreicher-
Arbeiten an E. Consee, R. Reents, M. Lang und
O. Embacher, die Tapezierer-Arbeiten an H. Koller,
CI. Pschorr, J. Joanni, L. Hauslohner und J. Bino
übertragen. Die Stofflieferung hatten C. M. Rosipal
und Roman Mayr, die Lieferung der Plattenbeläge
des Bodens M. Niggl und Zwisler & Baumeister,
die Lieferung der Wandbeläge und der Wannenver-
kleidung K. Hausmann (L. Aufschläger’s Nachfolger).
Monier- und Rabitzgewölbe führten M. Steinmetz &
Sohn aus. Die badetechnischen Einrichtungen wur-
den durch Fr. Mieddelmann & Sohn in Barmen,
die Wäscherei-Einrichtung durch E. Martin in Duis-
burg erstellt. Die Entwässerung legte Joh. Gedon
an, während die elektrischen Anlagen die Allgemeine
Elektrizitäts - Gesellschaft und A. Neumüller
machten. Die elektrischen Uhren lieferte F. Mann-
hardt {Inh. Hartmann). — Bei der dekorativen Aus-
schmückung des Gebäudes waren betheiligt Dekorations-
maler M. F enk und die Firmen für plastischen Schmuck
Maile & Blersch und Fischer's Wwe. In künstle-
rischer Beziehung standen dem Architekten zurseite
die Hrn. Bildh. Prof. J. Flossmann, Prof. E. Pfeifer,
Prof. H. Hahn, Jos. Rauch und L. Gamp;
Ira Mai 1901 erfolgte unter Anwesenheit der
Spitzen der Behörden und des 80jährigen Stifters die
feierliche Uebergabe des Baues, an welche sich eine
auf mehrere Tage ausgedehnte Besichtigung durch
das Publikum anschloss und nach welcher der Betrieb
des Bades seinen eigentlichen Anfang nahm.
Die Kosten des Baues haben etwa i 650 000 M.
betragen, eine bescheidene Summe im Vergleich zur
Grösse des Gebäudes und seinen hervorragenden bade-
technischen Einrichtungen. —
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine.
Sitzungsbericht der XXXI. Abgeordneten-Versammlung in Augsburg vom 30. August 1902.
(Vergleiche die Tagesordnuog in No. 52, Seite 330.)
ii'g^ ie XXXI. Abgeordneten-Versammlung des Verbandes
tioJ wurde im Landrathssaale des kgl. Regierungs -Ge-
bäudes am 30. August 1902, Vormittags 9V4 Uhr, durch
den Verbands -Vorsitzenden mit einer kurzen Ansprache
eröffnet, in welcher er zunächst der Freude Ausdruck
gab, den „Verein der Architekten und Bauingenieure zu
Dortmund“ als ein neues Mitglied des Verbandes begrüssen
zu können, andererseits aber derer gedachte, welche der
Verband im verflossenen Jahre aus der Zahl seiner Mit-
glieder durch den Tod verloren hat; die Versammlung
ehrt deren Andenken durch Erheben von den Sitzen.
Durch Aufruf wird sodann die Anwesenheit von
63 Abgeordneten mit zusammen 100 Stimmen festgestellt.
Der Vorstand ist vollzählig vertreten durch den Vorsitzen-
den Hrn. Geh. Brth. Waldow, Dresden, vortrag. Rath im
sächs. Finanz-Ministerium, den 2. Vorsitzenden Hrn. Geh.
Brth. Prof. Bubendey, Berlin, die Beisitzer Hrn. Prof.
Frhr. v. Schmidt, München, und Hrn. Arch. b^eher,
Frankfurt a. M., den Vertreter des Augsburger Vereins,
Hrn. Stadt. Ob.-Brth. Stein h äuss er, Augsburg, und schliess-
lich durch den Geschäftsführer Hrn. Reg.-Bmstr. Eiselen,
Berlin, zusammen also mit 6 Stimmen.
Es sind ferner vertreten die Vereine in folgender Weise:
1. Architekten-Verein zu Berlin mit 20 Stimmen durch
die Hrn.: M. Boettcher, Reg.- und Brth., Bürckner,
Brth., Gramer, Brth., Knoblauch, Bmstr., Fr.Körte,
Reg.-Bmstr., Laun er, Geh. Brth., Sarrazin, Geh. Ob.-
Brth,, Schulze, Geh. Brth., Solf, Prof., Walle, Prof.
2. Württembergischer Verein für Baukunde zu Stuttgart
mit 4 Stimmen durch die Hrn.: E. Mayer, Stadtbrth.,
Zügel, Brth.
3. Sächsischer Ingenieur- und Architekten-Verein zuDres-
den mit 6 Stimmen durch die Hrn.: Andrae, Ob.-
Brth., Poppe, Geh. Brth., Rachel, Finanz- u. Brth.
4. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Hannover mit
6 Stimmen durch die Hrn.: Unger, Brth., Nessenius,
Landesbrth, Lammers, Stadtbauinsp.
5. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Hamburg mit
6 Stimmen durch die Hrn.: Zimmermann, Baudir.,
C. O. Gleim, Ing., H. Olshausen, Bauinsp.
6. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Cassel mit i
Stimme durch Hrn.; Woernhoff, Ing.
7. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Lübeck mit i
Stimme durch Hrn.: Schürer,Wasserbau-Masch.-Mstr.
8. Schleswig-Holsteinischer Architekten- und Ingenieur-
Verein zu Kiel mit i Stimme durch Hrn.: Radloff.
Kreis-Bauinsp.
9. Bayerischer Architekten- und Ingenieur-Verein zu
München mit 10 Stimmen durch die Hrn.: K. Lutz,
Gen.-Direkiions-Rth., Ebert, Reg.-Rth., Hecht, Arch ,
Gemeinde-Bevollmächtigter, Littmann, Prof., Miller,
Prof., Ing.
10. Badischer Architekten- und Ingenieur-Verein zu Karls-
ruhe mit 4 Stimmen durch die Hrn.: Lang, Ob.-
Bauinsp., Nestle, Prof., Reg.-Bmstr.
11. Ostpreussischer Architekten- und Ingenieur-Verein zu
Königsberg i. Pr. mit 2 Stimmen durch Hrn.: Grosse,
Eisenb.-Dir.
12. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Frankfurt a. M.
mit 2 Stimmen durch Hrn.: R. Schmick, Ob.-Brth.
13. Westpreussischer Architekten- und Ingenieur- Verein
zu Danzig mit 2 Stimmen durch Hrn.: Lehmbeck,
Reg.- u. Brth.
6. September 1902.
14. Architekten- und Ingenieur- Verein für Eisass -Loth-
ringen zu Strassburg i. Eis. mit 2 Stimmen durch Hrn. :
Bettcher, Post-Brth.
15. Mittelrheinischer Architekten- und Ingenieur-Verein
zu Darmstadt mit 4 Stimmen durch die Hrn.:
V. Weltzien, Geh. Ob.-Brth., v. Willmann, Prof.
16. Architekten-Verein zu Dresden mit 2 Stimmen durch
Hrn.: Seitler, Prof.
17. Architekten- und Ingenieur- Verein für Niederrhein und
Westfalen zu Köln mit 4 Stimmen durch die Hrn.:
Stübben, Geh. Brth., Kaaf, Arch. (In Vertretung
für Hrn. Kaaf zeitweilig Hr. Schott, Ing.)
18. Verein Leipziger Architekten zu Leipzig mit i Stimme
durch Hrn.: Bruno Eelbo, Brth.
19. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Magdeburg mit
2 Stimmen durch Hrn.: Beer, Brth,, Stadtbauinsp.
20. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Bremen mit
2 St. durch die Hrn.: Bücking, Brth., Gräpel, Brth.
21. Architekten-, und .Ingenieur-Verein zu Aachen mit
I Stimme durch Hrn.: Sieben, Reg.-Bmstr.
22. Polytechnischer Verein zu Metz mit i Stimme durch
Hrn.: Heidegger, Geh. Brth.
23. Architekten- und Ingenieur-Verein Mannheim-Ludwigs-
hafen zu Mannheim mit i Stimme durch Hrn.: Hauser
Stadtbauinsp.
24. Mecklenburgischer Architekten- und Ingenieur- Verein
zu Schwerin i. M. mit 1 Stimme durch Hrn.: Wohl-
brück, Postbrth.
25. Vereinigung Berliner Architekten zu Berlin mit. 2 St.
durch die Hrn. : v. d. H ud e , Geh. Brth., Herzberg, Brth.
26. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Düsseldorf mit
I Stimme durch Hrn.: Korn, Arch.
27. Bromberger Architekten- und Ingenieur-Verein mit
I Stimme durch Hrn.: Voss, Reg.- u. Brth.
28. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Münster i. W.
mit I Stimme durch firn.: Friedrichsen, Eisenb.-Dir.
29. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Potsdam mit
I Stimme durch Hrn.: Wever, Brth.
30. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Stettin mit
I Stimme durch Hrn.: Heinrich, Geh. Brth.
3t. Verein der Architekten und Bauingenieure zu Dort-
mund mit 1 Stimme durch Hrn.: Marx, Brth.
Nicht vertreten waren folgende Vereine :
1. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Osnabrück,
2. Architekten- und Ingenieur -Verein zu Breslau,
3. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Oldenburg,
4. Architekten- und Ingenieur -Verein für das Herzog-
thum Braunschweig zu Braunschweig,
5. Technischer Verein zu Görlitz,
6. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Posen,
7. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Erfurt,
Es wird nunmehr in die Verhandlungen eingetreten.
I. Geschäftlicher Theil.
Um die Verhandlungen abzukürzen, werden nach dem
Geschäftsbericht die einzelnen Punkte der Tagesordnung
durch den Geschäftsführer aufgerufen und soweit noch
erforderlich durch ihn erläutert. Falls sich kein Ab-
geordneter zum Wort meldet, wird sofort zum nächsten
Punkt übergegangen.
Zu I der Tagesordnung: Vorlage des Geschäfts-
berichtes. Die Herren Abgeordneten werden nochmals
459
ausdrücklich gebeten, in ihren Vereinen darauf hinzu- um Unterstützung, falls sich bei der Jury- Bildung noch
wirken, dass die Geschäftsstelle des Verbandes möglichst Schwierigkeiten ergeben sollten. Hr. Korn sagt zu, dass
umgehend von dem Ableben hervorragender Mitglieder der Düsseldorfer Verein in dieser Frage die Interessen
der Einzelvereine in Kenntniss gesetzt wird. der Architekten mit Nachdruck wahrnenmen werde.
Zu 2 der Tagesordnung: Vorlage der Abrech- Zu ii der Tagesordnung: Neuauflage des deutschen
nungfürigoi. Hr. Grosse erstattet namens des in Königs- Normalprofilbuches für Walzeisen. Die Versammlung er-
berg i. Pr. gewählten Ausschusses Bericht über die Rech- klärt sich mit den Vorschlägen des Vorstandes einver-
nungslegung. Anstände von wesentlicher Bedeutung haben standen, namentlich auch damit, dass bei der Bearbeitung
sich nicht gefunden. Es wird dem Vorstande Entlastung der neuen, in 2 Hefte zu trennenden Auflage (Heft 1.
ertheilt. Als Rechnungsp
für 1902 werden gewählt: der
Bayerische Arch.- u. Ing.- Verein,
der Magdeburger Aren.- u. Ing.-
Verein und der Sächs. Ing.- u.
Arch.-Verein.
Zu 3 der Tagesordnung:
Vorlage des Voranschlages für
1902. Der mit 11500M. in der
Ausgabe abschliessende Voran-
schlag wird angenommen.
Zu 4 der Tagesordnung:
Wahl des Ortes für die Abge-
ordneten - Versammlung 1903.
Auf Vorschlag der sächs. Ver-
treter wird die Stadt Meissen
gewählt.
Zu 5 der Tagesordnung:
Wahl des Ortes der Wander-
versammlung 1904. Hr. Korn
läd namens des Düsseldorfer
Vereins nach der Stadt Düssel-
dorf ein. Dieser Vorschlag wird
angenommen. Hr. Lang bittet
namens des badischen Vereins,
schon jetzt für 1906 die Stadt
Mannheim in Aussicht nehmen
zu wollen.
Zu 6 der Tagesordnung;
Wahl zweier Vorstands-Mitglie-
der für die Jahre 1903 und 1904.
Die Hrn. Bubendey und
v. Schmidt, welche satzungs-
gemäss wieder wählbar sind,
werden durch Zuruf auf wei-
tere 2 Jahre als Mitglieder des
Vorstandes bestätigt.
Zu 7 der Tagesordnung:
Denkschrift über die Stellung
der höheren städtischen Bau-
beamten.
In Ergänzung des im Ge-
schäfts • Bericht abgedruckten
Schriftwechsels macht der Ge-
schäftsführer Mittheilung von
den Schreiben, welche in die-
ser Sache noch an das General-
sekretariat des bayerischenMini-
steriums des Inneren, sowie an
die Städte München, Nürnberg,
Augsburg, Würzburg, Regens-
burg versandt worden sind.
Zu 8 der Tagesordnung:
Bericht über den Fortgang des
Werkes „Das Bauernhaus im
deutschen Reiche und in seinen
Grenzgebieten". Es wird darauf
aufmerksam gemacht, dass die
VI. und VII. Lieferung des deut-
schen Werkes, sowie die beiden
ersten Lieferungen des öster-
reichischen und des schweize-
rischen Werkes ausliegen. Zum
Titelblatt-Wettbewerb sind 10
deutsche Arbeiten eingegangen,
die derBeurtheilung des Bauern-
haus - Ausschusses unterliegen.
Die Hrn. Abgeordneten wer-
den ersucht, noch weiterhin
in ihren Vereinen auf einen
mögÜchst regen Bezug der 3 Werke hinzuwirken.
Zu 9 der Tagesordnung: Bericht über die Thätig-
keit des Ausschusses zur Wahrnehmung der Wettbewerbs-
Grundsätze. Die Versammlung nimmt Kenntniss von den
Mittheilungen.
Zu IO der Tagesordnung: Bericht über die Be-
theiligung des Verbandes an der mit der Industrie- und
Kunstausstellung 1902 in Düsseldorf verbundenen Archi-
tektur-Ausstellung. Auch hiervon nimmt die Versamm-
lung Kenntniss. Hr. Kaaf bittet den Verbands-Vorstand
Ansicht aus dem Vömisch-irischen Bad.
Ansicht des Frauen-Schw’irnmbades.
Das Müller’sche Volksbad in München. Architekt: Prof. Karl Hocheder in Manchen.
Walzeisen für Bauzwecke, Heft If. desgl. für Schiffbau-
zwecke) dem Schiffbau gleiche Vertretung und gleiche
Rechte gewährt werden, wie den bisher betheiligten 3
Vereinigungen.
ZuiaderTagesordnung: Genehmigung des mit dem
Verein deutscher Ingenieure und dem Verein deutscher
Eisenhüttenleute getroffenen Abkommens über die gemein-
same Herausgabe eines Musterbuches für den Feuerschutz
von Eisenkonstruktionen. Die Versammlung billigt die
bisher vom Vorstande unternommenen Schritte, ermächtigt
No. 72.
denselben, den Vertrag mit dem Verfasser des Werkes
zu vollziehen und bewilligt die Mittel in der beantragten
Höhe und Art der Verrechnung.
Zu 13 der Tagesordnung: Theilnahme des Ver-
bands-Geschäftsführers an den Sitzungen der Verbands-
Ausschüsse. Die Versammlung stimmt dem Vorschläge
des Vorstandes zu. Der Geschäftsführer hat demnach das
Recht, allen Ausschüssen anzugehören; er besitzt in den-
selben berathende Stimme in allen Fragen und volles
Stimmrecht in rein finanziellen Fragen.
Zu 14 der Tagesordnung: Abschluss gemeinschaft-
licher Versicherungsanträge für die Verbands-Mitglieder.
Die Versammlung hält es nicht für Aufgabe des Verbandes,
Zu 16 der Tagesordnung: Antrag des Bayerischen
Architekten- und Ingenieur-Vereins, das „Haus des Bau-
meisters“ in Rothenburg 0. T. durch den Verband zu er-
werben. Der Antrag ist kurz vor der Versammlung durch
Schreiben des Vorstandes des bayerischen Vereines zu-
rückgezogen worden , mit Rücksicht auf Schwierigkeiten,
welche sich nachträglich hinsichtlich der Beschaffung der
bedeutenden Mittel für die erstmalige Wiederherstellung
des Hauses ergeben haben.
II. Technisch-wissenschaftlicher Thell.
Zu 17 der Tagesordnung: Bericht über die Aus-
führung der auf der Abgeordneten-Versammlung in Königs-
Das Müller’sche Volksbad in München. Ansicht des Haupt-Einganges. — Architekt: Prof. Karl Hocheder in Mönchen.
sondern für Sache der Einzel-Vereine, derartige Verträge
abzuschliessen.
Zu 15 der Tagesordnung: Antrag des Mittelrheini-
schen Arch.- u. Ing.-Vereins auf eine Umgestaltung des
Verbands -Verzeichnisses. Die Versammlung hält den
Vorschlag an sich für zweckmässig, es bedarf jedoch zu-
vor einer sehr sorgfältigen Ermittelung der Kosten für
diese Umgestaltung und hinsichtlich der Art der Aufbrin-
gung dieser Kosten. Der Vorstand wird beauftragt, die nöthi-
gen Ermittelungen anzustellen und der nächsten Abgeord-
neten-Versaramlung eine entsprechendeVorlage zu machen.
6. September 1902.
berg gefassten Beschlüsse durch den Verbandsvorstand:
a) Antrag auf Einstellung ständiger Mittel für die
Denkmalpflege in den Reichshaushalt, zunächst für die
Erhaltung des Strassburger Münsters. Es liegt hierzu ein
Antrag des Berliner Architekten- Vereins vor, den Hr.
Solf vertritt. Da jedoch Hr. Bettcher mittheilt, dass in
Strassburg sich infolge des Vorgehens des Verbandes jetzt
ein Münster- Verein gebildet habe, welchem die
rnaassgebenden Persönlichkeiten angehören, und dass es
nicht zweckmässig sei den vorliegenden Antrag zurzeit
einzubringen, wird der Vorstand beauftragt, sofort unter
461
Zuziehung einiger der Redner eine Resolution aufzustellen.
Diese wird in der Nachmittags-Sitzung in folgender Fassung
angenommen:
„Die Abgeordneten - Versammlung des Verbandes
•deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine hat von der
ablehnenden Haltung des Deutschen Reichstages zu seiner,
die Einstellung von Mitteln für Denkmalpflege — zunächst
zugunsten des Strassburger Münsters — betreffenden Ein-
gabe mit Bedauern Kenntniss genommen und hält es nach
wie vor für eine Pflicht des Verbandes, für den Schutz
deutscher Baudenkmale einzutreten. Sie ermächtigt des-
halb den Vorstand, unter sachlicher Widerlegung der von
dem Ec richterstatter der Budget-Kommission in der Reichs-
tags-Si'-Zung vom 6. Febr. 1Q02 vorgebrachten Bedenken,
den Antrag vom 22. Jan. d. J. zu geeigneter Zeit in er-
neuter P'assung nochmals einzugeben.
Die Abgeordneten- Versammlung spricht ferner ihre
besondere Genugthuung über die Gründung des „Strass-
burger Münster-Vereins'* aus und versichert' ihn
ihrer Unterstützung.'*
b) Kundgebung des Verbandes in Sachen der Doktor-
Promoiionsfrage.
Es liegt ein Antrag des Berliner Architekten-Vereins
vor, zu welchem dieHrn.Walld, Stübben undBubendey
das Wort ergreifen. Der Antrag wird sodann in folgender,
etwas abgeänderter Form einstimmig angenommen:
Die 31. Abgeordneten-Versammlung des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine zu Augsburg
beschiiesst:
Es wird Sache des Verbands-Vorstandes sein, erneut
dahin zu wirken, dass;
1. die staatlich geprüften Architekten und Ingenieure
hinsichtlich der Zulassung zur Prüfung des Doktor-Inge-
nieurs mit den Diplom-Ingenieuren der technischen Hoch-
schulen vollkommen gleichgestellt,
2. überall da, wo Vorschriften hierüber noch fehlen,
im Interesse des gesummten höheren Baufaches schleunigst
Uebergangs-Bestimmungen erlassen werden,
3. die einheitliche Regelung dieser wichtigen Frage
an allen deutschen Hochschulen angestrebt werde.
c) Kundgebung des Verbandes in Sachen eines neuen
Urheberrechtes an. Werken der bildenden Kunst. Die
Versammlung erklärt sich mit dem Vorgehen des Vor-
standes einverstanden. Hr. Wall6 lenkt die Aufmerk-
' samkeit noch auf den augenblicklich vorliegenden Gesetz-
Entwurf betr. den Schutz von Photographien usw.
Zu 18 der Tagesordnung: Antrag des Vorstandes
auf Nachprüfung der „Normalien für Hausentwässerungs-
Leitungen“ mit Rücksicht auf Schwierigkeiten, welche sich
der Einführung derselben entgegengestellt haben. Erledi-
gung damit zusammenhängender Fragen.
Der Geschäftsführer ergänzt zunächst die Mittheilungen
des Geschäftsberichtes durch eine schriftliche Aeusserung
des Hrn. Brth. Bindley in Frankfurt a. M. und des Hrn.
Ob.-Brth. Niedermayer in München.
An der Besprechung betheiligen sich die Hrn.: Schott,
Ilerzberg, Stubben. Letzterer betont ausdrücklich,
dass sich der Verband und besonders der frühere Aus-
schuss zweifellos durch die Aufstellung der Normalien ein
Verdienst erworben habe, giebt jedoch zu, dass der Ver-
band sich einer „Prüfung der erhobenen Bedenken“ nicht
entziehen könne.
Die Versammlung verkennt nicht die Schwierigkeiten,
welche nach verschiedenen Seiten hin aus der noch-
maligen Berathung dieser Frage, welche den Verein so
lange beschäftigt hat, eswachsen werden, hält es aber
doch für Pflicht des Verbandes, zur nochmaligen Be-
rathung einen Ausschuss zu wählen, der aus den 5 Hrn.:
Bindley, Frankfurt a. M,, Herzberg, Berlin, Schott,
Köln a. Rh., Richter, Hamburg, Schmick" Frankfurt
a. M. (Darmstadt) bestehen wird.
Der Ausschuss wird beauftragt, mit thunlichster Be-
schleunigung unter Zuziehung aller infrage kommenden
Interessenten, die erhobenen Bedenken gegen die Nor-
malien zu prüfen und der nächsten Abgeordneten-Ver-
sammlung soweit möglich schon eine entsprechende Vor-
lage zu machen.
Die Sitzung wird von 12V2— 3 Uhr unterbrochen. Zu
Beginn der Nachmittags-Sitzung wird der Sitzungsbericht
der Vormittags-Verhandlungen durch den Geschäftsführer
verlesen und durch die Versammlung angenommen.
Es kommt sodann die Resolution zu Punkt 17 a. zur
Verlesung und Annahme.
Die Verhandlungen werden darauf bei Punkt 18
wieder aufgenommen.
Der gewählte Ausschuss wird in der Voraussetzung,
dass es zu einer befriedigenden Lösung in dieser Frage
kommen wird, sogleich mit der weiteren Bearbeitung der
462
ganzen Sache, d. h. auch mit Theil IL, „Verlegungs-Ar-
beiten“, betraut.
Von dem Abkommen des Vorstandes mit Hrn. Bin dley
wird Kenntniss genommen.
Zu 19 der Tagesordnung: Bericht über die Thätig-
keit der Ausschüsse bei der Ausführung der in Königs-
berg durch die Abgeordneten ■ Versammlung gefassten
Beschlüsse.
a) Aufstellung von Grundsätzen für Bauordnungen.
b) Zivilrechtliche Haftbarkeit der Architekten und
Ingenieure.
c) Gebühren der Architekten und Ingenieure als ge-
richtliche Sachverständige.
Da sämmtliche Anträge seinerzeit von Hannover ge-
stellt wurden, erhält zunächst Hr. Unger das Wort zur
Berichterstattung. Er beginnt mit der am meisten geför-
derten Frage c, zu welcher ein reiches Material aus
den Einzelvereinen vorliegt. Auch seitens des Vereins
deutscher Ingenieure sind bereits Schritte in dieser Sache
gethan. An der Besprechung betheiligen sich namentlich
die Hrn. Schmick, Hecht, Herzberg, Wever, Unger.
Es wird folgender Beschluss gefasst:
1. Es soll in dieser Frage ein gemeinsames Zusammen-
gehen mit dem Verein deutscher Ingenieure angestrebt
werden. Zu diesem Zwecke wird die Bildung eines ge-
meinsamen Ausschusses von je 3 Mitgliedern vorgeschlagen.
2, Seitens des Vorstandes werden für diesen Ausschuss
gewählt die Hrn. Unger, Hecht, Hagn.
Zu 19b. theik Hr. Zimm’ermann, als Vorsitzender
des Ausschusses mit, dass dessen Arbeiten bisher noch
nicht abgeschlossen seien. Er wird an den Vorstand be-
richten, ob die Einholung eines juristischen Gutachtens
noch erwünscht erscheint. Der Geschäftsführer macht dar-
auf aufmerksam, dass gegebenenfalls Mittel zu diesem
Zwecke in Titel V. des Voranschlages für 1903 vorhan-
den sind.
Zu 19a. berichtet Hr. Unger auch namens des badi-
schen Vereins, dass die Frage als eine solche erscheint,
die sich zur Bearbeitung im Verbände zurzeit nicht em-
pfiehlt. Es wird daher beschlossen, sie bis auf Weiteres
vom Arbeitspläne abzusetzen.
Zu 20 der Tagesordnung: Neue Anträge aus den
Vereinen.
Antrag des Vereins der Architekten und Bauingenieure
zu Dortmund, betr. die Aufstellung eines Werkvertrages
zwischen Bauherrn und Architekt nebst allgemeinen Be-
dingungen unter Berücksichtigung des bürgerlichen Ge-
setzbuches.
Der Vertreter des Vereins in Dortmund, Hr. Marx,
bittet die Sache einem Ausschüsse zu überweisen.
Da die Frage noch nicht genug geklärt erscheint,
macht der PIr. Vorsitzende dagegen den Vorschlag, es möge
der Dortmunder Verein erst noch weiter Material sammeln
und dann gegebenenfalls den Antrag aufs Neue stellen. Der
Antrag wird von dem Dortmunder Vertreter daher vor-
läufig zurückgezogen.
Zu 21 der Tagesordnung: Anträge der Ver-
sammlung, die nicht auf der Tagesordnung stehen.
Hr. Sieben-Aachen stellt namens seines Vereins den
Antrag, einen Ausschuss zur Aufstellung einheitlicher Be-
stimmungen zur Berechnung und Ausführung von Beton-
eisen-Konstruktionen zu bilden bezw. den antragstellenden
Verein mit einer die Vorfragen erledigenden Vorlage für
die nächste Abgeordneten-Versammlung zu betrauen. Hr.
Stübben stimmt dem 2. Theile durchaus zu, hält da-
gegen die Bildung eines Ausschusses für verfrüht. Der
Aachener Verein wird beauftragt, eine vorbereitende Vor-
lage zu machen.
Hiermit sind die Verhandlungen erledigt. Auf An-
regung des Vorsitzenden beschiiesst die Versammlung,
dass der Rest des Sitzungsberichtes durch den Vorstand
und einige Herren der Versammlung genehmigt werden soll.
Beauftragt werden hiermit die Hrn. Solf, Nessenius,
Hecht, Sieben.
Mit einem Dank an den Hrn. Regierungs-Präsidenten
für Ueberlassung des schönen Verhandlungs-Saales, sowie
an die Schriftführer für die schnelle Erledigung des
Sitzungsberichtes schliesst der Vorsitzende die Versamm-
lung um 5V4 Uhr Nachmittags, worauf PIr. Lutz namens
der Abgeordneten dem Vorsitzenden den Dank für die
Leitung der Geschäfte ausspricht. —
Augsburg, den 30. August 1902.
Der Geschäftsführer; , Die Schriftführer:
F. Eiselen. Kirchbauer. Schnell.
Genehmigt Augsburg, den 30. August 1902.
Waldow. Bubendey.- v. Schmidt. L. Neher.
Hecht. Nessenius. Sieben. Solf.
No. 72.
Vermischtes.
Landwlrthschaftllches Bauwesen ln Bayern. Auf der
Ende August in Mühldorf abgehaltenen Kreisversamm-
lutig des „Landwirthschafilichen Vereins von Oberbayern“
sprach Hr. Prof. Jummersbach aus München über land-
wirthschaftliches Bauwesen, namentlich die Bauart der
Mehrzahl der bäuerlichen Stallhaltungen in ihrer meist
übermässigen Raumausdehnung, bei deren Erstellung man
fort und fort einer alten Gewohnheit zu folgen scheine,
.und empfahl kleinere Stallungen mit getrennten Feldstädeln
zur Futter-Aufbewahrung, trat für Schaffung geeigneter
Futtertransportmittel und Wasserzufuhr ein und empfahl,
man möge von Fall zu Fall prüfen, ob die bisher geübte
Bauweise praktisch sei und in welcher Weise zweck-
mässige Verbesserungen erreicht werden könnten.
In der folgenden Besprechung beklagte Graf Spretie
(Weilbach) die nachlässige Bauweise auf dem Lande, die
sich namentlich in neuerer Zeit geltend mache, und gab
drastische Beispiele davon. Oekonomierath Steinböck
(Rosenheim) schob die Schuld hierfür auf den Mangel
alle Gesellschaften rüsteten sich schon jetzt, um einen
entsprechenden Antheil an diesen Arbeiten zu erlangen.
Am weitesten voran und wohl auch mit der grössten
praktischen Erfahrung ausgestattet sei die Firma Siemens
& Halske, die schon einen fertigen Entwurf für den Donau-
Oder-Kanal besitzt. Die Gesellschaft habe sich mit einer
Gruppe Prager Maschinenfabriken verbunden, an deren
Spitze die Maschinenfabrik Daniek steht. Der Entwurf
beruhe auf der einschienigen Lokomotive für den Zug
und der schiefen Ebene zur Ueberwindung der Höhen-
unterschiede. Die Grundzüge ersteren Gedankens seien
auch bei dem Entwurf der Firma Siemens & HaLke
für den Teltow-Kanal in Anwendung gebracht worden.
In zweiter Linie komme die Oesterreichische Union-
Elektrizitäts-Gesellschaftin Betracht,welche mit einer
Gruppe mährischer und niederösterreichischer Maschinen-
fabriken in Verbindung getreten sei; hier stehe dieBrÜnner
Maschinenfabrik an der Spitze. Zur Ausarbeitung eines
Entwurfes wurde in Wien ein eigenes Wasserstrassen-
Bureau errichtet. Auch die Vereinigte Elektrizitäts-
Aktien-Gesellschafi beabsichtige einen selbstständigen
Das Müller’sche Volksbad ln München. Ansicht der Eingangshal’e mit Kasse. — Architekt: Prof. Karl Hocheder in München.
ausreichender Baukontrolle. Wanderlehrer Maier gab zu
bedenken, man möge nie versäumen, bei neuen StallbaiUen
die Wände durch Isolirschichten gegen aufsteigende Boden-
feuchtigkeit zu schützen. In seinem Schlusswort empfahl
Prof.JummersbachdembauendenPublikum gegen schlechte
Bauausführung Selbstschutz in der Weise, dass cs die
Pläne bei einem erfahrenen Architekten machen
lasse, der dann zugleich gewissermaassen der technische
Anwalt dem Bauausführenden gegenüber sei. —
Die Wasserstrassen und die österreichischen Elektrizi-
täts-Gesellschaften. In einem in der „Volkswirthschaftlichen
Wochenschrift“ enthaltenen Artikel werden die Aussichten
der elektrotechnischen Industrie in Oesterreich als günstig
geschildert. Die meisten Vorlheile werde der Bau der
Wasserstrassen bieten. Es sei bei dem heutigen Stande
der technischen Entwicklung kein Zweifel, dass sowohl
für den Zug der Kähne, als auch für die Ueberwindung
der Höhenunterschiede die elektrische Kraft zur An-
wendung kommen werde, gleichgiliig ob man sich für das
Schleusensystem oder das System der schiefen Ebene ent-
schliesse. Hier winke der elektrotechnischen Industrie
ein grosses Feld jahrelanger Bethätigung, und so ziemlich
6. September 1902.
Entwurf einzureichen, und zwar in Verbindung mit einem
Konsortium Wiener Maschinenfabriken, und die Oester-
reichischen Schuckert-W’^erke sowie die Firma vorm.
Kolben & Comp, in Prag hatten gleichfalls die Absicht,
bei dem Bau der Wasserstrassen in Wettbewerb zu treten.
Aehnliche Verhältnisse würden in Deutschland nach
Genehmigung des Mittellandkanales im Norden und der
bayerischen Kanalpläce im Süden eintreten können. —
Kachel-Oefen der Fabrik „Saxonia“ ln Meissen. Wie
in vielen anderen Zweigen der Technik, so sind auch in-
bezug auf die Beheizung unserer Wohn- und Geschäfts-
räume bedeutende Fortschritte erzielt. Besonders gross
ist die Zahl der aus Metall gefertigten Heizkörper, die
zumeist als Dauerbrandöfen ausgeführt werden und manche
Vorzüge besitzen. Allein sie haben es nicht erreicht, den
von Alters her beliebten Kachelofen zu verdrängen, er
hat sich stets als ein werthvolles Ausstattungsstück in der
einfachen wie in der besseren Behausung zu behaupten ge-
wusst. Wir sind überzeugt, dass er niemals ganz aus ihnen
verschwinden wird, namentlich seitdem die Kacheln aus
feuerfestem Thon und Chamotte hergestellt werden, wie es
2. B. bei den Meissener Ofenfabriken seit Jahren mit Erfolg
463
geschieht. . Während die ' gewöhnlichen Thonkachelöfen,
• welche bis vor kurzem fast ausschliessl. in Gebrauch waren,
einer sehr starken Ausfütterung bedürfen, um die Kacheln
vor dem Zerspringen zu bewahren, sich nur sehr langsam
erwärmen und dabei grosse Mengen Brennmaterial bean-
spruchen, vereinigt der feuerfeste Meissener Chamotteofen
die Vorzüge der Kachelöfen mit denen der eisernen bezw.
Dauerbrandöfen. Vermöge der feuerfesten Eigenschaft
des Rohmaterials kann der innere Schutz durch Ziegel-
steine fast ganz fortfallen. Derartige Oefen brauchen nur
wenig Brennmaterial und erwärmen schnell; eine Stunde
nach dem Anheizen ist das Zimmer durchwärmt. Dabei
ist die Wärme eine angenehme und anhaltende. —
Chronik.
Eine III. Realschule in Hannover ist nach den Plänen des
Hrn. Stadtbauinsp. Ruprecht in Hannover mit einem Kostenauf-
wande von rd. 400 coo M. errichtet worden. —
Ein neues Reichsbankgebäude für Dortmund wird nach
den Entwürfen der Architekten Kayser & von Groszheim in
Berlin mit einer Bausumme von 550 000 M. auf dem Hiltrop-Wall
errichtet werden. —
Schutz der Goldenen Pforte am Dome zu Freiberg i. S.
Die Bestrebungen zum Schutze der Goldenen Pforte am Dome zu
Freiberg (s. Jahrg. 1894 S. 169) haben zu dem Beschluss der Er-
richtung eines Sebutzbaues geführt, welcher nach dem Entwurf des
Architekten Brth. Jul. Gräbner in Dresden zur Ausführunggelangt. —
Für die Errichtung einer Musikhalle in Hamburg steht
durch ein Laeisz’sches Vermächtniss eine Summe von lacocooM.
zur Verfügung. Ein ausgearbeiteter Entwurf liegt der Bürgerschaft
zur Genehmigung vor. —
Die Aufdeckung eines römischen Amphitheaters in Metz
bei Niederlegung der Festungswälle beschäftigt die Gesellschaft für
lothringische Geschichte und Alterthümer, die eine Erhaltung des
grossen, ein Oval von 126: 150 m bildenden Gebäudes anstrebt. —
Eine Festhalle für 10 000 Personen in Frankfurt a. M.
soll aus Anlass des Sängerwettstreites 1903 an der Forsthaus-
strasse errichtet werden —
Das Kaiserin Elisabeth-Denkmal in Wien, für welches
schon seit längerer Zeit ergebnissreiche Sammlungen eingeleitet
sind, soll nach einem endgilligen Beschluss des Denkmal-Comites
im k. k. Volksgarten, im Zuge der Löwelstrasse, zur Aufstellung
gefangen. Die Entwürfe werden auf dem Wege des Wettbewerbes
beschafft. —
Der hundertste Geburtstag Schwanthalers ist am 26. Aug.
in München festlich begangen worden. —
Für die Erbauung eines neuen Heiliggelstspitales in
München liegen zwei Entwürfe des Hrn. städt. Bxth, Hans Grässel
vor, welche einen Kostenaufwand von 1500000 bezw. 1650 000 M.
erfordern. Man entschied sich für den erstgenannten Entwurf. Das
neue Gebäude soll in der Nähe des Dom-Pedro-Platzes in Neuhausen
errichtet werden; es ist für 300 Pfründner beiderlei Geschlechtes
bestimmt. —
Personal-Nachrichten.
Bayern. Der Reg.- und Kr.-Brth. Hensel ist z. Ob.-Brth.
beim Hydrotechn. Bür., der Bauamtm. Ruttmann z. Reg.- u. Kr.-
Brth. bei der Obersten Baubehörde und der Bauamtsass. Hof in
München auf die Reg.- u. Kr.-Bauass.-Stelle für das Landbfch. bei
der Reg. der Pfalz befördert: der Bauamtsass. Bestelmayer
in Regensburg ist an das Landbauamt München versetzt.
Der Reg.- u. Kr.-Brth. Kremer in Ansbach ist auf die II. Stelle
eines solchen für das Landbfch. bei der Reg. von Oberbayern ver-
setzt; dem Reg.' u. Kr.-Brth. Förster in Ansbach ist die Stelle
bei der Reg. von Mittelfranken verliehen.
Der Bauamtm. B e r 1 i n g in Augsburg ist auf die II. Reg.- u.
Kr.-Brths-Stelle für das ingfeh. bei der Reg. von Oberbayern be-
fördert; der Bauamtm. Berger in Bayreuth ist, nach Augsburg
versetzt; dem Reg.- u. Kr.-Bauass. Becker in Würzburg ist die
Bauamtm.-Stelle in Bayreuth verliehen; der Bauamtsass. Raithel
in Deggendorf ist auf die Reg.- u. Kr.-Bauass.-Stelle für das Ingfeh.
bei der Reg. von Uuterfranken befördert; der Bauamtsass. Miller
in Nürnberg ist nach Deggendorf versetzt; der Staatsbauassist.
Köpp el in Trannstein ist z. Ass. bei dem Strassen- u. Flussbau-
amt Nürnberg ernannt.
Der Bauamtm. Wöhrle in Rosenheim ist z. Reg.- u. Kr.-
Brth. u. Vorst, der neuerricht. Wildbach-Verbauungs-Sekt. das. be-
fördert; der Bauamtm. Rapp in Ingolstadt ist nach Rosenheim
versetzt; der Reg.- u. Kr -Bauass. Hartmann io München ist z.
Bauamtm. beim Strassen- u. Flussbauamt Ingolstadt berufen; der
Bauamtsass. Arnold in Traunstein ist z. Reg.- u. Kr.-Bauass. bei
der Obersten Baubehörde befördert, der Staats bauassist. Vilbig
in Bamberg ist zum Ass. beim Str.- und Flussbauamt Traunstein
ernannt.
Der Bauamtsass. Schreitmüller in München ist auf die I.
und der Bauamtsass. Kurz in Weiden auf die II. Ass.-Stelle bei
der-Wildbach-Verbauungs-Sekt. Rosenheim versetzt; der Staatsbau-
assist. Eichenmayer in Schweinfurt ist z. Ass. beim Str.- u.
Flussbauamt Weiden ernannt.
Der Bauamtm. Stengler in Kempten ist z. Reg,- u, Kr.-Brth.
u. Vorst, der Wildbach-Verbauungs-Sekt. das. befördert; der Bau-
amtm. v. Leistner.in Ansbach. ist nach Kempten versetzt; dem
Bauamtm. Reisser in Kempten ist die Stelle eines solchen in
Ansbach verliehen; dem Bauamtsass. Sommer in Kempten ist
die Stelle bei der Wildb.-Verbauungs-Sekt. das. übertragen; der
.Bäuamtsass. Dr. Cassimir in München ist an das Str.- u. Fluss-
bauatüt Kempten versetzt, der Staatsbauassist. Schwabe in
Kempten ist z. Ass. ernannt.
Der Reg.- u. Kr.-Bauass. S t a u f f e r ist z. Bauamtm. des
neuerricht. Landbauamtes Rosenheim berufen; der Bauamtsass.
Huber in Eichstädt ist nach Rosenheim versetzt; der Staats-
bauussist. Rhien in Freising ist z. Ass. in Eichstädt ernannt. .
Der Bauamtm. R a 1 1 1 e r in Kaiserslautern ist z. Landbauamte
Straubing versetzt; der Bauamtsass. P r ei s s e r in Traunstein ist z.
Bauamtm. in Kaiserslautern beförd.; der Staatsbauassist. Schnizlein
in München ist z. Ass. beim Landbauamte Straubing ernannt.
Der Bauamtm. Laun in Wiodsheim ist z. neuerricht. Land-
bauamte Weiden versetzt, der Bäuamtsass. R o th in Nürnberg ist
z. Bauamtm. in Windsheim befördert; der Staatsbauassist. U 1 1 m a n n
in Speyer ist z, Ass. in Nürnberg und der Staatsbauassist. Anding
in München z. Ass. in Weiden ernannt; dem Staatsbauassist. Bühl-
mann in Würzburg ist die II. Ass.-Stelle beim Landbauamte Eich-
städt verliehen.
Sachsen. Dem Brth. Friedrich in Dresden ist die Er-
laubniss zur Annahme und z. Tragen des ihm verlieh. Kommandeur-
kreuzes des pers. Sonnen- und Löwen-Ordens ertheilt.
Die Reg.-Bfhr. Flachs in Freiberg, Junge und Puruckherr
in Leipzig, Schlechte in Chemnitz, Krüger in Dresden-A,,
Schellenberg in Zwickau, Seidel in Dresden-Fr. und Uhl-
felder in Chemnitz sind zu Reg.-Bmstrn. bei den Staatseisenb.
ernannt,
Brief- und Fragekasten.
Hrn. R. B. in M. Es ist bei der üblichen Art der Beförde-
rung der postalischen Kreuzbandsendungen im Briefbeutel nicht zu
vermeiden, dass unsere Zeitung bisweilen in etwas zerknittertem
Zustande in die Hände der Abonnenten gelangt, welche dieselbe
unmittelbar bei unserer Expedition als Kreuzbandsendung bestellt
haben. Um die Beschädigung bis zu einem gewissen Grade zu
vermeiden, empfiehlt sich der Versuch einer Bestellung nach
der Postzeitungsliste unmittelbar bei dem zuständigen
Postamte des Wohnortes des Bestellers. Die Zeitung wird
dann im Zeitungsballen befördert, leidet weniger, kommt zur
gleichen Zeit an und es tritt für den Besteller noch eine kleine
Ersparniss durch den Fortfall des Betrages für die Postanweisung ein.
Hrn. Stadtbmstr. in Trier. In den preuss. Städten mit
Magistrats-Verfassung steht dem leitenden Baubeamten der Amts-
titel „Stadtbaurath" ohne Weiteres zu. Den rheinischen Städten
mit Bürgermeister-Verfassung ist durch gemeinschaftl. Erlass der
Hrn. Minist, d. öffenÜ. Arb. u. d. Inneren vom 16. Juni 1889 (vgl.
Dtsche. Bztg. 1889 S. 517) das Recht, diesen Amtstitel ihren Stadt-
baumeistern zu verleihen, ausdrücklich zugestanden. Ein Unter-
schied nach der Grösse der Stadt ist dabei nicht gemacht. Vergl.
ausserdem die Mittheilungen über diese Frage 1895 S. 563, 581,
634, 649- —
Hrn. E. in Meuselwitz. Wir empfehlen Ihnen das Werk von
J. Stübben „Der Städtebau“, Verlag von A. Bergsträsser, Stuttgart. —
Fragebeantwortungen aus dem Leserkreise.
Hrn. V. in M. Zur Anfrage in No. 65 sind uns verschiedene
Zuschriften zugegangen, aus denen wir das Wesentliche wieder-
geben. Hr. Arch. A. N. in Strassburg i, E. schlägt die Verkleidung
der Küchenwände im Inneren mit i cm starken Korkplatten auf
Gips oder Dachlatten unter Offenhaltung eines Hohiraumes vor.
Ges.-Stärke der Verkleidung knapp 3 cm. Auch die Verschalung der
Mauern von aussen und Bekleidung mit Holz- bezw. Blechschindeln
bezw. Schiefer hat sich bei Ausführungen im Hochgebirge bewährt.
— Hr. Arch. Alex. Koch in London schlägt Verwendung eines
französischen Kochherdes, bei dem Steinkohle gebrannt und die
ganze Platte heiss wird, ev. Tapeziren bezw. Täfeln der Wände, als
durchgreifendstes Mittel schliesslich die Anbringung einer Luftheizung
vor mit ausgiebiger Ventilation, bei welcher die frische Luft un-
mittelbar von aussen zu nehmen ist und die Erwärmung derselben
am billigsten und besten durch die Abgangsgase des Kochherdes
besorgt wird. — Hr. Arch. P. Breuckel in Düsseldorf schliesslich
empfiehlt Goudronanstrich der Umfassungswände, nach Trocknung
Anstrich mit der früheren Putzfarbe; falls die Wandfläche aus
Verblendsteinen gebildet ist, statt des Goudrons Oelfarbenanstrich.
Als Radikalmittel wäre eine Ummauerung von aussen mit Luft-
schicht auszuführen, die mit kleinen Thurmziegeln in gefälliger
Weise abgedeckt werden kann. —
Zu der .Anfrage .C. St. in Naila in No, 59. Ergiebige Aus-
kunft giebt der Aufsatz „Schneewehen und Schneewehren im Eisen-
bahnbetriebe, mit bes. Bezugnahme auf Sachsen“, vom Finanzrath
Ludw. Neumann-Dresden. (Civilingenieur, Jahrg. 1887 S. 158.)
J a k s t e i n - Charlottenburg.
Man entfernt Petroleumgeruch aus Kellern und Räumlich-
keiten durch öfters wiederholtes Ausweissen mit Kalkmilch. Wie oft
dies wiederholt werden muss, hängt davon ab, wie tief das Pe-
troleum in Wände und Fussboden eingedrungen ist. Auch starkes
Heizen der Räume, starke Erwärmung der Wände und Böden ist
geeignet, das Petroleum zu verflüchtigen.
Siry, kgl. Oberingenieur in München.
Anfragen an den Leserkreis.
1. Wo finden sich in der Litteratur Angaben über Feuerungs-
anlagen, Brennmaterialien usw. für Bismarck-Säulen?
C. K. in Ch. und K. & H. in D.
2. Wo ist in der Fachlitteratur etwas über die Einflüsse von
Gottesäckern auf die Beschaffenheit des Grundwassers bezw. auf
Brunnen zu finden? — Baurath B. in A.
Inhalt: Die XV. Waaderversamtnlung des Verbandes .deutscher Archi-
tekten- uud Ingenieur-Vereine zu Augsburg vom i.— 3. September 1902. —
Das Müller’sche Volksbad in München (Schluss). — Verband deutscher
Arch,- und lug. -Vereine. Sitzungsbericht der XXXI. Abgeordneten-Ver-
sammlungin Augsburg. — Vermischtes. — Chronik. — Personal-Nachrichten.
— Brief- und Pragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. i. V. F. Eiselen, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
1464 No 72.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVL Jahrgang No. 73. Berlin, den 10, September 1902.
Stadtbild von Augsburg.
Nach dem Htalergraed zu dem lebenden Bilde am EegrOssungs-Abend, gemalt vom Theatermaler Ammann in Augsburg.
Die XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Arch.- und Ingen.- Vereine
zu Augsburg vom i. — 3. September 1902.
(Hierzu die Abbildungen auf Seite 469.)
I. Der äussere Verlauf der Versammlung.
(Schluss.)
!m Montag, dem i. September, wurde vor-
mittags 9V2Ühr die erste Sitzung derWander-
versaramlung im Schiessgrabensaale durch
den Vorsitzenden des Verbandes Hrn. Geh.
ßrth. Waldow-Dresden eröffnet. Wenn wir
vor a Jahren, so begann Redner seine Eröffnungsrede,
in der alten Hansastadt Bremen, nahe der deutschen
Meeresküste und am Sitze des Welthandels, unsere
Versammlung abhieiten, so finden wir uns heute mitten
im deutschen Vaterlande wieder zusammen in einer
Stadt, die einst eine grosse Rolle in der deutschen
Geschichte spielte, einer Stadt, die sich durch den
Gewerbefleiss ihrer Bürger nach langem Niedergang
wieder einen hervorragenden Platz erobert hat. Es
ist ein eigener Zauber, der die alte Reichsstadt um-
weht, und wir freuen uns herzlich, dass wir hier
unsere Versammlung abhalten dürfen. Zunächst be-
grüssen wir in Ehrfurcht und Liebe den hohen Herrn,
des Bayerlandes Fürst' und Vater, die treue Stütze
des Reiches. Wir danken den Vätern der Stadt, dem
bayerischen Verein und den Augsburger Fachgenossen
für den herzlichen Empfang, den Vertretern der be-
freundeten Verbände aus Oesterreich und der Schweiz
für ihr Erscheinen, mit dem sie bekunden, wie fest
die freundschaftlichen Beziehungen sind, welche uns
verbinden. Um einen Rückblick auf die Errungen-
schaften seit der letzten Versammlung zu werfen, ist
die Zeit eigentlich zu kurz. Sie ist aber doch lang
genug, um zu zeigen, dass kein Rückschritt, auch
kein Stillstand, sondern ein Fortschritt stattgefunden
hat. Wir verdanken der Initiative Kaiser Wilhelms il.
die nunmehr in den meisten Bundesstaaten durchge-
führtc Gleichstellung der höheren Schulen, ein Ziel,
das von den Vertretern der Technik schon lange an-
gestrebt wurde, wir verdanken ihm eine weitere
Hebung des Ansehens des technischen Berufes, die
uns nun aber auch mehr denn je die Aufgabe und
die Pflicht zuweist, uns nicht zu beschränken auf unser
engeres Fachgebiet, sondern mitzuwirken bei der
Lösung allgemeiner, wirthschaftlicher und sozialer
Fragen. Auch der Verband als Solcher kann und
wird an diesen Fragen mitarbeiten
In Vertretung des z. Zt. im Urlaub weilenden
Hrn. Staatsministers des Inneren, Excellenz v. Crails-
heim, der daher zu seinem Bedauern verhindert sei,
selbst zu erscheinen, betonte Hr. Ob.-Brth. v. Soergel]
dass die kgl. Staatsregierung mit grossem Interesse
die Bestrebungen des Verbandes auf technischem Ge-
biete verfolge und seinen Arbeiten besten Erfolg, der
Versammlung selbst einen erfreulichen Verlauf im
schönen Schwabenlande wünsche, das nicht nur dem
Architekten manch reizvolles Bauwerk, sondern auch
dem Ingenieur tüchtige Werke seiner Kunst vor-
führen könne.
Seitens des ebenfalls im Urlaub befindlichen Reg.-
Präsidenten Excellenz v. Lermann war ein Tele-
gramm eingegangen, das der Wanderversammlung
einen guten Verlauf wünschte und ein herzliches Will-
kommen im Reg.-Bczirk Schwaben zurief. Als Ver-
treter der Bezirks-Regierung war ausserdem Hr. Reg.-
und Kreisbrth. Hohenner anwesend.
Sodann ergriff der i. Bürgermeister der Stadt
Augsburg, Hr. Hofrath Wolfram, neben dem auch
der 2. Bürgermeister Hr. Gentner und die beiden
Vorstände des Gemeinde-Kollegiums die Hrn. Krauss
und Stolz erschienen waren, das Wort, um zunächst
der Versammlung den Gruss und Willkommen der Stadt
Augsburg zu entbieten und demVerbands- Vorsitzenden
für seine freundlichen Worte zu danken. Wenn auch
die anderen Theilnehmer so dächten, so dürfe man
hoffen, dass die Wahl Augsburgs als Ort der Ver-
sammlung nicht bereut werde. Einst habe die Stadt
der ein Elias Holl den Stempel aufgedrückt habe[
ein glänzendes Bild geboten, von dem noch manch
herrlicher Ueberrest zeuge, hätten ihre Kaufleute die
Welt beherrscht, hätten Kaiser und Könige in ihren
Mauern geweilt. Diese Blüthezeit sei freilich unwieder-
bringlich verloren, aber aus eigener Kraft habe die
Stadt auf anderem Gebiete eine neue Blüthe getrieben.
Eine kraftvolle Industrie habe sich entwickelt, ein
gewaltiger Kranz von Fabriken umziehe die Stadt
die nun wieder auf dem Weltmarkt in den Wettbewerb
mit eintreten könne. Hierin liege jetzt der Stolz der
Stadt und die Zuversicht für die Zukunft. Einen
Vorzug besitze ausserdem Augsburg, dass ihre Fabrik-
schlote eingebettet seien in dem schönen Grün aus-
gedehnter Gärten, dass in nicht zn weiter Ferne die
Schönheit der Gebirgsnatur locke.
Die Stadt habe es sich nicht nehmen lassen, der
Versammlung eine Festschrift*) zu widmen, die er
freundlich entgegenzunehmen bitte und von der er
hoffe, dass sie, wie die städtischen Werke auf dem
Gebiete der Architektur und des Ingenieurwesens, die
in den nächsten Tagen den kritischen Blicken so vieler
Fachmänner ausgesetzt seien, vor diesen in Ehren
bestehen möge.
Schliesslich ergriff nochHr. Prof.Frhr.v. Schmidt,
München, als Vertreter des bayerischen Vereins, das
Wort. Er wies darauf hin, dass wenn in den fast
30 Jahren, die der Verband Bayern nicht mehr be-
sucht habe, auch manches verändert sei, doch mit
*) Vergl. die Besprechung in No. 66, Seite 422.
465
Stolz darauf hingewiesen werden könne, dass der Auch von dem schönen Feste auf dem „Hoch-
Ehrenschild der Kunst, den Ludwig L Bayern ver- ablass“, dem am Ufer des Lech reizvoll gelegenen
liehen und den Prinzregent Luitpold mit starker Ausflugspunkte, gleichzeitig der Sammelpunkt der von
Hand führe, bis zur Stunde hochgehalten und noch den Bergen kommenden Quellen zur Wasserversorgung
von Niemand Bayern entrissen sei. In Augsburg der Stadt, können wir nur erwähnen, dass es froh
finde der Besucher neben den Zweigen einer hoch- verlief und mit einem glänzenden Feuerwerk seinen
entwickelten Kunst früherer Zeit eine hochentwickelte Abschluss fand.
neuzeitliche Industrie. Er finde ein herzliches Ent- Der 2. Sitzungstag konnte, da geschäftliche Mit-
gegenkommen bei einem treuen Volke, das aus den theilungen nicht Vorlagen, sofort mit dem 3. Festvor-
heimathlichen Bergen stets wieder neue Kraft und trage begonnen werden.
Frische schöpfe, und so wünsche er auch den Gästen, Zunächst hielt Hr. Geh. Brth. Stübben, Köln
dass sie von der Versammlung schöne Erinnerungen a. Rh., einen lichtvollen Vortrag über „Die Stellung
mitnehmen und neugestärkt in die Heimath zurück- der Architekten und Ingenieure zurWohnungs-
kehren möchten. frage“, in welchem er die Aufgaben des Einzelnen,
HiermitschlossendieoffiziellenBegrüssungsreden*) der Beamten, der Vereine und des Verbandes auf
und es wurde nun seitens des Geschäftsführers des diesem Gebiete an der Hand einer Reihe kurzer Leit-
Verbandes in üblicher Weise Bericht erstattet über sätze erörterte. Eine reichhaltige, von den Vereinen
die Beschlüsse der vergangenen Abgeordneten-Ver- des Verbandes, unter denen sich namentlich Frank-
sammlung, wobei auch die gesammte Thätigkeit des furt a. M., Kassel, Köln hervorgethan haben, ver--
Verbandes seit der letzten Versammlung in Bremen anstaltete Ausstellung verschiedener Wohnhaustypen
kurz gestreift wurde. (Wir verw'eisen in dieser Be- gab eine vortreffliche Ergänzung zu den mit grossem
Ziehung auf den bereits in No. 72 abgedruckten offiziellen Beifall aufgenommenen Ausführungen.
Sitzungsbericht der Abgeordneten-Versammlung.) Ihm folgte Hr. Prof. Friedr. v.Thiersch, München,
Die Reihe der Vorträge, denen anzuwohnen sich der über „Augsburger Fassaden-Malereien “
auch einige Damen nicht hatten nehmen lassen, für sprach. Redner entwarf ein glänzendes Bild von der
welche im übrigen besondere Besichtigungen in dieser jetztleidersoweniggeübtenKunstderFassaden-Malerei,
Zeit vorgesehen waren, leitete Hr. Ob. -Brth. Stein-,nidie in Augsburg z. Zt. der Renaissance in höchster
häusser ein mit einem die Zuhörer fesselnden ein- Blüthe stand, aber keineswegs erst damals als etwas
gehenden Vortrage über „Augsburgs bauliche j fremdes hineingetragen wurde, sondern sich auf alter
Entwicklung“, der durch eine grössere Anzahl voriljvolksthümlicher Kunst, wenn auch in neuen Formen
Lichtbildern aus Alt- und Neu-Augsburg erläutert§|aufbaute. Eine reiche Ausstellung von farbigen Aqua-
wurde. Ihm folgte Hr. Reg.- u. Kreisbrth. Stengler rellen, die Maler Brandes, unterstützt von Hrn. Arch.
aus Kempten mit klar und knapp gefassten Aus- Kiel und anderen Herren des Stadtbauamtes erst kürz-
führungen über „Wildbach - Verbauungen im lieh gemalt hat, ferner von Aufnahmen aus dem Be-
bayerischen Hochgebirge“, in welchem er ein sitze der Stadt, des historischen Vereins in Schwaben,
abgerundetes Bild gab von dem Wesen, den Zielen des kgl. Kupferstich-Kabinetts in München, von farbigen
und den segensreichen Erfolgen dieses besonderen Aufnahmen beigesteuert von Prof. Pfeiffer in Braun-
Zweiges der Wasserbaukunst, dessen Pflege und Ent- schweig und von Arch. Fr. Zell in München, schliess-
■wicklung in Bayern sich der Redner gewissermaassen lieh eine Sammlung von Entwürfen von Joseph Wid-
als Lebensaufgabe gestellt hat. Nach den allgemeinen mann in Mainz, der nach alten Resten das von Prof.
Ausführungen wurde die Art der Bauweise durch v. Hauberrisser in München restaurirte Rathhaus in
Lichtbilder noch im Einzelnen zur Darstellung gebracht Ulm wieder bemalt, desgl. von Entwürfen des Malers
und erläutert. Hubert Feldkirch in München, der den Auftrag hat.
Mit diesernVortrage, den wir später wiealle anderen Fresko-Gemälde für die Residenz in München auszu-
auszugsweise wiedergeben werden, schloss die erste,., führen, ergänzten wirkungsvoll das gesprochene Wort.
Sitzung und man beeilte sich nun, um rechtzeitig im^j Den Beschluss in der Reihe der Vorträge und
Rathhause erscheinen zu können, und dem Frühstück (auch den Abschluss der Festsitzungen bildete ein Vor-
beizuwohnen, das die Stadt Augsburg ihren Gästen im trag des Hrn. Landbauinspektors und Münsterbau-
goldenen Saale (s.S. 469), dem glänzendsten Zeugen des ineisters a. D. L. Arntz in Schwarz -Rheindorf bei
Reichthums und der Pracht des einstigen „goldenen“ Bonn a. Rh, mit dem Thema: „Was schulden wir
Augsburg, darbot. Dieses Mahl in dem herrlichen dem Strassburger Münster, dem überlieferten
Saale, dem wohl keine andere deutsche Stadt etwas Meisterwerk deutscher Baukunst“, ein von war-
ähnliches an die Seite stellen kann, wird gewiss allen mer Begeisterung für das Bauwerk, dessen Pflege
Festtheilnehmern in unauslöschlicher Erinnerung blei- Redner eine Reihe von Jahren seines Lebens gewidmet
bell. In. Erinnerung bleiben werden auch die ehrenden bat, durchdrungener Appell an das deutsche Volk und
Worte, die der I. Bürgermeister Hr. Hofrath Wolfram die Reichsregierung, sich der Pflichten bewusst zu
zur Begrüssung seiner Gäste sprach, indem er darauf werden, die Deutschland mit der Wiedergewinnung
hinwies, dass dieser Saal, der die glänzenden Zeiten dieses ihm lange entfremdeten kerndeutschen Bau-
der freien Reichsstadt, der Kaiser des heiligen römischen werks übernommen und zu erfüllen hat.
Reiches als Gäste der Stadt gesehen, der die Schrecken Mit kurzen Worten schloss der Hr. Verbands-
des 30jährigen Krieges, den Zerfall des Deutschen Vorsitzende die XV. Wanderversamralung. Am Nach-
Reiches überdauert, der aber auch die Wiederauf- mittage fanden in verschiedenen Gruppen Besichti-
richtungdesDeutschenReiches erlebt und als ein Ehren- gungen alter und neuer Bauwerke der Stadt, von
saal mit den Büsten der grossen Männer geschmückt Fabriken und Verkehrsanlagen, sowie des Elektrizitäts-
sei, die hierbei in erster Reihe standen, dass dieser Werkes am Lech bei Gersthofen statt, über die wir
Saal nur solchen Gästen geöffnet werde, welche die gesondert berichten.
Stadt besonders auszeichnen und ehren wolle. Der Abend vereinte die Theilnehmer an der Ver-
Auf den übrigen Verlauf des frohen und treff- Sammlung mit den Vertretern der Regierung und der
liehen Mahles, die Dankesworte des Hrn. Verbands- Stadtgemeinde, mit den Ehrengästen und Mitgliedern
Vorsitzenden, die in ein Hoch auf den Verband aus- der Augsburger Bürgerschaft in dem festlich ge-
klingende Ansprache des II. Bürgermeisters Hrn. schmückten Konzertsaale des schönen Stadtgartens
Gentner, die zwar nicht programmässigen , aber zu einem Festmahle, das froh verlief und von einer
lauten Beifall erzielenden Worte des Hrn. Arch. Mirus Reihe trefflicher Trinksprüche gewürzt wurde. Nach
in Dresden, der in Erinnerung des morgigen Sedantages einigen Musikvorträgen des 3. Infanterie-Regiments
Bismarck als den grossen Baumeister des Reiches ergriff zunächst der Verbands- Vorsitzende das Wort,
feierte, näher einzugehen müssen wir uns versagen, um anknüpfend an die Bedeutung des Tages, er-
um unseren Bericht nicht über Gebühr auszudehnen, innernd an die Heroen, die uns die schöne Gabe des
*) Die auswärtigen Hrn. Vertreter waren durch einen unglück- deutschen RcichcS geschenkt, Bismarck, Moltke und
liehen Zufall zu Beginn der Sitzung nicht anwesend. Andere, der beiden Fürstenhäuser zu gedenken, von
466 No. 73.
denen der Hohenzoller berufen war, die Kaiserkrone
zu tragen, der andere, der Wittelsbacher, die grosse
That vollbrachte, Heerrufer zu werden für den Hohen-
zollerkaiser. In ein Hoch auf die beiden jetzigen
Fürsten, Vertreter dieser Häuser, den „jugendlichen,
thatkräftigen und doch so friedlichen Kaiser“, den
„weisen, für alles Grosse und Schöne begeisterten
Prinzregenten Luitpold“ klangen die Worte aus, die
begeisterten Wiederhall fanden.
Dann folgte die Reihe der offiziellen Toaste, die
wir nur erwähnen können. Der 2. Vorsitzende, Hr.
Geh. Brth. Prof. Bubendey, Berlin, sprach auf die
Regierung und die Vertretung der Stadt, worauf der
I. Bürgermeister Hr. Hofrath Wolfram prompt er-
widerte und ein Hoch auf den Verband ausbrachte,
von dessen Tagung in Augsburg er auch Nutzen für
die weitere Entwicklung der Stadt erwarte; Hr. Prof.
Frhr. v. Schmidt, München, toastete auf die öster-
reichischen und schweizerischen Fachgenossen — von
den ersteren waren erschienen Hr. Ob. -Brth. v.Wiele-
mans, Chefarchitekt Bach und Brth. Koch, sämmt-
lich aus Wien, von letzteren Hr. Prof. Hilgard aus
Zürich, — worauf die Firn. Koch und Flilgard namens
ihrer Vereine in herzlichen Worten dankten; Hr.
Neher, Frankfurt a. M. widmete dem bayerischen
Verein, den Augsburger Fachgenossen und vor allem
Hr. Ob.-Brth- Steinhäusser den wärmsten Dank für
ihre opferwillige Thätigkeit, welcher der Erfolg nicht
gefehlt habe. Dass auch der Damen gedacht wurde,
die in reichem Kranze das Fest verschönten, ist wohl
selbstverständlich, und den fröhlichen Beschluss bil-
dete eine launige Improvisation des Hrn. Geh. Brth.
Stübben, Köln, der dem Vorsitzenden eine scherz-
hafte Damenspende überreichte,
Als man vom Festmahle aufstand, erstrahlte der
Garten in bengalischem Lichte und man liess sich die
nach den vorangegangenen schwülen Tagen doppelt
erfrischende Kühle des Abends noch gern eine Zeit
lang gefallen.
Am nächsten Morgen galt es schon frühzeitig zu
dem letzten Akte der ganzen Veranstaltung, dem
Ausfluge nach Füssen, Hohenschwangau und
Schloss Neuschwanstein anzutreten. Wir versagen
es uns, die Eindrücke schildern zu wollen, welche die
Besucher von diesem schönen Fleckchen Erde, das
Natur und Kunst mit gleichem Reichthum ausgestattet,
gewonnen haben. Sie bildeten den effektvollen Ab-
schluss einer Reihe interessanter und befriedigender
Tage, für welche den Ausgsburger Fachgenossen be-
sonderer Dank gebührt. — {Fortsetzung folgt.)
Trinkwasser-Reinigung durch Ozon.
ie öffentlichen Blätter haben gemeldet, dass vor kurzem
für Wiesbaden ein Wasserwerk mit Reinigung durch
Ozon in Betrieb gesetzt worden ist. Unseres Wissens
das erste in Deutschland, bei welchem daher das neue
Verfahren zuerst einer Erprobung im grossen Maasstabe
auf seine praktische Brauchbarkeit unterworfen wird. Es
handelt sich dabei um eine Sache, die vielleicht geeignet
ist, das Wasserreinigungs- Verfahren in derRichtungwesent-
lich zu verbessern, dass mit mehr Sicherheit als bis-
her ein von Krankheitskeimen freies Trinkwasser -her-
stellbar ist. Sind bis heute auch noch niemals Seuchen
beobachtet worden, deren Ursprung zweifelsfrei auf
den Genuss des Wassers von ordnungsmässig betriebenen
Sandfiltern zurückführbar gewesen ist, so haben doch
Versuche, die schon vor etwa 12 Jahren von Frankel
und Piefke aufgenommen worden sind, den Beweis ge-
liefert, dass krankmachenden Keimen der Weg durch die
Sandfilter gewöhnlicher Einrichtung nicht durchaus ver-
sperrt ist. Wenn die Behandlung des Wassers mit Ozon
im Grossbetriebe geeignet ist, alle im Wasser ent-
haltenen Keime abzutödten, oder wenn sie nur ein er-
hebliches grösseres Maass von Wahrscheinlichkeit dafür
liefert, dass im ozonisirten Wasser keine lebenden
Keime gefährlicher Art, welche im Rohwasser nach-
gewiesen waren, mehr vorhanden sein können, so würde
das für die Wasserreinigungs-Technik einen Fortschritt
bedeuten, der die Zukunft vieler Wasserwerks- Anlagen
erheblich beeinflussen müsste. Es könnte sein, dass in
Zukunft neben Wasserwerken, die mit Sandfiltration ar-
beiten, solche entstehen, auf welchen nur ozonisirt wird,
und es könnte ebensowohl sein, dass weiterhin Werke
angelegt werden, auf welchen das Trinkwasser zunächst
■filtrirt und dann noch ozonisirt wird. Aber von einem
vollständigen Ersatz der Sandfiltration durch Ozonisirung
ist vorläufig und vielleicht niemals die Rede, weil mit der
Herstellung von Keimfreiheit allein der Zweck der Wasser-
reinigung noch nicht erfüllt ist, da es sich dabei nicht blos
um biologische Aufgaben, sondern ebenso sehr, und zu-
weilen noch mehr, um solche handelt, die auf physikalischem
und chemischem Gebiet liegen. Und auf letzteren beiden
Gebieten sind, nachdem was bisher festgestellt worden ist,
die Ergebnisse, welche die Ozonisirung liefert, nur be-
schränkte.
Das Verfahren ist bei uns in seinen Grundzügen und
zumtheil auch in seinen Erfolgen vor mehreren Jahren
auf einer Jahresversammlung der deutschen Gas- und
Wasserfachmänner durch Dr. Th. Weyl bekannt gegeben
worden, der soviel wir wissen, damals mit der Leitung
von betr. Versuchen, welche von Siemens & Halske
in Charlottenburg unternommen wurden, betraut war;
auch auf der Pariser Weltausstellung 1900 wurde das Ver-
fahren vorgeführt. Aller Einzelheiten entkleidet besteht
dasselbe darin, dass Luft durch einen geschlossenen Raum
geführt wird, in welchem fortdauernd elektrische Ent-
ladungen stattfinden, und dass man diese Luft darnach
mit dem Wasser zur innigen Berührung bringt. Es han-
delt sich also um die fortlaufende künstliche Erzeugung
10. September 1902.
von Blitzen mittels elektrischer Ströme, durch die der
Sauerstoff der Luft in den „aktiven Zustand'* versetzt,
d. h. in Ozon verwandelt wird. Das Ozon ist ein un-
mittelbar wirksames Sterilisationsmittel und gleichzeitig
ein Mittel, durch welches Stoffe organischer Herkunft,
die sich im Wasser immer finden, mineralisirt werden;
endlich greift es aber auch Metalle mit Heftigkeit an.
Letztere Eigenschaft könnte, weil mit Zerstörung der
Leitungsröhren gerechnet werden müsste, das ganze
Verfahren bei der Trinkwasser - Reinigung ungeeignet
machen, wenn nicht das Ozon auch die Eigenschaft be-
sässe, rasch wieder in die ursprüngliche Form des ge-
wöhnlichen Sauerstoffes zurückzukehren. Allerdings ver-
bleibt der rückverwandelte Sauerstoff als freier in dem
ozonisirten Wasser, und es ist fraglich, ob dieser Gehalt
eine Verbesserung der Wasserbeschaffenheit bedeutet.
Das trifft in vielen Fällen nicht zu, und immer ist
damit zu rechnen, dass durch den Gehalt an freiem Sauer-
stoff die Fähigkeit des Wassers Metalle anzugreifen ge-
steigert wird. Welche Mittel bekannt -oder anwendbar
sind, um die Leitungsmaterialien: Eisen und Blei aus-
reichend zu schützen, bezw. Bleilösungen vom Wasser fern-
zuhalten, vermag Verfasser im Augenblick nicht zu sagen.
Aus neuerer Zeit liegt eine Anzahl von Veröffent-
lichungen über Wasserozonisirung, deren Ergebnisse usw.
vor; es handelt sich dabei zuerst um Beobachtungen, die
auf der Versuchsanlage von Siemens & Halske, welche
für Sterilisation von stündlich etwa 10 cbm Wasser einge-
richtet ist, gewonnen wurden. Zwei Veröffentlichungen,
von Ohlmüller, bezw.Ohlmüller und Pr all herrührend,
sind in den Veröffentlichungen des kaiserl. Gesundheits-
amtes Band 8 und 18 enthalten; eine dritte hat als be-
sondere Schrift Dr. Er Iw ein unter dem Titel: Trinkwasser-
Reinigung durch Ozon nach dem System Siemens & Halske
A.-G. verfasst. Nach diesen Quellen hat Dr. Bamberg im
Techn. Gem.-Blatt eine kleine Arbeit veröffentlicht, die
zu folgenden Schlussergebnissen kommt:
1. Es tritt durch die Ozonisirung eine beträchtliche
Vernieht-ung der Keime ein ; in dieser Hinsicht übertrifft
das .Ozonverfahren, im allgemeinen die Abscheidung der
Keime durch Sandfiltration. Im Wasser aufgeschwemmte
Keime der Cholera und des Typhus werden durch das
Verfahren vernichtet.
2. Chemisch wird das Wasser nur insofern beein-
flusst, als eine Abnahme der Oxydirbarkeit (Verminderung
der organischen Stoffe) und Zunahme des freien Sauer-
stoffes eintritt; beides (?) bedeutet eine Verbesserung.
3. Das vom Wasser in Lösung aufgenommene Ozon
ist in technischer (?) und gesundheitlicher Hinsicht be-
langlos, da es sehr rasch wieder in die Form des gewöhn-
lichen Sauerstoffes zurückkehrt.
4. Das Wasser wird durch Zerstörung faulender
Stoffe, die in demselben enthalten sind, verbessert und
nimmt durch das Ozonisiren keinen fremdartigen Geruch
oder Geschmack an.
Eine Frage von nicht geringer Bedeutung, nämlich die;
ob im Betriebe Gewähr dafür zu schaffen ist, dass die
467
Apparate stets in allen Theilen ordnungsmässigfunktioniren,
damit nicht beim Versagen eines derselben un-
sterilisirtesWass er durch den Apparat geht, scheint
bereits eine befriedigende Lösung gefunden zu haben.
Frinberg hat selbstthätige Apparate erfunden, welche
so eingerichtet sind, dass, sobald etwa in der Luftzufuhr
oder in der Ozonerzeugung Störungen eintreten, ein
Glockenzeichen ertönt und an der Signaltafel eine Klappe
fällt, wodurch die Ursache der Störung angezeigt wird;
gleichzeitig aber erfolgt selbstthätige Ab-
sperrung des Wasserzuflusses zum Ozonisirungs-
raum. Das scheint genügende Sicherheit zu verbürgen.
— B.-
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- und Ing.-Vereln zu Hamburg. Vers, am 25. April
1902. Vors. Hr. Zimraermann, anwes. 60 Pers. Auf-
genommen als Mitgl. Hr. Arch. Reg.-Bmstr. Gust. Blohm.
Es erhält das Wort Hi. Heubel, welcher über die
Thätigkeit des am 10. Jan. gewählten Ausschusses be-
richtet, der beauftragt war, die Beschlussfassung über das
Einigung nicht erzielt wird, der Entscheidung eines Schieds-
gerichtes, eventuell des ordentlichen Gerichtes Vorbehalten,
ob und inwieweit bei einer derartigen Ueberschreitung
des Lieferungstermines die Bestimmungen über die Kon-
ventionalstrafe zur Anwendung kommen sollen“.
Der Berichterstatter beantragt im Fall der Annahme
der Vorschläge: „MUtheilung der Beschlüsse i. an die Bau-
hütte, 2. an den Senat, 3. an sämmtliche Vereinsmitgüeder
Gesuch der hiesigen Baugewerks-Innung vom 20. Juni mit der empfehlenden Änheimgabe, dass jeder selbstän'
1901, betreffend Verlängerung der Lieferungstermine und dige Architekt oder Ingenieur seinem Bauherrn empfehlen
Aufnahme der Streik
klausel in die Bauver-
träge, vorzubereiien.
Berichterstatter schil-
dert eingehend die in
den Verhandlungen
des Ausschusses zur
Sprache gebrachten,
sich zumtheil wider-
sprechenden Ansich-
ten der Mitglieder des
Ausschusses. Man sei
schliesslich aber doch
zu einer einsfimmigen
Annahme der zu
machendenVorschläge
gelangt, indem man ge-
trennte Vorschläge für
die von Behörden aus-
zuschreibenden und
für solche Bauverträge
gemacht habe, welche
von Privat- Architekten
für Privatleute ent-
worfen würden. Be-
gründet wurden die
Vorschläge im wesent-
lichen damit, dass das
Vorhandensein solcher
Klauseln geeignet er-
scheine, frivole Streiks
von vorn herein zu
verhindern, während
anderenfalls die Ueber-
nehmer, wenn ihnen
die durch die Auf-
nahme der Klausel zu
gewährende Rücken-
deckung versagt wer-
de, genöthigt sein wür-
den, das dann von
ihnen zu tragende Ri-
sico durch ihre Preis-
forderung zu decken,
wodurch ein von der
Gesammiheit der Bau-
enden zu tragender
wirthschaftlicherNach-
theil entstehe. Die
Vorschläge des Aus-
schusses sind die fol-
genden:
I. Für Verträge
über Arbeiten und
VorenLwurf zu den Säulen der Ausstellung des „Vereins deutscher Porlland-
Cement-Fabrikanten" und des „Deutschen Beton-Vereins“.
Architekt: Willy Fräokel in Düsseldorf.
Von der Industrie- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902.
Lieferungen, die von Behörden vergeben werden: „Wird
die Fertigstellung der Arbeiten und Lieferungen durch nicht
im Verschulden des Uebernehmers liegende Streiks über
die kontraktlich festgesetzte Frist hinaus verzögert, so be-
hält sich die Behörde das Recht vor, nach Beendigung
aller kontraktlichen Leistungen seitens des Uebernehmers,
darüber zu befinden, ob und inwieweit bei einer der-
artigen Ueberschreitung des Lieferungstermines die Be-
stimmungen über die Konventionalstrafe zur Anwendung
kommen sollen".
2. Für Verträge über Arbeiten und Lieferungen, die
von Privaten vergeben werden: „Wird die Fertigstellung
der Arbeiten und Lieferungen durch nicht im Verschul-
den des Uebernehmers liegende Streiks über die kontrakt-
lich festgesetzte Zeit hinaus verzögert, so wird nach Ab-
lieferung der Arbeiten einer besonderen Vereinbarung
zwischen Bauherrn und Uebernehmer, oder falls eine
möge, diese Klausel in
die von ihm zu ent-
werfenden Bauverträ-
ge aufzunehmen“.
Es schliesst sich
hieran eine längere
Besprechung, an wel-
cher sich die Herren
Ruppel, Dr. Went-
zel, Heubel, Classen
und Wulif betheiligen,
bei welcher es sich im
wesentlichen um die
drei letzten Anträge
des Berichterstatters
handelt. Die Abstimm-
ung ergiebt Annahme
sämmtlicher Anträge
mit grosser Mehrheit.
Es erhält zum
2. Gegenstände der
Tagesordnung das
Wort Herr Elvers,
welcher über die im
Fragekasten des Ver-
eins Vorgefundenen
Anfragen: 1. Wie
denkt der Verein bei
Schaffung eines neuen
Baupolizei - Gesetzes
über das Genehmi-
gungs - Verfahren
mit verbindlicher Ver-
antwortlichkeit der
Baupolizei-Behördefür
die abgestempelten
Bauvorlagen? 2. Ist
der Verein gewillt,
Stellung zu dieser
Frage nach aussen hin
zu nehmen? berichtet,
indem er zunächst eine
Uebersicht über die bei
den verschiedenen
Vorlagen des Baupoli-
zei-Gesetzes hervor-
getretenen, sich zum-
iheil widersprechen-
deuAnsichten überdas
Genehmigungs - Ver-
fahren giebt. Schon
bei der Ausschuss-
Beraihung im Jahre
1895 habe man die
Einführung des Genehmigungs-Verfahrens empfohlen.
Wenn jetzt diese Frage nochmals aufgestellt werde, so sei
das nur aus den Erf^rungen zu erklären, die inzwischen
mit der Handhabung des Gesetzes gemacht seien. Insbe-
sondere bezieht sich der Berichterstatter auf das jetzt stets
gestellte Verlangen nach der Vorlage statischer Berech-
nungen, auch bei minder wichtigen Konstruktionstheilen,
was seiner Meinung nach zu weit gehend sei, und nicht
mit den Bestimmungen der Novelle v. 15. April 1896 in
Einklang stehe. Dieses Verfahren habe bei den minder
erfahrenen Bauherren die Meinung entstehen lassen, dass
es jetzt schon ein Genehmigungs-Verfahren gebe. Zu der
Frage übergehend, ob durch die Abstempelung der Bau-
zeichnungen durch die Baupolizei letztere die Verant-
wortung für die Richtigkeit der Zeichnungen übernehme,
glaubt Redner, dass das nicht der Fall sei, da nach § 5
unter 7 der Novelle vom 15. April 1896 die Abstempelung
^68
No. 73,
nur die Bedeutung habe, die Uebereinstimmung des dem
Bauherrn, zurückgegebenen Exemplares der Bauvorlage
mit dem bei der .Behörde verbliebenen festzustellen. In-
dem Redner seine Ansicht noch durch Verlesung einiger
juristischer Gutachten über diese Frage begründet, schliesst
er mit den Worten; „Lassen Sie uns darauf verzichten,
die Einführung der Baugenehmigung durch die Baupolizei
zu befürworten, und lassen Sie uns nicht die Baupolizei
für von uns gemachte Fehler verantwortlich machen.“
An diese Ausführungen knüpft sich ebenfalls eine ein-
gehende Besprechung, an der sich die Hrn. Heubel,
Elvers, Olshausen und Classen betheiligen, die aber
zu einer Stellungnahme des Vereins zu der besprochenen
Frage nicht führt. —
Zum 3. Gegenstand der Tagesordnung erhält das Wort
Hr. Faulwasser, welcher mittheilt, dass er aus Anlass
einer von ihm ausgeführtenNeubearbeitungdesAbschnittes:
„Zimmerarbeiten“ für das Deutsche Bauhandbuch, von einem
dem Zimmermstr. Stephan in Düsseldorf patentirten Holz-
fachwerkbogen Kenntniss bekommen habe, bei welchem die
obere und untere Gurtung durch neben einander gestellte
Bohlen gebildet würden, während die Wandkonstruktion
aus einem Dreiecksystem kurzer Hölzer bestehe, wodurch
ein für grössere Spannweiten geeigneter Bogenträger in
Holzkonstruktion entstehe. Es sollen nach diesem System
Spannweiten bis zu 18® überspannt sein. —
Der Vorsitzende dankt allen Rednern und theilt mit,
dass der Bibliothek des Vereins durch Hrn. Melhop eine
Anzahl Zeichnungen von Fassaden und Grundrissen ge-
schenkt seien , wofür dem Geber der Dank des Vereines
gebühre. — Hm.
Vermischtes.
Die Ausstellung des Vereins deutscher Portländ-Cement-
Fabrlkanten und des deutschen Beton-Vereins in Düsseldorf.
In Ergänzung unserer Mittheilungen über diese Ausstellung
in No. 66 und 68 geben wir Seite 468 noch den bemerkens-
werthen Vorentwurf des Hrn. Arch. Willy Frankel in
Düsseldorf zu dem Sockel des Säulenattfbaues nach einer
Skizze des Verfassers wieder. —
Absaugevorrichtung für brennende Kokskörbe System
Leo-Beriln. Bekanntlich wird durch § 7 der Polizei-Ver-
ordnung vom 27. August 1901, betr. Arbeiter-Wolilfahrts-
Einrichtungen auf Neubauten, das Arbeiten in Räumen, in
denen offene Koksfeuer ohne Ableitung der entstehenden,
der Gesundheit schädlichen Gase brennen, verboten und
ausserdem vorgeschrieben, . dass solche Räume gegen
andere, in denen gearbeitet wird, dicht abzüschliessen
sind und dass sie nur vorübergehend von den die Auf-
sicht über die Kokskörbe führenden Personen betreten
werden dürfen. Die Anwendung geeigneter Absauge-
vorrichtungen, die ohne Gefahr für die Gesundheit der
Arbeiter eine dauernde Thätigkeit derselben in mit Koks-
körben beheizten Räumen ermöglichen, ist daher für einen
geregelten , raschen Baubetrieb von grosser Wichtigkeit.
Dem Ing. Hrn. Leo in Berlin ist vom Berliner Polizei-
Präsidium Abth. III
durchVerfügungvom
17. Febr. 1902 die An-
wendung der in ne-
benstehender Abbil-
dung dargestellten,
Von ihmkonstruirten
Absaugevorrichtung
gestattet worden, wo-
bei die Vorschrift ge-
macht ist, dass der
Mantel desAbsaugers
i mit dem Boden des
Kokskorbes abschnei-
den muss. Die Ab-
saugevorrichtung be-
steht aus dem mit
einem Dreifuss z ver-
bundenen Blech-
mantel a, der mit
einer Platte k abge-
deckt ist, die 2 kreis-
runde Oeffnungen
enthält. Die eine die-
ser Oeffnungen, die
mit einem Deckel ä
geschlossen werden
kann, dient zur Ein-
füllung des Koks in
den unter dem Man-
tel stehenden Korb,
die zweite vermittelt
den Anschluss an die
Absaugeleitung , die
mit der freien Luft
inVerbindunggesetzt
oder ineinenSchorn-
stein eingeführt wer-
a den kann. Ein koni-
sches Schiebestück,
welches auf dieser
Oeffnung aufsitzt, er-
möglicht den An-
schluss an verschie-
den weite Rohrlei-
tungen. Ein um die
beiden Oeffnungen
genieteter Ringauf-
satz wird vor Inbe-
triebsetzung des Kor-
bes mit feinem Sand
Augsburger Fassaden -Malereien.
(Auszug aus dem Vorträge des Hrn. Prof. Friedrich v. Thiersch, ge-
halten auf der XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher
Architekten- und Ingenieur-Vereine zu Augsburg.)
ie Augsburger Fassaden-Malereien fallen in das grosse,
viel umstrittene Gebiet der vielfarbigen alten Kunst.
Die Forschung hat aber jetzt überzeugend nachge-
wiesen, dass schon die antike Baukunst und Bildnerei mit
der Vielfarbigkeit verbunden waren. Es ist ferner kein
Zweifel, dass unsere Rathhäuser und Kirchen vielfach im
Inneren und Aeusseren einen kräftigen Farbenüberzug be-
sassen, oft ohne Rücksicht auf die Struktur des Bauwerkes.
Nachahmungen dieser Art sind vielfach angegriffen
worden, aber sie sind jedenfalls historisch berechtigt. Das
Heidelberger Schloss besass über dem schönen Sandstein
eine kräftige Bemalung, das deutsche und das schweize-
rische Bauernhaus wurden bemalt, auch der Backstein-
Rohbau erhielt oft noch eine besondere Farbengebung.
Die Frauenkirche in München, St. Martin in Landshut, das
Rathhaus in Lindau waren bemalt und Neumann’s be-
rühmtes Würzburger Schloss erhielt nach Fertigstellung
merkwürdiger Weise einen die ganze Fassade überziehen-
den hellgelben Anstrich, ein Beweis, wie sehr man an
den Gebrauch der Farbe gewöhnt war. Auch das mittel-
alterliche Fachwerkhaus entbehrte der Bemalung nicht,
nur die reicher profilirten Hausteinbauten, wie sie z. B.
Nürnberg zeigt, blieben ohne eine solche. Aber wo Putz
und Fachwerk zur Anwendung kamen, da zeigen die
Häuser den schlichten Typus, der erst durch die Bemalung
begreiflich erscheint.
Gilt Nürnberg als das charakteristische Bild einer
mittelalterlichen Stadt, so zeigt. uns Augsburg dasjenige
einer deutschen Stadt z. Zt. der Renaissance. Zeigt Nürn-
berg die interessante Mischung des Uebergangsstiles, so
finden wir in Augsburg dafür das seiner Anlage nach noch
gothische Haus im Schmuck der Renaissance. Auch hier
vollzog sich der Uebergang langsam, nicht plötzlich. Die
ersten Bauten von Elias Holl athmen noch mittelalterliche
Luft, und die Kunst der Fassaden-Malerei ist durchaus nicht
etwas fremdes, von aussen nach italienischem Vorbilde
hineingetragenes, sondern nur eine freiere Weiterent-
wicklung auf schon vorhandener Grundlage.
Die italienische Wandmalerei zeigt anfangs unverkenn-
bar orientalischen Einfluss. Teppiche, Geflechte und ähn-
liches werden aufgemalt, dann tolgt die Nachahmung ein-
zelner Architektur-Theile, z. B. Quaderungen, die An-
bringung frei hängender Bilder auf den Wandflächen usw.
Aehnliche Darstellungen zeigt das Rathhaus zu Ulm,
das Augsburger Weberhaus. Diese Flächendekoration
verschwindet dann allmählich in Italien, die Bemalung
folgte den Formen der Architektur, bezw. ersetzte die
letztere, indem ganze Architektur-Gliederungen aufgemalt
werden. Es finden sich hier Anklänge, die wohl auf den
Einfluss der Antike zurückzufähren sind.'
Die deutschen Künstler, z. B. der jüngere Holbein,
gehen dann noch weiter. Sie machen sich ganz unab-
hängig von der Konstruktion des Baues selbst, bedecken
die schlichten, ungegliederten Fassaden mit vollständigen
Architekturen, treiben selbst da Raumkunst, wo räum-
liche Gebilde gar nicht vorhanden sind. So entsteht der
schöne Kontrast der ganz schlichten, einfachen Fassaden
zu dem reichen Schmuck anmuthiger Malerei.
Vereinzelte, nachweisliche Reste von Wandmalereien
in Augsburg gehen auf eine sehr fern liegende Zeit zu-
rück. Noch heute sind solche Reste an der Nordwand
des Mittelschiffes des Domes, erkennbar, die auf roma-
nische Zeit zurückzuführeu sind. Auch die ältesten Reste
470
No. 73.
gefüllt und bildet so einen sicheren Verschluss gegen
rückscblagende Gase.
Auch an dem Kokskorb selbst hat Hr. Leo eine Ver-
besserung eingeführt, indem er denselben aus schräg-
stehenden Bandeisenringen ohne Verwendung von Nieten
herstellt. Das Brennmaterial kann also nicht, wie bei den
senkrecht' stehenden Stäben der üblichen Körbe heraus-
rutschen. Der Korb arbeitet daher sparsamer und ist
vermöge seiner Konstruktion dauerhafter.
Mit dem Leo’schen Absauger sind in einem Keller
des Neubaues der Deutschen Bank im Januar d. J. durch
den polizeilichen Sachverständigen Hrn. Dr. W. Heffter
und den Chemiker Hrn. Dr. Hampe Untersuchungen vor-
genoramen worden, die nach den Mittheilungen dieser
Herren das Ergebniss hatten, dass sich keine Spur von
Kohlenozyd in dem betreffenden Raume, in welchem sich
2 Kokskörbe mit dieser Vorrichtung befanden, nachweisen
Hess. Die Luft war zwar heiss, aber ohne Beschwerden
athembar.
Hiernach dürfte sich diese Absaugevorrichtung, die
auss :rdem den Vorzug grosser Einfachheit hat und keinerlei
besondere Aufmerksamkeit in der Bedienung erfordert,
zur Anwendung in Neubauten empfehlen. —
Bücherschau.
lieber die Entwicklung der Akanthusranke im französischen
Rokoko. Von W. Jänecke. Hannover 1902. Gebr.
Jänecke. 3 t Seiten mit 57 Abbildungen.
Die moderne Geschichtsschreibung macht Schule nach
jeder Richtung. Je mehr man in der Würdigung der Ver-
gangenheit einsieht, dass es nicht nur Geschichte gegeben
hat, die durch die Individuen gemacht ist, sondern dass
die Individuen nur Geschöpfe ihrer Zeit, ihrer Umgebung,
ihres „Milieus" sind, geschoben, wo sie zu schieben glaubten,
eine um so durchgreifendere Aenderung in der Darstellung
der grossen Leistungen der Vergangenheit bricht sich Bahn.
Die Lamprecht’sche Auffassung siegt auf der ganzen Linie.
Und mit Recht.
Darum ist nicht nur mit Sicherheit vorauszusehen,
nein es ist sogar zu fordern, dass auch unsere Kunstge-
schichte mehr und mehr die individualistische Auffassung
verlasse; dass sich eine neuere und wahrere Kunstge-
schichte erbaue, die sich nicht mehr ausschliesslich an
die Persönlichkeiten und die Kunstwerke anklammere,
sondern beides als Ergebniss tiefer und gewaltiger Strö-
mungen und Evolutionen in der Volksseele selbst erfasse
und darstelle. Mag der Weg dazu auch noch so schwierig
sein, er ist zu finden; so in der Architekturgeschichte, wo
die Anbetung der grössten Musterbeispiele, vom Parthenon
bis zum Kötner Dom, alles andere Interesse aufgezehrt
hat, sodass wir von der griechischen Baukunst für das
Volk und im Leben des Volkes so gut wie nichts wissen,
und von der mittelalterlichen Architektur auch kaum mehr.
Die aufgrund der alten Auffassung aufgebaute Eintheilung
der Stile hat die weite gleichmässige Bahn der Kunstent-
wicklung in eine Unzahl durch hohe Mauern und tiefe
Gräben getheilte Grundstücke zerrissen, innerhalb deren
überall ein Mustergötzenbild als allein seligmachend und
maassgebend verherrlicht wird. Diese Mauern müssen
wieder eingerissen, die Gräben ausgefüllt werden. Dann
werden wir auch — wie wenn ein Schleier weggerissen
wäre — wieder sehen, was Kunst überhaupt ist und be-
deutet, und dass das Allermodernste gar nichts anderes
ist, als z. B. das Altgriechische oder Römische oder auch
Peruanische, nur auf ein bischen andere Grundlagen sich
stützend, unter anderem Himmel und unter anderen Cha-
rakteren erwachsen.
Die Jugend wittert und spürt das instinktiv. Und
deshalb hat mich das kleine obengenannte Schriftchen
erfreut und wird Jedem, der das Werdende erhofft, Ver-
gnügen machen. Denn obwohl dem Titel nach -ein ganz,
enges Gebiet, thatsächlich etwas umfassender die franzö-
sische Ornamentik des Jahrhunderts von 1650—1750 be-
handelnd, also sich mit etwas recht Unzeitgemässem be-
schäftigend, geht es in erfreulichster Weise, vielleicht
halb unbewusst, darauf aus, den Geist der Zeit und die
Umstände, die zur Bildung und Umbildung der Zierung
führten, zu erfassen und darzustellen. Der Inhalt des
Heftchens wird dem Fachmanne, insbesondere dem Lieb-
haber und Kenner des Ornamentstiches ja schon hin-
reichend vertraut sein; auch wird er an manchen Ecken
wohl stark das Erstlingswerk spüren; trotzdem sei aus
obigem Gesichtspunkte die Lektüre des gewandt geschrie-
benen Büchleins als lohnend und anregend, vor allem als
dem modernen Menschen von Interesse empfohlen. —
Hannover, August 1902. Albrecht Haupt.
Preisbewerbungen.
Wettbewerb um ein Titelblatt zu dem Werke „Das
Bauernhaus in Deutschland, Oesterreich-Ungarn und der
Schweiz“. Gelegentlich der Tagung des zur Herausgabe
genannten Werkes von dem Verbände deutscher Arch.-
und Ing.-Vereine, dem österreichischen Arch.- und Ing.-
Vereine und dem schweizerischen Ing.- und Arch.-Vereine
bestellten Ausschusses, die am 30. v. M. in Salzburg statt-
fand, gelangte der Wettbewerb zur Gewinnung eines ge-
meinsamen Titelblattes für dieses Werk zur Entscheidung.
Das Ergebniss war günstiger, als bei dem erstmaligen
Wettbewerbe ira vorigen Jahre (vgl. Jhrg. 1901 S. 4C0).
Unter den eingelieferten Entwürfen, von denen 10 auf
Deutschland, 5 auf Oesterreich und 6 auf die Schweiz ent-
fielen, befanden sich wenig geradezu misslungene. 8 Ent-
würfe gelangten in die engere, 4 in die engste Wahl. Als der
beste von letzteren wurde mit 4 von 7 Stimmen der Entwurf
mit demKennwort „Altdeutsch" bezeichnet und unter der,
Bedingung der Vornahme einzelner Abänderungen zur Aus-
von Glasmalereien finden sich hier. Wir wissen ferner,
dass im Jahre 1362 der Maler Hermann mit der Bemalung
des Gögginger Thorthurraes und des Heiiigkreuzthurmes
durch den Magistrat der Stadt beauftragt wurde. Die
Bemalung war vielleicht damals noch reicher als z. Zt.
der Renaissance. Das Fuggerhaus, das in dem kleinen Höf-
chen die Jahreszahl 1515 aufweist, war in seiner grossen
Fassade nach dem früheren Weinmarkt zu durch Burgk-
mair reich bemalt. In den sechziger Jahren des vor. Jahrh.
wurden diese Malereien durch die bekannten Wagner’schen
Fresken ersetzt, die aber dem alten Charakter mit ihren
rein figürlichen, ganz von der Architektur losgelösten Dar-
stellungen, nicht entsprechen.
Mehr als 3 Jahrhunderte lässt sich noch heute der
Entwicklungsgang der Augsburger Fassadenmalereien ge-
nauer verfolgen. Noch heute, noch 342 Jahren, ist die
Bemalung des Hummelhauses (nach dem Besitzer so ge-
nannt) durch den Venetianer Giulio Licinio, genannt
Pordenone, leidlich erhalten, ein Beweis für die damalige
vorzügliche Technik. Wiederherstellungsarbeiten, die 1717
an den Ecken durch Bergmüller ausgeführt wurden,
sind dagegen schon fast ganz wieder verschwunden.
Erst mit Elias Holl tritt nach 1602 eine Aenderung
ein. Auch im Relief der Fassade macht sich die Formen-
sprache der Renaissance geltend, neben der kräftigen
Gliederung tritt die Fassadenraalerei zurück, aber durchaus
nicht immer, wie uns alte Stiche der von ihm ausgeführ-
ten Thorthürme zeigen.
Ein glänzendes Beispiel der damaligen Kunstübung,
wenn auch nicht eine eigentliche Fassadenmalerei, sind die
Wandgemälde von Mathias Kager im goldenen Saale
des von Elias Holl erbauten Rathhauses, eine Kompo-
sition von grosser Schlichtheit und doch wuchtiger Wir-
kung. Von demselben Maler wurde auch 1607 das schon
10. September 1902.
ältere Haus der Weberzunft bemalt und zwar in ganz freien
Formen, mit aufgemalten Loggien, Fenstern, aus denen die
Familie Holl herausschaut, Darstellungen aus dem Leben
der Lucretia usw. Bedauerlich ist der sehr traurige Zu-
stand der Malerei. Auch das Heiligkreuzthor, das Frauen-,
thor, das Barfüsserthor waren von Kager bemalt. Leider
sind diese Thore zu einer Zeit gefallen, als man die Ver-
kehrsrücksichten noch nicht mit der Pflicht, das schöne
alte Städtebild zu erhalten, in Einklang zu bringen wusste.
Während das 16. und 17. Jahrhundert keine festen
Regeln für das Verhältniss der gemalten Architektur zum
Bauwerk selbst kannte, verfährt das 18. Jahrhundert
strenger. Die gemalte Architektur ersetzte vollständig
jede andere Gliederung, figürliche Darstellungen werden
in besondere Rahmen eingefügt, oder sie werden auf
Wolken gesetzt, ein namentlich bei Darstellungen reli-
giösen Inhalts beliebtes Motiv.
Litt Augsburg natürlich auch schwer unter dem
30-jährigen Kriege, so ging in dieser Schreckenszeit die
alte Tradition doch nicht verloren. Zu besonderem Glanze
erstand aber die Fassadennialerei aufs Neue im 18. Jahr-
hundert. Die Augsburger Schule entwickelte eine über-
aus reiche Thätigkeit, glänzende Schaffenskraft, fast in
gleichem Maasse, wie die Wessobrunner Schule, mit der
sie z. Th. Hand in Hand ging. Mehr denn je wurde die
Fassadenmalerei zur Volkskunst, schmückten sich Patrizier-,
Burger- und Bauernhäuser mit ihr. Zu nennen sind aus
jener Zeit namentlich im Anfang des 18. Jahrhunderts an
erster Stelle Bergraüller der Aeltere, ein Schüler
Wolfs in München, der Tiroler Johann Holzer, der
Schwabe Mathias Günther. Von Holzer stammt die Be-
malung des ehemaligenGasthofes zu den 3Kronen mit einem
Göttergelage (1731), ein Eccehomo am Kllnkerthore. Seine
bedeutsamsten "Werke sind die Ausmalung der Schwarz-
471
führung bestimmt. Als seine Verfasserin ergab sich die mit
dem Verlage des schweizerischen Theiles betraute Buch-
und Kunsthandlung Huber in Zürich. Von deutscher Seite
stammten 2 der in die engste Wahl gelangten Entwürfe:
die mit einer Sonne bezeichnete Arbeit und der Entwurf
„Bauernhütte". Ihre Verfasser sind die Hrn. Arch. Ernst
Kühn in Dresden und Maler Gustav Wittig in Kassel.
Der Ausschuss beschloss, beim Verbands- Vorstande zu
beantragen, dass auf diese beiden der deutscherseits aus-
gesetzte Preis von 200 M. zu gleichen Theilen vertheilt
werde. Die vierte in engste Wahl gelangte Arbeit hat
den österreichischen Arch. Hrn. Anton Weber in Wien
zum Verfasser und ist wie alle österreichischen Arbeiten,
die sämmtlich unter Namensnennung eingereicht waren,
vom österreichischen Vereine bereits honorirt worden. —
Im Anschlüsse hieran werden die Verfasser der 5 Ar-
beiten mit den Kennworten : „Wein und Brod; Kornblume;
Deutscher Frühling; Offiziell; Heimath“ gebeten, der Ge-
schäftsstelle des Verbandes, Berlin N.W. 52, Flemming-
Strasse 16, baldigst angeben zu wollen, an welche Adressen
die Entwürfe zurückzusenden sind. —
Einen Wettbewerb um Entwürfe für den Neubau einer
ev. Kirche ln Münster a. St. schreibt (jedenfalls Namens
der Kirchengemeinde) Hr. Pfarrer Zimmermann daselbst
unter im Deutschen Reiche ansässigen Archuekten mit
Frist zum I. Januar 1903 aus. Es sind 3 Preise von 1200,
900, 600 M. ausgesetzt, ausserdem bleibt nach dem Anträge
des Preisgerichtes der Ankauf von weiteren Entwürfen
zum Preise von je 300 M. Vorbehalten. Als Bausachver-
ständige gehören dem 5gliedrigen Preisgerichte an die
Hrn.: Reg.- u. Brth. v. Behr in Koblenz, Kreisbauinsp.
Stiehl in Wetzlar, Arch. L. Hofmann in Herborn. Be-
dingungen usw., sind gegen Einsendung von 5 M., die später
zurückerstattet werden, vom Ausschreiber zu beziehen. —
Zum Wettbewerb der Elly Hölterhoff-Stlftung in Honneff
nennt sich uns als Verfasser des in die engere Wahl ge-
langten Entwurfs „Rhein" noch Hr. Arch. Fritz Bleyer
in Charlottenburg. —
Personal-Nachrichten.
Bayern. Befördert sind: der Dir. -Rath Dölzer in Ingolstadt
zum Reg.-Rath, der Dir .-Ass. Friedrich bei der Gen.-Dir. der
Staatseisenb. z. Ob.-Masch.-Insp., der Dir.-Rath Opel bei der Gen.-
Dir. zum Reg.-Rath, der Dir.-Ass. Mader in Nürnberg zum Ob.-
Masch.-Insp.
Preussen. Dem Stadtbauinsp. Brth. Erdmann in Berlin ist
der Rothe Adler-Orden IV. Kl. und dem Reg.-Bmstr. Kranz in
Emden der kgl. Kronen-Orden IV. KI. verliehen.
Die Erlaubuiss zur Annahme und Anlegung der ihnen verliehenen
fremdländ. Orden ist ertheilt und zw.: dem Reg.- u. Brth. Settgast
in Berlin des Ritterkreuzes des grossherz, mecklenb. Greifen-
Ordens, dem Reg.- u. Brth. Friederichs in St. Johann a. Saar
des Ehren-Ritterkreuzes I. KI. des grossherz. Oldenburg. Haus-
und Verdienst-Ordens des Herzogs Peter Friedrich Ludwig, dem
Eisenb.-Bauinsp. Stiller in Saarbrücken und dem Eisenb.-Bau-
und Betr.-Insp. Wagner in St. Wendel des Ehrenkreuzes II. Kl.
dorfer Kirche und die Deckengemälde von St. Anton in
Partenkirchen, während Günthers Hauptwerk die herr-
liche Ausmalung der Abteikirche in Amorbach ist. 1760
wurde in Augsburg das Schauerhaus von Bergmüller
dem Jüngeren bemalt, in noch späterer Zeit das Rieger-
haus gegenüber dem Hummelhaus in der Philippine
Welser-Strasse von Joseph Christ. Aber schon macht
sich der Einfluss des Klassizismus geltend und mit ihm
schwindet die Farbenfreudigkeit.
Wie kommt es nun, dass wir jetzt der Farbe bei
unseren Bauten so schwer Eingang verschaffen können?
Ein Grund dafür ist der, dass uns der Sinn, die Empfäng-
lichkeit für kräftige positive Farben überhaupt abhanden
gekommen war. Aber schon macht sich eine Regung
nach der anderen Richtung geltend. Es wird ferner die
zu geringe Dauerhaftigkeit und der hohe Kostenaufwand
als Hinderungsgrund angegeben. Ersteres trifft jeden-
falls nicht zu. Die alten Malereien beweisen, dass bei
guter Technik ein sehr hohes Alter für dieselben erreich-
bar ist. Nur soll man alle Surrogate vermeiden, nur
guten Kalkmörtel und die alte, einfache al Fresco-Tech-
nik verwenden. Es wird auch behauptet, unsere Maler
seien zu stolz, auf das Malgerüst zu steigen, sie hätten
auch nicht die Gewandtheit. Ersteres trifft doch nur zum
Theil zu und letzterem ist nur durch Aufträge abzuhelfen.
Während man sich in der Baukunst lange an fremde
Vorbilder, namentlich aus Italien anlehnte und die Kunst der
eigenen Heimath übersah, hat die Einigung Deutschlands
auch hierin einen Wandel geschaffen, sind uns die Reize un-
serer mittelalterlichen Baukunst aufs Neue erschlossen,
sind die Blicke der gebildeten Welt auch wieder auf
Augsburg gerichtet. Mit Verständniss schliesst sich jetzt
vielfach die Erweiterung unserer alten Städte dem alten
472
desselben Ordens, dem Eisenb.-Dir. Schumacher in Potsdam
des kais. pers. Sonnen- und Löwen-Ordens III. Kl.
Der Wasser-Bauinsp. Brth. Niese in Thorn ist z. Reg.- u.
Brth., der Reg.-Bmstr. Aug. H e r t w i g in Berlin ist z. etatm. Prof,
an der Techn. Hochschule in Aachen, die Baugew.- Schullehrer
Reg.-Bfhr. Reissmüller in Posen, Ing. K n a u e r in Kattowitz
und Dipl. Arch. G ö b e I in Idstein sind zu kgl. Oberlehrern ernannt.
Versetzt sind: Der Eisenb.-Dir. Hessenraüller in Saar-
brücken als Vorst, der Werkst.-Insp. nach Halberstadt, der Eisenb.-
Bau- u. Betr.-Insp. Um lauft in Erfurt nach Eisenberg zur An-
fertigung ausführl. Vorarbeiten für Eisenberg-Porstendorf und der
Eisenb.-Bauinsp. Brosius in Kassel nach Saarbrücken als Vorst,
(auftrw.) einer Werkst.-Insp, das.
Die Reg.-Bmstr. Beeck in Duisburg , v. Sturmfeder in
Kassel und Diedrich in Essen a. R. sind zu Eisenb.-Bauinsp.,
Schuster in Harburg ist z. Wasser-Bauinsp. ernannt.
Verliehen ist: dem Reg.- u. Brth. K i e 1 in St. Joh.-Saarbrücken
die Stelle eines Mitgl. der kgl. Eisenb.-Dir. das., dem Eisenb.-Bau-
u. Betr.-Insp. Burgund in Glelwitz die Stelle des Vorst, der
Betr.-Insp. 2 das., den Eisenb.-Bauinsp. Althüser in Schneide-
raühl die Stelle des Vorst, der Masch.-Insp. 2 das. und Thomas
in Gleiwitz die Stelle des Vorst, einer Werkst.-Insp. das.
Der Wasser-Bauinsp. Hentrich in Krefeld ist aus dem
Staatsdienst ausgeschieden. Dem Reg.-Bmstr. Hrcb. Lothes in
Hirschberg i. Schl, ist die nachges. Entlass, aus d. Staatsdienste ertheilt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. L. Sehn, in Oppeln. Gegen das Urtheil, welches
den Zusländigkeits-Einwand ohne Begründung verworfen hat, wür-
den Sie Berufung haben einlegen und so die Sache zur Entschei-
dung des Landgerichtes bringen können. Allerdings lässt sich ohne
Kenntniss der Akten nicht beurtheilen, ob Sie mit der Berufung
Erfolg gehabt hätten. Vielleicht ist der Einwand, welcher vor Ein-
tritt in die Verhandlung zur Hauptsache zu erheben war, verspätet
angebracht, vielleicht genügte seine Begründung dem Gerichte nicht.
Ein Urtheil des hiesigen Gewerbegerichtes bekannt zu geben, lehnt
unser Mitarbeiter ab, weil die ihm verfügbaren in amtlicher Eigen-
schaft ihm zugegangen sind und er sich zu deren Weitergabe nicht
berechtigt hält. Wir stellen anheim, sich an den Vorstand des Ar-
chitekten-Vereins oderderBerlinerBau-Innungoderan den Magistrats-
Assessor Dr. V. Schulz zu wenden, welcher Vorsitzender des Berliner
Gewerbegerichtes ist. Wir fürchten indess, dass der letztere gleich-
falls aus seiner amtlichen Eigenschaft Bedenken hegen wird, Urlheile
an Nichtbetheiligte am Rechtsstreit zu geben. — K. H-e.
Hrn. Arch. M. in Gels. Ein Sack Portlandzement zu 50 kg
Gevueht enthält 36 1, es würde sich also ein Raumverhältniss von
1 : 14 ergeben. Bel der Beurtheilung der Güte eines Betons nach
dem Mischungsverhältniss ist aber vor allem das Verhältniss von
Zement und Sand zu berücksichtigen. Wollen Sie sich also ein
Bild von dem Werthe des Betons verschaffen, so ist vor allem der
Sandgehalt des Kieses zu ermitteln. —
Hrn. K. P. in Rodlng. Asphaltbelag in derartigen Pissoirs
hat sich durchaus bewährt. Die zahlreichen öffentlichen Bediirfniss-
Anstalten in Berlin sind in dieser Weise ausgeführt. —
Inhalt : Die XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Archi-
tekten- und Ingenieur-Vereine zu Augsburg vom i. — 3. September 1902
(Fortselzung). — Tvinkwasser-Reinigung durch Ozon. — Jlittheilungen aus
Vereinen. — Augsburger Fassaden-Malereien. — Vermischtes. — Bücherschau.
— Preisbewerbungen. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!, i. V. F. Eiselen, Berlin. Druck von Wüh. Greve, Berlin.
Stadtkern an, bemüht man sich namentlich dem letzteren
seinen eigenthümlichen Charakter zu erhalten. Selbstver-
ständlich soll man bei nothwendigen Neuanlagen nicht
sklavisch das Alte nachahraen, man muss und kann den
modernen Anforderungen Konzessionen machen und trotz-
dem den alten Charakter erhalten. Das Vorgehen von
Köln, Bremen, Lübeck, Hildesheim und anderen Städten
ist ein schlagender Beweis hierfür.
Leider geht der Einheimische oft achtlos an dem vor-
über, was den Fremden entzückt, leider geht ihm in dem
begreiflichen Wunsche, auch an den Vortheilen der Neu-
zeit theilzunehmen, oft erst zu spät das Verständniss auf,
für das, was er von dem alten Reize seiner Vaterstadt
leichtfertig opferte. Auch Augsburg zeigt leider schon
mehrfach solche Eingriffe. Das Riedingerhaus, das Börsen-
gebäude in der alten Hauptstrasse der Stadt, fallen ganz
aus dem Rahmen, noch mehr gesündigt ist stellenweise
an Privat-Gebäuden. Erfreulich sind dagegen die neueren
Bestrebungen der Stadtgemeinde, die mit gutem Beispiele
vorangeht. So fügt sich z. B. das neue Polizeigebäude treff-
lich in den alten Rahmen ein.
Es wird nun vielfach der Vorwurf erhoben, dass durch
solche Erhaltung des Alten der neuen Kunst der Weg
verschlossen werde. Es wird angeführt, dass frühere Zeiten
nicht so verfuhren, dass sie rücksichtslos mit dem Alten
aufräumten, um für ihre eigene Kunst Raum zu schaffen;
das soll uns aber kein Vorbild sein, vielmehr sollen wir
in dem unvermeidlichen Kampfe zwischen Pietät und
Geldinteressen, auf Seiten der ersteren mitkämpfen. Das
gilt auch in besonderem Sinne für Augsburg, das seinem
alten Wahlspruche auch auf dem Gebiete der Kunst getreu
bleiben möge:
Hic justitiae et pietatis sedes. —
No. 73.
EUTSCHE
XXXVI JAHR-
H«BBRLIN %
stsa:sts!s!s:s:s;s;a:
s«s?sr«sr«!st«!srstftstst
AUZEITUNG.
GANG. Hs Hs N2; 74. H«
DEN 13. SEPT. igo2.
«srstssÄStÄstsfsrsrsssra:
üuck in die^Maxinnhan-Strasse in Augsburg mit dem Perlachthurm und dem Rathhaus.
(Original- Aufnahme von Hof-Photograph Höfle in Augsburg.)
Die XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Arch.- und Ingen.- Vereine
zu Augsburg vom 1. — 3. September 1902.
11. Die Besichtigungen,
|s ist schon erwähnt worden, dass an den
I beiden Vormittagen des i. und 2. September
1 während der Festsitzungen für die an
der Wanderversammlung theilnehmenden
^ Damen Wagenfahrten vorgesehen waren,
bei welchen sie ein Bild von der Stadt und von
solchen Anlagen gewinnen konnten, für welche von
ihnen besonderes Interesse erwartet werden durfte.
Der erste Besuch galt der Augsburger Bunt-
weberei von L. A. Riedinger, die im Jahre 1865
gegründet, 1880 in eine Akt.-Gesellschaft umgewandelt
wurde. Sie arbeitet 2. Zt. mit 812 P. St. Wasserkraft,
840 P. St. Dampfkraft, 1000 Webstühlen und 10500
Spindeln. Die Zahl ihrer Arbeiter ist 1250. Sie ist
mit einer vollständigen Einrichtung zum Färben,
Rauhen, Appretiren versehen.
Von dort fuhr man zum Maximilians-Museum,
einst bewohnt von Philippine Welser, der späteren
Gemahlin des Erzherzogs Ferdinand von Oesterreich.
Es enthält die Sammlungen des historischen und
naturwissenschaftlichen Vereins, unter denen
sich manch’ werthvolles Stück findet.
Den Beschluss der Besichtigungen am ersten Tage
bildete ein Besuch des Kaufhauses Kröll & Nill,
einer imaltenFuggerhausein der Philippine W elser-
Strasse von Arch. Jean Keller in Augsburg unter
pietätvoller Erhaltung des alten inneren Ausbaues und
geschickter Anpassung an ihren modernen Zweck aus-
geführten Anlage. Die spätgothisch gehaltene Fassade
ist neu bis auf das schöne alte Portal ; der mit mehr-
stöckigen Arkaden umzogene alte Hof ist dagegen unter
Erhaltung der Säulen, Gewölbe und Gallerien in eine
mit Glas überdeckte grosse Kaufhalle umgewandelt.
Allerdings musste, um den baupolizeilichen Anforde-
rungen zu genügen, ein Theil des Hofes offen gehalten
werden; die eine Arkadenwand der Halle ist daher ein-
geschoben, aber getreu dem alten Muster nachgebildet.
Die oberen Wohnräume enthalten schöne alte Holz-
decken, die erst beim Umbau unter dem Putz wieder
zutage getreten sind. So ist hier eine Anlage von eigen-
artigem Reiz entstanden und es muss als ein Verdienst
der jetzigen Besitzer anerkannt werden, dass sie, auf
weitgehendste Ausnutzung des Grund und Bodens ver-
zichtend, erhaltcnhaben, was sich dem modernen Zwecke
einigermaassen anpassen Hess. Die Besichtigung des
Hauses und des Lagers fand den vollen Beifall der Be-
sucher, und ein von denBesitzern in ihrenWohnräumen
dargebotenes Frühstück wurde gerne angenommen.
J Am 2. Tage wurde von den Damen zunächst die
neue Augsburger Kattunfabrik besucht. „Neue“
473
heisst sie seit ihrem Uebergange 1885 an eine neue
Akt.-Gesellschaft. Als „Augsburger Kattunfabrik“ 1780
gegründet, war sie die erste Anlage dieser Art in
Deutschland!, Sie hatte später zeitweise sehr unter der
Ungunst der Verhältnisse zu leiden. Sie beschäftigt
z. Zt. etwa 500 Arbeiter. Ein 2. Besuch galt der kgl,
Gemälde-Gallerie im ehemaligen St. Katharinen-
Kloster, das einige hervorragende Stücke aus der
Kunstblüthe Augsburgs im Anfänge des XVI. Jahrh.
von H. Holbein dem Aelteren und H. Burgkmair
besitzt. Den Beschluss bildete eine Besichtigung der
Koch- und Haushaltungsschule, über welche wir
ein Urtheil den Damen allein überlassen müssen.
Am Nachmittage des 2. September fanden dann
in 5, Gruppen fach wissenschaftliche Besichti-
gungen statt, an denen sich zumtheil auch Damen
in grösserer Zahl betheiligten. Sie galten den her-
vorragenden Bauten der Altstadt (115 Personen), den
neueren Bauten (41 Personen), der Lokalbahn
und verschiedenen F abrikanlagen (72 Personen), der
Hessing’schen orthopädischen Heilanstalt in
Göggingen (47 Personen) und schliesslich dem Elek-
trizitätswerk in Gersthofen (72 Personen). Der
Wissensdrang war nach den angegebenen Zahlen also
trotz der drückenden Schwüle, welche die Tage der
Wanderversaramlung auszeichnete, ein recht grosser.
Die I. Gruppe begann ihren Rundgang beim-
Annahof und, der St Annakirche, die in ihrem
Haupttheile späthgothisch (1472— 1510), im mittleren
Theile in den- Formen der Renaissance umgebaut ist
und am westlichen Ende die prunkvolle Grabkapelle
der Familie Fugger, das älteste Denkmal der Re-
naissance in Deutschland enthält. Wir haben dieser
Kapellfe in Nö. 69 bereits besondere Betrachtungen in
Wort, und Bild gewidmet. Von dort ging es durch
die Ludwigstrasse über den Frohnhof zum alten Dom,
dessen Anlage bis auf das Jahr 995 zurückgeht. Aus
der ursprünglichen romanischen Pfeilerbasilika wurde
1321, — 1431 eine 5-schiffige gothische Kirche geschaffen,
die durch Hinzufügung des Ostchores mit Kapellen-
umgang eine wesentliche Erweiterung erhielt. Be-
merkenswerth sind die alte romanische Bronzethür an
der Südseite des Langschiffes, Reste romanischer
Malereien an der Nordwand des Mittelschiffes und
einige Glasfenster aus dem XI. Jahrhundert, die wohl
als die ältesten. Beispiele, dieser Kunstübung in Deutsch--
land angesehen werden dürfen (vgl. auch die Abbildung
des Südportals in No. 65). Durch verschiedene malerische
Strassen, an denen Augsburg keinen Mangel hat, und
von denen unsere Abbildg. S. 473 eines der schönsten
Von der I. internationalen Ausstellung für moderne
dekorative Kunst in Turin.
III. (Hierzu eine Bildbeilage und die Abbildungen S. 4^6 u. 477.)
usstellqngsbauten nehmen ihren eigenen Platz in dem
weiten Gebiete der Baukunst ein; mit dem Frühjahr
wachsen sie empor, im Herbste beschliessen sie mit
wenigen Ausnahmen ihr Dasein. Es sind flüchtige Kinder
der Phantasie, die der Architekt hinsetzt und die nun da-
stehen, dem Urtheil überlassen. Aber nicht Jedem. Man
darf nicht urtheilen mit der Würde eines Hohenpriesters, der
über die strengen rituellen Vorschriften eines Glauljens
zu wachen hat, und der jeden Fehltritt unnachsichtlich
ahndet, denn dann urtheilt man falsch und ungerecht.
Aussteilungsbauten sind Phantasiebauten, sie führen
ein kurzes traumhaftes Dasein, sie verneinen so die Ge-
meinschaft mit allen übrigen Bauwerken, sie widersprechen
so in ihrem ganzen Aufbau dem Urgesetz der Baukunst,
der langen Dauer, die trotziger Menschensinn dem ewigen
Vernichtungsprozess der Natur entgegensetzte, und doch
leben sie in denselben Formen, und doch sind es Raum-
schöpfungen, wie ihre ernsten Mitschwestern.
Mit der Leichtigkeit des Materials ringt sich auch die
raumbildende Phantasie in diesen Aufgaben von jener nie-
derdrückenden Wucht aller der Elemente los, die in dem
realen Gehalt jeder ernsten Bauaufgabe enthalten sind und
die sie an der freien Entfaltung ihrer Raumideen hindern.
Mit glücklichem Leichtsinn folgt sie in diesem Falle, von
allem Ballast entladen, einmal in fast ungebundener Frei-
heit ihren eigenen Gesetzen und erobert sich damit einen
eigenen Platz. So nehmen die Ausstellungsbauten eine
Beispiele zeigt, führte dann- der Weg zur- „Fuggerei“
jener ältesten Wohlfahrts- Anlage auf dem Gebiete des
Wohnungswesens, die auch wir schon mehrfach erwälint
haben (z. B. beiBesprechung der Festschriften vgl. S; 427).
Von da ging es zum Rathhaus, dem Meisterwerk
Elias Holis (siehe die Abbildung des Aeusseren -in
No. 53 und des goldenen Saales in No. 73), durch
die Hauptstrasse der Stadt, die Maximilianstrasse, zuin
Fuggerhause und den an seiner Rückseite gelegenen
Fuggerbädern (1570 — 72), von deren reicher Pracht
die Abbildung in No. 73 ein schwaches Abbild giebt,
an dem stattlichen, ebenfalls von Elias Holl erbauten
Zeughause (jetzt Hauptfeuerhaus) mit seiner prächtigen
in Erz gegossenen Gruppe über dem, Hauptportale
weiter zur St. Ulrichskirche. Diese bildet nach Be-
seitigung der Häuserreihe, welche früher' den jetzigen
Maximiliansplatz in 2 Arme theilte, den weithin sicht-
baren Abschluss der malerischen Maxirailianstrasse
mit ihren schönen Brunnen; von denen wir in No. 65
den Augustusbrunnen unmittelbar am Rathhause
und in No. 72 den mittleren Theil des künstlerisch
jedenfalls amhöchsten stehenden Herkulesbrunnens
wiedergegeben haben; Die Kirche,, denn wenn es- auch
thatsächlich 2 Kirchen, eine protestantische und eine
katholische, sind,, die rechtwinklig zu einander stehen,
so ist doch nur die eine,, die katholische, von ihnen
bemerkenswerth, ist eine ehemalige Klosterkirche.
Die hinter ihr gelegenen ausgedehnten Klosterbauten
dienen jetzt als Kavallerie-Kaserne. Sie stammt aus
dem Ende des XV. Jahrhunderts und zu ihrem Chor
legte 1500 Kaiser Maximilian I. selbst den Grundstein.
Das prunkvoll ausgestattete Innere enthält viel sehens-
werthe Stücke an reichen, bemalten, holzgeschnitzten
Altären, Denkmälern (Grabmal von Hans Fugger),
kunstvollen, perspektivisch wirkenden,, geschmiedeten
Eisengittern aus dem XVI. Jahrhundert, ferner eine
schöne Kreuzgruppe, Anfangs des XVII. Jahrhunderts
von Reichel & Neidhardt in Bronce gegossen, und
anderes mehr. Für den Architekten interessant ist
auch das mehrere Meter weit über die stützenden
Pfeiler vorschwingende Gewölbe des Simpertus-Chores,
Aus dem Jahre 1881 stammt der zierliche gothische
Vorbau am Nordporta! der Kirche, den wir in No. 65
dargestellt haben.
Die 2. Gruppe wandte sich den Neubauten- der
Stadt zu. Wenn eine Stadt wie Augsburg eine solche
Fülle schöner alter Architekturbilder besitzt, so ist es
für den modernen Architekten naturgemäss recht
schwer, sich dagegen geltend zu machen, daneben in
Ehren zu bestehen, besonders schwer, wenn sich seine
ungefähre Zwischenstellung zwischen den Raum-Phanta-
sien eines Rieth, Kreis, Schumacher und den ernsten
Monumental-Bauten ein.
Es wird nun Niemandem einfallen, an eine Raum-
phantasie, die irgend welche Stimmung verkörpern soll, mit
der Forderung der Konstruktionswahrheit oder Material-
gerechtigkeit heranzutreten. Warum erhebt man aber
an Ausstellungsbauten, die in der Flüchtigkeit ihres Da-
seins und der Dürftigkeit ihrer Ausführung auch nur als
Raumidee gelten können, die statt auf Papier in den Raum
gesetzt, mit aller Nachdrücklichkeit dieselben Forderungen
wie an einen Monumentalbau? Wohin kommen wir, wenn
wir an den Kuppelbau D’Aronco’s die Forderung der
Konstruktionswahrheit und Materialgerechtigkeit steilen?
Ja, der Kuppelbau könnte auch ohne die Strebepfeiler-
Anlage bestehen, also wäre die Konstruktion überflüssig
und unwahr, und der Kritiker im langen Talare dürfte über
diese ästhetische Ungeheuerlichkeit entrüstet den Rücken
wenden?. Auf jeden raumempfindenden Menschen aber
wirkt der hinreissende Schwung im Aufbau dieser Kuppel,
trotz aller Konstruktions-Verschleierung. Entweder müssten
wir also von jenem architektonischen Grundgesetz absehen,
oder wir müssten unseren Empfindungen misstrauen.
Das ist in dem Augenblicke nicht mehr nöthig, in welchem
wir dem Kuppelbau jenen Platz anweisen, den er allein
bei einer Beurtheilung einnehmen kann.
Nur mit dem Unterschiede, dass jene Raumphantasien
nur der Fläche angehören, diese aber dem Raum mit
seinen Gesetzen. Umgiebt jene der Geist des Künstlers
gewissermaassen mit einem Schutz gegen jeden Einfluss
der mächtigen Natur, so ist hier das Werk einmal in den
Raum gesetzt, in den ehernen Kreis der Naturgesetze ge-
No. 74.
474
Bauten nicht in den aussen liegenden, modernen
Stadttheilen befinden, in denen ihm eine grössere Be-
wegungsfreiheitmöglich ist, wenn sie vielmehr im Innern
der Altstadt sich dem alten Rahmen einfügen sollen.
Dass es bei einer solchen Sachlage nicht ohne Miss-
griffe abgeht, ist menschlich, und auch Augsburg nicht
erspart geblieben ; um so erfreulicher ist es, dass jetzt
der richtige Weg gefunden zu sein scheint, um Altes
und Neues in einen wohlthuenden Einklang zu bringen.
Ein besonders glückliches Beispiel dieser Art ist
das von der Stadt erbaute neue Polizeigebäude in
der Maximilianstrasse gegenüber dem Rathhause,
das sich vortrefflich in seine Umgebung einpasst.
Die Fassaden sind im Charakter der strengeren Augs-
burger Renaissance gehalten und von vornehmer
Schlichtheit. Die Baukosten stellen sich auf i Milk M.,
dazu kommen 600 000 M. für Grunderwerb. Der Bau
wurde im Frühjahr d. J. bezogen. Wir haben schon
erwähnt (S. 426), dass der Entwurf das Werk des
Hrn. Ob.-Brths. Steinhäusser unter Mitarbeit des
Hrn. Ob.-Ing. Schempp ist, welch’ letzterem auch die
Ausführung oblag. Bei der Ausgestaltung der Fassade
lieh Hr. Prof. Friedrich von Thiersch seinen künst-
lerischen Beirath. In ansprechenden modernen Barock-
formen bewegt sich der ausserhalb der alten Um-
wallung vor dem Rothen Thore gelegene städt.
Schulbau, der im Herbste v. J. seiner Bestimmung
übergeben wurde und von Hrn. Ing. Müller ent-
worfen und ausgeführt ist. Die Kosten stellen sich
auf 16,45 M. für I umbauten Raumes. Zu den
neuesten, erst der Vollendung entgegengehenden städt.
Hochbauten gehört das neue städt. Volksbad, das
in der unteren Altstadt nach den Plänen des Hrn. Ob.
Brth. Steinhäusser unter Mitarbeit des auch die
Ausführung leitenden Hrn. Arch. Stein mit einem
Kostenaufwande von 685 000 M. errichtet wird. Von
diesen Kosten entstammen 360 000 M. einer Stiftung
der Familie Förster. Die bedeutende, mit allen neu-
zeitlichen Einrichtungen ausgestattete Anlage besitzt
neben Dampf-, Schwitz- und Brausebädern, 2 grosse
Schwimmhallen für Männer bezw. Frauen, deren
erstere 20,40 zu 32,70™, die letztere 16,8 zu 24,35™
Grundfläche besitzt.
Von den älteren Ausführungen der Stadt im
neueren Stadttheil nach dem Bahnhof zu wurde die
von uns schon im Jhrg. 1894, S- 233, mit Abbildungen
beschriebene Stadtbiblio'thek, das erste Werk
Steinhäusser’s, unter Mitarbeit vonM. Dülfer, be-
sichtigt und schliesslich das stattliche Stadt theater,
wohl der erste der vielen in Deutschland ausgeführten
rückt und damit nicht mehr allein menschlichem Willen
und der Büdungskraft des Künstlers unterworfen.
Durch alle diese Betrachtungen schimmert der Kern,
dass der Werth und die Wirkung einer architektonischen
Aufgabe vor allem von dem originellen Baugedanken
abhängt, und dass formale und konstruktive Fragen erst in
zweiter Linie kommen. Damit sehen 'wir, dass die Bau-
kunst auf derselben Grundlage mit den übrigen Künsten
ruht, auf dem Schaffen der Phantasie, denn jeder Bau-
gedanke ist weiter nichts als ein Produkt der raum-
bildenden Phantasie.
Es gilt also zunächst bei Beurtheilung aller Bauwerke,
den Werth des Baugedankens festzustellen, das echte Kri-
terium des Künstlerthums und dann erst den Fragen nach
Konstruktionswahrheit, Materialgerechtigkeit nachzugehen,
Fragen, die nur in einer Zeit die Aufmerksamkeit er-
regen konnten, in welcher man schülermässig Baukunst
begreifen lernen musste, und die nun zu einer Wichtigkeit
emporgeschraubt waren, wie dem Quartaner einzelne
lateinische Merkregeln, die mit dem Geiste der Sprache
nichts zu thun haben.
Gerade die in der Gegenwart aus allenWinkeln undSpal-
ten der Tagesblätter, kunstgewerblichen und ästhetischen
Schriften wie mit Posaunenstössen uns entgegentosenden
Rufe von der Konstruktionswahrheit und Materialgerech-
tigkeit haben Verwirrung bis in die letzten Reihen getragen;
da ist es denn Zeit, einmal in aller Kürze auf den wahren
Kern aller Baukunst hinzuweisen. Diese Schlagworte
ruhen geradezu wie ein Fluch auf allem architektonischen
und kunstgewerblichen Schaffen der Neuzeit.
Mit aller Aengstlichkeit ist man darauf bedacht, kon-
struktiv wahr zu arbeiten, so sehr, dass man sich für mo-
Theaterbauten (1876 — 77) der auf diesem Gebiete so
fruchtbaren Architekten-Firma Fellner & Helmer in
Wien. Bei der knappen Zeit, die zur Verfügung
stand, war es nur noch möglich mit dem Besuche
zweier kleiner Villen, an welchem wir leider nicht
theilnehmen konnten und des schon erwähnten Kauf-
hauses im alten Fuggerhaus die Besichtigung der
neueren Bauten abzuschliessen.
Galten diese Besichtigungen vorwiegend denArchi-
tekten, so fehlte es auch für die Ingenieure an inter-
essanten Darbietungen nicht. Von den beiden Gruppen,
die sich diesem Gebiete zuwandten, wurde die eine
nach einer Rundfahrt auf der Stammlinie der sog.
Lokalbahn in eine Reihe von Fabriken, die Ma-
schinen- und Röhrenfabrik von Haag, die Fein-
spinnerei (Altbau der Mechanischen Weberei und
Spinnerei) und in die sich eines Weltrufes erfreuende
Augsburger Maschinenfabrik geführt. Die Lokal-
bahn ist ein in seiner Art einzig dastehendes Unter-
nehmen, das der Entwicklungsweise der Augsburger
Industrie, die sich ohne festen Plan, nur angezogen
von einer bequemen Gelegenheit zur Ausnützung der
vorhandenen Wasserkräfte, rings um Augsburg
herum ansiedelte, seine Entstehung verdankt. Die
Nothwendigkeit des Anschlusses aller dieser Einzel-
unternehmen an die Eisenbahn, der sich mit der Zeit,
namentlich als die Wasserkraft auch durch die Dampf-
kraft unterstützt werden musste, als ein unbedingtes
Erforderniss herausstellte, liess aus privater Initiative
diese vom Staatsbahnhof ausgehende, die Stadt um-
kreisende und ihre Flügelgleise in alle Fabrikanlagen
entsendende Bahn für den Lokalgüterverkehr entstehen,
deren Betrieb auf Rechnung der Lokalbahn-Gesellschaft
die Staatsbahnverwaltung selbst übernommen hat.
Die Bahn ist normalspurig und wurde trotz der
schwierigen Aufgabe, sie durch z. Th. eng bebaute
Industrieviertel nachträglich hindurch zu führen, mit
für den Betrieb verhältnissmässig günstigen Steigungs-
und Krümmungs-Verhältnissen ausgeführt. Die Bahn
steht seit 1892 im Betriebe. Später sind dann noch an
die eigentliche Gürtellinie nach den Vororten führende
Zweige angeschlossen worden. Die „AugsburgerLokal-
bahn“ besitzt insgesammt 55,83 Gleislänge und ver-
mittelt den Verkehr von 32 Firmen mit 37 Anschlüssen
und I öffentl. Verfrachtungsstelle. Auch in technischer
Beziehung bietet sie manches Bemerkenswerthe. Für
dieBesichtigung der schon erwähntenFabriken, nament-
lich der Maschinen-Fabrik Augsburg, blieb leider nur
sehr kurze Zeit. Die Besucher wurden dort von Hrn.
Dir. Kommerz.-Rath Heinrich Buz empfangen und vor
ralisch verpflichtet fühlt, auch jede eiserne Schiene in ihrer
nackten Scheusslichkeit nach aussen hin zu präsentiren, als
Zeugniss seiner konstruktiven Ehrlichkeit und Wahrheits-
liebe. Das ist ja sehr schön, den Organismus seines
Baues zu betonen, es ist aber nicht das Höhere im Bau-
schaffen. Das Höhere im Bauschaffen, gewissermaassen
der Idealismus im Gegensatz zum organischen Naturalismus
wird immer das vorwiegend phantasievolle Arbeiten des
Architekten sein, bei welchem konstruktive Erwägungen
nur dunkel mitwirken, aber sich nicht krass in den Vor-
dergrund schieben.
Denn dass man bei solchen Ueberlegungen und ängst-
lichem Aufpassen, ob man dem Leitfaden in allen seinen
Regeln folgt, den Hauptgedanken aus den Augen verliert,
scheint nur wenigen zum Bewusstsein zu kommen. Sind
diese Schlagworte den Schaffenden schon verderblich, so
werden sie eine furchtbare Waffe in den Händen der Laien-
kritiker, die mit diesen Formeln alles zermalmen können,
was ihnen in den Weg kommt, besonders, wenn sie auch
das Prinzip der Nützlichkeit in ihren Katechismus thun.
Schöpfungen der baulichen Phantasie prometheischer
Naturen können vor ihren gestrengen Blicken nicht be-
stehen, denn die Phantasie gebiert ja Dinge, die man
nicht immer registriren, die man nicht verstandesmässig
auflösen kann und damit ist der Schöpfung der Todes-
stoss gegeben. So ist es denn nicht zu verwundern, dass
auch der Kuppelbau D’Aronco’s ein Opfer jener Laien-
kritik und jener Künstler geworden ist, die da vorwiegend
nach der Konstruktionswahrheit und Materialgerechtigkeit
auslugen. Dass hier die Grundgewalt im Baugedanken
liegt, in der mächtig sich entwickelnden Kuppel, die ihre
zentrale Stellung zu den angebauten Gallerien so charakte-
13. September 1902.
475
III. Die Vorträge.*)
a) Die Stellung der Architekten und Ingenieure zur
Wohnungsfrage.
(Nach dem Vortrage des Hrn. Geh, Bauraths J. Stübben in Köln.)
Der Vortragende will nicht sprechen über die Woh
nungsfrage an sich, sondern über den Antheil, den die
deutschen Architekten und Ingenieure an der Lösung
der Wohnungsfrage nehmen sollen. Letztere kennzeich-
net er vorab kurz als die Frage nach den Maassregeln
zur Bekämpfung der Wohnungsnoth in ihren fünf Er-
scheinungsformen: Mangel an verfügbaren Wohnungen,
Ueberfüllung der Wohnungen, schlechte Beschaffenheit
derselben, Anhäufung grosser Menschenmengen in Massen-
miethhäusern, hohe Miethpreise. Während Volkswirth-
schaftslehrer und Hygieniker mit der Wohnungsfrage in
den letzten Jahrzehnten sich in eingehender Weise be-
schäftigen, haben sich diesem Gegenstände bisher nur ver-
hältnissmässig wenig T echniker gewidmet, unter welchen die
Namen Baumeister, Olshausen, Albrecht, Goecke,
Goldschmidt, Unger, Pommer, Schilling rühmend
Kapelle von Architekt O. Lüer in Hannover.
Von der I. internationalen Ausstellung für moderne dekorative Kunst lnj;Turin.
der Abfahrt durch einen^ Imbiss gestärkt. Auf; die
Besichtigungen selbst einzugehen, müssen wir uns
leider versagen.
Ganz besonderes Interesse erregte schliesslich der
Besuch des Elektrizitätswerkes bei Gersthofen,
nächst dem grossen Werke von Rheinfelden die be-
deutendste Wasserkraft-Anlage dieser Art in Deutsch-
land. Die Erschienenen wurden dort von Hrn. Dir.
Jordan der Akt.-Ges. vorm. Lahmeyer & Cic. in
Frankfurt a. M., der Erbauerin des Werkes, begrüsst
und nach einem von Hrn. Ob. -Ing. Natterer gehalte-
nen Vortrage in den Anlagen geführt.
Das anfangs 1902 dem Betriebe übergebene Werk
nutzt einen Theil der Wasserkräfte des Lechflusses
nördlich derStadt Augsburg zur Erzeugung elektrischer
Energie aus, die theils für Licht und Kraftübertragungs-
Zwecke in der Stadt Augsburg und einer Reihe um-
liegender Ortschaften verwendet, theils an die dicht
bei dem Werke gelegene chemische Fabrik der Farb-
werke vorm. Meister, Lucius &
Brüning, Höchst a. M., abgegeben
wird. Bei N.-W. stehen für den Be-
trieb desWerkes 50— öo^bni/Sek. zur
Verfügung bei 10“ nutzbarem Ge-
fälle, sodass mindestens 5000 P. St.
gewonnen werden. Die Anlage be-
steht aus einem unterhalb der Ver-
einigung von Wertach und Lech er-
bauten festen Stauwehr von 80“
Breite, einem 7,3^“ langen Trieb-
werks - Kanal mit 2 hintereinander
geschalteten Kammerschleusen ne-
ben dem Kraftwerke zur Durch-
schleusung von Flössen, einem Aus-
gleich-Stauweiher von 370 000
Fassungskraft, der infolge des in
den verschiedenen Tageszeiten
wechselnden Kraftbedarfes des
Werkes erforderlich wird, und
schliesslich aus dem eigentlichen
Kraftwerke mit Turbinen-Anlage
und den Dynamo-Maschinen.
Es sind 5 Ueberdruck-Radial-
Doppelturbinen mit wagrechter
Welle zur unmittelbaren Kuppelung
mit den Dynamomaschinen aufge-
stellt. Sie leisten je 1500 P. St. bei
96 Umdrehungen in 1 Minute. Von
ihnen werden 3 Gleichstrom -Ma-
schinen von je 1000 Kilowatt bei
220 Volt Spannung und 3 Dreh-
strom-Maschinen von je 1250 Kilo-
watt bei 5000 Volt Spannung ange-
trieben. ErsteredienendenZwecken
der chemischen Fabrik, letztere der
Versorgung Augsburgs und seiner
Vororte mit elektrischer Energie.
Einen neutralen Charakter zeigte
schliesslich der 5. Ausflug, mit dem
wir unseren Bericht schliessen, der
nach der bekannten orthopädi-
schen Heilanstalt in Göggingen
gerichtet war. Hier führte Hr. Hessing, der verdienst-
volle Schöpfer dieser segensreichen Anstalt selbst, un-
terstützt durch Hrn. Arch. Schnell. Man unternahm
einen Rundgang durch die neue Anstalt und die Kirche
(Arch. Jean Keller in Augsburg), die Gartenanlagen,
die Oekonomiegebäude und Werkstätten, schliesslich
das Kurhaus mit dem Palraenhaus, in dessen Restau-
rations-Räumen Erfrischungen geboten wurden. Die
von ihrem rastlosen Schöpfer ständig vergrösserte und
verschönerte Anstalt fand auch vom Standpunkte ihrer
baulichen Anlagen allgemeinen Beifall.
Alles in allem war es ein interessantes Programm,
das den Theilnehmern der Wanderversammlung in
den Besichtigungen geboten wurde, das nur leider
den üblichen Fehler solcher Veranstaltungen zeigte,
dass die knappe Zeit ein Verweilen bei dem einzelnen
Gegenstände nicht getattete. — Fr. E.
476
hervorzuheben sind. Die Verallgemeinerung dieser Be-
theiligung ist für die deutschen Baumeister, die durch ihren
Beruf dem Wohnungswesen so nahe stehen, ein Gebot
der sozialen Pflichterfüllung:. Für den heutigen Vortrag
hat Redner auf der vorjährigen Abgeordneten-Versamm-
lung die folgenden Leitsätze aufgestellt, welche inzwischen
von zahlreichen Verbandsvereinen berathen und zumeist
zustimmend beantwortet worden sind:
A. Allgemeine Thätigkeit der Architekten
und Ingenieure.
1. Sammlung und Veröffentlichung mustergiltiger Bau-
Entwürfe mit Konstruktions-, Baukosten- und Ertrags-
Angaben’und sonstigen Erläuterungen.
2. Unterstützung von gemeinnützigen Baugesellschaften
durch unentgeltliche Rathschläge und Entwürfe.
*) Wir können uns io derWiedergabe nicht an die thalsachliche Reihen-
folge halten, wie sie in uns. frOhereu Bericht angegeben ist. Den Vortrag über
.Augsburger Fassaden-Malereien“ haben wir schon inNo.79vorausgeschickt
No. 74.
3- Theilnahme an der Gründung gemeinnütziger Bau-
gesellschaften. Anregung dazu.
4. Eintritt in die Vorstände und Aufsichtsräthe solcher
Gesellschaften.
5. Theilnahme an statistischen Erhebungen über die
Wohnungsverhältnisse. Anregung dazu.
6. Mitwirkung bei der behördlichen Wohnungs-Inspektion
(Wohnungspolizei, Wohnungspflege); Anregung dazu.
7. Oeffentliche Vorträge über die Erscheinungen der
Wohnungsnoth, deren Ursachen und Abhilfemittel.
8. Litterarische Arbeiten in diesem Sinne.
B. Thätigkeit der Baubeamten im besonderen.
9. Wohnungsfürsorge für die eigenen, bei staatlichen
oder kommunalen Betrieben beschäftigten Arbeiter
und Unterbeamten.
ro. Einrichtung und Leitung, bezw. Mitwirkung bei der
Einrichtung und Leitung der behördlichen Wohnungs-
Inspektion (Wohnungspolizei, Wohnungspflege).
II. Einwirkung darauf, dass bei Verkauf und Vererb-
pachtung staatlichen und gemeindlichen Baugeländes
mässige Preise und geeignete Bedingungen für den
Bau billiger Wohnungen gestellt werden.
12. Durchsicht der Baupolizei- Verordnungen (Bauordnun-
gen, Baustatute) und Beseitigung der entbehrlichen,
das Bauen kleiner Häuser und Wohnungen erschwe-
renden oder venheuernden Bestimmungen. Abstufung
der Bauordnungen.
13. Durchsicht der Ortsbaupläne und Beseitigung entbehr-
licher, das Bauen kleiner Häuser und Wohnungen er-
schwerender Festsetzungen.
14. Stärkere Berücksichtigung des Bedarfs an kleinen
Häusern und Wohnungen beim Entwurf von Be-
bauungsplänen und Bauordnungen.
15. Einwirkung auf frühzeitige Ausdehnung der Strassen-
bahnlinien und der Leitungsnetze für Entwässerung,
Licht und Wasserversorgung, sowie auf geeignete Fest-
setzung der Strassenkosten-Beiträge und auf Verbesse-
rungen im Schätzungswesen.
C. Thätigkeit der Architekten- u. Ingen.-Vereine.
16. Anregung der Behörden, sowie Anregung und För-
derung der Vereinsgenossen nach den vorgenannten
Gesichtspunkten.
Die Sammlung und Veröffentlichung muster-
giltiger Bauentwürfe mit erläuternden Angaben soll
Oesterreichisches Haus. Architekt: Brth. Baumann in Wien.
Von der I. internationalen Ausstellung
ristisch durch die Strebepfeiler-Gliederung zum Ausdruck
bringt, das ist nebensächlich und beeinflusst nicht das
vernichtende Urtheil.
Gilt es also zunächst bei Beurtheilung von Bauwerken
den Werth des’ Baugedankens festzustellen, so gilt das
doppelt bei Bauten im Ausstellungs-Charakter, die als
Phantasiebauten ihren Gedanken ganz besonders zum Aus-
druck bringen werden, da sie zum grossen Theil von der
mederdrückenden Wucht der realen Elemente einer Bau-
aufgabe befreit sind. Sie werden nun in der Folge ein
mteressantes Beispiel für die Entwicklung der Raum-
gedanken sein und sollen auch nur im I^blick auf diese
betrachtet werden.
Wenn das Sonnenlicht in breiten Massen auf die
Kuppel fällt und die goldgelben zwischen die Pfeiler ein-
gesp^nten Dächer ihre tiefen Schatten auf die glitzern-
den Scheiben malen, wenn die grosszügigen Schatten
architektonischer Bauglieder durch die reizenden Zeich-
nungen malerischer Figurengruppen unterbrochen werden,
dann umweht uns eine eigene Stimmung, wie von orien-
taUscher Pracht und Herrlichkeit und wir verstehen nicht
wie wir hier den ernsten nordischen Maasstab anlegen
können. Die ganze Anlage in der lichtsprühenden Luft
des Südens steht so harmonisch und stolz in der Land-
schaft, dass wir nicht begreifen, wie man zu einem ab-
sprechenden Urtheil dieser Kuppelanlage kommen kann.
. dem Bau steckt der Geist byzantinischer Kunst,
ich ermnere an die aus der Kuppel herausschiebenden
13. September 190a.
für moderne dekorative Kunst ln Turin.
Strebepfeiler, zwischen denen das Oberlicht sich ein-
spannt; zu diesem Einflüsse kommen die modernen An-
schauungen über Flächenwirkung, die der Wagnerschule
ihre Entstehung verdanken (Olbrich und D’Aronco waren
Schüler Wagner’s); als bedeutender Rest verbleibt dann die
Raumerfindung des Künstlers. Es ist vollkommen ausge-
schlossen, dass jemand, der den Katechismus der Kon-
struktionswahrheit und Materialgerechtigkeit stetig vor
Augen hat, zu solch’ straffer, ungewöhnlich schwungvoller
Lösung des Kuppelbaues gekommen wäre, wie D’Aronco.
Auch seine anderen Entwürfe, so die ganz köstliche
Photografia artistica und die Automobil - Ausstellung,
wenn sie auch weniger gelungen sind, zeigen das gross-
zügige Erfassen der Aufgabe, zeigen vor allem die starke
Mitarbeit der Phantasie an den architektonischen Entwürfen.
Und das erscheint mir als das Wesentliche an Aus-
stellungs-Aufgaben, dass man ruhig in ihnen Experimente
machen darf, da man Studien halber Marmorpaläste nicht
errichten kann. Hier ist Material und Raum in Fülle
vorhanden, der Bau verschwindet wieder oder kann wie-
^er verschwinden, ohne, wenn er misslungen, irgend
welchen ästhetischen Schaden zu hinterlassen. Dadurch
wird jede Ausstellung ein Studieufeld Iflr Architekten
und die Anregungen können auch nicht ausbleiben.
Von solchen Gesichtspunkten beleuchtet, wird eine
jede Ausstellung, die unter künstlerischer Leitung ent-
standen ist, nie ohne befruchtende Anregung für die
Architektur bleiben und so ist es auch mit der Turiner.
477
fortgesetzt werden, obwohl schon viele derartige Arbeiten
vorliegen, weil sowohl in praktischer als in künstlerischer
Hinsicht das Kleinwohnungswesen noch bedeutender Ver-
besserungen fähig und weil in den Bauvereinen und kleine-
ren Gemeinden die Nachfrage nach den Erfahrungen
anderer sehr gross ist. Redner hat etwa 200 Blatt Zeich-
nungen ausgeführter Entwürfe zu kleinen und grossen
Gebäuden, Kleinwohnungen enthaltend, ausgestellt, die
ihm von den Vereinen in Berlin, Kassel, Chemnitz,
Frankfurt a. M., Köln, München,, Mecklenburg,
Oldenburg und Strassburg zugegangen sind. Beson-
ders auf die Entwürfe aus Köln (Architekten: Bopp, Endler
und Gärtner) sei hier hingewiesen. Gemäss einer Anregung
des Stuttgarter Vereins spricht der Vortragende die Mahnung
aus, dass die Techniker nicht in der Ausübung ihres Be-
rufes untergehen, sondern auch die Augen offen halten
sollen für die sie umgebenden Lebensäusserungen und
Kulturbestrebungen, dass ferner ein gewisses Maass volks-
wifthschaftlicher Kenntniss zu erwerben geboten sei, um
dem Technikerstande den Eintritt in die ihm obliegende
soziale Bethätigung zu erleichtern.
Die Betheiligung an der Gründung, Berathung und
Leitung der Baugenossenschaften und sonstigen ge-
meinnützigen Baugesellschaften ist nöthig, nicht etwa weil
diese Gesellschaften allein die Wohnungsfrage zu lösen
vermöchten, sondern weil sie aneifernd und vorbildlich
auf die gewerbliche Bauthäligkeit einwirken und weil sie
das beste Versuchsfeld der Wohnungs-Fürsorge darstellen.
Uebrigens soll nach Meinung des Redners nicht die eigent-
liche Berufsausübung des Architekten, sondern nur die ge-
legentliche und grundsätzliche Berathung sowie die Leitung
und Beaufsichtigung den Genossenschaften usw. unent-
geltlich zugewendet werden. Die hauptsächlichste Leistung
zur Schaffung neuer Wohnungen wird aber nach wie vor
Sache der privaten, gewerblichen Bauthätigkeit sein.
In der Wohnungs-Statistik ist die Mithilfe von Bau-
technikern unentbehrlich zur Feststellung der Fragebogen,
zu'örtlichen Aufnahmen und zur Verarbeitung des Stoffes;
nur an wenigen Orten ist die Wohnungs-Statistik bis jetzt
ganz befriedigend geordnet. Ebenso sind jetzt schon zahl-
reiche technische Kräfte, freiwillige und besoldete, in der
amtlichen Wohnungs-Kontrolle thätig, besonders wo
diese, wie in Strassburg und Hamburg, mehr den Cha-
rakter der Wohnungspflege annimmt. Die Uebel zu-
verlässig kennen zu lernen , ist die erste Vorbedingung,
wenn man sie heilen will.
Vorträge und litterarische Arbeiten über die
Wohnungsfrage empfehlen die Vereine in Magdeburg und
Dresden nur mit einem gewissen Vorbehalt, da Unberufene
leicht Verwirrung statt Klärung hervorrufen könnten.
Redner ist indess der Meinung, dass es kein Unglück sei,
wenn auch einmal aus edlen oder aus eigennützigen Be-
weggründen Unrichtiges vorgebracht werde; schliesslich
werde die Aufklärung der Irrthümer ein tieferes Erfassen
der ganzen Frage zur Folge haben.
Die Wohnungs-Fürsorge für die eigenen Ar-
beiter und Unterbeamten ist von grösster Bedeutung
sowohl in Staats- und Gemeinde-Betrieben, als in Privat-
Betrieben. Den leitenden Architekten und Ingenieuren
liegt hier eine besonders vornehme Pflicht ob; sowohl
behufs vorübergehender Unterbringung von Arbeitern an
abseits liegenden Bauplätzen als behufs dauernder Be-
friedigung des Wohnungs-Bedürfnisses ihrer Arbeiter in
Stadt und Land, ist der Technikerschaft ein weites und
dankbares Feld sozialer Wohlfahrts-Bestrebungen eröffnet.
Mehr als bisher sollen technische Beamte sich der
Leitung und Einrichtung der staatlichen und kommunalen
Wohnungs-Inspektion zuwenden , die Wohnungsschäden
aufdecken helfen und auf deren Beseitigung hinarbeiten,
zugleich aber die. wichtigste Thätigkeit in der Wohnungs-
Fürsorge nicht vergessen, nämlich die Förderung sowohl
des gewerblichen als des gemeinnützigen Wohnungsbaues.
Wenn der Staat oder die Gemeinden mit ihrem Bau-
gelände dieselbe Bodenspekulation treiben wollten
wie Private, so wäre das ein grosser Fehler; es wäre der
Weisheit Ende in der Wohnungsfrage. Insbesondere hat
die mit Recht höheren Orts empfohlene Erweiterung des
kommunalen Bodenbesitzes nur dann eine Berechtigung,
wenn die Gemeinden es besser als Private verstehen, das
Bauland seinem sozialen Zwecke, der Aufnahme mensch-
licher Wohnungen, zuzuführen. Hier bietet sich unseren
beamteten Technikern, wenn sie nur ein wenig volkswirth-
schaftlich und sozial geschult sind, ein äusserst wichtiges
Feld der Thätigkeit durch Belehrung und Anregung, Be-
einflussung der Bauweise, Bekämpfung des Massen-Mieth-
hauses, Begünstigung des Eigenhauses, Erleichterung des
Baues von Kleinwohnungen, Niedrighaltung der Boden-
preise, angemessene Veräusserungs- und Baubedingungen.
Auch die Durchsicht der Baupolizei -Verord-
nungen ist eine der Maassnahmen zur Herbeiführung
bessererWohnverhältnisse. Viele Bauordnungen erschwe-
ren durch mancherlei entbehrliche Bestimmungen, über
weiche Schilling (Köln) ira Techn. Gemeindeblatt (Jhrg.
1901, No. 19 u. ff.) eine lehrreiche Arbeit veröffentlicht hat,
dieEntstehung des kleinen Hauses. AbgestufteVorschriften,
wie sie in der Art des Gebäudes begründet sind, zeigen
bislang nur wenige Bauordnungen. Verbreiteter ist die
Abstufung der Bauordnung nach Bezirken, um dem Aussen-
gelände eine weiträumigere Bebauung zu sichern mit ge-
ringeren Gebäudehöhen und besserem Lichteinfall. In
beiden Beziehungen werden die beamteten Techniker zu
fortschreitenden Verbesserungen aufgerufen; aber auch
die technischen Vereine können durch Anregung der zu-
ständigen Behörden manchen Nutzen stiften. Von ähn-
licher Wichtigkeit ist die Durchsicht der Ortsbau-
pläne, um allzu grosse Blöcke, allzu breite Strassen und
sonstige, das Bauen kleinerer Häuser erschwerende Fest-
setzungen auszumerzen. Beim Entwurf neuer Bauord-
nungen und Bebauungspläne sind selbstredend alle Rück-
sichten anzuwenden, die den Kleinwohnungs-Bau nach
Möglichkeit erleichtern.
Mehrere Vereine haben ferner hingewiesen auf. die
Nothwendigkeit der Eröffnung von anbaufähigen Strassen
seitens der Gemeinde, der frühzeitigen Ausdehnung des
Denselben Grundsätzen wie D’Aronco huldigt auch
Rigotto in seiner Wein- und Oelausstellung, in welcher
er architektonisch sehr reizvoll in recht origineller Durch-
bildung Verkaufskojen in einem Wandelgang gruppirt hat.
Der Wagner’sche Geist spukt aber nicht nur in den italie-
nischen Bauten, sondern auch in der österreichischen Villa,
die von Brth. Baumann ausgeführt ist. Es ist die einzige
geschlossene Wohnhausgruppe in der Ausstellung. Inner-
halb seiner Villa hat er einzelnen jüngeren Architekten
Gelegenheit zur Ausstellung von Zimmern gegeben. Zur-
zeit der Besichtigung waren noch nicht alle Räume voll-
endet. Neben dem künstlerisch werthlosen Damensalon
von einem Wiener Fabrikanten für gebogene Möbel,
finden wir einzelne gut durchgebildete Räume , die uns
Norddeutsche nur manchmal durch eine etwas spielerische
Eleganz befremden. Wir können hier leider nicht näher
auf diese nachbarlichen Kunstbestrebungen eingehen, die
bei allem Ernst in einer soliden Leichtigkeit und Zierlich-
keit der Komposition zum Ausdruck kommen, wie bei
Vitzmann, einem Schüler Prof. Hoffmann’s, der einen
Musiksalon entworfen hat. Einen sehr günstigen Einfluss
auf die Innen - Ausgestaltung der Räume hatte der Mit-
arbeiter Baumanns, O. Prutscher, der Dekorationsmaler
und Architekt ist. —
Ueber das Kunstgewerbe ein nächstes Mal. —
Leo Nacht.
Ein Wort zu den Urth eilen über die Ausstellung.*)
Ein erster, gewagter Versuch — ein solcher ist die
,,I. internationale Ausstellung für moderne dekorative Kunst
in Turin" — läuft stets Gefahr, den weitaus grösseren
478
Theil der Tages-Meinung gegen sich zu haben, das,
was man so schlechthin „Kritik" nennt, herauszufordern
und von vielen, die diesen Beruf mit mehr oder weniger
Recht und Glück als ihre Lebensaufgabe betrachten, ohne
weiteres zum Tode verurtheilt zu werden. Liest man
die Tageszeitungen, so muss man vielfach den Glauben
bekommen, diese Turiner Ausstellung sei etwas, das blos
von überspannten Menschen, von künstlerischen Stegreif-
rittern, von Phrasenmachern ins Leben gerufen worden ist.
Dass die ganze Unternehmung die Aeusserung eines ge-
wissen kecken Wagemuthes, ja dass sie die, wenn auch
nicht ganz ausgereifte Erfüllung eines längst vorhandenen
Bedürfnisses und berufen ist, vieles abzuklären, das
wollen Wenige nur anerkennen oder sie denken über-
haupt nicht daran. Ist denn mit dem Urtheil, das keine
Fingerzeige für künftige bessere Lösungen giebt, irgend
etwas erreicht? Entspricht es dem Zwecke der Kritik,
lediglich zu verurtheilen oder Witze auf anderer Leute
Rechnung zu machen? Warum ist denn der Gedanke an
ein ähnliches Unternehmen nicht anderswo, in Berlin, in
Wien, in München schon früher und besser in Szene ge-
setzt worden? Was hinderte die Fortgeschritteneren, das
zu thun, was einige Leute in Turin unternommen haben
und was von jedem, der selbst schaffend auf diesen Ge-
*) Anmerkung der Redaktion. Man stellt uns die nachfolgen-
den Ausführungen zur Verfügung, deneu wir leider eine tiefbegründete
Berechtigung zuerkennen müssen. Das Öffentliche Urtheil über Werke,
die erst nach langen Mühen entstanden sind, ist oft ebenso kurz wie ab-
sprechend und geht selten nur auch auf die Beweggründe für ihre Ent-
stehung ein. So kommt es, dass man diesem Urtlieil mit mehr Furcht
als Vertrauen auf der einen, und mit mehr Schadenfreude als Theilnahme
auf der anderen Seite entgegensieht. Das sollte anders werden. —
No. 74.
Strassenbahnnetzes, sowie der Leitungsnetze für Wasser,
Licht und Kanalisation, der zweckmässigeren Bemessung
derStrassenkosten-Beiträge undderReform des Schätzungs-
wesens. Besonders aus Berlin und Hannover verlautbaren
Klagen über Vertheuerung und Erschwerung des Bauens
durch die herrschenden Gewohnheiten in der Geldbe-
schaffung. Endlich wird noch gewünscht, dass unbefangene
Techniker mehr als bisher in die kommunalen Vertretungs-
körper gewählt werden möchten, um dort den nicht immer
günstigen Einfluss von Haus- und Grundbesitzern das
Gleichgewicht zu halten.
Die Architekten- und Ingenieur-Vereine sollen in all
diesen Beziehungen im Interesse der Beseitigung oder
Milderung der Wohnungsschäden auf die Behörden an-
regend einwirken und besonders die Vereinsmitglieder
zur Thätigkeit auf dem Gebiete der Wohnungsfrage er-
muntern und stützen.
Unter Umständen können sogar Vereine als Sammel-
stelle für Entwürfe und Erfahrungen im Kleinwohnungs-
wesen sich verdient machen, Muster-Einrichtungen für
billige und gesunde Häuser ausstellen, Rathschläge er-
theiien und Belehrung aller Art verbreiten.
Der Vortragende schliesst mit einem warmen Aufruf
an die Technikerschaft, neben den fortschreitenden An-
gelegenheiten von Kunst und Wissenschaft und neben
der Pflege der Berufsinteressen auf die Erfüllung der
sozialen Pflichten bedacht zu sein und schliesst mit
den Worten W. v. Oechelhäuser’s bei Eröffnung der dies-
jährigen Versammlung des Vereins deutscher Ingenieure:
„Neue Rechte, neue Pflichten!“ — (Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
Die Hohlsteinwand von Jul. Donath & Co. in Berlin, mit
S- förmig gestalteten Lagerfugen (vergl. die Besprechung
1900 S. 544), welche als feuerfest in 10 cm Stärke in Berlin
allgemein zugelassen ist, darf nach den Ergebnissen, welche
eine Prüfung der kgl. mechanisch -technischen Versuchs-
anstalt_in Charlottenburg i. v. J. gehabt hat, nunmehr auch
als sich selbst freitragende Wand, also ohne Trägerunter-
stützung, hergestellt werden, wobei jedoch in den drei
untersten Lagerfugen, sowie in denjenigen oberhalb der
Thüröffnungen je ein Rundeisen von mindestens 5““
Durchmesser einzulegen ist. Bei freitragenden Wänden
von IO m Länge und 5 ® Höhe wird ausserdem noch beider-
seits der Wand ein Hängewerk aus dünnem Band- oder
Rundeisen in ganzer Wandhöhe eingelegt. (Vergl. die
vorstehende Abbildung.) —
Todtenschau.
Rudolf Vlrchow f* Im Alter von fast 82 Jahren ist
am 6. d. Mts. einer von den grössten Geistern dahinge-
gangen, die das vergangene Jahrhundert hervorgebracht
hat und die ihm seinen Stempel aufgedrückt haben, ein Mann,
der ein Wissens- nnd Arbeitsgebiet von einer Grösse be-
herrschte, dass auf demselben Dutzende von Geistern
minderer Art reichliche Gelegenheit zur Bethätigung
finden. Nicht der kleinste Theil der Thätigkeit, die das
Leben Rudolf Virchow’s ausfüllte, waren der Pflege der
wissenschaftlichen und praktischen Hygiene gewidmet,
und es ist ihm vergönnt gewesen, auch die Früchte seiner
Arbeit zu schauen. Ueberall, wo man sich heute der
Segnungen erfreut, welche aus den Einrichtungen der
zentralen Wasserversorgung, der Verbesserung des Rein-
lichkeitszustandes und des Wohnungswesens der Städte
hervorgehen, wird man neben , Pettenkofer sich Rudolf
Virchow’s dankbar erinnern müssen.
Die Anfänge der Thätigkeit Virchow’s auf dem Ge-
biete der öffentlichen Gesundheitspflege fallen in das Jahr
1848, wo er von der preussischen Regierung nach Ober-
Schlesien entsendet wurde, um die dort ausgebrochene
Flecktyphus-Epidemie zu studiren. Ein gleichartiger Auf-
trag wurde ihm 1852 von der bayerischen Regierung mit
Bezug auf den Spessart. Hieran schlossen sich in den
50 er und 60 er Jahren amtliche Thätigkeiten über andere
Volksseuchen, wie Croup, Diphtherie, Pocken, Typhus und
Cholera, die ihn aus dem spezifisch ärztlichen Gebiet in
das seitwärts gelegene Gebiet der öffentlichen Gesund-
heitspflege hinüberführten. Die Grossthat aber, welche
ihm auf diesem Gebiete einen Namen verschafft hat, ist
sein mit der vollen Wucht des Sachverständnisses ein-
setzendes Wirken für den endlichen Entschluss der städti-
schen Behörden zur Durchführung der Kanalisation der
Stadt Berlin. Nur wer in der Vorgeschichte dieses
grossen Unternehmens einigermaassen zu Hause ist, ver-
mag den Umfang der Arbeit zu würdigen, die zu leisten
war, um Rückständigkeit, Vorurtheile, gekränkte Interessen
und Furcht vor dem Misslingen und Furcht vor den
grossen finanziellen Opfern, die das Werk erforderte, zu
überwinden. Freilich stand Virchow für seinen Zweck
das wuchtige Hilfsmittel des Wortes von der Redner-
Tribüne der Stadtverordneten - Versammlung aus offen,
nachdem er i86r vorwiegend wohl durch das Vertrauen,
das die Berliner Bürgerschaft in den Politiker Virchow
setzte, in diese Körperschaft gewählt worden war. Ge-
wissermaassen die Summe dieses besonderen Wirkens
liegt in einer Reihe von Schriften:. „Virchow, Reinigung
und Entwässerung Berlins ; einleitende Verhandlungen
bieten thätig ist, begrüsst wurde? Man kann ira Urtheil
streng sein, ohne verletzend zu werden; man kann die
Schäden einer Angelegenheit aufdecken und besprechen,
ohne gehässig zu werden; man kann einer Sache auf den.
Leib rücken, ohne sie dem Spott der vielen Tausende
auszusetzen, die kritiklos hinnehmen, was sie schwarz
auf weiss vorgesetzt bekommen. Wenn auf diese Weise
sich im Auslande allmählich die Meinung festsetzte,
die deutsche Art, eine Arbeit, eine That zu beurtheilen,
beruhe auf einer selbstgefälligen Oberflächlichkeit, so
hätte diese Meinung ihre vollste Berechtigung. Bei man-
chen der Besprechungen der Tagespresse ist ein Ton an-
geschlagen, der nicht mehr nur die Bezeichnung „scharf"
verdient.
Es ist gewiss, dass man vonseiten des italienischen
Cbmites der ganzen Angelegenheit mit etwas mehr Gründ-
lichkeit hätte begegnen müssen. Die Frage: „Ist unser
Land heute, zwei Jahre nach dem wenig erfolgreichen
Auftreten in Paris, in der Lage, sich in einen ernsthaften
Wettkampf mit dem Auslande einzulassen?“ wurde offen-
bar nicht so ernsthaft- erwogen, wie es die Lage erheischte.
Man kannte maassgebenden Ortes in Turin den Stand der
eigenen Leistungsfähigkeit nicht oder, was schlimmer wäre,
man überschätzte ihn und hat auf diese Weise für die
eigenen Landsleute eine Lage geschaffen , die nichts
weniger als angenehm ist. Die Er&nntniss, dass in Italien
viel zu geschehen habe, um es wohlgerüstet in die inter-
nationale Arena eintreten zu lassen, wohnte den raaass-
gebenden Persönlichkeiten nicht inne oder sie spielte keine
Rolle. Man schickte Kommissäre in aller Herren Länder,
um Einladungen ergehen zu lassen. Warum schickte man
13. September 1902.
nicht Personen, welche die Verhältnisse überblickten und
abriethen von einem Wettkampfe, der mit ganz ungleichen
Mitteln ausgefochten wird? Schon die Art, wie die Ein-
ladungen vor sich gingen, verrieth wenig sachliche Ueber-
legung, sie entbehrte einer sicheren, zielbewussten, organi-
satorischen Kraft. Wären die einladenden italienischen
Persönlichkeiten über die Leistungsfähigkeit ihrer Lands-
leute und über die des Auslandes gleichzeitig in genügen-
dem Maasse durch eigene Anschauung unterrichtet ge-
wesen, so hätte ein „Abwinken“ die nothwendige Folge
sein müssen.
Nun, man ging nicht zurück oder man wollte es nicht
und lud die Welt zu Gaste. Es war ja schliesslich ein
Versuch, den man machte, und Versuche haben unge-
achtet aller Mühe und Anstrengung zuweilen auch die
Eigenschaft, dass sie fehlschlagen. Aber selbst solche Er-
gebnisse bringen oft viel Nutzen und Erkenntniss mit sich.
Die einsichtigen Italiener werden aus den Thatsachen, die
ihre Austeilung gezeitigt hat, ihre Schlüsse ziehen. Es ist
einer der grossen Vorzüge des ganzen Volkes, dass das,
was Andere besser machen, bereitwilligst anerkannt wird.
Der Chauvinismus ist nicht so unangenehm entwickelt,
wie an manchem anderen Orte, wo das berechtigte Selbst-
bewusstsein oft unheimlich nahe an die Grenze des
Dünkels herantritt. Das dürfte bei einigermaassen kühler
Ueberlegung mit zur Geltung kommen. Man unternahm
italienischerseits einen Feldzug, ohne gerüstet zu sein,
ohne die Stärke der inbetracht kommenden Gegner zu
kennen. Das dürften die maassgebenden Persönlickeiten
wohl schon selbst eingesehen haben und ihre Folgerun-
gen daraus ziehen. —
479
und Berichte (1870—79), darin enthalten der Generalbericht
1873 mit Beilagen i— ii“ vor. Es sind aber noch mehrere
andere, seiner Feder entstandene Werke, die hier kurz
angeführt werden sollen, ohne aber dass beabsichtigt wird,
damit etwas Vollständiges zu bieten. Er veröffentlichte
u. a. Gutachten bezw. über: Die Kanalisation Berlins 1868
und über die Reinigung und Entwässerung von Danzig
1865 schrieb 1869 unter dem Titel: Kanalisation oder
Abfuhr, eine hygienische Studie, endlich 1876 in der
Deutschen medizin. Wochenschrift eine viel gelesene
Arbeit über Typhus und Städtereinigung. In den 8oer
und 90 er Jahren ist Virchow als Mitglied der Königlichen
wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen
dauernd mit Fragen der Städtereinigung und Wasserver-
sorgung von Städten in Berührung gewesen und hat in
denselben maassgebend gewirkt, wenn auch sein Name
dabei weniger an die Oeffentlichkeit getreten ist.
Schliesslich sei noch kurz der hervorragenden Thätig-
keit Virchows auf dem Gebiete der Alterthumskunde ge-
dacht. Seine Autorität war es, die nach einer im Jahre 187g
ausgeführten Reise nach der Ausgrabungsstätte von Troja
den Ausgrabungen Schliemanns zu der bis dahin fehlen-
den verdienten Anerkennung verhalf und dadurch dem
Vaterlande Schätze zuführte, um welche andere Nationen
uns beneiden,
Alles was hier angeführt ist war aber doch nur ein
kleiner Auszug aus dem Wirken eines Mannes, dessen
Vielseitigkeit und Arbeitsreichthum so gewaltig war, wie
das nur höchst selten ängetroffen wird. —
James Hobrecht f . Ein eigenes Geschick hat es gefügt,
dass am Vorabend des Begräbnisses Rudolf Virchows,
dessen hohe • Verdienste um das Zustandekommen der
Kanalisation von Berlin wir vorstehend gekennzeichnet
haben, auch der Mann dahin gegangen ist, dessen Lebens-
aufgabe es gewesen ist, dieses Riesenwerk praktisch durch-
zuführen, eine Arbeit, die ihm die Anerkennung weitester
Kreise erwarb und seinen Ruf als einer Autorität auf dem
Gebiete des Städtereinigungswesens begründete, sodass
in der Folge sein Rath im In- und Auslande bei zahl-
reichen Plänen dieses Gebietes eingeholt wurde.
Am Abend des 8. September verstarb in Berlin im
77. Lebensjahre der GeheimeBaurathDr. James Hobrecht,
Stadtbrth. a. D., Stadtältester der Stadt jBerlin und Ehren-
bürger von Darmstadt. Am 31. Dez. 1825 in Memel ge-
boren, besuchte er in Königsberg das Kollegium Friede-
ricianum, legte 1845 das Feldmesser -Examen ab und be-
zog 1847 zum weiteren Studium die Bauakademie in Berlin.
Für die Stadt Berlin, wenn auch nicht für die Stadt-
verwaltung, war er schon als junger Baumeister beim
Polizei- Präsidium anfangs der 60 er Jahre thätig bei Bear-
beitung des Bebauungsplanes und bei Studien für sein
späteres Lebenswerk, die Entwässerung Berlins betreffend,
für welche damals die Regierung einen Plan aufstellen
wollte. Nach öjähriger Abwesenheit in Stettin, wo er
das neue Wasserwerk baute, kehrte er endgiltig nach
Berlin zurück, um dort zunächst die Vorarbeiten für die
Kanalisation zu übernehmen und 1873 nach Annahme
seines Planes als „Chefingenieur der Kanalisation“ in den
Dienst der Stadt Berlin zu treten. Als 1885 der Stadt-
baurath der Tiefbau-Abtheilung Rospatt ausschied, wurde
ihm das' Amt des Stadtbaurathes übertragen, das er bis
zum Jahre 1897 versah. Seitdem lebte er zurückgezogen
im Kreise seiner Familie. Hobrecht war Mitglied der
Akademie des Bauwesens, lange Jahre ein energischer
'Vorsitzender des Berliner Architekten- Vereins und als
solcher in den Jahren 1873 — 74 auch Vorsitzender des jungen
Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Mit ihm ist eine kraftvolle, zielbewusste Persönlichkeit
hingegangen, deren eingehendere Würdigung als Ingenieur
und als Mensch wir uns Vorbehalten. —
Preisbewerbungen.
Zum Wettbewerb Wasserwerk in Kolberg sind uns
einige Fragen zugegangen, die wir zumtheil aus eigener
Kenntniss des Sachverhalts beantworten:
1. Gänzlich verspätet ist bei dem Kolberger Wettbe-
werb der Entwurf mit dem Kennwort „Himmel und Erde,
Feuer und Wasser“ eingelaufen.
2. Die ausgesetzte Summe von 6000 M. ist in der Weise
vertheilt worden, dass dem besten Entwurf 2500 M. und den
an zweiter Stelle bedachten je 1750 M. zugesprochen sind.
3. Den Ankauf von Entwürfen für je 600 M. hat das
Preisgericht nicht empfohlen.
Warum das Urtheil des Preisgerichtes vom Magistrat
Kolberg nicht veröffentlicht wird, und ob den ausgefallenen
Bewerbern auf Antrag der Betrag von 10 M., den sie für
das Programm gezahlt haben, erstattet wird, wissen wir
aber nicht.
480
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Die Versetzungen des Mar.-Ob.-Brths.
Kretschmer von Berlin nach Kiel und des Mar.-Schiffbmstrs,
Eug. Schmidt von Kiel nach Danzig sind aufgehoben. Die
Kommandirung des Mar.-Ob.-Brths. Bockhacker zur Konstr.-
Abth. des Reichs-Mar.-Amts tritt erst am 24. März 1903 in Kraft.
Der Mar.-Ob.-Brth. und Schif fbau-Betr.-Dir. Schwarz wird mit
dem I. April 1903 vom Reichs-Mar. -Amt nach Wilhelmshaven und
der Mar.-Ob.-Brth. und Schiffb -Betr.-Dir. Krieger von Wilhelms-
haven nach Danzig versetzt.
Baden. Dem Baudir. Ritter in Frankfurt a. M. ist das Ritter-
kreuz II. KI. des Ordens vom Zähringer Löwen und dem Reg.-Bmstr.
J 0 0 s bei der Eisenb.-Hauptwerkst. ist der Tit. Masch.-Insp. verlieh .
Die Ing.-Praktik. Kerl er bei der Wasser- u. Strassenb.-Insp.
in Emmendingen, Schätzle in Offenburg und Schwarzmann
in Bonndorf, Ganz bei der Eisenb.-Inspi in Freiburg, Stauffert
in Gernsbach, Schröder in Ueberlingen und Michaelis in
Kehl sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt,
Bayern. Die Staatsbauprakt. Köb er bei den Eisenb.-Betr.-Dir.
in Nürnberg, H ö 1 z e 1 in Weiden, Maser in Regensburg, Bauer
in Bamberg u. Hennch in Würzburg sind zu Eisenb.- Assess. ernannt.
Der Ob.-Bauinsp. El. M.a rggraff in Augsburg ist'nach Nürn-
berg, der Ob.-Bauinsp. Stettner in Schweinfurt nach Regens-
burg und der Ob.-Bauinsp. H 0 r n in Würzburg ist s. Ans. entspr.
auf die Dauer i Jahres In den Ruhestand versetzt.
Hessen. Dem Bauinsp. Paul bei der Abth. für Bauwesen
des Minist, der Finanzen ist der Charakter als Bfth. verliehen.
Württemberg. Dem kais. Geh. Brth. v. Kapp in Stuttgart
ist die Erlaubniss zur Annahme und Anlegung des ihm verlieh.
Ritterkreuzes der franz. Ehrenlegion ertheilt.
Der Arch. K. J 0 0 s aus Stuttgart ist gestorben.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. A. W. in Burgwaldsiel. Ihre Sachdarstellung ist zum
Gewinnen eines untrüglichen Urtheils unzureichend. Derselben
glauben wir indess entnehmen zu können, dass es sich um einen
Neubau an einem Wege handelt, welcher für Verkehrszwecke an-
gelegt ist, ohne die Eigenschaft einer anbaufähigen Strasse zu haben.
Trifft dies zu, so wäre die Ortspolizeibehörde berechtigt (vielleicht
sogar verpflichtet) gewesen, Ihnen den Anbau zu untersagen, bis
das weitläufige Verfahren beendet war, welches die Feststellung
der Strassenfluchtlinien erfordert.- Wurde in diesem Verfahren die
Strassenflucht auf 12,50 m, wovon je 2 m für Füssteige zu ver-
wenden seien, festgestellt worden sein, so hätten Sie zweifellos
die Grundfläche in Breite von 2 m unentgeltlich hergeben müssen,
wofern es sich nicht etwa um eine historische Strasse handelt,
was jedoch nach Ihrem Sachvortrage unwahrscheinlich ist. Durch
den Anbau wächst der Verkehr auf dem fraglichen Wege und kann
das Bedürfniss nach Verbreiterung und Anlegung von Fussteigen
sehr wohl erst entstehen. Seine Befriedigung rechtzeitig zu sichern,
gehört zu den Machtbefugnissen der Polizei. Mithin spricht das
Uebergewicht der Wahrscheinlichkeit dafür, dass Sie vergeblich
die ortspolizeiliche Verfügung im geordneten Verfahren angreifen
werden, welche die Anlage eines 2 m breiten Fussteiges von Ihnen
verlangt, Sind Sie zu dessen Einrichtung verpflichtet, so haben Sie
wenig Aussicht, von der Gemeinde die Bezahlung der Grundfläche
zu erlangen, welche für den Fussteig liegen zu bleiben hat. Auf
nähere Einzelheiten einzngehen verzichten wir, weil dies für unsere
Leser ohne Interesse sein dürfte und stellen wir Ihnen anheim, ein
Rechtsgutachten sich zu verschaffen, welches die grosse Menge der
Einzelheiten beleuchtet, welche zur vollständigen Erledigung Ihrer
Frage zu prüfen sind. — ■ K. H-e.
Hrn. K. S. in Colmar, i. Durch die Verjährung erwirbt man
zwar dem Nachbar gegenüber das Recht, nach seinem Grundstücke
zu genau in derselben Lage Fenster wieder anzubringen, wie solche
das alte Gebäude enthalten hatte, dagegen ist die Ortspolizei nicht
verpflichtet, das Anbringen von Fenstern in der Brandmauer zu
dulden. Glaubt die Polizei aus Gründen der Feuersicherheit in der
Brandmauer des Neubaues das Anbringen von Fenstern untersagen
zu sollen, so würde eine etwaige auf Kraftloserklärung dieser
Untersagung gerichtete Klage unfehlbar der Abweisung, verfallen.
Denn die Polizei ist nicht verpflichtet, die durch Verjährung er-
worbenen Nachbarrechte bei ihren Maassnahmen zu berücksichtigen,
da das öffentliche Wohl dem Vortheile des Einzelnen vorgeht und
sie nur zur Hüterin des Gemeinwohles bestellt ist.
2. In dem von Ihnen als Pfad bezeichneten Wege hat man es
scheinbar mit einem Feldwege zu thun, wofür die geringe Breite
von I m spricht. Ob an demselben ein Recht zur Benutzung rechts-
wirksam für die Anlieger entstanden ist, würde der gründlichen
Feststellung bedürfen. Die Vermuthung spricht gegen die öffent-
lich rechtliche Natur eines so winzigen Pfades. Nur wenn die
hinterliegenden Grundstücks-Besitzer nachweisen könnten, an die-
sem Pfade ein Benutzungsrecht zu besitzen, würden sie dessen
Verbauen widersprechen dürfen. Sein Ueberbauen müssten sie
gleichwohl dulden, wofern der Zugang gleich breit und mindestens
so hoch angebracht ist, dass Menschen bequem darunter hinweg-
können; denn zum Fahren kann ein so schmaler Streifen nicht be-
nutzt sein, sodass auf die Durchfahrt von Fahrzeugen nicht ge-
rechnet zu werden braucht. Sollte man es in dem nur i m breiten
Streifen nicht vielleicht nur mit einem Bauabstand zu thun haben? —
K. H-e,
Inhalt : Die XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Archi-
tekten- und Ingenieur-Vereine zu Augsburg vom i. — 3. September igoa
(Fortsetzung). — Von der I, Internationalen Ausstellung für dekorative Kuast
in Turin, III. u. IV. — Vermischtes. — Todtenschau, — Preisbewerbungen. —
Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten. —
Hierzu eine Bildbeilage: Die intern. Ausstellung in Turin.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. i. V. F. Eiselen, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No, 74.
ON DER I. INTERNAT. AUSSTELLUNG
EUR MODERNE DEKORATIVE KUNST
IN TURIN * SACHS. AUSSTELL.-RAUM,
ARCH. W. KREIS IN DRESDEN * *
EINGANG ZUR KUNST-AUSSTELLUNG
ARCH. RAIMONDO D'ARONCO * *
= DEUTSCHE BAUZEITUNG =
^ XXXVI. JAHRGANG 1902 - NO. 74 *
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 75. Berlin, den 17. September 1902.
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine.
Wir erfüllen hiermit die traurige Pflicht, die Mitglieder des Verbandes von dem am
8. d. Mts. im 77. Lebensjahre erfolgten Ableben unseres langjährigen Mitgliedes
Dr. James Hobrecht in Berlin
geziemend in Kenntniss zu setzen.
Wenn der Entschlafene sich auch schon vor einigen Jahren aus dem öffentlichen Leben
zurückzog, so hat er sich doch vor allem in seinem Lebenswerke, der Kanalisation von Berlin, ein
Denkmal gesetzt, das seinen Namen als den eines führenden Geistes auf diesem wichtigen Gebiete
der Technik dauernd erhalten wird.
Im Verbände hat der Verstorbene in den ersten Jahren nach der Gründung desselben als
Vorsitzender des Vorortes Berlin ebenfalls den Vorsitz geführt und späterhin lange Jahre bei den
Arbeiten des Verbandes einen maassgebenden Einfluss ausgeübt.
Mit ihm ist ein Mann von ausgeprägter Persönlichkeit, hoher Begabung und vornehmer
Gesinnung dahingegangen. Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. —
Dresden - Berlin, den ii. September 1902.
Der Verbands-Vorstand: Waldow. F. Eiselen.
Das neue Reform-Gymnasium in Weinheim i. B.
Architekt: Heinr. Theod. Schmidt in Frankfurt a. M. die Abbildungen s. 483.)
as in der nachstehenden Ansicht mit Grund-
rissen dargestellte Gymnasium wurde von
Juli 1900 bis September 1901 ausgeführt.
Das Gebäude, welches einen schlichten
winkelförmigen Grundriss zeigt, enthält in
3 Geschossen 24 Lehrsäle, Räume für Physik und
Ghemie,Lehrerzimmer,Bibliothek,Gesangssäle,Direktor-
und Lehrmittelzimmer usw. Ein geräumiger Zeichen-
saal liegt im vierten Obergeschoss des vortretenden
Eingangsrisalites. Eine Haupt- und eine Nebentreppe
aus Granit vermitteln den Verkehr der Geschosse unter
einander; eine Wendeltreppe der gleichzeitig als Aula
benutzten Turnhalle giebt Zutritt zu der Loggia der-
selben, die ausserdem vom Physikzimmer zugänglich ist.
Die Korridore haben vor den Klassenzimmern Erweite-
rungen erfahren. Die Aborte für die Lehrer befinden
sich im Inneren des Gebäudes, die für die Schüler in
einer geschlossenen Gruppe in einem Anbau, der
von innen und aussen zugänglich ist. Auf dem Dach
der Schule ist ein Observatorium eingerichtet.
Das Haus wurde in Backstein errichtet, die archi-
tektonischen Gliederungen sindin rothem Sandstein her-
gestellt, von welchem sich die weissen Putzflächen und
die weissen Fensterkreuze wirkungsvoll abheben. Die
Deckung erfolgte in Schiefer. Die Maurer- und Sand-
stein-Arbeiten wurden von G. Hopp in Weinheim ge-
liefert, Säramtliche Decken sind inHennebique-Bau weise
von der Firma Martenstein & Josseaux in Frank-
furt a. M. ausgeführt. Von der gleichen Firma sind
die Fussböden mit Xylophal belegt worden. Die
Dampfniederdruck-Hcizung richtete Rud. Otto Meyer
in Hamburg ein, die Dachdecker-Arbeiten hatte die
Firma Eschelbach in Frankfurt a. M. übernommen.
Die Wasserleitung legte Emil Koch & Co. in Frank-
furt a. M. an. Alle übrigen Arbeiten wurden durch
Weinheimer Handwerker ausgeführt.
Die Baukosten des im Stile einer mit modernen
Einflüssen versetzten Renaissance gehaltenen Gebäudes
haben mit Einfriedigung und Anlage des Schulhofes
rd. 300 000 M. betragen. —
Die XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Arch.- und Ingen.- Vereine
zu Augsburg vom i. — 3. September 1902.
III. Die Vorträge. (Fortsetzung.)
b) Was schulden wir dem Strassburger Münster, dem
überlieferten Meisterwerke deutscher Baukunst?
(Nach dem Vortrage des Landbauinsp. und Münster-Baumeisters a. D.
L. Arntz in Schwarz-Rheindorf bei Bonn.)
n glorreichem Kampfe, an den uns der heutige
Sedantag besonders lebhaft gemahnt, gewannen wir
vor 32 Jahren ein theures Heimathsgut nach 180-
jähriger Entfremdung wieder. Das Strassburger Münster,
jenes Meisterwerk deutscher Baukunst, kam als nationaler
Besitz an das neue deutsche Kaiserreich zurück, — ein
gewaltiges Denkmal deutscher Geschichte, ein herrliches
Wahrzeichen deutscher Arbeit und deutscher Liebe, eine
Kunstschöpfung, welche, gegründet auf den Trümmern
römischer Kultur, in fortschreitender Formensprache eine
Entwicklung der Bauweise vom Beginn des XI. Jahrh.
bis zum letzten Ausklingen im XVII. Jahrh. aufweist. An
diesem Bauwerk hat mancher Werkgeselle und mancher
Werkmeister sein Bestes gethan und da stets angeknüpft,
wo das Lebenswerk seines Vorgängers, aufgehört. Die hier
geleistete technische Arbeit legt beredtes Zeugniss ab von
der grossartigen Organisation der deutschen Bauhütten,
welche mit ihrer künstlerischen Thätigkeit unser Vaterland
in seinen weitesten Grenzen umspannte.
Nach einem 30jährigen Bruderkriege wurde irn Jahre.
1681 die freie Reichsstadt Strassburg durch Verrath vom
deutschen Reichsverbande losgerissen und dem „aller-
christlichsten" Könige von Frankreich wurde in dem
Münster gehuldigt. Das Innere des Gotteshauses erfuhr
sodann eine durchgreifende Umgestaltung, um Raum für
das neu dotirte Domkapitel zu gewinnen. Der frühgothische
Lettner und die benachbarte, von Meister Erwin erbaute
Marien -Kapelle mit dem Altar der Strassburger Hütte
wurden gänzlich zerstört An die einstige Schönheit der
Anlage erinnern noch einige Bildwerke und wenige Archi-
tekturstücke, die in der Krypta eingemauert, bei der späteren
Restauration des Chores zutage kamen. Bald darauf traf
auch die Werkhütte selbst ein harter Schlag: durch Be-
schluss des deutschen Reichstages vom Jahre 1707 und
durch wiederholten Beschluss vom Jahre 1727 wurde dem
deutschen Hüttenverbande die langgepflegte Rechtsver-
bindung mit der unter französischem Regiment stehenden
Strassburger Haupthütte verboten, wodurch dem einstigen
Vorort in Süddeutschiand die naturgemässe Lebensader
abgeschnitten wurde. Trotz dieser politischen Maassregel
hielt die Strassburger Flütte noch Jahrzehnte lang mit
grosser Zähigkeit an den alten Ueberlieferungen fest. Mit
der Werthschätzung der Werkhütte sank natürlich auch
die Achtung vor dem Amte des Werkmeisters: fremde
481
Architekten wurden z. B. mit der Ausführung der grossen
Sakristei, mit dem Umbau des Kreuzganges und des an-
schliessenden Bruderhofes betraut. Als bei dem grossen
Brande im Jahre 1759 der gothiSche Vierungsthurm ein-
gestürzt war, wurde die neue Plattform der Vierung nach
dem Plane des kgl. Architekten Blondel hergestellt,
welcher auch den ersten Entwurf zur Freilegung des
Münsters aufgestellt hat. Dieser Entwurf wurdeglücklicher-
weise nicht verwirklicht, dagegen wurden die Kaufläden
des Frauenwerkes an .der Süd- und Nordseite des Münsters
zu regelrechten Arkaden uragebaut, und zwar nach dem
gothischen Entwürfe des Werkmeisters Lorenz Götz, der
durch diese historischen Mauerschranken einen sehr schätz-
baren Fusschutz des Bauwerkes geschaffen hat. Dem-
selben Werkmeister verdanken wir auch die erste
grössere Aufnahme des Münsters. Dieses Dokument
des vorletzten Meisters der alten Strassburger Dombau-
hütte ist eine historische Marke, welche den Beginn einer
bewussten Denkmalpflege bezeichnet.
Die Stürme der französischen Revolution verschonten
das ehrwürdige Bauwerk nicht. Das Haus Erwins wurde
bald darauf zum Tempel der Vernunft erklärt, die Güter und
Einkünfte der Frauenwerkstiftung waren eingezogen, der
Werkmeister Anton Klotz, war seines Amtes enthoben,
die Werkhütte löste sich auf — so stand das Meisterwerlc
deutscher Baukunst etwa 10 Jahre hindurch seines Werk-
meisters, seiner Werkleute beraubt. Dann folgte der Rück-
schlag. Man war bestrebt, die öffentlichen Denkmäler unter
den gesetzlichen Schutz des französischen Volkes zu stellen
und der neue Rechtsbegriff eines nationalen Denkmales kam
auch dem Strassburger Münster zu Gute. Ungemein be-
achtenswerth ist in dieser Hinsicht der Erlass des Prä-
fekten Lözai Marnesia vomßi. Januar 1811. In diesem
wird die zeitgemässe Reorganisation der Werkhütte damit
begründet, dass die nothwendigen und wünschenswerthen
Arbeiten und Lieferungen zur Erhaltung des nationalen Bau-
werkes niemals irgend welchem Spekulationsgeiste ver-
fallen, oder der Gewinnsucht eines Unternehmers Vorschub
leisten dürfen , dass vielmehr eine solche Baupflege
anzustreben sei, welche in jeder Hinsicht die tüchtige
und wirthschaftliche Ausführung der Bauarbeiten verbürge
und jedes andere Interesse ausschliesse, das dem
Zwecke der Frauenwerkstiftung zuwider laufe.
Diese einsichtsvolle und weitschauende Organisation sollte
unter staatlicher Verwaltung eingeleitet werden. Leider
blieben diese ersten Ansätze einer praktischen Denkmal-
pflege ohne entsprechenden Erfolg.
Das Programm Lezai Marnesias, das wir heute voll-
auf zu würdigen wissen, wurde nicht verwirklicht; sehr
bald wurde die Verwaltung des Frauenwerkes wiederum
der Stadtgemeinde überlassen und das Amt des Münster-
Architekten ward zeitweise mit dem des städtischen
Architekten vereinigt. Eine andere Wendung schien die
Sache zu nehmen, als im Jahre 1838 Gustav Klotz als
selbstständiger Architekt des Frauenwerkes bestellt wurde,
welcher sich unstreitige Verdienste in einem langen, fast
42jährigen Amte erworben hat. Er war jedoch oft und
in wichtigen Entscheidungen durch erschwerende Ver-
waltungsformen und unberechtigte fremde Einflüsse in
seiner technisdien Amtsführung beschränkt. An dieser
Sachlage hat die gesetzliche Maassregel vom Jahre 1841
„betreffend den Schutz der klassirten Denkmäler in
Frankreich“ nichts zu ändern vermocht. Wie Gustav
Klotz im einzelnen für das Interesse des seiner Pflege
anvertrauten Bauwerkes eingetreten, davon giebt ein
umfangreicher, bis 1870 in französischer Sprache gehal-
tener amtlicher Schriftverkehr ein recht anschauliches
Bild. Schwere Leidenstage theilte das Münster im Jahre
1870 mit der eingeschlossenen Stadt. Mancher Schuss
traf das Bauwerk, zumal an der Krone. Am 26. August
zündete ein Bombenschus.s das Hauptdach, dann das
Dach der Vierung. Aber Erwins Werk überstand auch
diese Zeit.
So kam das Strassburger Münster an Deutschland
wieder zurück, als ein pflegebedürftiges Bauwerk. Indem
es als nationaler Besitz an das neue deutsche Kaiserreich
zurückfiel, trat dieses damit in die Rechte und die Pflichten
des französischen Volkes ein. Seitdem schwand ein volles
Mehscherialter dahin. Und da erscheint die Frage wohl
berechtigt, was schulden wir dem Strassburger Münster?
Ist die grosse Ehrenschuld abgetragen, die unser Volk im
Jahre 1870 übernommen? Was ist seitdem unter deutscher
Verwaltung geschehen zur dauernden Erhaltung und Stär-
kung des geistigen Kapitals, das wir als nationale Errungen-
schaft von den Vätern ererbt? Was schuldet unser Volk
dem Strassburger Münster?
Ich erinnere an den Beschluss der Wanderversamm-
lung vom Jahre 1880, als die Vollendung des Strassburger
Münsters und des Ulmer Münsters infrage staiid. Es wurde
482
die Forderung- aufgesteilt, es möchten in Zukunft, wie
einst für den Kölner Dom, Geldmittel beschafft werden
für den Weiterbau anderer deutscher Baudenkmäler. Da
die Frage einer Vollendung des Strassburger Münsters
noch nicht spruchreif erschien, sollte der Ausbau des
Ulmer Münsters zunächst gefördert werden. In der That,
der Erfolg blieb nicht aus, zehn Jahre später wurde der
Ulmer Münsterthurra vollendet. Es ist m. E. wohl an der
Zeit, die Strassburger Frage wieder aufzurollen.
Bereits vor 7 Jahren hielt ich mich amtlich verpflichtet,
in einer Denkschrift die Nothwendigkeit zu begründen,
das Werk Unser lieben Frauen zu Strassburg auf sicherer
Unterlage in Verfolgung klarer Ziele und mit angemesse-
nen Mitteln zu pflegen. Wiederholt habe ich an anderer
Steile auf die nachweisliche Nothlage des Münsters hin-
gewiesen und darzulegen versucht, dass zu der verant-
wortungsvollen und schwierigen Aufgabe weder Einsicht
noch guter Wille, noch die Arbeitskraft eines Einzelnen
ausreiche, dass vielmehr die Durchführung einer werk-
gemässen Pflege 'vereinter^ Arbeitskräfte bedürfe, eine
rechtlich gesicherte und zweckentsprechende Organisation
erheische, Der vor drei' Jahren ausgesprochene Gedanke,
alle Freunde des Münsters zur Theilnahme an der Er-
haltung des Bauwerkes äuf^urufen, ist kürzlich an Ort
und Stelle aüfgegriffen worden. Hoffentlich wächst der
neue Verein recht bald über die lokalen Schranken des
Strassburger Münsters hinaus, damit der Hauptzweck auch
erreicht werde: die Erhaltung des Bauwerkes als
nationales Besitzthum. Werkthätige Hilfe kann m. E.
am ehesten von einem nationalen Verbände er-
wartet werden, welcher ganz Deutschland um-
fasst. Und so wie alle - vaterländischen Bauwerke auf
unsere technische Hilfe angewiesen, so sind, wenn je ein
allgemeines Interesse vprliegt an der dauernden Erhal-
tung deutscher Bauwerke, wir deutschen Bauleute auch
an erster Stelle zur rechtzeitigen Hilfeleistung da ver-
pflichtet, wo Hilfe npth thut. Wir würden uns einer
Pflichtversäumniss schuldig machen, wollten wir nicht
unsere warnende Stimme da erheben, wo. es sich um
die Erhaltung eines werthvollen vaterländischen Bau-
werkes handelt. Die Verpflichtung, auch für die Erhal-
tung des Strassburger Münsters einzutreten, liegt also
zweifellos in unserem Beruf.
Aus der wechselvollen Geschichte unserer vaterländi-
schen Bauwerke müssen wir aber auch die richtigen Lehren
ziehen. Ein angemessener rechtlicher Schutz ist das
mindeste, was wir fordern müssen bei einem Bauwerk, das,-
stände es unter französischerVerwaltung, dieWohlthat eines
ausgezeichneten wirksamen Schutzgesetzes (1887) gemessen
würde. Das Strassburger Münster gehört nicht allein einer
einzelnen Gemeinde, auch nicht einem einzelnen Bundes-
staate an, es gehört dem deutschen Volke. Das deutsche
Volk im Reichsverbande aber hat mit dem Besitz des
Strassburger Münsters auch die Pflicht gesetzlichen Schutzes
übernommen, und die Reichsgesetzgebung muss da er-
gänzend einsetzen, wo die dehnbaren Bestimmungen des
veralteten französischen Gesetzes von 1841 versagen. Es
bedarf das Maass rechtlicher Befugniss und der pflicht-
gemässen Verantwortlichkeit der berufenen Verwaltungs-
organe einer zweifellosen Klarstellung und Abgrenzung;
auch wird anzustreben sein, das verantwortungsvolle Amt
eines technischen Pflegers schon im Interesse des zu
pflegenden Baudenkmals in rechtlichen Grenzen wirksam
auszustatten. Selbstverständlich ist es, dass ein solches
Reichsgesetz, in dem der Rechtsgedanke pflichtgemässer
Denkmalpflege zum Ausdruck kommen muss, sich auch
auf alle anderen unter unmittelbarer oder mittelbarer Reichs-
hoheit stehenden geschichtlichen Bauwerke erstrecken
müsste. Ich erinnere hier an die vielen werthvollen pro-
fanen und kirchlichen Bauwerke (Wehrbauten, Kloster-
und Kirchenbauten), die durch Einführung der Bundes-
verfassung aus militärfiskalischera Besitz in den des
Deutschen Reiches übergegangen sind.
Aber wir schulden dem Strassburger Münster wohl
mehr, nicht nur einen angemessenen Gesetzesschutz, sondern
vielmehr noch eine werkgemässe technische Pflege.
Es handelt sich eben da um einen pflegebedürftigen Bau-
organismus. Da gilt es nicht nur für jeden, auch den
kleinsten Bautheil, welcher der Erhaltung werth erscheint,
gesicherte Lebensbedingungen anzustreben, es handelt sich
auch um eine künstlerischeBethätigung bei jedem neu
auftretenden Baubedürfniss im Sinne zweckentsprechen-
der, wahrer und gesunder Baukunst. Diesen Forderungen
kann nur bei einer entsprechenden Bauwirthschaft genügt
werden, welcher nicht nur die rechtzeitige Beschaffung
der erforderlichen Geldmittel, sondern vor allem auch die
überaus wichtige Aufgabe zufällt, rechtzeitig für die Her-
anbildung geeigneter, in jeder Hinsicht vertrauenswürdiger
Arbeitskräfte Sorge zu tragen. Eine solche -Orgänisation
No. 75.
praktischer Denkmalpflege zu schaffen, ist m. E. Aufgabe
des Deutschen Reiches, da es sich hier um die Erhaltung
eines deutschen National-Besitzthutns handelt. Auch das
Strassburger Münster steht unter Reichshoheit, die Für-
sorge für seine Pflege muss daher auch zur
Reichssache werden.
Gleichzeitig mit der Einstellung von Reichsmitteln zur
Erhaltung unserer vaterländischen Baudenkmäler, muss
befindhchen Bauwerkes infrage steht, oder wo die Orga-
nisation eines deutschen Bundesstaates nicht ausreicht
Ich meine, es ist an der Zeit, den einheitlichen Reichs-
gedanken durch diese gemeinsame Arbeit und
t ürsorge für die Zeugen unserer vaterländischen
Geschichte lebendig und lebenskräftig zu erhal-
^n und so für die Weiterentwicklung unserer
Kunst die nothwendigeUnterlage sicher zu stellen.
ijas neue Ketorm-tiymnaslum in Weinheim 1. B.
Architekt: Heinr. Theod. Schmidt in Frankfurt a. M.
eine ständige Reichsorganisation
geschaffen werden, um überall da nach Maassgabe des
Bedürfnisses rechtzeitig einzugreifen , wo die Erhaltung
emes unter Reichshoheit stehenden oder im Reichsbesitz
Bücherschau.
Der städtische Rheinhafen Karlsruhe. Festschrift zur Er-
öffnungsfeier 1902. G. Braun’sche Hofbuchdruckerei.
In schönem Gewände hat die Stadtverwaltung von
Karlsruhe die musterhaften Einrichtungen des neuen Rhein-
hafens, dessen Einweihung einen Theil der Feierlichkeiten
zum 50-jähngen Regierungsjubiläum des Grossherzogs
17. September 1902.
Wir alle, die wir aus allen Theilen unseres Vater-
landes hergewandert, sind berufen an diesen Aufgaben
mitzuarbeiten und unsere verbundene Kraft für dieselbe
ei^sejzen.- (Fortsetzung folgt)
Friedrich bildeten, im Bilde vorgeführt. Die Anlage des
Kanals und des Rheinhafens bei Karlsruhe stellt sich als
Iheil des im Werden begriffenen grossen Werkes der
Fortführung der Schiffahrtsstrasse des Rheines von Man-
heim nach Süden, zunächst bis Kehl-Strassburg, dar. Da
man hofft, dass von diesem Werke nachhaltige und wohl-
thatige Einwirkungen auf die wirthschaftiiehe Lage des
Landes ausgehen, so hat sich die weitblickende Karlsruher
483
Stadtverwaltung nicht gescheut, jetzt schon grosse Kosten
für ein Unternehmen aufzuwenden,, welches naturgemäss
seine Ertragsfähigkeit erst nach Jahren zeigen wird. Die
Festschrift gliedert sich in 4 Abschnitte: I. in die Bau-
geschickte des Hafens und allgemeine Betrachtungen über
die wirthschaftliche Lage desselben, von dem städt. Hafen-
direktor Hrn. Sebold; II. in die Beschreibung der bau-
lichen Anlagen vom Standpunkte des Ingenieurs, vom
grossherz. Baurath Hrn. Rosshirt; III. in die Beschrei-
bung der Hafenhochbauten, vom städt. Hochbauinsp. Hrn.
Stürzenacker und IV. in die Schilderung der Betriebs-
einrichtungen und der Erweiterungsbauten, vom städt. Be-
triebsdirektor Hrn. Helck. Dem schönen Werke sind
zahlreiche Ansichten, Konstruktions-Zeichnungen und Kar-
ten beigegeben, sodass es in dieser Form ein werthvolles
Material zum Studium ähnlicher Ausführungen bildet. —
Bei der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten;
Schuch , W. Schildereien und Umrahmungen im
modernen Stil. Ein Hilfsbuch für Schildermaler, De-
korationsmaler, Lackirer usw. Leipzig 1902. Jüstel & Göttel.
Pr. 2,50 M.
Siedek, Rieh., k. k. Brfh. Die natürlichen Normalprofile
der fliessenden Gewässer. Vortrag gehalten in der
Vollversammlung des Oesterr. Ing.- und Arch.-Vereins am
35. Januar 1502. Wien 1902. Wilhelm BraumüIIer. Pr. 1,40 M.
Sonderbeilage zu Plathner, Bauordnung für die Stadt
Hannover, enthaltend den Plan über die Zoneneintheilung.
Hannover 1902. Schmorl & von Seefeld Nachf. —
Bebauungsplan der Umgebungen Berlins. Maasstab
1:4000, Abth. VI.; Feldmark Charlottenburg. Berlin 1902.
Dietrich Reimer (Ernst Vohsen). Pr. 2 M.
Borrmann & Graul. Die Baukunst. 10. Heft, 2. Serie. Der
St. Stephansdom zu Wien von Othmar von Leixner. Berlin
1902. W. Spemann. Pr. 4 M.
Conz, G., Maler. Lehrbuch der Perspektive. 2. Auf].
Stuttgart 1902. ' Konrad Wittwer.
Dennstedt, M., Dr, Prof. Die Feuersgefahr im Hause.
Hamburg 1502. Leopold Voss. Pr. ,2,50 M.
Dziobeck, O. D. Lehrbuch der analytischen Geo-
metrie. 2. Th.: Analytische Geometrie des Raumes.
Braunschweig 1902. A. Graff. Pr. 6 M.
Ehlerding, W. Der moderne Schlosser. I. 100 Geländer-
gitter. Ravensburg 1902. Otto Maier. Pr. 4 M.
Preisbewerbungea.
Einen Wettbewerb um Entwürfe zu künstlerischen
Buch-Elnband-Decken schreibt die Leipziger Buch-
binderei A.-G. vorm. G. Fritzsche mit Frist zum
25. Oktober d. J. aus. Es werden verlangt „in origineller,
moderner Ornamentirung bei geschmackvoller breiter
Flächenbehandlung und Bezugnahme auf den Inhalt“:
I. Einbanddecke für moderne Belletristik 12 x 18 gfoss,
II. für Volksausgaben 16x24'^“ gross, III. für Fabrik-Kata-
loge 22 X 30 cm gross. Für jeden dieser 3 Entwürfe
sind je 3 Preise von 250, 150 und 100 M. ausgesefzt;
eine Extra-Prämie ‘voh'soo M. ist ferner für den hervor-
ragendsten aller Entwürfe ausgeworfen, deren Vertheilung
an die preisgekrönten Arbeiten oder Verwendung zum
Ankauf weiterer Arbeiten zu je 50 M. vom Preisgericht
jedoch beschlossen werden kann. Die preisgekrönten und
angekauften Entwürfe werden uneingeschränktes Eigen-
thum der Firma. Preisrichter sind : Komm.-Rth.H.F r i t z s c h e,
Prof. Honegger, Dr. Kautzsch, Dir. des Buchgewerbe-
Museums, Prof. Max Klinger, Dr. Paul Kühn, sämmtlich
in Leipzig, Alex. Koch in Darmstadt und Prof. Henry van
de Velde in Weimar. Auskunft durch die ausschreibende
Firma und die Schriftleitung der „Deutschen Kunst und
Dekoration“ in Darmstadt. —
Zum Wettbewerb um das Titelblatt zum Bauernhauswerk
(vergl. No. 73, Seite 472) ist berichtigend zu bemerken,
dass die Züricher Verlagsfirraa nicht Huber, sondern
Hofer Sc Co. heisst. —
Chronik.
Das Feuerwehrdenkmal der Stadt Berlin, welches nach
einem Entwürfe des Hrn. Stadtbrth. Ludwig Hoffmann und unter
Mitwirkung des Hrn. Prof. Aug. Vogel auf dem Mariannenpiatze
errichtet wird, soll gegen Ende Oktober enthüllt werden. —
Der 90. Geburtstag des Architekturmalers Rudolph Alt
ist in Goisern, im Salzkammergut, festlich begangen worden. Alt
ist der älteste Führer der Wiener Sezession. —
Die Einrichtung eines grossen Hotels in St. Moritz im
Engadin, eines Hauses mit 400 Betten, ist mit Rücksicht auf die
im nächsten Jahre zu erwartende Eröffnung der Albula-Bahn in
Angriff genommen worden. —
Ein monumentaler Brunnen in St. Johann wurde auf dem
Rathhausplatze nach dem preisgekrönten Enlwuife des Bildhauers
Cauer in Berlin erlichtet. —
Die Enthüllung des Richard Wagner-Denkmals ln Berlin
(Bildh. Prof. G. Eberlein in Berlin) ist für den i. 0ktober i9O3
in Aussicht genommen. —
Für das Bismarck-Denkmal in Lübeck wurde ein Entwurf
des Bildhauers Hans Hundrieser in Charlottenburg gewählt,
484
welcher io dem Wettbewerb um das Hamburger Bismarck-Denk--
mal den II. Preis gewann. Während die Statue unverändert bleibt,
wird der Sockel eine Umbildung erfahren. Die Enthüllung ist für
den 2. September 1903 geplant.
Eine OzonisirungsanlagefürdasWasserwerkinPaderborn
ist am 6. d. M. in Betrieb genommen worden. Es ist für eine stündl.
Leistung von 40 — 50 cbm berechnet und reinigt das für die Wasser-
versorgung der Stadt benutzte, nicht immer ganz einwandfreieWasser
aus 3 Quellen. Es ist dies also die 2. derartige Anlage in Deutschland.
Eine Thalsperre zur Verbesserung der Trinkwasser-
Verhältnisse der Stadt Nordhausen soll nach Beschluss der
Stadtverordneten - Versammlung mit einem Kostenaufwande von
560 000 M. im Thyrathale bei Neustadt erbaut werden. —
Die Ausführung der neuen Hafenanlagen in Rosario in
Argentinien ist für eine Summe von 44 Mill. M. dem bekannten
französischen Eisenwerke Schneider & Cie. in Le Creusot über-
tragen worden. Die Kaibauten einschl. der Ausrüstung sollen in
6 Jahren beendet sein. —
Mit dem Bau der Thalsperre Dietharz-Tambach bei Gotha
ist begonnen worden. Die Ausführung derselben mit den zuge-
hörigen Nebenanlagen, als Vorteiche mit Messeinrichtung, Rein-
wasserfilter, Rohrleitungen und Wegebauten, ist der Firma Wind-
schild & Langeiott in Cossebaude bei Dresden für die Summe
von 471563 M. übertragen worden. —
Die bekannte älteste Gusseisenbrücke grösserer Spann-
weite in England, die über den Severn bei Coalbrookdale (ge-
nauer bei dem Orte Ironbridge) führende, etwas über 3c m weit
gespannte, in den Jahren 1776—79 erbaute Bogenbrücke, die seit
jener Zeit ununterbrochen dem schweren Lastverkehr gedient hat,
ist vor kurzem durch plötzlichen Bruch der Hauptträger unbrauchbar
geworden. Die Brücke besass eine Breite von etwa 6,5 m zwischen
den Geländern, eine Höhe von rd. 12 m und ein Gewicht von rd.
380 t. Mit ihr wird eine in der Geschichte des Brückenbaues be-
deutsame Erscheinung verschwinden. —
Der Neubau der Alexandrlnenschule zu Koburg, welcher
zufolge einer Stiftung der Herzogin Alexandrine nach dem Entwuff
des Arch. A. Ludwig in Leipzig errichtet wurde, ist am 18. August
eingeweiht worden. —
Ein neues Ministerial- Gebäude in Rudolstadt ist ain
6. d. M. in Benutzung genommen worden. Der Entwurf wurde
seiner Zelt durch einen Wettbewerb innerhalb des Berliner Archl-
Vereins gewonnen und ist das Werk des Hrn. Reg.-Bmstrs. Adolf
Hartung in Berlin. Die örtliche und geschäftliche Bauleitung 1^
in den Händen des Hrn. Reg.-ßmstr. A. Holtmeyer. Die Bau-
kosten beliefen sich auf rd. 420000 M. — •
Zwei neue katholische Kirchen in Alt-Tarnowitz und ih
Bobrek Ob.-Schl. von Hrn. Arch. Schneider in Oppeln ent-
worfen und unter seiner Leitung ausgeführt, sind am 25. bez'vf.
30. August geweiht worden. Beide sind dreischiffige romaniscl^e
Kirchen. Die erstere eine gewölbte -Hallenkirche in Haustein-Aus-
führung im Aeusseren, Putz im Inneren, fasst 1500 Personen und
kostet etwa 140000 M ; die andere eine Basilika- Anlage ih Back-
steinfugenbau, kann etwa 2500 Besucher aufnehmen und stellt , sich
auf 200000 M. —
Brief- und Fragekasten.
Mehreren Beschwerdeführern wiederholen wir unsere Ant-
wort aus No. 72, Es ist bei der üblichen Art der Beförderung
der postalischen Krenzbaudsendungen im Briefbeute] nicht zu ver-
meiden, dass unsere Zeitung bisweilen in etwas zerknittertem Zu-
stande in die Hände der Abonnenten gelangt, welche dieselbe un-
mittelbar bei unserer Expedition als Kreuzbandsendung bestellt
haben; die Briefträger pflegen auch um die sortirten Sendungen
Bindfaden zu schnüren, wodurch die grösseren Formale eingerissen
werden. Um die Beschädigung bis zu einem gewissen Grade zu
vermeiden, empfiehlt sich der Versuch einer Bestellung nach
der Postzeitungsliste unmittelbar bei dem zuständigen
Postamte des Wohnortes des Bestellers. Die Zeitung wird
dann im Zeitungsballen befördert, leidet weniger, kommt zur
gleichen Zeit an und es tritt für den Besteller noch eine kleine
Ersparniss durch den Fortfall des Betrages für die Postanweisung ein.
Kamenz i. Sa. Nach heutigem Rechte ist Jeder für die von
ihm begangenen Fehler verantwortlich. Hat ein Baukundiger einen
solchen begangen, so kann er sich von der Verantwortlichkeit nicht
dadurch, befreien, dass der Maurerpolier den Fehler hätte merken
können, wenn er die Zeichnung mit der Bauzeichnung verglichen
oder sich ausschliesslich nach letzterer gerichtet haben würde. Der
Bauherr kann sich nur, an den Bauleiter halten; letzterer jedoch
wegen seines Aufwandes auf den Techniker zurückgreifen. Den
Schadenbetrag können wir nicht beziffern; er beläuft sich auf den-
jenigen Betrag, welcher zur Beseitigung des Fehlers und Herstellung
einer fehlerfreien Fassade ahfgewendet werden musste. — K. H-e.
Hrn. Stdtbmstr. H. in R. Wir müssen Sie mit Ihrer An-
frage, die des allgemeineren Interesses entbehrt, auf den Anzelgen-
theil verweisen. —
Anfragen an den Leserkreis.
Nach dem Brande des S emper’ sehen Hof theat er s in
Dresden wurde für die einstweiligen Theaterbedürfnisse ein Inte-
rimstheater errichtet, welchem in Anlage und Akustik werth volle
Eigenschaften nachgerühmt wurden. Leider haben vielfache Be-
mühungen nicht dazu gefülixt, die Pläne für diese Anlage ausfindig
zu machen. Ist einer der Leser in der Lage angeben zu können, ob
die Pläne noch erhalten sind, wo sie sien befinden oder ob sie viel-
leicht irgendwo veröffentlicht sind? H. in B.
Inhalt: Verband deutscher Arch.- uod Ing.-Vereine. — Das neue
Reform-Gymnasium in Weioheim i. B. — Die XV. Waoderversammlung
des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine zu Augsburg
vom 1.— 3. September 1902. (Fortsetzung). — Bücherschau. — Preis-
bewerbungen. — Chronik. — Brief- und Fraeekasten,
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort], i. V. F. Eiselen, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 75,
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN
sssr«r<s!i9!!s!sfs!srats:
ftSSrSÄSrsrsrsrsts: «tatst
AUZEITUNG.
GANG. H! H« N2; 76. ^
DEN 20. SEPT. 1902.
«tat «tat «tat «tat «tat «tat «tat
Berliner Neubauten.
No. 105. Das Bankgebäude der Disconto-Gesellschaft.
Architekt: Kgl, Hof-Baarath L. Heim in Berlin.
(Hierzu eine Bildbeüag-e und die Abbildungen auf Seite 488 und 489)
las Bankgebäude der Disconto-Gesellschaft in
■! Berlin war bis zum Jahre i8^ auf drei
^ Grundstücke vertheilt, nämlich: Unter den
j Linden 35, Charlottenstrasse 36 und Behren-
' Strasse 43/44. Die ältesten Gebäude be-
deckten das Grundstück Bchrenstrasse 43/44. Hier
befanden sich die Kassen und Korrespondenzräume,
auch die Dienstwohnungen in Gebäuden, welche ab-
gesehen von einem älteren von Hitzig umgebauten
Vorderhause, meist nur ein- und zweigeschossig waren
und eine sehr mangelhafte Ausnützung des Geländes
darstellten. Demnächst war durch die Firma Ende &
Böckmann ein Gebäude an der Charlottenstrasse er-
richtet worden, welches zu Dienstwohnungen und auch
als Couponkasse diente und wegen der geringen Breite
der Charlottenstrasse auch eine nur beschränkte Höhe
hatte. Schliesslich war etwa im Jahre 1889 ein neues
Gebäude von der Firma Ende & Böckmann auf dem
Grundstück Unter den Linden errichtet worden, welches
im Erdgeschoss die Wechselstube enthält, im L Ober-
geschoss die Räume der Geschäftsinhaber, darüber
verschiedene Spezial-Büreaus. (D. ßztg. 1892, No. 9.)
Bei der Disconto-Gesellschaft befindet sich die
besondere Einrichtung, dass neben der geschäftsfüh-
renden Direktion die Geschäftsinhaber einen maass-
gebenden Einfluss auf die Geschäftsleitung ausüben.
Die Unzulänglichkeit der Kassen-, Effekten-Büreaus
und Tresore führte 1898/99 zur Aufstellung eines
Neubau-Entwurfes durch den kgl. Hof-Baurath L. Heim
in Berlin. Nach diesem Entwürfe ist eine Vereinheit-
lichung der drei Grundstücke entstanden; es stellen
gegenwärtig die Gebäude ein organisch verbundenes
Ganze dar. Der Schwerpunkt der Baugruppe ist nach
der Be^enstrasse verlegt worden und es sind hier
über einem Untergeschoss dreigeschossige Gebäude
errichtet, welche vier Höfe umschliessen. Der rechte
Vorderhof ist zum Kassensaal für Haupt-, Wechsel-
und Effektenkasse ausgebildet, der linke Vorderhof ist
485
theiiweise zur Cduponkasse verwerthet. Die genannten stein und L. Sobotta; für die Werksteinarbeiteri der
beiden grossen Kassenräume liegen zu beiden Seiten Fassade, wie des Treppenhauses und der Kassensäle
eines Mitteltraktes, der die Haupttreppe, die Beamten- einschliesslich der Bildhauer- Arbeiten: Hof-Steinmetz-
treppe und die Fahrstühle enthält. Mstr. Wimmel & Co. —
Im Untergeschoss befinden sich ausgedehnte Gar- Die hauptsächlichsten Bauhandwerker waren für
derobenräume und Klosets. für die im Erdgeschoss die Maurer- und Zimmerarbeiten : Wittling & Güld-
beschäftigten Beamten; auch liegt hier unter dem ner; für Be- und Entwässerungs-Anlagen: Börner
Hauptkassensaal der grosse Banktresor, anschliessend Herzberg; für Heizungs- Anlagen: Herrn. Lieb au in
daran ausgedehnte Büreaus zur Bearbeitung der Effek- Magdeburg-Sudenburg; für Eisenkonstruktionen: Dort-
ten unterhalb der an die Kassen anschliessenden munder Union, Bretschneider & Krügner, J. Chr.
Effektenbüreaus und mit diesen unmittelbar durch eine Schultze & Sohn; für die Bank-Tresor-Anlagen und
gesonderte . Treppenanlage verbunden. Ausserdem dasArchiv: S.J. Arnheim; für dieSafes-Anlage: Goetz
enthält das Untergeschoss Wohnungen für den Portier, & Go. in Stuttgart; für die Stuckmarmor- undTerrazzo-
den Maschinisten und für zwei Kassenboten, auch eine Arbeiten: Gebrüder Axerio; für die Bautischler-Ar-
geräumige Kantine zur Verpflegung der Beamten,
schliesslich die Heizungs- und Ventilations-Anlage.
Die Anordnung des Erdgeschosses ist aus der
Abbildg. S. 488 ersichtlich, insonderheit die Raum-
eintheilung der Kassen, Botenzimmer usw., sowie
die Lage der ausgedehnten Effekten-Büreaus. In
dem Gebäude Unter den Linden befindet sich, wie
schon vor der Ausführung des Neubaues Behren-
strasse, die Wechselstube in Verbindung mit den
Effekten-Büreaus; Im Zusammenhänge mit der
Wechselstube werden im Untergeschoss daselbst
Privattresors angelegt.
Im I. Obergeschoss befinden sieh zunächst
der Behrenstrasse die gemeinsamen und privaten
Arbeitszimmer der Direktoren, ein Konferenz-
zimmer und die nöthigen Sprechzimmer; An-
schliessend 'daran Korrespondenz-, Börsen- und
Devisen-Büreaus; eine breite Korridor- Verbindung
stellt den Zusammenhang mit den Räumen der
Geschäftsinhaber her, die Unter den Linden ver-
blieben sind. Im II. Obergeschoss befinden sich
die Buchhalterei und die Spezial-Büreaus, beson-
ders auch dieBüreaus verschiedener Gesellschaften,
welche mit der Disconto-Gesellschaft im engsten
Zusammenhänge stehen.
DieFassadesowohlwiederHauptkassensaalund
das anschliessende Treppenhaus (s. die Bildbeilage)
mit den Seiten-Korridoren sind in weissem, schlesi-
schem Sandstein mit reicher Bildhauerarbeit durch-
geführt. Die Wandflächen der Kassen mit den
anschliessenden Büreaus sind in Stuckmarmor ge-
halten, ebenso die gewölbten oberen Hauptkorri-
dore. Die Ausstattung der gesammten Kassen-
räume, sowie derjenigen Räume, welche sich an
das Haupttreppenhaus anschliessen, ist in Maha-
goniholz erfolgt. Die massiv hergestellten Decken
sind durchweg hell gehalten und zeigen wie das
Aeussere Renaissance-Formen.
Das Aeussere sowohl wie der Hauptkassensaal
nebst dem anschliessenden Treppenhause und den
Vestibülen sind von monumentaler Wirkung. Der
bildnerische,, Schmuck des Aeusseren findet im
Inneren eine gesteigerte Fortsetzung, die sich nicht
nur in der Architektur der Wände und Stützen,
in der Architektur der Treppenläufe und Decken,
sondern auch in den reichen Möbeln, den Ver-
glasungen, Baikonen, Heizungsgittern usw. wie
in der Ausstattung des Ausbaues kundgiebt. Das Haupttreppenhaus.
Die Fussböden der öffentlichen Räume sind in _ t u>i rr
Terrazzo bezw. Stiftenmosaik ausgeführt, die Büreau- beiten: A. Bünger, Flatow & Priemer, J.^C. Pfait,
räume haben Linoleumbelag erhalten, auf welchen in C. Klempau, Chr. Bormann, Lübnitz & Reese;
den Räumen der Direktion Teppiche gelegt sind. Ab- für die Schlosserarbeitp: A. L._ Benecke;|für die
gesehen von dem Unter den Linden vorhandenen elektrischen Anlagen; die Union in Berlin; für^die Auf-
Sitzungssaale ist ein zweiter grösserer Sitzungssaal zugsarbeiten: Berlin - Anhalter Maschmenbau-
ira Erdgeschoss an der Behrenstrasse mit Berathungs- Aktiengesellschaft;^ für die Kunstverglasungen,
zimmer und Toilettenraum den Bedürfnissen ent- Spinn & Co/, für die gewöhnlichen Verglasun^n.
sprechend eingerichtet worden. Im Dachgeschoss, Albert Schmidt; für die Telephon- und elektusc^n
dessen Decke ebenfalls gewölbt ist, befindet sich das Schwachstrom- Anlagen: Mix & Genest; für die Be-
Archiv leuchtungskörper; Schäffer & Walcker, Frost &
Als künsüerische Mitarbeiter am Bau haben sich Söhne, Kray & Co.; für die inneren Einrichtungen:
bethätigt in hervorragender Weise als Architekt: Hr. Hermann Gerson, Gebr.Bauer, Flatow & Priemer.
R. Wirth- für die Modelle der Bildhauerarbeiten die Ueber die interessante Oberlicht-Ausbildung über
Hrn. Zeyer & Drechsler; als Ziseleure für Bronze- dem Hauptkassenhofe mit grossen, durch seitliche Ver-
Arbeiten die Hrn. Gustav Lind und Wilhelm Arndt; Schiebung der Konstruktion frei zu legenden Lüftungs-
für Bronzearbeiten; S.A.Loevy; als Maler: M.Boden- Oeffnungen berichten wir gesondert. —
486
No. 76.
Die XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Arch.- und Ingen.- Vereine
zu Augsburg vom i. — 3. September 1902.
III. Die Vorträge. (Fortsetzung.)
c) Augsburgs bauliche Entwicklung.
(Nach dem Vortrage des Hrn. städt. Ob.-Baurath Steinhäusser
in Augsburg.)
ES giebt wohl wenig Städte in unserem grossen deutschen
Vaterlande, die in der Geschichte einen so bedeuten-
den Namen gehabt haben, wie Augsburg. Die Ge-
schichte ihrer Künste und Gewerbe ist reicher an grossen
Zeugnissen, als die Geschichte jeder anderen Stadt, und es
darf als keine gewagte lokalpatriotische Ueberhebung be-
zeichnet werden, wenn Dr. Grossmann in seiner Broschüre
über die Entwicklung der Augsburger Industrie selbst
Nürnberg hiervon nicht ausnimmt.
Dem Gewerbefleisse seiner Bewohner, der Schaffens
kraft und Unternehmungslust seiner Bürger verdankte
einst Augsburg die herrliche Blüthe, den weithin leuchten-
den Glanz seines Ruhmes im Mittelalter. Ende des i6. Jahr-
hunderts hatte die Stadt den Höhepunkt ihres Reichthums
und ihrer Macht erreicht. Mit dem 30-jährigen Kriege be-
ginnt ein Rückgang und die frühere Machtstellung wurde
nicht wieder erlangt.
Aber Augsburg war nicht blos eine reiche Handels-
und Gewerbestadt, die lange Zeit in dem politischen Ge-
füge des deutschen Reiches eine hervorragende Stellung
einnahm, sie hat auch eine lange Reihe von Generationen
hindurch bis Ende des 18. Jahrhunderts in .der deutschen
Kunst und dem deutschen Kunstgewerbe eine leitende
Rolle gespielt, und den sprechenden Zeugen davon be-
gegnen wir heutzutage noch auf Schritt und Tritt in den
Strassen der Stadt und in unserenMuseen. Wir dürfen wohl
sagen, es war der Mittelpunkt aller künstlerischen und
wissenschaftlichen Bestrebungen. Das ist aber unbestritten,
dass Augsburg damals wohl die reichste aller deutschen
Städte war. Augsburger Pracht war sprichwörtlich und
Augsburger Geld rollte befruchtend in allen Ländern
Europas. Die wichtigste Industrie war schon damals die
Weberei, daneben Färberei und Tuchdruckerei. Bekannt
sind die Bergbau-Unternehmungen der Fugger in Ungarn,
Spanien, Tirol und anderen österreichischen Ländern.
Andere Augsburger Bürger folgten ihnen und selbst in
England wurden Bergwerke mit Augsburger Geld betrieben.
Diese Stellung Augsburgs in der Welt lässt es be-
greiflich erscheinen, dass auf die äussere Ausgestaltung
der Stadt von ihren Burgern ungemein viel gehalten wurde,
sodass sie von vielen Besuchern der damaligen Zeit als
die schönste Stadt Deutschlands gepriesen wurde. Es mag
dies aber auch kein Wunder gewesen sein, wenn man zu-
nächst die für die damaligen Verhältnisse ausserordentliche
Breite der Strassen und Grösse der Plätze inbetracht zieht
und bedenkt, dass jedes Haus von den besten Künstlern
der Zeit im Aeusseren bemalt war.
Neben der Pracht hielt man aber auch auf die Sicher-
heit der Stadt, auf gute Befestigung, denn ihre Reich-
thümer waren nur zu sehr geeignet, die Begehrlichkeit
herauszufordern.
Schon frühzeitig hielten ferner die Reichsstädte sehr
viel auf sanitäre Einrichtungen, insbesondere auf eine
Versorgung mit gutem Trinkwasser und es gehört Augs-
burg zu den wenigen Städten, die schon im 15. Jahrh. eine
öffentliche und allgemeine Trinkwasser-Versorgung batten.
Am Anfang des ,17. Jahrhunderts wurden später von Elias
Holl an verschiedenen Punkten der inneren und äusseren
Stadtumwallung besondere Wasserthürme erbaut, in weiche
das Wasser hydraulisch gehoben und von da in die ver-
schiedenen Rohrleitungen aus Holz und Metall vertheilt
wurde. Zur Wasserbeschaffung selbst dienten mehrere
der minder entfernten Quellbäche vor den Thoren der
Stadt. Eine weitere sanitäre Maassregel war die schon
Ende des 16. Jahrhunderts erfolgende Verlegung der
Friedhöfe aus der Stadt, die Entfernung der Schlacht-
häuser aus dem Stadtinneren usw.
Die Anlage grosser breiter Strassen und Plätze spielte
schon bei unseren Vorfahren eine Rolle und für die Be-
dürfnisse des Verkehrs hatten sie immer offene Augen.
Die besondere Steilung .Augsburgs als Ort zahlreicher
Reichstage, der häufige Besuch der Fürsten mit gewal-
tigem Gefolge zwang allerdings zu solchen Maassregeln.
Auch auf grosse Gärten innerhalb der Stadt wurde
grosser Werth gelegt und darin war Augsburg wohl allen
Städten voran. Selbst das heutige Augsburg zehrt noch
von diesen Annehmlichkeiten. Schöne Gärten waren
Lieblingskinder der reichen Bevölkerung Augsburgs und
so kam es, dass mit wenigen Ausnahmen im Inneren der
Stadt, namentlich in den unteren Handwerkervierteln an
20. September 1902.
den Lechkanälen und in der Jakober-Vorstadt keine in-
tensiv enge Bebauung stattfand, wie man das sonst von
alten Städten gewohnt ist.
Unter solch’ günstigen Verhältnissen wie sie im alten
Augsburg Vorlagen, wo der riesige Handel den ganzen
damaligen Weltmarkt beherrschte, wo ein so reges Ver-
kehrsleben stattfand, hatte selbstverständlich auch das
Handwerk einen goldenen Boden, und die Handwerks-
zünfte, voran die der Weber, konnten sich dadurch zu
einer gewaltigen Macht entwickeln und nach allen Rich-
tungen ihre Rechte geltend machen. Auch der Rath der
alten Reichsstadt nahm grossen Antheil an der Entwick-
lung des Handwerks und förderte es insbesondere durch
frühzeitige Errichtung von Wasserkraft- Anlagen, wozu die
vorzügliche Lage der Stadt an der Spitze zwischen Lech
und Wertach geradezu herausforderte. Dieser Umstand
ist es namentlich, welcher Augsburg schon sehr früh zu
einer blühenden Gewerbestadt, später zu einer hervor-
ragenden Industriestadt stempelte. Indess auch die Blüthe
des Gewerbes, des Handwerks war stets einem raschen
Wechsel unterworfen und gar oft trat bittere Noth an
Stelle des herrschenden Wohlstandes, wozu die furcht-
baren Kriege im Laufe der Jahrhunderte, von denen das
stets als reich bekannte Augsburg mehr als andere Städte
heimgesucht wurde, das meiste beitrugen. Wir sehen das
auch schon aus dem Wechsel der Bevölkerungszahl. Ende
des 15. Jahrhunderts zählte die Stadt etwa 20 000 Ein-
wohner, etwas über hundert Jahre später 40000, stieg dann
sogar noch auf 45 000, bis während des 30 jährigen Krieges
die Zahl wieder bis unter die Hälfte herabsank. Aber
das Handwerk blühte trotz allem von Neuem auf und
noch das 18. Jahrhundert hindurch, nachdem auch das
Unheil des spanischen Erbfolgekrieges überstanden war,
erfreute sich das Gewerbe wiederholter Blüthe, eines
neuen Friedens, der den Glücksstern der alten Augusta
nochmals zum Aufleuchten brachte.
In Handel und Gewerbe, Kunst und Wissenschaft
herrschte durchgehends die regste, erfolgreichste Thätig-
keit; die Herstellung des Baumwolltuches nahm einen
solchen Umfang an, dass 1785 allein für feinere Waaren
830 Webermeister mit mehreren hundert Gesellen arbei-
teten. In ähnlicher Weise blühten die Werkstätten der
200 Goldschmiede, welche 1733 allein für das Berliner
Königsschloss um 605165 Gulden Tafelaufsätze arbeiteten.
Damit sindwir aber schon an einer neuen Entwicklungs-
phase angelangt, das Handwerk muss seinen Platz an die
Industrie abtreten. Englands übermässige Konkurrenz, die
Einführung der ersten Baumwoll- Maschinen aus England
Ende des 18. Jahrhunderts schnitt dem einst so einfluss-
reichen Weberhandwerk, auf welchem Augsburgs Grösse
beruht hatte, den Lebensfaden ab und Hess auch das
erste Fabrik-Unternehmen — wenn man so sagen will —
die 1758 von einem Eingewanderten, von Job. Heinrich
Schüle gegründete Kattunfabrik, die sich zu der bedeu-
tendsten Anlage auf dem Kontinente aufschwang, nur vor-
übergehend diesen Platz behaupten.
Die Folgen der französischen Revolution vernichteten
die letzte Nachblüthe des 18. Jahrhunderts. Nach Beendigung
des Krieges war nur mehr eine gänzlich verarmte Bevölke-
rung anzutreffen, und der Nimbus der Augsburger Pracht, des
Augsburger Reichthums für immer dahin geschwunden.
Augsburg wurde eine Provinzstadt des zum Königreich
erhobenen Bayernlandes, aus einer herrschenden wurde
eine beherrschte Stadt, doch zu ihrem Glücke, denn diese
Wandlung ist für die Stadt höchst segensreich geworden
und unter dem starken Schutze des kunstsinnigen Wittels-
bacher Herrscherhauses hat sich Augsburgs Wohlstand von
Jahr zu Jahr wieder gehoben und heute nimmt es wieder
einen hervorragenden Rang unter den deutschen Fabrik-
städten und den dritten Rang unter den bayerischen
Städten ein.
In den ersten 30 Jahren des 19. Jahrh. bietet indess
die Industrie Augsburgs, von der ja die jeweilige bauliche
Entwicklung der Stadt vollkommen abhängig ist, ein eben-
so trauriges Bild wie das deutsche Wirthschaftsieben über-
haupt; dazu kam die alles erdrückende wirthschaftliche
Uebermacht Englands, bis endlich der deutsche Zollverein
wenigstens eine gewisse Besserung der industriellen Ver-
hältnisse herbeiführte.
Neben dieser günstigen Wendung war langsam auch
hier eine allmähliche Erholung eingetreten, die Bevölkerung
wuchs wieder, zählte 1828 etwa 29000 Einwohner (also
noch immer fast 16 000, weniger als in seiner höchsten
Blüthe vor mehr als 300 Jahren), stieg 1834 auf 33 000 und
1840 auf fast 37 000 Seelen. Es war wieder Lust zu
487
grösseren industriellen Unternehmungen vorhanden, welche
gefördert wurde durch die damalige bayerische Gewerbe-
Politik, die den fabrikmässigen Betrieb von den Schranken
des bisher herrschenden Zunftbannes befreite, der jedem
Fortschritt hemmend im Wege stand. Die Gehässigkeit
des Handwerkerstandes gegen die neue Industrie, die
noch dazu zumeist von Fremden eingeführt wurde, hatte
dem ersten grossen Fabrikanten Scnüle hier die Arbeit
verbittert, sie liess auch die 1835 gegründete Weberschule
nicht aufkommen, die bei der jetzigen grossartigen Ent-
Industrie dienstbar zu machen, eine Aufgabe, der sie dann
später ihre vollste Aufmerksamkeit zuwendete. 1851 wur-
den bereits 2556 P. S. in 94 Werken ausgenutzt, die 1865
auf über das doppelte mit 5187 P. S. stiegen, und 1892
sich fast vervierfacht hatten. Der Grossbetrieb fasste
dann wieder die einzelnen Kräfte zusammen und so wurde
die vollkommenste, vortheilhaftesteAusnutzungdes Wassers
ermöglicht.
Die hohen Kosten der die Wasser- Verhältnisse voll-
kommen umgestaltenden Kanalbauten wurden theils von
Das Bankgebäude der Disconto-Gesellschaft
ln Berlin.
Architekt: Kgl. Hof-Baurath L. Heim in Berlin
Oberg
a Direktions-Arbeits-
raum
b Direktoreu-Zimmer
c Haupttreppe
d Neben* bezw.
Beamteo-Treppen
e Fahrstuhl
f Passage
g Kasseusaal
e s cb 0 s s:
h Roafereaz'Zimmer
i Wartezimmer,
k BOrsenbüreau'
1 Korrespoodenz
m Buchbalterei
n Arbeitsraum
o Geschäftsiuhaber
p Briefaunabme
q Garderobe
Erdg
a Windfang
b Eingangshalle
c Haupttreppe
d Beamten- bezw.
Nebentreppen
e Fahrstuhl
f Passage
g Kasseusaal
h Coupon-Kassensaal
i Wechsel-Einlösungs-
Kasse
k Hauptkasse
1 Reservekasse
m Botenmeisterei
n WechselbOreau
o Effekten-Kasse
p Effckten-Büreau
q Wechselstube
r Emissionsstelle
s Korrespondenz und
Buchhalterei
t Sitzungssal
u Voiraum
V Garderobe
d
Charlottenstrasse.
Wicklung hier jetzt sehr vermisst wird und gewiss auf
fruchtbarstem Boden hier gearbeitet hätte. Jetzt allerdings
sieht man es ein.
Immerhin begann Ln den dreissigerjahren ein neuer An-
stoss zur Gründung von Fabriken, wie der grossen Kamm-
garn-Spinnerei, der grossartigen mechanischen
Banmwoll-Spinnerei und Weberei, die sich später
zu ungeahnter Grösse entwickelten, und die Stadtgemeinde
wurde sich auch allmählich wieder der Pflicht bewusst,
durch weiteren Ausbau der Wasserkanäle die noch un-
ausgenutzten Wasserkräfte der Weiterentwicklung der
der Stadtgemeinde, theils von den Wasserwerks-Besitzern
getragen, welche jedoch kein Eigenthum an den herge-
stellten Kanalstrecken erwerben. Die Gemeinde erhebt
zur Deckung ihrer Auslagen sog. Wasserzinse, die ge-
genwärtig IO M. für I P. S. betragen. Sie dienen zur
Bestreitung der selbstverständlich mit der Zeit bedeutend
angewachsenen Unterhaltungskosten. Die Gründung von
Fabriken der Wollbranche nahm immer mehr zu, Hand
in Hand damit ging die Gründung von Fabriken, die hier-
mit in Zusammenhang stehen, so von Maschinen-Fabriken
und Fabriken der chemischen Industrie, Bleicherei und
488
No. 76.
Färberei. Mehrere derselben haben infolge der Vorzüg-
lichkeit ihrer Fabrikate einen Weltruf erlangt — genannt sei
nur die Maschinen-Fabrik Augsburg, ferner Riedin-
ger usw. — wenn auch heute noch die eigentlichen Spinn-
und Weberei-Maschinen aus England bezogen werden.
Zurzeit werden aus den Brunnenbächen, an den Lech-
kanälen und an den Wertachkanälen mit zusammen etwa
6okm Länge und 79 Triebwerken 12581 P. S. ausgenutzt,
wozu noch 27600 Dampf P. S. kommen, von welch letz-
teren die Texiil-Industrie allein 22000 für sich in Anspruch
nimmt, während sie 15000 Arbeiter beschäftigt. Die An-
werden. Geradezu grossartig und seit Jahren muster-
gütig sind die in den hiesigen Fabrik - Betrieben ge-
schaffenen Wohlfahrts - Einrichtungen und die Fürsorge
für den Arbeiterstand. Im Stadtbezirke selbst sind z. B.
146 Arbeiter -Wohnhäuser mit 790 Wohnungen vor-
handen.
Die vorgeschilderte namhafte Entwicklung der In-
dustrie förderte selbstverständlich auch die bauliche Ent-
wicklung der Stadt, die nach 1840 36800 Einwohner zählte,
jetzt aber fast 90000 Seelen hat. Es ergiebt sich daraus
eine jährliche Zunahme von 11,5%. Dabei darf nicht
Längsschnitt bei d.
1 ^ *1
l 6 . ii J -
1 3 K ^
pi.i ...Js
ppfs
1-4 i
Querschnitt a— b.
Berliner Neubauten. No. 105. Das Bankgebäude der Disconto-Gesellschaft. Architekt: Kgl. Hofbrth. L. Heim in Berlin.
zahl der Spindeln, die nach 1879 rd. 265000 betrug, ist
jetzt auf 653000 angewachsen, hat sich also innerhalb 30
Jahren fast verdreifacht. Die gesammte Arbeiterzahl darf
nach den neuesten Erhebungen auf 33 000 angenommen
ausseracht gelassen werden, dass die Stadtgemeinde noch
nicht eine einzige von den ringsum liegenden, mit ihr so-
gar örtlich engverbundenen stark bevölkerten Landgemein-
den einzuverleiben gesucht hat. — (Schluss folgt)
Eisenbahn-Vorarbeiten und Landeskarten.
Von Prof. Dr. C. Ko
jr^^ei Gelegenheit des internationalen Ingenieur-Kon-
gresses , der auf englischem Boden m der alten
^ Universitäts-Stadt Glasgow tagte, hob der Präsident
desselben, James Mansergh, in seiner Begrüssungsrede als
charakterisiisches Merkmal der Ingenieurkunst ihre „Wirth-
schafilichkeit“ hervor, indem der Ingenieur als solcher be-
fähigt sei, etwas „gut" ausznführen, was Andere für dasselbe
20. September 1902.
)pe m Brauuschweig.
Geld nur „irgendwie“ zustande bringen könnten. Mit dem
geringsten Aufwande an Zeit und Mitteln ein zweckent-
sprechendes Ergebniss zu haben, wird das Bestreben einer
jeden, auf wissenschaftlicher Grundlage arbeitenden tech-
nischen Bauleitung sein. Die Vielgestaltigkeit der praktischen
Aufgaben aber und die oft sehr grossen Schwierigkeiten,
die bei ihrer Lösung zu überwinden sind, führen dazu,
489
dass obiges Ziel in der technischen Praxis nur mit einer
gewissen Annäherung erreicht wird, in höherem oder ge-
ringerem Grade, je nach den Kenntnissen und Fähigkeiten
des bauleitenden Ingenieurs. Ohne hinreichende Klarheit
inbezug auf das erforderliche Maass von Genauigkeit, fehlt
zur richtigen Ausführung eine der nothwendigsten Vorbe-
dingungen, auch wird es nur dann möglich sein, an das
arbeitende Personal „ gerechte“ Anforderungen zu stellen,
wenn man sich über Umfang und Güte einer „normalen“
Arbeitsleistung sichere Anhaltspunkte verschafft hat.
Diese Forderungen werden bei der seitherigen Aus-
führung und Behandlung von technisch-topographischen
Vorarbeiten für den Eisenbahnbau nur in sehr geringem
Maasse erfüllt, ja man darf wohl behaupten in weit ge-
ringerem Grade, als bei anderen geodätischen und tech-
nischen Arbeiten. Den Grund hiervon festzustellen, so-
wie Mittel und Wege anzugeben, um zweckentsprechende
Verbesserungen zu erzielen, dürfte daher keine undank-
bare Aufgabe sein. Hierzu ist es zunächst nolhwendig,
etwas weiter zurückzugreifen.
Man unterscheidet von Alters herzwischen höherer
und niederer Geodäsie und rechnet zur ersteren alle
geodätischen Arbeiten, bei denen die Krümmung der mathe-
matischen Erdoberfläche berücksichtigt wird, zu letzterer
diejenigen Vermessungen, bei denen dies nicht der Fall
ist, für welche die Erdoberfläche unbeschadet der einzu-
haltenden Genauigkeitsgrenzen als Ebene betrachtet wer-
den kann. Die Pflege der höheren Geodäsie ist in erster
Linie Aufgabe der internationalen Erdmessung, in Deutsch-
land vertreten durch das „Geodätische Institut“, sowie der
Geodäten und Astronomen an den Universitäten. Die
niedere Geodäsie spielte lange Zeit hindurch eine sehr
untergeordnete Rolle und wurde von den sie ausübenden
Feldmessern und Geometern handwerksmässig erlernt und
betrieben, bis die gesteigerten Anforderungen der Neuzeit
auch ihr mehr und mehr eine wissenschaftliche Grund-
lage gaben. Zwischen den vorgenannten beiden Zweigen
der Geodäsie stehen die Vermessungsarbeiten der Landes-
aufnahmen, die in erster Linie militärischen Zwecken
dienen und daher meist vom Generalstabe ausgeführt
werden. Auf der einen Seite aber macht man dieselben
nun mehr und mehr auch den rein wissenschaftlichen
Untersuchungen der Erdmessung nutzbar, auf der anderen
liefern sie die festen Ausgangspunkte für alle trigono-
metrischen und nivellistischen Arbeiten der Zivil-Ver-
waltungen und Eisenbahn-Technik, welch’ letzterer na-
mentlich die topographischen Landeskarten zu all-
gemeinen Vorarbeiten wesentliche Dienste zu bieten be-
rufen sind.
Unter den vorgenannten 3 Zweigen des Vermessungs-
wesens bestand zu Beginn des Eisenbahnbaues kein innerer
Zusammenhang. Die Landesaufnahmen waren in den
meisten Staaten zu jener Zeit noch nicht so weit vorge-
schritten und ausgebildet, um den Bedürfnissen der Zivil-
Verwaltungen genügend Rechnung tragen, sowie anderer-
seits aus den von letzteren ausgeführten Vermessungs-
Arbeiten und Aufnahmen für ihre Zwecke wesentlichen
Nutzen ziehen zu können.
Zur weiteren Ausbildung der niederen Geodäsie drängte
das steigende Bedürfniss nach guten Plänen für wirth-
schaftliche Zwecke, Kataster, Zusammenlegungen, Siche-
rung der Eigenthums-Grenzen usw. hin. Die neuen Ver-
kehrswege verlangten genauere Höhen -Aufnahmen auf
gemeinsamer einheitlicher Grundlage, und immer deut-
licher trat die Wichtigkeit guter topographischer Karten
im allgemeinen Landesinteresse hervor. Durch diese ver-
schiedenartigen Bedürfnisse nach Verbesserung der geo-
metrischen und topographischen Vermessungen und Lan-
des-Aufnähmen entstand die heutige „angewandte“
Geodäsie, wie ich dieselbe zur Unterscheidung von der
früheren „niederen“ Geodäsie nennen möchte. Diese
„angewandte“ Geodäsie umfasst — im Gegensätze zu den
reih wissenschaftlichen Erdmessungs-Arbeiten — sämmt-
liche Vermessungen und Aufnahmen, die praktischen
Zwecken dienen sollen, von den grundlegenden Triangu-
lations- und Nivellements-Arbeiten des Generalstabes aus-
gehend bis zur Feststellung der Eigenthums-Grenzen und
der topographischen Gelände-Darstellung durch Horizontal-
Kurven usw. Sie wurde am vollständigsten dargestellt
durch Jordan in seinem Handbuche der Vermessungs-
kunde, wie denn die technischen Hochschulen einen wesent-
lichen Antheil an ihrer Entwicklung genommeu haben.
Die Ausbildung der angewandten Geodäsie erfolgte
aber nicht gieichmässig in ihren einzelnen Theilen. Dem
eingangs aufgestellten Grundsätze, mit dem geringsten
Aufwande an Zeit und Mitteln ein zweckentsprechendes
Ergebniss zu erreichen, entsprechen zurzeit in weit voll-
kommenerem Maasse die sämmtlichen Horizontal - Ver-
messungen und die Landesaufnahmen, als die Höhen-Auf-
nahmen und topographischen Gelände-Darstellungen für
technische Zwecke. Von den Dreiecksnetzen I. Ordnung
an, durch alle Triangulations-Abstufungen bis zu den un-
mittelbaren Längenmessungen und den Flächen-Bestim-
mungen für die einzelnen Grundstücke sind die Genauig-
keits-Grade nach mittleren Fehlern berechnet und hier-
nach die bei der Ausführung nicht zu überschreitenden
Höchst-Fehlergrenzen genau festgestellt worden. Für die
Ausführung aber von technisch-topographischen
Gelände - Aufnahmen fehlen derartige Bestim-
mungen zurzeit noch vollständig. Warum?
Die ersten EisenbahnUnien wurden in nahezu ebenem
Gelände gebaut und konnten ohne grössere geometrische
Vorarbeiten unmittelbar in der Natur abgesteckt werden.
Dies änderte sich zwar bei dem gewaltigen Aufschwünge,
den der Eisenbahnbau um die Mitte und in der zweiten
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts nahm, und eine rich-
tige Tracirung der schwierigeren Gebirgslinien machte
umfangreichere Gelände -Aufnahmen zu vergleichenden
Studien erforderlich, weiche die Beherrschung des ange-
wandten Vermessungswesens in immer grösserer Voll-
ständigkeit verlangten, wie ich in einer Abhandlung: „Die
Fortschritte und die Bedeutung der Geodäsie beim Eisen-
bahnbau“ im Organ für die Fortschritte im Eisenbahnbau,
33. Bd. Heft 4, 1901, ausführlicher dargelegt habe. Der
Eisenbahnbau lag aber zurzeit seines grössten Aufschwun-
ges vornehmlich in den Händen von Aktien-Gesellschaften,
die wegen der Konkurrenz stets auf thunlichste Beschleu-
nigung der Bauausführung drängten. Alle Bestrebungen
nach Vervollständigung und Verbesserung der Aufnahme-
Methoden waren daher darauf gerichtet, die Zeit, welche
die Vorarbeiten erforderten, bis auf das äusserste Maass
herabzumindern. Trotzdem ging es niemals rasch genug.
Von einer Ausbildung der technisch-topographischen Auf-
nahmen auf wissenschaftlich-praktischer Grundlage war
keine Rede, hingegen wurden ungezählte Arten von
„Tachymetern“, „Schnellmessern“, „Vielmessern“ u. dergl.
erfunden. Das Personal für die Aufnahmen wechselte
unaufhörüch, indem immer wieder jüngere Kräfte zu den-
selben verwendet wurden, die nach thunlichst rascher
Beendigung der Vorarbeiten in der diesen folgenden Bau-
ausführung ihre eigentliche Bauaufgabe erblickten. Die
meisten Eisenbahn-Direktionen besassen gar keine Ver-
messungs-Vorschriften und überliessen die Art der Aus-
führung vollständig den Ingenieuren und Geometern.
Immer aber „pressirte“ es dermaassen, dass die .ange-
fertigten Pläne ohne jegliche Prüfung hinsichtlich ihrer
Richtigkeit oder ihres Genauigkeitsgrades zur Ausarbei-
tung der Entwürfe benutzt wurden. Diese Verhältnisse
bedingten die Entwicklung und die heutige Gestalt der
technischen Geodäsie. Eine Ausnahme macht Württem-
berg, wo der Bahnbau schon frühzeitig in den Händen
des Staates lag. Die württembergische Eisenbahnbau-
Kommission erliess anfangs der 70er Jahre eine einheit-
liche Dienstanweisung für die Höhenaufnahme der Flächen.
In einem Rundschreiben des Präsidenten Klein vom Jahre
1875 an alle bei Vermessungsarbeiten betheiligte Behör-
den heisst es: „Solche .Höhenaufnahmen aber einmal ge-
macht, sollten nicht im Papiermagazin verloren gehen,
sondern als Gemeingut gesammelt und zur Förderung
aller technischen Unternehmungen für möglichste Ver-
breitung eingerichtet werden“. Auf der Grundlage dieser
technisch-topographischen Arbeiten wurde dann die neue
württembergische Landes-Höhenaufnahme aufgebaut zur
Herstellung einer topographischen Landeskarte in dem
Maasstabe 1 : 2500 mit Horizontalkurven für das ganze
Königreich, der seither kein anderer Staat Ebenbürtiges
an die Seite stellen kann.
Wie wenig einheitlich demgegenüber das Ver-
messungswesen bei den preussischen Eisenbahn- Direk-
tionen gehandhabt wird, denen gemeinsame, auf wissen-
schaftlich-praktischer Grundlage aufgestellte Vermessungs-
Vorschriften noch gänzlich fehlen, habe ich ausführlicher
dargelegt in einer Abhandlung: „Die neuere Landes-
Topographie, die Eisenbahn-Vorarbeiten und der Doktor-
Ingenieur“. (Braunschweig 1900, Fr. Vieweg & Sohn.)
Es wird in derselben darauf hingewiesen, dass weder
in der gesammten Litteratur für den Eisenbahnbau, noch in
den Instruktionen der deutschen Eisenbahn-Verwaltungen
irgend welche Anhaltspunkte vorhanden sind zur Beant-
wortung der Frage nach der zweckentsprechenden Ge-
nauigkeit einer topographischen Aufnahme und Gelände-
Darstellung für Eisenbahn-Vorarbeiten.
In Braunschweig wird gegenwärtig eine neue topo-
graphische Landeskarte im Maasstabe 1:10000 bear-
beitet, die in erster Linie zivil-topographischen Zwecken
zu dienen berufen ist. Ich glaubte daher, um dieselbe thun-
lichst zweckentsprechend gestalten zu können, an die Or-
gane des Eisenbahnbaues und an die Ingenieur-Vereine
No. 76.
490
die Bitte richten zu sollen um geneigte Beihilfe zur Beant-
wortung der Frage; „Was verlangt der Ingenieur im tech-
nischen Interesse von einer neuen topographischen Landes-
karte in Hinsicht auf die Gelände-Darstellung durch die
Horizontal-Kurven und zwar zunächst für eine topogra-
phische Karte Mittel-Deutschlands im Maasstäbe 1:10000,
wie eine solche für das Herzogthum Braunschweig neu her-
gestellt werden soll und bereits in Angriff genommen wor-
den ist?"
Eine Beantwortung dieser offenen Anfrage habe ich
seither nicht erhalten, unter mehreren Zuschriften hin-
gegen auch solche, welche die Möglichkeit einer zweck-
entsprechenden Beantwortung derselben in Zweifel ziehen
zu müssen glauben. Demgegenüber möchte ich hier die
weiteren Erfahrungen kurz mittheilen, die wir auf der
Grundlage unserer eigenen Genauigkeits-Untersuchungen
usw. gemacht haben. Ueber die letzteren wurde in oben
erwähnter Abhandlung bereits Einiges mitgetheilt.
Um zunächst festzustellen, was ein Topograph in einer
bestimmten Zeit je nach den Terrain-Verhältnissen praktisch
zu leisten imstande ist, wurden vergleichende Untersuchun-
gen bei den topographischen Aufnahmen im Gelände der
„Asse“ angestellt, eines Höhenzuges in den Vorbergen des
Harzes, der hinreichend Wechsel voll gestaltet ist und Höhen-
unterschiede von 100— 150 ni besitzt. Es traf sich so günstig,
dass das gleiche Gebiet auch von der preussischen Lahdes-
Aufnahme im Maasstabe von i : 25000 in demselben Sommer
des Jahres 1899 bearbeitet wurde. Der Chef der topo-
graphischen Aufnahme der preussischen Landesaufnahme,
General Schulze, gestattete eine Prüfung und Vergleichung
dieser Aufnahmen unter Mitwirkung seiner Topographen.
Unabhängig von den beiderseitigen topographischen Auf-
nahmen waren auf einem Fiächenraume von 50 unserer-
seits gegen 1000 Geländepunkte genau eingemessen, sowie
nach Koordinaten und Höhen nummerisch bestimmt wor-
den. Diese Punkte wurden nach ihren Koordinaten in die
Original-Kurven-Pläne von den Topographen der betr.
Aufnahmen eigenhändig eingestochen und durch Inter-
polation zwischen den Kurven der Höhe nach ermittelt.
Die Vergleichung der unmittelbar bestimmten mit den
aus den Plänen abgeleiteten Höhenzahlen, und die Zu-
sammenfassung der Abweichungen je nach der Neigung
des Geländes ergab folgende Mittelwerthe für die durch-
schnittlichen Abweichungen, die hier als wahre Fehler
der topographischenHöhenbestimmung angesehenwer-
den können, da die unmittelbar gemessenen Höhenzahlen
imVergleich zu jenen als fehlerfrei betrachtet werden dürfen.
Die preussischen Topographen nahmen im Maass-
stabe 1 : 25000 in jedem Monate etwa 20 auf, der Braun-
schweigische Topograph im Maasstabe i : 10000 etwa
d. h. rund die Hälfte. Beider Leistungen können als vor-
zügliche bezeichnet werden, wie dieselben im Durch-
schnitt von geübten Topographen nicht übertroffen wer-
den. Wie die Zahlen der Spalten 2 und 4 ferner erkennen
lassen, haben beide trotz der Verschiedenheit der aufge-
wendeten Zeiten und der Maasstäbe bei ebenem Gelände
die gleiche Genauigkeit erreicht; bei zunehmender Nei-
gung des Geländes wird die Genauigkeit der Aufnahme
Durchschnittliche Fehler der topographischen
Höhenda rstellung.
18
Braiinschwe
I.
Geübter
II.
dige Aufnahme
Topograph
nach zweijäh-
riger Uebung
1899 I
Preussen
Geübte
Topograph.
1878
^Liifäiiger
Arbeitsleistung für i Monat
1 6 qkm ] 20 qkm | 20 qkm
Durchschnittl. Fehler der topograpli. Höhendarstellung
I
I
1,7 m
3,0 m
3.5®
I
1.3
2,6
1
4
1,0
r,5
1,9
I
6
0,8
1,8
I
8
0,7
1,3
I
10
0,6
0,9
I
15
0,5
0,7
I
20
0,4
1,0
0,6
I
30
0,3
0.9
0,6
I
40
0,3
0,8
0,5
I
5°
0,3
0,5
I
100
0,3
0,7
0,4
0,3
0,7
0,3
Maximal-Fehler
3,8
6,3
7,0
im Maasstabe i : loooo wesentlich grösser. Dies ist leicht
erklärlich, denn bei geringer Neigung der Flächen kommt
für die Genauigkeit der Höhenaufnahme und Höhendar-
stellung durch die Niveau-Kurven der Maasstab wenig in-
betracht; geringe Verschiebungen der Kurven bleiben
auf die Höhen der Geländepunkte ohne merklichen Ein-
fluss. Anders bei starken Neigungen. Im Maasstabe
1 : 25000 entspricht o,i mm des Planes im Grundriss einer
Länge, von 2,5 m in der Natur, im Maasstabe i ; 10000
aber nur einer solchen von i m. Bei Neigungen von 45®
entsprechen der gleichen Verschiebung der Horizontal-
kurven von 0,1 mm ebenfalls Fehler von 2,5 m bezw. im
der Höhen. Es muss also eine rationell ausgeführte topo-
graphische Aufnahme im Maasstabe 3 : 10000 bei starken
Neigungen eine wesentlich genauere Höhendarstellung
liefern, als eine solche im Maasstab i : 25000. Die Zahlen
obiger Tabelle in Spalte 2 u. 4 zeigen zugleich, dass beide
Aufnahmen an Genauigkeit im Durchschnitt das leisten,
was in Anbetracht des Maasstabes überhaupt noch prak-
tisch verwerthbar ist, denn irgend ein beliebiger Gelände-
punkt kann nach den Karten nicht genauer als bis auf
einige Zehntel des Millimeters im Grundrisse festgelegt
werden, da sichere Anhaltspunkte zu seiner Einmessung
— zumal die Eigenthumsgrenzen mit Grenzsteinen usw.
nicht dargestellt sind — nur selten vorhanden sind.
Bei den topographischen Karten grösseren Maass-
stabes, z. B. 1 : 2500 mit allen Eigenthumsgrenzen, wie
solche von_ der württembergischen Landesaufnahme be-
arbeitet wird, ist eine wesentlich genauere Einmessung
der Geländepunkte im Grundrisse leicht ausführbar. Hier
wird man daher an die Genauigkeit der Höhenaufnahme
und Höhendarstellung durch die Horizontalkurven andere
Anforderungen zu stellen haben. Dasselbe gilt von den
topographischen Plänen für Eisenbahn- Vorarbeiten, zu-
mal wenn diese besonderer Natur sind. rschiu^-
Vermischtes.
putzwänden, in den seltensten Fällen aus Marmor, Schiefer,
Rohglasplatten, Torgamentmasse, oder massiv aus Verblend-
Rahmenwände von Glasursteinen. Die bisher üblichen steinen. — InneuesterZeitwerden derartige Theüungswände,
Konstruktionen für Badezellen und Abortwände bestanden um weitgehenden hygienischen Anforderungen zu ent-
sprechen, aus glasirten Spalt-
verblendern mit ganz engen
Fugen im Eisen Rahmenwerk
hergestellt, welche die sauberste
Reinhaltung sichern. — Zum
besseren Verständniss solcher
Anlagen geben wir in den bei-
gefügten Skizzen ein Beispiel
der Anordnung der Rahmen-
wände eines Schulabortes aus
40 mm starken gefalzten Glasur-
steinen mit Formstein-Anfän-
gern, Eiseneinlagen und Eisen-
stützen, welche dem Architek-
ten Frenger in Spandau durch
Eintragung in die Gebrauchs-
muster-Rolle des kaiserlichen
Patentamtes geschützt sind. Die
Spalt -Glasursteine werden von
derAktien-Gesellschaft„UlIers-
dorfer Werke“, Kunstziegel-
und Thonwaaren-Fabrik in Nie-
der-UlIersdorf Kreis SorauN.-L.
in der Regel aus zusammengefügten, zwischen Holz oder angefertigt. Zur Herstellung der Eisengerippe für die Aus-
Eisenpfosten eingelegten Brettverschlägen, oder aus Draht- mauerung der etwa 2® hohen Theüungswände und die An-
20. September 1902.
491
läge der Thüren sind für die Stützen Normalprofile U-Eisen
a. 40.35.5,7““ und -L-Eisen, h. 40.40.5““, ferner für
die unteren und oberen etwa 1,10 “ freiliegenden Ver-
bindungen L-Eisen, c. 40.20.4““ gewählt, welche durch
eiserne Winkel in den Treffpunkten mit einander ver-
bunden werden.
Das untere Eisen ist etwa loc“ über Fussbodenhöhe an-
geordnet, damit der geriefelte Fliesenfussboden im ganzen
Raum gespült werden kann. Die Anfängersteine d sind
dreiseitig gefalzt; die Ecken e, welche in das u-Eisen
greifen, entsprechend ausgekehlt. Während die Steine
mit ganz knirschen Fugen verbandmässig übereinander
gesetzt werden, giebt der innere ausgefalzte Stein eine
kräftige Mörtelfuge e, welche zur guten stabilen Verbindung
nothwendig ist. Bei grösseren Spannweiten wird ein S-
oder Z-förmig gebogenes leichtes Bandeisen in die Lager-
fuge mehrerer Schichten, wie bei g angegeben, eingelegt.
Inneh-Ecken der RücWände werden mit ausgerundeten
Steinen h aufgeführt. Um eine Aufsicht zu gestatten, sind
die Thüren der Schüleraborte vor den Sitzen nur in halber
Höhe angeordnet; eine selbstthätige Thürzuwerfefeder
bildet den Verschluss. Die Thüren schlagen nach innen,
falls ein genügender Bewegungsraum vorhanden ist. Die
Kosten einer 40 ““ starken, von Glasurverblendern I. Kl.
hergestellten Trennungswand stellen sich auf etwa 12 bis
16 M. für I q“. Mit Rücksicht auf die vollständig fort-
fallenden Unterhaltungskosten gegenüber anderen Aus-
führungen kann die Herstellung solcher Wände in hygie-
nischer Beziehung empfohlen werden. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb ev. Kirche in Münster a. St. Zu unserer
kurzen Notiz in No. 73 bemerken wir noch Folgendes. Es
werden an Zeichnungen verlangt: i Grundriss, mindestens
2 geometrische Ansichten und die erforderlichen Durch-
schnitte in 1 : 150, ferner i Schaubild, ein kurzer Eriäute-
rungsbericht und- ein nach den staatlichen Vorschriften
aufgestellter, revisionsfähiger Kostenanschlag nach cbm um-
bauten Raumes. Die Kirche ist auf einem, an schmalen
Strassen gelegenen Eckgrundstück zu errichten, das keine
besonderen Gründungs-Schwierigkeiten bietet. Auf dem
Bauplatz soll Raum für ein später zu erbauendes Pfarr-
haus verbleiben, das in Lageplan, Grundriss und Ansichts-
zeichnungen mit zur Darstellung zu bringen ist. Die Kirche
soll Raum bieten für 400 feste, bequeme Sitze (z. Th. auf
den Emporen) und grossen Raum für Stehplätze, eine
geräumige Orgelempore, Sakristei, Konfirmanden-Zimmer,
das auch zu Versammlungen dienen soll usw. Für die
spätere Heizung sind eiserne Oefen in Aussicht genommen.
Baukosten der Kirche mit innerer Einrichtung usw., aber
ohne Pfarrhaus, 85000 M. Stil und Bauart ist den Be-
werbern frei gelassen, es wird jedoch auf malerische Ge-
sammtwirkung Werth gelegt. Die Anlage eines Thurmes
mit Uhr und Geläut für 4 Glocken ist erwünscht.
Bezüglich der Bedingungen ist noch zu bemerken,
dass das Preisgericht, falls keine Arbeit den I. Preis ver-
dient, diesen in 600 und 300 M. theilen und als einen
zweiten II. Preis bezw. zum Ankauf einer weiteren Arbeit
verwenden kann. Die preisgekrönten und angekauften
Arbeiten gehen in den Besitz des ausschreibenden Pres-
byteriums der Kirchen-Gemeinde über, das sich bezügl.
der Benutzung der Entwürfe und Wahl des ausführenden
Architekten freie Hand vorbehält. Es ist jedoch in Aussicht
genommen, mit dem Verfasser des I. Preises wegen der
weiteren Ausarbeitung in Verbindung zu treten. —
Im Wettbewerb des Vereins deutscher Verblendstein-
und Terrakotten-Fabrikanten (vergl. S. 212 u. 220) erhielt
für die beste Abhandlung betr. die Vorzüge der Ver-
blendung von BauwerkenmitBaumateriaUen ausgebranntem
Thon den I. Preis die Arbeit mit dem Kennwort „Dahe“,
Verf. Hr. Reg.-Bmstr. Michel in Göttingen.. Für die beste
moderne Fassade in den genannten Materialien erhielt den
I. Preis der Entwurf mit dem Kennwort „Greif“, Verh
Hr. Arch. Hermann Klatte in Heilbronn, während je ein
n. Preis den Entwürfen mit den Kennworten „Lagow“,
Verf. Hr. Arch. Fritz Blume in Berlin, bezw. „Weiche
Linien, kräftige Farbe“, Verf. Hr. dipl. Ing.Osterroht,
Oberlehrer a. d. Baugew.-Sch. in Königsberg i. Pr., zufiel. —
Zu dem Wettbewerb für Entwürfe zu Kirche, Betsaal
(Gemeindehaus) und Pfarrhaus der evangelisch-lutherischen
Gemeinde in Striesen bei Dresden waren 33 Entwürfe von
Architekten aus Dresden und seinen Vororten eingelaufen.
Das am 17. d. M. zusammengetretene Preisgericht ertheilte
einen I. Preis von 1800 M. den Hrn. Baurath G. Rumpel
und Bmstr. Krutzsch, einen II. Preis von 1200 M. den
Hrn. Architekten Schilling und Graebner, je einen
III. Preis von 850 M. den Hrn. Architekten Kurt Diestel
und Bernhard Hohnefeld in Blasewitz und empfahl die
.beiden Entwürfe mit den Kennworten „Moses“ und
.„Dresden“, sowie die Arbeit- mit dem Zeichen des
Strahlenkreuzes zum Ankauf für' die Summe von je
400 M. Das Ergebniss des Wettbewerbes, namentlich in
. künstlerischer Hinsicht, war ein sehr erfreuliches.
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Reg.-Rath L o h s e in Strassburg i. E.
ist z. Geh. Brth. und vortr. Rath beim Reichs-Eisenb.-Amt ernannt.
Der Mar.-Hafenbmstr. Mönch ist von Kiel nach Wilhelms-
haven versetzt.
Baden. Dem preuss. Garn.-Bauinsp. Weinlig in Freiburg
ist das Ritterkreuz II. Kl. mit Eichenlaub des Ordens vom Zährioger
Löwen verliehen.
Preussen. Dem Stadtbrth. G r ü d e r in Posen ist der Rothe
Adler-Orden III. KI. mit der Schleife, dem Laodesbauinsp. Brth.
John in Lissa i. P., den Reg.- u. Brthn. Krey und Plate iu
Posen, dem Geh. Brth. Schlemm in Bromberg und dem Kr.-
Bauinsp. Brth. Wilcke in Meseritz ist der Rothe Adler-Orden
IV.. KL, dem Stadtbauinsp. Kleefisch in Köln a. Rh. der kgl.
Kronen-Orden IV. Kl. verliehen.
Dem Geh. Mar. -Brth. und Schiffbaudir. R u d 1 o f f ist unter
gleichzeit. Ernennung zum Mitgl. der Abth. für . Schiff- : u. Scliiffs-
maschinenbau die Lehrstelle . für Konstruktion der Kriegsschiffe- an
der Techn. Hochschule in Berlin, anstelle des ausscheidenden Geh.
Mar. -Brth. u. Schiffbaudir. Brinkmann übertragen.
■Den Reg.-Bmstrn. Emil Brugsch in Breslau, Max Meyer
in Schöneberg und Paul Baltzer in Düsseldorf ist die nachges.
Entlass, aus dem Staatsdienst ertheilt.
Der Reg.- u. Brth. Merseburger in Posen und der Geh.
Brth., Stadtbrth. a. D. Dr; Hobrecht in Berlin sind gestorben.
Sachsen-Weimar. Der kgl. Reg.-Bmstr. Heinr. Lehmann
aus Eisenach ist als Bez. -Bmstr. in Weida angestelit.
Württemberg. Der Garn.-Bauinsp. Brth. Märklin in Ulm
ist zur Korpsintend., der Garn.-Bauinsp. Glocker aus Ulm II
nach Uhu I und der Garn.-Bauinsp. bei der Korpsintend. Schmidt
nach Ulm II versetzt.
Brief- und Fragekasten.
Bitte: An alle diejenigen preuss. Hrn. Regierungs-Baumeister,
deren Prüfungsjahr zum Baumeister in die Zeit von 1886 bis
einschl. 1903 fällt und welche, sei es durch Ausscheidung aus den
Auwärterlisten für die Anstellung im Staatsdienst, Wohnungswechsel,
Beschäftigungslosigkeit oder Annahme von Stellungen im Gemeinde-
oder Privaldie'nst usw. glauben annehmen zu dürfen, in dem gegen-
wärtig in Neubearbeitung befindlichen Personal-Verzeichniss uns.
Deutschen Baukalenders für 1903 keine Berücksichtigung ge-
funden zn haben, richten wir die Bitte, uns die bezgl. Angaben
unter deutlicher Angabe von Namen, Titel und PrO f ungsj ahr
umgehend zugehen zu lassen.
Die gleiche Bitte richten wir an die Hrn. Stadtbaumeister,
Bezirks-Baumeister usw. in den mittleren Orten des
•Deutschen Reiches, soweit Veränderungen stattgefunden haben.
— Ebenso machen wir die selbständigen Hrn. Frivat-Archi-
tekten und Ingenieure darauf aufmerksam, zu dem Verzeichnisse der-
selben die Berichtigungen für den Jahrgang 1903 baldigst an unsere
Redaktion gelangen zu lassen. —
Hrn. Bmstr. A. Sch. in Mannheim. Der Vergleich ist offenbar
von dem Gesichtspunkte ausgegangen, die Raumverhälfnisse über
der Erde und nicht unter derselben festzustellen. Es wäre somit
die Milteliinie des von der Erdhöhe unmittelbar aufgehenden Mauer-
werkes festzustellen. —
Hrn. A. C. in M. Wir wissen nicht, wie weit die litterarischen
Veröffentlichungen des Kölner Arch.- u. Ing.-Vereins über die alten
Baudenkmäler von Köln gediehen sind. Wir haben selbst längere
Zeit nichts mehr davon gehört. Vielleicht wird der Verein durch
diese Notiz zu einer Aeusserung angeregt. —
Hrn. G. L. in Ratibor. Ohne genaue Kenntniss der örtlichen
Verhältnisse, die nur durch einen persönlichen Augenschein erfolgen
könnte, sind wir leider nicht in der Lage, Ihre Anfrage zu beant-
worten. Ist in der That das Mauerwerk stark salpeterhaltig, so
dürfte es kein wirksames Mittel gegen das Abblättern geben. —
Hrn. Arch. H. D. in Hanau. Ueber diese, unserem Arbeits-
gebiet ganz fern liegende Frage erhalten Sie sicherlich den besten
Aufschluss durch Anfrage bei der Redaktion des Journal für Gas-
beleuchtung und Wasserversorgung in Karlsruhe, Techn. Hochschule.
Uns sind Spezialwerke aus diesem Gebiete nicht bekannt. —
Fragebeantwortung aus dem Leserkreise.
Zu der Anfrage des Hrn. F. F. in Bamberg in No. 64 nennt
sich uns Hr. Arch. Ad. Henselin in Berlin N., Lothringerstr. 65,
als Lieferant von Wandbildern für den Unterricht in der Bau-
materialienlehre. Wir verweisen ausserdem auf die Firma Ed.
Hölzel in Wien, Luisengasse 5, welche Wandbilder für den
Anschauungsunterricht vertreibt. —
Zur Frage 2 in No. 72 verweisen wir auf S. 70 — 75 in
Büsing „Die Städtereinigung“, Stuttgart 1897, wo auch anderweite
Litteraturangabeo zu finden sind. Auch in älteren Veröffentlichun-
gen des kaiserl. Gesundheitsamtes (Verlag von Springer-Berlin) sind
betr. Veröffentlichungen enthalten; Jahrgänge und Nummern sind
uns jedoch nicht gegenwärtig.
Inhalt: Berliner Neubauten. No. 105. Das Bankgebäude der Disconto-
Gesellschaft — DieXV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Archi-
tekten- und Ingenieur-Vereine zu Augsburg vom i. — 3. September 1902.
(Fortsetzung). — Eisenbahn- Vor arbeiten und Landeskartell. — Vermischtes. —
Preisbewerbungen. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Die Disconto-Bank in Berlin.
Verlag der Deutschen Banzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort], i. V. F. Eiselen, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 76.
492
Das Bankgebäucle der Disconto-Gesellschaft in Berlin.
Der Kassenhof und das Haupt-Treppenhaus, — Architekt: Königl. Hof-Baurath L. Heim in Berlin.
Phologr. Auto, von H. Lichte, Berlin SW 4B. „„ Wilhelm Greve, Berlin SW
Deutsche Bauzeitung.
XXXVI. Jahrg. 1902. No. 76.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXX\T Jahrgang No. 77. Berlin, den 24. September 1902.
James Hobrecht -{*.
mer äussere Lebensgang des Verstorbenen ist unseren
I Lesern aus den kurzen Angaben, welche die No. 74
enthält, in seinen Hauptzügen bekannt geworden und
über das, was die Stadt Berlin ihrem nun dahingegan-
genen Leiter des städtischen Tiefbauwesens verdankt,
haben wir beim Scheiden desselben aus seinem Amt im
Jahre 1897 in der No. 37 des genannten Jahrganges eine
knapp gehaltene Schilderung den Lesern vorgelegt. Aber
die Persönlichkeit Hobrechts, sein sachliches Wirken und
seine Stellung in der technischen Welt der letzten 30 Jahre
sind zu bedeutend, um uns bei seinem Tode mit einem
Hinweis auf diese Quelle begnügen zu können, und darum
lassen wir heute dem früher Gebrachten neben einem
Bilde des Entschlafenen, das ihn noch in der Vollkraft
seines Schaffens zeigt, ein kurzes Wort der Würdigung
des Menschen und des Fachmannes folgen.
Beide, der Mensch und der Fachmann waren bei Ho-
brecht in einer so glück-
lichen W^eise verbunden,
wie es selten angetroffen
wird. In ihm gesellte sich
der Wirkung einer Persön-
lichkeit von reicher allge-
meiner Bildung, vollkom-
mener Beherrschung des
Wortes und einer mäch-
tigen Erscheinung, ein aus-
gedehntes fachlichesWissen
nebst einem grossen Reich-
thum an Erfahrungen hin-
zu. Darin war seine Be-
fähigung, auf Fachmänner
und Laien überzeugend zu
wirken, begründet und da-
rin beruhte auch das in
ihm vorhandene Talent zum
Herrschen, das Neigung zu
Widerspruch oder gegen-
sätzlichem Handeln schon
im Keime zu ersticken ver-
mochte. Persönlichkeiten
aus solchem Holze ge-
schnitzt, werden in Tech-
nikerkreisen nicht häufig
angetroffen. Wenn trotz-
dem und ungeachtet der
thatsächlich viel zu schwa-
chen Vertretung, den der
technische Beruf in unseren
Parlamenten besitzt, Be-
mühungen, die in den 80er
Jahren gemacht wurden,
Hobrecht einen Sitz in den
parlamentarischen Körper-
schäften zu verschaffen, ohne Erfolg geblieben sind, so
ist hieran wohl in erster Linie Schuld gewesen, dass er
kein politischer Parteimann im engeren Sinne des Wortes
war. Er würde im Parlament ein dankbares Feld der Be-
thätigung gefunden haben auf Gebieten, auf welchen bis-
her meist die Ansichten von Persönlichkeiten zur Geltung
kommen, deren Unbefangenheit auf technischem und ver
wandtem Felde durch Sachkenntniss nicht getrübt ist. Um-
Städte in hergebrachten Bahnen. Strassenüberschwem-
mungen und Rinnsteine mit übelriechendem Inhalt waren
etwas alt Ueberkommenes, das man als unvermeidlich so
lange hinnahm, bis an der einen oder anderen Stelle ein
Eingriff unvermeidlich wurde, der dann aber den Zustand
im grossen Ganzen nicht wesentlich änderte. Wie konnte
daran gedacht werden, die mit vielen Millionen Kosten
verbundene Aufgabe systematisch in Angriff zu nehmen,
ohne dass sich ein reeller in Geld oder sonstwie abschätz-
barer Nutzen davon erwarten Hess? Zwar in Berlin waren
auf Veranlassung der staatlichen Polizeibehörde schon
seit vielen Jahren Studien über die Kanalisirung der Stadt
gemacht worden; man war schon vor 1860, wie in Ho-
brechts Werk „Die Kanalisation von Berlin“ zu lesen ist,
sogar zu bestimmten Plänen vorgedrungen, ohne aber
dass es zu einem ernsten Anfang in der Ausführung ge-
kommen wäre. Erst um 1860 trat eine Wendung in dem
trägen Lauf der Sache ein.
In diesem Jahre erfolgte
durch die Staatsregierung
die Sendung des Geheimen
Bauraths Wiebe ins Aus-
land, um Slädte-Kanalisati-
onen an Beispielen zu stu-
diren und daraus bestimmte
Vorschläge für Berlin ab-
zuleiten; in seiner Beglei-
tung befanden sich als Hilfs-
kräfte der Baumeister Ho-
brecht und der Zivil-In-
genieur Veitmeyer. Das
von dieser Abordnung aus
England und Frankreich
mitgebrachte zeichnerische
Material ist in dem Werke
von Wiebe „Ueber die Rei-
nigung und Entwässerung
der Stadt Berlin“ auf 37
Blättern, nebst kurzem Text
zusammengestellt, und es
schliessen sich an dieselbe
10 Blätter an, welche die
Vorschläge für Berlin ent-
halten. Wie vergleichs-
weise gering die Aufgabe
selbst damals noch aufge-
fasst werden konnte, er-
giebt sich aus den That-
sachen: dass die Einwoh-
nerzahl derStadt mit 550000
erst rd. 1/3 der heutigen er-
reichte, und nur 4 engbe-
grenzte Stellen im ganzen
Weichbilde der Stadt mit
mehr als 600 Bewohnern auf 1 vorkamen; in etwa V3
des Stadtgebietes erreichte die Bewohnerzahl auf i ha noch
nicht 200. Wiebes Vorschlägekaraen darauf hinaus, nördUch
und südlich der Spree, in der Nähe der Oberbaumbrücke je
einen grossen Hauptsammler beginnen zu lassen und den
nördlichen Hauptsammler am Friedrich- Wilhelms-Hospital,
dem Prenzlauer und Rosenlhaler Thor, sowie am Ham-
burger Bahnhof vorbei, ziemlich geraden Weges zum Spree-
HoTrechrwenStenf F'" berSitorellierfXIn: zu der
KöraerschrrLn® fn dlre? ^ Bebauung liegt, wo die Franklinstrasse
VE™altung der mit der Strasse Alt-Moabit znsammentrifft; an diesen Haupt-
Reichshauptstadt liegt, geführt hat, dass es ihm hier ver-
gönnt gewesen ist, seine Gaben und Eigenschaften voll zu
entfalten und dass er dadurch im Stande gewesen ist vor-
bildlich auf viele Jünger des Faches zu wirken und' Vor-
bildliches auf technischem Gebiet auch für andere Städte
des In- und Auslandes zu schaffen.
Um Hobrechts Leistungen auf dem Gebiete derStädte-
Hygiene voll würdigen zu können, muss man jene früheren
Zustände aus eigener Anschauung kennen oder die Fähig-
keit besitzen, sich hineinzudenken, wie es in der Zeit vor
g3--40 Jahren in den Städten unseres Vaterlandes um den
Remlichkeiis-Zustand beschaffen war. Mit reichen Mitteln
ausgestattete Grossiädte gab es damalsin Deutschland kaum
und Grosstädte überhaupt wohl nicht mehr, als etwa ein
hal^s Dutzend. Abgesehen von einer einzigen Ausnahme
Hamburg — bewegte sich die Reinlichkeitspflege der
Sammler schloss von Süden her nur ein einziger Zweig-
sammler aus der Rosenthalerstrasse an. Der südliche Haupt-
sammler sollte sich durch die Oranien-, Kommandanten-,
Leipziger-, Königgrätzerstrasse und sodann in derCharlotten-
burger Chaussee bis zum Grossen Stern und von hier ge-
rades Wegs, unter Kreuzung der Spree bei den Schöne-
berger Wiesen, nach Martinikenfelde erstrecken; er nahm-
am Potsdamer Thor einen Zweigsammler aus der Pots-
damer- und Bülow-Strasse und am Brandenburger Thor
einen solchen von der Museums-Insel kommenden aus der
Behrenstrasse auf. Am Spreeufer Martinikenfelde war
eine Pumpstation geplant, die das gesammte hier zu-
fliessende Wasser heben und an die Spree abgeben sollte.
Was die Ausgestaltung der Einzelheiten betrifft, so zeigt
der Wiebe’sche Plan in den obersten Ausläufen des Netzes
durchweg todte Enden, und im übrigen unmittelbaren An-
493
Eisenbahn-Vorarbeiten und Landeskarten,
(Sciiluss.)
,P»M|us der in voriger No. (S. 49t) gegebenen Fehler-
Tabelle können graphische oder nummerische Ge-
nauigkeits- Vorschnfienfür topographische Aufnahmen
und Karten in den entsprechenden Maasstäben abgeleitet
werden. Bei Aufstellung einer Instruktion für die Topo-
graphen der braunschweigischen Landesaufnabme in Hin-
sicht auf die bei Höhendarstellung durch Niveaukurven
innezuhaltenden Fehlergrenzen hat Vermessungs-Insp.
Seiff ert aus den mehrfach erwähnten Genauigkeits-Unter-
suchungen für denmittleren Fehler ±w der Höhendarstel-
lung in unserer neuen Landeskarte die Formel abgeleitet:
w = rfc I 0,3 + 3 tang N | Meter,
wo iV die jeweilige Neigung des inbetracht kommenden
Geländetheiles bedeutet. Dieselbe kann unmittelbar aus
dem Kurven-Abstande hergeleitet und auch in einfacher
Weise durch ihn ausgedrückt werden. Ist z. B. der Ab-
stand zweier Kurven im Grundrisse der Karte gleich a,
so ist der ihm entsprechende wahre Horizonial-Abstand
in der Natur gleich 10 000 a; bezeichnet h den Höhenab-
stand der Kurven, so wird tangiV= , und wenn
10000 a
man für h den Abstand der Zehnmeter-Kurven nimmt, d.h.
= IO “I =: 10000 ““ setzt, so ergiebt sich tang N = • wo
^10
den Abstand der lo® Kurven im Grundrisse in®® bedeutet.
Obige Formel für den mittleren Höhenfehler =b m lässt
sich daher auch in die für den praktischen Gebrauch be-
quemere Form bringen:
m = ± I 0,3 -h 3,0 : (jio [ Meter.
Setzt man den Maximal-Fehler ± M gleich dem 3,3-fachen
Werthe des mittleren Fehlers so ergiebt sich für
die bei der Höhendarstellung nicht zu überschreitende
Fehlergrenze.
Maximal-Fehlergrenze M = zh 1 1 -|- 10 tang N | Meter,
oder auch . . . . ilf = zh J i -j- 10 : ojq | Meter.
Diese Fehlergrenze soll in Zukunft bei allen Blättern
der neuen topographischen Landeskarte im Maasstabe
i: 10000 des iierzogthums Braunschweig in Hinsicht auf
die Höhen- Darstellung durch die Niveau- Kurven einge-
halten werden, sodass jeder Techniker, der, dieselbe. zu
Vorarbeiten, Geländestudien usw. benutzt, an jeder Stelle
•der Karte über den Genauigkeitsgrad sich in einfachster
Wehe Rechen-ichaft zu geben imstande ist.
Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass als
Maximal-Fehiergrenze für den Grundriss eine Horizonlal-
Verschiebung von ±0,5®® in der Karte festgelegt wurde,
entsprechend einem mittleren Fehler von 1—2 Zehnteln
des Millimeters für einzelne Punkte des Geländes. —
Das GeJände der Asse, welches zu den im Vorstehen-
den - besprochenen Genauigkeits - Untersuchungen aasge-
wählt wurde, ist topographisch so gestaltet, dass es in
Hinsicht auf die Schwierigkeiten seiner Aufnahme als
„mittleres“ bezeichnet werden darf für das gesammte
Herzogthum Braunschweig. Der südliche, im Harz gelegene
Theil desselben ist weit gebirgiger und coupirter, wird
aber in seinen schwierigsten Theilen, den Staatsforsten,
von der Forsteinrichtungs - Anstalt im Maasstabe 1:5000
bearbeitet; der nördliche, weitaus grössere Theil bildet
zur norddeutschen Tiefebene gehöriges, stellenweise be-
waldetes Flachland. Vermessungs-Insp. Seiffert hatte im
„mittleren“ Gelände in einem Monat durchschnittlich 9 qk.®
mit obiger Genauigkeit aufgenommen. Diese Arbeitsleistung
wurde als „normale" betrachtet und festgesetzt, dass etn
hinreichend geübter Topograph in einem Sommer von
rd. 6 Monaten Feldarbeit 50 „mittleres“ Gelände auf-
zunehmen habe unter Einhaltung der vorgeschriebenen
Genauigkeits-Grenzen. Auf dieser Grundlage wurden dann
die Kosten und die Dauer der topographischen Neuauf-
nahme des ganzen Herzogthums berechnet und vom
braunschweigischen Landtage genehmigt.
Die „normale mittlere“ Arbeitsleistung bezeichnet einen
Durchschnitts Werth, der in Anbetracht der Vielge-
staltigkeit des Geländes, sowie der stark und rasch wechseln-
den Schwierigkeiten seiner Aufnahme wegen im Einzelnen
erheblichen Schwankungen unterworfen ist. Olfenes und
flaches Gelände ohne vielerlei Kulturen usw. kann weit
leichter und rascher aufgenommen werden, als coupirtes
und zerrissenes Gelände mit dichtem Waldbestande. Die
Zahl der für i qk™ ihrer Lage und Höhe nach zu be-
stimmenden Punkte ist je nach der Gelände-Beschaffenheit
eine sehr verschiedene; sie schwankt um den zehnfachen
Betrag von den einfachsten bis zu den schwierigsten Ge-
lände-Theilen bei Einhaltung der verlangten Genauigkeits-
Grenzen. Von Einfluss auf die Dauer der Aufnahme ist
auch der mehr oder minder grosse Detailreichthum der
Situation, sodann die Lage und Gestalt des aufzunehmenden
Geländes, ob seine Grenzen von einfacher und , regel-
mässiger Form, oder — was im Herzogthum ßraunschweig
oft der Fall ist — vielfach zerrissen und zerstückelt sind usw.
Es ist daher nicht ganz leicht, in jedem Falle über Schwie-
rigkeit und normale Dauer einer topographischen Auf-
.nahme.ein zutrefiendes Urtheil abzugeben,, und doch muss
dies mit genügender Annäherung ausführbar sein, um
„gerechte und billige“ Anforderungen an die aufnehmenden
Topographen von vorn herein zu stellen.
Um dies zu erreichen, hat Vermessungs-Insp. Seiffert
das von ihm topographisch bearbeitete Gelände in einzelne,
inbezug auf die Schwierigkeiten der Aufnahme als nahe
gleichwerthig zu bezeichnende Theile zerlegt und aus
seinen Feldtagebüchern für jeden derselben die Anzahl
wirklicher Arbeitstage berechnet, die zur Aufnahme
Schluss an die in England üblichen Einzel-Ausführungen.
Sein Wesen ist durch die Zusammenfassung von
ganz Berlin zu einer grossen Einheit gekenn-
zeichnet.
In der Einheitlichkeit lag aber die Schwäche des
Planes und lag die Nothwendigkeit seines Scheiterns
begründet. Es kann geradezu als ein Glück für die Stadt
bezeichnet werden, dass diese Schwäche erkannt wurde,
noch bevor man an irgend einer Stelle zur Ueber-
setzung des Planes in die Wirklichkeit schritt. Man braucht
sich nur au>zudenken, in welch’ unentwirrbare Verlegen-
heiten die Stadt durch die Anlage der Pumpstation bei
Martinikenfelde und die Belastung der kleinen Spree mit den
übermäb-sig grossen Schmntzwasser-Mengen gerathen sein
würde, braucht nur sich der enormen Geldopfer zu erinnern,
welche London hat bringen müssen, um eine im Grundge-
danken falsche Anlage nachträglich nothdürfiig zurecht zu
bringen, um zu ermessen, von welch’ eminenter Bedeutung
der nunmehr von Hobrecht entworfene neue Plan, der mit
dem Kardinalfehler desWiebe’schen Entwurfes : s e in e r Ei n-
heitlichkeit, rücksichtslos aufräumte, für die Stadt
Berlin geworden ist. Und ebenso folgenschwer hat sich das
unwandelbare Festhalten Hobreebts an seinem
Vorschläge: die Berliner Abwässer durch Riese-
lung zu reinigen, erwiesen. Man stelle sich vor, welcher Zu-
stand heute, wo alle anderen Keinigungs-Vertahren als
sehr minderwerthig angesehen werden, herrschte, wenn
die städtischen Behörden auf irgend einen von den vielen
ihnen gemachten Reinigungs- Vorschlägen anderer Art ein-
gegangen wären. Heute, wo das Gesammiwerk der Berliner
Kanalisation vollendet ist, und wo neben demselben zahl-
reiche andere Ausführungen : — auch in Grosstädten — be-
stehen, die, begründet auf die Fortschritte wissenschaftlicher
Forschung, in Einzelheiten ihrüweise andere Züge tragen,
mag man leicht geneigt sein, Eigenart und Grösse der um
mehr als 30 Jahre zurückliegenden Entschliessungen und
Pläne Hobrechts zu unterschätzen. Es wird aber jedes
Urtheil darüber vor der Thatsaclle haltmachen müssen,,dass
die Anlage sowohl in ihren Grundideen aufgefasst, als in
der Ausführung betrachtet, sich bewährt hat, und dass noch
Niemand aufgestanden ist, der trotz Ausstellungen im Ein-
zelnen an demselben etwas, was das Wesen derselben
berührt, auszustellen gewusst hätte.
Sowohl der glänzende Gesammt-Erfolg, der dem Werke
zutheil geworden, als der Umstand, dass eine grosse An-
zahl jüngerer Kräfte des technischen Berufes an demsel-
ben lernen konnten, haben es bewirkt, dass dasselbe ver-
einzelt bestechend gewirkt und im grossen Umfange Schule
gemacht hat. Nicht immer mit Recht! Es sind Ueber-
tragungen Hobrecht’scher Ideen auf Fälle vorgekommen,
in welchen andere Ideen mehr Berechtigung gehabt hätten.
Man hat die grossen Züge der Berliner Kanalisation hier
und da auf ganz anders geartete Fälle übertragen, und ist da-
durch, anstatt des erwarteten Erfolges, nur zu mehr oder
weniger verfehlten Lösungen gekommen. Erst in den
letzten Jahren wird eine grössere Befreiung von den Grund-
ideen der Hobrecht’schen Schule sichtbar und gelangt die
Erkenntniss zum Durchbruch, dass bei den Aufgaben der
Städlereinigung die Schablone verkehrt ist und jeder Fall
nach seiner Eigenart behandelt werden muss, wenn nicht
verfehlte Anlagen entstehen, oder die Städte mit unerträg-
lichen Opfern belastet werden sollen. Was Mängel an
technischer Schulung und Unselbständigkeit des Lrtheils
verschuldet haben, darf aber nicht dem Vorbilde zu Lasten
geschrieben werden. Und es fehlt auch jeder Grund zu
etwaigen Berufungen auf den Urheber, weil Hobrecht
No. 77.
494
erforderlich waren. Auf der Grundlage dieser Zahlen und
durch weitere Ueberlegungen konnte festgestellt werden,
dass im freien Felde 1—5 Arbeitstage für i erforder-
lich sind vom flachen und einfachsten, bis zum steilen,
zerklüfteten und situationsreichen Gelände. Bei bewaldetem
Gelände verdoppeln sich diese Zahlen, wobei naturgemäss
die Art der Bewaldung, ob lichter Stangen- und Hochwald,
oder Dickung mit Unterholz usw. sehr ins Gewicht fällt.
Aufnahmen von Ortschaften können bei gänzlichen Neu-
messungen bis zu 20 Tagen für i q^“i erfordern.
Eine unter Berücksichtigung dieser Umstände aufge-
stellle Skala der erforderlichen Arbeitstage wurde sodann
der Abschätzung eines im Sommer 1901 von 2 anderen
Topographen aufzunehmenden Geländes zugrunde gelegt
und erprobt. Es handelte sich um etwa 60 qkm theils
offenes und flaches, theils sehr coupirtes und dicht be-
waldetes Gelände zwischen den Thälern der Nette, der
Innerste und den Heinbergen im Kreise Gandersheim.
Die für die einzelnen Gelände - Abschnitte für i qkm
als nothwendig erachtete normale Arbeitsdauer betrug
von 1,5 bis zu 10 wirkliche Arbeitstage. Mit diesen
Zahlen und den zugehörigen Flächengrössen der gleich-
artigen Gelände-Abschnitte berechnete sich die Summe der
zur Aufnahme der 60 qkm erforderlichen gesammten Ar-
beitsdauer zu 194 wirklichen Arbeitstagen. Nach den von
den Topographen geführten Feldtagebüchern wurden dem-
gegenüber bei der topographischen Aufnahme dieses Ge-
ländes im Sommer 1901 imganzen gebraucht 190 Arbeits-
tage. Die Uebereinstimmung des Voranschlages mit der
aufgewendeten Arbeitszeit ist somit durchaus befriedigend.
Um die Gesammtzeit an Kalendertagen zu er-
halten, die eine Aufnahme erfordert, hat man zu der Zahl
der wirklichen Arbeitstage noch die Sonn- und Festtage,
Regentage, Reisetage usw., an denen nicht gearbeitet wird,
mit rd. 50 % der anderen zuzufügen. Dieser Betrag der
Versäumniss-Tage kann im ersten Augenblicke als etwas
zu hoch bemessen erscheinen, in Wirklichkeit aber hat
sich derselbe als nahe zutreffend erwiesen.
Naturgemäss wird man bei einem derartigen Voran-
schläge in der Praxis mit runden Zahlen rechnen. So
heisst es in meinem Berichte an die Landes-Vermessungs-
Kommission, dass zur Aufnahme rd. 200 Arbeitstage und
300 Kalendertage, d. h. 10 Monate Feldarbeit erforderlich
sein würden. In Wirklichkeit wurden 10,5 Monate gebraucht.
Die eingehende Prüfung der Aufnahmen ergab die
verlangte Genauigkeit. Hiernach glauben wir zu dem
Ausspruche, berechtigt zu sein, bei der braunschweigischen
Landesaufnahme es erreicht zu haben, in Hinsicht sowohl
auf die Genauigkeit, wie auch inbetreff der Arbeitsleistung
an das Personal „gerechte und billige“, sowie „sachge-
mässe“ Anforderungen stellen zu können.
Warum soll sich das Gleiche nicht auch bei den tech-
nisch topographischen Aufnahmen und Plänen für Eisen-
bahn-Vorarbeiten erreichen lassen? Oder lohnt sich das
hier vielleicht nicht der Mühe? Ein Blick auf die Zahlen
der Spalte 3 und 5 in der Tabelle für die durchschnitt-
lichen Fehler der topographischen Aufnahmen auf S. 491
genügt, um diese Frage zu beantworten, denn ein Topo-
graph, der nach zweijähriger Vorbereitung die erste selb-
ständige Aufnahme machte, gebrauchte die dreifache Zeit,
um annähernd dieselbe Genauigkeit zu erreichen im Maass-
stab 1 : 10000, wie die geübten Topographen im Maasstab
1:25000. Die Zahlen der letzten Spalte aber können
einen Begriff davon geben, was an Ungenauigkeit geleistet
wird, wenn Anfänger ein schwieriges Gelände aufzu-
nehmen haben und zugleich zur Eile angespornt werden.
Bei Eisenbahn-Vorarbeiten aber „pressirf* es immer, und
was die Ausbildung des Personals betrifft, so bildet für
den Bauingenieur das Vermessungswesen keinen Lebens-
beruf, in den er sich mehr und mehr hineinarbeitet, son-
dern nur eine vorübergehende Beschäftigung, der er sehr
bald wieder entsagt, um sich seiner eigentlichen Aufgabe,
der Bauausführung zuzuwenden.
Wie bereits erwähnt wurde, habe ich mich seither
vergeblich bemüht, eine Antwort auf meine Frage nach
einer zweckent^^prechenden Genauigkeit technisch-topo-
graphischer Pläne zu erhalten. Nach den vorliegenden
Erfahrungen kann es doch nicht gleichgültig sein, wie
dieselben ausgeführt werden, denn Fehler in der Tracirung
bedingen oft sehr bedeutende, bleibende Mehrausgaben
des Betriebes. In den nächsten Jahren sollen grössere
Summen für neue Bahnanlagen aufgewendet werden. Es
bietet sich somit die günstigste Gelegenheit, um die für
die Braunschweigische Landesaufnahme erfolgreich durch-
geführten Untersuchungen in Hinsicht auf Genauigkeit in
Arbeitsleistung auch für technisch -topographische Pläne
vorzunehmen und auf Eisenbahn-Vorarbeiten auszudehnen.
Es werden hier namentlich Höhenschichten-Pläne grösse-
ren Maasstabes, vornehmlich 1 :25oo und 1:1000 in Betracht
kommen, die in sachgemässer Weise zu behandeln sind.
Die Frage nach einer „zweckentsprechenden“
Genauigkeit derselben wird sich beantworten lassen durch
mehrfache Vergleichung der nach den Plänen aufgesielken
Entwürfe mit der wirklichen Bauausführung, denn wo
beide übereinstimmen — richtigeTracirung vorausgesetzt —
waren die Pläne zweckentsprechend, wo nicht unzuläng-
lich aus dem einen oder anderen Grunde. Wenn bei
hinreichender Sachkenntniss und Erfahrung in systemati-
scher und zielbewusster Weise vorgegangen wird, kann
das Ergebni'S nicht zweifelhaft sein. Es werden sich
allgemein gültige Vermessungs Anweisungen und Genauig-
keits-Vorschriften auch für technisch-topographische Auf-
nahmen und Pläne aufstellen lassen. Der früher er-
wähnte Ausspruch Mansergh’s über die „WirthschaMich-
keit“ der Ingenieurkunst wird dann auch für die Eisen-
bahn-Vorarbeiten Geltung gewinnen, während er gegen-
wärtig — soweit die Geodäsie in Betracht kommt — als
Ironie erscheinen muss. Freilich „Ein Bähnle wird’s
immer“! Aber Fehler in der Tracirung bringt kein Spar-
system wieder ein. — K.
als Fachmann viel zu bedeutend war, um für schemati-
sches Verfahren Verständniss zu besitzen, oder ihm gar
Billigung zutheil werden zu lassen. Er hat in späteren
Jahren mehrfach ausgesprochen, seine Pläne für Berlin
nach dem damaligen Stande gesundheitlicher und tech-
nischer Wissenschaft entworfen zu haben, und willig aner-
kannt, dass die Grundlagen der Städtereinigungs-Aufgabe
später gewisse Veränderungen und Erweiterungen er-
fahren hätten, die in den technischen Ausführungen zum
Ausdruck kommen müssten.
Hinsichtlich dessen, was Hobrecht der Stadt Berlin
während der Dauer gewesen ist, in welcher er das Amt
eines Stadtbaurathes für den Tiefbau führte, kann auf das
verwiesen werden, was die Dtsche. Bauztg. darüber in
No. 37 des Jahrg. 1897 gebracht hat. Sein Wirken reichte
indess weit über Berlin hinaus. Theils als Vorsitzender des
Berliner Architekten- Vereins, theils als Mitglied der
preussischen Akademie des Bauwesens durch Jahre
gewann er Einfluss auf viele Dinge technischer Gebiete
weit in die Ferne hinaus. Sein Rath wurde von zahlreichen
Städten des In- und Auslandes in Fragen der Wasser-
versorgung und der Städtereinigung inanspruch genommen,
u. a. auch von Moskau, Tokio, Kairo und Alexandrien. Die
Städte Stettin und Darmstadt sind ihm zu besonderem
Dank für ihre betr. Anlagen verpflichtet; die letztgenannte
Stadt hat ihrem Danke seiner Zeit durch Ernennung
Hobrechts zum Ehrenbürger und bei seinem Hinschei-
den durch Veranstaltung einer Trauerfeier der städtischen
Behörden Ausdruck gegeben. Berlin hatte die Pllicht der
Dankbarkeit früher durch Ernennung Hobrecht' zum Stadt-
äitesten und hat sie jetzt durch reiche Betheiligung der
städtischen Behörden bei der Leichenfeier und Würdi-
gung der Verdienste desselben gemeinsam mit denjenigen
Virchows, dessen wirksamen Beistandes er sich bei dem
grossen Werke der Sanirung Berlins erfreute, in Sitzungen
bezw. des Magistrats und der Stadtverordneten anerkannt.
Der Staat ehrte das Verdienst durch Verleihung, des Cha-
rakters als Geheimer Baurath unddieUniversität Göttingeti
durch Zuerkennung der Ehrendoktor-Würde.
In ein paar Schlussworten sei nur noch dessen ge-
dacht, was der Verstorbene als Mensch und Vorgesetzter
zahlreicher Beamten war. Der Grundzug seines . Wesens
war Wohlwollen und Geradheit. Seine impulsive Natur
aber führte ihn zuweilen etwas über diejenigen Grenzen
hinaus, die der Bedächtige einhält. Wie er denjenigen, die
im Amte ihre Schuldigkeit oder darüber hinaus thaten, ein
Vorgesetzter war, auf den sie bauen konnten, sogar ein
zuverlässiger Freund wurde, so traf andererseits sein Zorn
unnachsichtlich diejenigen, welche durch Nachlässigkeit oder
Pilichtvergessenheit im Amte sein Wohlwollen verscherzten.
Es ist Hobrecht zuweilen der Vorwurf gemacht wor-
den, dass er sich nicht immer streng an die fe^^en Regeln
band, die in der ßeamtenlaufbahn hinsichtlich der Be-
förderung und Anstellung der Beamten nun einmal ge-
geben sind und innerhalb gewisser Grenzen ihre Berechti-
gung haben. Hier hat wohl seine langjährige Thätigkeit
in einer Stellung, die in vieler Hinsicht derjenigen des
Leiters eines grossen industriellen Privatunternehmens
glich, ihren Einfluss geübt. Endlich, einfach und schlicht,
wie Hobrecht in seinem persönlichen Auftreten zeitlebens
gewesen ist, war er auch ira dienstlichen Verkehr über-
flüssigem Formenwerk und Zeremoniell abhold, ohne aber
seiner Stellung je irgend etwas zu veraeben.
Der ganze technische Beruf hat Ursache, in Hobrecht
den Verlust eines Fachgenossen zu beklagen, der dem
Stande zur Ehre und Zier gereichte. — — B. — ■
24. September 1902.
495
Vermischtea. Offizierkorps zeigt nach einem Entwurf von Prof. H. Prell
•CM 1 * 1 V n 1 t.* '7 • 1. -1 •*. * ii in Dresden heraldischen Charakter mit Wappen und einem
Elektrische Beleuchtung von Zeichensalen mit verstell- -r- v , ■ uj * u t' u* i ^ • j
barer Lichtquelle. Anlässlich des Umbaues der Alten Börse altdeutscher Tracht Daneben sind Fenster
zu Breslau deinem Verwaltungsgebäude für die städtische ^ die Schtosskapelle m Mnltz und für die eYangelische
Bauuerwaltung wurden für die Zeichensäle Beleuchtungs- ptahem Adorf aufges ellt.DazutretennochzweiOpalescen -
Irörner für elektrisches T.icht mit uaeh c Biehtunueu ver- fenster mitderDarstellungvonParklandschaften imLorenz -
körper für elektrisches Licht mit nach 3 Richtungen ver-
stellbarer Lichtquelle von dem Unterzeichneten konstruirt.
Da die Konstruktion für ähnliche Zwecke von allgemeinem
Interesse ist, soll dieselbe hier mitgetheilt werden.
Die Beleuchtungskörper bestehen aus einem 25 '
sehen „Reichsdampfer“, welche auf der Dresdener Bau-
aussteliung mit dem I. Preise ausgezeichnet wurden. —
Internationale Feuer-Ausstellung in London. Von Mai
bis Oktober 1903 wird in Earls Court in London eine
starken, mit der Decke fest verbundenen Gasrohr, dessen internationale Feuer-Ausstellung sfattfinden, deren tech-
Länge sich nach der Höhe der Zimmer richtet, und 2 nische Leitung das „Briti.sh Fire Prevention Committee“
wagrecht beweglichen Armen. Letztere sind aus 5:25™*« unter dem Vorsitz von Edwin O. Sachs in London
starken Flacheisen hergestelit und an ihren Endpunkten übernommen hat. Die Ausstellung dürfte namentlich für
mittels 5““ starken Rundeisens an dem Gasrohr aufge- Architekten, Ingenieure, Brand-Direktoren, Versicherungs-
hängt. Die hochkantig gestellten Flacheisen dienen als Gesellschaften usw. Interesse haben; für die kontinentale
Laufschiene für eine Rolle, an der mittels Hanfschnüren Industrie dürften sich durch sie neue Absatzgebiete er-
und Gegengewicht die Glühlampe in senkrechter Richtung öffnen. Der Ausstellung liegt der folgende Plan zugrunde;
verschiebbar angebracht ist. Die Befestigung des als Achse I. Feuersicherheitstechnik (Bausystem, Bauausrüstung, elek-
dienenden Gasrohres erfolgte an den massiven Decken trische Licht- und Kraftleitungen, Heizvorrichtungen); II.
mittels Steinschraube, an den Holzdecken mittels eiserner, Feuerlöschwesen (Löschgeräthe, Rettungsgeräthe, Feuer-
durch 4 Schrauben befestigter Platte; bei den massiven, wehrwache); III, Feuerteiegraphenwesen (Feuermelder,
in Beton mit Eiseneinlage hergesteÜten Decken wurde Telephon und Telegraph); IV. Rettungsarbeiten (Rettungs-
eine Isoliermuffe eingeschaltet. Alle aus Eisen her- korps, Rettungswachen); V. Samariterdienst; VI. Wasser-
gestellten Theile sind polirt und vernickelt,
den Theile sind aus vernickelter Bronze,
Versorgung (Wasserwerke, Hydranten); VII. Versicherung:
VIII. Städtische Behörden (Feuerwehren, Feuerwehrpolizei)
IX Geschichte, Litteratur, Kunst (Alte Ge-
räthe, Bücher, Drucke); X. Wissenschaft!,
(Gesellschaften, Laboratorien usw.). Das
Programm erscheint wohldurchdacht. —
Preisbewerbungen.
Die Bebauung des Geländes desRuffml-
bazares in München soll zum Gegenstände
eines Wettbewerbes für Künstler Mün-
chens und seiner Umgebung gemacht
werden, in welchem 3 Preise von 3000,
2000 und 1000 ,M. zur Vertheilung ge-
langen werden. Die Bebauungspläne
sollen etwaigen Käufern des Geländes
zur Verfügung gestellt werden ; falls die
Stadt München selbst das Gelände be-
baut, soll sie nicht verpflichtet sein, den
mit dem I. Preis bedachten Entwurf zur
Ausführung zu bringen. —
Wettbewerb Hallenschwimmbad Pforzheim (vgl. No. 33).
Von 89 eingegangenen Entwürfen hat keiner den I. Preis
erhalten, der vielmehr zur Bildung je eines II. und III.
Preises Verwendung gefunden hat. Es wurde zuerkannt
je ein II. Preis .von je 2000 M. den Entwürfen mit den
Kennworten „Halle“ und „Sanitas“, Verf. die Hrn. Arch.
Meissner & Liborius in Magdeburg bezw. Prof. Eugen
Beck in Karlsruhe, sowie je ein III. Preis in Höhe vpn
scheibe und das mit Blei gefüllte Gegengewicht aus ver- )•= i““ M- Entwürfen .Dicht und Luft“ und Volks-
nickeltem Messingblech hergestellt. Bei der Befestigung ^ deren Verfasser sich ergaben die Hrn.
der Beleuchtungskörper wurde besonderer Werth darauf Genschel in Hannover und Ad. Godecke
gelegt, dass die Mittelaxe in genau senkrechter und die
Laufschienen in genau wagrechter Lage sich befanden.
Uiri ein Gegeneinanderschlagen der Arme zu vermeiden,
wurde an dem einen Arm ein ii c“ langer Stift aus 4'
& Ludw. Knortz in Giessen. Zum Ankauf empfohlen
wurde der Entwurf mit dem Kennworte „In balneis
salus“. Sämmtliche Entwürfe sind vom 27. Sept. bis.
einschliesslich i. Okt. im Sitzungssaale des Rathhauses
Rundeisen angebracht. Das Kabel ist durch das Gasrohr öffentlich ausgestellt,
geführt und tritt am unteren Ende desselben seitlich aus. Wettbewerb Krematorium in Bremen. ZudiesemWett-
AlsLichtquelle wurden Glühlampen von i6bezw.25Kerzen bewerb (vgl. No. 51) sind 78 Arbeiten eingegangen (bei
verwendet. 138 eingeforderten Unterlagen). Das Preisgericht, das
Die Schwere des Gegengewichts wurde zu 531 s er- z. Th. neu gebildet ist und 5 Architekten enthält, wird
mittelt. Der Beleuchtungskörper hat einen Durchmesser Ende d. M. seine Entscheidung treffen. Die Entwürfe
von 2>n und genügt mithin zur Beleuchtung von 2 Arbeits- sollen sodann von Anfang Oktober an in der Kunsthalle
platzen an ein und demselben Tische bezw. zur Beleuch- öffentlich ausgestellt werden, —
tung von 2 hintereinander aufgestellten Tischen. _ Wettbewerb ev. Kirche in Striesen b. Dresden. Als Ver-
Der Preis eines solchen Beleuchtungskörpers ein- fasser des zum Ankauf empfohlenen Entwurfes „Moses“
schliesslich Milchglas -Glocke und einschl. Vernickelung nennt sich Hr. Arch. Max Hans Kühne in Dresden,
aller Theile, jedoch ansschliesslich Fassung, Glühlampe Wettbewerb Kolleglen-Gebäude der Universität Frel-
u^nd Befestigung, betragt bei Herstellung vm ioo bürg I. B. Es sind imganzen 123 Entwürfe eingelaufen.
Die Herstellung erfolgte durch die Firma Oskar Haudes
Nachfolger in Breslau.
Breslau, im April 1902. Perrey, Stadtbauinsp.
Glasmalereien und Kunstverglasungen der Firma Richard
Das Preisgericht tritt am 24. d. M. zusammen.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Ch. H. K. Die Gebührenordnung für Architekten und
■ zwar
nicht, sie wird aber zweifellos mehr und mehr als Grundlage ge-
richtlicher Festsetzungen dienen, wie das bei der alten Hamburger
Norm der Fall gewesen ist. Je häufiger sich die Fachgeoossen
Sehlem in Zittau i. S. (Zweiganstalt in Grottau in Böhmen) fj-' ^ Ter GeSe
finden nach einem uns zugegangenen Berichte aur der
„Gewerbe- und Industrie-Ausstellung“ in Zittau vielfache
Anerkennung und sind mit der Staatsmedaille ausgezeich-
net worden. In der Maschinenhalle ist ein Dielenfenster und namentlich die technischen Sachyersiändigen auf die Gebühren-
mit der allegorischen Figur der Industrie für die Villa
Schlesinger in Dresden aufgestellt. Die Figur ist Glas-
malerei, das übrige des im modernen Stil gehaltenen Ent-
wurfes amerikanisches Opalescentglas auf Kathedralglas-
grund. Ein Fenster für die Speiseanstalt des Zittauer
Ordnung berufen, um so rascher wird sie sich einbürgern. —
Inhalt: James Hobreclit f. — Eisenbahn-Vorarbeiten und Laodeskarten
(Schluss). — - Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Brief- und Fragekasten.
No. 77.
AUZEITUNG.
GANG. * ^ N2; 78. *
DEN 27. SEPT. 1902.
sr s; srsrsr 3:2:2: SS süsrsr
Entwurf zu einer evangelischen Kirche mit Pfarrhaus für Duisburg.
Architekt: Kgl. Brth. Otto March in Charlottenburg.j
Hin den beistehenden. Abbildungen einer kirch-'
j liehen Baugruppe für Duisburg ist einer
Programm -Auffassung entsprochen, deren
Verwirklichung in vielen evangelischen Krei-
sen, zumal in reformirten, angestrebt wird.
Der Entwurf verdankt seine Entstehung einem für
Duisburg ausgeschriebenen engeren Wettbewerbe, in
dem er an die zweite Stelle trat, weil die äussere
Formengebung für das Arbeiterviertel, in dem die
Kirche erbaut werden soll, nach Ansicht des Kirchen-
vorstandes zu weltlich und selbstherrlich gewählt war.
Im Rheinland trennt man sich besonders schwer von
dem Gedanken, dass kirchliche Bauwerke in mittel-
alterlichen Formen errichtet werden müssen, obwohl
hier manchmal die Anlehnung an den Barockstil, der
Formensprache der selbständigen Entwicklung des pro-
testantischen Kirchenbaues im XVIII. Jahrhundert, die
Wahrung der Eigenart gegenüber den reichen katho-
lischen Kirchenbauten erleichtern würde.
Der Verfasser des vorstehenden Entwurfes ver-
tritt den Standpunkt, bei evangelischen Kirchenbauten,
die ihrer Natur nach einen massig grossen Maasstab
nicht zu überschreiten pflegen, durch Angliederung zu-
gehöriger Gemeinde-Verwaltungsgebäude aus Zweck-
mässigkeitsgründen und zur Erzielung grösserer archi-
tektonischer Wirkung einen Gruppenbau anzustreben*).
Er hat daher auf dem geräumigen zur Verfügung stehen-
den Platze dasPfarrhausineine derartig lose Verbindung
mit der Kirche gebracht, dass die w'eitere Ausführung
später erforderlicher Gemeindebauten unschwer zu
bewerkstelligen ist. Dem Gemeinderaum hat er die
einfache Saalform belassen, welche als die zweck-
mässigste anerkannt ist, solange die Zahl der Sitze
1000 nicht wesentlich überschreitet. Im übrigen steht
er auf dem Boden des sogenannten Wiesbadener Pro-
grarames, das die Kultusstätten, Kanzel, Altartisch und
Orgel, zu einer Gruppe angesichts der Gemeinde ver-
einigt. Diese in letzter Zeit häufig zur Ausführung
gelangte Anordnung hat durch ihre Zweckmässigkeit
den Erwartungen überall entsprochen bis auf einen
Uebelstand, dass eine hochgelegene Orgelempore über
der Kanzel den dort befindlichen Sängern die Theil-
nahme am Gottesdienste erschwert. In dem Duisburger
Entwurf ist diesem misslichen Umstande durch Nie-
drigerlegung der Orgelempore in derselben Weise
abgeholfen, wie es der Verfasser in seinem Entwürfe
für einen protestantischen Dom auf der Ausstellung
des Kirchenbau-Kongresses in Berlin 1894 dargestellt
•) Unsere Kirchen. Zwei Aufsätze von O. March. Berlin 1896.
Verlag von Ernst & Sohn. Pr. 1,60 M.
497
hat. Dass bei dieser Anordnung der Pastor mitten
in seiner Gemeinde steht, entspricht . der evangeli-
schen Auffassung seines Amtes. Der von Geist-
lichen gemachte Einwand, dass einzelne Zuhörer
sich im Rücken des Predigers befinden, erscheint
unerheblich, da die infrage kommenden wenigen
Plätze durch die grössere Nähe des Redners ent-
schädigt werden. Thatsächlich wird diese theilweise
Unterbringung der Zuhörer hinter dem Redner z. B.
in der Berliner Dreifaltigkeits-Kirche, die einen vor-
trefflichen Predigtraum darstellt, nicht als wesent-
licher Uebelstand empfunden. Es wäre erwünscht.
dass einmal einVer-
such mit dieser An-
ordnung in grösse-
rem Maasstabe ge-
macht würde. In
einer für 800 Zu-
hörer berechneten
kleineren Kirche in
Poppelsdorf, welche
J. V ollmer in Ber-
lin ausführt, wird
sie sich unseres
Wissens zum ersten-
male zu bewähren
haben*). Der Um-
stand, dass in sol-
chen Fällen die
Plätze der Sänger
sich dicht an die
Gemeindeplätze an-
reihen, erweist sich
als besonders gün-
stig, wenn die erste-
ren bei Gelegen-
heit grösserer kirch-
licher Musik - Auf-
führ\mgen vorüber-
gehend vermehrt
werden müssen.
Dass derartige mu-
sikalische Gemein-
de -Vereinigungen
immer mehr in Auf-
nahme kommen, ist
dringend zu wün-
schen. Viele unse-
rer bedeutendsten
Meisterwerke, wie
z.B. die Bach’schen
Schöpfungen, be-
dürfen geradezu des
Kirchenraumes und
büssen im Konzert-
saale an innerer
Wirkung ein. Mu-
sik - Aufführungen
grösseren Stiles, bei
denen die Zuhörer
den Ausführenden
gleichmässig den
Rü ck en keh ren , ver-
stossen gegen jedes
ästhetische Gefühl.
In Berlin, wo die
strenge lutherische
Richtung maassge-
bender Kreise eine
Heiligkeit der Chor-
anlage aufrecht zu
erhaltenbestrebt ist,
und daher Orgel
und Sänger hinter
die Gemeinde ver-
weist, wird jede der-
artige Aufführung
zum neuen Beleg
für die sich aus
der baulichen An-
lage ergebende Stil-
losigkeit. — M.
*} Anmerkung der
Redaktion. Wir ver-
fehlen nicht, auf deo
Grundriss des Vollmer-
schen Konkurrenz-Ent-
wurfes für eine neue
evangelische Kirche in
Karlsruhe auf Seite 393
Jahrg. 1894 der„ Dtschn.
Bauztg.“ binzuweisen.
498
No. 78.
Die XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Arch.- und Ingen.- Vereine
zu Augsburg vom i.— 3. September 1902*).
(III. Die Vorträge. (Fortsetzung.)
c) Augsburgs bauliche Entwicklung. (Schluss.)
Hie .schon erwähnt, beruhte die bauliche Thätigkeit
der Stadt um und nach der Mitte des 19. Jahrhunderts
hauptsächlich im Ausbau der Wasserkräfte. Noch
aber wurde Augsburg von dem Gürtel der altenBefestigungs-
werke umgeben. Eher aber als in anderen deutschen
Städten, deren Aufschwung erst nach dem französischen
Krieg 1870/71 begann, wurde den Bürgern dieser Gürtel zu
eng. Die ersten Lücken legten die entstehenden Eisenbahn-
linien nach München und Nürnberg. Dann folgte ein Stück
nachdem anderen. Vielleicht wurde hierbei des Guten zu-
viel gethan. Immerhin dürfen wir dankbar sein, dass noch
eine Reihe alter schöner Parthien erhalten geblieben sind,
welche im Verein mit den neuen Anlagen noch manche
reizende Stadt- und Landschaftsbiider zeigen.
Nebst den umfangreichen Wasserbauten für die In-
dustrie war es also die Niederlegung der Festungswerke,
die Schaffung von Ringstrassen, welche die ganze bau-
liche Thätigkeit der Stadtverwaltung von 1860 — 75 in An-
spruch nahmen, und man darf sagen, dass alle diese Auf-
gaben damals mit Glück- und Geschick gelöst worden sind.
Das Anwachsen der Stadt infolge der industriellen
Entwicklung zwang aber auch zu weiteren hygienischen
Maassregeln, indem schwerwiegende Gründe Anfangs der
siebziger Jahre zunächst eine neue Wasserversorgung
nothwendig machten. Man ging über zu einer Grund-
wasser-Versorgung aus dem 4 entfernten Siebentisch-
walde. Es wurden dort 3 gemauerte Sammelbrunnen von
je 4 m Durchmesser angelegt, es wurde das Pumpwerk
auf dem Hochablass erbaut und mit 3 Pumpen ausgestattet,
welche vorzügliches Trinkwasser ständig in das Siadtrohr-
netz pumpen. Charakteristisch am hiesigen Wasserwerk ist
der Umstand, dass es ohne Hochbehälter lediglich unter
Einschaltung von 4 grossen Druckwindkesseln von je 10 “
Höhe und 1,75“ Durchmesser, demnach mit einem Fassungs-
raum von etwa 90 2um Ausgleich der Druckschwan-
kungen arbeitet. Das Wasserwerk ist seit 1879 im Betrieb
und hat sich bis jetzt tadellos bewährt. Es hat seitdem eine
kleine Erweiterung erfahren und ein erheblicher Ausbau
ist bereits ins Werk geleitet. •
Die nächst wichtige Frage war damals — sie ging
eigentlich der Wasserversorgung voran • — die Entfernung
der menschlichen Abfallstoffe. Man entschied sich für
das Heidelberger Tonnensystem, für welches auch die
Regierung mit Rücksicht auf die Landwirthschaft nach-
drücklich eintrat. Die Hoffnungen, die man für letztere
daran knüpfte, haben sich dann freilich nicht erfüllt.
Daneben wurde eine ganz einfache, auf eine etwaige
spätere Abschwemmung der Fäkalien keine Rücksicht
nehmende Entwässerung für Regen- und Hauswasser an-
gelegt, was jetzt, trotzdem den hygienischen Anforderun-
gen an sich vollkommen genügt ist, recht unangenehm
empfunden wird, da der Uebergang zur Schwemmkanali-
sation, für welche die Bedingungen in Augsburg an sich
sehr günstig liegen, jetzt sehr grosse Opfer erfordern
würde. Trotzdem steht diese Frage z. Zt. zur Erwägung.
Aber nicht bios der Tiefbau war es, der beim Wieder-
aufblühen der Industrie in den fünfziger Jahren die Stadt
beschäftigte, auch andere Bedürfnisse traten heran, und
man ging nun auch an den Bau eines für die damalige
Zeit grossen Krankenhauses, denn dasselbe genügt be-
züglich seines Fassungsvermögens selbst heute noch den
zu stellenden Anforderungen, und die Art und Weise, wie
der ausführende Architekt, der damalige Stadtbauralh
Kallmann seine Aufgabe löste, darf heute noch als ge-
lungen bezeichnet werden, wenn auch selbstverständlich
mancherlei Umgestaltungen und Erweiterungen mit der
Zeit erforderlich wurden. Ausserdem sind bereits Vor-
arbeiten im Gange, zur Entlastung des Krankenhauses, na-
mentlich von Rekonvaleszenten, ein Sanatorium in freiester
Lage zu erbauen.
Dem Schulwesen musste eine aufblühende Stadt
selbstverständlich vor allem ihr Augenmerk zuwenden,
doch Hess zunächst der Umstand, dass wir in einer pari-
tätischen Stadt leben, wo für Katholiken und Protestanten
gleicher Weise gesorgt werden muss, den Bau von grösse-
ren Schulhäusern nicht zu, so dass immer nur kleinere
Schulhäuser von 4— 6 Klassen entstanden. Erst die Periode
1870 — 1880, die wohl als eine der thatenreichsten bezeichnet
*) Anmerkung der Redaktion. Zu unseren Ausführungen auf
S. 466, die Aufoahmen der Augsburger Fassadeo-Malerei betreffeud, be-
merken wir noch, dass Hr. Maier Brandes hierin von Hm, Arch. Veil
(nicht Kielj in München unterstützt wurde. —
27. September 1902.
werden darf, begann mit dem Bau grösserer Schulgebäude,
die inbezug auf Licht und Luft auch noch heute allen An-
forderungen entsprechen. Man begann hier schon früh-
zeitig mit der Einführung der Zentralheizungen, hatte doch
hier eine äusserst rührige Firma dieses Industriezweiges
ihren Sitz, nämlich die Johannes Haag’sche Maschinen-
und Röhrenfabrik, die bahnbrechend auf dem Gebiete
des Heizwesens geworden ist und heute noch ihren guten
Ruf bewahrt hat. Der Bau von Schulhäusern mit 24 und
mehr Lehrsälen war auch in Augsburg erst der Neuzeit
Vorbehalten, wie der Schulhäuser am rothen Thore und
im Jesuitenhof, die vor i Jahre gebaut bezw. eröffnet
worden sind. Sie sind wie die modernen Schulhäuser in
den grössten Siädten ausgestattet; geräuschlose, fugenlose
Fussböden, Bäder, Schulküchen, Turnhallen, Spielplätze,
kurz alles findet sich in ihnen, was unsere Kinder zu
Pleroen des Geistes und des Körpers zu machen geeignet ist.
In die 70 er Jahre fällt auch der Bau unseres schö-
nen Theaters, und es zeigt gewiss von nicht geringem
Sinn für die Werthschätzung des Einflusses der Bühne auf
die Volksbildung, dass zu einer Zeit, wo andere Städte
an einen solchen Luxus nicht zu denken wagten, fast
1V2 Mill. M. für diesen Zweck verausgabt wurden, wozu
ausserdem eine jährliche Belastung von fast 60000 M.
kommt. Nach dieser Periode eifrigen Schaffens, das noch
den Bau einer grossen Schrammenhalle für den Ge-
treideverkehr und den Bau einer Zentralturnhalle in
sich schloss, trat einige Ruhe in der baulichen Entwicklung
der Stadt ein und erst Anfang der 90er Jahre setzte sie
wieder mit aller Energie ein.
Ein Aufschwung im Wohnhausbau, der Aufschluss
neuer Bauviertel, die Anlage neuer Strassen und Kanäle,
die Verbesserung des Strassenpflasters durch Anwendung
regelmässig bearbeiteter Granitwürfel kennzeichnen diese
Zeit. Die Mittel für letzteren Zweck wurden ums Doppelte
und Dreifache vermehrt und insbesondere wurde Sorge
getragen für vorzügliche Fusswege, wozu der Asphalt hier
schon sehr frühzeitig Aufnahme fand, der alle anderen
Materialien allmählich ausschloss. Wir besitzen hier gegen-
wärtig an 121 000 q“» Streichasphalt, wozu die Stadt jähr-
lich 25 — 30000 M. Zuschuss leistete.
Von einschneid end_er Bedeutung, war um diese Zeit
die Erbauung der sogenannten Lokalbahn, d. h, einer
die sämmtiichen Fabriken verbindenden und an den Haupt-
bahnhof anschliessenden Bahn für den Güterverkehr, ein
Unternehmen, dem bezüglich der Eigenart der Anlage
und Entstehung wohl kein zweites in Deutschland eben-
bürtig zurseite stehen dürfte, und das für den Aufschwung
der Augsburger Industrie überaus -segensreich gewirkt
hat. Ihr erster Ausbau erfolgte 1889/90 mit dem Bau der
Stammlinie, dieserfolgte 1893 der Südflügel Göggingen 1896
der Pferseer Flügel. Es würde zu weit führen, hier auf
den technischen Thell und den tadellosen Betrieb näher
einzugehen**). Nur soviel sei erwähnt, dass der Güter-
verkehr auf der Lokalbahn sich von 103 000 t im Jahre
1890/91 auf 337320 t im Jahre 1901 gehoben hat. Für die
Anfertigung von grösseren Baulinienplänen oder gar eines
Gesammt-Bebauungsplanes ist diese Gürtelbahn Mlerdings
sehr hinderlich, indem sie rücksichtslos alle Baulinien
durchschneidet und jeder neue Flügelbau eine Umarbeitung
nothwendig macht.
Die Entwicklung des Wohnhausbaues um die alte
Stadt herum führte in den letzten 10 Jahren zu einer
Reihe von Vorschriften über die Grundstücks-Bebauung,
musste doch die Stadtverwaltung einer Industriestadt mit
ihren nicht zu umgehenden gesundheitlichen NachtheUen,
die insbesondere die Rauchplage mit sich bringt, hiergegen
ein entsprechendes Gegengewicht schaffen. That sie dies
schon dadurch, dass sie unermüdlich bestrebt war, An-
lagen, Baumpflanzungen und grössere freie Plätze zu
schaffen, die fast vergessen lassen, dass man sich in einer
Industriestadt befindet, so hat auch die frühzeitige Ent-
wicklung des Pavillon - Systems viel dazu beigetragen,
luftige und lichtreiche Wohnungen zu schaffen. Aus den
mehrfach abgeänderten Baubestimmungen haben sich
schliesslich folgende Grundsätze ergeben. Es hat sich
allgemein die Erfahrung durchgerungen, dass für Vor-
gärten 6“, für die Gebäude-Zwischenräume 8“^ das richtige
Maass sein dürften. Hierauf gründen sich auch die neuen
Bebauungspläne, bei welchen in der Regel, Hauptstrassen
ausgenommen , 15 Strassenbreite angenommen werden,
wovon 7 “ auf die Fahrbahn, der Rest auf die beider-
**) Vergl. die Mittheüungen Ober die Besichtigung der Anlage auf
S. 475. Ausführliche Angaben finden sich in dem von der Grossindustrie
den Theilnehjnern an der Wanderversammliing gewidmeten Werke.
499
seitigen Fussteige trifft, damit auf denselben noch Baum-
pflanzungen angebracht werden können.
Eine ganz umfassende Thätigkeit bot das letzte Jahr-
zehnt dem städtischen Hochbau, indem zunächst 1892/93
der Neubau der Stadtbibliothek errichtet wurde, wo-
durch die Stadtgemeinde von neuem ihr altes Interesse
Chorherrenstift zweckentsprechend umgebaut wurde. Die
Bevölkerungs-Zunahme in den Vorstädten erforderte ausser-
dem gebieterisch immer mehr neue Schulhäuser, so dass
man alle 2 Jahre auf einen grösseren Neubau rechnen
konnte. Von den letzten beiden grosstädtischen Schul-
häusern wurde schon gesprochen.
Abbiidg. 3.
Steibenbach, Erosionsgebiet, unverbaut.
Abbiidg. 4. Bolgenacb, 2. Seitenausbruch mit Verbauung.
Wildbachverbauungen Im bayerischen Hochgebirge.
für Kunst und Wissenschaft bewies. Sie birgt einen Be-
stand von etwa 200000 Bänden, darunter 1760 Inkunabeln
und 200 Handschriften und sonstige Kleinodien. Bald
folgte die Gründung einer Baugewerkschule und einer
städt. höheren Töchterschule, für welche ein altes
Nun ging man nach fast 2ojährigem Kampfe an die
Lösung einer Hauptaufgabe, an die Erbauung eines neuen
Schlacht- und Viehhofes, welcher der Stadt 3 Mill. M.
gekostet hat. Es ist das für eine Stadt wie Augsburg ein
ausserordentlich hoher Betrag, aber er ist erklärlich, wenn
No. 78.
500
man die Platzfläche mit über; 6 l»a und die Längenaus-
dehnung von 400 “ ins Auge fasst.' Den weitgehenden
hygienischen Rücksichten entsprechende weiträumige Be-
bauung , ferner Rücksicht auf zukünftige Erweiterung
sprechen hier mit. Nach 2 jähriger Bauzeit wurde der
Vieh- und Schlachthof am 3. Okt. 1900 dem Betriebe über-
geben. Bei seiner Anlage sind die neuesten'Erfahrungen
auf diesem Gebiete in weitgehendster Weise berücksichtigt.
entstanden noch 2 Filial-Feuerhäuser in 'den Vorstädten.
Was das Badewesen anlangt, so kann wohl in wenigen
Städten mehr Gelegenheit zum Baden geboten sein wie
hier. Abgesehen von der reichlichen Badegelegenheit in
allen Stadtlheilen in dem frischen Wasser der Werkkanäle,
hat die Stadt auch vor den Thoren, inmitten der Arbeiter-
zentren, gut eingerichtete Brausebäder errichtet, die sich
des lebhaftesten Zuspruches erfreuen', ^ und baut zurzeit
In diese Zeit fällt auch die Neuordnung des Feuer-
löschwesens, welche dadurch sich sehr günstig gestalten
Hess, dass das ziemlich im Stadtmittelpunkte gelegene
militärfiskalische, von Elias Holl erbaute prächtige ehemalige
reichsstädtische Zeughaus, mit seiner imposanten Marmor-
halle im Erdgeschoss wieder durch Kauf in den Besitz
der Stadt überging und in zweckmässigster Weise zu
einer Feuerwehr-Zentrale sich umgestalten Hess. Daneben
27. September 1902.
ein grosses Volksschwimmbad mit 2 Schwimmbecken von
12/24 m bezw. 8^17“ für Männer und Frauen, mit Wannen-
und Schwitzbädern, Ilundebad usw., das Ende dieses
Jahres seiner Bestimmung übergeben werden soll. Der
Bau ist, sammt Bauplatz, der aus Gründen des besseren
Erträgnisses im Stadtmittelpunkte gewählt worden ist, auf
fast 900 000 M. veranschlagt, wovon ein Theil von 360000 M
aus einer hochherzigen Schenkung des Hrn. Kommerz.-
501
Stanspcrre in der oberen Trettach: Abbildg. 7. Nach Aufhaltung des Muhrganges 1895. Abbildg. 8, Dieselbe Sperre wieder eutleert.
Rath Förster hier gedeckt wird. Immerhin darf auch das
Opfer, das die Stadtgemeinde hiermit der Hygiene bringt,
als ein ganz bedeutendes bezeichnet werden.
Die Anstalten für Wohlthätigkeit geniessen schon
seit Jahrhunderten hier einen weitreichenden Ruf. Sie
stammen alle aus dem Mittelalter und erfreuen sich eine»
ganz bedeutenden Vermögensstandes. Sie haben vielfache
Erweiterungen und Verbesserungen erfahren Die be-
deutendsten sind die paritätische St. Jacobspfründe,
dieisogen. reiche Pfründe, die ein Vermögen von 1 800000 M.
besitzt, und. die Hospital-Stiftung zum heil. Geist, mit einem
Vermögen von 2200000 M. und umfangreichen Waldungen.
Daneben bestehen noch viele andere Stiftungen für Kranke
und Unbemittelte usw., die zusammen jetzt über ein Ge-
sammt-Vermögen von fast 16 Mill. M. verfügen. Die Jacobs-
pfründe wurde vor 3 Jahren durch einen zweckmässigen
Neubau erweitert.
' Dass die Stadt auch stets bemüht war, den modernen
Verkehrs-Bedürfnissen nach allen Richtungen Rech-
..nung zu tragen, darf wohl als selbstverständlich voraus-
gesetzt werden und es sei daher nur erwähnt, dass zur
rascheren Abwicklung des Verkehres verschiedene Strassen-
Erweiterungen und Strassen-Durchbrüche im Inneren der
Stadt geplant sind, die natürlich bei einer alten Stadt wie
Augsburg mit aller Vorsicht vorgenommen werden müssen,
um den alten Strassencharakter nicht ganz zu vernichten.
Zwei solcher Durchbrüche sind der Verwirklichung nahe,
wie die Erweiterung des Schmiedberges, die der Stadt
, das Sümmchen von etwa 400000 M. kostet und der Durch-
' bruch einer Strasse vom Königsplatz nach der Moritz kirche,
der ihr eine Last von 800000 M. auflegt. Eine Reihe
anderer, Durchbrüche muss sich wohl noch auf spätere
Zeiten gedulden. Ja selbst der Gedanke der Niederlegung
der alten Lechviertel lag schon nahe, um dort breitere
uiid luftigere Strassen erstehen zu lassen. Sie sehen also,
• dass es an modernen Hausmann’s in unserer Stadt gerade
nicht fehlt, aber ein anderer fehlt, ein moderner Napoleon,
' der das- Geld dazu hergiebt und dass ist der schwierigere
- Punkt. — St.
d) Die Wildbachverbauungen im bayerischen Hochgebirge,
besonders im Allgäu.
(Vortrag des Hrn. Reg.- und Kreisbauraths Stengler in Kempten*) .
(Hierzu die Abbildungen S. 500 n. 501.)
Wildbäche sind Söhne der Berge! Unter gewöhnlichen
Verhältnissen bieten sie dem Beschauer ein reizendes, oft
grossartiges Bild; wird aber die in ihrem Schoosse ruhende
Kraft entfesselt, dann werden sie nur zu oft dem Menschen
hoch gefährlich.
Wie in allen Gebirgsländern. so ist auch in Baj'-ern in
, seinen gebirgigen Theilen das Bedürfniss nach Schutzvor-
kehrungen gegen die Wildbachgefahr zutage getreten,
und zwar nicht erst in der Neuzeit. Diese Gefahr besteht
bekanntlich im Vorkommen häufiger Ueberschwemmung
fruchtbarer bewohnter Thalgründe, in derenUeberschüttung
mit Gerolle und Schlamm, sowie in sonstigen Zerstörun-
gen durch die bei starken Niederschlägen ungemein rasch
und überaus hoch anschwellenden Wildbäche. In diesem
Verhalten beruht die besondere Eigenart der letzteren.
Sie ergiebt sich aus der ungewöhnlich grossen Nieder-
*) Wir bringen den Vortrag nahezu ungekürzt. Die Erläuterungen
,am Schlüsse beschränken sich natürlich auf die aus der grossen Zahl der
den Vortrag begleiteudeu Lichtbilder ausgewählten Abbildungen.
Emerich Steindl -j*.
ttiy|n Budapest starb am 31. Aug. d. J. in seiner Villa
uOl dem Schwabenberge der Architekt Prof. Emerich
Steindl, welcher durch seine Kbiast auf das Gepräge
der modernen Architektur Transleithaniens einen ent-
scheidenden Einfluss ausgeübt hat. Steindl starb wenige
Wochen nur vor der Einweihung seines grössten Werkes,
des Parlaments -Gebäudes in Budapest, welches Anfang
Oktober mit grossem Gepränge seiner Bestimmung über-
geben werden wird. Steindl würde bei diesem Anlass
zweifellos mit grossen Ehren bedacht worden sein, trotz-
dem das Gebäude eine nur getheilteBeurtheilung fand, durch
welche seinem Urheber die letzten Lebensjahre recht ver-
bittert wurden. Das im Widerspruch mit der öffentlichen
Meinung und mit dem Urtheil der künstlerischen Kreise ab-
gegebene Urtheil Kaiser Wilhelms II. über dieses Gebäude
vermochte die Bitterniss nur wenig zu mildern. Das unga-
rische Parlamentshaus, zu welchem der Auftrag auf dem
Wege eines Wettbewerbes errungen wurde, ist unstreitig
nach Anlage und Gesammtauffassung ein Werk von grossem
Wurf; die etwas schematische und zu persönliche Auf-
fassung der für dasselbe gewählten Gothik indessen ver-
schlagsmenge, aus den stark geneigten, meist konzentrisch
gegliederten Einzugsgebieten, endlich aus den grossen
Bachgefällen in den Gebirgen. Es treten aber auch in
Bächen der Mittelgebirge, ja sogar des Hügellandes, wild-
bachartige Erscheinungen auf.
Wenn heut zutage von Wildbächen überall mehr die
Rede ist, als sonst, so geht daraus noch nicht hervor, dass
die Wildbachgefahr früher nicht auch schon bestanden
hätte. Richtig aber ist, dass sie sich im allgemeinen ver-
grössert hat. Diese ungünstige Aenderung im' Veihalteh
der Wildbäche setzt nun eine ebensolche in ihren Wesens-
bedingungen voraus. In den Niederschlags-Verhältnissen
kann sie nicht gesucht werden. Form und Bau der Ge-
birge hat sich auch nicht verändert, also kann nur die
Bodenbeschaffenheit und der Zustand der Wildbachbetten
infrage kommen; denn jene Verschlimmerung ist ja nur
auf vermehrte und vergrösserte Anschwellungen, sowie
auf verstärkte Geröllabfuhr zurückzuführen. Und in der
That ist es neben anderen nachtheÜigen Eingriffen, die in
allen Gebirgen festzustellende mehr oder weniger be-
trächtliche Verschlechterung der Bewaldung, weiche sich
nach beiden Richtungen hin so. oft empfindlich fühlbar
gemacht hat. Der Bewaldung wird zwar heut zutage, und
mit vollem Rechte, in der Hochwasserfrage lange nicht
mehr jener hohe Werth beigemessen, wie in früheren,
eigentlich schon ziemlich weit zurückliegenden Zeiten —
in Fachkreisen wenigstens. Schon die einfache Erwägung,
dass die Schwammwirkung des Waldes von Niederschlägen
überdauert werden kann, nimmt diesem Standpunkt jede
hypothetische Eigenschaft. In den Wildbachbecken spielt
sie allerdings bei kurzen, heftigen Niederschlägen immer-
hin einige Rolle.
Der Hauptwerth des Waldes beruht aber nichts desto-
weniger in einer anderen Eigenschaft, nämlich in der
Bindung des Bodens durch sein Wurzeiwerk, also im
Festhalten einer aufnahmefähigen Humusschicht auf Fels-
grund und in der Verhinderung der Auswaschung, des
Aus- und Unterwühlens in beweglichem Boden, der in
den Gebirgen entweder in Gestalt weicher Schichten oder
von Moränen- oder Hängeschutt nur zu häufig und in
grösster Mächtigkeit sich vorfindet. Durch die Entwaldung'
im Gebirge wird also nach und nach die kahle Felsfläche
vergrössert, damit der Wasserabfluss beschleunigt und die
Abwitterung vermehrt, ausserdem aber noch — und das
ist die Hauptsache — die Geröllabfuhr infolge ungezügelter
Aus- und Unterw'ühlungs-Arbeit des Wassers in den steh-
len Ufergehängen der Bäche, „Einhänge“ genannt, oft bis
ins ungeheure vermehrt. Und damit wächst die Wild-
bachgefahr. — In den Gebirgen hat nun' Unverstand und
Gewinnsucht den Wald oft geradezu verwüstet. Klassische
Beispiele hierfür sind die Dauphine und Tirol.
In Bayern erfreuen wir uns zwar dank einer vorzüg-
lichen forstlichen Gesetzgebung, noch eines verhältniss-
mässig guten Waldbestandes in den Bergen, aber gegen
früher hat er doch sehr gelitten, und namentlich ist die
obere Waldgrenze sehr herabgesunken. Das beweisen
allerwärts die Reste alter Wettertannen auf steilen Höhen.
Und was das Schlimmste ist, man hat früher auch bei
uns mit Vorliebe in den Wildbachschluchten ganze Kahl-
hiebe geschlagen, denn die Bachbetten sind überall beliebte
Abfuhrgelegenheiten zu Thal.
Solche Abholzungen an den „Einhängen“ geben aber
Anlass zu zahllosen Verwundungen des Bodens, es ent-
stehen in ständiger Bewegung befindliche GeröUhalden, '
mochten dem Werke nicht den vollen Beifall zu erringen.
Diese Wahrnehmung scheint mit zu dem vorzeitigen Ende
Steindls beigetragen zu haben.
Emerich Steindl wurde am 28. Okt. 183g in Budapest
geboren, der Künstler stand also erst im Beginn der
sechziger Jahre; seine allgemeine Körperverfassung hätte
ihm wohl noch eine längere fachliche Wirksamkeit ge-
stattet. Er besuchte zu seiner fachlichen Ausbildung das
Polytechnikum in Budapest und späterhin die Akademie
der bildenden Künste in Wien. Bald, noch in jungen Jahren,
wurde er als Lehrer an das Ofener Polytechnikum berufen,
wo er technische Mechanik, Wasserbau und öffentliches
Hochbauwesen lehrte. Nach Zurücklegung einer hand-
werksmässigen Thätigkeit als Maurer bezog er 1861 zum
zweiten Male die Akademie in Wien, wo er Schüler von
Schmidt und van der Nüll wurde. Nach sechsjährigem
Studium kehrte er 1867 nach Budapest zurück, um sich
als selbständiger Architekt der Ausübung der Baukunst
zu widmen. Er hatte während einer 35jährigen Thätigkeit
das Glück, grosse und seltene Aufträge zu bekommen.
Von seinen Werken seien angeführt die Ende der
sechziger Jahre entstandenen Famihengrüfte der Grafen
Andrassy und Nemes; ein Entwurf zur kgl. Oper in Budapest,
deren Ausführung jedoch nicht ihm, sondern dem Archi-
No. 78-
502
bei grösseren Anschwellungen des Baches erfolgen dann
Abrutschungen im Grossen, dadurch Stauungen, Durch-
bruch der Staumassen und schliesslich die Massenabfuhr.
Diese überfüllt, überstürzt das Bachbett im Thale um so
mehr, als das bis hierher grosse Gefälle unten rasch sich
bricht, und mit schlammiger Geröllmasse werden Felder
und Wiesen überschüttet, werden menschliche Wohnstätten,
Weg und Steg zerstört. Das ist der „Muhrgang“, Gegen
seine Riesenkraft giebt es unten keine Abwehr wenn sie
voll entfesselt ist.
Im Muhrgang besteht aber die Wildbachgefahr nicht
allein. Die schleichende Arbeit „unterwühlender Bäche“
— und so heisst auch diese Kategorie von Wildbächen
zum Unterschiede von den Bächen mit felsigem, über-
haupt festem Bett — ist oft um so gefährlicher, als sie
nicht beachtet wird. Durch sie, nämlich durch regel-
mässigen, wenn auch weniger gewaltsamen Geschiebegang
wird das Bachbett im Thale langsam aber stetig aufgehöht,
trotz Räumens durch die Anlieger. Das zwingt zur Auf-
höhung der Uferbauten — der „Wuhren“ — , man sucht
eben die Geschiebe möglichst weiter zu führen. Damit
gelangen sie in den Tlialfluss. Der erleidet das gleiche
Schicksal, denn auch sein Bett wird allmählich überfüllt,
erhöht, und so wird die Ueberfluthung der Ufer bei
nächstem grösserem Hochwasser vorbereitet. Ueber-
schwemmungen, Uebermuhrungen der Thalflächen treten
ein infolge erhöhten Hochwasserstandes, ohne dass die
Hochwassermenge grösser geworden zu sein braucht.
Es wäre aber irrig, anzunehmen, dass diese Uebel,
wie sie mit der übermässigen Geröllabfuhr aus Wildbächen
sich einzustellen pflegen, einzig und allein durch Sünden
der Bergbewohner, durch Entwaldung, veranlasst würden.
Vielmehr kann jeder ira Gleichgewichtszustände befind-
liche nicht unterwühlende Bach durch ein aussergewöhn-
lich schweres Niederschlags-Ereigniss, also ohne jedes
menschliche Dazuthun, in einen unterwühlenden bester
Sorte verwandelt werden, falls eben ablösbarer Unter-
grund vorhanden ist. Das ist ein feststehender Erfahrungs-
satz. Wenn aber einmal die Unterwühlungsarbeit begonnen
hat, gleichviel ob aus dieser oder jener Veranlassung, so
kommt sie so bald nicht mehr zur Ruhe, es müsste denn
sein, dass günstige Schichtungs- und Witterungs-Verhält-
nisse das Erlöschen des Baches möglich machen. Die
grossen Muhr-Katastrophen sind allemal wohl vorbereitet
gewesen, und. das geschieht oft ganz, unabhängig von
der Bewaldung, durch die fortschreitende Verwahr-
losung des Bachbettes. —
Nach und nach ist aber überall der Mensch gegen
Naturschäden empfindlicher geworden; denn die Daseins-
Bedingungen haben sich überall verschärft und vermehrt.
Vermehrt hat sich insbesondere das Bedurfniss nach Ver-
dichtung undAusbreitung der Bodenkultur. Darum wachsen
auch aus diesem Grunde nach Perioden ermässigter Nieder-
schläge mit Wiedereintritt nasser Perioden allemal die
Klagen über Hochwasserschäden, man glaubt sie über-
haupt und allgemein so plötzlich grösser geworden und
oft müssen nächstliegende Bauten, Bahnen, namentlich
Fluss-Korrektionen, als alleinige Ursache gelten. Man hat
auch oft in den trockenen Jahren Land in Kultur ge-
nommen, ohne an Schutzwehren gedacht za haben, Land,
das vorher als gefährdet bekannt und gemieden war.
Erst in der Neuzeit hat man erkannt, dass die Er-
greifung von Schutzmaassregeln gegen diese Gefahr nicht
nur von örtlichem, sondern von öffentlichem Interesse
tekten von Ybl zufiel. Um die gleiche Zeit etwa schuf
Steindl Entwürfe zur architektonischen Ausgestaltung der
Margarethen-Brücke in Budapest. In den Jahren 1870 bis
1875 entstanden die Entwürfe der Budapest-Franzstädter
Kirche, des Arader Stadthauses, des Budapester Stadt-
hauses, des Josef-Polytechnikums. Später schuf er die
ungarische Hochschule für Thierarzneikunde und als letztes
und grösstes Werk unter seinen Neubauten sein schon
genanntes Parlaments-Gebäude, welches ihm als glänzen-
der Sieg in einem heissumstrittenen Wettbewerbe zufiel.
Eine umfangreiche Thätigkeit entfaltete der Verstor-
bene in der Wiederherstellung alter Baudenkmäler; eines
seiner ersten Werke war in dieser Beziehung die wieder-
hergestellte mittelalterliche Veste Vajda Hunyad. Ferner-
hin bearbeitete er Wiederherstellungs- Entwürfe für die
Szegeder Franziskanerkirche, für den Kassaer (Kaschauer)
Dom, für St. Egyed in Bartfa, für das Gotteshaus in Maria-
salva, für die Igloer und die innerstädtische Pfarrkirche
in Budapest usw. Auch die herrliche Jaaker Abtei, ein ro-
manisches Werk, sowie die Körraöczbamyaer Kirche er-
standen durch Steindl in verjüngter Gestalt. Als eine Folge
dieser Thätigkeit wurden eine grosse Anzahl Aufnahmen
der alten Baudenkmäler Ungarns gefertigt als Grundstock
zu einem Landesinventar der Bauwerke der Vergangenheit.
27. September 1902,
sei. Das Eingreifen grösserer Körperschaften, von Pro-
vinzen, Kreisen, des Staates selbst, war um so noth-
wendiger, als es immer klarer wurde, dass es sich bei
Abwendung der Wildbachgefahr keineswegs um einfache
und billige Mittel handeln könne. Die Aufforstung allein
konnte keinesfalls genügen, das zeigte das Wiederlosbrechen
erloschener Bäche. Auch stösst ja bekanntlich die Wieder-
ausdehnung der Bewaldung auf wirklich genügend grossen
Flächen fast überall heutzutage auf unübersteigliche Hin-
dernisse gerade aus wirthschaftlichen Gründen. Es trat
die Aufgabe heran, in systematischer Weise die Bachbetten
in allen ihren beweglichen Theilen zu befestigen, damit
die Unterwühlungsthätigkeit zu hemmen und solcher-
maassen den Bestand des Waldes auf den wichtigsten
Theilen der Bachgebiete dauernd zu sichern, die Muhr-
gänge unmöglich zu machen und die Geröllabfuhr
überhaupt thunlichst zu massigen. Da ferner im Gebirge
auch Abwitterungs-Geschiebe in die Bäche gelangen,
je nach Ausdehnung der Felsflächen und der Verwitter-
barkeit des Gesteins, so war die möglichste Zurückhaltung
auch dieser Geschiebesorte und gegebenenfalls ihre schad-
lose Ableitung gleichfalls zu berücksichtigen.
Die Lösung dieser ganzen Aufgabe heisst Wildbach-
verbauung. Letztere ist also nicht, wie so häufig irrig
angenommen wird, etwa auf Errichtung von „Thalsperren“
zur Verzögerung des Wasserablaufes gerichtet, sie besteht
keineswegs nur in der Anlage von einfachen Fangbecken
für Gerolle, sondern sie hat in erster Linie die Geröll-
bildung zu hindern, also das Hauptübei dauernd zu be-
seitigen, sie hat dann noch die schadlose Abfuhr des
Wassers sowohl wie des unvermeidlich bleibenden Ge-
röllganges zu bewerkstelligen. Und da, wo diese Ziele
erreicht sind, ist die Wildbachgefahr mit den vorhin kurz
skizzirten scWeren Schäden für die menschliche Kultur
beseitigt, ist also die Aufgabe der Wildbachverbauung
voll erfüllt. Wo trotzdem am Thalflusse noch Ueber-
schwemmungen oder Uferabbrüche auftreten, kann die
Ursache nicht in Mängeln der Wildbachverbauung gesucht
werden, sondern in der örtlichen unzureichenden Be-
schaffenheit des Flussbettes. Denn wenn auch die Wild-
bachverbauung letzteres von Geschieben frei, dessen Raum
für’s Wasser offen zu erhalten vermag — der Zustand
der Flussufer, ihre bauliche Beschaffenheit und Maass-
verhältnisse können klarerweise nicht aus der Ferne,
sondern nur an Ort und Stelle beeinflusst werden, d h.
mit Wildbachverbauungen kann wohl die Re-
gelung eines Flusses auf entsprechend grosse
Länge in ihrem Erfolg gesichert, aber nicht er-
spart werden.
Ist zwar, wie vorhin angedeutet, derWald für Schaffung
gesunder Zustände in den ßerggewässern von grösster
Bedeutung, so kann er trotzdem die Verbauung nicht
ersetzen und überflüssig machen. Er sichert derselben
zwar den vollen Erfolg, er hängt aber in seinem Bestände,
insbesondere auf jenen „Einhängen“ vom Vorhandensein
einer genügenden Befestigung ab.
Der Werth und die Wirkung von WUdbachverbau-
ungen ist von mancher Seite über Gebühr ausgedehnt
worden. Vor allem erwartete man von ihr das Ver-
schwindenmachen der Hochwässer in den Gebirgs-
flüssen, und wenn an Flüssen, deren Queligebiet Ver-
bauungen aufzuweisen hatten, doch wieder Ueberschwem-
mungeii vorkamen, so war abfälliges Unheil über die
Verbauungen die natürliche Folge. Man müsste aber auf
Seit 1870 war Steindl ordentlicher öffentlicher Professor
am Polytechnikum in Budapest, wo er zahlreichen Schü-
lern ein begeisternder Lehrer war. Neben seiner Lehr-
thätigkeit und der ausgedehnten Praxis ging eine nicht
minder ausgedehnte öffentliche Thätigkeit her: an den
verschiedenen Ausstellungen, an welchen Ungarn bethei-
ligt war, namentlich an der Landesausstellung des Jahres
1895, nahm Steindl lebhaften Antheil, wenn er auch hier
nicht eine grössere Bauthätigkeit ausübte. Zahlreiche in-
uud ausländische Auszeichnungen entsprachen dem rei-
chen Lebenswerke des Verstorbenen.
Mit Emerich Steindl ist einer jener ungarischen Archi-
tekten dahingegangen, welche über den Stilen standen,
denn seine Werke sind in ihrem Stilgepräge so verschie-
den, wie die Bestimmungen, welchen sie dienen. Es ist
das bemerkenswerth besonders für jene Zeit, in welcher
die Nachahmung der Vergangenheit als oberster Grund-
satz künstlerischer Thätigkeit verkündet wurde. Die Schule
derWiederherstellungs-Thätigkeit hinderte ihn nicht, seinen
neuen Werken eigenen Geist aufzuprägen. Die in zu
hohem Grade individuelle Gothik aber war es, welche sein
Parlamentshaus nicht allseitigen Beifall finden liess. Das
ist die Tragik des Lebens dieses grossen Künstlers. —
503
die meteoren Gewalten Einfluss ausüben können, wollte
man die Katastrophen-Niederschläge verhüten, oder
man müsste alle unsere Bergthäler in Intze’sche Stau-
becken verwandeln, wollte man bei solchen Niederschlägen
die Hochwasserm engen in Gebirgsflüssen wie Iller, Lech,
Isar usw. zuverlässig und merklich vermindern. Und
dann würden die Geschiebe zurückhaltenden Verbauungen
ebenso erforderlich sein, denn die Staubecken würden
ohne sie nur zu bald mit Gerolle gefüllt werden.
Der Werth der Wildbachverbauungen und, sagen
wir’s gleich, der Thalfluss-Regelungen, beschränkt sich
also auf einen mehr örtlichen. Immerhin ist er noch so
gross, dass sich deren hohe Kosten vollauf lohnen. Denn
nicht allein verhüten Wildbachverbauungen Schäden, oft
ungeheurer Ausdehnung, sondern sie bringen unmittel-
baren Gewinn durch Ermöglichung höherer Kultur auf
ausgedehnten Landflächen. Man denke auch nur an die
weitgehenden, durch zu hoch liegende Wasserläufe ver-
anlassten Thalversumpfungen, gegen welche die Entwässe-
rungs-Technik allein nur zu häufig machtlos bleiben müsste.
So sehen wir denn in den bergigen Kulturländern
allenthalben Wildbachverbauungen grössten Umfanges ent-
stehen. Allen voran steht Frankreich mit den gross-
artigsten Leistungen, dann folgt dieSchweiz, und seit dem
Hochwasser-Jahre 1882 hat sich auch Oesterreich syste-
matisch an diesem Wettlauf betheiligt. In diesen Ländern
hat überall der Staat unmittelbar einrichtend und gesetz-
geberisch eingegriffen.
In Bayern ist man nun früher keineswegs auf die-
sem Gebiete vollständig raussig gewesen, aber man baute
regel- und systemlos, mit unzulänglichen Mitteln und ohne
allen Zusammenhang. Die erste regelrechte und voll-
ständige Wildbachverbauung war die Folge eines grösse-
ren Muhrbruches, desjenigen im Steigbach bei Immen-
stadt am 23. Juli 1873. Der Plan war vom Zivilingen,
Widmann in Kempten nach Schweizer Muster verfasst.
Die Kosten betrugen 341000 M.. welche Summe von
Staat, Kreis und dem Städtchen Immensladt aufgebracht
wurde. Hier leistete nun der bayerische Staat zum ersten
Male mit der Hälfte dieser Summe einen grösseren Bei-
trag, trotzdem er ebenso wenig wie der Kreis nach den
heute noch geltenden bayerischen Wassergesetzen vom
Jahre 1852 dazu verpflichtet gewesen wäre.
Der Bauangriff verzögerte sich indess wegen des von
Seite der Staats-Bautechniker dem Widmann’schen Plan
entgegengesetzten Widerstandes. Man war eben damals
in diesen Kreisen noch von dem bereits erwähnten Irr-
thum befangen, als bestände eine Wildbachverbauung nur
in der Errichtung von Geröllfängern, deren Wirkung mit
der Zeit ohne neuerliche Bauten und Ergänzungen sich
verlieren müsste. Widmann's zähes Festhalten überwand
Preisbewerbungen.
Einen Wettbewerb um Entwürfe zu Fussboden-Mustern
schreibt die Sinziger Mosaik- und Thonwaaren-Fabrik A.-G.
in Sinzig a. Rh. mit Frist zum 15. November d. J. für alle
Künstler und Kunstgewerbetreibende aus. Für 6 Muster
sind je 2 Preise zu 300, 150, 100 M. ausgesetzt. Unter den
Preisrichtern nennen wir die Hrn. Prof. H. Schaper in
Hannover und Arch. E. Schreiterer in Köln a. Rh.
Programm unentgeltlich durch die Direktion der Fabrik.
Im Wettbewerb Krankenhaus Saarbrücken (vergl. No.
41 und 46) hat unter 32 eingegangenen Entwürfen den
I. Preis von 3000 M. und eine besondere Entschädigung
von 1000 M. Hr. Arch. H. Weszkalnys in Saarbrücken
für seine beiden Entwürfe mit den Kennworten „Licht
und Luft“ und „Lindre Leiden“ erhalten, die das
Preisgericht als gleichwerthig an erster Stelle auszeichnen
wollte, von denen jedoch bei demselben Verfasser die
eine Arbeit nur als Variante der anderen betrachtet wer-
den konnte. Je ein Preis von 1000 M. wurde den Arbeiten
mit dem Kennwort „Aus der Praxis“, Verf. Hr. Arch.
Richard Klepzig iu Gotha und „Südlicht“, Verfasser
vorläufig unbekannt, verliehen. —
Wettbewerb ev. Kirche in Striesen bei Dresden. Als
Verfasser der mit den Kennworten „Strahlenkreuz“
und „Dresden“ bezeichneten, zum Ankauf empfohlenen
Entwürfe nennen sich die Firn. Arch. Rieh. Schleinitz
in Dresden, bezw. Rud. Kolbe in Dresden-Loschwitz. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Die Garn.-Bauinsp. Steinebach bei
d. Intend. des XVI. Armee-Korps und Kn och in Metz I sind
gegenseitig versetzt.
Preussen. Dem Reg.-Bmstr. a. D. Siebold in Bethel bei
Bielefeld ist der kgl. Kronen-Orden III. Kl. verliehen, dem Geh.
Ob.-Brth. Wiesner, vortr. Rath im Min. der öffentl. Arb. ist die
504
aber diesen Widerstand, und die Verbauung kam in den
Jahren 1878—1880 unter Leitung des genannten, um das
Allgäu später besonders auch noch auf landwirthschaft-
lichem Gebiet hochverdienten Mannes zur Ausführung,
ohne jedoch zunächst Nachahmung zu finden.
Da kam das Jahr 1882 mit seiner bereits erwähnten
Doppel-Ueberschwemmungs-Katastrophe in Tirol, Kärn-
then, einem Theile der Schweiz, dem Rhein. Der fort-
geschrittenen Entwaldung ward allenthalben ganz allein
die Ursache an diesem Unglück zugeschrieben.
Das veranlasste im Jahre 1883 die Kreisregierung von
Schwaben und Neuburg in Augsburg den Landrath dieses
Kreises — d. i. die ständeartig zusammengesetzte Ver-
tretung desselben — bei Aufstellung des Kreisbudgets
zur Bewilligung von Aufforstungs-Prämien aus Kreismitteln
zu bewegen und zwar mit bestem Erfolg. Man wollte
solchermaassen zur Waldvermehrung, namentlich in den
Bergen, beitragen.
Dieses Vorgehen blieb aber so gut wie wirkungslos.
Es gewann auch die Ueberzeugung Raum, dass den Auf-
forstungen die Wildbachverbauungen vorauszugehen hätte.
Das Widmann’sche höchst gelungene Beispiel begann also
doch zu wirken. Namentlich der damalige kgl. Reg.- u.
Kreis-Brth. Gigl vertrat die Verbauungsidee, und da der
Landrath einhellig zur Durchführung von solchen auf
Kreiskosten sich bereit erklärte, nur in der Voraussetzung
ausgiebigen Staatszuschusses, so kamen, da letzterer gleich-
falls gewährt wurde, bereits 1887 die inzwischen aufge-
stellten Verbauungs-Entwürfe zur Ausführung.
Obwohl nun auch diese nicht sowohl vorwiegend
örtliche Interessen, als weitere Ziele verfolgenden Bauten,
es war die Warmatsgund-Verbauung im oberen lUer-
gebiet, anfangs nicht populär waren, so wurden doch in
wenig Jahren eine ganze Reihe von Anträgen seitens Ge-
meinden oder Anliegern auf Durchführung von Verbauun-
gen in ihren Bächen durch den Kreis gestellt. Die nun-
mehr wegen des hier überall in den Vordergrund treten-
den örtlichen Interesses vom schwäbischen Landrath ge-
stellte Forderung von Baarleistungen der Antragsteller,
wechselnd zwischen 20 und 25 % der Kostensumme,
wurde jedesmal anstandslos eingegangen. Dürftigen und
überlasteten Gemeinden kamen die Distrikte zu Flilfe.
Allgemein wurde aber ferner noch seitens des Land-
rathes zur Bedingung gemacht, dass für den Baugrund,
dann für das benöthigte Holz- und Steinmaterial keine
Entschädigung bezahlt zu werden brauche, endlich, dass
die Betheiligten die Unterhaltung der fertigen Bauten zu
übernehmen hätten. Auch diese wichtigen, oft schwer-
wiegenden Forderungen schreckten bei den Anträgen
nicht zurück. — (Schluss folgt.)
Erlaubniss zur Annahme und Anlegung des ihm verlieh. Komthur-
kreuzes des grossh. sächs. Hausordens der Wachsamkeit oder vom
weissen Falken ertheilt.
Der Ob.- und Geh. Brth. Haassengier io Posen ist z. Präs,
der kgl. Eisenb.-Dir. in Kattowitz, die Reg.- u- Brthe. Hoeft in
Elberfeld u. Stölting in Halle a. S. sind zu Ob.-Brthn. mit dem
Range der Ob.-Reg. Räthe ernannt. Die Ob.-Brthe. Hoeft und
Stölting sind nach Königsberg bezw. Posen versetzt.
Sachsen. Der Reg.-Bmstr. B u h 1 e io Charlottenburg ist z.
ausserord. Prof, für Masch.-Elemente und Hebemaschinen iu der
mechan. Abth. der Techn. Hochschule in Dresden ernannt.
Der Ob.-Brth. Lar ras s ist z. Vorst, der III. Abth., der Ob.-
Brth. v. Schönberg z. Vorst, der IV. Abth. der Gen.-Dir der
Staatscisenb. und der Brth. Friedrich z. Vorst, des Betr.-Masch.-
Bür. ernannt. — Der Brth. Baumann in Zwickau ist der Gen.-
Dir. der Staatseisenb. als techn. Hilfsarb. zugewiesen.
Der Reg.-Bmstr. C o 1 b e r g in Dresden-A. ist aus dem Staats-
dienst ausgeschieden.
Brief- uad Fragekasten.
Hrn. Arch. M. P. ln Ohlau 1. Schl. Ein solcher Fall ist
uns nicht bekannt und wir können uns kaum denken, dass eine
Eisenbahn-Betriebsinsp. eine derartige Forderung stellen sollte, ohne
dass in den Bedingungen dem Unternehmer nach dieser Richtung
hin ausdrückheh eine Pflicht auferlegt ist. Es ist uns allerdings
bekannt, dass in den Bedingungen mitunter Bestimmungen stehen,
wie: „Unternehmer hat sich vor Abgabe seines Angebotes von
der Zugänglichkeit der Baustelle zu überzeugen usw.“, aber aus
einer solchen allgemeinen Bestimmung ein Recht herleiten zu wollen,
dass der Unternehmer zu einem allseitig von fremdem Besitz um-
schlossenen, bisher nicht zugänglichen Grundstück auf eigeneKosten
einen Weg zu schaffen habe, wäre denn doch etwas weitgehend.
Inhalt: Entwurf zu einer evangelischen Kirche mit Pfarrhaus für
Duisburg. — Die XV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Archi-
tekten- und Ingenieur- Vereine zu Augsburg vom i. — 3. September 1902
(Fortsetzung). — Emerich Steindl f — Preisbewerbungen. — Personal-
Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veraatwortl. i. Y. F. Eiselen, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No, 78.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 79.: Berlin, den i. Oktober 1902.
Villen m Loschwitz bei Dresden,
Architekt; Th. Richter in Dresden. (Hierzu die Abbildungen S. 507.)
ie hier besprochenen Villen wurden im Herbst 1900
in Loschwitz bei Dresden nahe der Mordgrundbrücke
an einem idyllischen Platze der Parkstrasse errichtet.
Die Grundrissanlagen sind fast gleich, denn es sind beide
Häuser für die gleichen Anforderungen geplant; trotzdem
ist die äussere Gruppirung ganz verschieden gestaltet. Die
Grundrisse weichen nur bezüglich der Eingänge und in
der verschiedenen Ausführung der oberen Geschosse von
einander ab. Bei Parkstrasse 10 handelte es sich darum,
den Eingang der Herrschaft von dem des Hausmannes
nach dem Untergeschoss zu trennen und im Obergeschoss
eine Terrasse , zu gewinnen, von welcher sich eine ent-
zückende Rundfernsicht bietet. Bei Parksirasse 8 hingegen
kann der Hausmann, infolge des abschüssigen Geländes,
von hinten zu ebener Erde nach seiner Wohnung gelangen
und im Obergeschoss war hier mehr Werth auf die Ge-
winnung geräumiger Zimmer gelegt. Die Fernsicht geniesst
man von einem dem Dachraume abgewonnenen Thurm-
zimmerchen , welches als Bauernstübchen ausgestattet
malerisch den Aufstieg zum Thürmchen zeigt. Der um-
baute Raum stellt sich hier im Verhältniss zur Grundfläche
etwas grösser. Es enthält nämlichParkstrasse No. 10 139,41°!
bebauter Fläche zu 190,10 M. und umbauten Raumes
zu 17,36 M. = 26.500 M. Baukosten einschl, Garten, Ein-
friedigung und aller Nebenanlagen, und Parkstrasse No. 8
134,6 1“ bebaute Fläche zu 211,74 unb 1562 cbm umbauten
Raumes zu 18,25 = 28500 M. Baukosten einschl. Garten-
Emfriediguhg -und aller Nebenanlagen. Die Höhen der
Geschosse, sind bei beiden Häusern gleich und zwar misst
das Untergeschoss 2,6 das Erdgeschoss 3,4 “ und das
Mittheiluagen aus Vereinen.
Verein für Elsenbahnkunde in Berlin. In der am 9. Sept.
1902 unter dem Vorsitz desHrn. Ministerialdir.Schroeder
'abgehahenen Sitzung,, der auch der Hr. Minister der öffentl.
Arbeiten Budde beiwohnte, hielt Hr.Reg.-u.Brth. Scholk-
mann einen mit lebhaftem Beifalle aufgenommenen Vor-
trag über einige auf den preussisch-hessischen Bahnen in
der letzten Zeit zur Erhöhung der Betriebssicherheit ge-
troffene Einrichtungen. Er erläuterte ausführlich die von
der Staats-Eisenbahnverwaltung zur allgemeinen Einfüh-
rung angenommene elektrische Streckenblockung in der
.sogen, vierfeldrlgen Form, bei der in Ergänzung der bisher
üblichen Anordnung die Freirfleldung einer Eisenbahn-
strecke für einen Zug durch den Blockwärter noch da-
von abhängig gemacht wird, dass der voraufgefahrene
Zug einen Kontakt' überfahren hat. Die Ausführungen
über diese Vervollkommnung, sowie über einige weitere
'Verbesserungen, die an den zu einer zusammenhängenden
Blockstrecke gehörigen und der wirklichen Ausführung
entsprechenden Blockwerken gezeigt wurden, Hessen er-
kennen, dass die Einrichtungen zur Sicherung der Zug-
folge einen Grad der Vollkommenheit erreicht haben, die
von keiner anderen Blockeinrichtung, auch nicht von dem
sogen, automatischen Blocksystem übertroffen werden.
Weiter wurden die Maassnahmen besprochen, die zur
Deckung liegen gebliebener Züge und gegen das Ueber-
■fahren von Haltsignalen empfohlen sind. Brauchbare Vor-
'schläge sind auf diesem Gebiete bisher nicht gemacht. Mit
grossem Interesse wurde die' Mittheilung aufgenommen,
dass die Staats-Eisenbahnverwaltung im Begriffe stehe,
zur Deckung von Zügen auf freier Strecke in der Dunkel-
heit und bei Nebel rothbrennende Magnesiumfackeln zu
verwenden, deren Licht, wie Versuche dargethan haben,
auch bei Nebel 500 bis 600“ weit sichtbar sei. Es wird
geplant, jedem Zuge eine Anzahl solcher Fackeln von
Obergeschoss 2,95 m im Lichten. Auch der Ausbau Lt
bei beiden Gebäuden gleich; er sollte dem besserer Ein-'
familien-Villen entsprechen und es sollte die Gestaltung
der Schauseiten des Reizes nicht entbehren. Der Eingang
wurde unter der Treppe angeordnet; die Diele verdient
eigentlich kaum diesen Namen. Dieser Vorraum nebst
Treppe ist bei beiden Häusern mit Holzbelag und moder-
nem ßrettraillen- Geländer durchgebildet und durch eine
Holzbalkendecke, durch Thüren mit Kathedralglas- Ober-
lichten usw. ist eine behagliche Raumwirkung geschaffen,
sodass man diesen Raum auch nicht schlechthin als Flur
bezeichnen kann. Die Zimmer sind reichlich gross bemessen,
ebenso die Zubehörräume, Boden und Keller. Die Fuss-
böden sind aus dreitheiligenTafeln der amerikanischen Kiefer
hergestellt, die drei Hauptzimmer des Erdgeschosses haben
eichenen Stabboden erhalten. Die Decken sind mit Leisten
aus Stock in Felder getheilt und das grosse Zimmer ist
mit einer Holzdecke mit bemalten Putzfeidern ausgestattet.
Wasserklosetts, Wasserleitung und Ausgüsse sind in jedem
Stockwerk vorhanden. Das Bad ist halb vertieft, der
Garten ist mit Hydranten versehen. Die elektrische Be-
leuchtungs- und Klingelanlage ist den jetzigen Bedürfnissen
Parkstrasse 8.
entsprechend eingerichtet. Die Zentralheizung ist eine
Niederdruck-Warmwasserheizung, von der Küche aus be-
trieben, ausgeführt von der Firma Kampf & Webers in
Dresden. Zu erwähnen ist hierbei, dass die Wandflächen
hinter den Radiatoren in den Zimmern mit farbigen Fliesen
verkleidet sind, sodass die grösste Sauberkeit und eine gute
Wärmerückstrahlung gewährleistet sind. Die Maurer- und
Zimmerarbeiten wurden vom Architekten selbst ausgeführt.
5—6 Minuten Brenndauer raitzugeben, die der Schluss-
bremser oder ein Schaffner sofort anzünden soll, sobald
sein Zug aus irgend einem Grunde auf freier Strecke zum
Halten kommt. So lange die Fackel brennt, kann der
Zugführer untersuchen , ob der Zug voraussichtlich bald
weiter fahren wird, oder ob er besondere Maassregeln
zur Deckung des Zuges treffen muss.
Als weitere geeignete Maassnahme zur Erhöhung der
Betriebssicherheit wurde die in der Vorbereitung befind-
liche Ausrüstung der Block- und Streckenwärterposten
mitFernsprechern besprochen, die eine leichte und schnelle
Verständigung der Wärter unter sich und mit den benach-
barten Stationen ermöglichen. Schliesslich wurde noch
ein von Hrn.Reg.-u.Brth.Wittf eld erdachter Geschwindig-
keitsmesser für Lokomotiven im Betriebe vorgeführt und
näher beschrieben. —
Vermisclites.
Veröffentlichungen der kgl. Prüfungsanstalt für Wasser-
versorgung und Abwässer- Beseitigung. In diesen Tagen
ist das Heft i einer neuen Veröffentlichung erschienen,
die nach ihrem Vorwort dazu bestimmt ist, „die bei den-
Arbeiten der genannten Anstalt gewonnenen Funde und
Ergebnisse von Bedeutung zum Allgemeingut der inter-
essirten Kreise zu machen, eine förderliche Erörterung
zweifelhafter Fragen anzuregen und auch auf diesem Wege
die Vertiefung und Verallgemeinerung unseres Wissens
herbeizuführen“. Anstalt der Angliederung an eine be-
stehende Zeitschrift ist die Form einer neuen Zeitschrift
gewählt worden, theils um nicht beengt zu sein, theils um
den von der Anstalt gepflegten wichtigen Interessen besser
gerecht werden zu können, als es ira, Rahmen einer , viel-
seitigen Interessen dienenden Zeitschrift möglich ist. Die
.Veröffentlichungen sollen aber, urn 'zu verhüten, „dass
unter dem Druck des zeitweiligen Bedürfnisses auch ein-
505
mal Minderwerthiges hinausgehe, nicht regelmässig, son-
dern in zwangloser Folge erscheinen. Unter dem Stern
der vollen zeitlichen Ungebundenheit sollen die Leser
zur richtigen Zeh nur das Richtige erfahren, die Aufsätze
thatsächliches Material bringen, auf dem Erkenntniss
und neue Gesichtspunkte sicher fussen können.“
Diesem ideellen Programm entspricht die eben aus-
gegebene No. I der „Mittheilungen aus der kgi. Prüfungs-
anstalt für Wasserversorgung und Abwasser-Beseitigung“
vollständig. Sie enthält zunächst einen geschäftlichen
Theil, in welchem die Geschäftsanweisung für die Thätig-
keit der Anstalt, die Gebührenordnung, die Anweisungen für
da s V erfahren bei Einsendung von zu untersuchenden Proben
und Aehnliches unter dem Rubrum „Vorwort“ mitgetheilt
ist. Es ist daraus u. a. ferner zu entnehmen, dass die Anstalt
für Beantwortung von Fragen vom bautechnischen Ge-
biete sich bisher mit der vorübergehenden Heranziehung
von geeigneten Kräften beholfen hat, dass ihr dabei Schwie-
rigkeiten zwar bis jetzt nicht entstanden sind, dass sie aber
das Bedürfniss einer anderweiten festeren Gestaltung
nach der bautechnischen Seite hin als „zwingende Noth-
wendigkeit“ empfindet, insbesondere mit Rücksicht noch
auf den vorschwebenden Zweck, Unterweisungskurse
für die Kreisbaubeamten an der Anstalt einzu-
richten. Diesen Zweck halten wir allerdings inanbetracht
der heute oft zu beobachtenden Hilflosigkeit der Kreis-
baubeamten in den Fragen vorliegender Art für sehr
wichtig, ohne aber, dass wir in ihm allein das Bedürfniss
nach Angliederung eines bautechnischen Sachverständigen
an die Anstalt als begründet anzusehen vermögen. Es würden
durch das ständige Zusammenwirken des Hygienikers,
Chemikers und Biologen mit einem Techniker die Arbeiten
der Anstalt nur gewinnen und sie würden dadurch sowohl
vertieft, als zur unmittelbaren Uebertragung ihrer Ergeb-
nisse in die Wirklichkeit geeigneter gemacht werden. Und
wenn auch der Hinzuziehung einer geeigneten Kraft von
Fall zu Fall besondere Vorzüge eigen sind, die dieses Ver-
fahren zuweilen als das bessere erscheinen lassen mögen,
so fordert dabei doch auch die Rücksicht auf gründliche
Wahrung vollkommener Objektivität aller Aeusse-
rungen der Anstalt die schärfste Beachtung. Und diese
Rücksicht allein dünkt uns genügend für das Aufgeben des
bisherigen lockeren Zustandes und die baldige feste An-
gliederung eines bautechnischen Sachverständigen an die
Prüfungsänstalt.
Den sonstigen Inhalt von Heft i der „Mittheüungen"
bilden 7 Arbeiten, welche bezw. die biologische Beurthei-
lung des Wassers nach -seiner Flora und Fauna, den
Reinigungseffekt von Oxydationsfiltern, die Bestandtheile
der Schwimnischicht auf den Abwässern in den Faul-
becken, allgemeine Gesichtspunkte, die bei der Herstellung
und dem Betriebe biologischer Abwässer-Reinigungsan-
stalten zu beachten sind, die Müllbeseitigung mit besonderer
Berücksichtigung der landwirthschaftlichen Verwerthung,
die Verarbeitung der Rückstände aus der Abwässer-
Reinigungsanlage von Kassel und einen chemischen
Apparat betreff^en: alles tüchtige Arbeiten, deren Studium
für Interessirte lehrreich sein wird.
Die Mittheilungen sind von der Buchhandlung A. Hirsch-
wald in Berlin beziehbar. Der Preis von Heft r ist 4 M.
— X. —
Unter den Neuerungen derTapeten-Fabrikation nehmen
Salubra und Tekko seit einiger Zeit eine hervorragende
Stellung ein. Diese wasch- und desinfizirbaren Tapeten
bestehen aus mit Oelfarbe bestrichenem und bedrucktem,
starkem Baumwollgewebe, und besitzen eine porenlose
■und lichtechte Oberfläche. Salubra in Korridoren, Treppen-
häusern und Badezimmern beliebt, wird in letzter Zeit
viel in Spitälern und Sanatorien verwendet; diese Tapete
ermöglicht grösste Reinlichkeit und wird, weil sie der
Wandfläche eine grosse Haltbarkeit verleiht und Poren
im Mauerwerk nach aussen abschliesst, dem Oel- und
Emailleanstriche vielfach vorgezogen. Tekko, ein ver-
feinertes Verfahren, eignet sich vorzüglich zum Tapezieren
von Salons und anderen Gesellschaftsräumen, in denen man
eine bessere Wandbekleidung verlangt als Papiertapeten.
Durch den feinen Glanz kommt der damascirte Tekko der
Seide gleich und hat nicht den Nachtheil aller anderen
.Stofftapeten, Staub und Bacillen aufzunehmen. Tekko ver-
bindet Eleganz mit strengen Anforderungen der Hygiene. —
Eine Neuerung im Verfahren um Dichtungen von
Muffenrohren hefzustellen ist dem Ingenieur Beinhauer
in Bielefeld patentirt worden. Dieselbe besteht nach
Abbildg. I und 2 darin, dass in die Leitung ein durch
Luftdruck aufschwellbarer Körper eingeführt wird. Die
Pressluft muss in einer Luftpumpe erzeugt und mittels
eines Spiralschlauches dem genannten Körper zugeführt
werden. Zu der Einrichtung gehört ferner ein Ring mit
506
Eingussöffnung für das flüssige Dichtungsmittel (vergl.
Abbildg. -2), der mit einer Abschrägung nach Abbildg. 3
in die Muffenöffnung eintritt und hier den dichten Ab-
schluss bildet, während der dichte Abschluss am anderen
Muffenende durch den genannten Schwellkörper herge-
stellt wird. Gewiss wird mit der Einrichtung eine grössere
Genauigkeit an der Zusammentrittsstelle von zwei Rohr-
enden und Verminderung des Eindringens von Dicht-
material in das Innere der Leitung verhindert werden;
ob man aber auf den Gebrauch von Theerstrick im Ge-
winde der Muffe ganz verzichten kann, wie der Erfinder
will, scheint uns nicht durchaus sicher zu sein, da bei
unrunder. Form der Rohre der Schwellkörper vielleicht
doch nicht ganz dicht anliegt. Aber. um dem neuen Geräth
grösseren Eingang in die Praxis zu verschaffen, scheint es
uns vor allem wichtig, den Preis desselben nicht so hoch
zu stellen, dass -er abschreckend wirken kann. —
Todtenschau.
Alexander Llnnemann *(•. Am Morgen des 22. Sept.
verschied in Frankfurt a. M. im Alter Von 63 Jahren nach
einem vorausgegangenen Schlaganfalle der Architekt Pro-
fessor Johann Alexander Linnemann, ein Künstler von so
ausgeprägter Eigenart, wie es nur wenige noch in Deutsch-
land giebt. Linnemann wurde am 14. Juli 1839 in Frank-
furt a. M. geboren, wo sich auch der Haupttheil seines
Lebenswerkes abspielte. Er war von . Hause aus Archi-
tekt; die Architektur als struktive und raumgestaltende
Kunst trat jedoch bei ihm mehr zurück gegen das seiner
reichen Phantasie mehr entsprechende dekorative Gebiet
derselben. Die Flächenkunst war sein Element, die Glas-
und die Wandmalerei gaben ihm die erwünschte Gelegen-
heit, seiner starken künstlerischen Kraft und seinem Ge-
dankenreichthum die Zügel schiessen zu lassen. Linne-
mann war einer jener seltenen Menschen, die, obwohl
durchaus in der Ueberlieferung wurzelnd,, ja diese als ein
unveräusserliches Erbtheil betrachtend, es doch verstan-
den haben, eigene Wege einzuschlagen. Kaum ein an-
derer Meister der Fiächenkunst hat das deutsche Wesen
des Mittelalters mit so tiefer Empfindung, mit solcher Hin-
gabe, aber auch mit so viel persönhcher Eigenart wieder-
gegeben, wie Alexander Linnemann. Es scheint jedoch, dass
Linnemann mit zu jenen empfindsamen Künstlern gehörte,
deren Werke mehr als die anderer den Einfluss der je-
weiligen Stimmungen wiederspiegeln, denn nicht alle seine
Werke sind gleich gut, nicht alle tragen das gleichmässige
Gepräge jener Kunst, die als Linnemann’sche weit über
die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt geworden ist.
Wir behalten uns vor, auf das Lebenswerk des Heim-
gegangenen noch einmal zurückzukommen. Einstweilen
seien in Kürze seine Hauptwerke erwähnt: Die mit Steinle
gemeinsam ausgeführte Ausmalung des Frankfurter Domes;
die Fenster für das neue Reichstagsgebäude und für das
Reichsgericht; ferner Fenster und Mosaiken für die Kaiser
Wilhelm-Gedächtnisskirche in Berlin,. für die Katharinen-
kirche in Oppenheim, für Köln, Mainz, Eltville, Konstanz,
Hannover, Friedberg und zahlreiche andere Gotteshäuser.
Auch verschiedene Wiederherstellungs-Entwürfe alter Bau-
yverke werden seiner kunstreichen Hand verdankt, es sei
u. a. an seinen hochbedeutenden Entwurf zum Ausbau
der Domthürme in Meissen erinnert. Ein reichbegabtes
echt deutsches Künstlerieben ist am 22. Sept. durch das
Schicksal abgeschlossen worden. —
Bücherschau.
Ornament 1902 Paul Bürck. 63 Tafeln kl. Fol., darunter
54 in zweifarbigem Druck auf graublauem Karton
und 9 mehrfarbige Tafeln mit zus. 300 Ornament-
Kompositionen. Text von Drl Ernst Zimmermann
in Dresden. Hauskunst- Verlag von Otto Schulze-
Köln in Darmstadt. Preis 12 M. —
Bei der Bedeutung, die ein Künstler wie. Paul Bürck
in der neuzeitlichen Strömung der dekorativen Kunst ein-
nimmt, eine Bedeutung, die sich weniger auf die Reklame-
No. 79.
sowie an seinem reichen Inhalte erfreuen. Die ornamentale
Sprach Bürcks hält einen interessanten Mittelweg zwischen
dem naturalistischen und dem geometrischen Ornamente
I. Oktober 1902.
allem zu rühmen ist, sie enthält nichts aus der herge-
brachten Schablone und sie vermeidet das Triviale; alles,
selbst das schlichteste Schlusstück, ist mit feinem künst-
507
irommelals auf eine ernste künstlerische Befähigung stützt, ein; seine ornamentalen Gestaltungen sind ungemein an-
wird man das vorstehende Werk mit besonderem Interesse ziehend, wenn sie auch an das Verwendungsgebiet be
zur Hand nehmen und sich an seiner schönen Ausstatlung sondere Ansprüche stellen. Was an der Sammlung vor
lerischem Sinn entworfen, sodass diese Sammlung von
Ornamenten ein Geist durchzieht, welcher sie ho'ch über
andere Werke desselben Gebietes stellt. Geradezu köst-
liche Blätter sind die in mehrfarbigem Druck hergestellten ;
sie sind gleich ausgezeichnet durch den Entwurf wie durch
die Farbenwahl. Unter der merkwürdigen Künstlergruppe,
welche vor Jahresfrist von Darmstadt aus die Kunstwelt
in Spannung hielt, war Bürck einer der zurückhaltendsten,
gleiitwohl aber einer der bedeutendsten. Allen Inter-
essenten des Flachornamentes sei das vorliegende Werk
angelegentlichst empfohlen. —
Bei der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten:
Feiler, J. & P. Bogus. Eiserne Treppen. Schmiedeiserne
Treppenkonstruktionen mit Beschreibung, Eisenangaben, Ge-
wichts- und Preisberechnungen. 4. und 5. Lieferung. Ravens-
burg 1902. Otto Maier. Pr. jed. Lief. 3 M. (VoJIst. in 10 Liefrg.)
Gemss, G., Prof., Dr. Wörterbuch für die deutsche
Rechtschreibung, nebst Worterklärungen und Ver-
deutschung der Fremdwörter. 2. Aufl. Berlin 1902. Weid-
mann’sche Bchhdig. Pr. 1,50 M.
Haberland, Georg. Für das Bauhandwerk. Kritik der
neuesten Gesetzentwürfe des Reichsjustizaints. Berlin 1902.
Leonhai-d Simion.
Hanneke, Paul. Dr. E. Vogel’s Taschenbuch der prak-
tischenPhotographie. Ein Leitfaden für Anfänger und
Fortgeschrittene. 10. Aufl. Berlin 1902. G. Schmidt. Pr. 2,50 M.
Hey d, W., D. Handschriften und Handzeichnungen
des herzoglich württenibergischen Baumeisters
Heinrich Schickhardt. Heft 3 (Schluss). Stuttgart
1902. W. Kohlhammer. Pr. 2 M. (Vollst. 7 M.)
Hrabäk, Jos., Hofrath. Die Drahtseile. Alles Nothwendige
zur richtigen Beurthcilung, Konstruktion und Berechnung
derselben. Berlin X902. Julius' Springer. Pr. 10 M.
Kaufmann, Karl. Anleitung zur Verlegung und Be-
handlung von Linoleum. 2. Aufl. WOrzburg 1902.
Oscar Stahel. Pr. 60 Pf.
Knoll, C. Taschenbuch zum Abstecken der Kurven
an Strassen- und Eisenbahnen. 2. Aufl. Neu
bearbeitet von W. Weitbrecht. Stuttgart 1902. Arnold Berg-
strässer (A. Kröner). Pr. 3 M.
Lehner, Sigmund. Die Kunststeine. Eine Schilderung der
Darstellung aller Arten künstlicher Steinmassen. Wien 1902.
A. Hartleben. Pr. 6 M., geb. 6,80 M.
Lucht, Ph. J. Technische Anleitung für die Ver-
arbeitung und Verwendung von Portland-
zement untei- besonderer Berücksichtigung der Fabrikation
von Zementwaaren, Marmor-, Mosaik-, Terrazzo- und Granit-
Kunstarbeiten, Zementdach-Falzziegel I sowie der Felsen- und
Grottenbauten. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1902. H. Bech-
hold. Pr. 2,60 M.
Preisbewerbungen.
Im Wettbewerb Doppel-Volksschule in Teschen (vergl.
S. 264), der unter Deutsch-Oesterreichern ausgeschrieben
war, haben den I. Preis die Hrn. Arch. K. Wolschner
&Diedtelin Wien, den II. Preis die Hrn. Arch. Skr ob an ek
& Grossmann in Mähr. Ostrau, den III, Preis Hr. Arch.
Streit in Wien erhalten. —
Wettbewerb Krankenhaus Saarbrücken. Als Verfasser
des mit einem Preise von 1000 M. ausgezeichneten Ent-
wurfes „Südlicht" nennen sich die Hrn. Arch. Wilhelm
Heidecke in Charlottenburgund Max Bischoff in. Berlin.
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Dein Ob.-Reg.-Rath Franken, Abth.-
Vorst. bei den Reichseiseub. in Strassburg i. E., ist die Eriaubniss
zur Anlegung der ihm verlieh. III. Kl. des kgl. bayer. Verdienst-
Ordeus vom hl. Michael ertheiit.
Der Mar.-Masch.-Bmstr. N e u m a n n in Kiel ist nach Wilhelms-
haven versetzt.
Bayern. Der Reg.- u. Kr.-Brth. L i n z in Regensburg ist auf
die Dauer i Jahres in den erbet. Ruhestand getreten und der Bau-
amtm. Boeshenss in München z. kgl. Reg.- und Kr.-Brth. in
Regensburg befördert. Der Reg.- u. Kreisbau-Ass. Stamm ist zum
Bauamtm. beim Laodbauamt Roseoheim ernannt.
Der Reg.- u. Kr.-Brth. Stuhlfauth in Würzburg ist s. Bitte
entspr. in den Ruhestand versetzt und ist demselben der Tit. u.
Rang eines kgl. Ob.-Brths. verliehen. Der Bauamtm. Fleischmann
in Aschaffenburg ist z, Reg.- u. Kr.-Brth. bei der Reg. von Unter-
franken u. Aschaffenburg befördert; der Reg.- u. Kreisbau-Ass.
Schaaff in München ist zum Bauamtm. beim Strassen- u. Fluss-
bauamt Aschaffeoburg berufen. Die Bauamts-Ass. Röder in Bam-
berg und Fischer in Neuburg a. D. sind gegenseitig versetzt.
Der Ob.-Bauinsp. Müller in Eisenstein ist gestorben.
Hessen. Der Geh. Brth. Altvater, Vors, der Dir. der
Main-Neckar-Eisenb., ist in den Ruhestand getreten.
Preussen. Den Reg.- u. Brthn. Brandt in Hannover und
Schugt in Neuwied ist die Eriaubniss zur Annahme und An-
legung des ihnen verlieh. Ehrenkreuzes III. Kl. des fürstl. lippischen
Hausordens ertheiit.
Der Geh. Brth. Saal, vortr. Rath im . Minist, d. öffentl. Arb»,
ist z. Geh. Ob.-Brth. ernannt.
Den Fabrikdir. Schaffer und Leissner von der Henschel’-
schen Maschinen-Fabr. in Kassel ist der Char. als Brth. verliehen.
Dem, Reg.-Bmstr. • Joh. Scheppig in Sommerfeld ist die
nachges. Entlass, aus dem Staatsdienst ertheiit.
50a
Sachsen. Der Brth. Schim.mer in Döbeln ist zum Betr.-
Insp. bei d. Betr.-Dir. Leipzig ll, der Brth. Au f s c h 1 ä g e r in Zittau
zum Betr.-Insp. bei der Betr.-Dir. Chemnitz, der Brth. Wolf in
Plauen z. Betr.-Iosp. bei d. Betr.-Dir. Dresden-A. ernannt und der
Brth. Lehmann ist nach Zwickau versetzt.
Versetzt sind: Die Brthe. K atz er in Bautzen zur Bauiosp.
Zittau, Scheibe in Zwickau zum Ob. -Baubür., die Bauinsp.
Decker in Leipzig zur Bauinsp. Bautzen, Winter in Bischofs-
werda zur Bauinsp. Döbeln II, Schramm in Zwickau zur Bau-
insp. Adorf, Lehmann in Adorf zur Bauinsp. Plauen- i. V,,
Dierich in Leipzig zur Bauinsp. Zwickau II, Haeuser in
Hilbersdorf zum Baubür, Leipzig, Arndt in Dresden zur Bauinsp.
Flöha, W orgitsky in Hohenstein zum Kommissariat für elektr.
Bahnen in Dresden, Schneider in Dresden-A. zum Baubür.
Lommatsch.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. Fr. Dr. in Werder a. H. Durch Zertheilung
Ihres Grundstückes in 10 oder mehr selbständige Trennstücke be-
wirken Sie einen stärkeren Verkehr auf Ihrem jetzigen Privatwege
und eine grössere Menschenansammlung. Die Polizei hat deshalb
nicht blos das Recht, sondern sogar die Pflicht, für ausreichende
Zugangswege zu sorgen, Das diesbezügliche Verlangen findet in
A, L.-R. II. 17 § IO mit Gesetz vom ii. März 1850 §§ 6, ii seine
Stütze. Insbesondere darf die Polizei bereits das künftige Verkehrs-
Bedürfniss bei Beurthcilung dessen, was unter den gebotenen Ver-
hältnissen aus Sicherheits- und Verkehrs-Rücksichten zweckmässig
sei, gebührend berücksichtigen. Glaubt dieselbe nach pflichtgemässem
Ermessen dem Wege wegen der erweiterten Benutzungsart die
Eigenschaft einer Strasse zusprechen zu sollen und dafür eine Breite
von 9 m Fahrdaram sowie je 1,5 m Fussteg fordern zu müssen, so
ist sie zu einer diesbezüglichen ßaubedingung grundsätzlich berech-
tigt. Nicht minder lässt sich die weitere Forderung, dass der Fahr-
damm mit Kopfsteinen und die Fussteige mit Mosaiksteinen zu
pflastern, sowie dass Entv.'ässerungs- und Beleuchtungsanlagen her-
zustellen sind, aus Verkehrs-Rücksichten rechtfertigen, zumal es im
Baufluchten -Gesetz eine ausreichende Stütze findet. Die über-
wiegende Wahrscheinlichkeit spricht deshalb dafür, dass eine auf
Kraftloserklärung der beregten Baubedingungen anzustrengende
Klage keinen Erfolg haben wird, zumal der vierte Senat des Ober-
Verw.-Gerichtes, vor den die Sache letztinstanzlich gehören würde,
bereits zahlreiche Vorentscheidungen gefällt hat, welche ähnliche
. Verhältnisse behandelt haben und grundsätzlich dahin ergangen sind,
dass dem polizeilichen Ermessen über das Maass des Nothwendigen
keine zu engen Grenzen gezogen werden dürfen. Uebrigens hätte
die Verwaltungsstreit-Klage binnen 14 Tagen nach Zustellung der
polizeilichen Verfügung erhoben werden müssen. — K. H-e.
Hrn. Arch. W. in Hannover. In „Der Kirchenbau des
Protestantismus“ von K. E. 0. Fritsch (Verlag Deutsche Bauztg.,
G. m b. H.,) finden Sie ausser zwei Konkurrenz-Entwürfen für die
Osnabrücker reformirte Kirche eine Anzahl von Aufnahmen ameri-
kanischer Kirchen, denen, wenn auch nicht das Pfarrhaus, so doch
ein Schulhaus angehängt ist. Sie bilden mit diesem vereint eine
architektonische Gruppe, einige eingebaut, andere auf einem Platze
gelegen. Vielleicht genügen Ihnen schon diese. Im übrigen sei
hierdurch die Anfrage an den Leserkreis gestellt, ob jemand neu
erbaute Kirchen kennt, die mit angehängtem Pfarrhause auf einem
allseitig freien Platze stehen. —
Hrn. F. H. in P. Ende September können Sie immer noch
mit dem äusseren und inneren Kalkputze eines Neubaues beginnen.
Da es bis Mitte November am Tage noch nicht stark zu frieren
pflegt, könnten nur vereinzelt auftretende Nachtfröste schädlich
wirken, die aber gewöhnlich nicht von langer Dauer sind, und nur
auf ganz frischen Putz schädlich einwirken. Der schon vor zwei
oder mehr Tagen gefertigte Putz ist vor ihnen ziemlich sicher. Es
wird also genügen, dass Sie in den wenigen Nächten, in denen
Frost vorauszusehen ist, die frischen Arbeiten mit leeren Zement-
säcken oder anderem abdecken oder sie mittels Kokskörben, die
aber nicht zu dicht am Mauerwerk stehen dürfen, antrocknen.
Letzteres empfiehlt sich auch bei Tagen mit einem geringen Frost,
bis I® Kälte. Der im Frühjahr wie im Herbst hergestellte Putz ist
häufig besser, als der im Sommer gefertigte, da letzterer leicht zu
rasch trocknet und Risse bekommt. Ein Zusatz zum Kalk- und
Gipsputze, der ein rascheres Trocknen bewirkt, dürfte unnöthig sein.
Hrn. Arch. A. C. in Gotha. Die Beantwortung Ihrer Frage
ist ohne Kenntniss der Situation schwierig. Das Ungünstige der
ganzen Sachlage scheint darauf zu beruhen, dass der Speisen-Auf-
zug unmittelbar aus der Küche zu den über der Küche liegenden
Speisezimmern führt, anstatt aus einem von der Küche durch Thüren
getrennten Anrichteraum. So wird sich ein sicher wirkender Ab-
schluss der Küchengerüche aus den Speisezimmern nur schwer
erreichen lassen. Einfache Lüftungsschächte, die Sie zur_ Ab-
führung der schlechten Luft aus der Küche angelegt haben, wirken
nie so gleichmässig, dass nicht bei ungünstiger Aussentemperatur
oder Windrichtung Stockungen oder eine umgekehrte Wirkung eio-
treten könnte. Dann bekommen Sie natürlich den Küchengeruch
in die Speisezimmer. Soll der Schacht stets gleichmässig absaugen,
so ist für Pulsion oder Anheizung (elektrisch betriebene Ventila-
toren oder Gas) zu sorgen. Ganz besonders ungünstig erscheint
aber die Anlage des zweiten Lüftnngsscbachtes mit Oeffnungen
sowohl in der Küche als auch in den Esszimmern; da ist jedenfalls
die eine der Verbindungen zu beseitigen. Für den Aufzugsschacht
dürfte sich übrigens auch die Anbringung eines über Dach ge-
führten Lüftungsrohres zur Abführung in denselben eingedrun-
gener Küchendämpfe empfehlen. R. G., Berlin.
Inhalt: Villen in Losch witz bei' Dresden. — Mittheilungen aus Vereinen.
— Vermischtes. — Todtenschau. — Bücherschau. — Preisbe-werbungen. —
Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten. •
Verlag der Deutschen Bauzeitui^, , G. m. b.,H., Berhn. -Für die Redaktion
verantwortl. i. V. F\ Eiseleü , Berlin. ' Druck von Wilh. G"rev e ; Berlin.
No. 79.
AUZEITUNG.
GANG. * * N2; 8o. *
*
■ , ,* c .»
Berliner Neubauten.
No. 102. Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens. (Fortsetzung aus No. 29.)
Neues Thor-, Wohn- und StalJlgebäude.
Architekt: Fritz Gottlob in Berlin.
(Hierzu eine Bildbeiiage und die Abbildungen S, 513 u. 513.)
ie zahlreichen Baulichkeiten des Zoologischen
Gartens werden eine interessante Vermeh-
rung erfahren durch eine reizvolle male-
rische Baugruppe, die zumtheil auf Anregung
des kgl. preussischen Ministeriums fürLand-
wirthschaft und auf der Grundlage eines Vertrages
mit demselben ausgeführt werden wird, Die eine
Hälfte der geplanten Gesammtanlage, die auch zu-
nächst nur ausgeführt werden soll, ist nach den Ver-
einbarungen mit dem genannten Ministerium dazu be-
stimmt, einheimisches Zuchtvieh, wie Rindvieh, Pferde,
Esel usw., zu züchten und die Züchtung zum Gegen-
stände des Studiums für Interessenten der Landwirth-
schaft zu machen. In diesem Theile sind daher vor-
esehen 24 Stände für Rindvieh, 8 Laufstände für
ferde und Esel, eine Futterdiele, ein Motorenraum
mit Häcksel- und Rübenschneidemaschine, ein Heu-
boden, ein Vortragssaal mit Vorraum, eine aus 3
Zimmern, Küche und Zubehör bestehende Oekonomen-
Wohnung und ein Rübenkeller. Die einem späteren
Baujahre vorbehaltene zweite Hälfte der Anlage soll
ausser einem Stallraume von 8 Ständen ein Polizei-
bOreau, eine Verkaufsstelle für Postkarten usw., eine
grosse Garderobe mit Zubehör, eine Konirolleurstube
und über diesen sämmtlicben Räumen einen Heuboden
enthalten. In die Anlage, welche sich um den Aus-
gang gegen den Thiergarten gruppiren soll, sind die
beiden hier vorhandenen Thorgebäude einbezogen,
die so erweitert werden sollen, dass sie ausser dem
Kassenraum zusammen 7 Wohnungen aus je 2 Stuben
und Zubehör enthalten, die sämmtlich Zugang zur
Strasse haben. Im obersten Stockwerk des höheren
Thorgebäudes sind Waschküche und Trockenboden
vorgesehen.
Bei dem im Zoologischen Garten in Berlin allge-
mein durchgeführten Grundsätze, für die Behausungen
der Thiere möglichst die Formenwelt der Heimath der
verschiedenen Thiergattungen zu verwenden, lag es
nahe, für diese vorwiegend für einheimisches Zucht-
vieh bestimmte Baugruppe die für die Mark Branden-
burg charakteristische Backstein-Architektur zu wählen.
Demgemäss werden die Gebäude Backsteinbauten mit
durchweg massiven Decken und Brandmauern. Unter
Verzicht auf Glasuren und um den Bauten den Cha-
rakter möglichster Urwüchsigkeit und Bodenständigkeit
zu verleihen, gelangen nur Rathenovver Handstrich-
Verblender und Formsteine zur Verwendung, die mit
vollen Fugen aufgemauertwerden und von deren sattem
Roth eine wirkungsvolle und harmonische Farben-
wirkung mit dem grünen Hintergründe der Bäume des
Thiergartens erwartet wird.
Für die Ausbildung des Inneren ist zu bemerken,
dass die Stallräume ausser den massiven Decken zur
Erhaltung der Staliwärme noch untergelegte Drahtputz-
509
Kreuzgewölbe erhalten, und dass der Vortragssaal mit
einem wirklichen Sterngewölbe mit sichtbaren Back-
steinrippen geschmückt wird. Die Dächer werden
als Kronendächer mit Biberschwänzen eingedeckt.
Die Stallräume und die zu ihnen gehörigen Neben-
räume ei'halten als Fussboden geriffeltenZementestrich,
während alle anderen Räume mit Linoleumbelag ver-
sehen werden. - Die Innenwände . der -Ställe werden auf
eine Höhe von etwa 1,3“ mit weissglasirten Steinen
verblendet; aus dem gleichen Material werden auch
die Trennungswände der Laufstände erstellt. Die
Kuhstallkrippen werden inZementbeton mit eingelegten
glasirten bezw. emaillirten Krippenschüsseln mit un-
mittelbarem Wasserzufluss ausgeführt. Alle Ställe und
ihre Nebenräume erhalten schmiedeiserne Sprossen-
fenster mit Kippflügeln und eine Verglasung aus
kathedralglasartigem weissem Rohglas. Für dieThüren
wird das System der feuersicheren „Simplexthüren“,
Patent König, Kücken & Co., gewählt; diese Thüren
sind Holzthüren mit Eisenbelag. In den übrigen Theilen
der Baugruppe werden lediglich Thüren und Fenster
aus Holz verwendet. Der Vortragssaal und sein Vor-
raum werden mit etwa 1,25“ hohen Holzpanneelen
ausgestattet und erhalten Fenster- und Thürumrahmun-
gen aus profilirten Verblendsteinen.
Der Dung wird unmittelbar auf einen zu diesem
Zweck besonders konstruirten Dungwagen geladen,
der an der Südseite des Rindviehstalles vertieft und
für die Besucher des Gartens nicht sichtbar angeordnet
wird. Den Höhenunterschied zwischen dem Fussboden
dieser Vertiefung und der Geländeoberkante vermittelt
eine Rampe mit einem Gefälle von 1:8. Der Fuss-
boden der Vertiefung wird zur Aufnahme der sich
ergebenden Flüssigkeit mit einem Sickergully versehen.
Die Baukosten sind für die gesammte Anlage auf
etwa 235000 M. veranschlagt ; der zuerst zur Ausführung
gelangende Theil wird nach dem Voranschläge eine,
Summe von etwa 103 500 M. beanspruchen. Mit diesen
verhältnissmässig sehr bescheidenen Mitteln wird es
möglich sein, den Zoologischen Garten um eine Bau-
gruppe von anziehendstem malerischem Reize und von
hohem Lehrwerthe zu bereichern, sodass man ihrer
Vollendung mit Spannung entgegensieht. • — ■
— H.—
Die XV. . Wanderversammlung des Verbandes deutscher Arch.- und Ingen.-Vereine
zu Augsburg vom 1.— 3. September 1902.
III. Die Vorträge. (Schluss.)
d) Die Wildbachverbauungen im bayerischen Hochgebirge,
besonders im Allgäu. (Schluss.)
Is entwerfende und ausführende Behörde war das
kgl. Strassen- und Flussbauamt Kempten be-
stimmt worden, in dessen Amtsbezirk sämmtiiehe
Allgäuer Verbauungen fielen. Anfänglich beschränkten sie
sich auf das obere Illergebiet, das fast ganz zu Bayern
gehört; dann traten auch sehr namhafte Bauten im Lech-,
endlich auch noch einige im Bodensee-, also im Rhein-
geb i et innerhalb der bayerischen Landesgrenzen hinzu. Und
nunmehr beläult, sich die Zahl der verbauten oder in Ver-
bauung begriffenen Wildbäche und Steilrunsen im Allgäu
bereits auf . 52, dazu kamen noch 20 weitere Bäche, für
die bereits Entwürfe bestehen, oder die vorsehentlicher-
weise begangen und ausgekundet worden sind.
Die Gesammtlänge der zusammenhängend verbauten
Wildbäche oberhalb des Schuttkegels, also in den eigent-
lichen Schluchten — im Allgäu Tobel genannt — beträgt
rd. 52ktHj jene der geschlossenen Regelungen auf Schuit-
kegeln und im Thal rd. 20 km. Imganzen wurde (den
Steigbach nicht gerechnet) rd. an Baarkosten i Mill. M.
aufgebracht, vom Staate die Hälfte, vom Kreise mehr , als
ein Viertel, von den Betheüigten und Distrikten der Rest,
rd. 330000 M. Der Werth des verbauten Holzes ist auf
etwa 45 000 M., der Grundzins für verbautes Steinmaterial
auf etwa 25000 M. anzuschlagen; Grund- und Boden-
benutzung entzieht sich der Schätzung.
Die Arbeiten wurden allermeist im Selbstbetrieb aus-
geführt, in geeigneten Fällen kam der Theilverding (Ar-
beiterakkord) zur Anwendung. Hier hat sich das Bau-
amt Kempten aus der Reihe seiner statutmässigen Be-
diensteten im Laufe der Zeit ein tüchtiges, durchaus ver-
lässiges und schneidiges Unterpersonal herangezogen. Die
Administrativ-Verhandlungen gingen glatt von statten, wie
überhaupt die Allgäuer Wildbachverbauung sich grösster
Einfachheit des Geschäftsganges bei ihrer Einleitung und
Durchführung rühmen darf. Sie darf aber noch den
weiteren Vorzug beanspruchen, in der Hauptsache eine
vorbeugende zu sein, und überdies, was aus diesem Grunde
erst recht in die Wagscbale fällt, eine nach allen Seiten
hin freiwillige, eine weder durch Gesetzgebung, noch
durch besondere Einrichtung hervorgerufene und unter-
stützteD- Dass unter solchen Verhältnissen so grosse
Leistungen der Betheiligten zu erzielen waren, dürfte das
beste Zeugniss einerseits für den verständigen Sinn der
Bevölkerung, andererseits für das gedeihliche Wirken der
*) Abgesehen von der k. b. Landeskultur-Rentenbank.
Von der Industrie- und Kunstausstellung in
Düsseldorf 1902. (Schluss.)
VII. Die „Kunsthistorische Ausstellung".
Is eine der anziehendsten und glanzvollsten Veran
Staltungen der gesammten Ausstellung ist ohne
Zweifel die „Kunsthistorische Ausstellung" zu be-
zeichnen. Es war ein glücklicher Gedanke, mit der ersten
grossen Kunstausstellung ira neuen Palast zu Düsseldorf
die Vorführung der Leistungen aus der Vergangenheit bis
zurück zur Römerzeit zu verbinden und dafür die ausser-
ordentlich reichen Schätze gerade dieses Ausstellungs-
Bezirkes ans Kirchen, Museen und Privatsammlungen
heranzuziehen; ein Gedanke freilich, der seine Vorgänger
gehabt hat auf den grossen Weltausstellungen sowie auf
einigen kleineren Ansstellungen, wie auch m Düsseldorf
selbst i. J. ]88o in der mit der damaligen rheinisch-west-
fälischen Gewerbe-Ausstellung verbunden gewesenen Ab-
theilung für Kunstgewerbe und kirchliche Alterthümer
aus beiden Provinzen. Aber in einem so bedeutenden
Umfange wie hier, wit einer solchen Einmuthigkeit und
Einsetzung aller Faktoren, wie sie für das Gelingen eines
derartig schwierigen Unternehmens allerdings vorausge-
setzt werden muss, ist bisher wohl kaum irgendwo für
die verhältnissmässig kurze Spanne Zeit von nur 6 Monaten
gearbeitet worden, und es bleibt eigentlich neben der
Freude über den Unternehmungsgeist und die hier ge-
offenbarte Thatkraft zu bedauern, dass unter der erdrücken-
den Fülle von Eindrücken dem Ausstellungs-Besucher die
Ruhe und innere Geschlossenheit leicht verloren gehen,
welche für jedes tiefere Studium unenibehriich sind. —
Ehe wir nun zu einer übersichtlichen Betrachtung des
Gebotenen übergehen, sei 'kurz der Geschichte dieser
grossen für die Freunde mittelalterlicher Kunst wie auch
für die- Bestrebungen der vaterländischen Denkmalpflege
gleich wichtigen Veranstaltung gedacht und auch an dieser
Stelle der Düsseldorfer Künstlerschaft sowohl als allen
Männern, die an dem Zustandekommen des schönen
Werkes betheiligt waren, der wärmste Dank ausgesprochen.
Westfalen und Rheinland umschliessen Gebiete, die
bekanntlich schon frühe den Kultur-Niederlassungen er-
schlossen wurden. Noch reden da und dort zerstreut aus
der heidnischen Zeit im alten Sachsenlande, aus der Römer-
zeit in den Befestigungen am Rhein und auf den grossen
Heerstrassen, dann wieder aus der Zeit der christlichen
Anfänge und weiterhin aus der der weltlichen und geist-
lichen Machthaber, die Zeugen in gewaltigen Trümmern
oder in rohen unbeholfenen Formen der Stein-, Holz- oder
Metall -Bearbeitung. Vielgestaltiger wird das Bild der
Kunstentwicklung, wenn man die zahlreich erhaltenen
Ueberlieferungen aus der fränkischen, karolingischen, ro-
manischen und gothischen Periode bis zum Ausgang der
Renaissance und ihren Ausläufern ins Auge fasst und man
ermisst, welch’ ein ungeheurer Reichthum an wenhvollen,
vornehmlich zu Kultzwecken gebrauchten Gegenständen
oder deren Nachbildungen hier znsammengebracht werden
konnte. Man übersieht ein weites Gebiet archäologischer
Forschung und kann es wohl verstehen, dass nur Männer
an die Spitze dieses Unternehmens treten konnten, deren
Namen m der Welt der Kunst und Wissenschaft längst
ein hohes Ansehen gewonnen haben. Es müssen an erster
Stelle genannt werden: die Hrn. Prof. Fr. Roeber (Vor-
sitzender der Deutsch-nationalen Kunstausstellung 1,902)
zu Düsseldorf, Dr. P. Clemen (Prof, an der Universität
Bonn und Provinzial-Konservator der Rheinprovinz), Dr.
Schnütgen (Domkapitular in Köln und Herausgeber der
Behörden, und endlich für das äusserst günstige Verhält-
niss zwischen Beamten und Volk liefern. Die Hauptaner-
kennung aber gebührt dem allezeit entgegenkommenden
schwäbischen Landrathe, welcher weitaus schauend nach
Kräften die Zuschüsse aus Kreismitteln bewilligte und da-
mit auch die Staatshilfe einleitete.
Veranlasst durch die auch im Regierungsbezirk Ober-
bayern, sowie in Niederbayern eingetretene Vermehrung
der Wildbachbauten, dann besonders durch die bekannte
Hochwasserkatastrophe im oberbayerischen Alpenland vom
Jahre 1899, greift nun der Staat unmittelbar in diesen
Zweig der Landeskultur-Arbeit ein und zwar mit der ab
I. Oktober des Jahres beginnenden Einrichtung zweier
neuen technischen, für den Betrieb von Wildbach-Ver-
bauungen und von Schutzarbeiten an Privatflüssen über-
haupt, bestimmten, rein staatlicher Behörden, der Wild-
bach-Verbauungssektionen, wovon die eine mit dem Sitze
Rosenheim in den 3 Regierungsbezirken Oberbayern,
Niederbayern und Oberpfalz, die andere mit dem Sitze
Kempten in Schwaben und in den übrigen 4 Kreisen ihr
Thätigkeitsfeld zu suchen hat. —
Diese Einrichtung bedeutet bei weiterer Ausgestaltung
eine hervorragende Förderung der für Bayern als hoch-
wichtig erkannten Wildbach-Verbauungsfrage. Gleichzeitig
ist auch die Durchsicht der bayerischen Wassergesetzgebung
im Werke, welche ohne Zweifel für die erspriessliche
Ausdehnung dieser Thätigkeit noch weiteren Vorschub
leisten wird.
Und in der That erscheint das nöthig, denn das Ar-
beitsfeld ist gross. Im Allgäu werden fernerhin noch
mindestens 150 verbauungsbedürftige Wildbäche und Steil-
runsen mit ebensoviel Kilometern Länge gezählt; die eben-
falls meist zum Zweck der Minderung des Geschiebe-
ganges regelungsbedürftigen Wasserläufe in den Gebirgs-
ihälern geben imganzen, gering gerechnet, eine Länge
von etwa 100 ln Oberbayern dürften die ausständigen
Bauten das Doppelte bis Dreifache betragen.
Im allgemeinen haben wir aber doch den gewaltigen
Vortheil vor den vorhin genannten Gebirgsländern vor-
aus, dass wir die Verbauungs-Thätigkeit noch verhältniss
massig frühzeitig beginnen, bezw. begonnen haben. Da-
durch werden uns beträchtliche Kosten erspart bleiben,
andererseits wird der Erfolg um so sicherer sein; denn
die Kosten einer Verbauung wachsen mit dem Grad der
Verwahrlosung des Baches in ungeheurer Steigerung.
Und das ist ein Vortheil. dem gegenüber besonders her-
vorzuheben ist, dass der Boden für Wildbäche in unseren
Bergen ein hervorragend günstiger ist. Erstlich ist es das.
Vorlagern in breiter Masse des aus der Schweiz und Vor-
arlberg herüberstreichenden Flysch-Zuges mit seinen
mächtigen, leicht verwitter- und verwaschbaren Thon- und
Mergel-Schichten vor unserer eigentlichen Alpenkette. Zu
ihm gesellen sich Melasse, Neocom und Lias mit gleicher
Eigenschaft und hauptsächlich sind es der Moränen- und
der Hängeschutt des Hauptdolomits, des Lias und Dach-
steinkalkes, welcher sich bis ins höchste Hochthal hinauf
mit gewaltigen Massen am Aufbau unserer Berge betheiligt.
Dazu kommt ein reicher Segen von Niederscülägen; im
Allgäu bewegt sich das Jahresmittel je nach Lage und
Höhe zwischen 1400 und ,1900 rnmj ungemein häufig sind
heftige Gewitterregen, oft noch im späten Sommer, bis zu
60 “'n und Tage lang andauernde Landregen bis zu 10 '"'«i
in iSt. DienatürlichenVorbedingungen für ein „klassisches"
Land von Wildbächen wären also bei uns gegeben.
Unsere Allgäuer Bauten nun wurden in der wohlge-
drungenen Rücksicht auf möglichste Billigkeit, neben
aller Dauerbarkeit, ausgeführt. Auf ihr äusseres An-
sehen wurde daher nicht viel verwendet. Zur Anwendung
kommen, wo immer thunlich, Steinbauten, meist trocken
und im Zyklopenverband, auch Mauerwerk in Beton ver-
setzt, dann auch Plolz- und Faschinenbauten.
Die Sparsamkeit wurde aber ganz besonders in der
möglichsten Ausnutzung der örtlichen Verhältnisse und in
der vollständigen Anpassung an die Eigenart jedes Baches
— und die ist überall verschieden — gesucht. Ist die ver-
ständige Wildbachverbauung an und für sich kein Feld für
eine schablonenhafte Arbeit, so war sie es daher im Allgäu
erst recht nicht. Wenn auch bei oberflächlicher Betrachtung
die Bauten ein ziemlich gleichmässiges Gepräge zu tragen
scheinen, so bringt die erforderliche Individualisirung
jedes Baches bei den Verbauungen erhebliche Unterschiede
mit sich. Neben den grösseren Bauten muss die grosse
infrage kommende Menge unbedeutender kleiner aber
zweckdienlicher Anlagen und Bauten mit derselben Sorg-
falt und Werthschätzung behandelt werden.
Die Kleinarbeit ist überhaupt neben der Anordnung
des Ganzen oft das Wichtigste an der Wildbachverbauung.
Zu ihr gehören die zahllosen Sicherungs- Arbeiten in allen,
auch den kleinsten Seitenrinnen, die Befestigung der
Zwischensirecken zwischen grösseren Bauwerken, Rege-
lung natürlicher Bachgerinne, alle Anpflanzungen usw.
Nur wo die Kleinarbeit richtig erlernt worden ist, kann
die so hochwichtige Unterhaltung der Wildbachbauten
billig und gründlich durchgeführt werden und mit der An-
wendung der kleinen Mittel ist auch die Wiidbachverbauung
befähigt, auf alle Gewässer des Mittelgebirges und des
Hügellandes ausgedehnt zu werden, in denen wildbach-
artige Erscheinungen zutage treten.
Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die Allgäuer
Verbauungen nicht nur sehr billig geworden, sondern sie
haben sich auch schon bei mehrfachen Gelegenheiten be-
währt. Bei dem grossen allgemeinen Hochwasser Ereigniss
in den Bergen des Allgäus vom 3. Aug. vor. Js. zeigte sich
das besonders dadurch am besten, dass bei derVertheilung
der Staats-Unterstützungen an den verbauten Bächen nur
sehr geringe Entschädigungen an Privatbesitz gezahlt wur-
den, während an den unverbauten ein Schaden von nahezu
600000 M. festgestellt wurde und dabei waren gerade die
verbauten Bäche ehedem weitaus die gefährlichsten. Im
s-erwähnten Allgäuer Ueberschwemmungs-jahre 1851 hatten
„Zeitschrift für christliche Kunst") und H. Frauberger
(Direktor des Gewerbe-Museums zu Düsseldorf). Getragen
von einer reichen Erfahrung in Museal-Angelegenheiten,
wie von der Sicherheit in der Kenntniss und Beurtheüung
aller einschlägigen Fragen auf den verschiedenen Kunst-
gebieten, war es diesen Gelehrten Vorbehalten, die Linien,
in denen sich das Unternehmen bewegen sollte, vorzu-
zeichnen. Sie umgaben sich mit einem grösseren Kreise
von Männern, deren verdienstvolle Thätigkeit auf diesen
Gebieten in beiden Provinzen wohlbekannt ist und förder-
ten in Jahresfrist die Angelegenheit so, dass jeder Besucher
mit rückhaltloser Anerkennung gerade diese Abtheüung
als eine der ersten unter den fertigen hat bezeichnen
können. Wie viele Vorarbeiten nöthig waren, um aus
diesen oder jenen öffentlichen und privaten Sammlungen
die Werke heranzuziehen oder um diese oder jene manch-
mal recht lange zögernde Kirchen-Verwaltung zur leih-
weisen Hergabe ihres kostbaren Besitzes zu gewinnen,
wer will es ermessen?
Einer Vorbesprechung der Vertreter und des Hrn.
Brths. Ludorff aus Münster (Provinzialkonservator von
Westfalen), die schon im Jahre 1899 stattgefunden und in
welcher der allgemeine Plan festgelegt wurde, folgten zu-
nächst die Verhandlungen mit der kgl. Staatsregierung, mit
den Provinzial- und Diözesanverwaltungen usw., sowie die
Erweiterung des Vorstandes und die Bildung eines Ehren-
vorstandes, an dessen Spitze der verstorbene Erzbischof
von Köln Dr. Hubertus Simar trat. Am 28. August 1901
fand unter der Leitung des I. Vorsitzenden, Hrn. Dr.
Schnütgen, die erste Generalversammlung statt, in der
vielfachen Wünschen und Hoffnungen Ausdruck gegeben
wurde, die auf der zweiten Versammlung bereits zu festen
Ergebnissen führten. Inzwischen hatte man den Kreis
4. Oktober 190a.
weitergezogen und in Anbetracht der Thatsache, dass
manche auf heimischem Boden entstandene Gegenstände
längst auswärtigen Museen angehören, und dass nament-
lich bei vielen Stücken auch in Privatsammlungen die Her-
kunft ausser allem Zweifel sein kann, die Besitzer der-
selben, sowie die kgl. Staatsregierung um ihre Betheiligung
gebeten. Andererseits konnte man bei dem kosmopoli-
tischen Charakter vieler Privatsammlungen, so sehr auch
die Vorführung der im westdeutschen Ausstellungsgebiet
entstandenen Kunstwerke im Vordergründe des Interesses
stand, eine scharfe Trennung der hierher gehörigen Stücke
von anderen, die mehr verschiedene Einflüsse von da
oder dort erkennen lassen, umso weniger herbeiführen
wollen, als gerade dadurch wesentliche Umstände zu ver-
gleichenden Studien verloren gegangen wären. Die Auf-
gabe war nach ihrer monumentalen (Architektur, Plastik
und Malerei), wie nach der kunstgewerblichen Seite
zu lösen. Es ist das besondere Verdienst des Hrn. Prof.
Clemen, dass er, die Bedürfnisse der staatlichen und
provinzialen Denkmalpflege betonend, hier die Gelegenheit
ergriffen und auf die Schaffung eines geschlossenen Bildes
von der älteren westdeutschen Monumentalkunst in Gips-
abgüssen gedrungen hat, die hier im neuen Kunstpalast
am Rhein, gegenüber den wechselnden Erscheinungen
neuerer Kunst als ein bedeutsames Zeugniss der Ver-
gangenheit und zugleich als Zierde und passender Hinter-
grund für kunstgewerbliche Alterthümer, vor allem aber
zur Anregung und Vertiefung des Sinnes für die vater-
ländische Geschichte und Grösse, in derselben oder in
einer ähnlichen Weise dauernd aufgestellt bezw. einge-
baut wurden, wie es seit etwa 20 Jahren seitens der
Commission des monuments historiquesin den bei-
(Fortsetzung auf S. 514.)
51I
sie alle losgeschlagen, so dass die Spuren heute noch er-
kennbar sind.
_ Die Beschädigungen an den Bauten waren stellen-
weise sehr empfindlich, und zwar meist in den Bach-
unterläufen; in den eigentlichen Tobel Verbauungen waren
sie äusserst massig, der gesammte Durchschnitt ergiebt
für alle Allgäuer Bauten rd. 5 % der Baukosten bei
hohem Anschlag, wobei bedacht werden möge, dass viele
Verbauungen mitten in Arbeit standen oder wegen noch
nicht eingetretener Verwachsung ihre volle Wirkung eben
noch nicht haben konnten. In keinem Bache kamen Ab-
rutschungen in den Uferhängen vor. In den älteren Bauten
können wir bereits auf eine so dichte Verwachsung blicken,
dass der Zustand des dauernden Erlöschens in Bälde als
eingetreten gelten kann.
An. einigen Beispielen sei zum Schlüsse die Anordnung
und Ausführungsweise der Wildbachverbauungen näher
befestigt. Die Aufnahme stammt vom Jahre 1899, während
die Ausführung bereits 1890 erfolgte; der gänzlich in Rutsch-
bewegung gewesene, höchst gefährliche Tobel ist zurzeit
fast völlig eingewachsen (Erlen und Weiden) und hat beim
Hochwasser vom 3. Aug. 1901 kein Gerolle abgeführt.
Abbildg. 3 giebt die unverbaute obere Auswühlungs-
strecke vom Steibenbach bei Bolsterlang wieder, einem
40 ni tiefen Graben in Moränen-Schulthalde, grosse Steine
enthaltend. _ Letztere fallen über den Fuss der Bruch-
böschung hinaus und drängen das Wasser an letztere heran
und rufen somit immer neueUnterwQhlung und Abrutschung
hervor. Das BachgefäUe ist 18%, die Meereshöhe liegt
zwischen 1200 und 1400
Abbildg. 4 zeigt dieselbe Strecke mit rauher Stein-
treppe verbaut. Das Bachgerinne ist von der Bruch-
böschung soweit abgerückt, dass sie sich abflachen und
beruhigen kann; diese ist nunmehr in bester Bewachsung
erläutert. Wir haben die Abbildungen bereits in No. 78
vorausgeschickt.
Abbildg. I zeigt die zusammenhängende Regelung
eines Bachlaufes — Steinbach, bei Pfronten-Kappel im
Lechgebiet — auf dem Schuttkegel; das Gefälle beträgt
6%. Das Bachbett hat ein trapezförmiges, mit Trocken-
Zyklopenpflaster befestigtes Profil erhalten; das Gefälle
ist durch Abstürze bis zu i n» Höhe aus Trocken-Mauerwerk
auf 2,5 % gemässigt. Die Bachgebietsgrösse umfasst 3,8 ;
die grösste Hochwassermenge stellt sich auf 19 «bm,Sek.
Abbildg. 2 giebt einen Blick in das Haupt- Auswühlungs-
Gebiet eines Baches — Leybach bei Altstädten, oberes
Illergebiet, wie alle folgenden. Der Untergrund ist lockere
Moränen-Masse; das mittlere Gefälle beträgt 16%, die
Grösse des ganzen Gebietes rd. 3,25 die grösste Hoch-
wassermenge 16 c^>“/Sek. Die Meereshöhe liegt zwischen
1200 und 1400 Der Auswühlungs- Graben besitzt eine
grösste Tiefe bis 65“, oben 130“, unten 25™ breit; die
Verbauung ist in Holz erfolgt und besteht aus Stützsperren
in Abständen von 20—40™ Entfernung; die Zwischen-
strecke ist mit zusammenhängender Treppen- Korrektion
begriffen (Bauzeit 1895). Der Geschiebeabgang ist hier
gänzlich eingestellt. . .
In Abbildg. 5 ist ein Abrutsch (Combe) aus einem
„Einhang“. ~ Bolgenach bei Sonderdorf — dargestellt.
Die Abrutschung entstand nicht nur infolge Unterwühlung
des Hängefusses durch den Bach, sondern auch durch
Losbrechen von Wassermassen aus dem Berginneren. Die
gewaltige Abrutsch-Masse verursachte im gegenüberliegen-
den Berghange durch Anschieben des Baches höchst be-
denkliche Anbrüche und Rutschungen, sodass der Weg
im Hochthale mit vorzüglichem Wald- und Weidegebiet
(in 1100 ™ Meereshöhe) gänzlich gesperrt zu werden
drohte.
Die 150™ hohe Combe im Flysch-Schutt ward gründ-
lich entwässert, das Einschneiden des Wassers durch
Treppenbau verhindert, der Fuss durch systematische
Regelung des Bachlaufes im Hochthal (Gefälle = 6 0,d) ge-
sichert. Die Ausführung erfolgte 1892. Nunmehr ist der
Rutsch gänzlich beruhigt und schön begrünt. —
Abbildg. 6 stellt die Hauptsperre im oberen Theil des
Eybaches bei Schöllang dar, in 1290™ Meereshöhe, am
No. 80.
512
Fuss grosser bis zu 8o“ hoher „Riessen" im Moräneschutt
und der Verästelung des Baches in 4 Steilrinnen.
Die Sperre bildet den Fuss einer 150 m langen Treppen-
körrektion und der Einzelverbauungen in den Veräste-
lungen; zugleich hatte sie vor der Durchführung der letz-
teren bei Katastrophen-Ereignissen die Massenabfuhr zu
verhüten. Die Ausführung ist .1896 bewirkt, die. Riessen
sind vollkommen beruhigt und in Verwachsung begriffen.
Beim vorjährigen Katasirophenwasser war der Eybach
besonders schwer betroffen'; dank dieser Verbauung ging
aus der gefährlichsten Bachstrecke gar kein Geröll ab.
Abbildg. 7 zeigt eine eigentliche „Stausperre“, also
schiebes sind 5 grössere Stausperren errichtet, wovon
eine die Abbildung zeigt. Schon die Füllung bis zur Ab-
sturzkante bewirkte im Bachunterlaufe eine höchst er-
wünschte und nun schon mehrfach sehr wohlthätig
gewordene Bettvertiefung von i— 1.5“. Mit der wag-
rechten Hinterfüllung ist aber die ‘Wirkung solcher, ab-
sichtlich an breiter Bachstelle angelegter Stausperren nicht
erschöpft. Ein Wolkenbruch brachte 1895 aus dem Felsen-
gebiet eine Massen-Geröllabfuhr aus der sogen. ,, Hohen
Tretiach". Diese einzige Sperre war in der Lage, die etwa
5_5ooo cbmbetragende Geröllroasse zu brechen. Sie lagerte
sich mit etwa 15% Steigung vor der Sperre auf.
Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens in Berlin.
Neues Thor-, Wohn- und Stallgebäude. Arch.: Fritz Gottlob io Berlin.
im Gegensatz zu den vorigen Querbauten, die wie leicht
zu ersehen, die Bezeichnung beruhigungs- oder Korrek-
tions-Sperren verdienen, eine nur auf den Geröliauffang
berechnete Anlage. Die dortige Bachstrecke — _ obere
Trettach, im obersten Illergebiet — führt sehr viel Ab-
witterungsgeschiebe ab, das bei Wasserabfuhr der unter-
halb gelegenen hübschen und fruchtbaren Spielmannsauer
Thalweitung sehr gefährlich wurde, durch Bachbett-Er-
höhung und demzufolge durch Uebermuhrung.
Alle unterwühlenden Bachtheile und Seitenrunsen sind
für sich verbaut. Zur Abhaltung des Abwitterungs-Ge-
Abbildg. 8 giebt schliesslich die mittels kleinerer Bach-
anschweilungen in der Zeit von 1895—1899 eingetretene
Wiederentleerung des Fassungsraumes der Sperre wieder.
Abgesehen von den während dieser Zeit hinzugekomme-
nen kleineren neuerlichen Auflagerungen, ward also die
Dauer der Abfuhr jenes Massen-Geröllganges von etwa
einer Viertelstunde auf 4 Jahre ausgedehnt, also Um-
wandelung der Massenabfuhr in die Einzelabfuhr,
welch’ letztere schadlos mit Hilfe der erwähnten Beltver-
tiefung, sowie von Schutzbauten im Thale vor sich
ging. — St.
4. Oktober 190a.
lieber Staukurvea-Berechnung.
Eie einigermaassen regelmässig beschaffene, in das
umgebende Gelände tief eingeschnittene Mündungs-
strecke eines Wasserlaufes liege im Hochwasser-
bereich eines grösseren Baches oder Flusses. Das Gefälle
des Wasserlaufes sei, wie dies in hügeligem Gelände wohl
häufig vorkommt, auch in der Mündungsstrecke noch ein
sehr merkliches. Anlässlich einer Bahn- oder Strassen-
führung solle der Wasserlauf eben in der bezeichneten
Strecke überbrückt werden. Unmittelbare Beobachtungen
über das Zusammenwirken der beiden höchsten Wasser-
stände liegen nicht vor, und es bleibt daher nur übrig,
den Hochwasserstand an der Baustelle durch Berechnung
aus den beiden für sich festgestellten höchsten Wasser-
ständen zu ermitteln.
Es wird hierbei ein Stau anzunehmen sein, welcher
Über dem Punkte seinen Anfang nimmt, an welchem der
wagrechte Hochwasserspiegel des Flusses die Sohle des
Wasserlaufes anschneidet. Wo der Spiegel des Wasser-
laufes den Hochwasserspiegel des Flusses trifft, erreicht
der Stau seinen Höchstwerth, und von hier aus gegen die
Mündung zu verläuft er asymptotisch zum Hochwasser-
spiegel des Flusses, ohne theoretisch je Null zu werden.
Denkt man sich einen lothrechten Längsschnitt des Wasser-
laufes und führt die Bezeichnungen wie untenstehend ein,
so ist für einen zwischen A und B befindlichen Quer-
schnitt im Abstand x vom Koordinaten-Anfang B\
hv-^ = 2g yh
die Geschwindigkeitshöhe y = wobei uj = ^
2g h
setzen ist, daher y = - (i)
Für den Punkt A selbst wird x^g(p=h,
daher y = — ^ (3)
Der hydraulische Druck des ankommenden Wassers
steigert sonach den auftretenden Stau bis zum Höchst-
betrage im Punkte A.
Für die Bestimmung des Staues in einem zwischen
A und C befindlichen Querschnitt werde der Koordinaten-
Anfang unter Beibehaltung der X-Axe nach A verlegt.
Es ist dann für einen Querschnitt im Abstande x von A
^ r . V .ll
y—xtg(f= — , wobei Ui = zu setzen ist,
2g h-\-xtg(f ’
daher y = ( — ^ tg y . . . (3)
Die vorhandene Wassergeschwindigkeit ergiebt sich
natürlich für jeden Querschnitt aus der Forderung, dass
die durchfliessende Wassermenge immer = v .h sein muss.
Sei z. B. V — 2^, h = 2^, igifi = 0,005, dann berechnet
sich für einen Querschnitt zwischen A und B im Abstande
X = 300 m von B aus (i)
_ (2 . 300 . 0,005)2
^ 19,62 . 4
und für den Querschnitt in A
0,11 “
19,62 ’
Man ersieht hieraus, dass diese Staugrössen bei ge-
gebenen Verhältnissen sich so bedeutend ergeben können,
dass sie wohl berücksichtigt werden müssen. Wiewohl
die Fälle,welche die Anwendung obiger Formeln wünschens-
werth erscheinen lassen, nicht selten Vorkommen mögen,
scheint auf den einfachen Gang der Berechnung in keinem
der bekannteren einschlägigen Bücher hingewiesen zu sein.
Die vorstehende Erörterung mag daher gegebenen Falles
sachdienlich sein. Die beiden Kurven-Abschnitte B A und
A 0 schliessen in der Regel mit einer Knickung an einander.
Es lässt sich jedoch zu jedem gegebenen v ein bestimmtes
k ermitteln, bei welchem diese Knickung nicht auftritt. Die
Differential-Quotienten aus den Gleichungen (i) und (3)
ergeben für den Anschlusspunkt A der beiden Kurven-
Abschnitte aus (i) für xtg<p = 7i, ^ aus {3) für
dy _ tgy
dx g h
Sollen die beiden Kurven-Abschnitte BA und AG
ohne Knickung an einander schliessen, so muss, da die
X-Axe für beide Koordinaten-Systeme beibehalten wurde,
= sein,
gh gh
daher ~ gh —
2 «2 =
xigf>^
Nur wenn diese Beziehung zwischen h und v besteht,
wird die Staukurve ohne Knickung verlaufen. Für v — 2™
im vorigen Beispiel würde sich das entsprechende h = 0,81
ergeben. Salier, k. Direktions-Assessor in Kempten.
den ausgedehnten Seitenflügeln des Pariser „Trocadöro“
mit den Abgüssen französischer Denkmäler und verwandter
Arbeiten geschehen ist. Dieser Versuch, „der damit zum
erstenmale in Deutschland gemacht wird, grössere figuren-
belebte Architekturtheile, Portale, Sarkophage, Baldachine
usw. aus der Glanzzeit der westdeutschen Kunst abzu-
formen und in systematischer Anordnung aufzustellen,
darf als durchaus gelungen und für weitere Kreise wie
öffentliche Sammlungen als vorbildlich bezeichnet wer-
den“ (SchnüTgen). Zwar im Vergleiche zu den grossen
englischen und französischen Gipssammlungen dem Um-
fange nach noch beschränkt, eröffnet sich damit doch die
Aussicht auf eine grössere Bewerthung und praktische
Ausnutzung der mannigfachen, unserem heimischen Em-
pfinden ungleich näher stehenden Kunstschöpfungen auch
für Unternchtszwecke. Der Architekt wird nicht ver-
gessen, dass er freilich auf seinen Studienreisen die beste
Möglichkeit hatte an den Original werken selbst zu studiren,
aber doch, oft zu seinem Bedauern sich genöihigt sah, auf
manche Einzelheiten wegen zu schlechter Beleuchtung oder
zu grosser Entfernung zu verzichten. Gute Gipsabgüsse
bieten ihm willkommenen Ersatz. Er schätzt darum die
kleineren Sammlungen in den kgl. Museen zu Brüssel
(Musöe d’art monumental et industriel), im Germanischen
Museum zu Nürnberg, die Abgüsse in Berlin, München
usw. Und es ist gewiss erfreulich, dass die Errichtung
eines grossen Gips-Museums sowohl in Berlin wie in Mün-
chen sicher in Aussicht genommen wurde. Mannigfache
Anregungen zu solchen Unternehmungen waren unter
anderem schon in der vor 4 Jahren erschienenen Clemen’-
schen Schrift über die „Denkmalpflege in Frank-
reich“ (Verlag von Ernst & Sohn in Berlin) zu finden.
Es galt also für die Abformung der wichtigsten Archi-
tekiurtheüe in Rheinland und Westfalen zunächst ein Ver-
zeichniss herzustellen und dann die auf etwa 100000 M.
sich belaufenden Mittel für diese auf 2 Jahre vertheilten
Arbeiten zu gewinnen. Zunächst trat der aus dem Ueber-
schussfonds der Düsseldorfer Ausstellung 1880 gegründete
Zentralgewerbeverein für Rheinland- Westfalen
usw. mit seiner gut eingerichteten Gipsformerei, sowie
mit einer Beihilfe von 6000 M. ein; weiterhin bewilligte
der Provinvial- Ausschuss der Rheinprovinz 20000 M. zur
Abformung rheinischer, der westfälische Provinzial-Aus-
schuss 15 000 M. zur Abformung westfälischer Monumente,
und gar bald war auch die kgl. Staatsregierung zu be-
wegen, für die kostspielige Abformung grosser Fassaden-
theile, Portale, Grabdenkmäler usw. in beiden Provinzen
mit einer Gesammtzuwendung von 50000 M. einzutreten
und endlich wurden noch von der Ausstellungsleitung
IO 000 M. beigesteuert. So konnte es gelingen die statt-
liche Zahl von etwa 100 Denkmälern der Architektur und
Plastik hier gleichsam als „ein Stück monumentalen Lehr-
buches“ für die Geschichte der westdeutschen Kunst zu
vereinigen. Das Entgegenkommen der Staatsregierung
zeigte sich auch darin, dass sie die grösseren und schwie-
rigen Abgussarbeiten in Münster und Trier durch die
Gipsformerei der kgl. Museen unter Leitung des Inspektors
Sierke besorgen Hess, während die Mehrzahl der in West-
falen hergesteilten Abformungen vom Stuckateur Zotz
und der Firma W. Bolte in Münster, alle übrigen Arbeiten
aber durch die Gipsformerei des Zentral- Ge werbe Vereins
unter Leitung des Bildhauers Gotting vorgenommen wur-
den. Es ist selbstverständlich, dass die für solch grosse
und zumtheil recht schwierige Arbeiten noch ungeübten
Hilfskräfte in der Provinz erst erzogen werden mussten
und dass manches doppelt zeitraubend war. Es musste
auch manches Stück durch Anwendung komplizirter Ver-
fahrungsweisen (Leimformer), besonderes Thonmodell usw.)
gewonnen worden. Endlich waren die Abgüsse an Ort
und Stelle abzutönen oder in der Originalwirkung zu poly-
No. 80.
514
Vermischtes.
Arbeiterwohlfahrts-Einrichtungen der Landes-Verslche-
rungsanstalten. Das Invaliden- Versicherung^gesetz giebt
den Landes- Versicherungsanstalten die Möglichkeit, weit
über den Rahmen ihrer eigentlichen Aufgaben hinaus für
die Arbeiterwohlfahri thätig zu sein. Welche umfassende
Wirksamkeit z. B. die Landes-Versicherungsanstalt Berlin
auf diesem Gebiete entfaltet, darüber berichtet Dir. Dr.
Rieh. Freund in der „Sozialen Praxis.“ Hier kann nur
kurz der Arbeiterheilstätten in Beelitz und Lichtenberg,
des Invalidenhauses für Tuberkulöse in Lichtenberg, der
Schaffung eines Gebäudes für zentrale Arbeitsvermittlung
in Berlin gedacht werden. Ausser diesen im Eigenthum
der Landes-Versicherungsanstalt befindlichen Einrichtun-
gen hat letztere eine grosse Zahl von Arbeiterwohlfahrts-
Einrichtungen dadurch gefördert, dass sie denselben Hypo-
thekengelder zu einem billigen Zinsfusse, meist 3%, ge-
währt. So sind für Einrichtung von Arbeiterwohnungen
gewährt worden 1 152000 M., für Errichtung einer Heilstätte
für Nervenkranke. 200 000 M., für Errichtung einer Trinker-
heilstätte 70000 M., für Errichtung von Lungenheilstätten
374 550 für Errichtung eines allgemeinen Krankenhauses
153850 M., für eine Arbeilerkolonie 115000 M., für ein Asyl
für Obdachlose 165 000 M., für ein Gewerkschaftshaus und
zugleich die Errichtung einer Herberge 650000 M., für ein
Volkserziehungs - Unternehmen (Pestalozzi - Fröbelhaus)
150000 M., für ein Unternehmen zur Förderung höherer
Bildung und Erwerbsthätigkeit des weiblichen Geschlechts
(Lette- Verein) 400000 M., für ein Unternehmen zum Schutz
gegen Arbeitslosigkeit für junge Mädchen 319 000 M., mit-
hin insgesammt 3 740 000 M. Die Gesammtsumme, welche
die Landes-Versicherungsanstalt Berlin für Arbeiter-Wohl-
fahrtszwecke aufgewendet hat, beträgt somit über 13 Mill. M.
Und so, wie die Landes Versicherungsanstalt Berlin, haben
viele Versicherungs-Anstalten in mehr oder minder um-
fangreichem Maasse ihr Vermögen Arbeiter-Wohlfahrts-
zwecken dienstbar gemacht. —
Die Wiederherstellung des Schlosses Schwarzenberg in
Franken, des Stammsitzes des heutigen österreichischen,
tschechisirten Fürstengeschlechtes, ist durch Fürst Adolph
Joseph in den Jahren 1900—1902 und unter Mitwirkung
bayerischer Künstler betrieben worden. Das thurm- und
giebelreiche Schloss erhebt sich am Fusse des Steiger-
waldes, ist bereits im -13. Jahrh. urkundlich nachweisbar
und ward 1429 kaiserliches Lehen Erkingers von Seinsheim.
Das Schloss wurde bewehrt und im Inneren kostbar ge-
schmückt. Im Bauernkriege, 1525, wurde es belagert und
kam zu Ende des XVI Jahrh. an Graf Wolfgang Jacob,
der die künstlerische Ausschmückung fortsetzte. 1607 zer-
störte ein grosser Brand das Schloss, welches bald darauf
„in schöner Manier“ wieder hergestellt wurde. 1616 waren
die Arbeiten vollendet. Die Erhebung der Schwarzen-
berge in den Fürstenstand hatte die Verlegung ihres Wohn-
sitzes nach Wien zurfolge und die Mediatisirung der deut-
schen Reichsstände liess das Interesse der Fürsten an dem
Besitze erkalten, sodass derselbe mehr und mehr verfiel,
bis sich in unseren Tacen eine Wiederherstellung als
nöthig erwies, um das Schloss überhaupt zu retten. —
Die modernen Gallerien in Wien und Prag. Für die
Unterbringung der modernen Gallerie in Wien sind aut
die Dauer von 4 Jahren die Räume des unteren Belvedfere
bestimmt worden, in welchen früher die Ambraser Samm-
lung aufgestellt war. Die Räume sollen noch vor Ende
des Jahres dem Besuche frei gegeben werden. Nach
4 Jahren hofft man das städtische Museum fertig gestellt
zu haben, in welchem dann die moderne Gallerie mit den
Sammlungen des Landes Niederösterreich und denen der
Gemeinde Wien vereinigt werden.
Die Errichtung der modernen Gallerie für das König-
reich Böhmen in Prag ist durch kais. Entschliessung vom
6. Aug. und durch Genehmigung des Stiftsbriefes nunmehr
auch formell vollzogen und es sind die böhmischen und deut-
schen Präsidenten ernannt worden, sodass nunmehr die
eigentlichen Arbeiten beginnen können. Der .Stiftsbrief be-
zeichnet als Name der Sammlung ausdrücklich: „Moderne
Gallerie des Königreiches Böhmen.“ Die Anstalt ist
utraquistisch. Der deutschen Sektion gehören u. a. an die
Architekten Prof. Anton Hellmessen und Jos. Zasche,
der Kunsthistoriker Prof. Dr. Alwin Schultz, sowie der
Maler Emil Orlik, sämmtlich in Prag. Der czechischen
Sektion gehören u. a. an Ob.-Brth J. Hlavka, Prof. Joh.
Kotera, Maler Dir. Georg Stibral, Maler Prof, Adalbert
Hynais und Bildhauer Prof. Jos. Wenz. Mysibeck. —
Preisbewerbungen.
Einen Wettbewerb um Entwürfe zu einem Kreishause
ln Recklinghausen i. W. schreibt der dortige Kreisausschuss
unter den Architekten Deutschlands mit Frist zum 15. Dez.
d. J. aus. Es sind 3 Preise von 1500, 1000 und 500 M.
ausgesetzt. Unter den 5 Preisrichtern sind Bausachver-
ständige die Hrn. Landesbrth. Zimmermann aus Münster,
Stadibrth. Bluth aus Bochum, Kreisbmstr. Timmermans
aus Recklinghausen. Bauprogramm gegen 1,50 M. vom
Kreisbauamt in Recklinghausen. —
Wettbewerb Kollegiengebäude der Universität Freiburg
i. Br. (vergl. S. 71 u. 84). Der I. Preis von 7000 M. wurde
nicht vertheilt; die Summe desselben wurde für IV. Preise
und für Ankäufe bestimmt. Den II. Preis von 4000 M.
und einen IV. Preis von 1500 M. erhielten die Entwürfe
des Hrn. Prof. Friedr. Ratzel in Karlsruhe; III. Preise
von je 200 M. errangen die Hrn. Baudir. Meckel & Sohn
in Freiburg und die Arch. Paul und Carl Bona.tz in
Stuttgart. IV. Preise von je 1500 M. erhielten ausser
Ratzel die Hrn. Arch. Schulz & Schlichting in Berlin
chromiren. Alles ist zur Freude der Betheiligten wohl-
gelungen. Ein stattlicher Katalog, bearbeitet von Dr.
Edmund Renard unter Mitwirkung von Prof. Clemen,
Direktor V. Falke und Domkapitular Dr. Schnütgen,
und mit einem Vorwort aus der h eder des letzteren, giebt
sowohl für die Nachbildungen, wie für die Originale bei
den einzelnen nahezu 3000 Nummern eine kurze treffende
Charakterisirung nach Bestimmung, Material, Technik, Ort
und Zeit des Gegenstandes und enthält zudem am Schlüsse
100 photographische Abbildungen hervorragender Gegen-
stände aus beiden Abtheilungen. Die westlichen Provinzen
haben zwar nicht Werke aufzuweisen, die sich, was die
Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Plastik in
der ersten Blüthezeit (im 13. Jahrh.) änbetrifft, an ober-
sächsische oder fränkische Arbeiten (etwa an die Portal-
skulpturen zu Wechselburg und Freiberg) anreihen Hessen,
dafür besitzen sie aber „an archaischen Werken des ii.
und 12. Jahrh. einen noch fast unbekannten Schatz von
auch ikonographisch höchst merkwürdigen Denkmälern,
aus dem 13. Jahrh. wenigstens einige ganz erlesene und
vornehme grosse Portale, und aus der gothischen Zeit
die schönsten und bedeutendsten Grabdenkmäler“. Zu
den Reproduktions-Arbeiten gehören auch die farbigen
Kopien rheinischer und westfälischer Wandmalereien
die zumtheil im Aufträge der Provinzial-Verwahung, zum-
theil aus eigenem Antriebe von besonders dazu geeigneten
Malern, im Laufe der letzten 5 Jahre hergestellt und von
den betreffenden Kommissionen oder Kunstmäcenen, in
deren Besitz sie sich jetzt befinden, 21 Blatt, hierherge-
-liehen wurden. Und endlich findet das Bild, das hier von
der Monumentalkunst des westlichen Deutschland zu geben
versucht wird, eine vortreffliche Ergänzung durch 75 Gross-
bilder der von Geh. Brth. Dr. Meydenbauer in Berlin
gegründeten und geleiteten Messbildanstalt im kgl.
preussischen Kultus -Ministerium, welcher Sammlung die
4. Oktober 1902.
in 7 grosse Holzrahmen zusammengefassten photographi-
schen Vergrösserungen von Aufnahmen aus der Inven-
tarisation der Bau- und Kunstdenkmäler in Westfalen vom
Provinzial-Konservator Brih. Ludorff zu Münster ange-
schlossen wurden. Für die Unterbringung aller dieser
Sachen standen im nördlichen Flügel des neuen Kunst-
gebäudes eiu grosser Ecksaal und zwei noch grössere
Oberlichtsäle sowie das Treppenhaus, die untere und die
obere Gallerie, und noch ein schmalerer östlicher Neben-
raum zur Verfügung, und zwar mit einem besonderen
Eingänge und Vestibül im Nordrisalit. Dieser Eingang
wie die Durchgangs-Oeffnungen zwischen den einzelnen
Sälen waren die gegebenen Stellen für eine bemerkens-
werthe Aufstellung der grossen Gipsabgüsse bezw. für die
einzubauenden Portale, dergestalt, dass jede Oeffnung auf
der Vorder- oder Rückseite andersartig umrahmt wird.
So wird die Aussenseite des Einganges zum Ecksaale ein-
genommen von dem 5 ™ hohen, 4,5 ™ breiten spät-romani-
schen Südportale der kath. Pfarrkirche zu Wester-
kappeln i. W.; die abgestuften Laibungen mit je zwei
Säulchen und einer Figurennische über kurzer Säule; in
dem Tympanon — stark verwittert — der Salvator mit
zwei anbetenden Figuren, während die Innenseite von dem
Portal auf der Südseite der Liebfrau en-Kirche zu
Andernach bekleidet wird. Das herrliche Trachitportal
vom Anfang des 13. Jahrh., 6,8 hoch, 5,8“» breit, zeigt
in den abgestuften Laibungen je ein Säulenpaar mit durch-
gehendem reichen Kämpferfries und ornamentirten Wülsten
in der Bogenlaibung; das Bogenfeld enthält ein Tuff-Rehef
zweier kniender Engel, die ein Medaillon mit dem Gottes-
lamm hallen. Im Vestibül stehen an den Wänden die be-
kannten polychromirten Grabplatten des Sachsenherzogs
Wittekind ans der Stiftskirche zu Enger (12. Jahrh.), des
Königs Günther von Schwarzburg aus dem Dom in
Frankfurt a. M. (1352) und die Epithaphien der Stifter
515
und Herrn. Distel in Freiburg. Die 4 Entwürfe mit den
Kennworten „Faust“, „Altfreiburg", „Löwenplatz" und
„Würde“ wurden zum Ankauf für je 1000 M. empfohlen. —
Im Wettbewerbe Neubau des St. Jobannis-Jungfrauen-
klosters zu Lübeck, der unter Lübecker Architekten aus-
geschrieben war, erhielt den I. Preis von 800 M. Hr. Arch.
Julius Schöss in München, den IL Preis von 500 M. die
Hrn. Arch. Braeck & Störmer in Lübeck. Angekaüft
wurde der Entwurf der Hrn. Arch. Otto Kerwien &
Georg Runau in Lübeck. Dem Preisgerichte gehörten
an die Hrn, Ob.-Baudir. Hinckeldeyn in Berlin, Baudir.
Schaumann und Arch. Schwartzkbpff in Lübeck. —
Wettbewerb Hallenschwimmbad Pforzheim. Der zum
Ankauf empfohlene .Entwurf ■ „in balneis salus" (vergl.
Nr. 77) ist von den Hrn. Reg.-Bmstr. F. Kritzler & Arch.
G. Emmingmann in Berlin verfasst. —
Chronik.
Die Herstellung eines Schiftahrts-Kanales von Kiel nach
Lauenburg an der Elbe, den die Stadt Kiel bekanntlich anstrebt,
ist durch einen Beschluss der Stadtverordneten, den Sartori'schen
Plan dem preuss. Minist, der öffentl. Arbeiten mit dem Ersuchen um
Prüfung und generelle Ausarbeitung vorzulegen, in ein neues Stadium
getreten. Fürdievorbereitenden Arbeiten wurden 3 loooM. bewilligt.—
Die Kölner Volksheilstätte in Rosbach a. d. Sieg, die
erste Lungetiheilstätte, und zwar für männliche Kranke, des Kölner
Heilstätt'en-Vereins ist am 13.. September ihrer Bestimmung über-
geben worden. Die Anstalt ist für 130 Betten berechnet und vom
Stadtbauinsp. Kleefisch^ in Köln mit einem Kostenaufwande von
905000 M. (ausschl. der noch nicht hergesteilten Direktorwohnung)
errichtet worden, wozu die Stadt Köln 700000 M. hergegeben hat.
Die Anstalt ist mit, eigener Wasserversorgung und mit einer Klär-
anlage nach dem biologischen .Verfahren ausgestattet. —
Die Begründung einer städtischen Gallerie in München
wird in den dortigen Tagesblättern angeregt. Sie soll der mo-
de rn en ; Kunst dienen und diese Bestimmung sowohl im Inhalte,
wie im Gebäude zum Ausdruck bringen: —
Die neue kath. Kirche zu Cappeln' in Oldenburg wurde
am 13. Sept. dem Gebrauche übei geben” Dieselbe ist im gothischen
Stile nach Plänen und unter Oberleitung des Reg;-Bmstrs. Hilger
Hertel zu Münster i.-W. erbaut. ’ — -
Das neue Stadttheater in Fürth, ein Werk der Architekten
Fellner&Helmer in Wien, ist am 17. Sept. feierlich eingeweiht
worden. Das für die Summe von 705000 M. erstellte Haus enthält
rd. 1000 Plätze. —
Elektrischer Omnibusyerkehr zwischen Nizza und Monte
Carlo ist nach dem System Lombard-Guerin in Aussicht genommen.
Der Omnibus läuft dabei ohne Schienen auf der Strasse und sein
Motor, erhält den Strom mittels biegsamen Kabels und durch Ver-
mittelung eines auf einer doppelten Hochleitung laufenden Elektro-
motors aus der Hauptleitung. , Der Strom, wird in 10000 Volt Sp.
aus der Zentrale in Nizza entnommen und in Gleichstrom von
500—600 Volt Sp. umgeformt. Länge der Strecke 20 km.' —
Kohlenwagen von 50 t Tragkraft werden für die West
Virginia Central and Pittsburgh-Eisenbahn ausgeführt. Die Wagen
ruhen auf 2 Drehgestellen, haben 9,45 m Länge und 16 t Gewicht.
Sie sind ganz in Eisen gebaut. —
von Cappenberg i. W. Der gegenüberliegenden Schmal-
wand des Ecksaales ist vorgebaui in 8 Höhe, 8,55 ™ Breite
das wohlbekannte frühgothische Hauptportal der Lieb-
frauenkirche zu Trier mit seiner reichen Figuren-
Syrabolik, neutestamentlichen Scenen und mit dem in der
frischen Naturalistik so reizvollen Laubwerk. An der nörd-
lichen Längswand erscheint das kunstgeschichtlich nicht
minder bedeutende frühgothische Seiterportal derselben
Kirche von 6,26 “Höhe, 5.48 “Breite, rundbogig geschlossen,
mit Vorgesetzten Rundsäulen in den schrägen Gewänden
und dem, fein gemeisselten Laub- und Blüthenwerk in den
Archivolten. Noch ein drittes Portal aus Trier, das aus
dem 12. Jahrh. stammende, im südlichen Seitenschiff des
romanischen Domes (6,55“ hoch, 4,70“ breit), ist hier
wiedergegeben, sogar mit der dem jetzigen Zustande ent-
sprechenden Abtönung und Bemalung. Es umrahmt hier
den Eingang zum ersten Oberlichtsaal. Der Ecksaal ent-
hält ausser diesen grossen Gipsabgüssen die in derselben
Weise hergestellteh z. Th. paiinirten Nachbildungen der
spätrömischen sitzenden Wölfin aus Aachen, des be-
kannten Pinienzapfens aus Bronze (ebendaher) aus dem
IO. Jahrh., des sog. Sarkophages Karls des Grossen,
des Taufsteines im Dome zu Limburg a. d.L. (13. Jahrh,),
der Gruppe der Heimsuchung aus dem Dome in
Xanten und anderes mehr; im übrigen aber sind hier
die 22 grossen Tumben von Beckum, Berlin, Soest, Bochum,
Deutz, Freckenhorst, Kaiserswerth, Köln, Osnabrück,
Rhynern, Siegburg, Straelen und Xanten, je einzeln oder
— seltener — (wie die Siegburger) auch zu mehreren unter
grossen Glaskästen aufgestellt; die kostbarsten Schätze der
kirchlichen Edelmetallkunst, welche von den betreffenden
Kirchen- oder Museums-'Verwaltungen in einer höchst
dankenswerthen Weise hierhergeliehen wurden. Der
Forscher findet hier ein Material zusammengetragen, wie
es ihm in dieser Fülle kaum irgendwo geboten war und
516
Bri'el- und Fragekasten.
Hrn. Arch. W. B. in S. Einen säurefesten Verschluss der
Fugen stellen Sie am besten aus Gussasphalt her, Derselbe ist
auch elastisch genug, um die Wänneausdehnungen der Glasplatten
aufnehmen zu können.
B. K.-F. in Br. Wir sehen keinen Grund, warum ein dichter
Verputz aus hydraulischem Kalk nicht haltbar sein sollte, w.enn
unter demselben sich nur geringe Reste von einem abgeschla-
genen.Gipsputz befinden. Voraussetzung ist jedoch, dass nicht von
der Rückseite aus Wasser oder Feuchtigkeit Zutritt zu den Resten
des früheren Gipsabputzes finden kann.
Anfragen an den Leserkreis.
1. Für den Fussbodenbelag einer nicht unterwölbten Kirche
ist Marmor in Aussicht genommen, an dessen Stelle von anderer
Seite Mosaikplattenbelag in Vorschlag, gebracht wird, da Marmor
bei feuchter Witterung fusskalt sei. Liegen Erfahrungen vor, ob
Marmor bezüglich der Fussbodenkälte für ein Publikum, das etwa
I Stünde lang stehen muss, unangenehmer wirkt als Mosaikplatten-
belag? Arch. H. R. in Köln a. Rh.
2. Ist einem Leser Näheres über die Einrichtung des elektrisch
betriebenen Geläutes der Sacre Coeur-Kirche in Paris nach dem
Verfahren des Ing. Guenee bekannt? Ist hierüber etwas veröffent-
licht und wo? . Stadtbauamt in J.
Fr ag e b e an t w o r t u n g e n aus d e m L e s er kr e is e. •
Hrn. M. in C. Zur Anfrage i in No. 71 gehen uns Antworten
zu von Hrn. Stadtbmstr. Löwe in. Verden 'a. d. Aller und Hrn.
Bmstr. Wortmann in Hermillheim bei Köln. Beide geben den
Flanschenschiebern den Vorzug vor den Muffenschiebern wegen
der leichteren Auswechselung bei Reparaturen namentlich, mit
denen man doch rechnen muss. Beide empfehlen ferner, den
Privat'Haupthahn nicht unmittelbar hinter die Anbohrschelle, son-
dern in den Bürgersteig zu legen, wo er vor dem Strassenverkehr
geschützter und leichter auffindbar liegt. —
Hrn. T. F. K. in Dortmund. Zur Anfrage 2 in No. 71
empfiehlt die Maschinenfabrik Schwarzhaupt & Lungen in
St. Goar a. Rh. ihre Aethergas-Apparate, die nach Angabe der
Firma in jedem frostfreien Raume aufgestellt werden können, völlig
gefahrlos und einfach im Betriebe sind, ein aus Petroläther und
Luft gemischtes Gas erzeugen (Petroläther zu beziehen aus Petro-
leum-Raffinerien) und ein Aethergas-Giühlicht liefern sollen, das
sich billiger stellt, als Steinkohlehgas-Glühlicht. ^ —
Die Firma In derau & Co. in Dresden empfiehlt ihre Luftgas-
Apparate Exceisior mit neuem Selbstregler Statt des Petroläthers
wird hier Gasolin, ebenfalls ein bei der Destillation von Rohpefroleum
gewonnener Kohlenwasserstoff, mit' Luft gemischt verwendet. Die
Firma macht die gleichen Vorzüge wie' oben für sich geltend. —
Inhalt: Rerliper Neubauten. No. lo2. Die Umwandlung und die Neu-
bauten im Zoolögischeu Garten (Fortsetzung!. — Die XV. Wauderversarnm-
lung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine zu Augs-
burg vom I.— 3.' September 1902 (Sdilus«'. - Von der ludustrie und Kunst-
ausstellung in Düsseldorf 1902 VII. (Fortsetzung). — Vermischtes. — Preis-
bewerbungen. — Chronik..-— Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage; Die Umwandlung und die Neu-
bauten des Zoologischen Gartens in Berlin.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. tn. b. H., Berhn. Für die Redaktion
verantwort!, i. V. F. Eiselen, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
im Zusammenhänge mit allen den anderen in den an-
stossenden Sälen vereinigten Schätzen ihm in absehbarer
Zeit nicht wieder begegnen dürfte. "Wir heben nur her-
vor den reichemaülirten Heribertschrein aus Deutz
(Mitte des 12. Jahrh.), vielfach als die „Perle der ganzen
Ausstellung“ bezeichnet, den jetzt dem Berliner Alten
Museum angehörenden Patroklusschrein aus Soest
(um 1313 vom Goldschmied Siegefrid gefertigt); die älteste,
jetzt sehr gebrechliche Tumba des hl. "Victor in der ehe-
maligen Stiftskirche zu Xanten. Mehrere dieser Reliquien-
schreine, so einige aus dem Bisthum Paderborn und die
allein aus der Siegburger Pfarrkirche hergekommenen
fünf Tumben, sind mehr oder weniger stark restaurirt. Als
einer der spätesten Schreine gilt das aus Holz bestehende,
mit vergoldeten Eckpfeilern, "Walmdach und Maasswerk-
fenstern an den Langseiten versehene, sonst mit neu-
testamentlichen Scenen bemalte Werk eines flandrischen
Meisters aus der kath. Pfarrkirche zu Straelen (v. Ende
des 15. Jahrh.). In demselben Saale sind ausser dem in
der Mitte aufgestellten, hoch hinaufragenden Gipsabgüsse
des „Hochkreuzes aus dem Kreuzgaaghofe zu Xanten“,
die berühmten dreitheiligen Schnitz - Altarschreine, der
Johannes- Altar und der Altar der hl. Cnspinus und
Crispinianus aus Calcar im Original (!) aufgestellt. Es
sind Werke, die bis dahin vielleicht nie das Innere der
Kirche verlassen hatten, sondern von den Reisenden etwas
abseits vom Wege und nicht ohne Mühe aufgesucht wer-
den mussten. Die deutsche Renaissance des 16. Jahrh.
zeigt sich in den ebenfalls in Gips hier ausgestellten um-
fangreichen Grabmälern des Kurfürsten Johannes von
Metzenhausen aus Wasserliesch b. Trier und des Kur-
fürsten Richard von Greiff enklau; flandrisch (um
1500) das figurenreiche Relief mit der Kreuzschleppung
aus St. Ursula in Köln a. Rh. —
(Schluss folgt.)
No. 80.
ERLINERNEUBAUTEN N9-102. DIE
UMWANDLUNG UND DIE NEUBAUTEN
DES ZOOLOGISCHEN GARTENS * NEUES
THOR-, WOHN- UND STALLGEBÄUDE *
ARCHIT.: FRITZ GOTTLOB IN BERLIN
^DEUTSCHE BAUZEITUNG^
♦ XXXVr. JAHRGANG 1902 - NO. 80. *
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 8i. Berlin, den 8. Oktober 1902.
Der Rathhaus-Neubau der Stadt Hilden.
Arch.: Walter Furthmann in Hilden.
(Hierzu die Abbildungen auf Seite 518 und 319.)
btejlm 18. Dezember 1900 wurde zu Hilden,
|K^8! Rgb. Düsseldorf, das neue Rathhaus seiner
Bestimmungübergeben. Schon Jahre hin-
durch hatten sich die Räume des alten Rath-
hauses als unzureichend erwiesen und dieser
Zustand machte sich mit der fortschreitenden
Entwicklung der Stadt immer mehr fühlbar.
So beschlossen die Stadtverordneten in der
Sitzung vom 9. Juni 1899 nach eingehender
Berathung den Bau eines neuen Rathhauses
nach den Entwürfen des Hm. Arch. Walter
Furthmann. Gleichzeitig wurde zur Aus-
führung eine Summe bis zu 130000 M. bewilligt.
Der Bau hat den Chargier eines einge-
bauten Hauses; der Grundriss ist den örtlichen
Verhältnissen angepasst. Im Untergeschoss
befinden sich die Wohnung des Hausmeisters,
ein Raum für das Gas- und Wasserwerk, so-
wie Räume für die Nachtwache und die Zen-
tralheizung.
Im Erdgeschoss liegen die Stadt- und Spar-
kasse, das Meldeamt und das Polizeibüreau,
ferner Bauamt, Steueramt und Krankenkasse.
Das I. Obergeschoss nimmt den 80 grossen
Sitzungssaal, daran anschliessend das Be-
rathungszimmer und das Amtszimmer des
Bürgermeisters, sowie die nach dem Hofe hin
liegenden Räume bestehend aus: Standesamt,
Stadtsekretariat, Gerichtsschreiberei und Kom-
missionszimmer in sich auf. Im II. Oberge-
schoss ist die Wohnung des Bürgermeisters
vorgesehen, welche durch ein besonderes
Treppenhaus zugänglich ist.
DieStrassenfassade ist theils in Lauterthaler
Sandstein, theilweise in Tuffstein, ausgeführt,
die Hof- und Seitenfronten sind geputzt. Das
Innere des Baues hat eine einfache, gediegene
Ausführung erhalten, nur ist auf die Ausbil-
dung des Sitzungssames, des Berathungs- und
des Amtszimmers des Bürgermeisters ein
grösserer Werth gelegt worden. —
Von der Industrie- u. Kunstausstellung
in Düsseldorf 1902. (Schluss.)
Vn. Die „Kunsthistorische Ausstellung“.
(Schluss.)
|Hrrä|n der Innenseite des Durchganges zum
ersten Oberlichtsaal erscheint das 6,5 “
hohe, 5,2 “ breite spätromanische Süd-
portal von der Nikolai kirche in Obermars-
berg i, Westf. Hoher, reich gegliederter Sockel,
die abgetreppten Laibungen mit je 3 Säulen
und 2 Kanten mit reichen Ornamentstreifen,
die sich in den Archivolten des stumpfen
Spitzbogenfeldes fortsetzen. Die Thüröffnung
mit flachem Kleeblattbogen, darüber in dem
Bogenfeld in kleeblattförmigem Rahmen die
kleine Sitzfigur eines Bischofs. Gegenüber,
in malerischer Perspektive die Trennung die-
ses von dem benachbarten Oberlichtsaal be-
wirkend, sieht man die Abschlusswand
der Allerseelenkapelle aus dem Mün-
ster zu Aachen, in 7 Kleeblattbogen sich
öffnend, die mittlere Oeffnung als Thür aus-
gebildet und abschliessend mit dem Klee-
blattbogenfries, 9,92“ lang, 3,66“ hoch. Die
Füllungen und Säulenschäfte dunkler schiefer-
farbener Kalkstein, die Ornamente in gelb-
lichem hellem Kalkstein (Ende des 12. Jahrh.).
Der Zeitstellung nach wären hier zunächst zu nennen die
in demselben Saal befindlichen Reliefs der Chorschran-
ken im Dom zu Trier, die Tympana vom Nordportal
der Cäcilienkirche zu Köln und vom Nordportal der
Patroklikirche zu Soest, während einer noch etwas
früheren Zeit (der Mitte des 12. Jahrh.) die 4 Platten mit
reich polychromirten Reliefs unter rundbogigen Arkaden
aus der katholischen Pfarrkirche zu Gustorff angehören.
Das höchst interessante halbkreisförmige Tympanon von
der Höhenkirche zu Soest, mit seinen Reliefgruppen
der Kreuzigung, der Geburt Christi und den schlafenden
Kriegern und Frauen am Grabe, inmitten eines Vierpass-
rahmens (Mitte des 13. Jahrh.), ist ebenfalls als Gipsabguss
hier angeordnet. Man hat hier wie im folgenden Saal
eine sehr übersichtliche Anordnung dadurch geschaffen,
dass man die im Original vorhandenen zahlreichen Leih-
gaben an kostbarem Altargeräth usw. von mehreren Kir-
chen einer Stadt, eines Bisthums, anderenfalls auch die
517
Vermischtes.
Das Müller’sche Volksbad in München. In No. 72 ist
in dem Artikel über das Müller'sche Voiksbad überein-
stimmend mit den uns zugegangenen Nachrichten gesagt,
dass die Eisenkonstruktion vom Eisenwerk München ausge-
führt wurde. Hlerzuist aber zu berichtigen, dass die gesamm-
ten Eisenkonstruktionen von der Firma F.S. Kustermann
in München zur Ausführung gelangten, bis auf einige Träger-
und Ständerlieferungen für denThurm, welche die damalige
Firma C, Moradelli übernommen hatte. Das Eisenwerk
München hatte, wie uns bemerkt wird, nur einige un-
wesentliche Kleineisenlieferungen übernommen. —
Zum Bau des Simplontunnels. In meinem aus dem
Ende des Jahres 1901 stammenden Aufsatze über die
Arbeiten am Simplontunnel (vergl. No. 52 ff.) hatte ich bei
Besprechung der Aussichten über die Möglichkeit der Ein-
haltung der auf den ii. Mai 1904 vertragsmässig festgesetzten
Vollendungsfrist S. 418 berechnet, dass die Einhaltung
dieses Termines voraussichtlich möglich sein werde, wenn
unter der Annahme eines beiderseitigen täglichen Fort-
schrittes des Richtstollens von 6,3 der regelmässige
Vortrieb mittels Bohrmaschinen auf der Südseite Ende
Februar 1902 wieder aufgenommen werden würde. Diese
Voraussetzung ist bekanntlich leider nicht eingetroffen;
der Wiederbeginn der regelmässigen Arbeiten im Richt-
stollen bei Iselle hat sich vielmehr bis zum 20. Mai d. J.
verzögert, zu welcher Zeit der Stollenort, unter Ueber-
windung grosser Schwierigkeiten, bis zur Station 15262“
theils mit Hand, theils mit Maschinen-
bohrung vorgetrieben war. Zurzeit des
grossen Wassereinbruches am 30. Sept.
1901 hatte der Stollenort bei Station
15344“ gestanden, so dass also in etwa
7,5 Monaten nur 82,4“ Stollen aufge-
fahren waren.
Die monatlichen Fortschritte im
Jahre 1902 haben im übrigen betragen:
Nordseite;
Januar
Februar 169,2
März 190,0
April 125,8
Mai 200,7
Juni 188,0
Juli 157,0
Südseite:
20.— 31. Mai 70,0 “ oder 6,4 “ für i Tag,
Juni 239,0 „ 8,0 „ I „
Juli 218,3 II II I )i
Im Gesammt-Durchschnitt sind da-
nach auf der Nordseite vom i. Jan. bis
I. August 19025,84“ für den Tag, und
auf der Südseite vom 20. Mai bis i. Aug.
7,3“ für den Tag aufgefahren. In den
Monaten Juni und Juli hat sich an beiden
Tunnelseiten zusammen ein täghcher
Fortschritt von 13,1 “ ergeben.
Soll der Durchschlag des Richtstollens am i. Jan. 1904
erfolgen, welcher Termin wohl nicht überschritten werden
darf, wenn der fertige Tunnel am ii. Mai abgeliefert wer-
den soll, so sind für die am i. August d. J. noch aufzu-
fahrenden 7161 “ noch 518 Tage zur Verfügung. Es müssten
also. im Gesammt-Durchschnitt 13,8“ für den Tag aufge-
fahren werden, während thatsächlich in den Monaten Juni
und Juli 13,1 “ aufgefahren sind.
Die Ursache für die Abnahme der Tages-Fortschritte
an der Nordseite wird, abgesehen von der zunehmenden
Härte des daselbst jetzt anstehenden Gebirges, vermuthlich
in der erheblich gesteigerten Gesteins-Temperatur, welche
sich bis zu 53 gehoben hat, zu suchen sein. Man hat
jetzt aber eine ausgezeichnet wirkende Einrichtung zur
Abkühlung der Luft an den Arbeitsstellen durch Einspritzen
kalten Wassers eingeführt, durch welche es gelungen ist,
die Lufttemperatur an der Arbeitsstelle auf 23 ° C. herab-
zumindern.
Wenn demnach auch die Hoffnung auf eine Einhaltung
des gewährleisteten Termin es kaum noch aufrecht erhalten
werden kann, so geht doch aus den voraufgeführten Zahlen
hervor, dass eine erhebliche Ueberschreitung der Vollen-
dungsfrist nicht zu erwarten sein wird, wenn nicht noch-
mals unvorhergesehene Hindernisse eintreten. —
H. Himmelheber.
Die Vorträge des Kunstgewerbe-Museums in Berlin,
zu denen der Zutritt unentgeltlich ist, werden in diesem
Winter von Oktober bis einschl. Dezember behandeln;
„Das Bild als Raumschmuck in Renaissance und
geschlossenen Domschätze und das vereinigte Besitzthum
eines staatlichen oder städtischen Museums in je einen
oder mehrere Glasschränke zusammenordnete, die in zwei
Reihen in der Längsrichtung des Saales freistehend und
als Wand- oder Pultschränke seitlich aufgestellt sind (also
von allen Seiten zugänglich). Der Besucher kann sich
also leicht orientiren und gelangt, wenn er einen bestimm-
ten Gegenstand sucht, schnell an den rechten Ort. So
finden wir im Saal II in zwei Glasschränken das Mess-
geräth der Kölner Kirchen, die Schränke mit den Sachen
Vom Niederrhein (Calcar und Xanten, Emmerich
und Hochelten), den Glasschrank mit den Kostbarkeiten
aus Düsseldorf er Kirchen, den Domschatz zu Osnabrück,
den überaus kostbaren Stiftsschatz zu Aschaffenburg,
den Domschatz zu Fritzlar, die reichen Schätze aus Sieg-
burg und anderen Orten — also hier vornehmlich rhei-
nische Kirchenschätze, wohingegen der nebenangelegene
Oberlichtsaal III westfälische Alterthümer, so die
vereinigten Geräthe der Kirchen in Soest, den Dora-
schatz m Münster, die Sammlungen des bischöflichen
Museums daselbst, den Domschatz von Paderborn
usw. birgt.
Prächtig schliesst dieser dritte Saal in dem auf der
Südseite vollständig hineingebauten „Paradies der Dom-
kirche zu Münster“ ab, in einer Breite von 15,2“, einer
Höhe von 7,25 “ und in einer Tiefe von 1,3 Ursprünglich
eine romanische, dreijochige, kreuzgewölbte Anlage, ist
diese mächtige Vorhalle am Südportal mit ihrem reichen
Schmuck überlebensgrosser Standfiguren in spätgothischer
Zeit (um 1530) verändert und in den Thürgewänden wie
am Mittelpfeiler zu den früheren mit spätgothischen und
Renaissance-Reliefs (Ornamente, Maasswerk, menschliche,
thierische und Phantasie-Figuren) versehen worden. Am
Mittelpfeiler, auf elegantem spätgothischem Säulchen usw.
steht die Figur des Apostels Paulus, in eigenartiger archai-
sirender Gewandung, darüber der thronende Christus, beide
noch aus romanischer Zeit (um 1240). Seitlich des Ein-
ganges, zwischen frühgothischen Säulen, welche Aufsätze
in der Form niederrheinischer Choranlagen — sog. Drci-
conchenchöre — tragen, stehen neun weitere überlebens-
grosse Apostelfiguren, je von einem Baldachin inform von
Westansichten solcher Kirchen begleitet, und in denSchmal-
seiten der Halle stehen unter Bogenstellungen je zwei
Figuren aus etwas späterer Zeit, links ein Ritter und die
hl. Magdalena mit Stifterin, rechts der hl. Laurentius mit
Stifter und mit einem Bischof. In das üppige Rankenwerk,
das als ornamentales Band unter den Sockeln der Stand-
bilder sich hinzieht, sind Darstellungen der Monatsarbeiten,
einer Jagd, einer Gruppe von Bauhandwerkern, einer
anderen von Musikanten, die Figur des Architekten (mit
Winkel und Reisschiene) usw. eingeflochten. Diese späte-
ren Reliefs erhielten noch im 16. Jahrh. weitere Zuthaten.
Die Halle bildet hier den Hintergrund und Aufstellungs-
raum für die in Gips- gegossenen Hochgräber der hl.
Plectrudis aus dem la. Jahrh. in St. Maria im Capitol
zu Köln, der hl. Gertrud (Tochter der hl. Elisabeth)
518
No. 81.
Neuzeit“ von Dr. Max Creutz (lo Vorträge, beginnend
am 13. Okt.): „das gothische Zimmer“ von Prof. Dr.
Alfr. Gotth. Meyer (8 Vorträge beg. am 16. Okt.); „das
Beleuchtungsgeräth“ von Dr. Ad. Brüning (8 Vor-
träge beg. am 17. Okt.). —
Zeichnungen und ansprechenden Mustern eine grosse Aus-
wahl von Entwürfen zu Treppen und ihren Geländern,
Brüstungs-Geländern, Einfriedigungen und Thoren, Unter-
fahrten, Pavillons usw., und wird daher Manchem will-
kommen sein. —
Ein Musterbuch für Treppen und Gitter aller Art ln
moderner Formensprache veröffentlicht die Firma Herrmann Preisbewerbungen.
Fritzsche in Dresden, die sich mit dem Bau eiserner Der Wettbewerb um den Grossen Staatspreis auf dem
Treppen, Kunslschmiede-Arbeiten und modernen Eisen- Gebiete der Architektur für das Jahr 1903 wird von der
bauten aller Art befasst. Das Buch enthält in guten, klaren kgl. Akademie der Künste in Berlin in der üblichen Form
wie jedes 3. Jahr eröffnet. Zuge-
lassen sind Preussen, die das 32.
Lebensjahr z, Zt. der Bewerbung
noch nicht überschritten haben,
mit allen Arten selbständig durch-
geführter Entwürfe von grösseren
Bauten, aus denen ein sicherer
Schluss auf die künstlerische und
praktische Befähigung des Bewer-
bers gezogen werden kann. Per-
spektiven sind obligatorisch.
Zulässig sind auch durch Grund-
risse und Schnitte erläuterte Pho-
togramme solcher Gebäude. Der
Preis besteht in einem Stipendium
von 3300 M. (einschl. Reisekosten-
Entschädigung) zu einer einjähri-
gen Studienreise nach frei zu
wählendemPlane, bezüglich deren
Ziel nur vorgeschrieben ist, dass
auch Italien besucht werden muss,
falls es der Bewerber noch nicht
kennt. Bewerbungen sind bis zum
21. Febr. 1903 bei den Kunstaka-
demien zu Berlin , Düsseldorf,
Kassel und Königsberg oder
dem Riedel’schen Kunstinstitut
zu Frankfurt a. M. einzureichen.
Die Entscheidung wird im März
1903 gefällt. Näheres durch das
Bureau der k§I. Akademie der
Künste in Berlin. —
Ein Wettbewerb betr. Entwürfe
für elnKalserln Elisabeth-Denkmal
ln Wien wird für Künstler öster-
reichischerStaatsbÜrgerschaftzum
I. März 1903 erlassen. Fürdasim
Volksgarten, im Zuge der Löwel-
strasse, zur Errichtung gelangen-
de Denkmal stehen insgesammt
200 000 Kronen zur Verfügung.
Das Denkmal ist in Marmor für
die Figur, im übrigen in wetter-
beständigemSteinmaterial oder in
Bronce zu planen. Es gelangen
6 Preise von 10000, 8000, 6000,
4000, 2000 und 1000 Kr. zur Ver-
theilung. Die Jury setzt sich aus
den noch nicht genannten Ver-
Der Rathhaus-Neubau der Stadt Hilden. Sitzuogssaal.— Arch.: Walter Furthmann in Hüden.
aus der Klosterkirche zu Altenberg a. d. L. (1334),
des Stifters vom Prämonstratenser- Kloster in Kappen-
berg, Graf Gottfried (am Ende des 14. Jahrh.) und des
Stifters, Gaugrafen Konrad Kuzibold aus der Dorakirche
zu Limburg a. d. L., sowie der im Original hierherge-
brachten vier grossen Adlerpulte in Gelbguss oder in
Bronze aus der evangelischen Marienkirche zu Dort
mund (15. Jahrh.), aus der ev. Reinoldikirche ebendas.
(15. bis 16. Jahrh.), aus der kath. Pfarrkirche zu Marienfeld
(Anf. des 16. Jahrh.) und aus der kath. Pfarrkirche zu
Erkelenz (15. Jahrh.). Der fünfarmige Leuchter aus St.
Cunibert in Köln hat hier ebenfalls seinen Platz gefunden.
Es ist nicht möglich, all’ die vielen verschieden geformten,
als Büsten-, Arm-, Taschen-, Tafel-, Horn- usw. Reliquiare
erscheinenden Reliquien-Behälter, die Ciborien, Osten-
sorien, Pectorale, Aquamanile, Monstranzen, Vortrage-
Kreuze, Bischofsstäbe, Kelche und Taufschalen usw., wenn
auch in grössere Gruppen gefasst, hier aufzuzählen; ohne
Zweifel sind auch manche Gegenstände darunter, die nicht
nur das Interesse der Archäologen und der kirchlichen
Kreise erregen, sondern — wie z. B. die sog. Taufschale
Wittekinds (17,5cm breit, 13,5cm tief) aus dem kgl. Kunst-
gewerbe-Museum zu Berlin, das Brettspiel aus Jaspis und
Bergkrystallen aus dem Stiftsschatze zu Aschaffenburg
— eine allgemeine Aufmerksamkeit beanspruchen. Die
in Silber getriebenen, reich mit Steinen besetzten oder
auch vergoldeten sitzenden Statuen der thronenden Mutter-
gottes und des hl. Petrus aus dem Domschatze zu Osna-
brück, je 50cm hoch, oder die ungefähr je 80cm hohen,
.37 cm breiten silbervergoldeten und reich mit Steinen und
Perlen besetzten Reliquienbüsten aus Aschaffen-
burg erwecken durch ihre Pracht und Grösse die staunende
Bewunderung auch der ungebildeten Besucher, wie denn
Jeder in dieser Umgebung von Kostbarkeiten unwillkürlich
den Eindruck empfängt, dass in früheren Jahrhunderten
das beste MaterlM und die (für die damaligen Begriffe)
sorgfältigste Arbeit gerade gut genug w'aren, um den Auf-
gaben des kirchlichen Kultus zu dienen. Die beiden zu-
letzt beschriebenen Säle werden auf der östlichen Seite
noch von einem schmalen gangartigen Nebenraume be-
gleitet, in dem die Ausstellung der Kirchenschätze ihre
Fortsetzung findet. Hier begegnet man den in hohen
Wandglasschränken und kleineren Pultglasschränken vor-
geführten Prachtstoffen, Messgewändern und Stickereien,
worunter besonders ein sassanidischer Seidenstoff
vom 7. jahrh. aus der Cunibertskirche in Köln, ein
byzantinischer Seidenstoff (v. J. 925) aus der Pfarr-
kirche zu Siegburg und ein arabischer Seidenstoff
vom II. Jahrh. aus der Gereonskirche zu Köln als her-
vorragend bezeichnet werden dürfen.
Auf der westlichen Seite standen der ganze untere
und obere Korridor in der nördlichen Hälfte des Kunst-
palastes für die Ausstellung kunstgewerblicher bezw. kirch-
licher Alterthümer aus Privatbesitz zur Verfügung.
Auch hier ergab sich, indem man die einzelnen, zumtheü
auf verschiedene Gebiete sich erstreckenden Sammlungen
8. Oktober 1902.
519
tretern der einzelnen Kunst-Körperschaften des Landes
zusammen, lieber die Ausführung des Denkmales sind
weitere Entscheidungen Vorbehalten. —
Engerer Wettbewerb betr. Entwürfe für ein Brahms-
Denkmal in Wien. Zur Erlangung eines geeigneten Ent-
wurfes für ein Brahms-Denkmal in Wien, für welches
90 000 Kronen zur Verfügung stehen, waren die Bildhauer
Joh. Benk, Karl Kundmann, Rud. Weyr und Max
Klinger zu einem engeren Wettbewerb aufgefordert, bei
dessen Entscheidung die Entwürfe von Klinger und Kund-
mann wegen Nichterfüllung der vorgeschriebenen Be-
dingungen ausgeschieden werden mussten. Zur Ausführung
empfoMen wurde der Entwurf von Rud. Weyr. —
Wettbewerb Krematorium Bremen. Unter 78 Entwürfen
errang den I. Preis von 1000 M. der Entwurf „Toteninsel“
des Hrn. Reg.-Bmstr. Karl Winter in Ravensburg; den
II. Preis von 500 M. der Entwurf „Halbinsel“ des Hrn.
Reg.-Bmstr. Kurt Gabriel in Düsseldorf; den III. Preis
von 300 M. der Entwurf „Rasch“ der Hrn. L. Bueche
& A. Wünsche in Dresden. 3 Entwürfe wurden ein-
stimmig zum Ankauf empfohlen, ii Entwürfe gelangten
zur engsten Wahl. Der Verein für Feuerbestattung hat
die zum Ankauf empfohlenen Entwürfe angekauft. Als
Verfasser derselben ergaben sich für „Finale“ Hr. Jul.
Beeckmann in München; für „Stille Wasser“ die Hrn.
Herrn. Schaedtler und Karl Müller in Hannover; für
„Pluto“ Hr. J. P. Rippe in Hannover. Sämmtliche Ent-
würfe sind vom 2. bis 15. Oktober in der Kunsthalle in
Bremen öffentlich ausgestellt. —
Wettbewerb Kollegiengebäude der Universität Freiburg-
i. B. (In Ergänzung unserer Mittheilung in No. 80.) Das
grossh. badische Ministerium des Kultus und Unterrichtes
hat beschlossen, die vom Preisgericht zum Ankauf em-
pfohlenen 4 Entwürfe zu erwerben. Verfasser sind die
Hrn. Architekten: Paul Thiersch in München, Kennwort
„Faust“; Curjel & Moser in Karlsruhe, Kennwort
„Alt-Freiburg“; Rust & Müller in Leipzig, Kennwort
„Löwenplatz“ und Alexander & Paul Höhrath in
München, Kennwort „Würde“. —
Die Preisvertheilung für Deutschland 'auf der I. inter-
nationalen Ausstellung für moderne dekorative Kunst In
Turin 190a. Das Preisgericht war vom i. bis 15. Sept. in
Thätigkeit. Es setzte sich zusammen aus den Hrn. Walter
Crane (London) als Ehrenpräsident, Albert Besnard
(Paris) als geschäftsführenden Präsidenten, Hofrath von
Radisics (Ungarn) als Vizepräsidenten, Architekt Albert
Hofmann (Berlin) als deutschem und Kunsthistoriker
Fierens Ge vaert (Belgien) als französischem Schriftführer,
sowie aus Direktor Giovanni Tesorone (Neapel) als Ge-
neralberichterstatter. . Im übrigen gehörten dem Preis-
gerichte noch an die Hrn. Bildhauer Prof. Karl Gross
(Dresden), Brth. Ludw. Baumann (Wien), Bildhauer David
Calandra (Turin) für Italien, Kunsthistoriker Alfr. Melani
(Mailand) für Schottland, Dr.Folker (Stockholm) fürSchwe-
den, Dir. E. von Saher (Haarlem) für die Niederlande und
Graf Toesca di Castellazzo (Turin) für die Vereinigten
Staaten von Nordamerika.
Das Ergebniss für Deutschland ist ein glänzendes ; es
erhielt ausser dem höchsten Geldpreis von 8000 Frcs. für
die beste Folge von 3 Luxuszimmern, . der an Prof. J. M.
Olbrich in Darmstadt fiel, noch 2 weitere Geldpreise von
je 1500 Frcs,, von welchen der eine dem Luxuszimmer von
Prof.Pet. Behrens inDarmstadt, der andere dem einfachen
Zimmer von Bernh. Goebel in Freiberg i. S. zugesprochen
wurde. . Es gelangten ausserdem nur noch 3 Geldpreise,
einer von 4000 und 2 von 1500 ‘Frcs. zur Vertheilung.
Der erstere fiel an Italien, der eine der letzteren an Oester-
reich, der andere an Belgien. Die höchste Auszeichnung,
das Ehrendiplom, erhielten unter den Betheiligien der
Gruppe Deutschland: P. Behrens, Prof, Darmstadt;
H. E. V. Berlepsch-Valendas, München; Hermann
ßilling, Karlsruhe; Deutscher Buchgewerbeverein,:.
Leipzig; Mart. Dülfer, Prof., München; Otto Gussmann,;
Prof., Dresden; Wilh. Kreis, Prof., Dresden; Karlsruher
Künstlerbund, Karlsruhe; Jos. Olbrich, Prof., Darm-i
Stadt; Herrn. Schaper, Prof., Hannover; Vereinigte
Werkstätten für Kunst im Handwerk, München und;
Stuttgart. — Die goldene Medaille wurdezuerkannt: Lud-';
wig Alter, Darmstadt; Kurt Stoeving, Maler und Bildh.,;
Berlin; Hans D rin neb erg, Glasmaler, Karlsruhe; Fischen
& Franke, Verlagsbuchhandlung, Berlin; J. Glückert,.
Darmstadt; Anton Huber, Arch., Berlin; „Jugend“-;
Verlag (Gg. Hirth), München; Engelbert Kayser, Köln;l
Paul Kersten, Buchbinderei, Erlangen; Alex. Koch,
Verlag, Darmstadt; L. Lichtinger, München; Bruno*
Möhring, Arch., Berlin; Fritz Rentzsch, Maler, Leipzig;,
J. J. Scharvogel, München; J. E. Schneckendorfer,-
München; Schule f. Kunstweberei Scherrebeck; K. A.
Seifert, Metallarbeiten, Mügeln beiDresden;K.M. Seifert,
& Co., Beleuchtungskörper-Fabrik, Dresden; „Simpli-,
cissimus “-Verlag, München; Villeroy & Boch, Dresden.;
Ausserdem gelangten 33 silberne Medaillen sowie gegen'
60 Verdienstdiplome allein für Deutschland zur Verthei-
lung, welches demnach an den zur Verfügung stehenden
Auszeichnungen den weitaus grössten Antheil hat. —
Brief- und Fragekasten. !
Hrn. W. Schl. In Düsseldorf. Hiergegen giebt es leider,!
da die Architektur bisher ausdrücklich vom Schutze des Urheber-*
rechtes an Werken der bildenden Kunst ausgeschlossen ist und:
im Urheberrecht an Schriftwerken usw. nur die Nachbildung bezw.!
der Nachdruck architektonischer Zeichnungen geschützt ist, z. Zt.;
kein Rechtsmittel. UnseresWisseus tragen übrigens von Malern ange-
fertigte Perspektiven öfter den Namen des Malers, allein oder wenig-
stens an hervorragender Stelle, sodass der Nachweis böser Absicht,'
falls nicht andere Gründe mitsprechen, aus dem mitgetbeilten Thatbe-
stand allein noch nicht nachzuweisen wäre. Als selbstverständlich neh-,
men wir an, dass die Perspektive nicht in der Architektur -Ausstel-
lung hängt, sondern in irgend einem anderen Theile der Ausstellung.!
Hrn. J. R. in Mayen. Wenn die Deckenbalken sich ohne.
Stützung auf der Zwischenwand frei tragen würden, oder wenn
sie durch einen besonderen Unterzug gestützt sind, so ist die Watad
nur als Scheidewand , aber nicht als balkentragendeWand anzusehen.
Ihre Stärke braucht also auch nicht der letzteren zu entsprechen.
Eine Auslegung der Baupolizei-Verordnung im anderen Sinne würde,
ja überhaupt die Ausführung dünner Theilungswände ausschliessen. —
Inhalt: Der Rathhaus-Neubau der Stadt Hilden. — Von der Jndustrie-
und Kunstausstellung in Düsseldorf igce. VU. (Schluss). — Vermischtes. —
Preisbewerbungen. — Brief- und Fragekasten. —
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H,, Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Dmck von Wilh. Greve, Berlin.
in je einem oder mehreren W and-, Stand- oder Pultschränken
unterbrachte, so zwar, dass innerhalb jeden Glasschrankes
durch wagrechte Glasplatten wieder verschiedene Ab-
theilungen gebildet wurden, eine zweckmässige Anord-
nung. Einige Sammler ersten Ranges haben auch die
mannichfachen Gegenstände ihres Besitzes ganz frei, über-
sichtlich und malerisch in je einer Koje entfaltet oder
eine Zusammenstellung geboten, die „den Besitzer in der
Zuspitzung seiner künstlerischen und kunsthistorischen
Bestrebungen erkennen lassen“ in einer Weise, wie sie
zuweilen von den grössten Museen nicht erreicht wird.
Auch die grosse Reihe der namhaften Privatsammlungen
kann hier nicht aufgezählt werden. Es ist bekannt, dass
allein in Köln eine ansehnliche Zahl reicher Bürger oder
kirchlicher Würdenträger diesem vornehmen Sport huldigt,
und so finden wir in der oberen Gallerie die berühmte
Majolika - Sammlung der Gebrüder Bourgeois, die
Sammlung altrömischer Gläser von Konsul Niessen,
desgl. die der Frau E. vom Rath, die Porzellan-Sammlung
von Louis Hagen, die rhein. Siegelsammlung von Heinr.
Schnitzler usw. — In den 7 Kojen des unteren Korri-
dors aber folgen der Reihe nach die geschlossenen, meist
sehr umfangreichen Sammlungen des Bürgermeisters
Thewalt, die sehr mannigfaltige Sammlung des Dom-
kapitulars Dr. Alexander Schnütgen (diese allein 1545
Nummern umfassend und auf alle Gebiete der religiösen
Kunst sich erstreckend), die des Freiherrn Albert von
Oppenheim, ferner des Fürstlich Hohenzollern-
schen Museums in Sigmaringen, in der 5. Koje eine
Waffensammlung aus dem kgl. Zeughaus in Berlin,
in der 6. die Sammlung von K. Kramer in Kempen
und Maler Clemens in München, in der 7. endlich das Be-
sitzthum von Fürst Salm-Reifferscheid auf Schloss
Dyk; daran anschliessend dann noch manch kleinere
Privatsammlungen aus Elberfeld, Cappenberg (Glas-
gemälde), vonFürst Solms-Braunfels, aus Darmstadt,
Erbach, Goch, Bonn, die des Grafen Fürstenberg-
Stammheim, aus Wien, der Burg Rheinstein (Prinz
Georg von Preussen) usw. Andere kunstgeschicht-
lich merkwürdige Stücke, die in den Sälen nicht gut auf-
gestellt werden konnten, zieren das Treppenhaus, so z. B.
das in Eichenholz geschnitzte, noch mit Resten der alten
Polychromie versehene spätromanische Scheibenkreuz
(Anfang 13. Jahrh., ursprünglich wohl ein Altaraufsatz)
aus Maria zur Höhe in Soest und der in Holz ge-
schnitzte reich gegliederte Lettnerbogen der ehemaligen
Deutschordenskirche zu Siersdorf.
Leider konnten diesem Bericht wegen Mangels an Raum
keine Abbildungen beigegeben werden. Trotzdem lässt
sich erwarten, dass auch hierdurch dem schönen Unter-
nehmen dankbare Freunde gewonnen werden, die neben
den Bestrebungen für die moderne Kunst Achtung und
Verständniss für die Vergangenheit bewahren und gerne
mithelfen woUen, die Monumentalauffassung der Kunst im
Volke zu pflegen. —
Barmen, im August 1902. O. Vorlaender.
5SO
No. 81.
Stadtbild von Luxemburg mit dem Eisenbahn-Viadukt.
Die neue Strassenbrücke über das Thal der Petrusse in Luxemburg.
Ingenieur: Prof. M. Sejourne in Paris. (Ulnsu dij Abbildungen s. 505.1
Hit dem Schlüsse des Jahres nähert sich ein
Bauwerk seiner Vollendung, das einen
weiteren vorwärts gerichteten Schritt auf
dem Gebiete des Baues w'eitgespannter
massiv gewölbter Brücken bedeutet und als
solches epochemachend sein wird. Es ist dies die
neue Strassenbrücke über das Thal der Petrusse in
Luxemburg, die im Frühjahr des nächsten Jahres dem
Verkehr übergeben werden soll. Mit 84,65” Licht-
weite des unmittelbar auf dem festen Felsen aufsetzen-
den Bogens (an der Sohle gemessen) schlägt sie alle
bisherigen Ausführungen um ein erhebliches Maass.
Ausserdem verdient die Eigenart ihrer Konstruktion
besondere Aufmerksamkeit, wenn auch die Frage, ob
die gewählte Anordnung als empfehlenswerthes Bei-
spiel zu bezeichnen ist, kaum mit einem glatten Ja
beantwortet werden kann.
Die Bedingungen für den Bau einer massiv ge-
wölbten Brücke von grosser Spannweite lagen hier
ausserordentlich günstig. Die Stadt Luxemburg ist
auf einem Plateau erbaut, das von 3 Seiten von scharf
eingeschnittenen, 40 — 50 ” steil abfallenden Schluchten
umzogen wird, deren Wände zum Th. als nackte Sand-
steinfelsen zutage treten, während der Felsboden der
Sohle nur in verhältnissmässig geringer Schichtung
von lockerem Boden überlagert ist. Diese Thäler
wo-den durchströmt von dem Flüsschen Alzette und
seinem Zuflusse der Petrusse. Grosse Lichthöhe und
unwandelbare Widerlager bei geringer Gründungstiefe
waren hier also gegeben, beides Umstände, die zu dem
Bau eines weitgespanntenSteinbogensanreizenraussten.
Dazu kam ein ästhetisches Moment, die harmonische
Einfügung desBauwerkes in das unvergleichlich schöne
Städte- und Landschaftsbild, zu dem sich hier stattliche
Gebäude, die Reste der einst so mächtigen Festungs-
werke, zu deren Schaffung sich Natur und Kunst ver-
einten, schliesslich die prächtigen Parkanlagen, die
auf den ehemaligen Festungsglacis angelegt worden
sind, zusammenschliessen.
Der Bau der Brücke ist einem dringenden Ver-
kehrs-Bedürfnisse entsprungen und steht schon seit
1875 auf der Tagesordnung, denn die Stadt befand
sich bisher in einer eigenthümlichen Lage, die ihrer
Entwicklung und namentlich ihrem Verkehrsleben
Oberaus hinderlich war. Die geschilderten örtlichen
Verhältnisse hatten dazu geführt, den von Natur schon
schwer zugänglichen Platz durch die Erbauung von aus-
gedehnten Befestigungsanlagen zu einer Festung aus-
zugestalten, die namentlich nach dem Ausbau der
^yerke durch Vaubau, nachdem Ludwig XIV. 1684
die Stadt beschossen und eingenommen hatte, als einer
der festesten Plätze Europas galt, bis der Londoner
Vertrag von 1867 die Schleifung der Festungswerke her-
beiführte. Strategische Rücksichten waren daher maass-
gebend, als man 1859 die erste luxemburgische Eisen-
bahn baute, diese nicht in die Stadt hinein, sondern
auf der anderen Seite des Thaies herumzuführen und
den Bahnhof in etwa 1,5 km Entfernung vom Herzen
dp Verkehres anzulegen. Nur eine 8“ breite Strasse,
die auf 350” langem, massiv gewölbtem Viadukt das
Thal überschreitet, verbindet die Stadt mit dem Bahn-
hofe. Unser^ Kopfbild zeigt im Vordergründe den
Eisenbahn-Viadukt, der in seiner Ausbildung dem
Strassen-Viadukt im wesentlichen entspricht. Seine
Anordnung bildet einen interessanten Gegensatz zu
dem jetzt errichteten kühnen Bauwerke.
Diese Brücke genügte dem Verkehrsbedürfnisse
schon längst nicht mehr und namentlich fehlte es an
jeder unmittelbaren Verbindung des sich entwickeln-
den neuen Stadttheiles auf dem Plateau Bourbon mit
der gegenüber liegenden Altstadt. Zahlreiche Ent-
würfe in Stein und Eisen wurden aufgestellt, bis man
sich nach dem letzten generellen Entwürfe des Chef-
ingenieurs Rodange des luxemburgischen Bauwesens
für eine das Thal in einer Oeffnung überspannende
Steinbrücke entschied, deren Planung dem früheren
Chefingenieur der Paris-Lyon-Mittelmehrbahn, dem
jetzigen Professor an der ^cole des ponts et chaussees
521
M. S^journe, übertragen wurde, da dieser durch seine
bekannten Brückenbauten von Lavaur, Castelet
und Antoinette als der durch Kenntniss und Er-
fahrung berufene Ingenieur erschien.
DerStadtplan,S. 523, lässt dieLage der neuen Brücke
in ihrer Beziehung zum alten Verkehrswege und zur
Alt- und Neustadt erkennen. Sie überschreitet das Thal
der Petrusse im Zuge der Hauptverkehrs-Strasse des
neuen Stadttheiles der Nouv eile Avenue de la Gare in einer
Gesammtlänge von 21 zwischen den Endpunkten
der Flügelmauem und in einer Gesammtbreite von lö "!
zwischen den Brüstungen, wovon je 3,20“ auf die
beiderseitigen Bürgersteige, 9,60™ auf den Fahrdamm
entfallen, Der eigentliche Thalgrund wird mit einem
einzigen Bogen von 84,65“ Spannweite zwischen den
Fundamentsohlen bei 31 “ Pfeil und 72“ zwischen den
architektonisch als Kämpfer ausgebildeten Punkten
überspannt, an den sich beiderseits noch je eine halb-
kreisförmige Oeffnung von
21,60“ Lichtweite anschliesst.
Der Rest besteht aus Schüt-
tung zwischen Flügelmauern,
die mit geschwungener Linien-
führung im Grundriss den An-
schluss an die Thalwand ver-
mitteln. Sparbögen auf dem
grossen Bogen und Längs-
kapellen über den Seitenöff-
nungen tragen die Fahrbahn-
tafel. Die besondere Eigen-
art der Brücke besteht nun
darin, dass sie nach der Breite
in 2 völlig getrennte Bauwerke
von je 5,328 “ oberer Breite
und 6“ oberem Abstand auf-
gelöst ist. Dieser Zwischen-
raumwird überdeckt von einer
Betoneisenplatte, sodass die
Fahrbahntafel von oben be-
trachtet ein einheitliches Gan-
zes bildet. Durch diese Anord-
nung ist fast Vs der Material-
menge erspart gegenüber
einer in voller Breite massiven
Brücke, ein Vorzug, der natür-
lich schwer ins Gewicht fällt,
da die Kostenfrage nur zu
leicht allein den Ausschlag zu
Gunsten desEisens giebt, wenn
die Bedingungen für den Wett-
bewerb des Steins mit dem
Eisen an sich auch noch so
günstig liegen. Allerdings be-
dingt eine solche Anordnung
auch technische Nachtheile,
auf die wir später zurück-
kommen, unter denen die un-
gleichmässige Belastung im
Inneren der beiden Bögen je-
denfalls der schwerwiegendste
ist, und es geht wohl auch ein
Theil der kraftvollen, monumentalen Wirkung der ge-
schlossenen Steinkonstruktion durch eine derartige
Auflösung in getrennte Ringe wieder verloren.
Die Architektur des Bauwerkes, das durch seine
Linienführung und die Grösse seiner Abmessungen
allein wirkt, ist ganz schlicht gehalten, wie aus
unserer Bildbeilage, die wir der No. 84 beigeben, her-
vorgeht, die das eigentliche Bauwerk schon fast voll-
endet und in seiner Gesammtwirkung in der Um-
gebung zeigt. Der grosse Bogen hat eine kräftig
profilirte Archivolte erhalten, während unter dem
Kämpfer stark bossirte Quader ansetzen. Auch die
Sparbögen sind profilirt und werden mit kapitälartigen
Theilen in die stützenden Pfeiler übergeführt. Die Stein-
flächen der beiden Seitenöffnungen sind ganz schlicht
gehalten, während die beiderseitigen Pfeiler in tief-
fugiger Quaderung, im Sockel bossirt, hervorspringen.
Die Flügelmauern sind in Zyklopenmauerwerk herge-
stellt. Die Brüstungen sind Über den Seitenöffnungen
geschlossen und über den grossen Pfeilerrisaliten erker-
artig ausgekragt, über der Mittelöffnung dagegen, um
einen leichten Eindruck zu machen, in Balluster-Stellun-
gen aufgelöst. Als einziger bildnerischer Schmuck
ist im Scheitel des grossen Bogens eine Wappen-
kartouche herausgemeisselt. So wirkt das Ganze ein-
fach und gross, wenn auch die wagrecht abschliessende
Zwickelausfüllung zwischen dem Hauptbogen und dem
Landpfeiler nicht als eine ganz glückliche Lösung an-
gesehen werden kann.
Es wird nicht uninteressant sein, ehe auf die Ein-
zelheiten der Konstruktion der Brücke eingegangen
wird, einen Vergleich zu ziehen mit anderen weitge-
spannten, massiv gewölbten Brücken. In der nach-
stehenden Tabelle sind die bekannten Ausführungen
von mehr als 50“ Sp. W. zusammen gestellt.
Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dass
die neue Brücke in Luxemburg (auch wenn man ihre
freie Spannweite nur zwischen den architektonischen
Kämpfern rechnen wollte, wozu aber, da man es that-
sächlich mit einem einheitlichen (jewölbe bis zur
Fundamentsohle zu thun hat, keine Veranlassung vor-
liegt) alle bisher ausgeführten Bauwerke um ein Er-
kleckliches an Spannweite übertrifft. Am nächsten
kommt ihr die mittelalterliche, aber nicht mehr vor-
handene Adda-Brücke und der etwa aus der Mitte
vorigen Jahrh. stammende Union Arch über die Cabin
John-Schlucht bei Washington.
An Kühnheit des Pfeilverhältnisses und der
Scheitelkrümmung wird sie allerdings von den beiden
zuletzt genannten deutschen Ausführungen erheblich
übertroffen.
Die Anordnung des Bauwerkes im Einzelnen geht
aus den Abbildgn. 1—7 auf S. 525 deutlich hervor,
in welchen auch alle Hauptmaasse eingeschrieben
No. 8a.
522
Brücken
Spannweite
Pfeilhöhe
L
Halbmesser
im Scheitel
Scheitel-
stürke
Bauzeit
Bemerkungen
^ in m
in m
in m
Neue Brücke in Luxemburg
84.65
31,0
1 a,73
53,1
144
1901 -1903
StrassenbrQcke
(7a/»)
(16,3)
^ 4,44
-
-
-
(zwischen den sichtbaren
KAmpfem)
Brücke Uber die Adda bei Trezzo (Itaiien)
Cabio John*BrOcke bei Washington (Nord-
7a«
ao,70
3.5
-
-
1370-1377
Strassenbrfleke
1416 im Kriege zerstört
Amerika)
67,10
18,60
3.6t
43, t
t>3t
-
AquAdukt
Pruth-Brücke bei Jaremcze (Galizien)
65.00
»7,5
3.7t
-
2,tO
1894
EisenbahnbrUcke
Gour Noir*BrQcke (Frankreich) ....
6t, 9
t6,t
4,03
36,0
1,70
1^8—1889
EisenbahnbrUcke
Gutach-Brflcke bei Kappel (Deutschland)
64,0
t6,o
-
3.0
1990—1901
Eisenbahnbrücke
Prinz-Regenten-Brflckc (München) , .
63,0
-
-
1,0
1900—1903
StrassenbrOcke
mit 3 Gelenken
Brücke von Lavaur über den Agoüt
(Frankreich)
6r,S
27,9
3t ,a
1,65
1883-18B4
Eisenbahnbrücke
(Ing. Sejourni)
Dee-Brücke bei Chester (England) . .
61,0
»7,2
43,7
.....
-
Strassenbrücke
Hannibal-BrOcke (Frankreich) ....
55.0
14,0
3-93
-
1,80
-
-
Drac-Brücke bei Claix (Frankreich) . .
Brücke Ober die Marne bei Nogent
5a.o
8,0
6,5
-
>,5°
-
Strassenbrücke
(h rankreich)
50,0
35,0
35.0
t,8o
1854-1856
Eisenbahnbrücke
Antoinette -Brücke über den Agoüt
(Frankreich)
50,0
>7.3
3>.o
1.50
1882—1884
Eisenbahnbrttcke
(Ing. Sejoumö)
Donau - Brücke bei Munderkingen
Strassenbrücke
mit 3 Gelenken in Beton
(Deutschland)
50,0
5,0
70,0
1.0
1893
(Deutschland)
50,0
4.5
.V
-
-
-
Strassenbrücke
mit 3 Gelenken in Beton
sind, sodass sich eine nähere Erläuterung erübrigt;
jedoch müssen wir auf die hier gewählte beson-
dere Anordnung der Theilung in a getrennte Wöl-
bungen, die zwischen sich eine den Fahrdamni auf-
nehmende 35'"’ starke Betoneisen-Platte tragen, noch
einmal zurückkommen. Wie schon erwähnt, hat diese
Anordnung den Vorzug erheblicher, fast Va der ganzen
Masse bei voller Brücke betragender Materialersparniss
und eine dementsprechende Verringerung der Kosten
für sich. Eine weitere erhebliche Erspamiss tritt da-
durch ein, dass das bei so grosser Spannweite natur-
gemäss bedeutende Kosten erfordernde Lehrgerüst nur
für den einen Bogen neu hergestellt, für den zweiten
dagegen nach seitlicher Verschiebung unmittelbar
weiter benutzt werden kann.
Von Vortheil ist diese Theilung ferner insofern,
als sie eine Ausführung in zwei völlig getrennten Bau-
perioden und die Fertigstellung eines jeden Theiles
in einem Baujahr gestattet Als Nachtheil bleibt aber,
dass durch die einseitige Auflagerung der Fahrbahn-
platte auf den Bögen eine erhebliche Ungleichheit der
Spannung sowohl in den Spargewölben und ihren
Pfeilern, wie im Hauptgewölbe entstehen muss, die
vielleicht zu Rissebildungen im Mauerwerk führen
können, jedenfalls aber keine vortheilhafte Ausnutzung
des Materiales bis zur zulässigen Höchstgrenze der
Belastung gestatten. — (Schluss folgt.)
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Kollegien-Gebäude
der Universität Freiburg i. Br. (HiCTi« ein. BMb.u.gc.)
langen Jahren schon erhob sich der Ruf
ch einem neuen Kollegien-Gebäude der
liversität Freiburg und dieser Ruf wurde
1 so lauter und eindringlicher, je mehr
2 Universität an Bedeutung und dement-
sprechend an Besuch zunahm. Dies war insbesondere
der Fall nach dem wirthschaftlichen Aufschwung, den
die Umwandlungen aus 'dem deutsch -französischen
Kriege des Jahres 1870 in Deutschland mit sich brach-
ten. Wie wir einem Aufsatze des Architekten Bau-
rath L. von Stengel in dem prächtigen Werke ent-
nehmen, welches die Freiburger Fachgenossen aus
Anlass des Freiburger Verbandstages herausgegeben
haben, zerfielen die Universitäts-Gebäude bis vor einiger
Zeit in 4 Gruppen: in die sogenannte „alte Universität“
am Franziskanerplatz, welche in den Besitz der Stadt
Freiburg überging und von dieser in pietätvoller Weise
zu einem herrlichen städtischen Verwaltungs-Gebäude
umgebaut wurde (siehe Dtsch. Bztg. J^rg. 1901,
No. 94 ffj; in die „neue Universität“, ein ehrwürdiges
Jesuiten-Kollegium an der Bertholdstrasse, welches seit
1774 als Kollegien-Gebäude dient und zurzeit noch als
solches in Verwendung steht, eine Baugruppe von
schlichtester Einfachheit, die indessen durch die ange-
lehnte Universitätskirche, dem römischen Vorbilde d^er
Kirche del Gesu nachgebildet, ihre künstlerische Be-
deutung erhält; in das Bibliothek-Gebäude an der
Bertholdstrasse, welches seit dem Beginn dieses Se-
mesters verlassen ist und seine Bestände an das von
Ob.-Brth. Prof. K. Schäfer in Karlsruhe an der Belfort-
II. Oktober 1903.
523
Strasse errichtete neue Bibliotheks-Gebäude abgegeben versitätszwecken zeitweilig überliess, konnte umso
hat, und schliesslich in die Gruppe der klinischen Uni- mehr nur eine vorübergehende Bedeutung haben, als
versitäts-Gebäude an der Albert-Strasse, also ausser- bei den wachsenden Repräsentations-Verpflichtungen
halb des Kernes der Stadt, ausserhalb der Altstadt, der Stadt diese bald wieder in den uneingeschränkten
Nachdem seit den sechziger Jahren des vorigen Jahr- Besitz des Kaufhauses zu gelangen trachtete. Unter
hunderts nach und nach für eineReihe von Universitäts- diesen Umständen drängte die Frage eines neuen
Instituten neue Gebäude entstanden waren, hob sich Kollegien-Gebäudes mehr und mehr einer Lösung zu,
der Ruf der Alberta-Ludovica des Herzogs Alberts VI. und diese nahm greifbare Gestalt an, als die badischen
von Habsburg in solchem Grade, dass das Jesuiten- Kammern die bis dahin angenommene Bausumme von
Kollegium die zahlreichen Hörer nicht mehr zu fassen etwa 1,5 Mill. M. bewilligten.
vermochte. Ein Anerbieten der Stadt Freiburg, welche Indessen, es harrte noch die so wichtige Platzfrage
das malerische Kaufhaus am Münsterplatz zu Uni- der Lösung. Inbezug auf diese trugen sich die leiten-
524
No. 82.
den Stellen: Ministerium, Universität und Stadt, mit
drei verschiedenen Gedanken. Zunächst wurde der
Plan erörtert, das neue Kollegien-Gcbäude anstelle
des alten in der Bertholdstrasse zu errichten. Man
glaubte diesen Plan umso mehr in Erwägung ziehen
zu können, als damit die seit mehr als einem Jahr-
hundert gewohnte Lage beibehalten werden konnte,
als die alte Baugruppe mit Ausnahme der Universitäts-
Kirche, die leicht erhalten werden konnte, einen her-
vorragenden Kunstwerth nicht besitzt und auch in
historischer Beziehung keine Ansprüche an Pietät und
geschichtlichen Sinn stellt. Die Erwägungen über die
beschränkten Raumverhältnisse in der Bertholdstrasse
für ein neues Monument a 1-Gebäude waren aber mit die
Ursache, dass dieser Plan verlassen wurde; zugunsten
eines sehr bestechenden neuen Planes. Dieser, der
wie es scheint, hauptsächlich von der Stadt gefördert
wurde, war vielleicht im Hinblick auf das wunderbare
Stadtbild gefasst, welches dieUniversitätsstadt Marburg
darbietet. Er ging von dem Gedanken aus, die neuen
Universitäts-Gebäude vor der Stadt, in massiger Höhe
am Schlossberg zu errichten, ihnen eine malerische
Gruppirung zu verleihen und sie so zu einem weiteren
wirksamen Faktor im Stadtbilde zu machen. Ein Plan
dem Untergange geweiht sei. Man glaubt die Ursache
des Zerfalles unter anderem auch in der vorjährigen
Sommerdürre und in den darauffolgenden Regenmassen
des diesjährigen Sommers suchen zu müssen, welche
den ausgedörrten Boden unterwuschen und nicht mehr
tragfähig genug machten zur Aufnahme der Last der
Mauern. —
Ueber ein in Bayern bedrohtes Städtebild berichtet Ilr.
Arch. Franz Rank m München. Es handelt sich um das
Städtchen Vilsbiburg, das noch im Grossen und Ganzen
den eigenartigen und intimen Charakter der Orte des
Innviertels bewahrt hat. Rank schreibt darüber in den
„M. N. N.“; „Beim Eintritt durch das Hauptthor ist der
Besucher überrascht von dem liebenswürdigen, intimen
Eindruck des Städtebildes, er befindet sich in einem cha-
rakteristisch mittelalterlichen Städtchen, Giebel an Giebel,
letztere theilweise ersetzt durch die im Salzborgischen
auftretenden, aus Rücksicht gegen Feuersgefahr gemachten
geraden Frontabdeckungen. Ziemheh sicher ist an einigen
dieser Häuser bei Vergleichung mit den gothisirenden
Formen der Landshuter Trausnitz der gleiche italienische
Baumeister wieder zu erkennen. Die harte, schnurgerade
Baulinie ist vermieden, verschiedenfarbiger Anstrich der
einzelnen Häuser beleljt die bunte Reihe und was dem
malerischen Eindruck des langgestreckten Platzes die
Krone aufsetzt, das ist die Begrenzung desselben an seinen
beiden Schmalseiten mit freundlich wirkenden Thorthürmen.
Die Veranlassung zur langgestreckten, fast bei allen Städten
und Märkten Nieder- und auch Alt-Bayerns typisch wieder-
kehrenden Form des Marktplatzes war die Abhaltung der
526
Schranne, um die reichen Bodenprodukte der Kornkammer
Bayern abzusetzen, in einer Zeit, wo noch keine Eisen-
bahnen die Bodenerzeugnisse in ferne Lande schaffen
konnten. Man findet die Breite des Platzes überall so
bemessen, dass neben einem breiten Mittelgange für den
Kauflustigen beiderseitig noch genügend Platz verblieb,
um die Waaren und Fuhrwerke der zur Schranne ge-
kommenen Landbevölkerung unterzubringen. Diese eigen-
artige Bauart der niederbayerischen Städte hängt mit dem
Reichthume des Landes zusammen und zum Charakte-
ristikum dieser Plätze gehört, wie wir dies bei den Städten
Mühldorf, Vilshofen, Erding usw. sehen, der das Ganze
abschliessende Thorthurm.
Lässt der Besucher eines solch’ anmuthigen, an die soge-
nannte gute alte Zeit erinnernden Ortes seiner Phantasie
freien Lauf, so wird bald das ganze Bild belebt mit Ge-
stalten der Landsknechtzeit. Der Reichthum der Lands-
huter Herzoge hatte in der nur einige Stunden entfernten
Nachbarstadt Vilsbiburg sicherlich auch seine Spuren hinter-
lassen, was an einigen Bauten nachgewiesen werden kann.
Aber schlimmere Zeiten kamen. Von den Erbstreitigkeiten
der Häuser Habsburg und Wittelsbach war die Stadt in
Mitleidenschaft gezogen, und in der neueren Geschichte
sehen wir Napoleon f, der in dem Hause gegenüber dem
jetzigen Rathhause übernachtete, und den sonst zum fried-
lichen Kampfe um’s Dasein der Bevölkerung dienenden
Marktplatz am folgenden Morgen als Paradeort zur Heer-
schau seiner gegen die Oesterreicher ziehenden siegreichen
Truppen benutzte; mit khngendem Spiel zogen sie beim
jetzigen oberen Stadtthor herein und beim gegenüber-
liegenden hinaus zum Kampf, zum Tode, zum Siege.
In diesem Milieu, in dem Vilsbiburg sich heute noch
zeigt, in dieser Abgeschlossenheit des ganzen Bildes, aus
welchem die beiden Thurmbauten gleich Wahrzeichen an
die schönen und schlimmen Tage der Stadt energisch und
selbstbewusst, den ganzen Platz beherrschend, heraus-
No. 82
von bestechendem Reiz, der zudem die Möglichkeit
weitgehendster späterer Erweiterung der Gebäude ge-
boten haben würde, da sich das gesaramte Gelände
im Besitze der Stadt Freiburg befindet. Indessen,
wirthschaftliche und künstlerische Gründe wurden mit
Erfolg gegen den Plan geltend gemacht. In wirth-
schaftlicher Hinsicht befürchtete man zweifellos nicht
ohne Grund, dass ein nach solchen Gesichtspunkten
errichteter Neubau grössere Mittel in Anspruch nehmen
würde, als sie der durch die hohen Ausgaben für
drei Hochschulen schon stark in Anspruch genommene
Staat leisten könne, selbst wenn auf einen grösseren
Zuschuss durch die Stadt hätte gerechnet werden
können. In künstlerischer Hinsicht war man mit Recht
besorgt, dass aus der die Stadt beherrschenden Bau-
gruppe in der bevorzugten Lage auf halber Höhe des
Schlossberges ein Gegenstück werden könne, welches
die bis dahin herrschende Stellung des Münsters, die
man unter allen Umständen erhalten wissen wollte,
beeinträchtigen würde und dass sich somit die künst-
lerischen Werthe des Stadtbildes in einer der jahr-
hundertelangen baugeschichtlichen Entwicklung der
Stadt entgegen stehenden Weise verändern könnten.
So wurde auch der zweite Plan verlassen und
ein dritter aufgenommen. Dieser ging dahin, das Ge-
lände der alten Rempart-Kaserne, welches sich gegen-
über der neuen Universitäts-Bibliothek befindet, für
die Zwecke der Universität zu gewinnen. Der neue
Plan kam besonders den dankenswerthen Bestrebungen
der Stadt entgegen, welche in zielbewusster Weise
dahin gehen, die unkünstlerischen Massen der um-
fangreichen Kasernenbauten allmählich aus dem ge-
schlossenen Stadtgebiete zu beseitigen und sie, als
kleine Vorstädte für sich, vor die Stadt zu verlegen.
Eine Einigung war daher bald erzielt. Dieses Ge-
lände tauschte die Stadt gegen das alte Universitäts-
Gebäude, das Jesuiten-Kollegium sammt Kirche, ein,
gab ein Aufgeld von 142000 M. und verpflichtete sich
zu einem Baukosten-Beitrage von 300000 M. Da aber
das Gelände der alten Kaserne allein für die neue Bestim-
mung nicht ausreicht bezw. auch der Theil der An-
lage gebraucht wird, in welchem noch bis heute die
Gewerbeschule untergebracht ist, so trat an die Stadt
die weitere Verpflichtung heran, für eine Summe von
mehr als i Milk M. eine neue Gewerbeschule zu er-
richten, die bereits im Bau ist. Zieht man inbetracht,
was die Stadt Freiburg in den letzten 10 Jahren über-
haupt an Mitteln für ihre Verschönerung geleistet hat,
so kann man die grossinnige Leitung und den opfer-
willigen Bürgersinn nur bewundern. Beiden ist es zuzu-
schreiben, dass die Frage des neuen Kollegien-Ge-
bäudes der Universität so schnell geklärt werden konnte,
dass vor einiger Zeit durch das bad. Kultus -Ministerium
die Einladung zu einem allgemeinen deutschen Wett-
bewerb zur Erlangung von Entwürfen ergehen konnte,
der in diesen Tagen zu der bereits gemeldeten Ent-
scheidung kam. — (Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
Die deutsche Städteausstellung ln Dresden 1903 wird in
2 grosse Abtheilungen zerfallen, von der die eine den
Stand des deutschen Städtewesens zu Anfang des 20. Jahr-
hunderts, insbesondere die Entwicklung der grösseren
Gemeinden Deutschlands in den letzten Jahrzehnten und
die Fortschritte auf den verschiedenen Gebieten der Ge-
meindeverwaltung in dieser Zeit veranschaulichen wird, die
andere die Erzeugnisse deutscher Gewerbetreibender für
den Bedarf grösserer Gemeindeverwaltungen zur Dar-
stellung bringensoll.
Die Ausstellung der Städte zerfällt in folgende 8 Haupt-
abtheilungen; I. Fürsorge der Gemeinden für Verkehrsver-
hälthisse, für Beleuchtung, Strassenbau und Entwässerung,
Brücken und Häfen, einschl. des gesammten Tiefbau- und
Vermessungswesens, der Strassenbahn usw. ; II. Stadt-
erweiterungen, Baupolizei und Wohnungswesen; III. Für-
ragen, nur in solcher Umgebung kann die Phantasie des
Besuchers rege werden.
Nun besteht die Absicht, den einen dieser Thorthürme,
welche seit Jahrhunderten, gleich treuen Wächtern den
Eingang der Stadt beschützt haben, niederzureissen, um
dadurch den ganzen Marktplatz nach der Vils zu zu öffnen
und die so geschaffene Oeffnung mit einem niederen,
wahrscheinlich modern verschnörkelten Portal zu über-
wölben, daneben zwei im Sinne grosstädtischer Baukunst
gedachte Neubauten zu errichten, um so das anheimelnde
Gepräge der Stadt vollständig zu verderben.
Während in grossen Städten die Bestrebungen, schöne
Thore zu erhalten, selbst wenn dadurch der Verkehr be-
hindert ist (man erinnere sich an das Isar- und Karlsthor
in München, das Hahnenthor in Köln) immer mehr sich
Geltung verschaffen, und während bei Neuanlagen gerade
wieder auf dieses entzückende Motiv zurückgegriffen wird
— siehe den feinempfundenen Thurm im kleinen Stadt-
entwurf zur Bebauung der Münchener Kohleninsel von
Theodor Fischer — will man in Vilsbiburg das wenige
schöne Alte verschwinden lassen, um einer nichts weniger
als künstlerisch empfundenen Baugruppe Platz zu machen.
Dass, sobald die neugeplante Brücke über die Vils ge-
baut ist, die jetzige Thordurchfahrt nicht mehr genügt,
ist zweifellos; dass aber an dieser Stelle ein ähnlicher
Thurmabschluss wieder hergestellt werden muss, wie er jetzt
schon im Kleinen dasteht und von seinem ehemaligen Er-
bauer sicherlich nicht ohne künstlerische Zweckbestimmung
erstellt wurde, ist klar. Gerade solch’ ein Thurm gäbe
in dieser an historischen Funden sämmtlicher Perioden
und Zeiten so reichen Gegend Gelegenheit zur Schaffung
eines kleinen Stadt-Museums, das bei den schon vorhan-
denen Sammelschätzen einiger Privater, die diese der
Stadt sicherlich zur Verfügung stellen würden, ein An-
ziehungspunkt für Fremde bedeuten dürfte. Fast jeden
Monat werden in der Umgebung grössere und kleinere
II. Oktober 1902.
sorge der Gemeinden für öffentliche Kunst (Architektur,
Malerei, Bildnerei); IV. Allgemeine Gesundheit und Wohl-
fahrt, Polizeiwesen; V. Schulwesen und Volksbildung;
VI. Armenwesen, Krankenpflege, Wohlthätigkeits- Anstalten,
Wohlthätigkeits-Stiftungen; Vll. Kassen- und Finanz-Ver-
waltung einschl. Steuern, städtische Gewerbebetriebe und
städtischer, zur Gemeindeverwaltung nicht unmittelbar be-
nutzter Grundbesitz, sowie Einrichtungen der Gemeinden
für Sparkassen und Leihwesen und VIII. Registratur- und
Bureau-Einrichtung, Beamtenschaft usw:, sowie Statistik
und Litteratur. Die Unternehmerin der im Dresdener
Aussteilungspalaste und -Parke in der Zeit vom 20. Mai
bis Ende September 1903 stattfindenden Ausstellung ist
in rechtlicher und finanzieller Beziehung die Stadt Dres-
den. Die Leitung des Unternehmens, an dem sich nach
dem gegenwärtigen Stande rd. 130 Städte mit 13 Millionen
Einwohnern, sowie nahezu 300 Firmen betheiligen, liegt in
den Händen des aus je einem Vertreter von 25 Städten
Funde gemacht, theils der Stein- und Bronzezeit, theils
dem Mittelalter, dem 3o-jährigen Kriege und der Zeit der
Franzosenherrschaft angehörend. Welch’ bedrückendes
Gefühl ist es für den Deutschen, wenn er in ausländischen,
namentlich englischen Sammlungen und Museen, die Fund-
stücke aus der Heimath entdecken muss, welche bei Nicht-
vorhandensein eines alle Einwohner gemeinsam inter-
essirenden Sammelortes meist in die Hände auswärtiger
Sammler fallen, anstatt dass dieselben am heimathlichen
Boden gepflegt werden und so auch dem Nichtfachmann
die Mittel an die Hand geben, in die kulturelle Entwick-
lung seiner Heimath einigermaassen einen Einblick zu er-
halten, um so die Liebe und das Gefühl zur Heimath zu
fördern und zu stärken. Würde in Vilsbiburg in ange-
regtem Sinne vorgegangen werden, so dürfte wohl auch
der Stadt die Unterstützung der Regierung nicht versagt
bleiben.
Nachdem unsere heutigen Bestrebungen auf die För-
derung des Bauwesens ausserhalb der Grosstadt mit be-
sonderer Betonung auf die heimathliche Kunst gerichtet
sind, wäre es als ein Verdienst zu betrachten, wenn an
diesem Platze der Zerstörung des Gesammtbildes von
Vilsbiburg noch Einhalt gethan werden könnte, und wenn
die Gemeindevorstände von ihren Beschlüssen zurück-
gebracht werden könnten, ein klägliches Städtebild zu
schaffen, für das eine spätere Generation, welche auch
ein Recht hat, dass von dem wenigen auf unsere Zeit ge-
retteten Schönen wenigstens das Abbild erhalten bleibe,
wenig Dank bezeigen wird“. — ■
Möge der eindringliche Ruf von Franz Rank nicht
ungehört verhallen. Das Erbe der Vergangenheit wird
täglich und stündlich durch unabwendbare Einflüsse ge-
schmälert. Um so mehr entsteht die Pflicht, abwend-
bare Einflüsse, die, wenn auch unbewusst, auf seine Zer-
störung gerichtet sind, mit allen Mitteln zurückzuhalten. —
527
und dem Stadtverordneten-Vorsteher von Dresden ge-
bildeten Ausschusses, sowie eines Vorstandes, der sich
zusammensetzt aus 4 Vertretern der Stadt Dresden und
8 vom Ausschuss gewählten Mitgliedern. An der Spitze des
Vorstandes steht der Oberbürgermeister von Dresden. —
Preisbewerbungen.
Die Entwürfe zum Neubau eines Museums in Königsberg
werden durch die Stadt zum Gegenstände eines Wettbe-
werbes gemacht werden. In dem Museum, für dessen
Errichtung eine Summe von i 300 000 M. in Aussicht ge-
nommen ist, sollen die Kunstsammlungen der Universität
und der Stadt untergebracht werden. —
Ein Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein
neues Zentral-Postgebäude am Maffei-Anger in München
steht in Aussicht. Es handelt sich um eine Anlage grössten
Umfanges mit einer Baukostensumme von etwa 6 Mül. M. —
Einen Wettbewerb betr. die Möglichkeit derUebertragung
elektrischer Energie ohne Drahtleitung erlässt unter Ver-
heissung einer Preissumme von 12 000 M. die Leitung der
Weltausstellung von St. Louis. Es handelt sich um die
Uebertragung elektrischer Kraft von mindestens P. S.
auf eine Entfernung von etwa 300“. —
Wettbewerb Kreishaus Recklinghausen. Es handelt
sich um ein an 3 Seiten frei stehendes Gebäude, für das
eine Bausumme von 180 000 M. vorgesehen ist. Das Bau-
programm ist das übliche, doch glaubt das Kreis-Bauamt
auf den Unterschied im Verkehr im Landrathsamt und im
Kreisausschuss aufmerksam machen zu müssen, Die äussere
Architektur soll sich einem vorhandenen Dienstwohnge-
bäude des Landrathes thunlichst anpassen. Der geforderte
Maasstab von i ; 100 für die Hauptzeichnungen ist reichlich
gross, da es sich doch nur um ein ganz einfaches Gebäude
handelt, dessen kubische Einheit nicht mehr wie 15 M.
kosten darf und für welches die Uebertragung der Aus-
führung Vorbehalten ist. Ausser der Vertheilung der S. 515
genannten Preise ist ein Ankauf nicht preisgekrönter Ent-
würfe für je 500 M. in Aussicht genommen. Vielleicht
darf man noch eine ergänzende Bestimmung erwarten,
nach welcher der Betrag von 1,50 M. für die Unterlagen
an die thatsächlichen Theilnehmer des Wettbewerbes zu-
rückgezahlt wird. —
I. Ausstellung für moderne dekorative Kunst in Turin
1902. Von deutschen Ausstellern erhielten silberne Me-
daillen: Arthur Berger, Goldschmied, Dresden; Sophie
Burger-Hartmann, Bildhauerin, München; W. Collin,
Lederwaarenfabrik, Berlin; Dresdener Werkstätten
fürHandwerkskunst, Dresden; Frauenwohl-Verein,
Nürnberg; Bernh. Goebel, Schreinerei, Freiberg i. S, ;
Carl Gundelach, Bildhauer, Hannover; Fritz Heckert,
Petersdorf; Hans und Fritz von Heider, keramische
Arbeiten, Magdeburg; Georg Hulbe, Lederarbeiten, Ham-
burg; Erich Kleinhempel, Zimmereinrichtung, Dresden;
Köllmayr (Kriner, Arch.), Möbelfabrik, München; Gebr.
Liebert, Verglasungen, Dresden; Loevy, Bronzegiesserei,
Berlin; A. Lüthi, Glasmalerei, Frankfurt a. M.; Albert
Maennchen, Kunstmaler, Berlin; Wilh. Müller, Arch,,
Berlin; Herrn. Mutz, Keramiker, Altona; Robert Oreans,
Zimmereinrichtung, Karlsruhe; Sächsische Porzellan-
fabrik in Potschappel bei Dresden; Olga Schirlitz, weibl.
Handarbeiten, München; Ed. Schöpflich, Goldschmiede-
waaren, München; Carl Spindler, Zimmereinrichtung, St.
Leonhard i. Eis.; Steinicken & Lohr, kunstgewerbl.
Atelier, München; Schöttle & Co., Möbelfabrik, Stutt-
gart-Berg; Hermann Werle, Architekt, Berlin; Winhart
& Co., Kupferarbeiten, München. —
Chronik.
Der neue Zentralbahnhof in Leipzig, welcher schon vor
einiger Zeit den sächsischen Landtag beschäftigte und für den
sächsischen Antheil von diesem genehmigt wurde, hat nunmehr
auch die Zustimmung der preussischen Regierung gefunden, sodass
die parlamentarische Erledigung auch hier erwartet werden kann.
Es handelt sich bekanntlich um eine neue Bahnäniage mit Empfangs-
Gebäude grössten Umfanges mit einer Kostensumme von ro6 Mill. M,,
für welche eine Bauzeit von 12 Jahren angenommen ist. —
Der Neubau des Sebastian-Spitales in Nürnberg, einer
Krankenhausanlage mit 500 Betten und mit einem Kostenaufwande
von 2 Mill. M. ist beschlossen worden. —
Das neue fürstliche Theater in Gera (Architekt: Heinrich
Seeling in Berlin) wird am 18. Okt. d. J. feierlich eröffnet werden
(s. Jahrg. 1902, S. 158). —
Eine neue Irrenklinik in München wird an der Ecke der
Goethe- und der Nussbaumstrasse nach den Entwürfen von Heil-
mann & Littmann in München errichtet- —
Zur Wiederherstellung der Lorenzer-Ktrche in. Nürnberg
bildete sich ein Comitc, welchem zunächst die Berathung des Um-
fanges der Wiederherstellung und sodann die Beschaffung der
Mittel obliegt. —
Städtisches Gaswerk In Nürnberg. Die Stadt Nürnberg
errichtet ein städtisches Gaswerk, das eine Summe von rd. 8 Mill. M.
beanspruchen wird. —
Ein Nationaldenkmal für Richard Wagner in Leipzig ist
in grossem Stile geplant. Man glaubt für dasselbe eine Summe bis
500000 M. aufbringen zu können. —
Kunstbrunnen auf dem Isarthorplatze in München. Aus
den Erträgen der Prinzregent Luitpold-Stiftung soll ein Betrag von
rd. 50000 M. zur Aufstellung eines Kunstbrunnens auf dem Isar-
thorplatze in München verwendet werden. Die Gewinnung des
Entwurfes wird auf dem Wege des Wettbewerbes stattfinden. —
Grosschiffahrtsweg Elster -Saale -Elbe. Der sächsischen
und der preussischen Regierung ist der Entwurf zu einem Gross-
schiffahrtswege Elster-Saale-Elbe zugegangen , für dessen Ausführung
27,5 Mill. M. angenommen sind, von welchen 15,3 Mill. M. auf Sachsen
und 12,2 Mill. M. auf Preussen entfallen würden. Der Ausgangs-
punkt der Wasserstrasse ist Leipzig. ~
Das alte Zeughaus in Koburg ist nach den Plänen und An-
gaben des Reg.- und Brih. Philibert im Aeusseren wiederher-
gestellt worden, —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Dem Eisenb.-Betr.-Dir. Co ermann in
Mülhausen ist beim Uebertr. in den Ruhestand der Char. als Geh.
Brth. verliehen.
Dem Garn.-Bauinsp. Welnlig in Freiburg i. Br. ist die Er-
laubniss zur Anlegung des ihm verlieh. Ritterkreuzes II- Kl. mit
Eichenlaub des grossh. bad. Ordens vom Zähriiiger Löwen ertheilt.
Der Garn.-Bauinsp. Brth. L e h n 0 w in Koblenz ist zur Int. des
XVI. Armee-Korps versetzt und das. mit der komm. Wahrnehmung
der Geschäfte eines 2. Int.- u. Brths beauftragt. Der Garn.-Bauinsp.
T e i c h m a n n in Posen ist nach Koblenz I versetzt und der Stadt-
brth, Weiss in Kattowitz als Garn.-Bauinsp. angestellt und der
Int. des Garde-Korps überwiesen.
Der Gavn.-Bmstr, Boerschmann bei der ostasiat. Besatzungs-
Brigade ist mit der Bauinsp.-Stelle bei der Int. das. belieben.
Hessen. Dem in den Ruhestand getretenen Geh. Brth. Alt-
vater in Darmstadt ist das Komthurkreuz II. Kl. des grossh. hess.
Verdienstordens Philipps des Grossmüthigen verliehen. Derselbe
ist komm, mit der Leitung der Abth. für Finanzwirthschaft und
Eisenbahnwesen des Min. der Ein. betraut, — Der Eisenb.-Bauinsp.
H e s s ist unt. Verleih, des Char. als Brth. in den Ruhestand versetzt.
Der Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp., Brth. Simon ist z. Vorst, einer
Betr.-Insp. in der hess.-preuss. Eisenb. -Gemeinschaft ernannt.
Preussen. Den Prof. Geh. Reg.-Räthen Brandt von der
Techn. Hochschule in Berlin und Fischer in Hannover ist der
Rothe Adler-Orden III. Kl. mit der Schleife, dem Arch. u. Baudir.
Ritter in Frankfurt a. M. der Rothe Adler-Orden IV. Kl., sowie
beim Uebertritt in den Ruhestand : dem Eisenb.-Dir. Präs. Taeger
in Magdeburg der kgl. Kronen-Orden II. Kl. mit dem Stern und
dem Ob.-Brth. Bai lauf in Kassel der kgl. Kronen-Oden II. Kl,,
schliesslich dem Reg.-ßmstr, Ahrns in Posen der kgl. Kronen-
Orden IV. Kl. verliehen.
Dem Geh. Brth. Stubben in Köln a. Rh. ist die Annahme
und Anlegung des ihm verlieh. Offizierkreuzes des grossh. luxemb.
Ordens der Eichenkrone gestattet.
Versetzt sind: der Reg.- und Gew.-Rath Kiel in Münster nach
Trier, der Gew.-Rath Hesse in Pritzwalk nach Könitz, die Gew.-
Insp. O 1 s c h e w s k in Könitz nach Kottbus u. Gg. L a u r i s c h
in Kottbus nach Berlin II (Potsdam).
Der Geh. Reg.-Rath Voigtei, Dombmstr, in Köln und der
kgl. Brth. Leissner, Dir. der Henschel’schen Masch.-Fabr. in
Kassel, sind gestorben.
Reuss j. L. Der Bez.-Bauinsp. Willkomm in Ohrdruff ist
z. Landbmstr. in Gera erwählt.
Sachsen-Altenburg. Dem Brth. Schierholz in Roda ist
die Erlaubniss zur Annahme und zum Tragen des ihm verlieh.
Ritterkreuzes I. Abth. des grossh. Hausordens der Wachsamkeit
oder vom weissen Falken ertheilt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. P. H. in Charlottenburg. In Charlottenburg
haben die Berliner Bauobservanzen nie gegolten, welche ein Ver-
bauen der Fenster des Nachbars gestatteten. Nach dem für Char-
lottenburg geltenden Landrecht konnte durch Ersitzung das Recht
auf Schutz vorhandener Fenster unter den gesetzlichen Voraus-
setzungen entstehen. War der beregte Nachbar zurzeit der Ein-
führung des bürgerlichen Gesetzbuches befugt, das Verbauen seines
Fensters zu verhindern, so verblieb ihm dies wohlerworbene Recht
auch unter der Herrschaft des B. G. B. Ob er jedoch ein Recht
auf Schutz der Fenster und des Lichtes wirksam erworben hatte,
darüber giebt Ihre Anfrage kein vollständiges Bild. Da nach Ihrem
ferneren Sachvortrage das Fensterrecht vergleichsweise gegen
2000 M. abgelöst ist, scheint uns Ihre angeregte Streitfrage be-
deutungslos. Denn die Anfechtung geschlossener Vergleiche ist
nach neuerem Rechte so schwierig, dass kaum aiizunefamen ist,
sie werde im vorliegenden Falle gelingen, weil höchstens ein
Irrthum in den Beweggründen vorliegen dürfte, der aber keinen
ausreichenden Grund zur Aufhebung geschlossener Verträge ab-
giebt. — ■ K. H-e.
Inhalt: Die neue Strassenbrücke über das Thal der Petrusse in
Luxemburg. — Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein
neues Kollegien-Gebäude der Universität Freiburg i. ßr. — Bedrohte
Städtebilder. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Chronik. — Personal-
Nachrichten. — Brief- und Fragekasten. —
Hierzu eine Bildbeilage: Das neue Kollegien-Gebäude der
Universität Freiburg i. Br.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Ho.fmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve,-Berlin.
-NOv 82..
ER WETTBEWERB BETR. ENTWÜRFE FÜR EIN
NEUES KOLLEGIEN-GEBÄUDE DER UNIVERSITÄT
FREIBURG I. BR. * ENTWÜRFE DER HERREN PROF.
FR. RATZEL IN KARLSRUHE (II. PR.) UND BAU-
DIR. MAX MECKEL IN GEMEINSCHAFT MIT ARCH.
C^A. MECKEL IN FREIBURG; EIN III. PREIS * *
= DEUTSCHE BAUZTG. XXXVI. JAHRG. - N». 82 =
AUZEITUNG.
GANG. * N2: 83. ^
DEN 15. OKT. igo2. *
«««««««rsrstsrstss;««
Entwurf „Kelim* der Hrn. Paul & Carl Bonatz in .‘Sluttgart. Ein III. Preis.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Kollegien-Gebäude der
Universität Freiburg i. Br.
(Fortsetzung.) Hierzu die Abbildungen auf Seite 533.
er Bauplatz für das neue KoUegiengebäude zu folgen. Es ist nicht zu leugnen, dass sich mit einer
liegt an der südwestlichen Peripherie des solchen Annahme Schwierigkeiten im Verkehr im
alten Stadtkernes in Freiburg, unweit der Inneren des Gebäudes ergeben würden, die in erhöhtem
Hauptverkehrsader der Stadt, der Kaiser- Maasse bei den wenigen Entwürfen eintreten dürften,
Strasse, gegenüber der neuen Bibliothek, welche den Versuch unternommen haben, die Gebäude-
an herrlichen Anlagen und in der Nachbarschaft des masse ohne inneren Hof an der Beifort- und der
geplanten neuen Theaters. Es würde somit nach Werderstrasse entlang anzulegen und sie gegen die
Vollendung von The-
ater und Kollegien-
gebäude in jener
Gegend ein monu-
mentales Stadtviertel
von grossartigem Ge-
präge entstehen. Die
Verhältnisse derBau-
stelle selbst gehen
aus dem Lageplan
S. 524 hervor; sie
wird begrenzt von
der stattlichen Bei-
fort- und der noch
stattlicheren Werder-
strasse im Süden
und Westen, wäh-
rend im Nordosten
die bescheidene Lö-
wens trasse berufen
ist, dem neuen Ge-
bäude Luft und Licht
zu spenden. Im Osten
grenzt die Baustelle an ^ .. .j. ^
Was nun zunächst die Bebauung der Baustelle weit zu folgen, sind die meisten der Entwürfe ge-
in grossen Zügen anbelangt, so haben die Lage der kommen, welche für den Grundriss den Versuch einer
umgebenden Strassenzüge, die Nachbarschaft der Diagonallösung mit dem Haupteingang von der ge-
neuen Universitäts-Bibliothek und die verhältniss- brochenen Ecke gemacht haben. Es hat diese An-
mässige Enge der Löwenstrasse in gleicher Weise nähme, welche, wenn wir recht unterrichtet sind, auch
zu den verschiedensten Lösungen geführt. Gering in mehreren Vorentwürfen getroffen war, zu einigen
an Zahl sind die Entwürfe, welche den Versuch unter- recht glücklichen und scharfsinnigen Lösungen geführt,
nommen haben, unter Annahme eines grossen Mittel- wobei die Schwierigkeiten aus der Diagonallösung,
hofes mit derBebauung annähernd den Bauplatzgrenzen die Zerschneidung der Räume usw. mit grossem Ge-
Löwenstrasse völlig
zu öffnen. Die gute
Absicht für dieletzte-
reAnnahme ist unver-
kennbar; es hat sich
indessen gezeigt,dass
bei konzentrirter An-
lage und bei Gnip-
pirungderRäume um
einen oder zwei klei-
nere bedeckte regel-
mässige oder unbe-
deckte Innenhöfe die-
se Absicht, nämlich
der Löwenstr. mög-
lichst viel Fläche und
damit dem Gebäude
von dieser Seite mög-
lichst viel Luft und
Licht zuzuführen,
auch erreicht werden
kann. Zu der An-
nahme, an der Lö-
i bestehende Häusergruppe, wenstrasse den Bauplatzgrenzen mehr oder weniger
529
schick gelöst sind. Man hat dabei auch versucht,
einen symmetrischen Grundriss zu schaffen, indem
man von der im Programm gebotenen Möglichkeit
Gebrauch machte, die Räume für die Universitäts-
verwaltung in einem gesonderten Gebäude anzu-
nehmen, dieses an die östliche alte Baugruppe anzu-
schliessen und es nach Westen durch eine offene oder
durch Gänge usw. überbaute Strasse von dem Haupt-
gebäude zu trennen. Dadurch konnte die vielen Be-
werbern erwünschte Regelmässigkeit der Baustelle,
soweit wir zu sehen vermögen, ohne Zwang hergestellt
werden. Auch im rechtenWinkel gelagerte Baugruppen
mit symmetrischer Grundgestalt, mit der Annahme des
Haupteinganges gegenüber der Realschule und zweier
quadratischer Höfe zu Seiten einer Mittelhalle sind
versucht worden und die Verfasser dieser Entwürfe
haben dann die nothwendig unterzubringenden Räume
in einen anschliessenden langen Flügel entlang der
Beifortstrasse gelegt. Die meisten Verfasser haben
sich entschlossen, den Haupteingang am westlichen
Ende der Beifortstrasse, in unmittelbarer Nähe des
Haupteinganges zur Universitäts-Bibliothek anzulegen,
weil sie der richtigen Meinung waren, dass eine mög-
lichst nahe Wechselbeziehung zwischen den beiden
Gebäuden zu schaffen sei. Einige Vertreter dieser
Gruppe haben dann zur Erleichterung des Verkehres
noch den Versuch unternommen, am östlichen Ende
des Bauplatzes in der Beifortstrasse einen zweiten
Haupteingang anzunehmen.
Die grösste Mehrzahl der Bewerber hat, unter recht-
winkliger Lagerung der Hauptmassen des Bauwerkes,
eine unsymmetrische Gestaltung des Grundrisses ange-
nommen, einige sind der Unregelmässigkeit auch in
der nicht rechtwinkligen Lagerung der einzelnen Bau-
gruppen zu einander gefolgt. Dass das Bestreben
vorlag, die Löwenstrasse selbst bis zu platzartigen
Gestaltungen zu erweitern, ist natürlich und wurde
bereits berührt. Es fehlt aber auch nicht an Ver-
suchen, an der Ecke der Werder- und der Beifort-
strasse mit einzelnen Gebäudetheilen mehr oder weni-
ger hinter die Bauflucht zurückzugehen. Mit wenigen
Ausnahmen erfolgte diese Annahme jedoch lediglich
zum Zwecke einer schönen Gruppirung der Baumassen.
Die gegebenen Bauplatzgrenzen durften in nur be-
scheidenem Umfange überschritten werden; es hat
jedoch der Wettbewerb gezeigt, dass eine nach allen
Gesichtspunkten zweckmässige Lösung unter Umstän-
den eine über das bewilligte Maass hinausgehende
Ueberschreitung erfordert, die unseres Erachtens an
der Beifort- und an der Werderstrasse auch unbe-
denklich zugestanden werden könnte.
Das Raumprogramm haben wir bereits bei der
Ausschreibung des Wettbewerbes in grossen Zügen
besprochen. Seine Hauptschwierigkeit gipfelte neben
der zweckmässigen Anlage der Raumgruppen für die
einzelnen Fakultäten zu einander in der Unterbrin-
gung der Aula und der grossen Hörsäle. Manche
Bewerber haben geglaubt, für diese unbedingt Nord-
licht wählen zu müssen und haben danach ihre Grund-
risse bisweilen unter Aufwendung eines grossen Maasses
von Scharfsinn gestaltet. Indessen, es ist diese Forde-
rung doch keineswegs als eine unbedingte zu betrachten,
denn selbst die ausgesprochene Südlage führt in unseren
Breitegraden unter Umständen und bei Universitäten
zu geringeren Unzuträglichkeiten , als die ausge-
sprochene Nordlage. In den heissesten Sommer-
monaten sind die Universitäten geschlossen und die
heissen Tage der übrigen Monate sind so gering an
Zahl, dass bei ihnen die Südlage kaum als eine
Störung empfunden werden kann. Dagegen wird in
den langen Wintern der Wunsch nach Sonne häufig
sich regen, ein Wunsch, den die Nordlage nicht zu
befriedigen vermag. Ist somit die Himmelsrichtung
der Hörsäle nicht in solchem Maasse an unumgäng-
liche Bedingungen geknüpft, so ist es dagegen die
Gestaltung der Hörsäle in sich. Die Ausnutzung der
Räume hat manche Bewerber dazu geführt, Hörsäle
anzulegen, in welchen entweder der Dozent oder die
Hörer ins Licht sehen; beides darf nicht der Fall
sein. In anderen Entwürfen wieder haben die Hör-
säle eine so ungünstig lange Form erhalten, dass sie
ihren Zwecken nur unvollkommen entsprechen. Viel-
fach ist auch versäumt worden, vor der Aula das
Maass an Raum zu schaffen, welches zum plötz-
lichen Ausströmen einer grösseren Menschenmenge
nöthig ist.
DieBaukosten waren einschliesslich derGründungs-
arbeiten, der Wasser- und Entwässerungs-Leitungen,
der Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungs-Anlagen,
jedoch ausschliesslich der Kosten für die Platzgestaltung,
der Einrichtung, der Planfertigung und Bauleitung auf
nur I 700000 M. angenommen. Der Wettbewerb hat
gezeigt, dass die Ausführung um diese Summe, zwar
mit Mlen Mitteln der Sparsamkeit erreicht werden
könnte, dass indessen doch zur möglichsten technischen
Vollendung des Gebäudes bei zugleich massigem künst-
lerischem Aufwande die Erhöhung der Summe auf
etwa 2 500 000 M. gefordert werden müsste. Mit dieser
Summe könnte ein Gebäude geschaffen werden, welches
nicht allein Nutzbau, sondern in bescheidenem Maasse
auch Kunstbau sein und sich so harmonisch in das
schöne Stadtbild von Freiburg ein ordnen würde. —
(Schluss folgt)
Billige Schalungsdächer.
ie Dächer mit hölzerner Dachschalung sind ausser-
ordentlich verbreitet. Neben dem Holzzement-Dach
erfreut sich besonders das Pappdach grosser Be-
liebtheit. Bei allen industriellen Bauten, wie Fabrik-Ge-
bäuden, Werkstätten, Lagerhäusern und Schuppen jeder
Art wird es fast ausschliesslich verwendet, aber auch bei
Scheunen, Remisen, Ställen und anderen Bauten für den
Betrieb der Landwirthschaft wird das Pappdach gern
bevorzugt. In der That ist das Pappdach eine sehr ge-
eignete Bauweise. Gegen Funkenbewurf von aussen her
ist es unempfindlich und feuersicher. Die Wärmedurch-
lässigkeit ist gering. Der Wärmeverlust bei einem Papp-
dach mit üblichen Abmessungen ist etwa ebenso gross,
wie der einer 30 starken Wand aus Ziegelsteinen. Bei
guter Unterhaltung ist die Lebensdauer des Pappdaches
verhältnissmässig gross. Schliesslich aber, und das ist
wohl der Grund seiner allgemeinen Verwendung, ist das
Pappdach zurzeit die absolut billigste Dachkonstruktion.
Das Pappdach hat nun ein sehr geringes Eigengewicht.
Einschliesslich des Dachstuhles wiegt i qm bei 10 m Stütz-
weite bei 20 m Stützweite 63 kg. Wählt man die
Tangente des Neigungswinkels -E, so ist noch eine senk-
recht wirkende Wind- und Schneelast von 100 kg^qm zu
berücksichtigen. Jedem nun, welcher unbefangen Papp-
dächer von grösserer Stützweite betrachtet, wird es auf-
gefallen sein, dass für diese sehr geringen Belastungen
eine unverhältnissmässig grosse Materialmenge verwendet
wird. Für i q® Grundfläche enthält ein Pappdach auf
Polonceau-Dachstuhl bei 10 “ Stützweite ausschliesslich
Schalung 5,4 kg Eisen und 0,037 cbm Holz, bei 20 m Stütz-
weite ohne Schalung 12 kg Eisen und 0,044 cbm Holz. Hier-
bei ist angenommen, dass die gedrückten Theile des Dach-
stuhles aus Holz hergestellt werden. Bei Verwendung von
Eisen sind die Kosten erheblich höher.
Bei den Pappdächern wird nun ein Konstruktionstheil,
nämlich die Schalung, sehr wenig in Anspruch genommen.
Eine einfache Untersuchung ergiebt, dass die Schalung
nicht nur imstande ist, die Biegungsspannun^ durch die
Wind- und Schneelast, sondern auch noch die Axialspannun-
gen aufzunehmen, welche sonst den Obergurten der Dach-
binder zufallen. Das Material der Obergurte kann daher
ganz gespart werden. Mit anderen Worten ausgedrückt
findet man, dass Schalungsdächer einen Dachstuhl über-
haupt nicht erfordern, sondern dass eine Armirung der
Schalung ausreicht, um beliebige Spannweiten zu über-
decken.
Die Konstruktion ist nachstehend an zwei Beispielen
erläutert. Abbildg. i (Querschnitt) und Abbildg. 2 (Grund-
riss ohne Schalungsbretter) stellen einen Schuppen in, Holz-
fachwerk dar. Die Schalungsbretter liegen in der Richtung
der Dachneigung, die Schalung s stützt sich gegen die
Schwellen f und t. Sie wird getragen durch die Pfetten g,
welche die Belastung mittels der Stützen v auf den aus
einem U-Eisen bestehenden Untergurt u übertragen. Die
Schwellen t werden durch die i^ialkraft der Schalung
No. 83.
530
auf Biegung in wagrechtem Sinne beansprucht und sind
daher durch Meine Sprengwerke gestützt. Die doppelten
schlaffen Diagonalen d sind bei gleichmässig vertheilter
Belastung spannungslos, also überflüssig, und nur ange-
ordnet, um die bei einseitiger Schnee- und Windbelastung
auftretenden sehr geringen Spannungen aufzunehmen. Sie
bestehen aus dünnen Rundeisen. Die Binderkonstruktion
ist alle 3 m wiederholt.
Im vorliegenden Falle ist eine 3 cm starke Schalung
zu verwenden, welche auf die Binderbreite von 3“ die
Fig.l,
Die Biegungsspannung durch die äusseren Kräfte ergiebt
sich zu 10,3 Nimmt man schliesslich noch eine
Einzellast von 100 in der Mitte zwischen zwei Pfetten
auf 30 c“ Schalungsbreite an, und betrachtet, dieses Stück
der Schalung auf der einen Seite als fest eingespannt, auf
der anderen Seite als frei aufliegend, so erhält man eine
Beanspruchung von 3i,3^g/qcm. Imganzen ist sonach die Be-
anspruchung der Schalung in der am stärksten gedrückten
Faser 49,95 kq/qcm. Die Ausführung dieses Daches hat be-
stätigt, dass die Bauweise ausserordentlich steif ist. Der
Aufbau Uess sich leicht bewerkstelligen, ohne dass eine feste
Rüstung nöthig wurde. Dieses Dach enthält ausschliesslich
Schalung, nur etwa die Hälfte des Materiales eines Papp-
daches auf Polonceau-Dachstühlen. Die Mehrarbeit der
Binder ist gering, sodass sich imganzen die Kosten der
neueren Bauart wesentlich geringer stellen als diejenigen
eines bisher üblichen Pappdaches von gleicher Stützweite.
In Abbildg. 3, 4 und 5 ist im Querschnitt, Grundriss
ohne Schalung und in der Ansicht ein 18 “ breites Fabrik-
gebäude dargestellt. Die Schwellen t sind aus Beton mit
der Eiseneinlage e geformt, demnach geeignet, die Hori-
zontalspannung aufzunehraen. Die hölzerne Mittelschwelle
ist durch geschweisste schmiedeiserne Rohre unterstützt.
Der Abstand der Binder ist 4 Die Wände des Gebäudes
bestehen aus Betonpfeilern mit Eiseneinlage und dazwischen
gesetzten 8 starken Zementdielen. Damit die Zementr
dielen nicht unhandliche Länge erhalten, sind mit 2“ Ab-
stand Zwischenpfeiler angeordnet. Die Schwelle t bildet
gleichzeitig die Dachrinne, so dass diese empfindliche
Stelle aller Bedachungen in solider und unvergänglicher
Weise konstruirt ist. Die Feuersicherheit derartiger Ge-
bäude ist wesentlich grösser, als die von massiven Schuppen
mit Schalungsdächern auf Dachstühlen,, deren gedrückte
Theile aus Holz bestehen. Während dort die schweren
Hölzer beim Herabstürzen meistens grossen Schaden an^
richten, trägt sich hier das leichte Dach bis zur Zerstörung
eines grossen Theiles der Dachschalung selbst, weil die
Axialspannung nur wenige kg^qcm ausmacht. Da die Unter-
gurte hier in den Wänden befestigt sind, verhindern die-
Fig 3, Fig.5.
Fig. 4.
grösste Axialspannung nahe dem Auflager von 7500 kg er-
hält. Die Entfernung der Pfetten ist 1 Das erforder-
liche Trägheitsmoment der Schalung beträgt daher 625.
Das Trägheitsmoment der Schalung auf 3“ Breite ist 675.
Die Axialspannung der Schalung auf i qcm beträgt 8,35 kg.
selben auch nach dem Zusammenbruche
ein Niederstürzen des Holzwerkes.
Die Form des Untergurtes und die Lage
der Stützen ist so gewählt, dass bei gleich-
mässig vertheilter Belastung, welche hier
allein infrage kommen dürfte, die Axial-
spannung der Dachschalung an allen Stellen
konstant ist, und dass etwaige Diagonalen
in den Feldern spannungslos wären. Die
Diagonalen konnten daher fortgelassen wer-
den. Für die Schalung genügt die übliche
Stärke von 2,5 cm.
Schuppen nach Abbildg. 3—5, deren
Wände aus unvergänglichem Material be-
stehen und dieselbe Wärme-Isolation be-
sitzen, wie Ziegelwände von 1V2 Stein
Stärke, stellen sich nicht viel theurer, als
Holzfachwerk-Bauten.
Die beschriebenen Konstruktionen kommen für Stütz-
weiten von 9— 20“ besonders infrage, sind durch angemel-
dete Patente geschützt und werden in Berlin von Stiebitz
& Köpchen, Charlottenburg, Suarezstrasse 20, ausgeführt.
Berlin 1902. Leschinsky, Reg. -Baumeister.
Vermischtes.
Fischsterben in Flussläufen, an welche Nothauslässe
von Stadtkanalisationen anschliessen. Die Frage: welche
besonderen Ursachen es sind, die nach heftigem Ge-
witterregen, bei welchen Nothauslässe in Wirksamkeit
treten, das oft beobachtete massenhafte Fischsterben her-
15. Oktober 1902.
vorrufen, ist trotz ihres Alters immer noch nicht geklärt.
Man weiss nicht, ob die mechanische Verstopfung der Kie-
men derFische, diebei massenhafter Zuführungvon Schmutz
stattfindet, ob der durch rasche Oxydation der Schmutz-
stoffe organischer Herkunft verminderte Sauerstoffgehalt
des Flusswassers, ob endlich Gewitterregen die Ursache
ist, welche jene Erscheinung hervorruft. Das Fischsterben
531
ist um so räthselhafter, als
nach vielfachen Beobach-
tungen es sich einstellt,
wenn Gewitterregen fallen,
dagegen nicht bemerktwirf!,
wenn es sich um gleich
starke Regenfälle handelt,
die ohne Gewittererschei-
nungen niedergehen. Mög-
licherweise spielten auch
Besonderheiten des Fluss-
wassers und der Schmutz-
stoffe, welche die Nothaus-
lässe dem Flusse zuführen,
eine Rolle, so dass es nöthig
sein würde, um zur Klärung
der Frage zu gelangen,
besondere Untersuchungen
für jeden einzelnen Fluss-
lauf anzustellen. Für die
Spree, an der nach schwe-
renGewitterregen dasFisch-
sterben seit Jahren beob-
achtet werden konnte, will
man endlich mit einem ge-
naueren Studium der Frage
Emst machen, nachdem ein
Fischer den Klageweg ge
gen die Stadt betreten und
ein obsiegendes Erkennt-
niss erstritten hat. Es sollen
nach einer Mittheilung in
der N.-Z. systematische Un-
tersuchungen des Spree-
wassers im Weichbilde der
Stadt angestellt werden, für
die vorläufig die Dauer von
mindestens drei Jahren in
Aussicht genommen ist. Sie
sollen sich auf den Nach-
weis des Sauerstoff-j Koh
lensäure- und Stickstoffge
haltes, äufAmmoniak, Chlor
Schwefelwasserstoff usw.
Sumpfgase, Mineralsloffe
thiens^e und pflanzl. Or
ganismen usw. erstrecken
Die Deputation für die
städtischen Kanalisations
werke hat eine Subkom-
mission eingesetzt, welche
die Angelegenheit vorbe-
rathen und späterbestimmte
Vorschläge machen soll. —
Verwerthung der Kalk«
rückstäude der Acetylen -
Gasanstalten. Nach einem
Entwurf , Deutschem Geiste eine Warte" der Hrn.
Schulz & Schlichting in Berlin. Ein IV. Preis.
Entwurf von Prof. Friedr. Ratzel
in Karlsruhe. Ein IV. Preis.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen
für ein neues
Kolleglen-Gebäude der Universität Freiburg 1. Br.
532
No. 83.
den königl. Eisenbahn-Direktionen zugegangenen Erlasse dem gewöhnlichen Mörtel in seiner Bindekraft in keiner
des preussischen Herrn Ministers der öffentlichen Ar- Weise nach; er eignet sich daher wohl für Maurerarbeiten
beiten steht der Acetylenkalk, wenn er auch nicht als untergeordneter Bauwerke. Die Kalkrückstände haben sich
Mörtel für Maurerarbeiten erstklassiger Bauwerke zu ferner zum Anstreichen von Grenz- und Prellsteinen, Keller-,
empfehlen ist, in Verbindung mit einem geringen Zusatze Schuppen- und Werkstattsräumen, Wärterhäusern, Abort-
von anderem Kalk oder als verlängerter Zementmörtel und ähnlichen Anlagen gut bewährt und hierbei haltbarer
15. Oktober 1902.
533
als der gewöhnliche Kalk erwiesen. Ueber die bei weiterer
V er werthung der Kalkrückstände für die Zwecke der eigenen
Verwaltung gemachten Erfahrungen sollen die Direktionen
bis zum I. April 1904 berichten. — Bl.
Eine' ÄrV Honorärriörm für Architekten hat die Stadt
Paris für ihre öffentlichen Bauten nach langen Verhand-
lungen aufgestellt, die bei den bestehenden bedeutenden
Ausführungen zur Anwendung kommen soll. f)ie Fest-
setzung hat in der Weise stattgefunden, dass Bauwerke
von grösserem Kostenaufwände mit weniger als 5 % der
Bausumme, kleinere Bauten mit rhehr als 5 % in Rech-
nung gestellt werden. , Im allgemeinen sollen in der Zu-
kunft folgende Sätze für die Honorirung gelten:
4% bei Ausführungskosten über 800000 M.
4V2%h V von 600000—800000
5% „ 400000—600000 „
6% „ „ unter 200000 „
Es bleiben der Stadtverwaltung an diesen Sätzen jedoch
auch Aenderungen je nach der Bedeutung des Gegen-
standes Vorbehalten. —
Mack’s- Feuerschutz-Mantel. Dass die Fabrikate der
Mack’schen Gipsdielen-Fabriken, wie verschiedene Feuer-
proben erwiesen haben, selbst nicht brennen, die Wärme
schlecht leiten und daher als Feuerschutz von Holz- und
Eisenkonstruktion sehr wohl zu verwenden sind, ist be-
kannt. Der ausgedehnten Anwendung zu diesem Zwecke
stand aber bisher die starre Form der Gipsdielen im Wege.
Die Firma_ fertigt jetzt aufrpllbare Gipsdielen (D. R. G. M.
156299), die aus 1,5 oder 2 cm starken, trapezförmigen
Latten des gleichen Materials bestehen, die auf Jutestoff
aufgeklebt sind, sodass Tafeln von 0,66“ Breite zu 1,50“
Länge entstehen, die sich gerollt bequem transportiren
und allen Formen anpassen lassen. Abbildg. i zeigt die
Afabildg. 3.
Fugen init Mörtel ausgestrichen, den Beschluss bildet ein
lomm starker Putz. Für provisorische Bauten genügt unter
Umständen der Mörtelausstrich der Fugen allein. Der Man-
tel wird auch umgekehrt verwendet mit dem jutegewebe
nach aussen, das in diesem Falle nur einen ganz schwachen
Verputz erhält. Die Decken trocknen dann besonders
rasch aus. Die Preise für diese 3 Arten der Ausführung
stellen sich je nach den besonderen Verhältnissen auf
2,2 — 2,5; 2 — 2,2; 1,8—2 M. für I q“ und bei 2 cm dickem
Schützmantel. Der Preis des Mantels allein ist 1,25 bezw.
1,35 M. für I qm bei 1,5 bezw. 2 cm Stärke. Das Gewicht
ist verhältnissmässig gering, nämlich 15 bezw. iS^g für
i_qm. Abbildgn. 2 und ,3 zeigen die Ummantelung von
eisernen Unterzügen und Säulen. Hier ist zunächst eine
Unterlage für die Befestigung des Mantels herzustellen.
Diese erfolgt durch in 50 cm Abstand eingelegte Doppel-
drähte, die, mit Gipsmörtel beworfen, Ringe um den Kon-
struktionstheil bilden, welche als Lehren für den Mantel
dienen und an denen der letztere mit verzinkten Draht-
stiften befestigt werden kann'. Dann wird die fertige Um-
hüllung spiralförrnig mit Draht umzogen und geputzt. Die
Kosten stellen sich hier entsprechend der schwierigeren
Ausführung natürlich etwas höher, nämlich auf 3 — 3,5 M.
für 1 qm.
Das Material erscheint geeignet, sich ein grösseres
Anwendungsgebiet zu schaffen. —
534
Die alten Kunstdenkmäler auf dem „Deutschen Katho-
likentag“ in Mannheim. Der „Deutsche Katholikentag“ in
Mannheim, welcher in den letzten Tagen des August ab-
gehalten wurde, hat den folgenden Antrag zum Schutze
der alten Kunstdenkmäler angenommen:
„Die Generalversammlung bittet den hochwürdigen
Klerus und die verehrlichen Kirchenvorstände, bei der
Restaurirung sämmtlicher Kunstdenkmäler aller Stil-
perioden die grösste Vorsicht zu beobachten, insbesondere:
1. Die Bauten jn den historisch überlieferten Formen
zu erhalten, insoweit nicht künstlerische Erfordernisse oder
praktische Rücksichten Aenderungen unbedingt erheischen.
2. Die Ausstattungs- und Gebrauchsgegenstände, wel-
cher Zeit- und Kunstrichtung sie angehören mögen, gegen
■weitere Beschädigungen namentlich auch durch unvor-
sichtige Reinigungen zu schützen und nur in den aller-
dringlichsten Fällen und mit der grössten Zurückhaltung
zu restauriren.
3. Alle Gegenstände, die für den kirchlichen Gebrauch
gar nicht mehr verwendbar sind, entweder in den Schatz-
kammern aufzübewahren , oder den öffentlichen Museen
kirchlicher bezw. weltlicher Art zu überlassen, dieselben
aber keineswegs an Händler oder an Liebhaber zu ver-
äussern.“
Im, Weiteren wird die Unterstützung der deutschen
Gesellschaft für christliche Kunst empfohlen. —
Ein Denkmal für Ernst Dircksen, den Erbauer der
Berliner Stadteisenbahn, von Freunden und Verehrern
des Verstorbenen gestiftet, ist am 13. d. M. in Gegenwart
des Hrn. Ministers d, öffentl. Arbeiten Budde, Vertretern
des Reiches und der Stadt, der technischen Hochschule
und ihrer Studentenschaft, sowie der Familie des Gefeier-
ten und zahlreicher Ingenieure, die aus der Dircksen’-
schen Schule hervorgegangen sind , enthüllt worden.
Dieses Denkmal, eine Bronzebüste auf schlichtem Granit-
sockel, von Prof. Brunow in Berlin modellirt, hat in
dem Westportal des Bahnhofes Friedrichstrasse vor
dem Eingang zum Kaiserzimmer, also an hervorragen-
der Stelle im Mittelpunkte des Verkehrs und vor dem
Hauptwerke des Gefeierten, das seinen Ruf als den eines
hervorragenden Ingenieurs begründet hat, Aufstellung
gefunden. Hr. Geh. Ob.-Brth. Sarrazin hielt als Vor-
sitzender des Denkmal-Ausschusses die Festrede, in wel-
cher _ er einen kurzen Abriss von dem Leben- und der
Thätigkeit Dircksens*) gab und seine hervorragende Be-
deutung als Ingenieur darauf zurückführte, dass er es ver-
standen habe, in jeder Aufgabe, sowohl der grössten wie
der kleinsten, den wissenschaftlichen Kern herauszuschälen
und dann bei der Uebertragung seines Gedankens in
die Wirklichkeit die praktischste Form zu finden. Mit der
Enthüllung des schlichten, dem einfachen Wesen Dircksens
ensprechenden Denkmals schloss die würdige Feier. —
Musterbuch für Treppen usw. von H. Fritzsche. Be-
richtigend haben wir zu dieser Notiz in No. 81 zu bemerken,
dass die Firma ihren Sitz in Leipzig und nicht in Dres-
den hat. —
Mittheilungen aus Vereinen.
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine.
Der Ortsausschuss der letzten Wanderversammlung
des Verbandes deutscher Architekten- und Inge-
nieur-Vereine zu Augsburg theilt mit, dass von den
3 Festschriften noch eine beschränkte Anzahl vorhan-
den sind, die zusammen an die Hrn. Verbands-Mitglieder
zum Vorzugspreise von 16 M. (Ladenpreis 20 M.) ab-
gegeben werden; es nimmt Bestellungen hierauf der
Schriftführer, Hr. Ing. A. Niederreiter im Stadtbauamt
Augsburg, entgegen. —
Todtenschau.
Dombaumeister Geheimer Regierungsrath Richard Voigtei
in Köln a. Rh. -j-. In Köln a. Rh. erlag am 28. Sept. der
Dombaumeister des Kölner Domes, Geheimer Regierungs-
rath_ Richard Voigtei, den Folgen eines vorausgegangenen
Gehirnschlages im Alter von 73 Jahren. Mit dem Ver-
storbenen ist ein Fachgenosse dahingegangen, dessen Name
auf immer mit dem grössten Lebenswerke, das einem
Künstler beschieden sein kann, verknüpft ist: mit der
Vollendung des stolzenWahrzeichens des deutschen Nieder-
rheines, des Kölner Domes. Indessen, es mag gleich vor-
ausgeschickt werden: die Bedeutung Voigteis lag nicht in
erster Linie auf künstlerischem Gebiete, sondern in der
ungemeinen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, mit welcher er
den ungewöhnlichen und grossen konstruktiven Schwierig-
keiten des seltenen Werkes, dem er sein Leben gewidmet
hatte, gerecht wurde.
*) Vergl. den Nachruf in No. 40 Jahrg. 1899 der Dtschn. Bztg.
No. 83.
Voigtei wurde am 31. Mai 1829 in Magdeburg geboren.
Seine Studien machte er auf der Berliner Bauakademie.
Im Anfänge der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
wurde er mit Dombaumeister Zwirner in Köln bekannt, zu
dem er nach Ablegung der Baumeister-Prüfung in dienst-
liche Beziehungen trat. Die ersten Arbeiten Voigteis waren
der Bedachung des Domes und der Lösung der Frage
der Vierungsbekrönung gewidmet. Die Einwölbung des
Lang- und des Querschiffes, die Errichtung des Strebe-
systems für dieselben waren seine erste und selbständige
Arbeit, bei welcher seine konstruktive Umsicht auf eine
harte Probe gestellt wurde, die er glänzend bestand. Es
folgten die Einsetzung der Glasfenster, die Beseitigung
des Nothdaches und der alten Chorabschlusswand, sodass,
nachdem nunmehr das Innnere sich in nahezu voller Er-
scheinung darbot, zum Ausbau der Thürme und der Um-
gebung des Domes geschritten werden konnte. Nach
der Erschliessung des Inneren 1863 folgte schon 1865
die Anlage der Terrasse mit Freitreppe und Brunnen
hinter dem Chor gegen den Rhein, während die am Nord-
thurm begonnenen Versetzarbeiten gleichzeitig so gefördert
wurden, dass der Thurm schnell bis zu einer stattlichen
Höhe emporwuchs, sodass, als 1868 der ehrwürdige Dom-
krahn beseitigt war, die Arbeiten auf beide Thürme er-
streckt werden konnten. Es verdient der rasche Fortschritt
der Arbeiten bei Ueberwindung ungewöhnlicher konstruk-
tiver Schwierigkeiten für Gerüst und Thürme besonders
bemerkt zu werden. Am 15. Okt. 1880 beging Deutschland
festlich die Vollendung der Thürme. Neben den Thurm-
arbeiten entstand die neue Sakristei. Nach Vollendung
der Thürme waren die Arbeiten Voigteis hauptsächlich
auf die Umwandlung der Domdächer in Eisen und auf
die dekorative Ausschmückung hauptsächlich der Portale
und des Inneren gerichtet. Während bei dieser zahlreiche
Künstler von ausserhalb der Dombauhütte thätig waren,
war, unter Mitwirkung hauptsächlich von Franz Schmitz,
des späteren Dombaumeisters von Strassburg, der Entwurf
der Thürme hauptsächlich das Werk Voigteis, bei welchem
ihm eine Zeichnung des 14. Jahrh. als bescheidene Grund-
lage diente. Als die Thürme vollendet waren, beurtheilte
man sie und auch die neue Sakristei unter einem anderen
Gesichtspunkte, als es heute der Fall ist. Das schmälert
aber nicht das Verdienst des Verstorbenen, der doch nur
ein Kind seiner Zeit sein konnte. Jedenfalls gebührt ihm
die 'Anerkennung, welche ihm der Dombauverein mit
den Worten zollte: „Was deutscher Geist, deutsche Kraft
und deutsche Ausdauer vermögen, steht in unserem Dome,
dem Sie in treuer, zielbewusster Hingebung den grössten
Theil Ihres Lebens gewidmet haben, für alle Zeiten ver-
körpert ... So wird Ihr Name mit dem Kölner Dome
unvergänglich verbunden bleiben." —
Bücherschau.
Berliner Kalender 1903. Herausgegeben vom Verein für
die Geschichte Berlins. Zwölf Monatsbilder aus
Berlin zur Zeit des Grossen Kurfürsten von Georg
Barlösius. Redaktion : Konservator Prof. Dr. Georg
Voss. Verlegt bei Fischer & Franke, Berlin. —
In ansprechender künstlerischer Gestalt will der Ber-
liner Kalender das Interesse weiterer Kreise für die mehr
und mehr schwindenden Baudenkmäler der Vergangenheit
Berlins wecken. „Wir Berliner sind stolz auf die glänzende
Entwicklung unserer Stadt. Doch wer die schöne Stadt
an der Spree so recht von Herzen lieb hat, sieht mit
Schmerzen, dass bei dem stürmischen Anwachsen des
modernen Häusermeeres viele der theuersten Erinnerungen
an das alte Berlin und seine denkwürdige Geschichte ver-
nichtet werden." In der Form eines „Hausbuches im
besten Sinne des Wortes“ will der Kalender diese Er-
innerungen wach- und das Verschwindende im Bilde fest-
halten. Einem durch die kraftvollen Zeichnungen von
Georg Barlösius geschmückten Kalendarium folgen kurze,
reich illustrirte Aufsätze von Schriftstellern,, deren Namen
in der Geschichtsschreibung der Stadt Berlin einen guten
Klang haben. Die Aufsätze behandeln u. a. die Porzellan-
manufaktur Friedrichs des Grossen, den Berliner Roland,
das TabakskoUegium Friedrich Wilhelms L, das Haus des
Ober-Verwaltungsgerichts am Gendarmen-Markt, die Hanse-
stadt Berlin, das Prunkschiff König Friedrich L, das Schwe-
rin’sche Haus am Molkenmarkt, Schloss Monbijou usw.
Es ist ein sehr verdienstvolles Unternehmen, welches mit
der Herausgabe des „Berliner Kalenders" angebahnt ist. —
Der Rote Adler. Brandenburgischer Kalender füri903. Unter
Mitwirkung von Ernst Friedei, Geh. Reg.-Rath und
Stadtrath. Herausgegeb. von Robert Mielke. Verlag
von Martin Oldenbourg, Berlin. Preis i M. —
Der Rote Adler-Kalender erschien zum ersten Male
für 1902. Er will die Heimathkunde pflegen. Einem ein-
15. Oktober 1902.
fachen Kalendarium folgten im vergangenen Jahre illu-
strirte Beschreibungen interessanter Kunst- und Kultur-
stätten aus der Mark Brandenburg; so fanden Wiedergabe
der Kreuzgang von St. Pauh in Brandenburg; das Seddiner
Königsgrab; der Dom zu Havelberg mit dem Grabmal des
Bischofs Wopelitz; Stadt und Burg Lenzen; Lindow;
Schloss Wiesenburg; der Juliusthurm in Spandau; der
Blumenthal; Buch; Königsberg i. N.; Oderberg; Kloster
Himmelpfort; Dobrilugk usw. In diesem Jahre ist der
Inhalt wesentlich verbessert. Das Kalendarium ist durch
G. Barlösius in Berlin, welcher in seiner schönen Art
für jeden Monat ein märkisches Städtebild zeichnete, zu
einem künstlerisch werthvollen Theile des Kalenders er-
weitert worden. Der künstlerische Nachlass der Ver-
gangenheit, die Schönheit der märkischen Landschaft und
das Wirken der Geschlechter und Gemeinwesen gelangen
auch im neuen Jahrgang zur Darstellung. Es werden ge-
schildert und im Bilde vorgeführt Kloster Heiligengrabe
in der Priegnitz; Kloster Neuzelle a. d. Oder; Lychen in
der Uckermark und Burg Rabenstein bei Belzig; Klein-
Machnow bei Potsdam nsw. Ein Minnelied von Otto IV.
mit dem Pfeil, Markgrafen von Brandenburg, ziert in der
Schriftart des Mittelalters die innere Umschlagseite. Der
Rote Adler- und der Berliner Kalender — der Kunstfreund
wird an ihnen nicht vorübergehen. —
Bei der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten:
Monuraents de I’Art Arabe. Exercice 1901. Fascicule
dix-huitieme. Le Caire 1901. Imprimerie de I’Institut Fran^ais
d’Archeologie Orientale.
Neumeister, A., Prof. Deutsche Konkurrenzen. XIV. Bd.,
Heft 4, No. 160: Hospital und Wohnhäuser für Köthen;
Heft 5, No. 161: Museum für Münster; Heft 6, No. 162:
Sparkasse für Bremerhaven, Heft 7, No. 163: Rathhaus für
Hamborn. Leipzig 1902. Seemann & Co. Pr. des Heftes
1,80 M.; für den Bd. (12 Hefte mit Beiblatt) 15 M.
Pinner , A. Einweihung des Hofmann-Hauscs am
20. Okt. 1900. Berlin 1901. R, Friedländer & Sohn.
Prange, Otto, Dr. Die Theorie des Versicherungs-
werthes in der Feuerversicherung. Th. 2. Die
Praxis der Versicherungswerth-Ermittelung, i. Bch. Die
Ermittelung des Versicherungswerthes von Baulichkeiten. Mit
einem Sachregister zu Th. i und zum vorliegenden Buche.
Jena 1902. Gustav Fischer. Pr. 5 M.
Prenner, Dr. Der gewerbliche Arbeitsvertrag nach
deutschem Recht. Ein Leitfaden vornehmlich für
Arbeitgeber und Arbeitnehmer. München 1902. C. H. Beck
(Oskar Beck). Pr. i M.
Oubert, Adolphe. Arbeits-Bedingungen bei Sub-
missionen. Die zugunsten der Arbeiter aufgestellten
Bedingungen, denen die Behörden bei Vergebung öffentlicher
Arbeiten die Unternehmer unterwerfen. Autorisirte Ueber-
setzung von Dr. jur. Franz Hauptvogel. Leipzig 1902. Theodor
Weicher. Pr. 3 M., geb. 3,80 M.
V. Rohrscheidt, K., Reg.-Rath. Gewerbearchiv für das
Deutsche Reich. Sammlung der zur Reichsgewerbe-
ordnung ergehenden Abänderungs-Gesetze und Ausführungs-
Bestimmungen der gerichtlichen und verwaitungsgerichtlichen
Entscheidungen der Gerichtshöfe des Reichs und der Bundes-
staaten, sowie der wichtigsten, namentlich interpretatorischen
Erlasse und Verfügungen der Zenti'albehörden. Bd., 4. Heft.
Berlin 1902. Franz Vahlen. Pr. 3 M.
Schmidt, Hans. Die Ar c h i t e k t u r - P h 0 t 0 g r a p hi e unter
besonderer Berücksichtigung der Plastik und des Kunstge-
werbes. 14. Bd. der photographischen Bibliothek. Berlin
1903. Gustav Schmidt. Pr. 4 M.
Schroeder, Alb. & A. Klapper. Unterrichtsstoff eines
Vorbereitungskursus für die theoretische
Meisterprüfung im Handwerk. Wiesbaden 1903.
Selbstverlag.
Schub ert, Carl. Tabelle zur Berechnung des Cubik-
inhaltes von Bauhölzern, i. Aufl. Essen a. d. Ruhr
1902. Selbstverlag.
Schuster, C. Die Oelfarbentechnik der Landschafts-
malerei. Anleitung zum Malen nach der Natur für An-
fänger und Dilettanten. Zürich und Leipzig 1898. Karl
Henckell & Co.
Uebersichtsplan von Berlin. Maasstab i : 4000. Kupfer-
stich in Sfarbiger Darstellung. Blatt III, M/R., IV. H., IV. D..
IV. I. u. IV. T /O. Berlin igo2. Jul. Straube. Pr. jed. BI. 2 M.
Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft
für Volksbäder. 7. Heft (Schluss des i. Bd.) Berlin
1902. August Hirschwald.
Wiesengrund, Beruh. Dr. DieElektrizität, ihre Erzeugung,
praktische Verwendung und Messung, für Jedermann ver-
ständlich kurz dargestellt. Theilweise bearbeitet von Prof.
Dr. Russner. 5. Aufl. Frankfurt a. M. 1903. H. Bech-
hold. Pr. I M.
Zitelmann, Georg, Dir. Lehrhefte für Gewerbeschulen.
I. Das bürgerliche Wohnhaus, Textheft u. Atlas. Wiesbaden
1903. Heinrich Heuss. Textheft 50 Pf. und Atlas 3,50 M.
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Hallenschwimmbad Pforzheim. Der Stadt-
rath von Pforzheim hat beschlossen, den in der engsten
Wahl gewesenen Entwurf mit dem Kennzeichen eines
Wappens der Hrn. Böklen &Feil in Stuttgart anzukaufen.
535
Wettbewerb Bismarckthurm Chemnitz. Es sind über
200 Entwürfe eingegangen, die in nächster Zeit in der
Aula der Technischen Staatslehranstalten öffentlich aus-
gestellt werden. —
Dem Preisgericht der deutsch-natlonalenKunstausstellung
in Düsseldorf gehört als Architekt Hr. kgl. ßrth. Heinrich
Kayser-Berlin an. —
Chronik.
Die Cistercienser-Klosterkirche in Mühlberg a. E. Die
Wiederherstellung der Cistercienser-Klosterkirche in Mühlberg a.
Elbe, eines der ältesten frühmittelalterlichen Backsteinbauten der
Provinz Sachsen, ist eingeleitet. —
National-Denkmal für Viktor Scheffel in Eisenach. Zur
Errichtung eines deutschen National-Denkmales für Viktor Scheffel
auf der Wartburg hat sich ein Comite gebildet, welches zu diesem
Zwecke Geldmittel im Betrage von 250000 M. beschaffen will. —
Krematorium in Karlsruhe. Die Errichtung eines Krema-
toriums auf dem östlichen Friedhofe in Karlsruhe ist mit einem
Aufwande von gegen 70000 M. geplant. — ■
Ein Denkmal der Grossherzogin Alice von Hessen in
Darmstadt ist am 12. Sept, d. J. enthüllt worden. Das die Grund-
form des Obelisken zeigende Denkmal wurde nach dem gemein-
samen Entwürfe des Architekten Franz Rank in München und
Bildhauer Ludwig Habich in Darmstadt ausgeführt. —
Die neue Hochschule für die bildenden Künste in Berlin-
Charlottenburg, die nach den Entwürfen der Architekten Kayser
& von Groszheim in Berlin ihrer Vollendung entgegengeht, soll
Anfang November eingeweiht werden. —
Mainhafen in Öffenbach. Der mit einem Kostenaufwande
von rd. 2 Mill. M. angelegte neue Mainhafen in Offenbach ist am
15. Sept. dem Verkehre übergeben worden. —
Ein neues Theater in Berlin nach Bayreuther Vorbild
ist den Tagesblättern zufolge auf der Grundlage einer Summe von
4 Mill. M. durch Dir. Brahm geplant. Man darf gespannt sein, ob
der interessante Plan verwirklicht wird. —
Beamtenwohnungen in Berlin. Am 14. Sept. d. J, weihte
der Beamten-Wohnungsverein in Berlin 16 neue Häuser an der
Greifenhagener-, Rodenberg-, Scherenberg- und Wichertstrasse beim
Ringbahnhof Schönhauser Allee ein. Die Bauten umfassen 189
Wohnungen, 7 Läden mit Wohnungen und i Saal. Bei der Feier
wurde verkündet, dass das Staatsministerium weitere 1,5 Mill. M.
zum Bau von Beamtenwohnungen zur Verfügung gestellt habe. —
Monumentalbrunnen der Wien - Einwölbung ln Wien.
Auf der Wien-Einwölbungsöffnung nächst dem Stadtpark soll sich
nach den Entwürfen der Architekten Ob.-Brth. Prof. Ohmann und
Hackhofer, sowie unter Mitarbeit des Bildhauers Alfred Strasser
ein Monumentalbrunnen mit reichstem figürlichem Schmuck erheben,
für welchen ursprünglich 860000 Kr. vorgesehen waren. Durch
verschiedene Streichungen ist die Summe auf 500000 Kr. herab-
gesetzt worden. —
Eine neue Augenheilanstalt in München wurde nach einem
Aufträge von Prof. Dr. Schlösser durch die Firma Heilmann &
Littmann in der Herzog Wilhelm-Strasse errichtet. Die Anstalt
umfasst 80 Betten. Leiter der Ausführung war Hr. Arch. D e 1 i s 1 e. —
Das neue Haus des Lette-Vereins in Berlin, nach den
Entwürfen des Architekten Prof. Alfr. Messel am Viktoria-Luise-
Platze errichtet, ist am 4. Okt. d. J. seiner Bestimmung über-
geben worden. —
Personal-Nachrichten.
Bayern. Der Bauamtsass. Maxon in München ist z. Bauamtm-
extra statum und der Bauamtsass. M e z g e r in München ist z. Reg.“
u. Kr.-Bauass. bei der Reg. von Unterfranken und Aschaffenburg
ernannt. Der Bauamtsass. B ä u m 1 in Donauv/örth ist an das
Landbauamt München versetzt und der Staatsbauassist. Götz in
Nürnberg ist z. Bauamtsass. in Donauwörth ernannt.
Preussen. Versetzt sind': der Ob.- u. Geh. Brth. T h e 1 e n
in Königsberg als Ob.-Brth. an die kgl. Eisenb.-Dir. in Kassel; die
Reg.- u. Brthe. Wiegand in Magdeburg, als Mitgl. an die kgl.
Eisenb.-Dir. in Königsberg i. Pr. und Leitzmann in Erfurt als
Mitgl. (auftrw.) an die kgl. Eisenb.-Dir. in Hannover; der Eiseob.-
Bau- u. Betr.-Insp. Schepp in Dortmund als Mitgl. an die kgl.
Eisenb.-Dir. in Elberfeld; der grossh. hess. Brth. Simon in Darm-
stadt als Vorst, der Betr.-Insp. nach Worms; der grossh. hess.
Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Wolpert in Worms als Mitgl. an die
kgl. Eisenb.-Dir. in Frankfurt a. M. ; — die Eisenb.-Bau- u. Betr.-
Insp. Graeger in Königsberg als Mitgl. (auftrw.) an die kgl.
Eisenb.-Dir. in Halle a. S-, Hentzen in Kassel als Vorst, der
Betr.-Insp. 2 nach Halle a. S., Kaupe in Berlin als Vorst, der
Betr.-Insp. I nach Dortmund, Bischof! in Bocholt als Vorst, der
Bauabth. nach Koesfeld, Poppe in Könitz zur kgl. Eisenb.-Dir. in
Stettin, Lütke in Schreiberhau zur kgl. Eisenb.-Dir. in Breslau,
Fischer in Münster i. W. als Vorst, der Bauabth. nach Rheine;
— die Eisenb.-Bauinsp. Knechtei in Thorn als Vorst, der Werk-
stätten-Insp. nach Erfurt und Fr. Müller in Dortmund als Vorst
(auftrw.) der Masch.-Insp. nach Thorn, der Eisenb.-Betr.-Insp.
Lorey in Darmstadt zur kgl. Eisenb.-Dir. in Frankfurt a. M., der
Landbauinsp. Bi eck er in Koblenz als Vorst der Bauabth. nach
Krefeld.
Dem grossh. hess. Brth. Dittmar in Darmstadt ist die
das. neuerricht Betr.-Insp. und dem grossh. hess. Reg.-Bmstr.
Priester in Frankfurt a. M. die oeuerricht. Werkst -Insp. in
Darmstadt übertragen.
Der Reg.-Bmstr. S c h ü r g in Rheydt ist z. Eisenb.-Bau- u.
Betr.-Insp. und der Reg.-Bmstr. Füllner in Halle a. S. z. Eisenb.-
Bauinsp, ernannt.
Der Reg.- u. Brth. Ulrich in Elberfeld, der Reg.- u. Brth.
z. D. A 1 1 m e n r ö d e r in Kassel und die Kr.-Bauinsp. : Geh. Brth.
536
Brauweiler in Trier und Brth. Glase wald in Köslin sind
in den Ruhestand getreten. y
Versetzt sind: Der Reg.- u. Brth. Scheck in Stettin nach
Erfurt, der Wasser-Bauinsp. Brth. Kracht in Erfurt nach Danzig;
die Kr.-Bauinsp. Brthe. Hillenkamp in Trier nach Andernach
und Schmitz in Andernach nach Neideoburg, der Landbauinsp.
Füll es in Wittlich als Kr.-Bauinsp. nach Trier; der Wasser-
Bauinsp. Wasmann in Geestemünde nach Arnsberg und der
Kr.-Bauinsp. Leben in Neidenburg nach Trier (für Bernkastel).
Ernannt sind die Reg.-Bmstr. : G e r h a r d t. in Köslin und
B 1 0 c h in Kreuzburg O.-Schl. zu Kr.-Bauinsp., Dr. Burgemeister
in Breslau zum Landbauinsp., Urban in Breslau u. Skaiweit
in Koblenz zu Wasser-Bauinsp.
Den Reg.-Bmstrn. Auhagen in Hannover, Karl Bernhard
in Charlottenburg, Cabanis in Berlin, Frielingsdor f An Köln
a. Rh., Eug. G o e r k e in Bremen, Grotgan in Charlottenburg,
Zernin u. Rieländer in Köln a. Rh., Buhle in Charlottenburg
und Gg. K 0 e h 1 e r in Karlsruhe ist die nachges. Entlass, aus dem.
Staatsdienst ertheilt.
Brief- und Fragekasten. f
Hrn. J. Kr. ln Dortmund. Eine Luftschicht in einer i’/s Stein
starken Wand erhöht die Schallsicherheit, wenn auch nur gering.
Eine bessere Wirkung wird erzielt, wenn man die Luftschicht mit
Korkabfällen oder Aehnlichem ausfüllt. R. G.
Hrn. Fr. Sehr, in Spandau. Wenn thatsächlich die Giebel-
wand des alten Baues eine geschlosseneBrandmauer ohne Oeffnungeii
ist, so kann die Baupolizei aufgrund des § 2 Abs. 6 der dortigen
Bauordnung nicht verlangen, dass ein Zwischenbau hergestellt oder
der alte Bau bis auf 5 m Entfernung abgebrochen wird. Anders
gestaltet sich die Sache allerdings, wenn die beiden Bauten einen
spitzeren Winkel als 75® zu einander bilden. Dann muss das Loih
auf der Frontwand des alten Baues am ersten Fenster desselben
mindestens 5 m Abstand bis zum Schnitt mit der Hinterfront des
Neubaues haben. Bei der Verfügung der Baupolizei müssen also
wohl noch andere, uns nicht bekannte Gründe mitsprechen. —
Hrn. P. S. in Altenburg, Es ist sehr wohl möglich, dass
die Ameisen Nährstoffe in der Schwammbildung gefunden haben.
Wird diese beseitigt und werden' die Balken mit Carbolineum oder
Aehnlichem getränkt, so ist anzunehmen, dass die Aineisen fort-
bleiben. Im übrigen hat sich gegen Ameisen ein Streueii von Borax
mit etwas Zucker gemischt meiner Erfahrung nach bewährt. An
Schriften über den Hausschwamm sind zu nennen: Prof. Dietrich,
„Der Hausschwamm vom bautechnischen Standpunkt";' Berlin bei
Siemenroth & Troschel, sowie die Aufsätze in der Dtsch'en. Bauztg.
1900 No. 41 S. 262, 1901 No. 72 S. 446 und No. 95 S. 596. -f- R. G.
Hrn. Arch. W. in Hannover. Zur Anfrage in Nb. 79 weist
Hr. Brth. Freude in Anklam auf die von ihm erbaute Kirche in
Stralkowo, Prov. Posen, hin (Central-BI. d. Bauverwltg.jrtSgg), so-
wie auf eine Mustersammlung kleiner Kirchen, herausgeg. vom
Zentralvorst. der Gustav Adolf-Stiftung (Verlag Seemann & Co. in
Leipzig), die für eine gleiche Aufgabe auch einen Entwurf des Hrn.
Arch. Ludwig Hofmann in Herborn enthält (Kirche mit Pfarrhau.s
in Fürth). Hr. Geh. Ob.-Brth. Blum in Berlin weist auf eine im letzten
Jahrzehnt gebaute, aus einem Wettbewerb des Berliner Arch.--
Vereins hervorgegangene Kirche in Karthaus bei Trier (s. gleich-
falls Centralbl. d. Bauverwltg.) hin. —
Hrn. S. & S. in Halle a. S. Bekanntlich giebt es einen Be-
fähigungsnachweis im Baugewerbe nicht, also auch keinen gesetz-
lichen Titelschutz. Der Eintritt in die Innung, die Ausbildung von
Lehrlingen ist aber abhängig von der vor einer Innungskommission
nach Absolvirung einer Baugewerkschule abgelegten Prüfung. Alles
übrige erfahren Sie am besten durch Anfrage bei der zuständigen
Innung. —
Hrn. D. V. Q. Bezüglich Ihrer Anfrage nach den Gebühren
eines Ingenieurs als gerichtlicher Sachverständiger können wir Sie
auf unsere ausführlichen Mittheiiungen in No. ri d. Dtschn. Bztg.
igo2 S. 70 verweisen. Sie sehen daraus, dass die Berechnung der
Gebühren wiederholt aufgrund der Gebührenordnung des Ver-
bandes deutsch. Arch.- u. Ing.-Vereine erfolgt und auch genehmigt
ist, in dem besonders erwähnten Falle bestätigt durch das Reichs-
gericht. Trotzdem werden sich viele Gerichte nach wie vor weiter
sträuben, höhere Sätze zu bewilligen. Sie werden also am besten
thun, überhaupt nicht nach Stundenzahl, sondei'n in runder Summe
nach der aufgewendeten Arbeitsleistung zu liquidiren. Es ist uns
bekannt, dass viele Sachverständige mit derartigen Forderungen
durchgekommen sind, wenn auch zunächst nicht ohne Weiterungen.
Zurzeit wird diese Frage von den Gerichten aber noch ausser-
ordentlich verschieden behandelt. —
Hrn. Arch. M. L. in Kassel. Wir glauben wohl, dass Sie
in dem geschilderten besonderen Ausnahmefall einen Theil der
betr. Auslagen neben dem Honorar verrechnen können. —
Hrn. G. R. ln Kempten. Ihre Anfrage ist nicht von allge-
meinem Interesse. Haben Sie schon die Befragung der in unserem
Anzeigentheil genannten einschlägigen Firmen versucht? —
Anfragen an den Leserkreis.
Wer liefert für Fenster, die nach aussen aufschlagen, zweck-
mässige Vorrichtungen zum Feststellen der Flügel in beliebig
geöflnetem Zustande? Haben sich solche Vorrichtungen mit.
leichter Handhabung auch bei Gebäuden bewährt, die dem Winde
stark ausgesetzt sind? — H. in Bremen.
Inhalt: Der 'Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues
Kollegien-Gebäude der Universität Freiburg i. Br. (Fortsetzung.) — Billige
Schalungsdäcber. — Die neue Strassenbrücke über das Thal der P6tru^se
in Luxemburg. — Vermischtes. — Mittheilungen aus Vereinen. — Todten-
schau. — Bücherschau. — Preisbewerbungen. — Chronik. — Personal-
Nachrichten. — Brief und Fragekasten. —
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 83
AUZEITUNG.
GANG. Hs H« NQ: 84. Hs
Hs
EinwölbuDg des zweiten Rogens. (Aufoabme von Ch. Beriilioeft in I.uxembuig vom Ju)i 190s.)
Die neue Strassenbrücke über das Thal der Petrusse in Luxemburg.
(Schluss.) Hierzu eine Bildbeilage und die Abbildung in No. 83.
|ls Material ist für den Mittelbogen, dessen
I Laibung in dem 72“ weit gespannten Mittel-
3' theil eine der Stützlinie entsprechende ellyp-
tische Form mit 53™ Scheitel-Halbmesser
besitzt, fester Sandstein von 1200 bis
1500 Jfg/qcm Druckfestigkeit aus dem in der Nähe ge-
legenen Steinbruch von Gilsdorf verwendet, ausser-
dem wurden noch Materialien aus den Brüchen von
Ernzen, Dillingen und Verlorenkost eingebaut. Als
Mörtel ist im Hauptbogen Zementmörtel, im übrigen
Kalkmörtel zur Anwendung gekommen. Die ver-
schiedene Art der Steinbearbeitung lässt sich aus der
Zeichnung erkennen. Ganz sorgfältig behauene Steine
sind nur in den Stirnflächen verwendet, gespitzte
Quader im Gewölbeinneren, hammerrecht behauene
Steine zu den Bogenfundamenten, wobei die Fugen
zur günstigeren Druckvertheilung etwas konkav ge-
staltet sind, und schliesslich noch gebrochene Steine
ohne eigentliches Lager zu dem Füllmauerwerk der
Pfeiler. Der Gewölberücken ist natürlich unter der
Fahrbahn mit Asphalt wasserdicht abgedeckt.
Besonderes Interesse bietet auch die Ausführung
des Bauwerkes, sowohl hinsichtlich der Art der Ein-
wölbung, wie namentlich auch hinsichtlich der Kon-
struktion des Lehr- und Versetzgerüstes.
Da nur auf einer Seite des Thaies und zwar auf
der Seite des Plateau Bourbon ein Bau- und Lager-
platz angelegt werden konnte, der sich in bequemer
Weise mit einer besonderen Schleppbahn mit dem
Hauptbahnhofe in Verbindung setzen Hess, so musste
das Thal in ganzer Breite zunächst mit einem Arbeits-,
Transport- und Versetzgerüst überbrückt werden,
um so die Materialien an jede Stelle des Bauwerkes
heranbringen zu können. Dieses Gerüst, das in unserem
Schlussbilde und in den Abbildgn. S. 522, 525, 533
und in der vorstehenden Kopfabbildung dargestellt
ist, besteht aus einem in Holz konstruirten Fach-
werkträger, der in je 30™ Entfernung durch hölzerne
Fachwerkpfeiler gestützt wird. Die Entfernung der
Hauptträger ist 7 sodass das Gerüst einen vollen
Brückenring zwischen sich fasst. Die Unterkante
der Konstruktion liegt 41 ^ über Thalsohle. Auf den
537
Obergurten der Träger lauten die Versetzwagen mit
Laufkatze und Winde, während am Untergurt zwischen
den Trägem ein Transportgleis eingeschlossen wird,
auf welchem die Materialien zu den Versetzbühnen
herangeführt werden. Das Gerüst hat in dem so kon*
struirten Theile eine Gesammtlänge von 171 ™ und er-
forderte mit den niedrigen beiderseitigen Anschlüssen
von zusammen 40“ Länge einen Holzaufwand von rd.
220'=’’®. Die Kosten beliefen sich auf rd. 20000 M.,
d. h. auf nur 1 M. für i herzustellendes Mauerwerk
(20 000 Sie sind sehr erheblich niedriger, als bei
der Brücke von Lavaur, wo man das ganze Thal mit
einer Gerüstbrücke mit enger Jochstellung durchbaute.
Das Lehrgerüst des Mittelgewölbes ist als Fach-
werkbogen in Holz konstruirt. Der letztere stützt sich
mit dem Untergurt auf zwei in 60“ Abstand in ganzer
Brückenbreite durchgehende provisorische Mauern, mit
dem Obergurt gegen die Absätze der Bogenverstärkung
am Kämpfer. Der Schub wird aufgehoben durch wag-
rechte Drahtseile, welche die Knotenpunkte des Unter-
gurtes verbinden. Das sehr flache Scheitelstück wird
noch durch eine hängewerkartige Konstruktion be-
sonders gestützt. Das Lehrgerüst ist ebenfalls nur für
eine Bo^nbreite berechnet und besitzt 5 Binder von
je 1,6™ Entfernung. Darüber liegen Latten von
Stärke, über welche noch eine dünne Schalung von
nur 2*=® die genaue Bogenlehre abgiebt. Das Gerüst
erforderte einen Holzaufwand von 380 und besass
ein Gewicht von etwa 300 V Es wurde nach Ausrüstung
des ersten Bogens imganzen um 11,25“ seitlich ver-
schoben, um dann sofort als Lehre für den zweiten Bo-
gen zu dienen. Zu dem Zwecke musste die Transport-
Brücke zunächst auf dem fertigen Bogen abgesetzt
und der Aufbau der seitlichen Gerüstpfeiler beseitigt
werden. Der mittlere Gerüstpfeiler wurde dagegen
mit dem Lehrgerüst fest verbunden, um während der
seitlichen Verschiebung auf Rollen als Stütze zu dienen.
Unsere Abbildg. S. 522 zeigt den Zustand der Bauaus-
führung, in welchem das Transportgerüst auf dem
fertigen Bogen abgesetzt, das Lehrgerüst bereits seit-
lich verschoben ist. Die Kopfabbildung S. 537 giebt den
fertigen Bogen vollständig ausgerüstet wieder, während
im zweitenBogen bereits die 2. Schicht des aus 3Quader-
ringen bestehenden Gewölbes versetzt ist. Die Ab-
bildung lässt deutlich die Zwischen Widerlager und die
zunächst gelassenen Lücken im Gewölbering erkennen,
welche gerade geschlossen werden.
Das Lehrgerüst der beiden seitlichen Oeffnungen
von 21,6“ Spannweite entspricht dem bekannten Gerüst
der Brücke von St. Waast, bei welchem die fächer-
förmigen Streben sich auf eine mittlere, aus einge-
rammten Pfählen gebildete Stütze aufsetzen. Die Lehren
der 5,4” weit gespannten Sparbögen schliesslich sind
aus einem doppelten Bohlenkranz hergestellt, der durch
wagrechte Zangen gegen Verbiegung geschützt ist.
Was die Ausführung der Einwölbung anbetrifft,
so entspricht diese vollständig der Methode, welche
Söjournö bei seinen früheren Bauten von Lavaur,
Castelet und Antoinette angewendet hat, sodass be-
züglich der Einzelheiten auf seine bekannten Ver-
öffentlichungen verwiesen werden kann*).
Der Bogen ist demnach aus drei, mit einander in Ver-
band stehenden aber zeitlich nach einander ausgeführten
Ringen hergestellt, wodurch erreicht wird, dass das
Lehrgerüst nur den ersten Ring voll, von den bei-
den anderen dagegen nur noch einen geringen An-
theil zu tragen hat, sodass es also wesentlich leichter
ausgeführt werden kann, als für den Vollbogen. Der
Bogen ist ferner, um eine schädliche Verdrückung
des Lehrgerüstes vor dem Bogenschluss zu verhin-
dern, von 10 Stellen gleichzeitig in Angriff genommen,
wodurch ausserdem eine wesentlich schnellere Aus-
führung ermöglicht wird. Es sind hier überall da,
wo die Schaalung durch die Gerüststreben festgehalten
wird, bis zum Schluss des Gewölbes offene Fugen
gelassen, die dann alle gleichzeitig geschlossen wur-
den. Auf diese Weise wird auch die Bildung von
Rissen, die sonst aus der Durchbiegung der Kranz-
hölzer zwischen den festen Stützpunkten entstehen
können, vermieden. Durch diese Vorsichtsmaassregeln
ist es erreicht worden, dass sich das erste Gewölbe
nach seiner Ausrüstung, die 3 Monate nach dem ßogen-
schluss erfolgte, nur noch um 6®“ gesetzt hat.
Mit den Arbeiten wurde im Jahre 1900 durch die
Legung des Grundsteins am 14. Juli begonnen. Am
24. Juli 1901 erfolgte der Schluss des ersten Bogens.
Für die Fertigstellung jedes Ringes war dabei eine
Frist von 8 — 10 Tagen erforderlich. Am 26. Oktober
1901 wurde der Bogen ausgerüstet. Die weiteren Fort-
schritte sind aus den Daten erkennbar, die unseren
p^hotographischen Aufnahmen beigegeben sind. Im
Frühjahr 1903 soll der ganze Bau vollendet sein.
Mit der örtlichen Bauleitung und der Ausarbeitung
der Einzelzeichnungen war der Ing. Fonck betraut.
Die Ausführung wurde der Pariser Bauunternehmer-
firma Gebr. Fougerolle aufgrund eines engeren
Wettbewerbes übertragen. Die Gesammtkosten des
Baues, welche vom luxemburgischen Staat aufgebracht
werden, sind auf i 120 000 M. veranschlagt, ein Be-
trag, in dem die grosse Ersparniss, welche sich durch
die beschriebene Ausbildung und Ausführungsweise des
Bauwerkes ergiebt, klar zum Ausdruck kommt.**) —
Fr. E.
*) AnnaJes des ponts et cbauss6es 1886.
•*) Zu unserer auf S. 523 mitgetheilten Tabelle gehen uns
über die Neckar-Brücke zu Neckarhausen von Hrn. Landes-
Brth. Leibbrand in Sigmaringen noch folgende Ergänzungen zu:
Bauzeit 1900, Scheitelstärke 0,85 m, Entfernung der Vorderkanten
des verlorenen Widerlagers 62,35 m (der Druckmittelpunkt der
Fundamentsohlen 69,55 schliesslich Scheitelhalbmesser 90 m.
In der Kühnheit des Bogens übertrifft diese Biücke also alle anderen
Ausführungen in Stein erheblich. —
Transport- und Versetzgerfist. (Aufnahme %*on Ch. Bernhoefl in Luxemburg vom November 1900.)
538
No. 84.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Kollegien-Gebäude
der Universität Freiburg i. Br. (Scbiuss)
ien vorausgegangenengedrängtenaligemeinen
"I Betrachtungen lassen wir nunmehr eine kurze
Schilderung einiger der hauptsächlichsten
Entwürfe des Wettbewerbes folgen, wobei
wir uns auf die diesem Aufsatze beigegebenen
Abbildungen stützen. Der an erster Stelle zur Aus-
zeichnung gelangte Entwurf „Ovum“ des Hrn. Prof.
Friedrich Ratzel in Karlsruhe, welchem lediglich aus
formalen Gründen der I. Preis versagt blieb, stellt sich
als eine schöne, reife, die Aufgabe trefflich charak
terisirende Arbeit dar (Beilage zu No. 82 und Grund-
risse S. 524). Der Haupteingang ist in nächster Nähe
des Einganges zur Universitätsbibliothek gewählt, eine
zweiter Eingang ist am östlichen Ende des Bauplatzes
in der Beifortstrasse angelegt und vermittelt den Zu-
gang zu den hier gruppirten Verwaltungsräumen. Eine
interessante Form und Lage haben die grossen Hör-
säle und namentlich die Aula erhalten. Die ellyptische
Gestaltung für den grössten der Säle und für die
Aula, welche letztere in ungezwungener Weise eine
rechtwinklige Erweiterung erfahren hat, verräth An-
klänge an gute Beispiele des Barockstiles, zeigt aber
hier eine durchaus eigenartige und selbständige Ver
Wendung. Die den Lehrzwecken dienenden Räume
haben eine so konzentrirte Gruppirung erhalten, dass
ein gegenseitiger Verkehr, wo er nöthig ist, die kür-
zesten Wege vorfindet. Ungemein glücklich und dem
Zwecke des Gebäudes entsprechend ist das in den
Formen einer maassvollen deutschen Spätrenaissance
gehaltene Aeussere. Die künstlerische Meisterschaft
desselben liegt nicht zum geringsten in der durchaus
schlichtenund beinahe selbstverständlichen Gruppirung,
aus welcher in keiner Weise irgend eine Absicht spricht.
Köstlich ist die vorgelagerte Vorhalle und in feinem
Gegensätze stehen die stark durchbrochenen Fenster-
flächen mit den ruhigeren Wandflächen. Der archi-
tektonische Schmuck hält sich in den engsten Grenzen ;
es ist beinahe auf alles verzichtet, was nicht eine un-
mittelbare Zweckbestimmung hat.
Eine völlig verschiedene Anordnung zeigen die
beiden mit III. Preisen ausgezeichneten Entwürfe
„Floreat“ der Hrn. Baudir. Max Meckel und Arch.
C. A. Meckel in Freiburg (S. 526 und Bildbeilage zu
No. 82), und „Kelim“ der Hrn. Paul & Carl Bonatz
in Stuttgart. Der Entwurf „Floreat“ wählt den Hauptj
eingang an der Werderstrasse, gegenüber der Real-
schule, und einen Nebeneingang an der Beifortstrasse.
Die Gruppirung der Räume erfolgte in sehr klarer
Weise um einen grossen dreieckigen Hof ; ein zweiter
Hof ist nicht vorhanden. Die Länge der aus dieser
Anordnung sich ergebenden Wege dürfte durch die
Uebersichtlichkeit der Anlage hinlänglich ausgeglichen
sein. Für die Architektur ist die durch Meckel mit
so hoher Meisterschaft verwendete deutsche Spätgothik
gewählt; ein reichgegliederter Thurm überragt am
Schnittpunkte der Beifort- und der Werderstrasse die
Baugruppe. Die Hofausbildung zeigt interessante An-
klänge an die mittelalterlichen Klosterhöfe.
Ein recht eigenartiger Entwurf ist der andere dieser
Gruppe mit dem Kennwort „Kelim“ (S. 529). Er stellt
die nur vereinzelt vorkommende Abart dar, nach welcher
die Baumassen am Schnittpunkte der Beifort- und der
Werderstrasse einen einspringenden rechten Winkel
mit grosser Fläche bilden, nordöstlich ziemlich dem
Laufe der Löwenstrasse folgen und im übrigen um
drei unregelmässige Höfe gruppirt sind, ohne dass sich
dadurch zu enge Verhältnisse ergeben hätten.
Eine eigenartige und schöne Lösung haben die
Verfasser für die Gruppe Aula und Treppenhaus ge-
funden. Das Aeussere schliesst sich dem französischen
Monumentalstil der Barockperiode an; es ist ungemein
streng, beinahe akademisch, jedoch im guten Sinne
des Wortes, gegliedert und es gewährt ein höchstes
Interesse zu beobachten, wie es bei völlig gleich hoher
Lage des Haüptgesimses für alle Theile des Aufrisses
den, Verfassern doch durch Attiken uhd verschieden-
18. Oktober 190a.
artige Dachbildungen gelungen ist, einen gruppirten
Eindruck zu erzielen.
Wieder drei völlig verschiedene Lösungen weist
die Gruppe der mit IV. Preisen ausgezeichneten Ent-
würfe auf. Der sehr sorgfältig durchgearbeitete Ent-
wurf „Deutschem Geiste eine Warte“ der Hrn. Schulz
& Schlichting in Berlin (S. 532) zeigt in grosser
Klarheit den Typus der symmetrischen Diagonallösung
mit dem Haupteingange von der gebrochenen Ecke,
und dem abgetrennten, für sich bestehenden Ver-
waltungs-Gebäude an der östlichen Beifortstrasse. Der
Entwurf „Altmodisch“, eine zweite Arbeit Ratzels
(S. 532), hat in der Gesammt-Anordnung einige Ver-
wandtschaft mit seinem erstgenannten Entwurf, strebt
aber eine andere wiederum sehr bemerkenswerthe
Lösung für Halle und Aula an. Daneben macht sich
ein grösseres Streben nach malerischer Gruppirung
bemerkbar, als in dem Entwurf „Ovum“. Der dritte
Entwurf, „Schauinsland“, des Hrn. Herrn. Distel in
Freiburg (S. 524) ist von dem Gedanken beherrscht,
ohne jede geschlossene Hofanlage das Auskommen
zu finden und für möglichst viele Hörsäle Nordlicht
zu gewinnen. Auch diese Annahme hat zu einer sehr
interessanten Lösung geführt.
Aus der Gruppe der angekauften Entwürfe ragt
in erster Linie der Entwurf „Alt-Freiburg“ der Hrn.
Curjel & Moser in Karlsruhe heraus. Es ist, wie
die Abbildg. S. 540 zeigt, eine nahezu symmetrische
Diagonallösung, welche die Aula in der Diagonale
und im Inneren der Baugruppe zeigt. Der Grundriss
gehört zu den best durchgearbeiteten des Wettbewerbes ;
mit grösster Geschicklichkeit sind die aus der Diagonale
sich ergebenden Verschneidungen gelöst. Der Entwurf
„Faust“ des Hm. Arch. Paul Thiersch in München
(S. 541) zeigt eine gewisse Verwandtschaft mit dem Ent-
wurf „Kelim“ der Hra. Bonatz in Stuttgart, geht aber
entschiedener auf malerische Gestaltungen aus und zeigt
im Einzelnen viel eigenartige Bildungen. Eine bisher
nicht dargestellteForm derGrundriss-Entwicldung zeigt
der Entwurf „Löwenplatz“ der Hm. Rust & Müller
in Leipzig (S. 542). Seinen Grundzug bilden die recht-
winklig sich schneidenden zwei Hauptaxen und die
Gruppirung der Räume um zwei auf diesen Axen
liegende offene Höfe. Schön gelagert sind Haupt-
eingang, Halle und Haupttreppe einerseits, sowie Aula
und Haupttreppe andererseits. Die Anlage ist in die-
ser Form eine sehr geschlossene und übersichtliche.
Von den übrigen, leider nicht zu einer Aus-
zeichnung gelangten Entwürfen sei es uns gestattet,
noch die mit den Kennworten „Albert Ludwig“, „Saepe
stilum vertas“ und „Stosst an, Freiburg soll leben“,
im Bilde vorzuführen. „Albert Ludwig“ (S. 540) stellt
eine mit grosser Kunst entwickelte DiagonaÜösung
dar, bei welcher die Aula an die gebrochene Ecke
verlegt und für den Verkehr der Studirenden ein in
der Diagonale liegender Lichthof geschaffen wurde.
Viel Scharfsinn ist in diesen Grundrissen für die Klein-
arbeit aufgewendet. Der Verfasser des schönen Ent-
wurfes „Saepe stilum vertas" (S. 541) geht auf eine völlig
symmetrische Lösung der Gruppe der Haupträume
mit dem Haupteingang und der Aula gegenüber der
Realschule aus und schliesst die Verwaltungsräume
in einem der Beifortstrasse entlang laufenden Flügel
an. Aus dieser Anordnung ergab sich unter der An-
nahme eines bedeckten Hofes in der Hauptaxe und
zweier seitlich an ihn anschliessender offenen Höfe
eine sehr konzentrirte und übersichtliche Anlage. Ein
feines Empfinden für die Schönheiten eines schlichten
Barockstiles verräth der Aufbau. Der Gruppe der
auf zwei sich im rechten Winkel schneidenden Axen
komponirten Grundrisse schliessen sich die des Ent-
wurfes.„Stosst an, Freiburg soll leben.“ an (S. 542), der
sich gleich dem vorigen im Aufriss durch ein schönes
Barock auszeichnet. Auch der . im Aufriss mit viel
persönlicher Eigenart und malerischer Gestaltungskraft
dargesteilte Entwurf „Litteris“ versucht eine Lagerung
539
der Massen im rechten Winkel mit dem Eingang'gegen-
über der Realschule und zwei symmetrisch gelegenen
Höfen. Mit einem ähnlichen Grundgedanken schliesst
sich der Entwurf „Hertha“ an. Er zeigt einen offenen
Hof in der Axe des an der Ecke gäegenen Haupt-
risslösung nach 'hierher. Letztere wird beherrscht
durch eine gross angelegte Aula und Treppenhalle.
Die schöne ßaugruppe mit Thurmaufbau ist in ein
raaassvolles Barock gekleidet. Die hier berührte An-
ordnung des Grundrisses zeigt auch der Entwurf
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einganges und einen bedeckten Hof rechtwinklig zu
dieser Axe, sowie eine einarmige Festtreppe zur Aula.
Der Aufbau mit Eckthurm ist in einer maassvollen
.Spätrenaissance von feiner Zurückhaltung gegeben.
Auch der Entwurf „Klosterklänge“ gehört seinerGrund-
„Kastor & Pollux“ ; seine Architektur entbehrt nicht
einer gewissen einheitlichen Strenge und Grosszügigkeit,
steht aber dem Grundriss nach. Die Räume im rechten
Winkel gelagert, jedoch ohne umschlossene Höfe, zeigt
der Entwurf „Scientis“, eine Arbeit von hoher per-
No. 84,
540
Entwurf mit dem Kennwort: „Saepc stiluro vertas".
sönlicher Eigen-
art.— Eine inter-
essante gothi-
sehe Diagonal-
lösung mit einem
Hof und abge-
trenntemVerwal-
tungs - Gebäude
stellt der Entwurf
„Albrecht VI.“
der Hrn. Mathias
StamnitZjStdt.-
ArchitektinFrei-
burgundEd. Ar-
no Id in Aachen
dar; eine ähn-
liche Lösung mit
ähnlichen Vor-
zügen der klaren
Uebersichtlich-
keit besonders
sind in dem Ent-
wurf „Spes" ent-
halten. Die Ar-
Entwurf „Faust". Architekt: Paul Thierscb in München.
chitektur weist
grosse Züge auf.
Durch eine Dia-
gonallösung mit
schön geglieder-
tem Mittelbau
ragt der Entwurf
.Sommerfrische*
des Hrn.H.Bil-
ling in Karls-
ruhe hervor. Von
guter Gesammt-
anlage in der
Diagonallösung
des Grundrisses
ist der Entwurf
„Alma mater“ ;
im Aufbau je-
doch hat er zu
sehr kirchliches
Gepräge, wenn
auch der roma-
nisch - gothische
Uebergangs -Stil
i8. Oktober 1902.
541
charakteristisch behandelt ist. „So-
krates“ zeigt eine der Schäfer’schen
Bibliothek angeschlossene gothische
Ecklösung mit grossem, monumen-
talemZug. Von mehreren Entwürfen
mit dem Kennwort „Schauinsland“
hat einer versucht, einen grossen,
glasüberdeckten achteckigen mittle-
ren Lichthof zu schaffen, auf wel-
chen der Eingang über Eck mündet.
So interessant der Versuch ist, so
sind dadurch doch die seitlichen Höfe
über Gebühr verkümmert worden.
Eine sonst nicht vertretene Lösung
ist in der Arbeit „Die neue Sapienz“
versucht; in ihr ist der Haupttheil
der Räume um einen grossen qua-
dratischen Mittelhof gruppirt, wäh-
rend sich seitlich ein Hof gegen die
Löwenstrasse öffnet: im übrigen ein
in einer reizvollen Strenge durch-
geführter Entwurf mit einem Eck-
thurm, dem ein etwa den Loggien
oder der Kapelle vor dem Palazzo
Pubblico in Siena nachgebildeter
Bogen vorgelagertist. „ Gaudeamus“
ist eine durch bemerkenswerth gross-
räumige Anordnungen sich aus-
zeichnende Diagonallösung, die
einen ganzen Hof gegen die Löwen-
strasse öffnet. Eine gute Diago-
nallösung ist auch der Entwurf
„Christian Wenzinger“. Er enthält
in symmetrischer Gruppirung eine
grosse Mittelhalle mit reichlichen
seitlichen Höfen. Im Aufriss mit
Dachreiter bekundet sich ein eigen-
artiges Barock, besonders in der
Giebelbildung des Mittelbaues. Eine
sorgfältig durchgearbeitete Grund-
riss-Diagonallösung mit zwei un-
gleichen Höfen ist auch dem Ent-
wurf „1456“ ei^n. Durch eine sehr
feine deutsche Frührenaissance sind
ausgezeichnet die Entwürfe „Sic“
und „Das alte Freiburg“; durch
Entwurf »LOwenpIatz“. Architekten: Rust & Müller in Leipzi|^. (Angekauft).
54a
No. 84.
eine schöne Spätrenaissance „Breisgau". Verhältniss-
mässig wenige Entwürfe wiesen Thürrae auf; Thurm-
paare zeigten der Entwurf der Hrn. Curjel & Moser
in Karlsruhe, der Entwurf „Im Städtebild", eine inter-
essante Arbeit, die aber unter dem Üebermaass
der beiden massigen Thürme leidet, und der Ent-
wurf „Zu Freiburg lebt und that viel Buss“, eine
Diagonallösung mit Kuppel und flankirenden Thürmen,
wenn wir uns recht erinnern, die einzige Arbeit, die
den Versuch machte, moderne Formen zu verwenden.
Eine Arbeit von starker Kraft, von monumentaler
Durchführung und geschlossener Strenge in dem an
die oberitalienischen Bildungen der Hochrenaissance
gemahnenden Aufbau ist die mit dem Kennzeichen
des badischen Wappens; nicht glücklich jedoch ist
sie im Grundriss.
Doch genug der Aufzählung. Verglichen mit
anderen grossen Wettbewerben der letzten Zeit zeigte
dieser Wettbewerb nicht die gleichmässige Güte, die
man bei der Schwierigkeit der Aufgabe vielleicht hätte
erwarten können; denn diese hat eine grosse Anzahl un-
Vermischtes.
Pensionirte Baubeamte und beeidigte höhere Bautechniker.
„Der Magistrat der Residenzstadt Schwerin hat sich be-
kanntlich entschlossen, einen Stadtbaurath anzustellen, der
vollberechtigtes Mitglied des Magistrates ist, und somit
unserem Fache diejenige Anerkennung zu zollen, die dem-
selben nach der heutigen Stellung gebührt. Anders scheint
jedoch die Gesinnung des Magistrates gegen diejenigen
Fachgenossen zu sein, die bereits in den Ruhestand ge-
treten, ihren Wohnsitz in Schwerin aufgeschlagen haben.
Denn aufgrund einer Ministerialverordnung, wonach zur
Abschätzung von Gebäuden behufs Versicherung gegen
Feuersgefahr ,;zwei behördlich vereidigte Baugewerks-
meister oder ein höherer beeidigter Bautechniker“ be-
rechtigt sein sollen, hat das Stadt-Polizeiarat durch Rund-
schreiben an alle Versicherungs-Agenten angeordnet, dass
Taxen von Gebäuden nur von „ im Amte befindlichen “
höheren Bautechnikern angenommen werden sollen, dem-
nach alle schon in Ruhestand getretenen Kollegen im
Verwaltungswege davon ausgeschlossen. Vorstellungen
an den Magistrat blieben ohne Erfolg. Erst auf Beschwerde
beim Ministerium wurde magistratsseitig erwidert, dass
die ^Berechtigung sich „„nicht auf die von auswärts hier
zuziehenden, pensionirten oder entlassenen Techniker be-
ziehen könne, da einmal der Magistrat nicht weiss, ob,
bezw. wo sie beeidigt, noch aus welchem Grunde sie aus
ihrem Dienste geschieden sind"“. Auf die Einreichung der
Bescheinigung der geschehenen Vereidigung und unbe-
scholtenenPensionirung seitens einer preuss. Staatsbehörde
erfolgte der Bescheid: „„dass ein pensionirter Beamter
nicht als beeidigter höherer Bautechniker anzusehen
ist““. _ Da das Ministerium es ablehnte, hiergegen einzu-
schreiten, so sind in der Stadt Schwerin alle pensionirten
Kollegen von der Anfertigung von Gebäudetaxen aus-
geschlossen. Diese Thatsache verdient wohl bekannt zu
werden, um allen Kollegen, die bei ihrem Uebertritt in
den Ruhestand vielleicht Schwerin, das ja durch land-
schaftliche Umgebung, Hoftheater, Museum usw. Manches
bietet, zum Wohnsitz wählen, in der Erwartung, hier noch
kleine Arbeiten und Nebenverdienst zu erhalten, abzu-
rathen.“ —
Der freie Zutritt zu den öffentlichen Kunstanstalten
Italiens. Das Italien. Ministerium des öffentl. Unterrichtes
hat in einem jungst ergangenen Erlasse den freien Zutritt
zu den staatlichen Museen, Galerien, Ausgrabungen und
Denkmälern durch neue Bestimmungen geregelt. Anspruch
auf freien Zutritt haben: i. die Künstler, 2. die Professoren
der Archäologie, Geschichte, Litteratur und Kunstgeschichte,
3. die Studirenden der archäologischen, historischen und
Kunstinstitute, der philologischen und philosophischen
Fakultäten und der Ingenieurschulen. Den Gesuchen um
jene Vergünstigung ist beizufügen bei Gruppe i eine aka-
demische Urkunde; bei Gruppe 2 eine veröffentlichte
Arbeit; bei Gruppe 3 ein amtliches Zeugniss, das bestätigt,
dass der Gesuchsteller ia dem betreffenden Jahre bei einer
der bezeichneten Anstalten eingeschrieben ist. Die aka-
demischen Urkunden und amtlichen Zeugnisse müssen von
der italienischen diplomatischen Vertretung und einem
italienischen Konsulate in dem Lande, dem der Gesuch-
steller angehört, oder von der betreffenden diplomatischen
Vertretung in Italien, beglaubigt sein. Die Gesuche sind
auf I Lire 20 Cent.-Stempelbogen unter Beifügung der
amtlichen Dokumente und einer Photographie in Reichs-
18. Oktober 1902.
genügender Kräfte nicht abgehalten, sich zu betheiligen.
Gleichwohl ist das thatsächliche Ergebniss ein ausge-
zeichnetes und ein für die beste Lösung der Aufgabe
ausserordentlich glückliches. In dem an erster Stelle
ausgezeichneten Entwurf ist dem badischen Ministerium
der Justiz, des Kultus und des Unterrichtes eine Arbeit
gegeben, welche eine reife, eine zweckmässige, eine
schöne und zugleich monumentale Lösung der Auf-
gabe darstellt, eine Arbeit von so hohem künstle-
rischem Gepräge, dass ihre Ausführung neben der
neuen Bibliothek die werthvollste künstlerische Be-
reicherung bilden würde, welche die Müsenstadt Frei-
burg in neuerer Zeit erfahren hat. Möge daher über
dem weiteren Verlauf der Angelegenheit der gleiche
glückliche Stern walten, der ihr bis dahin leuchtete!
Es möge dem genannten. Ministerium aber auch der
aufrichtige Dank der Fachgenossenschaft dafür aus-
gesprochen sein, dass es sich entschlossen hat, die
Lösung einer so anziehenden und bedeutenden Auf-
gabe den deutschen Architekten in ihrer Gesammtheit
darzubieten. —
format an das Ministerium des öffentlichen Unterrichts in
Rom zu richten, während Gesuche um freien Zutritt für
kommunale Sammlungen auf 60 Cent.-Stempelbogen, in
gleicher Weise belegt, an den Vorstand der betreffenden
Sammlung zu richten sind. In den neuen Bestimmungen
liegt zweifellos eine grosse Beschränkung, da viele;Künst-
1er eine akademische Urkunde überhaupt nicht beibringen
können. Auf diplomatische Vorstellungen wurde zwar
seitens der italienischen Regierung Abhilfe . in. Aussicht
gestellt, gleichwohl glauben wir die betheiligten Kreise
auf die vorläufig zur Anwendung kommenden neuen Be-
stimmungen aufmerksam machen zu sollen. In Frankreich
ist man ungleich rücksichtsvoller gegen die Künstler und
Kunstgelehrten. —
. Honorirung vonVorentwürfen im Helzungs- undLüftnngs-
fache. Der Verband deutscher Centralheiznngs-Industrieller,
welcher mit die bedeutendsten und angesehensten deutschen
Firmen dieses Geschäftszweiges zu seinen Mitgliedern zählt,
hat sich u. a. die Aufgabe gestellt, dahin zu wirken, dasS'
den Firmen Entwürfe von Heizungs-, Lüftungs-, Trocken-
und ähnlichen Anlagen in Bewerbungsfällen, in welchen
sie die Bestellung nicht erhalten, mit einem die Selbst-
kosten wenigstens annähernd deckenden Betrage aufgrund
eines vom Verbände aufgestellten Tarifes bezahlt werde.
Es soll damit insbesondere dem vielfach eingerissenen
Missbrauche gesteuert werden, dass häufig selbst für die
unbedeutendsten Anlagen Entwürfe in unverhältniss-
mässiger Anzahl eingefordert und nicht bezahlt werden.
Im. Verfolg dieser Bestrebung hat der Verband die im
Anzeigentheile abgedruckte Erklärung erlassen, welcher
alle billig denkenden Fachgenossen ihre Zustimmung nicht
werden versagen können, im Gegentheil, vielleicht den
Wunsch haben könnten, dass dieses dankenswerthe Vor-
gehen auch auf andere Geschäftszweige der Baupraxis
ausgedehnt werde. —
Die Neuorganisation des Hochbauwesens im Gross-
herzogthum Baden ist nunmehr erfolgt, nachdem die ein-
zelnen Ministerien ihre Sachverständigen ernannt haben.
Diese sind: für das Ministerium der Justiz, des Kultus und
des Unterrichtes Ob.-Brth. Prof. Dr. Otto Warth, der
Erbauer des Kollegiengebäudes der Strassburger Uni-
versität, ein als Baukünstler, Lehrer und Mensch gleich
hochgeschätzter Architekt; für das Ministerium des gross-
herzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten
Ob.-Brth. Kräuter, ein hervorragender Eisenbahnfach-
mann, weil diesem Ministerium die für Baden so wichtigen
Eisenbahnen unterstellt sind; für das Finanzministerium
Brth. Kredell, einer der erfolgreichsten badischen Bau-
beamten, der auf eine Reihe sehr bemerkenswerther
Monumentalbauten zurückblicken kann, und für das Mini-
sterium des Inneren Brth. Prof. L. Levy, dessen wir
bereits S. 40 gedachten. —
Personal-Nachricliten.
Deutsches Reich. Der Mar. -Brth. u. Hafenb. - Betr. - Dir.
Gromsch ist von Tsingtau nach Kiel und der Mar.-Hafen-Bmstr.
Rollmann von Wilhelmshaven nach Tsingtau versetzt; letzterer
ist mit Wahrnehmung der Geschäfte des Baudir. u. Vorst, der
Bauverwaltg, in Kiautschou beauftragt.
(Reichseisenb. in Els.-Lothr.) Der Reg.-Rath R h o d e
in Strassburg ist z. Ob.-Reg.-Rath, die Eisenb.-Betr.-Dir. K u n 1 2 e u
und Fleck sind zu Reg.-Räthen und Mitgl. der Gen.-Dir. , die
Eisenb. -Bau- u. Betr. -Insp. , Brthe. Keller in Metz und
Kriesche in Strassburg zu Eisenb.-Betr.-Dir. unt. Belassung
543
des Ranges der Räthe IV. Kl., der kgl. preuss. Reg.-Bmstr.
Kilp in D.-Oth und der kgl. württ. Reg.-Bmstr. Frey in Strass-
burg i. E. sind zu Bau- u. Betr.-Insp. ernannt.
Dem Reg. -Rath Dietrich bei der Gen.-Dlr. ist der Char.
als Geh. Brth. verliehen.
Dem Ob.-Reg.-Rath Rhode ist die Stelle eines Abth. -Vorst,
in der Gen.- Dir., dem Eisenb.-Betr.-Dir. Kriesche die Steile des
Vorst, des bautechn. Blir. bei ders. und dem Eisenb.-Betr.-Dir.
Keller die Verwaltg. des Betr.-Dir.-Bez. Mülhausen übertragen.
Der Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Seel in Strassburg i. E. ist
gestorben.
Baden. Der Reg.-Bmstr, Roth bei der Gen, -Dir. ist der
Eisenb.-Bauinsp. Karlsruhe zugetheüt.
Bayern. Der Ob.-Bauinsp. Weiss in Landshut ist z. Dir.-
Rath bei der Eisenb.-Betr.-Dir. Würzburg, der Dir. -Ass. Wöhrl
bei der Gen.-Dir. z. Vorst, der Eisenb.-Bausekt. Landau a. Isar und
der Dir.-Ass. Friedrich in Weiden zur Gen.-Dir. der Staats-
eisenb. berufen. Der im Ruhestand befindl. Betr.-Masch.-Ing.
Höllein ist als Dir.-Ass. zur Zentr.-Magazin-Verwaltg. München
berufen.
Preussen. Dem Reg.- u. Brth. Schmedes in Breslau und
den Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. B ern dt in Hirschberg u. Haedicke
in Bielefeld ist der Rothe Adler-Orden IV. Kl., dem Prof, an der
Techn. Hochsch. in Hannover, Geh. Reg.-Rath Launhardt der
kgl. Kronen-Orden II. KI. verliehen.
Dem Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Sannow in Erfurt ist die
Stelle eines Mltgl. der kgl. Eisenb.-Dir. das. verliehen.
Der Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Fr ahm in Berlin ist der kais.
deutschen Botschaft in London zugetheüt.
Sachsen. Der Reg.-Bmstr. Müller in Wilsdruff ist zum
Bauinsp. ernannt.
Württemberg. Dem Brth. Weigle in Stuttga;rt ist der Tit.
eines Ob.-Brths. verliehen.
Der Prof. Göller an der Techn. Hochschule in Stuttgart ist
gestorben.
Inhalt : Die neue Strassenbrücke über das Thal der Petrusse in
Luxemburg (Schluss'. — Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen
für ein neues Kollegien-Gebäude der Universität Freiburg i. Br. (Schluss).
— Vermischtes. — Personal-Nachrichten. — Verband deutscher Architekten-
und Ingenieur-Vereine.
Hierzu eine Bildbeilage: Die neue Strassenbrücke über
das Thal der Petrusse in Luxemburg.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Hofmann, Berlin. Druck von WUh. Greve, Berlin.
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine.
Nachstehend bringen wir zur Kenntniss der Einzelvereine die aufgrund der Beschlüsse der Augsburger
Abgeordneten-Versammlung vom Vorstande an die zuständigen Stellen gerichteten erneuten Eingaben in
Sachen der Prüfung des Doktor-Ingenieurs.
Dresden-Berlin, den 15. Oktober 1902.
Der Verbands-Vorstand:
I. Eingabe an den preuss. Kultus-Minister.
Dresden-Berlin, den i. Oktober 1902.
Euer Excellenz
beehrt sich der Unterzeichnete . Vorstand des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine unter Bezug-
nahme auf seine Eingabe vom 20. September v. J, in der
Frage der Zulassung der staatlich geprüften Baubeamten
zur Prüfung des Doktor-Ingenieurs erneut ehrerbietigst
Folgendes vorzutragen :
In den Kreisen der Staatsbaubeamten bezw. der staat-
lich geprüften Architekten und Ingenieure besteht noch
irhmer die Befürchtung, es könne die endgiltige Regelung
der Doktor- Promotions-Frage in einer Weise erfolgen, die
geeignet erscheint, das Ansehen der genannten Vertreter
des Baufaches, die doch einen sehr wesentlichen, z. Z.
wohl den grössten Theil aller Techniker mit voller Hoch-
schulbildung ausmachen, in der öffentlichen Meinung herab-
zudrücken. (Wenn nun auch dem Vernehmen nach eine
Vereinigung der staatlichen und der akademischen Prüfung
am Schlüsse des Studiums in Aussicht genommen ist, wo-
durch für die Zukunft die jetzt bestehenden Gegensätze
ja ohne weiteres verschwinden würden, so ist damit die
Frage doch noch nicht für diejenigen gelöst, die sich bis-
her den staatlichen Prüfungen unterzogen haben, bezw.
bis zur Einführung der genannten einheitlichen Prüfung
noch unterziehen werden.)
Die XXXI. Abgeordneten-Versammlung des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine, die am
30. August d. J. in Augsburg tagte, beauftragte daher den
Unterzeichneten Vorstand dahin zu wirken, dass:
1. die staatlich geprüften Architekten und Ingenieure
hinsichtlich der Zulassung zur Prüfung des Doktor-In-
genieurs mit den Diplom-Ingenieuren der Technischen
Hochschulen vollkommen gleich gestellt.
2. überall da, wo Vorschriften darüber noch fehlen,
im Interesse des gesammten höheren Baufaches schleunigst
Uebergangs-Bestimmungen erlassen werden,
3. die einheitliche Regelung dieser wichtigen Fragen
an allen deutschen Hochschulen angestrebt werde.
Wir richten an Euer Excellenz die ehrerbietige Bitte,
in dieser die weitesten Kreise des Baufaches berührenden
Frage eine Regelung herbeiführen zu wollen, die den
oben ausgesprochenen Wünschen entspricht.
Der Vorstand
des Verbandes deutscher Arch.- und Ing.-Vereine.
Der Vorsitzende: Der Geschäftsführer:
Waldow. F. Eiselen.
II. Eingabe an den preuss. Minister der öffentl.
Arbeiten.
Abschrift der vorstehenden Eingabe ist dem Herrn
Minister der öffentl. Arbeiten mit der Bitte überreicht
worden, , die Bestrebungen des Verbandes nach dieser
Richtung unterstützen zu wollen.
- III. Eingabe an die Senate der Technischen
Hochschulen zu Berlin, Aachen, Hannover.
Abschrift der Eingabe zu I. ist den Senaten der drei
genannten technischen Hochschulen mitgetheilt worden.
544
Waldow. F. Eiselen.
IV. Eingabe an das Ministerium des Inneren für
Kirchen- und Schul - Angelegenheiten in
München, an das Ministerium für Kirchen-
und Schul-Angelegenheiten in Stuttgart, an
das Ministerium der Justiz, des Kultus und
des Unterrichtes in Karlsruhe, an das Mini-
sterium des Inneren in Darmstadt, an das
Staatsministerium in Braunschweig.
An die vorstehend aufgeführten Ministerien ist eine
dem Wortlaute zu i entsprechende Eingabe unter Fort-
lassung der eingeklammerten, ausschliesslich auf preussische
Verhältnisse bezüglichen Stelle, gerichtet worden.
V. An das Ministerium des Inneren in München,
in Stuttgart und in Karlsruhe, sowie an das
Ministerium der Finanzen in Darmstadt
ist Abschrift der an die Kultus-Ministerien gerichteten Ein-
gabe mit der Bitte um Unterstützung übersandt worden.
VI. Den Senaten der Technischen Hochschulen
zu München, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt
und Braunschweig
wurde die Eingabe zu IV. in Abschrift mitgetheilt.
VII. An den sächsischen Kultusminister.
Dresden-Berlin, den i. Oktober 1902.
Euer Excellenz
beehrt sich der Unterzeichnete Vorstand des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine unter Be-
zugnahme auf seine Eingabe vom 15. Okt. v. J. ehrerbietigst
eine erneute Eingabe vorzulegen, die den Herren Kultus-
Ministern der anderen Bundesstaaten mit eigener technischer
Hochschule gleichzeitig überreicht wird.
Für die Technische Hochschule in Dresden ist durch
Erlass des königl. Ministeriums des Kultus und des öffentl.
Unterrichts vom 2. August 1901 eine Diplom-Prüfungs-
Ordnung genehmigt, welche als Grundlage für die Zu-
lassung zur Prüfung des Doktor-Ingenieurs gilt und den
drei in den Beschlüssen der XXXI. Abgeordneten-Ver-
sammlung des Verbandes ausgesprochenen Wünschen
nicht entspricht.
Der Unterzeichnete Vorstand richtet deshalb an Euer
Excellenz die ehrerbietige Bitte, die in der Eingabe aus-
gesprochenen Wünsche der Staatsbaubearaten nochmals
einer wohlwollenden Prüfung unterziehen zu wollen, na-
mentlich nach der Hinsicht, ob den Vorschriften nicht
durch Uebergangsbestimmungen die für die jetzige Gene-
ration besonders fühlbare Härte genommen werden kann.
Der Vorstand
des Verbandes deutscher Arch.- und Ing.-Vereine.
Der Vorsitzende: Der Geschäftsführer:
Waldow. F. Eiselen.
VIII. An das Ministerium der Finanzen in Dresden
ist Abschrift der Eingabe zu VIT. mit der Bitte um Unter-
stützung gesandt worden.
IX. Dem Senat der Technischen Hochschule
in Dresden
ist von der Eingabe zu VII. abschriftlich Kenntniss ge-
geben worden. —
No. 84.
DEUTSCHE
XXXVI. Jahrgang No. 85.
BAUZEITUNG.
Berlin, den 22. Oktober 1902.
Berliner Neubauten.
No. 102. Die Umwandlung und die Neubauten
des Zoologischen Gartens. (Fortsetzung aus No. 80.)
VIII. Das Straussenhaus.
Architekten: Kayser & von Groszheim in Berlin.
(Hierzu der Grundriss S. 162 und die Bildbeilage zu No. 26.)
dem neuen Straussenhause der Architekten
Cayser & von Groszheim ist die be-
vährte Ueberlieferung des Gartens fortge-
etzt, welche von den Architekten Ende &
löckmann ausging und darin bestand, den
Thierstall auf eine künstlerische Stufe zu heben und
ihm die Formen des Heimathlandes des Bewohners zu
verleihen. So wurde das neue Straussenhaus im Stile
der ägyptischen Tempel- und Grabbauten errichtet und
seine Äussenflächen durchaus mit den koilanaglyphi-
schen Darstellungen der Tempelflächen, sein Inneres
mit den dekorativen Malereien geschmückt, die sich
im Inneren der Tempel, namentlich aber in den gross-
artigen ägyptischen Grabbauten, vom heissen Sande
verschüttet und erhalten, noch heute in voller Frische
finden. Das Haus zeigt eine basilikale Anlage, cs ist
im Grundriss dreischiffig. Das Mittelschiff ist für die
Besucher bestimmt, während die Seitenschiffe die Ställe
für die Strausse, Kasuare und einige kleinere Riesen-
vögel enthalten. Dem Mittelschiffe legt sich eine
Eingangshalle vor, an welcher der Wärterraura liegt.
Das Haus wird durch eine Warmwasserheizung er-
wärmt und hateinezweckentsprechendeLüftungsanlage.
Die Heizanlage geht von einem Raume unterhalb der
Vorhalle aus. Gegenüber der Vorhalle liegt ein Ab-
schlussraum, welcher ein Diorama von Prof. Eugen
Bracht aufgenommen hat, das die Meranonssäulen bei
Abcndbeleuchtung in einer überschwemmten Nilland-
schaft darstellt. Der Fussboden der Eingangshalle
und des Raumes für die Besucher ist durch Terrazzo-
belag gebildet. Die flachen Dächer sind mit Wellen-
zink eingedeckt.
Die künstlerische Wirkung des Gebäudes hegt
ausschliesslich in dem farbigen Schmuck seiner we-
DACHGESCHOSS.
nigen Architektur-
theile und seiner
Flächen. Dieser ist
auf Putz aufgetra-
gen, dessen Her-
stellung daher so-
wohl im Aeusseren
wie im Inneren mit
besonderer Sorgfalt
überwacht wurde.
Die künstlerischen
Motive, sowie die
Inschriften sind un-
ter der Anleitung
des Aegyptologen
Dr. Kurth dem alt-
ägypt. Formenkreis
entnommen. — Die
Das ^osse Hirschhaus.
Architekt:
Fritz SchuUze ln Berlin.
545
Wiedergabe durch Dekorationsmaler J. Senft ist die
koilanaglyphische Technik der Tempelfassaden des
Nillandes, d. h. die Umrisse der Darstellungen sind
vertieft in den feuchten Putz eingegraben und die
Farben der Flächen des Schmuckes durch ein enkausti-
sches Verfahren wetterfest gemacht.
Die Stallthüren krönt der ägyptische Willkommen-
gruss. An der Decke derVorhalleist auf blauemSternen-
griind das Bild der ägyptischen Himmelsgöttin ange-
bracht, die vom Erdgott getragen wird, und an der
Decke des Innenraumes folgen in derselben Ausfüh-
rung, unterbrochen durch stilisirte Figuren schweben-
der Geier, die Sternbilder des Nordhimmels in alt-
ägyptischcr Deutung und der berühmte Thierkreis
von Denderah, in dem fast alle Sternbilder unseres
Zwölferkreises wieder zu finden sind. Sonst sind als
Dekorationsmotiv die Lotosblume, der Scarabaeus-
käfer und die Sphinx verwendet.
Die theilenden Stützen des Inneren sind durch die
Hathormaske bekrönt. An dem plastischen Schmuck
ist Bildhauer Prof. G. Riegelmann betheiligt.
Dielnschriften zeigen dieFormen der Hieroglyphen.
Die Bauinschrift lautet: „Im Jahre 13 des Herrn
der beiden Länder Wilhelm
II. — Leben, Heil, Gesund-
heit blühe Ihm! — wurde
der Bau dieses Hauses der
Straussenvögel vollendet“ .
An der Aussenseite befinden
sich alte Sprüche aus Tem-
pel-Inschriften, sowie der
Spruch: „Sie bringen herbei
die Straussen“. Innerhalb
des Vorraumes liest man an
den Wänden die Namen Heck,
Wilhelm Meyer, Alfred Alt-
schul, Sasse, j. K.,Böckmann,
Kayser, von Groszheim, Eick,
Julius Senft. Um die Säule
herum läuft das von Erman
wiedergegebene Lied über
die Freudenfeste zurzeit der
Nil - Ueberschwemmungen.
Erman übersetzt es: „Der
Erdgott lässt wachsen seine
Schönheit in jedem Leibe.
Ptah macht dies mit seinen
Händen zur Salbe für sein
Herz, wenn die Teiche voll
sind von neuem Wasser und
die Erde überschwemmt mit
seiner Liebe“. Keine der In-
schriften ist erfunden, sie
gehen alle auf alte Vorlagen
zurück. Die Bausumme für das Straussenhaus be-
trägt 104 000 M. —
IX. Das grosse Hirschhaus.
Architekt: Fritz Schnitze in Berlin.
(Hierzu die Abbildgn. S. 177 sowie S. 545.)
der Wärter ungesehen die Thiere beobachten und
auch von hier aus das Oeffnen und Schlicssen der
Aussenthüren, die zu den Aussengehegen führen, durch
eine besondere Zugvorrichtung bewerkstelligen. Von
dem zentralen Inncnraurae führt eine Treppe zu den
oberen Bodenräumen, die zur Aufbewahrung von Heu
dienen. Die beiden Räume in den Thürmen sind zum
vorübergehenden Aufenthalte für denWärter bestimmt.
Die Galerien an den Fronten sind von dem Heuboden
zugänglich und haben den Zweck, das Heu von hier
aus durch Oeffnungen, die sich im Boden der Galerien
befinden, in die unterhalb derselben angebrachten
Raufen zu schütten,
Das Gebäude ist als Fachwerkbau aufgeführt
und aussen mit Halbstämmen verkleidet; die Kopf-
enden zeigen die vollen Rundstämme von rd. 30
Durchmesser, sodass für den Beschauer der Blockhaus-
Charakter voll gewahrt ist.
Die Baukosten des schönen und malerischen Bau-
werkes, welches durch die Firma Zaar & Valil aus-
geführt wurde, beliefen sich auf 53 760 Mk. —
Auch bei diesem Bauwerke ist der Zweck verfolgt,
einen Einklang zu schaffen zwischen den Bewohnern
Fasanengehege. Architekten: Schultz & Stegmüller in Berlin.
und ihrer Behausung. „Der phantasievolle Verfasser
hat in dieses stattliche Bauwerk eine gewisse urwüchsig- ,
wuchtige Romantik hineingelegt, ein echtes Waldhaus
und natürliches Heim für Waldthiere geschaffen.“
(Heck.) —
X. Das Kameelhaus.
er Auftrag zum Neubau des grossen Hirsch-
hauses erfolgte aufgrund eines mit dem
II. Preise ausgezeichneten Entwurfes des
Verfassers zur „Waldhalle“ für den Zoolo-
gischen Garten, der, wie es in dem Gut-
achten der Preisrichter hiess, am vollendetsten den
im Programm verlangten Naturholz-Charakter
zur Schau brachte. Hauptbedingung für die Grund-
rissanordnung zum Neubau des grossen Hirschhauses
war, auf dem zur Verfügung stehenden dreieckigen
Gelände möglichst viel Abtheile für grosse Hirsche zu
schaffen; hieraus ergab sich der S. 545 dargestellte
Grundriss des aus zwei, durchVerbindungsgänge in den
einzelnen Geschossen zu einem Ganzen verbundenen
Fheilen des Baues, der durch seinen hochragenden Ober-
bau als beherrschendes, weithin sichtbares Mittelstück
des ganzenHirschparkes gedacht war. Die einzelnen Ab-
theile sind von einem zentralen Innenraume zugänglich.
Durch kleine runde Gucklöcher in den Thüren kann
Architekten: Kayser & von Groszheim in Berlin.
(Hierzu die Abbildungen Seite 183.)
u den Neubauten des Jahres 1898 zählt das
nach den Entwürfen der Architekten Kayser
& V. Groszheim gegenüber dem Antilopen-
hause, an der Grenze gegen denThiergarten,
im maurisch-arabischen Stile errichtete Ka-
meelhaus. Es hat im Grundriss eine langgestreckte
Form mit zwei an beiden Enden stark vortretenden
Eckbauten. Es beherbergt in dem ungeheizten Seiten-
flügel die Kameele und Dromedare, in dem gegenüber-
liegenden heizbaren Flügel Antilopenarten, die auch
im Winter ins Freie gelassen werden und jederzeit
in den durch Heizung frostfreien Stall zurückkehren
können. In dem erhöhten Mitteltheil des Hauses sind
für die kleinen Antilopenarten bis höchstens zu der
Grösse eines Rehes stärker erwärmte Ställe, in welchen
auch der Boden warm ist, eingerichtet. Die Baukosten
des Hauses beliefen sich auf rd. 30000 M. —
546
No. 85..
XI. Die neue Fasanerie.
Architekten: Schultz & Stegmüller in Berlin.
XII. Die neuen Wasserflugkäfige.
Architekten: Zaar & Vahl in Berlin.
(Hierzu die Abbilduof S. 546.)
ie neue Fasanerie führt den Besucher des
Gartens aus fremden Ländern in die hei-
mathliche Waldesstimmung zurück. Sie hat
die Bestimmung, den Fasanen und anderen
verwandten Hühnervögeln ein Heim zu
schaffen, in welchem sie wenigstens bis zu einem
(Hierzu die Abbildungen S. 176.)
B*™SMie lange Reihe der neuen Wasserflugkäfige
fügt sich vermöge der geschickten Entwürfe
1 der Architekten als harmonisches Schluss-
stück in das japanische Viertel zwischen
Wirthschaftshof und Stelzvogelhaus ein. Mit
einem natürlichen Bach und mehreren Wasser spen-
Theil die natürlichen Lebensbedingungen wiederfinden
und dadurch die Gefangenschaft vergessen könnten.
Zu diesem Zwecke ist in die durch Drahtgeflechte
abgegrenzten Abtheile wirklicher Waldboden mit
Blaubeeren- und Haidekraut gebracht. In der Fasanerie
sind nunmehr alle wilden Hühnervögel vereinigt, die
ihrer naturgeschichtlichen Verwandtschaft nach zu-
samraengehören: Fasanen, Pfaue, Hocko’s, Baum-
hühner, Frankoline und Rebhühner, Perlhühner usw. —
denden Felsenaufbauten nach Lehmanns Entwürfen
ausgestattPt, sollen sie ausser den Ibissen und Sich-
lern auch allen ausländischen Reihern, Rallen und
Wasserhühnern, ferner denBraut- und Mandarin-Enten,
Baumenten und anderem zarteren Wassergeflügel zu
passendem Aufenthalt dienen. Einen besonderen Reiz
verleiht ihnen ein hochgelegenes Wasserbecken, in
dem man durch seitliche Aquarium-Scheiben Pinguine,
Lummen, Schlangenhals vögel und andere Fischtaucher
22. Oktober 1902.
547
unter Wasser beobachten kann. In glücklichster Weise
ist das dünne Eisenwerk der Käfige durch schön ge-
zeichnete farbige Glaseinsätze zu etwas Masse gebracht
w'orden, sodass theilweise eine wohlthuende und ruhige
Flächenwirkung entsteht. Die Kosten der durch die
Architekten auch ausgeführten Voliere haben 62247
betragen. —
XIII. Die F elslands c haften des Zoolog. Gartens.
Entwurf: Theatermaler Moritz Lehmann in Berlin.
(Hierzu die Abbildung S. 547.)
nter den „Neubauten“ des Zoologischen Gar-
tens soUen die neuen Felslandschaften, wie
sie in der Adlervoliere, in der Ibisvoliere, ira
Pelikanteiche und namentlich in dem neuen
Gemsenberge erstanden sind, nicht uner-
wähnt bleiben, denn sie sind mit grosser Kunst der
Natur nachgebildcte Bauwerke, für deren Anlage die
Gartenverwaltung einen Maler, Hrn. Moritz Lehmann,
als entwerfenden Künstler zu gewinnen wusste. Dem
Künstler wurde zunächst die Ausstattung des grossen
Flugkäfigs für Sumpf- und Strandvögel anver-^
traut, die mit grossem malerischem Geschick gelöst
wurde. Es folgte sodann die Anlage des Felsen-
beckens für Pelikane, Kormorane und grosse
Möveo, bei welchem das Ziel verfolgt wurde, für diese
Vermischtes.
Der Abendbesuch im kgl. Kunstgewerbe -Museum in
Berlin bei elektrischem Licht wird voraussichtlich im
November beginnen. Es handelt sich darum, allen denen,
welche am Tage die Zeit für die Museen nicht erübrigen
können, vor allen den Arbeitern der kunstgewerblichen Be-,
triebe, die Schätze des Museums zugänglich zu machen.
Zu diesem Behufe erschien es zweckmässig, nicht die
ganzen, durch ihren Umfang eher ermüdenden Massen in
ihrer jetzigen Aufstellung bei künstlichem Lichte vorzu-
führen, sondern in dem grossen Lichthofe des Museums
Sonderausstellungen herzurichten, die aus grösseren
Gruppen erlesene Stücke bringen. Innerhalb dieses Rahmens
sollen dann Stücke in kürzeren Fristen ausgewechselt wer-
den. Begonnen wird mit der Kunst der Renaissance in allen
ihren Zweigen; nach 2 — '3 Monaten soll dann eine andere
Gruppe, in gleicher Art zur Aufstellung gelangen. Es werden
auch hervorragende Stücke -aus anderen Abtheilungen der
kgl. Museen sowie aus Privatbesitz herangezogen werden.
Ein bestimmter Lehrgang, der Besuche in regelmässi-
gen Abständen fordern würde, ist für diese Ausstellungen
nicht beabsichtigt, es soll ihnen vielmehr die grösste
Freiheit der Bewegung gewahrt bleiben, um auch inter-
essante Neuerscheinungen dem Abendbesuch zugänglich
machen zu können und den Ausstellungen im Lichthof
auch für den Tagesbesuch ihr Interesse zu wahren. Die
Ausstellung soll an fünf Wochentagen (mit Ausnahme
des Montags) von 7V2~9V2 Ehr geöffnet sein. —
Der herzogliche. Palast in Gubbio Nationaleigenthum.
„II Governo ha dunque comprato il Palazzo, Exducaie di
Gubbio, Meglio.tardi che mai!“ Das waren die Worte,
die dem Besucher diesmal in Gubbio zu Ohren kamen,
nachdem man bereits im vorigen Jahre vernommen, hatte,
dass die herrlichen Kamine der beiden Säle des Palastes
vom Staate aufgekauft seien. Man hat also doch noch
noch, rnehr für dieses eine Erstwerk der italienischen
Hochrenaissance übrig gehabt und es ebenfalls zum „mo-
numento nazionale“ erhoben. Die Kaufsumme für den
Palast ist eine geringe, denn er besitzt trotz seiner Aus-
räubung nicht nur geschichtlichen Werth, sondern immer
noch Kunstwerth genug, und ist gerade für unsere neueren
dekorativen. Bestrebungen von Wichtigkeit. Kaum ein
anderes Werk von Luciano da Laurana, auch nicht die
prächtige „Sala degli Angeli“ im Urbiner- Palast, war so
reich und vornehm in Farbe gesetzt, wie die Steinarchi-
tektur der Thüren und Fenster und wie die der Kamine
in Gubbio. Bei hellem Sonnenschein und allseits geöffneten
Läden ist es noch heute möglich, die Farbenpracht zu
ahnen, die einst hier ausstrahlte. Es ist in dem nur mittel-
bar beleuchteten Zimmer an der Rundtreppe Vormittags
und in den vorderen Sälen gegen Mittag unter entspre-
chendem Reflexe die farbige Stimmung noch besonders
schön. AUe Höhen der Profile waren echt vergoldet,
allen Tiefen der Schmuckglieder war ein tiefes Blau ein-
gestrichen, das auch sonst noch aufgesetzte Goldlinien be-
gleitete. Das galt sowohl für das plastische, wie für das
aufgemalte Ornament auf graugrünem Stein.
548
Seevögel ein malerisch wirkendes Gehege zu schaffen,
in welchem sie sich bewegen und umhersitzen können
wie auf den Klippen ihrer heimathlichen Brutplätze.
Aehnliche Gesichtspunkte wurden bei den landschaft-
lichen Bildungen der neuen Wasserflugkäfige ver-
folgt. Die bemerkenswertheste Leistung dieser Art
jedoch ist der neue Gemsenberg, den wdr S. 547
abbilden. Dieses neue Felsengehege für Gebirgs-
Wiederkäuer sollte Ersatz bieten für das alte, der
Umwandlung des Gartens zum Opfer gefallene Lama-
haus ; es sollte den alten Muflonfelsen, der durch sel-
tene Exemplare dieser Thiergattung gefüllt wurde, ent-
lasten; es sollte ferner die Gemse in die Nähe der
Antilopen bringen, zu welchen sie gehört; und es
sollte endlich auch Unterkunft bieten für die antilopen-
ähnlichen Tharaziegen vom Himalaya und dem vorder-
indischen Nilgherrigebirge. „Vollkommen wie ein na-
türlicher, etwas angewitterter Felsenrücken im Walde
streckt sich das Ganze lang dahin, das Gesteingefüge
und seine verwaschenen Farbentöne sind mit täuschen-
der Naturtreue nachgeahmt, und wenn die verschie-
denen langzottigen und gehörnten Bewohner, behag-
lich wiederkäuend, auf den geröllbedeckten Abhängen
liegen, erscheinen sie in einem Rahmen und auf einem
Hintergrund, wie er natürlicher und passender für
sie nicht wohl gefunden werden kann“. (Heck.) —
(ScMuss folgt.)
Möchte es doch gelingen, wenigstens den traulichen
Säulenhof wieder herzustellen, so wie er einst war, als
ein weiteres Denkmal für den edlen Fürsten Federigo II.
und seinen ersten Baukünstler Luciano da Laurana! —
Urbino. Prof. Theobald Hofmann.
Personal-Nachrichten.
Bayern., Der Eisenb.-Betr.-Dir. Köhler in Regensburg ist
unt. Verleihung des Tit. Ob.-Reg.-Rath in den Ruhestand getreten.
Preussen. Dem Reg.- u. Brth. Glasenapp in Washington,
dem Kr.-Bauinsp. Brth. Misling in Elberfeld, dem Landbauinsp.
Brth. Geick in Posen und dem Kr.-Bauinsp. Brth. Glase wald
in Köslin, dem letzt, aus Anlass s. Uebertritts in den Ruhestand,
ist der Rothe Adler-Orden IV. Kl., dem Kr.-Bauinsp. Geh. Brth.
Brauweiler in Trier aus Anlass seines Uebertritts in den
Ruhestand ist der kgl. Kronen-Orden III. Kl. verliehen.
Dem Hofbauinsp. Wittig ist die Erlaubniss zur Anlegung
des ihm verlieh. Ritterkreuzes des kgl. italien. St. Mauritius- und
Lazarus-Ordeus ertheilt.
Zu Mitgl. der techn. Prüfungsärater sind ernannt in Berlin ;
der Geh. Mar. -Brth. und Schiffb.-Dir. Jaeger und der Mar.-Ob.-
Brth. und Maschinenb.-Betr.-Dir. C o 1 1 i n in Berlin; — in Hannover:
der Reg.- u. Brth. Leitzmann in Hannover; — in Aachen; die
Prof, an der Techn. Hochschule Dr. Schumann und H e r t wi g.
Dem Reg. -Bmstr. Ernst Wi g g e r t in Breslau ist die nachges.
Entlassung aus dem Staatsdienste ertheilt.
Der Reg.- u. Brth. Lottmann in Jülich ist gestorben.
Brief- und Fragekasten.
Elrep, Borken. Das. Abputzen eines Hauses kann als Um-
oder Ausbau im Sinne G. v.,2. Juli 75 § ir selbst dann nicht an-
genommen werden, wenn diese Gelegenheit benutzt wird, die
Strassenfroot in künstlerischer Hinsicht zu verschönern. Auch ist es
nebensächlich, ob das Abputzen aus zwingenden Gründen der Noth-
wendigkeit baupolizeilich gefordert wurde oder freiwillig aus Schön-
heitsrücksichten beabsichtigt' wird. Dagegen erscheint das Aus-
wechseln eines hölzernen Gesimses gegen, ein steinernes sehr wohl
unter den Begriff des Umbaues gebracht werden zu können, wenn
dieses Gesims einen hervorragenden Bestandtheil der Fassade bildet.
Denn durch die Verwendung eines. mehr haltbaren Materials wird
die Dauerhaftigkeit des Bauwerkes erhöht und der Zeitpunkt ver-
schoben, innerhalb dessen sonst wegen Baufälligkeit, zu einem Neu-
bau geschritten werden müsste und ein Fall des a. G. § ii Vorge-
legen haben würde. Die Ortspolizei ist also in einem derartigen
Falle zum Verbot berechtigt, das hölzerne durch ein gemauertes
Gesims zu ersetzen, sobald nach ihrem pflichtschuldigen Ermessen
über den gemeinüblichen Begriff des Abputzes hinausgegangen
und in das Gebiet des Umbaues eingetreten wird. Ob im Einzel-
falle über die-Befugniss hinausgegangen, das Verbot übereilt er-
lassen und willkürlich gehandelt werden würde, ist eine Frage that-
sächlicher Natur, die genauerere Kenntniss der einschlagenden Ver-
hältnisse erfordert, als die gelieferte Sachdarstellung bietet. —
K. H-e.
Anfragen an den Leserkreis.
Giebt es Werke, welche niedersächsische bäuerliche Kunst,
insbesondere Möbel und innere Einrichtung enthalten?
G. H. in Hannover.
Inhalt : Berliner Neubauten. No. 102. Die Umwaudhmg und die Neu-
bauten im Zoologischen Garten (Fortsetzung). — Vermischtes. — Personal-
Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m, b. H., Berlin. Für die Redaktion,
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Gr ev e, Berlin.
No. 85.
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN *
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AUZEITUNG.
GANG. * * NO. 86. *
DEN 25. OKT. igo2. *
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Berliner Neubauten.
No, 102. Die Umwandlung und die Neubauten des Zoologischen Gartens. (Schluss.)
it den voraufgegange-
nen Schilderungen seien
die Thierhäuser ver-
lassen und nun in kurzen
Zügen die neuen Ge-
bäude zur Darstellung
gebracht, welche den
Zwecken der Verwal-
tung und der Bewirth-
schaftung des Gartens,
sowie der Verpflegung
der in ihm verkehren-
den grossen Menschen-
massen dienen. Die Ge-
bäudegruppe aus No. 80
steht auf der Grenze und
bildet in ihrer Vereini-
gung von Thierhäusern
und Verwaltungs-bezw.
Lehrgebäuden denÜber-
gang von einer Gebäu-
deart zur anderen. Die
bedeutendste Gruppe
der den ökonomischen
Zwecken des Gartens
gewidmeten Gebäude
besteht aus dem Ver-
waltungs-Gebäude mit
einigen an dasselbe an-
gcschlossenen kleineren
Baulichkeiten und dem
Wirthschaftshof. —
XIV.
Das Verwaltungs-
Gebäude.
Archit.; Zaar & Vahl
in Berlin.
(HierzQ die Abbildungen und die
Bildbeilage zu No. 22.)
DasVerwaltungs-Ge-
bäude, der Haupt-Ein-
gang, der Wirthschafts-
eingang, sowie das linke
und das rechte Pfört-
nerhaus sind von den
Architekten aufgrund
eines von der Garten-
verwaltung ausgeschrie-
benen Wettbewerbes, in
welchem sie den I. Preis
erhielten , in General-
Unternehmung ausge-
führt worden. Als freier
Auftrag schloss sich die-
sen Gebäuden die Fahr-
radhallean.Dieschlichte
Anlage dieser Gebäude
geht aus den Grund-
rissen S. 139 hervor. Für den' Aufriss wurde der japa-
nische Stil verwendet, welcher mit seiner zu gleicher
Zeit treuen und doch wieder freien Behandlung, mit
welcher er den Bedürfnissen der Vei*waltung auf das
glücklichste angepasst wurde, und mit der phantasie-
vollen Verflechtung von allen möglichen auf die Be-
stimmung des Gartens bezüglichen Einzelheiten die ur-
sprünglichen Nutzbauten zu hervorragenden und cha-
rakteristischen Kunstbauten stempelte. In demElephan-
ten-Thor gaben die Architekten eine Schöpfung, wie sie
treffender und schöner kaum ein anderer zoologischer
Garten besitzen dürfte. Für die einzelnen Gebäude
dieser Gruppe wurden die foIgendenSummen aufgewen-
det: für das Verwaltungs-Gebäude 145650 M.; für den
Haupteingang zwischen dem Verwaltungs-Gebäude und
der rechtsseitigen Sanitätswache 63 063 M. ; für den
Wirthschaftseingang links neben dem Verwaltungs-
Gebäude 4300 M.; für das linke Pförtnerhaus 176^,
für das rechte Pförtnerhaus (Sanitätswache) 21522 M.;
für die Fahrradhalle 25 103 M. —
XV. Der Aussichts -Thurm.
Arch.: C. Teichen in Berlin. (Hierzu die Abbildungen S. 551.)
I er Aussichtsthurm verdankt seine Entstehung
in der Hauptsache dem Umstande, dass ein
altes, 17,5“ hohes schmiedeisernes Gerüst,
I welches ein 5“ hohes und 5“ im Durch-
messer haltendes rundes Wassergefäss tnjg
und einen der malerischen Gegend nicht zur Zierde
gereichenden Anblick bot, in künstlerische Form ge-
bracht werden und zugleich den Besuchern des Gar-
tens einen Aussichtsplatz über den Bäumen des Thier-
gartens bieten sollte. Da nun die eisernen Stützen
nur gerade die Last des Reservoirs tragen konnten
und für weitere Aufbauten nicht mit in Anspruch ge-
nommen werden durften, so war man gezwungen,
um diese Stützen herum und ohne sie in irgend einer
Weise mit den neuen Lasten in Verbindung zu bringen,
einen besonderen Ausbau auszuführen. Es geschah
dies in der Weise, dass hinter die alten Eisenstützen
innen 6 massive Pfeiler auf die alten tragfähigen Fun-
damente aufgesetzt und dass auf diese Pfeiler oben
besondere kurze Eisenstützen aufgestellt wurden, die
nun die Last der höher zu führenden neuen Thurm-
konstruktion, der Umgänge, Gallerien usw. aufnehmen.
Da das grosse Reservoir im Betrieb bleiben musste,
war man gezwungen, die erste Gallerie auf Konsolen
vorzukragen und in zwei vorspringenden Erkern die
Treppen zu der zweiten Gallerie anzuordnen, wodurch
zugleich eine malerischeWirkung erzielt werden konnte,
ln Höhe der zweiten Gallerie wurde ein durchgehen-
des Podium in Stein und Eisen konstruirt, das in
seinem mittleren Theil den neuen Schaft mit den in
diesem weiter führenden beiden Treppen aufnahm.
Die Platte des Kapitäls dieses Schaftes bildet eine
dritte Gallerie, die in der Mitte mit einer schlanken
Laterne bekrönt wurde. Die beiden oben erwähnten
Treppen schlängeln sich vom Gelände an neben- und
untereinander bis in die höchste Spitze empor; sie
sind durchaus unabhängig von einander, sodass eine
Begegnung der hinabsteigenden Personen mit den
Hinaufsteigenden ausgeschlossen ist.
Die Höhenabmessungen sind bis zur i. Gallerie
^7)50^ bis zur zweiten 23“’, bis zur dritten Gallerie
34,50“!, der Knauf der Laterne, auf dem sich eine
schlanke Fahnenstange erhebt, liegt 42,50™ über dem
Gelände. Die Materialien sind Stein und Eisen; die
Mauerflächen sind verblendet, die 6 Ecken der massi-
ven Pfeiler des Unterbaues, vor welchen die alten
Stützen frei liegen, sind mit Wülsten aus grün glasir-
ten Dachsteinen abgedeckt, die zuletzt, nachdem et-
waige Setzungen der neuen gegen die alte Konstruk-
tion nicht mehr zu befürchten waren, als Verkleidung
549
über die alten Stützen gelegt wurden. Die Hohlkehlen' [Die Anlage des sechsseitigen Pavillons im Grundriss
der Gallerien sind in Monierkonstruktion ausgeführt| lund Durchschnitt mit Anordnung der Schalltrichter
und mit farbigen Malereien in Keim’schen Mineral-' zeigen die beistellenden Abbildungen. Die Formen-
farben geschmückt; das sichtbare Eisenwerk wurdeV'sprache schliesst an 'russische Vorbilder an; in der
mit Ripolinfarbe gestrichen und
mässig vergoldet. Der Bau hat
rd. 50000 M. gekostet. —
XVI. Die Kinderspielhalle.
Architekten: Schultz & Stegmüller
in Berlin.
Bei^dem bewegten Getriebe
des Gartens hat es sich
als nothwendig erwiesen,
abseits vom Hanptver-
' kehr einen Kinderspiel-
platz einzurichten, auf welchem die
Kleinen sicher und gefahrlos ihren
Spielen sich hingeben können. Am
grossen Neptunsteich gelegen, zum-
theil schattig, zumtheil sonnig, mit
freier Aussicht auf die mitSchwimm-
vögeln aller Art belebte Wasser-
fläche, ist der eingehegte Platz mit
seinenBänken, Tischchen und Sand-
haufen ein vielbegehrtes Tummel-
feld für das fröhliche Treiben der
Kinderwelt und zugleich ein ange-
nehmer Aufenthalt für Mütter, Er-
zieherinnen und Wärterinnen. Zum
Schutze gegen plötzlich eintreten-
des Regenwetter erhielt der Spiel-
platz an seiner Westseite nach den
Entwürfen der Hrn. Schultz &
Stegmüller eine dreifach geglie-
derte Holzhalle, deren mittlerer
Theil durch den Maler Paul Neu-
mann in Berlin, einen Schüler Paul
Meyerheiras, mit 6 Märchenbildern
in schlichter, dem Verständniss des
Kindes angepasster Darstellung ge-
ziert ist. —
XVII. Der neuerussischeMusik-
pavillon mit Bier-Ausschank.
Architekten: Zaar & Vahl in Berlin.
it der Ausdehnung des
Restaurations - Betriebes
des Gartens und insbe-
sondere nach Errichtung
des weiter unten erwähn-
ten Hallenbaues am Kurfürsten-
damm trat die Nothwendigkeit an
die Garten -Verwaltung neue russische Musikpaviliou mit Bierausschank.
Architekten :
heran, anstelle des alten,
unschönen, nur nach
einer Seite sich öffnen-
den Musikpavillons in
der Nähe der Adler-
voliere einen neuen zu
errichten. Die Wahl
eines geeigneten Ent-
wurfes schwankte zwi-
schen den auf demWege
des Wettbewerbes ge-
wonnenen Arbeiten von
Zaar & Vahl und A.
Hartung. Man wählte
zur Ausführung den Ent-
wurf der erstgenannten
Architekten, weil sich
die von den Pächtern
des Restaurations - Be-
triebes hier gewünschte
Einrichtung eines Bier-
ausschankes mit Eisbe-
hälter im Unterbau bes-
ser verwirklichen liess.
Zaar & Vahl in Berhn«
550
No. 86.
Erscheinung ist einer lebhaften Farbengebung eine
ausgesprochene Mitwirkung eingeräumt. Die Kosten
des Bauwerkes haben 30652 Mark betragen. —
XVni. Der chinesische Musikpavillon.
Architekten: Kayser & von Groszheim in Berlin.
weniger bemittelten Besucher des Gartens sich er-
holen könnten. Sie erhebt sich an einem der land-
schaftlich schönsten Punkte des Gartens, an dem
hinter dem Wirthschaftshof gelegenen Kaskadenteiche.
Ein Theil der Anlage bestand schon früher; er
wurde nach den Entwürfen der Architekten Zaar &
(Hierzu die Abbildung S. i6i.)
m Schnittpunkte der neuen Dreisternpro-
menade erhebt sich der chinesische Musik-
pavillon, der an grossen Konzerttagen mit
einer dritten Musikkapelle besetzt wird und
die Bestimmung hat, das zahlreiche Konzert-
publikum nach den neuen Anlagen hinzuziehen, die
nothwendige Entlastung
der „Läster-Allee“ her-
beizuführen und zugleich
die Gäste der benach-
barten Waldschänke mit
Musik zu erfreuen. Die
Form ist die eines chine-
sischen Rundtempels mit
reichster Farbenwirkung.
Die Kosten haben 23300
Mark betragen. —
XIX.
Die Waldschänke mit
Birkenhalle.
Architekten :Zaar&Vahl
in Berlin.
(Hierzu die Abbildgn. S. 547 u. 551.)
lieWaldschänke
mitBirkenhalle
ist gleich der
I neuen Restau-
rationshalle zu-
nächst aus dem Bedürf-
niss entstanden, für die
grossenMenschenmassen,
die namentlich an den
„billigen Sonntagen" den
Garten füllen, geeignete
Unterkunftsräume beson-
ders auch für plötzlichen
Witterungs -Wechsel zu
schaffen. Für die Wald-
schänke trat noch die be-
sondere Bestimmung hin-
zu, eine Verpflegungs-
stätte zu sein , wo die
Vahl durch geräumige Hallen in Naturholz (Birken)
mit bunten Glasfenstern, sowie durch ein Restau-
rations-Gebäude im oberbajerischen Stile erweitert.
Die Anlage des Ganzen zeigt der Grundriss S. 551.
Die Kosten haben für die Birkenhalle 26154
das Restaurations-Gebäude 36984 Mark betragen. In
ihrer anheimelnden Gemüthlichkeit gehört die Bau-
gruppe zu den anzieh-
endsten des Gartens. —
XX. Die neue
R es taurations halle.
Architekten :
Kayser &v. Groszheim
in Berlin.
(Hierzu die Abbildungen S, 184.)
Jn einer Länge
von mehr als
90 ™ zieht sie
araKurfürsten-
' dämm entlang
und ist dazu bestimmt,
den Restaurationsbetrieb
des Gartens als „Wiener
Cafe" zu ergänzen. Sie
ist gegen den Garten völ-
lig geöffnet, gegen die
Strasse aber geschlossen
und in der Abschlusswand
durch 12 farbige Glas-
fenster geziert, die nach
den Kartons des Hrn.
Maler Senft Thier-Dar-
stellungen zeigen. Die
Fenster stammen aus der
Werkstätte des Hrn. Glas-
maler Jos. Scherer in
Wilmersdorf. Der Grund-
ton der in der Hauptsache
aus Holz gebildeten Halle
ist weiss ; zwei Pavillon-
bauten bezeichnen ihre
Endpunkte. An den Pfei-
lern der Pavillons sind
die Köpfe von Lastthieren ;
Alexander Linnemann -r.
Alexander Linnemann f.
[pWTO’m 21. Sept. d. J. ist, wie wir bereits in No. 79 kurz
anzeigten, zu Frankfurt a. M. Alexander Linnemann
im Alter von 63 Jahren aus dem Leben geschieden.
Unter den Künstlern der älteren Generation, der er ange-
hörte, war er eine der ausgesprochensten Persönlichkeiten.
Heute, da das Herausarbeiten der Persönlichkeit als eine
Hauptbedingung der Künstlerschaft angesehen wird und
eine Fülle höchst eigenartiger Gestalten gezeitigt hat, ist
es doppelt schwer, einem Manne gerecht zu werden, der
als Mensch und Künstler seine eigenen Wege schon zu
einer Zeit ging, als der „Schwur auf die Worte des Meisters“
der selbstverständliche Beginn einer Künstlerlaufbahn war.
Dass Linnemann, wenn er 30 Jahre später ins Leben ge-
treten wäre, heute einer der führenden Meister der modernen
Richtung sein würde, das ist ein Gedanke, den man ja
nur als Vermuthung aussprechen kann. Er gewinnt aber
an hoher Wahrscheinlichkeit, wenn man sieht, mit welcher
Selbständigkeit der Meister aie Stiltraditionen, unter deren
Einfluss- seine Fachausbildung sich vollzog, seiner Eigenart
unterzuordnen gewusst hat.
Bei Linnemanns Lehrgang: Berliner Bauakademie und
Nicolai’s Meisterklasse in Dresden, ist es bemerkenswerth,
dass gerade die Kunst des Mittelalters für seine Schaffens-
weise bestimmend wurde. Hier mögen früheste Jugend-
eindrücke und der künstlerische Verkehr seiner ersten
Lehrjahre maassgebend gewesen sein. Aber auch hier
befähigte ihn seine Eigenart, den Bildungen des mittel-
alterlichen Formenkreises bis an ihre Quellen nachzugehen
und weit mehr in ihrem Sinne zu schaffen, als dass er
wie die zünftigen Gothiker, sich an den feststehenden
Kanon des Stiles gehalten hätte. Nur wo es sich um die
Herstellung vorhandener Baudenkmäler handelte, wusste
er sich pietätvoll unterzuordnen — mit um so sichererem
Gelingen, je tiefer er in den Geist der mittelalterlichen
Formen eingedrungen war.
Linneraann’s künstlerische Bedeutung lag ganz auf
dekorativem Gebiete. Die Zahl der von ihm ausgeführten
Neubauten ist nicht gross: eine Kirche zu Froschhausen,
einige Bankgebäude in Frankfurt und Darrastadt, mehrere
Frankfurter Wohnhäuser und die sehr originellen Gebäude
der dortigen Patent- und Musterschutz-Ausstellung im Jahre
1881. Die meisten dieser Ausführungen fallen vor das
Jahr 1877, bis zu welchem er mit dem verstorbenen Archi-
tekten Striegler verbunden war. Von dem ^nannten Jahre
an wendet sich Linnemanns Thätigkeit mit Entschiedenheit
der dekorativen Kunst, vor allem der Glasmalerei, zu. So
sehr diese Wendung in seiner künstlerischen Veranlagung
begründet war, so bedurfte es dazu doch eines äusseren
Anstosses, der in dem Aufträge gegeben wurde, gemein-
schaftlich mit dem Maler Eduard von Steinle den Frank-
furter Dom im Inneren auszuschmücken. Diese Arbeit,
die ihn von 1878 bis 1898 beschäftigte, stützte sich auf die
ernstesten Vorstudien, die er auf wiederholten Reisen
durch Deutschland, Belgien und Holland machte, und er-
freute sich eines vollkommenen Gelingens, das auch von
der Regierung durch Verleihung des Professor-Titels an-
erkannt wurde. Ausser dem Frankfurter Dom sind nach
des Künstlers Entwürfen noch die Gartenkirche zuHannover,
55a
No. 86.
Elephant, Kameel, Stier, Pferd und Esel als orna-
mentaler Schmuck verwendet. Stilisirte Thiere bilden
auch den Friesschmuck über den Oeffnungen der
Halle. Die Ausführung lag in den Händen der Firma
G. A. L. Schultz & Co. in Berlin. Die figürlichen
Arbeiten stammen von Bildhauer Prof. G. Riegel-
mann in Berlin. Die Halle kostete 90600 M. —
Aussicht genommen, dessen Aeusseres sich in seiner
Formensprache der gedachten Halle und mit dieser
der gegenüber liegenden Kaiser Wilhelm-Gedächtniss-
kirche anschliessen wird. Die Kosten des S. 551 in
Hauptansicht und Grundrissen dargestellten Gebäudes
sind mit 57 000 M. veranschlagt. Das Erdgeschoss
enthält eine Wohnung von 3 Zimmern mit Zubehör,
XXL Neues Thor- und Wohn-Gebäude an der
Hardenberg-Strasse.
Architekt: Walther Ende in Berlin.
Zur Ueberwachung eines neuen Einganges an der
Hardenberg-Strasse und in Verbindung mit der hier
geplanten grossen Halle ist ein Thor- undWohngebäude
nach den Entwürfen des Hrn. Arch. Walther Ende in
das Obergeschoss eine solche von 4 Zimmern. Die
Architekturtheile des gut gruppirten Gebäudes werden
in rheinischem Tuff und schlesischem Sandstein er-
stellt und die Flächen geputzt. Die Dächer werden
mit rothen Biberschwänzen eingedeckt, während die
Dachspitzen, die Rinnen, Abfallrohre usw. in Kupfer
gefertigt werden. —
25. Oktober 1902.
553
Orgel im Dom zu Frankfurt a. M. 1889. Architekt: Alexander Linnemann i". Orgel und Orgelempore in der Liehfrauenkirche zu Trier 1894.
Aus den vorstehenden Schilderungen erhellt die
in grossen Zügen vorwärts schreitende Entwicklung
des Zoologischen Gartens in Berlin. Nach seiner Lage
wie nach seiner bisherigen Vergangenheit wird ohne
Zweifel die Zukunft des Gartens aller Vermuthung
nach eine glänzende sein. Denn glücklicher wie in
Berlin können unmöglich an irgend einem anderen
Orte die Verhältnisse für ein solches Unternehmen
liegen. Schon jetzt fast ganz eingebaut, wird er immer
enger von den Häusermassen der vornehmsten Wohn-
viertel von Berlin umschlossen und ist somit inmitten
der Bewohner eine Erholungs- und Belehrungsstätte
ohne Gleichen. Nichtsdestoweniger plant die Ver-
waltung noch neue grosse Ausführungen, welche den
Garten an die Spitze aller ähnlichen Anlagen führen
sollen und sie hofft mit ihnen denselben zu einem
immerwährenden Anziehungspunkte für Einheimische
und Fremde machen zu können. —
Die geplanten Binnenschiffahrts-Anlagen in Bremen.
m 19. Sept. d. J. hat die Bürgerschaft den Senat zu
Bremen auf seinen Antrag hin ermächtigt, 3650000 M.
für Grunderwerb aufzuwenden und damit grund-
sätzlich auch sein Einverständniss mit weitschauenden
Plänen erklärt, welche die Schaffung ausgedehnter, dem
Binnenschiffahrtsverkehr und der Entwicklung der Gross-
industrie dienenden Anlagen bezwecken und in ihrem zu-
nächst als nothwendig erachteten Umfange, einschl. der
oben genannten Summe für die Enteignung des Grund
und Bodens, 15650000 M. erfordern werden,
Diese Pläne bauen sich keineswegs nur auf der Vor-
aussetzung der Verwirklichung des Mittelland-Kanales auf,
wenn auch die Hoffnung auf denselben vielleicht nicht
ganz ohne Einfluss auf die Entscheidung gewesen ist.
Auch ohne die Ausführung dieser grossen Wasserstrasse,
deren hohe Werthschätzung für die Entwicklung seines
Binnenschiffahrts-Verkehres der Bremer Staat am klarsten
dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass er auf eigene
Kosten mit einem Aufwande von 43 Mill. M. durch Kanali-
sirung der oberen Weser bis Minden eine leistungsfähige
Grosschiffahrts-Verbindung mit derselben herstellen wollte,
wird die Schaffung ausreichender Hafenanlagen für die Bin-
nenschiffahrt in unmittelbarer Nähe der Stadt in nächster
Zeit nothwendig; diese sind mit der oberen Weser und der
Eisenbahn einerseits, mit derUnterweser und dem Seehafen
andererseits in günstige Verbindung zu bringen, um so
den Austausch zwischen See- und Binnenschiffahrt zu
vermitteln und ausserdem Gelegenheit zur Ansiedelung
industrieller Anlagen zu geben und damit wiederum einen
gesteigerten Schiffahrtsverkehr heranzuziehen.
Der Binnenschiffahrts-Verkehr Bremens ist in stetigem
Wachsthum begriffen. Nach dem Gutachten der Handels-
kammer zu den inrede stehendenPlänen wird „der steigende
Flussverkehr Bremens in absehbarer Zeit die Inangriff-
nahme der geplanten Anlagen auch dann nothwendig
machen, wenn der Mittelland-Kanal nicht gebaut werden
und die Kanalisirung der Weser unterbleiben sollte." Als
Begründung wird angeführt, dass die Einfuhr in Bremen
flussabwärts von 1887— 190t an Gewicht um 123%, die
Ausfuhr flussaufwärts um 279 % gestiegen ist. Mit diesem
Steigerungs-Verhähniss wird sogar Hamburg übertroffen,
bei welchem die bezüglichen Zahlen 100 ‘^/o und 219%
betragen.
In kleinerem Umfange ist man der Erweiterung der un-
zureichenden Binnenschiffahrts- Anlagen schon vor 10 Jahren
näher getreten. Schon damals wurden Landankäufe ober-
halb der Stadt an der kleinen Weser gemacht, die For-
derungen, welche die Entwicklung des Seehafens stellten,
die zu der bereits theilweise in Ausführung begriffenen
Erweiterung desselben um a grosse Hafenbecken mit einem
Kostenaufwande von rd. 30 Mill. M. führten, Hessen aber
diese Pläne zunächst wieder zurücktreten. Jetzt kommen
dieseErwerbungen dem neuenUnternehmen zugute, da sicE
die Neustadt und die südliche Vorstadt bereits, in dichter
Bebauung um den im Besitz des Staates befindlichen Strei-
fen herumgeschlossen haben. Um ähnliches auf den weiteren
bisher garnicht oder nur schwach bebauten Flächen
auf dem linken Weserufer, die allein für die Neuahlagen
inbetracht kommen können, zu verhindern, ist nun zunächst
der Grundetwerb für diejenigen Theile des Planes be-
schlossen worden, welche für die nächste Zukunft und
auch ohne die Durchführung des Mittellandkanales als
nothwendig erkannt sind.
Der Entwurf, der natürlich bisher nur in seinen Haupt-
zügen festgestellt ist, soweit dies zur Erwerbung des Grund
und Bodens erforderlich war, sieht einen von der Weser
oberhalb der Stadt abzweigenden Kanal vor, der, den
Stadt- Werder durchkreuzend, neben den Wasserwerken
in die Kleine Weser mündet, hierauf sich zwischen Neu-
stadt und südHcher Vorstadt südwestlich wendet, um dann
in flachem Bogen, auf. längere.Strecken, den Hakenburger
See benutzend, gegenüber dem ehemaligen, jetzt der See-
hafen-Erweiterung zum Opfer gefallenen Holz- und F abriken-
hafen in die untere Weser zu münden. Einige vorhandene
Fabrikanlagen, ferner die Rücksicht auf günstige Eisenbahn-
Anschlüsse und schliesslich auch die Ansätze der Bebauung
waren bestimmend für diese Linienführung. Die Linie
durchbricht nur auf der Strecke zwischen Neustadt und
Stidvorstadt, wo das Gelände bereits 1893 und 1894 er-
worben wurde, dichtere Bebauung. Das ' letzte untere
Stück liegt ganz auf dem zur Erweiterung des Seehafens
bereits freigehaltenen Gelände. Diese Strecke wird zu-
nächst als Winterhafen als Ersatz für den an derii rechten
Ufer verloren gegangenen ausgebaut.
Die obere Abzweigung von der Weser ist ' auf dem
Plan so dargestellt, wie sie sich bei Durchführung der
Oberweser-Kanalisirung vielleicht gestalten könnte. ’ Eine
Doppelschleuse an der letzten Staustufe der kanalisirten
Strecke würde einerseits den direkten Weg zum Seehafen
bezw. den Anlagen an dem die Stadt durchziehenden
Weserlauf selbst, andererseits den Eintritt in den geplan-
ten Kanal vermitteln. Der als eigentlicher Umschlaghäfen
die evangelische Kirche zu Peine und die Kaufmannskirche
zu Erfurt ausgemalt worden.
Am vollkommensten konnte sich Linnemanns deko-
ratives Talent an solchen Aufgaben bekunden, bei denen
ausser der Ausmalung auch der Glasfensterschmuck in
seine Hand gelegt wurde, wie dies im Verlaufe der Arbeiten
schon beim Frankfurter Dom, am umfassendsten aber
wohl bei der Kaiser Wilhelm-Gedächtnisskirche zu Berlin
der Fall war. Der Kunst der Glasmalerei hatte Linnemann
von Jugend auf eingehende Studien gewidmet, die ihn mit
der mittelalterlichen Technik vollkommen vertraut gemacht
hatten. Um so weniger konnten ihn die Leistungen der
meisten modernen Werkstätten befriedigen, die entweder
in schreiender Buntheit oder in künstlicher Alterthümelei
ihr Heil suchten. Auch die Wiedergabe seiner Entwürfe,
mochte sie noch so sorgfältig von ihm überwacht sein (er
arbeitete zuerst mit der Firma Machhausen in Koblenz,
später mit Lettow in Frankfurt) vermochte ihn nicht ganz
zu befriedigen, sodass für ihn der Entschluss nahe lag,
eine eigene Glasmalerei zu begründen. Diese im Jahre
1889 ins Leben getretene Anstalt hatte bald einen ausser-
ordentlichen Erfolg, da er ihr nicht nur seine volle Thätig-
keit widmete, sondern auch in seinen beiden Söhnen und
einem Neffen gleichwerthige Mitarbeiter zu erziehen wusste.
Es würde den Raum dieses kurzen Lebensabrisses weit
überschreiten, wenn auf die zahlreichen Ausführungen
der Werkstätte näher eingegangen werden sollte. Die
meisten der deutschen Kathedralen besitzen Fenster seiner
554
Hand ; bei nicht wenigen wurde ihm die schwierige Auf-
gabe der Wiederherstellung alter Glasgemälde übertragen,
die verantwortungsvollsten Aufgaben wohl in der Wieder-
herstellung der alten Fenster im Dom zu Altenberg und in
derjenigen der Renaissance-Fenster des Emdener Räth-
hauses. Als umfangreichste kirchliche Arbeiten seien ge-
nannt solche für die Münster zu Bonn und Konstanz, die
Katharinenkirche zu Oppenheim, die Marienkirche zu Ha-
dersleben, die Stefansstiftkirche zu Hannover und die Jakobi-
kirche zu Stettin. Die grössten Ausführungen in modernen
Bauten, die seinen Namen auch am weitesten bekannt ge-
macht haben, waren diejenigen für das Reichstagshaus in
Berlin und für das Reichsgerichts - Gebäude zu Leipzig.
Es darf ausgesprochen werden, dass Linnemanns
Leistungen auf diesem Kunstgebiet erzieherisch wirkten.
Wenn in den letzten 10 Jahren die deutsche Glasmalerei
eine künstlerische Vollendung erlangt hat, die sie den
Nachbarnat-ionen überlegen zeigt, so ist dies im wesent-
lichen das Verdienst seines Beispiels.
Von der allgemeinen Anerkennung, die Linnemann
als dekorativer lÄnstler genoss, zeugt seine Betheiligung
an den engeren Konkurrenzen für die Herstellung der
Römerfassade in seiner Vaterstadt, für die Ausschmückung
des Aachener Münsters mit Mosaik-Gemälden , für die
Bronzethüren des Kölner Domes und für den Wieder-
aufbau der Meissener Domthürme.
In Linnemann vereinigte sich in seltenem Maasse die
Empfindung für grosse Raumwirkung, die er in der Innen-
No. 86.
dienende Kanal ist sowohl oberhalb an seiner Abzweigung Ende des Kanales in unmittelbarer Nachbarschaft der für
von der Kleinen Weser am Bunten Thor, wie unter- spätere Zeiten vorbehaltenen Seehafen - Erweiterungen
halb an der Durchbrechung des Deiches am Winterhafen würdedasRu^ngirgeschäitfürHafenundKanalübemehmen.
durch eine Kammerschleuse abgeschlossen, um einen von Zukünftige Erweiterungen der Hafenanlagen sind an dem
Ebbe und Fluth unabhängigen konstanten Wasserspiegel Knickpunkte östlich des Hakenburger Sees vorgesehen,
halten, den Einschnitt des Kanales in das Gelände be- Wie die Lageplanskizze zeigt, lassen sich hier in bequemer
schränken und die das Umladegeschäft hindernde Strömung Weise Hafenbecken mit Gleisanschluss gewinnen,
vom Kanal fern zu halten. Während das Gelände etwa Die Länge des eigentlichen Industrie-Kanales, der zu
auf 4- 1,0 “ über Bremer Null liegt, wird der Wasserspiegel Lösch- und Ladezwecken verwendbar ist, stellt sich auf
auf — 1,0“ gehalten. (N.W. der Weser — 3,0 bis 4,0“). 5^^“, des ganzen Kanales (ohne den als Winterhafen
Es wird damit gleichzeitig erreicht, dass bei gewöhnlicher dienenden unteren Theil) auf 7,2^“. Zu enteignen sind
Fluth die Schleusen offen bleiben können. 49)3^^* Dazukommennochi6,75iiafürdieLadestrassenusw.
Der Kanal soll bei vollständigem Ausbau vierschiffig Mit der Annahme dieses, von dem bewährten laüg-
Sein, sodass durch das Ladegeschäft die freie Durchfahrt jährigen Leiter des bremischen Bauwesens und Schöpfers
nicht behindert wird, doch ist dieser Ausbau vorläufig auf seiner Hafenanlagen, Ob.-Baudirektor Franzius, vorge-
einige Strecken beschränkt, während auf den übrigen nur legten Entwurfes, hat der bremische Staat wieder einmal
der zweischiffige Aushub erfolgt. Vor der unteren Schleuse bewiesen, dass er es versteht, der Verkehrs-Entwicklung
Und im Hakenburger See sind breitere Hafenbecken vor- vorauszueilen, ihr neue Wege zu bahnen, sich nicht von
gesehen, die auch als Wendeplatz dienen. Das Gelände ihr überraschen und drängen zu lassen, ein Vorgehen,
ist längs des bereits umbauten Theiies vom Bunten Thor das bisher stets seine guten Früchte getragen hat. „Ein
bis zum Hakenburger See nur auf 20“ beiderseits zur An- Glaube ist allerdings erforderlich, diese Vorlage zu Ver-
lage breiter Uferstrassen erworben, dagegen wird längs der treten“, so drückte sich der Senats -Kommissar bei der
übrigen Strecke bis zum Hafen ein' je 100“ breiter Streifen Berathung derselben aus, „der Glaube an ein weiteres
zur Ansiedelung industrieller Betriebe, zu Lagerplätzen Gedeihen, ein Wachsthum Bremens. Ohne ihn würden
üsw., frei gehalten. wir nicht dastehen als die zweite Seehandelsstadt DeUtsch-
Eisenbahnanschluss ist von der Oldenburger Bahn her lands, sondern als kleine Binnenstadt.“ Möge sich dieses
Unschwer zu erhalten. Ein Hafenbahnhof am westlichen Vertrauen auf die Zukunft in vollem Maasse erfüllen! —
Dekoration monumentaler Räume bethätigt hat, mit dem befreien und ihm neue, phantasievolle Motive zuzuführen,
intimen Verständniss für das jedem Material eigenthüm- welche der schwierigen Technik des Gusses aufs voll-
liche Detail. Diese, auf einem liebevollen Erfassen aller kommenste angepasst waren. Auch der Bucheinband und
handwerklichen Besonderheiten beruhende Eigenschaft die innere Buchausstattung verdanken ihm vielfache und
befähigte ihn ganz besonders für das Kunstgewerbe, fruchtbare Anregungen.
Dasselbe verdaut ihm fast auf jedem Gebiete eine Fülle Uebersieht man die grosse Vielseitigkeit, welclieLmne-
von Entwürfen, deren Ausführung er mit besonderer Sorg- manns Schaffen auszeichnete, so liegt es nahe, sich ihn
falt zu überwachen pflegte, sodass er, ohne mit einer kunst- als einen Künstler zu denken, dessen ganzes Dasein in
gewerblichen Lehranstalt in Verbindung zu stehen, doch stiller, ernster Atelierarbeit aufging. Das würde völlig un-
eine ausgebreitete Lehrthätigkeit ausübte. Er liebte es, zutreffend sein: er war eine frische, dem vollen Leben
sich seine Handwerker heranzubilden. So hat er die zugekehrte Natur, vor allem ein Freund der Geselligkeit,
besten Stücke der zahlreichen von ihm entworfenen Möbel Gern suchte er in heiterem, gleichgestimmtem Kreise oft
und Zimmer- Einrichtungen von einem Bauernschreiner in geistreicher, zugespitzter Kontroverse Anregung und
ausführen lassen, den er ganz für seine Eigenart ange- Erholung. Alle Angelegenheiten des öffentlichen Lebens
lernt hatte. Auch die Kunstschmiede, die seine Entwürfe konnten seines Interesses sicher sein; vor allem waren
(u. a. für die romanischen Gitter des alten Rathhauses zu es die Fragen des Berufslebens, die Stellung seiner Fach-
Gelnhausen und die reichen Beschläge im Uebergangsstil genossen im öffentlichen Leben, die seine temperament-
für die Berliner Gedächtnisskirche) ausführten, wissen seine volle Antheilnahme erweckten. Offen und ohne Hinter-
Unterweisung zu rühmen, die stets das dem Material Ange- gedanken, rasch und entschieden in seinem Urtheil, immer
messene traf. Ueberaus zahlreich sind seine Erfindungen anregend durch die Lust am Widerspruch — kein Wunder,
für Edelmetall, die meisten derselben in romanischem und dass eine solche Natur sich allgemeiner Beliebtheit er-
gothischem Stil. Unter letzteren ist wohl der bedeutendste freute in einem Kreise, der in der vollen Schätzung seiner
der goldene Becher des rheinischen Adels, den Hermeling künstlerischen Bedeutung die ganze, in sich geschlossene
in Köln ausführte. Audi dem Ofenbau wies er neue Wege; Persönlichkeit mit allen Vorzügen und Fehlern hinnahm,
mehr noch als bei den Kachelöfen, die er in ^osser Zahl So wie in diesem Kreise seine Gestalt in treuer Erinne-
für eine Nürnberger Firma zeichnete, galt es ihm, den in rung fortleben wird, so hat er sich durch, seine Werke in
Westdeutschland allgemein verbreiteten Gusseisen- Ofen aus der deutschen Kunst ein dauerndes Andenken gesichert.
dem Bann der hergebrachten, charakterlosen Formen zu — L. —
25. Oktober 1902.
555
MittheilungeQ aus Vereinea.
Mittelfränk. Kreiagesellschaft des bayer. Arch.- u. Ing.-
Vereins zu Nürnberg. Versamml. vom 17, Okt. 1902. Der
Vorsitzende, Hr. Ob.-Brth. C. Weber, begrüsst die zahl-
reich anwesenden Mitglieder und bringt einige geschäft-
liche Angelegenheiten zur Besprechung.
Hierauf beginnt Hr, Arch. Emil Hecht seine Mitthei-
lungen über den Umbau der Synagoge in Nürnberg.
An der in den Jahren 1869—74 vom -&chitekten Wolff aus
Stuttgart auf dem Spitaiplatze erbauten Synagoge traten
Erscheinungen auf, welche ernstliche Befürchtungen für
den ferneren Bestand des Bauwerkes wachriefen. Ein-
geholte Sachverständigen-Gutachten führten, gestützt auf
angestellte statische Untersuchungen, zu dem Ergebniss,
dass in der grossen Scheitelbelastung der Vierungsgurt-
bögen bezw. dem Auftreten eines zu grossen Seiten-
schubes in den die Kup>pel tragenden Vierungspfeilern
die Ursache der bedrohlichen Erscheinungen zu suchen
sei. Der von Hrn. Hecht im Aufträge der Israelitischen
Kultusgeraeinde aufgestellte Entwurf, welcher zurzeit in
der Ausführung begriffen ist, überträgt daher mit Zuhilfe-
nahme einer Eisenkonstruktion die ganze Last des Tambours
und der Kuppel in der Weise unmittelbar auf die Vierungs-
.pfeiler, dass sie als senkrechter Druck wirkt. Hatte man
anfänglich gehofft, die Eisenkonstruktion einziehen zu
können, ohne umfassende Aenderungen an dem Aufbau
der Kuppel vornehmen zu müssen, so hat sich im Laufe
der Bauausführung die Unmöglichkeit dieses Vorhabens
gezeigt. Es mussten die Kuppel und der Tambour bis
auf die vorher gehörig eingerüsteten Vierungsgurtbögen
abgetragen werden und dann erst konnte die Eisenkon-
struktion verlegt werden. Letzteres ist nunmehr geschehen
und gegenwärtig ist man damit beschäftigt, den Tambour
wieder aufzumauern und zwar mit einer um die Hälfte
verringerten Mauerstärke. Die Kosten des Umbaues wer-
den voraussichtlich gegen 80000 M, betragen. Redner
ladet schliesslich die Vereinsmitglieder für den 22. Okt.
zu einer Besichtigung dieser aussergewöhnlichen Arbeiten
ein. Dem Dank des Vorsitzenden für die hochinteressanten
Ausführungen schhesst sich die Versammlung mit lebhaftem
Beifall an. — K.
Preisbewerbungen.
In dem Wettbewerb des Vereins zur Erhaltung und
Pflege der Bau- und Kunstdenkmäler in Danzig erhielten
den I. Preis in Gruppe C die Hrn. C. Prdvot & Max
Hummel in Kassel; in Gruppe B PIr. Caspar in
Danzig; in Gruppe A Hr. Friedr. Dobermann in
Breslau. Es erhielten den II. Preis in Gruppe C und B
Hr. J. N. Krem er in Frankfurt a. M. ; in Gruppe A
Hr. Alb. Braentli in Freiburg i. Br. Den III. Preis errang
in Gruppe C Hr. Paul Schaller in Erfurt; in Gruppe B
Hr. Gust. Luther in Gr. Salze bei Magdeburg; in Gruppe A
Hr. J. N. Kremer in Frankfurt a./M. Der IV. Preis ward
zuerkannt in Gruppe C den Hrn. Herrn. Roh de &
Franzke in Wilmersdorf und Schöneberg; in Gruppe B
Hrn. Heinr. Schlump in Charlottenburg; in Gruppe A
Hrn. Joh. Grothe. —
Wettbewerb Kollegiengebäude Freiburg 1. Br. Es nennen
sich uns folgende Verfasser: Für den Entwurf „In Frei-
burg lebt und that viel Buss“ Hr. Franz Brantzky in
München- Köln; für „Saepe stilum vertas“ Hr. Kurt Diestel
in Dresden; für „Stosst an, Freiburg soll leben“ die Hrn.
Boes & Giesen in Köln a. Rh.; für „Albert Ludwig“
Hr. Ludwig Hirsch in Jena. —
Chronik.
Die XV. Ausstellung der Wiener Sezession- wird in den
ersten Tagen des November eröffnet. Die dekorative Ausschmückung
der Säle haben die Architekten Plecnik, Koloman Moser und
Leop. Bauer übernommen. —
Der Plan einer Wiener Volksoper wird in Wien lebhaft
erörtert. Für das von allen Seiten frei gedachte Gebäude ist ein
3400 qm grosses Gelände in Hernals, inmitten von 5 dicht bevölkerten
Arbeiter-Bezirken, in Aussicht genommen. Die Kosten des Gebäudes
werden auf 1,5 Mül. Kronen geschätzt. —
Privatdozent kgl. Landbauinspektor B. Hertel. Der kgl.
Landbauinspektor B. Hertel zu Berlin ist bei der Abtheilung für
Architektur an der Technischen Hochschule als Privatdozent für
das Lehrfach „Entwerfen von Einzelheiten, besonders von Innen-
ausstattung kirchlicher und profaner Gebäude“ zugelassen worden. —
Zu der neuen Nazarethkirche zu Ehren der heiligen
Familie in Gross-Lichterfelde, welche nach Entwürfen des Hrn.
Geh. Reg.-Rath Prof. Chr. Hehl in Charloltenburg als ein malerisch
gruppirter Backsteinbau märkischen Stils mit angeschlossenem
Pfarrhause im Fachwerkstil zur Ausführung gelangt, wurde am
12. Oktober d. J. der Grundstein gelegt. —
Lehramt für mittelalterlichen Backsteinbau an der Tech-
nischen Hochschule in Charlottenburg. Hr. Geh. Reg.-Rath
Prof. Joh. Otzen in Berlin hat zu seiner Entlastung das Lehramt
für mittelalterlichen Backsteinbau an der Technischen Hochschule
in Charlottenburg, welches er seit dem Jahre 1879 mit so reichem
Erfolge verwaltete, niedergelegt und beschränkt sich auf die Leitung
des Meisterateliers an der Akademie der bildenden Künste in Berlin. —
Das neue Motivhaus in Charlottenburg, nach dem Ent-
würfe der Architekten Reimer & Körte in Berlin an dem Schnitt-
punkte der Hardenberg- und der Knesebeck-Strasse errichtet, wird
am 29. November eingeweiht. —
Die Wiederherstellung der Sebalduskirche in Nürnberg.
Nach der bald zu erwartenden Vollendung der Wiederherstellungs-
Arbeiten im Aeusseren soll die Wiederherstellung des Inneren in
Angriff genommen werden. Die Kosten hierfür sind mit 230000 M.
veranschlagt; dazu kommen 160000 M. für Heiz- und Beleuchtungs-
Anlagen. —
Das Korpshaus Palatia in Münehen. Nach dem Vorgänge
der anderen Korps hat auch die Palatia sich ein eigenes Haus er-
richtet. Es wurde nach den Entwürfen von E. Drollinger in der
Reitmorstrasse ausgeführt. —
Entwurf zur Kanallsirung des Neckar von Mannheim
bis Esslingen von Bauamtmann Specht. Von der 200 km langen
Strecke entfallen auf badisches Gebiet 91 und auf württembergisches
109 km. Der Neckar soll durch bewegliche Wehre auf eine Tiefe
des Niederwassers von 2 m gebracht werden für Schiffe von 600 t
mit 1,75 m Tiefgang. 49 Schleusen von 2,5 — 3 m Höhe sind vor-
gesehen. Die Baukosten sind auf 14,5 Mill. M. für den badischen
und 28 Mill. M. für den württembergischen Theil berechnet; sie
sind für den letzteren verhältnissmässig höher, weil die Schwierig-
keiten grösser und einige Hafenanlagen einbegriffen sind. Man
berechnet, dass durch die Stauung des Neckars Wasserkräfte (ausser
den schon in Benutzung befindlichen) im Betrage von 26000 P. S.
gewonnen würden, davon 16000 auf badischem und 10000 auf
württembergischem Gebiete. —
Anschluss Frankreichs an den Simplontunnel. Zur Ver-
besserung des Jura-Ueberganges aus Frankreich nach der Schweiz
und um einen möglichst günstigen Anschluss an die Simplonbahn-
linie zwecks raschester Erreichung des Simplontunnels zu erzielen,
hat die Paris-Lyoe-Mittelmeerbahn sich für den Plan Frasne-Vallorbe
mit Führung eines 6,2 km langen TuiLiels durch den Mont d’Or
entschieden. Die Linie Frasne-Vallorbe bekäme eine Länge von
24,6km; die Baukosten sind auf 21 Mill. Fres. berechnet, wovon
2,5 Mül. Fres. auf den schweizerischen Theil der Linie entfallen
würden. Der Anschluss an die Grenze hätte Gegenstand eines
Uebereinkommens zwischen der Schweiz und Frankreich zu bilden. —
Inhalt: Berliner Neubauten. No. 102. Die Umwandlung und die Neu-
bauten des Zoologischen Gartens (Schluss). — Alexander Lianemaon f. —
Die geplanten Binnenschiffahrts-Anlagen in Bremen. — Mittheilungen aus
Vereinen. — Preisbewerbungen. — Chronik.. — Wilhelm Böckmann f- —
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
■verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck -von Wilh. Greve, Berlin.
Wilhelm Böckmann f.
En dem Augenblicke, da wir uns anschicken, die Schilderung seines letzten grossen Werkes,
der Umgestaltung und der Neubauten des Zoologischen . Gartens in Berlin, zu beenden,
erhalten wir die schmerzliche Trauerkunde, dass in den Frühstunden des 22. Oktober der
Geheime Baurath Wilhelm Böckmann in Berlin nach längeren Leiden und nach einer kurz
voraufgegangenen Operation im Alter von 71 Jahren verschieden ist. Was die deutsche Baukunst
in dem Entschlafenen, der mit Hermann Ende die Architekten-Firma Ende & Böckmann bildete,
verloren hat, das erhellt aus der Schilderung des Lebensganges des seltenen Mannes, die wir anlässlich
seines 70. Geburtstages, den er in voller Frische und unter der jubelnden Theilnahme seiner zahl-
reichen Freunde und Verehrer vor noch nicht Jahresfrist als ein erlesenes Fest begehen durfte,, unseren
Lesern dargeboten haben. Mit Wilhelm Böckmann ist ein Fachgenosse dahingegangen, der mit
unermüdlicher Arbeitskraft stets und mit grossem Erfolge weitausschauenden Plänen sich hin-
gegeben und es in hervorragendem Maasse verstanden hat, die praktischen Gesichtspunkte mit den
idealen Zielen seiner Unternehmungen zu verbinden. Darum Ehre seinem Andenken! —
556
No, 86.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 87. Berlin, den 29. Oktober 1902.
Wilhelm Böckmann f.
bwohl er seit vielen Monaten einer schleichenden
Krankheit verfallen war, von welcher er von Zeit
zu Zeit und mit anscheinend gutem Erfolge in den
Bädern Linderung und theilweise Heilung suchte, kam
doch der in der Nacht vom 21, auf den 22. Okt. erfolgte
Tod Wilhelm Böckmanns für seinen grossen Bekannten*
und Freundeskreis schnell und unerwartet. Eine infolge
des leider unaufhaltbaren Fortschrittes, den das Leiden
machte, unvermeidlich gewordene schwere Operation
überdauerte er nur wenige Stunden. Mit Böckmann hat
der Kreis der Berliner FachgenosÄcn ein eigenartiges
Charakterbild verloren. Ein Einundsiebzigjähriger, gingen
die Wurzeln seines Werdeganges in eine Zeit zurück, in
welcher es, wie er selbst der Festversammlung erzählte,
die sich bei seinem 70. Geburtstage um ihn versammelt
hatte, dem Einzelnen noch möglich war, sein Wissen sich
aus den verschiedensten,
oft nicht gerade neben ein-
ander gelegenen Gebieten
zu suchen. So kam auch
Böckmann dazu, sich na-
mentlich auf technischem
und auf naturwissenschaft-
lichem Gebiete eine um-
fassende Bildung zu erwer-
ben, die, durch eine hervor-
ragende kaufmännische und
organisatorische Begabung
unterstützt, ihn befähigte,
seinen Arbeits - Genossen
Ende in der glücklichsten
und erfolgreichsten Weise
zu ergänzen und in der
baulichen Entwicklung Ber-
linsdiehervorragendeRoUe
zu spielen, die dem Ver-
storbenen in der Bauge-
schichte der Reichshaupt-
stadt immer wird zugespro-
chen werden müssen. Es
ist möglich und sogar wahr-
scheinlich, dass die Univer-
salität in der fachlichen Bil-
dung Böckmanns zumtheil
auf den Einfluss seines Ur-
sprungslandes, auf die Indu-
strie des Rheinlandes zu-
rückzuführen ist, jedc’’falls
war das Technisch-Wirth-
schaftliche der an ihn her-
antretenden Aufgaben und
Unternehmungen der Theil
derselben, dem er in erster
Linie und am erfolgreich-
sten seine bedeutende Kraft
widmete. Es würde aber
nicht zutreffend sein, auf die-
ser Thatsache den Schluss
aufzubauen, dass er dem
künstlerischen Theil der ihm übertragenen zahlreichen Auf-
gaben mit der Stimmung eines gewissen „laisser aller“ gegen-
übergestanden hätte. Im Gegentheil: in den Ausführungen,
die wir ihm zur Feier seines siebzigsten Geburtstages in
No. 7 dieses Jahrganges widmen durften, ist sein persönliches
Verhältniss zur Architektur als Kunst so dargestellt, wie
es der Wirklichkeit entsprochen haben dürfte. Keine der
grossen künstlerischen Aufgaben, welche Ende&Böckmann
das Glück hatten zu bearbeiten, dürfte ohne seinen Einfluss
geblieben sein und wenn der Ruhm der Firma weit über
die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus bis nach
dem fernen Osten gedrungen ist, um hier den Architekten
die grössten baulichen Aufträge zuzuführen, die ein Land
zu vergeben hat, so hat Böckmann hieran einen berech-
tigten grossen Anlheil. Wir können es uns versagen, auf
die lange Reihe der grossen Werke, die aus einer vier
Jahrzehnte langen gemeinsamen Thätigkeit hervorgegan-
gen sind, einzugehen. Die bedeutendsten derselben hat
die „Deutsche Bauzeitung“ jeweils bald nach ihrer Er-
stehung wiedergegeben und gewürdigt. Was neben der
künstlerischen und monumentalen Kraft, die aus ihnen
spricht, als ein gemeinsamer Zug an ihnen wahrgenommen
werden kann, das ist der Zug idealer und grosser Auf-
fassung, den man jedenfalls
zum grossen Theil auch auf
die Mitarbeit Böckmanns
zurückführen muss und der
auch von seinem Arbeits-
genossen ihm willig zuer-
kannt werden dürfte.
Denn das ist der merk-
würdige Gegensatz in dem
Charakterbilde des Ver-
storbenen, dass durch alle
realen , geschäftlich nüch-
ternen, nur auf das Er-
reichbare bedachten Er-
wägungen doch stets der
grosse, in seinen letzten
Zielen auf eine ideale Re-
gung zurückleitende Zug
geht. Dieser Zug, dieser
so sympathische Theil sei-
nes Charakters, kam beson-
ders in der gemeinnützigen
und idealen Thätigkeit zum
Ausdruck, die Böckmann
nach seiner Zurückziehung
von den regelmässigen
Berufsgeschäften ausübte.
Was er noch während der-
selben für das Fach, für
den „Architekten-Verein“,
für den „Verband deutscher
Architekten- und Ingenieur-
Vereine" und die „Vereini-
gung Berliner Architekten“,
ferner für den Verein „Mo-
tiv“, für die Sternwarte in
Treptow, für den Zoolo-
gischen Garten und für zahl-
reiche andere Unterneh-
mungen in uneigennütziger
und selbstloser Weise that,
das hat seinen gemein-
samen Ursprung in dem
Grundzug nach dem Idealen, den er bis zu seinem Ende
aus der rauhen Wirklichkeit des grosstädtischen Geschäfts-
lebens sich zu retten verstanden hat. In diesem Sinne
bleibt sein Andenken ein dauerndes und ein gesegnetes;
als ein seltenes Beispiel für die selbstlose Hingabe an
eine frei gewählte Aufgabe wird sein Charakterbild fort-
leben bis in ferne Zeiten! —
Das neue Bootshaus der Mannheimer Rudergesellschaft.
Architekt: Emil Beutinger in Darmstadt.
(Hierzu die AbbilduDgen Seite 559.)
er Erbauer dieses Hauses, Hr. Arch. Emil Beutinger,
huldigt als Mitglied der Mannheimer Rudergesellschaft
dem Wassersport in hohem Maasse und konnte so
aus eigenen langjährigen Erfahrungen heraus dem Vereine
eine zweckmässige Heimstätte schaffen. Dem Künstler
sind dabei allerdings selten günstige Umstände zustatten
gekommen, die nicht zuletzt in der begünstigten Platzlage
geboten waren. Der Bauplatz liegt auf einer Art Insel-
zunge zwischen Neckar, Flosshafen mit Flosschleuse und
dem Industriehafen, und wurde von der Stadtgemeinde
Mannheim unter günstigen Bedingungen erworben. Die-
ser Platz wird noch dadurch wesentlich an Bedeutung ge-
winnen, dass in nächster Nähe eine zweite feste Neckar-
brtcke zur Ausführung kommen wird. Damit rückt dieses
bisher etwas abseits vom Verkehr gelegene Vorland in
unmittelbare Verbindung mit dem Mittelpunkt der Stadt.
Des weiteren sind die Wasserverhältnisse so äusserst
günstige, wie sie selten dem Sporte zur Verfügung stehen
557
dürften. Auf der einen Seite die lebhafte Strömung der
auf mehrere Kilometer regulirten Neckarmündung in den
Rhein, auf der anderen Seite der stille Wasserspiegel des
Floss- und Industriehafens, ausserdem die beiderseitige Ver-
bindung mit unserem herrlichsten Strome.
Mil Geschick hat der Architekt dieser bevorzugten
Lage Rechnung getragen und dem flachen Gelände ein
Bauwerk eingefügt, das in seiner Grundrisslösung wie in
seinem Aufbau seine Bestimmung in klaren Zügen zeigt.
Bestimmend für die Gestaltung war die Unterbringung und
Sicherung des auf etwa 15000 ?ä. bewertheten Bootmaterials.
Der Raum dafür liegt zu ebener Erde und gleicht in seiner
Abmessung einer gewaltigen Tenne, wie ja auch manche
Einzelheiten des Oberbaues, namentlich aber die Dach-
anlage Anklänge an das niederdeutsche Bauernhaus ver-
rathen. Der Bootsraum ist nicht unterkellert; seine Grün-
dung ist jedoch mit Rücksicht auf den vor etwa 20 Jahren
aufgeschütteten Baugrund und die Grundwasserverhältnisse
besonders gesichert. Es wurde ein Eisenrost aus alten Eisen-
bahnschwellen verlegt und das aufgehende Sockelmauer-
werk durch verkreuzte Flacheisenanker mit Vförmig ab-
gebogenen Enden verstärkt. Der Fussboden ist zementirt
und nach den Schmalseiten auf Abfluss geneigt. In dem
Raum ist Wasserleitung an verschiedenen Stellen behufs
umfassender Reinigung vorhanden. Der Raum zeigt
massive Umfas-
sungswände; für
die Konstruktio-
nen ist durch-
weg Walzeisen
verwendet,
ebenso für die
Decke, die aus
Beton- Wölbun-
gen besteht. Er
misst 22 : 13
und bietet in-
folge seiner hin •
reichenden La-
gerungsvorrich-
tungen Platz für
etwa 20 Boote,
darunter solche
von 19 Länge.
Die Boote kön-
nen von beiden
Schmal - Seiten
der Bootshalle
aus zu Wasser
gebracht wer-
den. Das Ober-
geschoss wird durch eine gabelförmig in die bis zum
Dache durchgehende Vorhalle eingebaute Treppe, die be-
sonders für den gesellschaftlichen Verkehr bestimmt ist und
an den in die Vorhalle eingebauten Umgang anschÜesst,
erreicht. Der verfügbare Gesammtraum, etwa 380 q™
gegen 450 q“ des Erdgeschosses (die Differenzfläche ist
dem Aufenthalte im Freien zugänglich gemacht) umfasst
neben verschiedenen Räumen, wie Billardsaal, Lese- und
Vorstandszimmer, Damenzimmer, Ankleideraum usw., den
in der Queraxe durchgehenden Festsaal von 15:8“» und
5,8™ Höhe, der mit hohem Holztäfelwerk versehen ist.
Ueberhaupt ist auf den inneren Ausbau grosse Sorgfalt
verwendet worden, wobei ausschliesslich dem Holze in
guter schreinermässiger Verarbeitung bei durchaus moder-
ner Formengebung der Vorrang gelassen ist. In ver-
schiedenen Räumen sind schablonirte Friese: Fische,
Frösche, Enten und Wasserpflanzen zeigend, der einzige
Wandschmuck bei grüner oder blauer Färbung des
Holzes mit abgesetzten rothen Linien. Die Vorhalle ist
mit guten Opaleszentglas-Fenstern figuralen Inhaltes ge-
schmückt; überall herrscht eine frohe, gesunde Lebens-
freudigkeit.
Ueber die Anordnung der Nebenräume mögen die
Grundrisse weiteren Anhalt geben; es sei nur darauf ver-
wiesen, dass auch hier den gesundheitlichen Anforderungen
des Rudersportes in den Douche- und Garderoberäumen
weitgehend Rechnung getragen ist. Des weiteren sorgen
die Altane, Baikone und Veranden auf jeder Seite des
Gebäudes für
angenehmen
Aufenthalt im
Freien, der umso
verlockenderist,
als das Panora-
ma der Nähe
wie der Ferne
mit den Höhen-
zügen des Oden-
waldes und der
Haardt ein recht
malerisches ist.
Hr. Beutinger
ging als Sieger
aus einem enge-
ren Wettbewer-
be für das Ge-
bäude unter den
Architekten der
Mitglieder der
MannheimerRu-
der-Gesellschaft
hervor. DieBau-
kosten haben
sich auf etwa
48000 M. belaufen, etwa 15 M. f. i cbm. Die Bauausfüh-
rung lag in den Händen der Firma F. & A. Ludwig in
Mannheim. — Quo Schulze-Köln in Darmstadt.
Vermischtes.
Der Verein für Volkskunst und Volkskunde ln München^
der sich unter dem Vorsitze des Hrn. Prof. Aug. Thiersch
gebildet hat, darf vielleicht mit als eine Frucht der Bestrebun-
gen des „Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-
Vereine" zur Herausgabe des Prachtwerkes über das
deutsche Bauernhaus betrachtet werden. Der Verein hat
sich in erster Linie zur Aufgabe gemacht, für das südliche
Bayern (Alt-Bayern und bayerisches Schwaben) die Ueber-
lieferungen zu sammeln, welche im Hausbau, in der Ein-
richtung und Ausschmückung des Hauses und in dem
Hausgeräthe des Volkes noch erhalten sind. Der Verein
betheiligt sich aber auch an der Mundarten-Forschung und
an der Aufzeichnung der Sitten, Gebräuche und geschicht-
lichen Erinnerungen, welche in einzelnen Sagen und in
Orls-undFamiliennamen weiterleben. „Wir wollen unseren
Nachkommen ein Bild von dem früheren Leben unseres
Volkes erhalten und die Ueberreste aus denkwürdigen
Zeiten sammeln, ehe sie vor unseren Augen in der alles
gleichmachenden Gegenwart untergehen. Wir wollen
Allem, was noch von schöner alter Volkskunst erhallen
ist, nachgehen, es dem Volke vor Augen führen und
es über den Werth seines Besitzes belehren, damit es
ihn nicht mehr verachte, sondern schätzen und lieben
lerne. Wir beabsichtigen nicht, etwa durch Sammlung
schöner alter Gegenstände das Land seiner Alterthümer
zu berauben, denn jedes Ding, vor allem jedes Kunstwerk,
soll den Platz einnehmen, für den es geschaffen ist. Nur
zerstreute oder aus ihrer Umgebung herausgerissene Gegen-
stände, oder solche, welche dem Verderben preisgegeben
sind, sollen als Vorbilder in örtlichen Sammlungen ver-
einig und dadurch erhalten werden. Es ist die Heraus-
gabe von VereinsmittheUungen in Aussicht genommen,
558
welche den gesammelten Stoff allen Verereinsmitgliedern
und den weitesten Kreisen zur Kenntniss bringen werden.
— Wir wollen unsere Zwecke auch zu erreichen suchen
durch Abhaltung von öffentlichen Wandervorträgen ge-
legentlich landwirthschaftlicher oder gewerblicher Feste
oder zu sonst gelegener Zeit, womöglich verbunden mit
kleinen Ausstellungen von schönen Erzeugnissen der Volks-
kunst. Nicht minder wollen wir auch, wenn nöthig, den
Lokalmuseen unserer Provinzstädte in jeder Weise zur
Seite stehen. Wir erstreben, anknüpfend an das Ueber-
lieferte, wieder eine Volkskunst! Wir wollen z. B. zeigen,
dass um das gleiche Geld, welches eine geschmacklose,
in Tausenden von Stücken hergestellte lackirte Zimmer-
einrichtung kostet, sich im Sinne der alten Volkskunst
eine viel solidere, gefällige und anheimelnde Einrichtung
herstellen lässt." —
Gehalts* und Anstellungsgesetz der Baumeister Im harn-
burgischen Staatsdienste. Durch Senats- und Bürgerschafts-
Beschluss hat nunmehr die Stellung der Baumeister im
hamburgischen Staatsdienste eine wesentUche Veränderung
erfahren, die namentlich den jüngeren Beamten zugute
kommt, und bei welcher auch die Vorbedingungen zur
Anstellung als Baumeister im hamburgischen Staatsdienste
festgelegt sind.
Durch die Gehaltsordnung vom 8. Juli 1898 waren die
bautechnischen Beamten in Hamburg in 3 Gehaltsklassen
eingeordnet; für die Baumeister 2. Klasse wurde ein Gehall
von 3200—5000 M. mit 3 Alterszulagen von 600 M. nach
je 4 Jahren, für die Baumeister i. Klasse ein Gehalt von
5200—7000 M., ebenfalls mit 3 Alterszulagen von 600 M.
nach je 4 Jahren, und für die Bauinspektorcn ein Gehalt
von 7800 — 9000 M. mit 2 Alterszulagen von 600 M. nach
je 4 Jahren festgesetzt. Das Aufrücken in eine höhere
No. 87.
Gehaltsklasse hing jedoch jedesmal von einer leeren Stelle
und von einer Wahl der zuständigen Behörden ab. —
Es zeigte sich aber sehr bald, dass für Techniker
than waren, Bewerber heranzuziehen und so kam es,
dass bei Ausschreibung neu zu besetzender Stellen sich
mehrfach nur ungenügendeKräfte meldeten und dass ferner
hftflNWHDWCn ^ RUDLR '
eRBSUT* f BCUTlNGCT-DflR'<'^OT.
\ '■ ^q(.~iTtcr y
mehrfach Baumeister 2. Kl. den haniburgischen
Staatsdienst verliessen, um anderweitig besser
bezahlte Stellungen mit rascherem Fortkommen
anzunehmen. Und als dann 1901 durch ein Ge-
setz das Gehalt der wissenschaftlichen Lehrer von
3600 - 9000 M. mit Alterszulagen von 600 M. nach
je 3 Jahren festgesetzt wurde, da ward es auch
den Behörden selbst klar, dass es erforderlich
sei, für die Baumeister eine ähnliche Aufbesse-
rung ihrer Stellung und ihres Gehaltes vorzu-
nehmen. So ist nunmehr ein Antrag des Senates
auch von der Bürgerschaft genehmigt worden,
nach welchem das Anfangsgehalt der Baumeister
auf 3600 M. festgesetzt worden ist und wonach
unter Fortfall der Klasseneintheilung von jetzt
an das Gehalt derselben mit Alterszulagen von
600 M. nach je 3 Jahren bis zu 7200 M. auf-
steigt. Weil aber zwischen den Baumeistern
und den Bauinspektoren ein übergeordnetes Ver-
hältniss besteht, welches dagegen zwischen den
Oberlehrern und Professoren der hamburgi-
schen Schulen bei Ausübung ihrer Lehrthätig-
keit nicht vorhanden ist, so wird ein weiteres
Aufrücken der Baumeister in die Bauinspektor-
Stellen nach wie vor von einer leeren Stelle und
von einer Wahl der Behörden abhängig bleiben.
OBER&f SCHOSS.
mit wissenschaftlicher und theilweise auch praktischer
Vorbildung das Anfangsgehalt von 3200 M. und die un-
sichere Aussicht auf ein Weiterkomraen nicht dazu ange-
Während bei allen übrigen Beamtenklassen mit wissen-
schaftlicher Vorbildung schon seit langem in Hamburg
Vorbedingungen gesetzlich feststehen, welche für den
29. Oktober 1902,
559
Abschluss der Vorbildung und für die Erlangung der An-
stellungsberechtigung gelten, fehlte es bisher in Hamburg
für die bautechnischen Beamten an entsprechenden Vor-
schriften. Es war freilich in letzter Zeit mehr oder min-
der zur Regel geworden, nur solche Techniker als Bau-
meister anzustellen, welche eine abgeschlossene Hoch-
schulbildung mit Ablegung der Bauführer- oder Diplom-
prüfung nachweisen konnten und ferner ihre Befähigung
durch eine mehrjährige praktische Beschäftigung darge-
than hatten, aber es kamen doch immerhin noch mehr-
fach Anstellungen von Technikern vor, welche ein Examen
an einer technischen Hochschule nicht gemacht, also auch
nicht den Nachweis einer vorherigen 9-klassjgen Schul-
bildung geben konnten.
Nunmehr ist aber gesetzlich festgestellt, dass nur solche
Techniker als Baumeister zur Anstehung kommen können,
welche eine technische Hochschule besucht, die Diplom-
oder Regierungs-Bauführer- oder eine gleichwerthige Staats-
prüfung bestanden und alsdann mindestens 3 Jahre in
ihrem Fache praktisch gearbeitet haben. Da nun aber
an allen teclmischen Hochschulen in Deutschland nur
solche Studirende die genannten Prüfungen ablegen können,
welche vorher auch eine Abiturientenprüfung bestanden
haben, so ist durch dieses Anstellungsgesetz der Wille
der hamburgischen Behörden dargethan, den technischen
Beamtenstand in Hamburg in seiner Gesammtstellung zu
heben und die Gleichstellung mit den übrigen wissen-
schaftlich gebildeten Beamten anzuerkennen. —
Marmorlager in Deutsch-Südwest-Afrika. Etwa 6
von der Station Ababis an der Bahnstrecke Swakopmund-
Karibib und in einer Entfernung von 165 von der Küste
gelegen, tritt (nach der „Kolonialzeitung") am südlichen
Abhange eines sehr zerrissenen Gebirgsstockes eine ge-
waltige Marmorablagerung auf, die in ihrer Erstreckung
von 6— 7 k® im Liegenden (nach Nord) von Quarzit und
im Hangenden von massiven Gesteinen — Granit und
Gneis — eingeschlossen ist. Diese zumtheil bis i mäch-
tige Formation erweist sich in dem mittleren Theile auf
mindestens 100 “ infolge des Auftretens massiger Be-
schaffenheit, d. h. ohne Vorhandensein von Schiefer und
sonstigen wesentlichen Störungen, besonders zum Abbau
des Marmors geeignet, da der Charakter des Geländes
den Steinbruchbetrieb leicht zulässt. Die ziemlich fein-
körnige Struktur, der lebhafte Glanz, die blendend reine
weisse Farbe, die verhältnissmässig grosse Durchsichtig-
keit (stark kantendurchscheinend) des Marmors und die
Möglichkeit der Beschaffung grosser Werkstücke sind gute
Anzeichen, wie sie bei den geschätzten europäischen
Marmorarten zu finden sind. Besonders auffallend ist,
dass der Marmor von Et.usis auf die grosse Entfernung
des Streichens hin, soweit dieses an der Oberfläche be-
obachtet werden konnte, weder das Korn, noch die Farbe
wechselt; nur nach Westen hin, etwa 3Y2 von der Stelle
Etusis entfernt, zeigt sich Marmor mit schwarzer Äderung,
welcher ebenfalls grossen, wenn nicht mehr technischen
Werth haben wird, als der weisse. An den an der Ober-
fläche liegenden und der Verwitterung ausgesetzten Stücken
wurde nirgends eine Zersetzung oder ein Abblättern be-
obachtet, ein Zeichen dafür, dass Glimmerschüppchen in
Lagen und Eisenoxydul nicht vorhanden zu sein scheinen,
wie diese öfter die europäischen Qualitäten in ihrer Ver-
wendung beeinträchtigen. Zeigt nun der Marmor von
Etusis schon an der Oberfläche so prächtige Eigenschaften,
so ist mit Sicherheit anzunehmen, dass derselbe bei weiterer
Erforschung und Ausbeutung sich sehr geeignet für die
Zwecke der Baukunst und Skulptur erweisen wird. —
Ehrenbezeugungen an Ingenieure. Bei der Rektorats-
Uebergabe an der Technischen Hochschule in Darmstadt
wurden zu Doktor-Ingenieuren honoris causa ernannt der
Geh. Reg.-Rth. Prof. Müller-Breslau an der Technischen
Hochschule zu Charlottenburg und der Direktor der Ver-
einigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbau-Ge-
sellschaft Nürnberg A. Rieppel m Nürnberg. —
PreisbewerbuQgen.
In dem Internationalen Wettbewerb um zwei feste
Brücken über die Newa ln St. Petersburg (vergl. No. 82, 1901)
sind imganzen 3g Entwürfe eingegangen, davon 4 ausser
Wettbewerb. Davon entfallen 22 (r a. W.) auf die Palais-
Brücke, 13 (3 a. W.) auf die Ochta-Brücke. Nach Nationen
geordet sind unter den 39 Entwürfen aus Russland 18,
Oesterreich-Ungarn 5, Frankreich 3, Deutsch-
land 2, Nord-Amerika 2, Spanien 2 und Belgien,
England, Italien je i Entwurf, dazu die 4 ausser Wett-
bewerb aus Russland. In dem 21-gliedrigen Preisgericht
sitzen 8 Ingenieure und 2 Architekten. Die Entwürfe
werden vom 18./31. Nov. an im Rathhause in St. Petersburg
öffentlich ausgestellt. —
560
Im Wettbewerb Bismarckthurm bei Chemnitz (vergl.
Dtsche. Bztg. 1902 S. 404) ist- der I. Preis dem Entwurf
„Dem Alten aus dem Sachsenwald'*, Verf. Hr.
Arch. Jacob Berns, z. Zt. in Remscheid, der II. Pr. dem
Entwurf mit dem Kennworte „Friedrichsruh", Verf.
Hr. Arch. Kurt Diestel in Dresden-Blasewitz und der
III. Pr. der Arbeit „Gedanken“, Verf. Hr. Reg.-Baufhr.
Oscar Eggeling in Charlottenburg zuerkannt worden.
Ausstellung der Entwürfe vom 28. Okt. bis 10. Nov. in
der Aula der Techn. Staatslehranstalten in Chemnitz. —
Wettbewerb Kollegiengebäude Freiburg l.Br. Es nennen
sich uns ferner die folgenden Verfasser: Für den Entwurf
„Kastor und Pollux“ die Hrn. Georg Seip in Michelstadt
und Heinr. Tessenow in Sternberg i. M.; für den Ent-
wurf mit dem Kennzeichen des barschen Wappens Hr.
Arch. Hugo Kröling in Langfuhr. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. O. B. in Zürich. Wofern nicht das Züricher Orts-
polizeirecht eine Bestimmung des Inhaltes hat, was wir bezweifeln,
ohne es augenblicklich sicher feststellen zu können, dass auf fremdem
Grunde beliebig gebaut werden darf, ist der Grundstücks-Eigen-
thümer allein berechtigt, auf seinem Grund und Boden zu bauen und
eine Bauerlaubniss nachzusuchen. Die Polizei ist dann jedoch ver-
pflichtet, sich zu vergewissern, ob derjenige, welcher eine Bau-
erlaubniss nachsucht, zum Bauen auf dem Grundstücke befugt ist,
auf welchem der Neu- oder Umbau bewirkt werden soll. Hat sie
in einem Falle verabsäumt, das Rechtsverhältniss Desjenigen, der
die Bauerlaubniss nachsucht, zu dem infrage kommenden Grund-
stücke festzustellen, so ist sie befugt, ihre übereilt erth eilte Er-
laubniss zurückzunehmen, sobald sie sich überzeugt hat, dass solche
einem Unbefugten irrthümlich ertheilt war. Dieser Fall lag vor,
mithin ist die erfolgte Rücknahme der Bauerlaubniss begründet.
Wurde in der Zeit ihres Bestehens eine Zustandsveränderung vor-
genommen, so ist die vorgekommene Zustandsveränderung gleich-
wohl unerlaubt erfolgt Der Nachsuchende hat keinen Anspruch
auf deren Schutz seitens der Baupolizei, wphl aber kann ihm wegen
seiner Aufwendungen, die er bisher hatte und die er zur Wieder-
herstellung des früheren Zustandes haben wird, ein Ersatzanspruch
zustehen an den Baubeamten, welcher versehentlich die Erlaubniss
aussprach. Ob jedoch ausreichende Unterlagen zu einer Schaden-
ersatzklage im gegebenen Falle bestehen, dafür gestattet Ihre Sach-
darstellung kein ausreichendes Bild der thatsächlichen Verhältnisse.
Gleiches gilt von den Aussichten einer Klage gegen den Grund-
stücks-Eigenthümer, aufgrund des Miethsvertrages dem Miether die
rechtliche Möglichkeit zur Ausführung der vereinbarten Aenderungen
zu gestatten. Der vorgetragene Rechtsfall bietet Stoff für ver-
schiedene Rechtsfragen und liegt so eigenthümlich , dass nur em-
pfohlen werden kann, einen dortigen erfahrenen Sachwalter mit
dessen rechtlicher Behandlung zu betrauen. — K. H-e.
Hrn. Arch. H. Sch. in Offenburg. Vorfenster sind nach
unserer Auffassung im allgemeinen als ein integrirender Bestand-
theil eines herrschaftlichen Hauses anzusehen und demgemäss also
beim Verkaufe auch mit zu übergeben. Indessen wird hierfür viel-
fach auch der Ortsgebrauch der Verwendung von Vorfenstern über-
haupt entscheidend sein können. Es ist uns nicht unbekannt, dass
in Ihrer Gegend Vorfenster nicht allgemein gebräuchlich sind, so-
dass sie nicht zum unbedingten Bestand eines Hauses gehören.
Unter den vorstehenden Ausführungen gewinnt die Frage etwas
von dem Charakter einer Doktorfrage, sodass sie fast ganz von
der subjektiven Auffassung eines Richters abhängig ist, wenn sie
auf dem Rechtswege zum Austrag kommen sollte. —
Hrn. Arch. B. in Metz. Praktische Versuche über den Druck
des Eises in Eishäusern sind unseres Wissens bisher nicht ausge-
führt. Da das Eis geschichtet wird, rechnet man mit einem solchen
Druck gewöhnlich nicht, doch haben sich die Wirkungen des Eis-
druckes verschiedentlich in Eishäusern gezeigt. Wir empfehlen
Ihnen das Studium des Aufsatzes von C. Bernhard über diesen
Gegenstand im Centralbl. d. Bauverwltg. 1899, S. 81. Weitere
Litteratur ist uns nicht bekannt. —
Hrn. G. R. in Leonrod. Handelt es sich um Salpeter, welcher
aus den Steinen selbst ausblüht, oder aus einer anderen Ursache
durch das Gewölbe hindurchdringt, so ist eine dauernde Abhilfe
nur durch Beseitigung der Ursachen der Salpeterausblühung zu er-
reichen. Mit kleinen Mitteln können lediglich nur vorübergehende
Besserungen erzielt werden. —
Hrn. A. K. ln C. Ihre Anfrage eignet sich nicht zu einer
öffentlichen Behandlung, da dieselbe nicht ohne genaue Kenntniss
des örtlichen Befundes eine zuverlässige Beantwortung finden könnte.
Wir glauben, dass es sich in dem vorliegenden Falle um salpeter-
artiges Ausblühen einzelner Steine handeln könnte. Dagegen wäre eine
dauernde Abhülfe nur durch Ausstemmen der betr. Steine möglich. —
F r ag e b e an t w 0 r t u ng e n aus dem Leserkreise.
Zu der Anfrage in No. 83 nennen sich die Firmen Franz
Spengler in Berlin S.W., Lindenstr. 44, Wesser & Cie. in Vel-
bert (Rheinland) und H. R. Rudnick in Lichtenberg bei Berlin
als Fabrikanten von Fensterfeststellern. —
Anfragen an den Leserkreis.
Welche Vortheile und welche Nachtheile haben sich bei der
Anwendung von Kalksandziegeln für Wohnhäuser ergeben?
Inhalt: Wilhelm Böckmann j. — Das neue Bootshaus der Mannheimer
Rudergesellschaft. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Brief- und
Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 87.
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN ^
AUZEITUNG.
GANG. * * NO- 88. *
DEN I. NOV. igo2.
«stsssstÄÄitarstscstsrsr
Die Neubauten der königlichen akademischen Hochschulen für die bildenden
Künste und für Musik in Charlottenburg.
Architekten: Kayser & von Groszheim, königl. Bauräthe in Berlin.
(Hierzu eine Bildbeilage.)
[ie beiden königlichen akademischen Hoch-
schulen für die bildenden Künste und für
Musik in Berlin fristeten — anders kann
man es kaum nennen — seit langen Jahren
schon ihr Dasein in Räumen, welche unzu-
länglich und unwürdig zugleich waren und einer sach-
gemässen und vorwärts drängenden Entfaltung des
Unterrichtes schwere Hindernisse bereiteten. Die aka-
demische Hochschule für die bildenden Künste war in
dem Akademiegebäude Unter den Linden unterge-
bracht, welches von der Charlotten- und der Uni-
versitätsstrasse begrenzt wird und welches ausserdem
noch einer Reihe anderer Zwecke: für die Akademie
der Künste selbst, für die Akademie der Wissenschaften,
als königlicher Marstall, als Kaserne usw. dient. Seit
Umgebung der Universität — nur diese Umgebung
konnte für eine neue Platzwahl infrage kommen —
das Gelände der alten Akademie dasjenige, welches
in erster Linie für die Errichtung der neuen Biblio-
thek inbetracht kam. Die Errichtung wurde denn auch
für diese Stelle beschlossen und dadurch die Noth-
wendigkeit gegeben, für die Neubauten der Akademie,
welche nicht unbedingt an der alten Stelle liegen
mussten, ein anderes Gelände zu suchen.
Nicht viel verschieden von diesen Verhältnissen
waren die, welche bei der akademischen Hochschule
für Musik obwalteten. Sie waren insofern noch un-
günstiger, als diese Anstalt im Laufe ihres Bestehens
ihre Räume hatte wechseln müssen, ohne dass dadurch
eine dauernde Verbesserung herbeigeführt worden
im Jahre 1699 die neugegründete Akademie mit ihrer wäre. Denn auch die Verlegung der Anstalt in das
Unterrichtsanstalt hier einzog, hat eine Verbesserung sogenannte Astrometeorologische Institut in der Pots-
und Erweiterung der Räume in ncnnenswerthem Um- damer Strasse zwischen Lützow- Strasse und Brücke
fange kaum stattgefunden und ’im
Laufe der Jahrzehnte haben sich
die Verhältnisse hier zu einem Zu-
stande entwickelt, den man nur euphe-
mistisch noch unwürdig nennen
kann. Er war thatsächlich noch
mehr als das. So wurde denn die
Frage der Errichtung von Neubau-
ten für die Akademie und ihre Unter-
richtsanstalt von Jahr zu Jahr bren-
nender. Sie trat in ein entschei-
dendes Stadium, als auch bei der
benachbarten königlichenBibliothek
die immer unzulänglicher geworde-
nen Räume zu einer nicht mehr ab-
zuweisenden Lösung der Raumfrage
drängten. Man hatte nun zunächst
die Absicht, auf, dem Gelände der
alten Akademie, auf dem Unter den
Linden gelegenen und von der Uni-
versitäts-, der Dorotheen- und der
Charlottenstrasse begrenzten Bau-
platze ein neues Gebäude für die
Akademie zugleich unter Hinzufü-
gung von Ausstellungsräumen usw.
zu errichten und es lässt sich nicht
leugnen, dass gerade für die letzte-
ren die Lage im Strome des Ver-
kehrs einevortheilhafte und zugleich
eine solche gewesen wäre, um mit
ihr weitgehenden Repräsentations-
zwecken zu genügen. Indessen, die
wirklichenVerhältnisse waren mäch-
tiger, wie diese Gedanken. Als ein-
mal die Neugestaltung der Räume
für die kgl. Bibliothek als eine drin-
gende Nothwendigkeit erkannt wor-
den war und als man sich ferner
überzeugt hatte, dass nur in einem
grossen, zugleich der machtvollen
Entwicklung des preussischen Staa-
tes entsprechendenNeubau dauernde
Abhilfe der bisherigen Zustände und
eine freie, ungehinderteEntwicklung
der Bibliothek für die Zukunft ge-
geben war, da war von sämmt-
Uchen möglichen Plätzen in der
561
war lediglich ein Nothbehelf, denn bald ging das An-
bauen los und es war auch die Hinzunahine von Privat-
gebäuden nicht zu umgehen. Dadurch aber wurde nur
dem ailerempfindlichsten Raummangel gesteuert, eine
freie Entfaltung des Unterrichtes war auch jetzt eben-
sowenig möglich, wie früher. Es lag daher vielleicht
der Gedanke nahe, die beiden akademischen Institute,
so verschieden sie auch in ihrer Bestimmung und
demnach in ihren räumlichen Ansprüchen sind, zu
einer Baugruppe zu vereinigen und für diese ein aus-
reichendes Gelände ausserhalb des engbebauten Theiles
der Stadt zu suchen. Ein solches Gelände — zugleich
im Staatsbesitz — glaubte man gefunden zu haben in
dem nahezu rechteckigen Grundstücke unmittelbar am
Stadtbahnhof „Zoologischer Garten“, welches nördlich
von der Kurfürsten-Ailee, südlich von der Hardenberg-
Strasse und westlich von dem Gelände der Artillerie-
und Ingenieur-Schule begrenzt wird. Man glaubte
eine Zeit lang so sehr an die Möglichkeit der Ver-
wendung dieses Geländes für den genannten Zweck,
dass — ein Umstand, der eine besondere Her-
vorhebung verdient — die Staatsbehörde sich ent-
schloss, im Jahre 1896 einen allgemeinen Wettbewerb
der kgl. Akademie des Bauwesens vom 6. Okt. 1897
mit den Worten, das Ergebniss des Wettbewerbes
habe erkennen lassen, dass der Bauplatz am Bahnhofe
„Zoologischer Garten“ zwar räumlich ausreichend sei,
die baulichen Bedürfnisse der beiden Hochschulen zu
befriedigen, dass aber „doch gewichtige Bedenken
gegen seine Wahl zu erheben seien, weil einerseits
der Unterricht und die Konzerte der Hochschule für
Musik durch den geräuschvollen Betrieb der Stadtbahn
gestört werden würden, andererseits bei der Hoch-
schule für die bildenden Künste eine allen Ansprüchen
genügende Beleuchtung der Ateliers und der Unter-
richtsräume nicht zu erreichen sei.“ Diesen zunächst
von den als Preisrichter thätigen auswärtigen Archi-
tekten in einem Sondergutachten geäusserten Bedenken
seien die Direktoren der beiden Hochschulen beige-
treten, während der Senat der Akademie der Künste
es für möglich hielt, die programraässigen Bedürfnisse
der beiden Hochschulen auf dem Grundstück am Bahn-
hofe „Zoologischer Garten“ zu befriedigen, jedoch be-
tonte, „dass die wünschenswerthe künstlerische gleich-
mässige Repräsentation beider Hochschulen in keinem
der Wettbewerb-Entwürfe gelungen sei, vornehmlich
zur Erlangung von Entwürfen für die Neubauten"^der
beiden Hochschulen auszuschreiben. Es war dabei die
Möglichkeit offen gelassen, die Räume für die beiden
Hochschulen, welche letztere eine getrennte Verwaltung
besitzen, in sich geschlossen in einer einheitlichen Bau-
gruppe zu vereinigen oder sie als zwei getrennte Ge-
bäudegruppen anzulegen. Der Wettbewerb, welcher
in hohem Maasse erfolgreich war, gelangte im Januar
1897 zur Entscheidung, nach welcher die Architekten
Kayser & von Groszheim sowie Adolf Hartung
in ßerlin je einen I. Preis erhielten.
Neben einer Klärung der Lösung der Aufgabe
an sich führte der Wettbewerb auch eine Klärung
über die Verwendbarkeit der Baustelle für die beiden
Hochschulen herbei. Diese zeigte bei näherem Studium
durch die Verhältnisse ihrer Nachbarschaft — nament-
lich durch den geräuschvollen Betrieb des Stadtbahn-
hofes „Zoologischer Garten“ — eine solche Reihe von
Unzuträglichkeiten, dass man beschloss, von ihr ab-
zusehen und ein neues Gelände weiter westlich in
der Hardenberg-Strasse, einen Theil der Baumschule
gegenüber dem Steinplatze, östlich begrenzt von der
Fasanenstrasse, ein Gelände, welches schon August
Orth für diesen Zweck vorgeschlagen hatte, zu wählen.
Die Begründung dieses Vorganges giebt ein Gutachten
deshalb, weil das Grundstück nur von einer Seite, von
der Hardenbergstrasse aus, angemessen zugänglich ist.“
iDieStaatsregierungkonntesich dem Gewicht der hier
geltend gemachten Gründe nicht verschliessen und
stellte das bereits genannte andere Grundstück mit der
offenbar durch das Finanzministerium gestellten Be-
dingung zur Verfügung, dass die in Anspruch zu neh-
mende Fläche des Baumschulen- Grundstückes die
Fläche am Bahnhof „Zoologischer Garten“ nicht oder
doch nicht erheblich überschreiten dürfe. Diese sei-
tens des Finanzministeriums mit einer ausgesprochenen
Zähigkeit festgehalteneBedingung hat es verhindert, der
Bauanlage jene freie Entwicklung zu geben, die ihr
nach ihrer Bedeutung in der künstlerischen Kultur
des preussischen Staates hätte zukommen müssen.
Mit der Verfassung der neuen Pläne wurden die
Gewinner des einen I. Preises . des Wettbewerbes, die
Architekten Kayser & von Groszheim, betraut. Sie
schufen einen Entwurf, dessen Grundzüge aus dem
vorstehendenLageplan zu erkennen sind. Sie legten die
beiden Unterrichts- Anstalten nicht als eine geschlossene
Baugruppe, sondern als zwei getrennte Gebäude an,
die Hochschule für Musik als ein langgezogenes Recht-
eck entlang der Fasanenstrasse, die Hochschule für
die bildenden Künste in nur sehr geringem Abstande
562
No. 88.
von der Musikschule als eine um einen grossen Hof
gelagerte Gebäudegruppe gegenüber dem Steinplatz.
Damit war die gleichwerthige Repräsentation beider
Anstalten gegeben. Wir wollen hier nicht in die Be-
urtheilung des Entwurfes im Einzelnen eingehen; er
wurde von der Akademie des Bauwesens als eine
geeignete Grundlage für die weitere Ausarbeitung
und die Ausführung erklärt, hat aber in der Aus-
führung bei Belassung der Gesammtanlage eine durch-
greifende Einzelveränderung erfahren. Nicht versagen
aber können wir uns die Mittheilung der Stelle des
Gutachtens der Akademie des Bauwesens, in welcher
sie das übermässige Sparsystem des Ministeriums
Miquel mit der Vorsicht, die einer nachgeordneten
Körperschaft zukommt, aber doch deutlich genug kenn-
zeichnet. Das Gutachten erklärt die Entwurfs-Skizzen
für die beiden Hochschulen als eine geeignete Grund-
lage für die Ausführung, jedoch nur „in anbetracht
der besonderen Verhältnisse, welche eine Lö-
sung der schwierigen Aufgabe in freierer
monumentalerer Entwicklung und ohne Be-
schränkung in der Verfügung über Bauplatz
und Baukosten ausgeschlossen haben". Was
hätte ein weiterer Streifen Land von nur lo — 20 “
Breite und was hätte eine nur um eine Viertelmillion
höhere Bausumme für eine Einwirkung auf die Aus-
bildung der architektonischen Beziehungen zwischen
den beiden Gebäuden haben können! Unter welchen
engen und einschränkenden Bedingungen mussten die
Architekten arbeiten, wie mussten sie mit dem kümmer-
lichen Raume kämpfen? Wer die Gebäudegruppe, wie
sie heute dasteht und am 2. November ihre feierliche
Weihe erhalten wird, beurtheilt, muss, um dem hohen
Verdienste der Architekten voll gerecht zu werden,
die engen Verhältnisse, unter welchen das Werk reifte,
mitsprechen lassen. Sie sprechen eine leider nur zu
beredte Sprache. — (Schluss folgt.)
Städtische Schnellverkehrs-Pläne in Berlin.
n den maassgebenden Kreisen der Berliner Stadt-
verwaltung hat sich innerhalb der letzten Jahre,
theils unter dem Drucke besonderer Verhältnisse,
theils veranlasst durch den Wechsel der Persönlichkeiten
an leitender Stelle dem Anscheine nach hinsichtlich der
Stellungnahme der Stadtgemeinde zu der Weiterentwicklung
des städtischen Verkehres sowohl nach der wirthschaft-
iichen wie technischen Seite dieser Frage ein völliger Um-
schwung der Meinungen vollzogen, ln wirthschahlicher
Beziehung insofern, als die Stadtgemeinde grundsätzlich
den Standpunkt aufgegeben hat, den weiteren Ausbau der
Verkehrs-Einrichtungen lediglich der Initiative von Erwerbs-
Gesellschaften zu überlassen, an diesem vielmehr durch
den Bau und Betrieb eigener Verkehrslinien mitwirken
will, in technischer Beziehung nach der Richtung, dass
man die früher vorhandene Abneigung gegen den Bau
von Untergrundbahnen, oder richtiger Unterpflaster-
bahnen, überwunden und damit die Möglichkeit erreicht
hat, das Herz der Stadt durchziehende, vom übrigen
Strassenverkehr losgelöste Schnellverkehrs - Linien zu
schaffen. Es ist bekannt, dass schon vor einigen Jahren
ein umfassendes Liniennetz solcher Unterpflasterbahnen
von dem technischen Leiter des städtischen Tiefbauamtes,
Stadtbrth. Fr. Krause, aufgestellt worden ist und dass die
Stadtgemeinde zunäckst die weitere Ausarbeitung des
Planes der wichtigsten dieser Linien, der Nord-Südlinie,
beschlossen und die Bearbeitung des speziellen Entwurfes
sowie die Aufstellung des Kostenanschlages der „ Gesell-
schaft für den Bau von Untergrundbahnen", als
deren technische Vertretung die Firma Ph. Holzmann
in Frankfurt a. M. anzusehen ist, übertragen hat. Dieser
Plan ist jetzt fertig gestellt und liegt den städtischen Be-
hörden nunmehr zur weiteren Entscheidung vor. Er sei
daher in seinen Hauptzügen nachstehend erläutert.
Für den Anfangspunkt der Linie ist die Einmündung
der Eisenacher Strasse in die Hauptstrasse in Schöneberg
vorgesehen, von wo sie die liauptstrasse bis zur Gross-
görschenstrasse verfolgen soll und dort das Berliner Weich-
bild erreicht. Es erschien wünschenswerth, diese wirth-
schaftlich eng mit Berlin zusammenhängenden, wenn auch
in der Verwaltung getrennten Stadttheile an die neue Ver-
kehrslinie anzuschliessen, Falls jedoch nach dieser Rich-
tung eine Einigung der beiden Stadtgemeinden nicht er-
zielt werden kann, so ist entweder eine Endigung auf dem
Gelände des Botanischen Gartens mit Aufstellungs-Bahn-
hof oder eine Schleife vorgesehen, welche die Gross-
görschen-, Potsdamer-, Göben- und Mansteinstrasse durch-
ziehen würde, also ganz auf Berliner Gebiet liegt. Um
die Bahnlinie dem südlichen Verkehrszentrum nahe zu
bringen, durchzieht sie nun die Mansteinstrasse, kreuzt
im Zuge der Yorkstrasse die Wannsee-, Potsdamer-, Ring-
und Anhalter Bahn, verfolgt die genannte Strasse bis zur
Belle-Alliance-Strasse und diese bis zum Biücherplatz.
Hier muss der Landwehrkanal östlich der Belle-Alliance-
Brücke, sowie die Hochbahn von Siemens & Halske unter-
fahren werden. Die Bahn würde nun auf dem geradesten
Wege nach Norden durch die Friedrichstrasse gelangen,
aber eine derartige Ausführung in der Hauptverkehrsader
Berlins mit ihren schweren Schädigungen für den Ver-
kehr und die Anlieger erschien unmöglich, da sich hier
auch besondere technische Schwierigkeiten ergaben. Die
Linie wendet sich daher nach Kreuzung des Kanales
und des Belle-Alliance-PJatzes, wobei die östlichen Eck-
grundstücke am Eingang des Platzes unterfahren werden
I. November 1902.
müssen, der Lindenstrasse zu, verfolgt diese Strasse,
sodann die Markgrafenstrasse bis zur Jägerstrasse, geht
im Zuge derselben zwischen der Französischen Kirche
und dem Schauspielhaus hindurch zur Charlottenstrasse
und benutzt diesen Strassenzug und die anschliessende
Prinz Louis Ferdinand-Strasse bis zur Spree. Diese
wird östlich der Weidendammer Brücke unterfah-
ren, worauf die Eckgrundstücke an der Friedrichstrasse
durchbrochen werden müssen, um zu letzterer Strasse zu
gelangen. Von hier aus wird der Zug der Friedrichstrasse
und dann anschliessend der Chausseestrasse bis zum
Weddingplatz benutzt, die Ringbahn gekreuzt und die
Reinickendorferstrasse bis zum Platz H, d. h. bis zur
Grenze des Weichbildes im Norden durchzogen.
Die Gesammtlänge beträgt 11,2 also etwas mehr
als der bisher ausgeführte Theil der Hoch- und Unter-
grundbahn von Siemens & Halske zwischen dem Zoolo-
gischen Garten und Warschauer Brücke mit der Abzwei-
gung zum Potsdamer Platz (10,1
An dem öffentlichen Verkehr dienenden Haltestellen
soll die Linie 15 erhalten, die in einem mittleren Ab-
stand von 760 “ liegen würden. Als Vergleich sei an-
geführt, dass die mittlere Entfernung bei der Berliner
Stadteisenbahn 1,14!^“, bei der Hauptlinie der Siemens-
schen Stadtbahn zwischen Zoologischem Garten und
Warschauerbrücke 790 bei der Pariser Stadtbahn (Metro-
politain) allerdings nur 6to“, bei der Londoner Zentral-
bahn dagegen 807 beträgt. Die Haltestellen werden
natürlich an wichtige Verkehrskreuzungen gelegt werden.
Die wichtigsten werden diejenigen an der Ecke der Pots-
damer und Grossgörschenstrasse, dem Belle-AlliaDce- Platz,
der Leipzigerstrasse, zwischen Dorotheen- und Georgen-
strasse, also in der Nähe des Bahnhofes Friedrichstrasse
der Stadteisenbahn, am Oranienburger Thor und am
Weddingplatz sein. Wichtig für den Uebergang des
Verkehrs auf andere Hauptverkehrslinien ist die unmittel-
bare Uebergangsmöglichkeit auf die Wannseebahn an der
Haltestelle Mansteinstrasse, auf die Siemens’sche Hochbahn
am Belle-Alliance-Platz, die Stadtbahn an der Friedrich-
strasse und schliesslich die Ringbahn am Weddingplatz.
Von der gesammten Strecke von 11,2 werden etwa
9 in der Geraden liegen, der Rest in Krümmungen,
von nicht unter 60“ Halbmesser in der freien Strecke,
30 “ in der nördlichen Endschleife. (Siemens’sche Unter-
grundbahn 100 bis 80 Metropolitain in Paris 50 in den
End-Schleifen ebenfalls 30®.)
Die Höhenlage der Unterpflasterbahn schliesst sich,
wie schon ihr Name besagt, nach Möglichkeit den Strassen-
Höhen an (etwa 80 cm Ueberdeckung), da jede tiefere Ein-
senkung in das hochliegende Grund Wasser die Anlage natur-
gemäss vertheuert. Kleinere Senkungen sind an mehreren
Stellen nöthig, wo Kanäle der städtischen Kanalisation über
den Bahntunnel hinweggeführt werden müssen. Grössere
Senkungen werden nothwendig an den Unterfahrungen des
Landwehrkanals, der geplanten städt. Ringlinie, ferner der
Siemens’schenWest-Ost- Linie, die im Anschluss an die Unter-
pflasterbahn am Potsdamer Platz, durch die Königgrätzer-,
Voss-, Mohrenstrasse zum Spittelmarkt bezw. zum Aiexan-
derplatz usw. geführt werden soll und über welche schon
seitJahren Verhandlungen schweben, die dem Anschein nach
zur Verwirklichung des Planes führen dürften, schliesslich
insbesondere ander Unterfahrung des Spreelaufes am Wei-
dendamra. Die Steigungen werden aber auch hier 1:30 nicht
überschreiten(Siemens’scheBahn i :32aufdenRampennach
563
dem Potsdamer Platz und am Nollendorfplatz, Metropolitain
in Paris 1:25 und zwar zum th eil noch in den Krümmungen
von 50 “ Halbmesser). Nur in der, allerdings nur von Leer-
zügen langsam befahrenen, Endschleife wird eine Steigung
1 : 16 nöthig. Im übrigen erhält die Tunnelsohle soviel Ge-
fälle, dass das Sickerwasser sich mit natürlichem Gefälle in
einzelnen Pumpensümpfen sammeln und dann leicht ab-
geführt werden kann.
Bei der Feststellung des Tunnelquerschnittes hat man
von der Theilung desselben durch Mittelstützen, wie sie
für die Untergrundbahn von Siemens & Halske zur Ver-
ringerung der Konstruktionshöhe der Decke durchgeführt
ist, vollständig abgesehen. Trotzdem ist die Lichtweite
des für normalspuriges Doppelgleis eingerichteten Tunnels
reichlicher, nämlich auf 6,90® (statt 6,24“) mit Rücksicht
auf die andere Gestalt und grössere Breite der Wagen
bemessen. Die grösste normale Breite des im Strassen-
körper von der Konstruktion des Tunnels in Anspruch
genommenen Streifens beträgt 8,90™ (Siemens 8,44 m), die
gesamrate Konstruk-
tionshöhe 5,85 m (S.
5.35“) bei 3, 50 “Licht-
höhe (S. 3,30 von O.
S. bis Unterkante-
Decke). Die Ge-
sammt - Ausführung
des Tunnels ist in
Stampfbeton gedacht
(bei Beschränkung
des Profils mit Ein-
legung von Eisen-
rahmen), die Decke
mit Wölbungen zwi-
schen I-Trägern.
Die Form der Wa-
gen entspricht etwa
derjenigen der Stadt-
bahnwagen, an wel-
che sich das Berliner
Publikum gewöhnt
hat, jedoch natürlich
mit Schiebethüren,
statt der Klappthüren.
Es soll jedoch der
44 c“ breite Durch-
gang in die Mitte ge-
legt und durch ge-
ringe Verbreiterung
beiderseits Raum für
je 2 Quersitze ge-
schaffenwerden. Die
Wagen erhalten9,8o “
Länge zwischen den
Puffern (beiS. 12,7“).
Der Betrieb soll so
eingerichtet werden,
dass Züge von 4
Trieb- und 3 Beiwa-
gen in 3 Min. Abstand
nach jeder Richtung
verkehren können.
Jeder Zug enthält 282
Sitzplätze und 203
Stehplätze, kann also
485 Personen befördern. Als
Betriebskraft kann naturgemäss
nur Elektrizität infrage kommen,
die durch ein eigenes Kraftwerk
auf den nördlich der Spree durch-
schnittenen Grundstücken gelie-
fert werden soll. Durch beson-
dere Oberleitungen soll den
Stromabnehmern der Motor-
wagen Gleichstrom von 600 Volt Spannung zugeführt
werden, während die Schienen als Rückleitung dienen.
Ein Betriebs- und Werkstätten-Bahnhof ist auf städtischem
Gelände am nördlichen Ende der Bahn an der Seestrasse
geplant. Einschneidend ist naturgemäss die Wirkung, welche
Zollhaus bei der Talferbrücke in Bozen.
die Durchführung des Unterpflasterbahn-Projektes auf das
von derselben durchschnittene städtische Versorgungsnetz
haben wird. Bei den Gas- und Wasserleitungen, den
zahllosen Kabeln der Elektrizitätswerke, der Reichspost
usw. liegen besondere Schwierigkeiten nicht vor, hier ist
die ganze Frage nur eine solche der Kosten. Schwieriger
gestaltet sich die Sache dagegen bei den Kanälen der
städtischen Kanalisation, bei welchen die Verlegungs-Mög-
lichkeit beschränkt ist durch die Erhaltung des natürlichen
Gefälles, wo die Anlage von Parallelkanälen, Untcrdückerun-
gen (nur bei den Nothauslässen zugelassen) nicht zu um-
gehen ist, wo an einzelnen Stehen der Tunnel gesenkt
werden muss, um unter den Kanälen hinwegzugehen. In
diesen kostspieligen Umänderungen, die in einer den
Betrieb der Kanalisation vollkommen befriedigenden Weise
z. Th. nur mit besonderen Hilfsmitteln ausgestaltet werden
können, liegt eine Hauptschwierigkeit für die Ausführung
von Unterpflasterbahnen in Berlin, eine Schwierigkeit, in der
auch ein wesentlicher Grund für die frühere Abneigung der
' Stadt gegen solcheAn-
lagcn zu suchen ist,
DieGesammtkosten
der Linie sin d zu 56,22
Mill. M, veranschlagt,
d. h. auf rd. 5,1 Mill.
M. für I km. Diese
hohen Einheitskosten
sind nicht verwun-
derlich, wenn man
dieSchwierigkeit der
Ausführung bedenkt,
besonders da der
Tunnel 2 bis 3,5 “,
streckenweise auch
vollständig im Grund-
wasser eingesenkt ist.
DieGesammtkosten
vertheilen sich wie
folgt; Für den Bau
der Strecke nebst den
Haltestellen und dem
Grunderwerb 46,0
Mill. M., für den Be-
triebs - Bahnhof j,6
Mill. M., das Kraft-
werk 2,79 Mül. M.,
Betriebsmittel 1,75
Mill. M., allgemeine
Kosten 2,79 Mill. M.,
Verwaltungs- Kosten
1,78 Mill. M. und
schliesslich Bauzin-
sen während der 4-
jährigen Bauzeit 4,6
Mill. M. Von diesen
Gesammtkosten sind
etwa 6 Mill. M. für
wieder verkäufliche
Grundstücke abzu-
ziehen, sodass sich
die Gesaramtsumme
\ on 56 22 Mill. M. er-
gicbc. Unter den rei-
nen Baukosten erfor-
dert die Unterführung der Linie
unter der Spree die bedeutende
Summe von fast 9 Mill. M., die
Unterführung unter dem Land-
wehrkanal 3,1 Mill. M.
Wird dieser Plan, der 2. Zt.
der städtischen Verkehrs-Depu-
tation zur Genehmigung vor-
liegt, wie man hoffen darf, ver-
wirklicht, so würde damit in die Verkehrs-Einrichtungen
Berlins ein neues Glied von ganz hervorragender Wich-
tigkeit eingefügt, da es gerade an einer leistungsfähigen
Verbindung zwischen dem Süden und dem Norden der
Stadt ganz besonders fehlt. —
Verschiebbares Oberlicht über dem Hauptkassenhofe des Bankgebäudes der Diskonto-Gesellschaft
in Berlin. Architekt Brth. Heim, Ingenieur F. H. Barth in Berlin,
n Ergänzung unserer Mittheilungen in No. 76 dieses Längs- und Querschnitt, Abbildg. 3 links im Grundriss er-
«K«- j: 17_ gebemt , von 16,86 zu 12,03“ Grundfläche überdeckt. Es
verbleibt dann in dem in gleicher Höhe mit dem Oberlicht
liegenden Stockwerke von 18,72 zu 13,89 “ Lichtweite an
allen 4 Seiten noch ein Umgang von 0,93 “ Breite. Das
allseitig abgewalmte Oberlicht wird von 5 parallel zur
Langseite des Raumes liegenden Gitterträgern getragen,
die ihrerseits an der quer zum Raume angeordneten oberen
I Jahrganges der Dtschn. Bauztg. über die neuen Er-
^ weiterungsbauten des Bankgebäudes der Diskonto-
Gesellschaft in Berlin sei nachstehend die Konstruktion
des verschiebbaren Oberlichtes über dem grossen Kassen-
hofe erläutert.
Der durch 2 Stockwerke hindurch gehende Kassenhof
ist mit einem festen Oberlicht, das in Abbildg. i und 2 in
564
No. 88.
Dachkonstruktion mit je 6 regulirbaren Hängestangen aus je 2 L-Eisen 40 . 40 . 6 aufgehängt sind. Diese Hauptträger,
deren Aufriss aus Abbildg. 2 hervorgeht, sind aus 4 L-Eisen 40 . 20 . 3 mit Gitterwerk von Flacheisen 40 . 4 gebildet bei
18 cm Höhe. Sie sind nach der Quere wiederum durch 7 Gitterträger von gleicher Höhe verbunden, deren Gurte
aus T-Eisen 40 . 40 . 5 hergestellt sind.
Sprossenwerk aus X-Eisen 40.40.5
\ AbbiWg. 6. theilt das Oberlicht im Mitteltheile in /'^ /'
quadratische ^Felder von 0,63 m Seiten- /
I diesen Lichthof über dem
Oberlicht noch in 2 Stockwerken um- X
\ l'i ziehenden Räumen sind noch Bureaus / / /f''
, v\ '14= untergeb rächt und es erschien daher \ ^ j '' / / Xm
dringend erforderlich, in dem äusseren O ^ ^ / 'jV ^
Oberlicht des Daches grosse Lüftungs- . \ V— X'.X 'X,'
s. tf^rXfehbkchtos } // y Oeffnungen anzubringen, die im Som- ''
\ iih mer bei gutem Wetter geöffnet werden X'\ L_ %oZ
// j^y können. Das ist in der Weise ge- T
\ \ x>i°a iJr schehen, dass von den 5 sägeförmigen \ '
Oberlichten, welche die Dachkonstruk- \
tion bilden, 2 derartig eingerichtet sind, ~
A Mitte nach beiden \\ ^ //
^ ^ Seiten auseinander schieben lassen, Iw 5 /#
(// sodass 2 Oeffnungen von je 3,75 zu 5 \\« //
^•. .y 6,95“, a^so je rd. 26 <5“ Grundfläche '•
völlig frei gegeben werden können. | ^ °-il°1^4_ --7 -
Die obere Dachkonstruktion wird
fvon 4 in der Querrichtung des Ge- I "1 [jr
bäudes Hegenden Gitterträgern, vergl. | I U
Abbildg. I und 2, getragen, deren An-
Ordnung im Einzelnen aus Abbildg. 4
I hervorgeht. An diesen Gitterträgern ist
T. November 1902.
565
auch das untere, feste Oberlicht aufgehängt. Der Obergurt
dieser Träger musste entsprechend steif ausgebildet wer-
den, da auf ihm der bewegliche Dachtheil rollt.!
Die festen. Dachtheile sind an den Kopfenden abge-
walmt. Ihre Konstruktion zeigt Abbildg. 2 und 5 im Ein-
zelnen. Ihre Binder bestehen aus einfachen, durch 2 L
50 • 50 • 5 gebildete Sparren mit Zugband, die in der Mitte
noch durch eine Strebe gestützt werden, die sich auf den
Untergurt der Gitterträger aufsetzt. In den Kehlen liegen
Rinnen, die durch den Schienenträger des beweglichen
Oberlichtes getheilt werden. DieSprossen der Glasdeckung,
die sich auf eine I-förmige Scheitelpfette und C-förmige
Pfetten an der Traufkame stützen, bestehen aus hoch-
kantigen Flacheisen 60.8, über welche die Zinkmäntel
mit Schwitzwasserrinnen gestülpt sind.
Die verschiebbaren Dachtheile bedürfen einer etwas
steiferen Binderkonstruktion, die so ausgebildet werden
musste, dass sich diese Theile über die festen Oberlichte
hinüber schieben lassen. Die Bindersparren sind Gitter-
träger, Abbildg. 6, am Kopfabschluss volle Blechträger,
die sich auf kastenförmige Blechträger an den Traufkanten
stützen. Zwischen letzteren Hegen die gusseisernen Lauf-
rollen von 20 cm Durchmesser (vgl. Abbildg. 4 und 6).
Die Dichtung der beiden beweglichen Dachhälften ist
durch ein L-Eisen bewirkt, welches den Mittelbinder der
einen Hälfte besäumt und über den der anderen Hälfte
hinübergreift (Abbildg. 4), ausserdem durch einen Filz-
streifen. Für den äusseren Binder des beweglichen Theiles
bildet eine Besäumung des oberen Randes des letzten Bin-
ders des festen Theiles einen mit Filzstreifen gedichteten
Anschlag, sodass also ein sicherer Fugenschluss erzielt ist.
Die verschiebbaren Oberlichte mussten natürlich mit
besonderen Traufrinnen ausgestattet werden, die auf dem
schon erwähnten kastenförmigen Blechträger liegen, an
den Enden geschlossen sind und durch ein Loch im Boden
am äusseren Ende ihr Wasser in die darunter liegende
Rinne in der Kehle der festen Oberlichte abgeben.
Der Bewegungs-Mechanismus besteht aus einer ein-
fachen Windevornchtung. Wie Abbildg. i zeigt, ist für
jedes verschiebbare Oberlicht und für jede Dachhälfte
derselben an der Querwand des Raumes in Traufkanten-
höhe eine wagrechte Welle gelagert, die von der Höhe des
darunter liegenden Geschossesdurch eineKurbelmitKetten-
rad und durch 2 Kegelräder in Drehung versetzt wird.
Auf dieser Welle sitzt eine Kettenscheibe (Abbildg. 3
rechts), eine zweite Kettenscheibe an einem festen Bock
in der Mitte des verschiebbaren Oberlichtes (Abbildg. 4),
Ueber diese Scheibe ist eine Kette geführt, weiche mit
ihren beiden Enden an dem Kopf- bezw. Mittelstück des
verschiebbaren Oberlichtes befestigt ist, also je nach der
Kurbeldrehung dieses öffnet oder schliesst. —
Zollhaus bei der Talferbrücke in Bozen.
Architekt: J. Strehl in Kassel.
|as kaiserliche Zollhaus in Bozen, welches bis dahin
I der ärarischen Zollabfertigung diente, wurde von
' der Stadt Bozen angekauft, wobei die Stadt die
Verpflichtung übernahm, in der Nähe der Talferbrücke
für die Zwecke der Regierungsmauth die erforderlichen
Räume (Bureaus und Wohnung) auf jeweiliges Verlangen
zur Verfügung zu halten. Diesem Verlangen wurde seitens
der Stadt dadurch entsprochen, dass in der Nähe der
Brücke ein Zollhaus für das städtische und das staatliche
Zollamt einschliesslich einer Wohnung für einen Beamten
errichtet wurde. Das Zollhaus liegt an der Ecke der
Spital- und der Fleischgasse; die Abbildgn. S. 564 zeigen
dasselbe in den Grundrissen und im Aufbau. Das Erd-
geschoss enthält die Amtszimmer für den Land- und den
Stadtzoll mit getrennten Eingängen von der Strasse, das
(Hierzu die Abbildungea Seite 564,)
Obergeschoss eine kleine Wohnung für einen Beamten
aus 3 Zimmern, Küche usw. Das Material des Aeusseren
ist rother und blauer Porphyr für die Flächen mit starker
weisser Fugung, und grauer Porphyrsandstein für die
Architekturtheile. Die Dachdeckung besteht aus den in
dieser Gegend seit alters üblichen schmutzig-grauen Hohl-
ziegeln (Mönch und Nonne). Das Erkerdach ist in grünen
glasirten Biberschwänzen gedeckt. In der formalen Be-
handlung der Architektur ist eine Anlehnung an den Cha-
rakter der tiroler Burgen versucht. Das Plaus wurde im
Jahre igoo errichtet, seine Baukosten haben 27 000 Kr. =
23000 M. betragen. Die Bauleitung, welche auch für die
Höhenlage des Gebäudes verantwortlich ist, lag in den
Händen des bozener Stadtbauamtes. —
Mittheüungen aus Vereinen.
Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin. Der Verein
blickt in diesem Monat auf ein 60-jähriges Bestehen zu-
rück. Der Vorsitzende. Hr. Minist.-Dir. Schroeder, gab
aus diesem Anlass in der Sitzung vom 14. d. M. ein Bild
der Vereinsthätigkeit während der letzten 10 Jahre und
eine Schilderung der Aufgaben, die von der Zukunft zu
erwarten sind. Staatsminister v. Thielen, sowie die Geh.
Reg.-Räthe Schwabe und Prof. Dr. Reuleaux wurden
zu Ehrenmitgliedern ernannt und der Geh. Reg. Rath Prof.
Goering zum Stellvertreter des Vorsitzenden gewählt.
Dann sprach der Ob.-Ing. Joh. Körting aus Hanno-
ver über „Verbrennungs-Kraftmaschinen“. Die Er-
kenntniss der Thatsache, dass werthvolle industrielle Gase
in den Gasmaschinen viel zweckmässiger ausgenutzt wer-
den können, als bisher, und zwar vor allem das Hoch-
ofengas, gab nach den Ausführungen des Vortragenden
den Anstoss zur Herstellung grosser Gasmaschinen, denen
das Gas entweder unter Druck zugeführt wird, oder die
es selbst ansaugen. Die hohe Bedeutung des Gasmaschinen-
Betriebes mit Hochofengas erkennt man am besten dar-
aus, dass man mit derselben Gasmenge das 7- bis 8-fache
an Kraft erzeugen kann, als wenn man durch Verbrennung
des Gases Dampf erzeugt und diesen in Dampfmaschinen
benutzt. Unter Zugrundelegung der Roheisenerzeugung
von Deutschland und Luxemburg im Jahre 1897 kann man
mit dem entstehenden Hochofengas rd. die Leistung von
600000 P. S. dauernd erzeugen. Es handelt sich im Eisen-
hüttenbetriebe um Maschinen grösster Kraftleistungen, bis
zu mehreren tausend Pferdestärken, sowohl für Gebläse-,
Walzenzug- wie für elektrische Betriebe. So hat ein
Hüttenwerk in Amerika allein die Aufstehung von 40 000 P. S.
in Gasmaschinen beschlossen und nach dem Körting’schen
Zweitakisystem bestellt. Der Vortragende ging dann näher
auf die Einzelheiten der Maschine selbst ein. Des weiteren
wurde die Anlage zur Erzeugung von Generatorgas zum
Betriebe von Kraftgasmaschinen näher beschrieben und
zwar sowohl für Maschinen nach dem Druck-, wie auch
nach dem Saugesystem. Dabei wurde namentlich auf die
Förderung hingewiesen, die der Herstellung von Gas-
maschinen durda die preuss. Staatsbehörden insbesondere
566
dadurch zutheil geworden ist, dass die Generatoranlagen
nicht unter die konzessionspflichtigen Anlagen nach § 16
der Gew.-O. gerechnet werden und dass die Staats-Eisen-
bahnverwaltung viel früher als die Privat-Industrie grosse
Aufträge ertheilte. Nachdem sich nunmehr diese Maschinen
für alle möglichen Zwecke der Industrie, insbesondere für
Elektrizitätswerke, Wasserwerksanlagen usw. als sehr ge-
eignet erwiesen, hat sich auch eine grosse Zahl von
Maschinenfabriken dem Bau von Gasmaschinen zugewandt;
insbesondere erfreuen sich auch die Maschinen für flüssige
Brennstoffe, vor allem für Spiritus, grosser Beliebtheit in
landwirthschaftlichen und sonstigen Betrieben.
Schliesslich besprach der Vortragende noch einen von
seiner Firma aufgestellten Entwurf zu einem durch einen
Spiritusmotor angetriebenen Eisenbahnwagen.
Im Anschluss an den mit grossem Beifall aufgenommenen
Vortrag berichtete der Geh, Reg.-Rth. Prof. Goering ein-
gehend über das neu erschienene Werk des Generaldir.
vom Osnabrücker Stahlwerk, des Kommerz.-Rths. A. Haar-
mann: „Die Kritik des Eisenbahngleises“. Das
Buch schliesst sich an die bereits 1891 in zwei gleich gut
ausgestatteten Bänden herausgegebene „Geschichte des
Eisenbahngleises“ an und ist schon damals vom Ver-
fasser als Abschluss in Aussicht gestellt worden, bildet jedoch
ein in sich abgerundetes selbständiges Werk. Es giebt zu-
nächst einen geschichtlichen Ueberblick über die hundert-
jährige Entwicklung des Eisenbahngleises, betrachtet dann
eingehend die wichtigsten Oberbau-Systeme der Gegenwart
und sucht aus einer höchst sorgfältigen und sachlichen
Kritik der dabei gesammelten Erfahrungen Grundsätze zu
gewinnen für eine gesunde Weiterentwicklung des Gleis-
baues. Als BeispieF für deren Anwendung wird der von
Haarmann neuestens geschaffene Starkstossoberbau
ausführlich besprochen. .Als Unterlage für die kritischen
Untersuchungen diente eine grosse Zahl von Gleisslücken
aller Art, die dem Betriebe entnommen sind und wie sie
nur im Osnabrücker Gleismuseum zur Verfügung standen,
das der Verfasser in jahrzehntelangem Sammelfleiss aus
der ganzen Welt zusammengebracht hat. Vorzügliche Ab-
bildungen in sehr grosser Zahl lassen alle Betriebswirkungen
mit photographischer Treue im Buche deutlich erkennen.
Ein Schlusswort giebt sodann eine Fülle von lehrreichen
No, 88.
Gesichtspunkten und Vorschlägen allgemeiner Art. Das
Ganze kennzeichnet sich als ein vortreilliches wissenschaft-
liches Werk von hohem bleibendem Werth für die Kennt-
niss des Gewesenen und die weitere Ausgestaltung des
Eisenbahngleises in der Zukunft. —
Frankfurter Arch.- und Ing.-Verein. Die Zusammen-
setzung unseres Vorstandes für das Geschäftsjahr 1902/03
ist folgende: Vorsitzender; Dir. W. H. Lauter; stellv.
Vors.; Arch. Fr. von Hoven; Schriftf.: Arch. E, Lemme;
Säckelmeister: Dir. Fr. Scheelhaase; Bibliothekar: Arch.
Wilh. Müller; Vorträge: Brih. E. Brinkmann und Stdtrth.
C. F. Kölle; Festordner: Arch. H. Cuno und F. Sander. —
Vermischtes.
Elektrischer Betrieb der Schweizer Eisenbahnen. Der
Ing. Thormann aus Zürich hat in einer Veröffentlichung
die Möglichkeit des elektrischen Betriebes sämmtlicher
Schweizer Eisenbahnen durch Ausnutzung natürlicher
Kraftquellen nachzuweisen versucht. Die Kohlentheuerung
der letzten Jahre hat die Aufmerksamkeit stärker als je
zuvor auf die Ausnutzung der natürlichen Wasserkräfte
gelenkt, und die Schweiz hat einen besonders reichlichen
Äntheil an dieser Entwicklung genommen. Man kann es
jetzt als durchaus sicher betrachten, dass die in der Schweiz
verfügbare Wasserkraft genügt, um elektrische Energie
für den Betrieb sämmtlicher Schweizer Eisenbahnen ab-
zugeben. Gleichzeitig muss jedoch Thormann zugestehen,
dass die Verkehrskosten in. beträchtlichem Maasse dadurch
nicht vermindert werden würden. Er ist zu der Ansicht
gelangt, dass die Umwandlung der Bahnen für den elek-
trischen Betrieb ein so bedeutendes Kapital erfordern
würde, dass sich an dessen Amortisation nicht denken
Hesse. Die 5 Hauptbahnen der Schweiz benöthigen eine
tägliche Betriebskraft von über 30C00 P. S. Wenn man
an einen elektrischen Betrieb denken wollte, so müsste
man jedenfalls einen Betrag von 60000 P. S. in der Form
von elektrischem Wechselstrom hoher Spannung verlangen,
wozu noch eine unerlässliche Reserve zu rechnen wäre.
Thormann ist nun auf statistischem Wege der Frage
näher getreten, ob diese Kraft geliefert werden könne,
und die Antwort ist bejahend ausgefallen. Ohne die
mächtigen bisher unausgenutzten Wasserfälle inbetracht
zu ziehen, rechnet er aus den bisher vorhandenen
21 Kraftwerken eine Summe von 86000 P.S. heraus,
das Sielwerk bei Einsiedel u. a. für 20000 P.S, , die
Werke bei Laufenburg a. Rh. mit 10000; dann weiter die
von St. Moritz, von Wangen a. d. Aar, von Bernau und
vom Wäggisthal je 5000, das Kraftwerk zu Freiburg 4000,
von Rheinau 3000 und das von Giornico am Tessin 4000,
das von Ritomsee 8000 usw. Die 21 vorhandenen Kraft-
werke würden also mehr als genügend sein, den Eisen-
bahnen die nöthige Elektrizität zur Verfügung zu stellen,
aber die Kosten des Unternehmens würden doch eine be-
deutende Höhe erreichen. Thormann berechnet sie auf
insgesammt i6r Mill. Frcs., wovon 40 Mill. auf das rollende
Material, 70 Mill. auf die Anlage der elektrischen Zuleitung
und 51 Mül. auf die Errichtung der Stromweudestationen
kämen. Andererseits muss aber auch der Gesichtspunkt
Beachtung finden, dass trotz dieser geringen Ersparniss
das Land durch die Einführung der Elektrizität auf den
Eisenbahnen erheblichen Nutzen haben würde, weil der
hohe für Kohlen verausgabte Betrag in Fortfall käme.
Die allgemeine Benutzung der Wasserkraft würde auch
eine bedeutsame Ermuthigung für andere Industrien sein.
Die Veröffentlichung des Ingenieurs Thormann hat eine
ernste Aufnahme gefunden und zu dem praktischen Er-
gebniss geführt, dass die Oerlikon-Eisenbahngesellschaft
bei der Bundesregierung den Antrag gestellt hat, eine
Versuchsstrecke von 20 km Länge als elektrische Volibahn
herstellen zu dürfen. —
Eine Ausstellung des Kunstgewerbe-Museums zu Leipzig
betrifft „die Pflanze in ihrer dekorativen Verwerthung"
und findet vom i. Februar bis 31. März 1903 statt. Für
Ankäufe stehen zunächst 3000 M. zur Verfügung; die ein-
gesandten Arbeiten unterliegen einer Aufnahmejury. An-
meldungen bis I. Dezember 1902. Einsendungen bis
IO. Januar 1903. —
Die Baugewerkschule in Nienburg a. W., übrigens die
älteste preussische Baugewerkschule (gegründet 1853),
richtet mit diesem Winterhalbjahr ebenfalls eine Tiefbau-
abtheilung ein. Der Lehrstoff vertheilt sich auf 2 Klassen
zu je Vs Jähreskursus entsprechend den Einrichtungen der
anderen Schulen. Dass diese Tiefbauabtheilungen einem
dringenden Bedürfnisse entgegenkommen, zeigt der starke
Andrang zu denselben. —
Preisbewerbungen.
Ein Wettbewerb des Architekten- und Ing.-Verelns ln
München für seine Mitglieder betrifft Entwürfe für ein
Progymnasium in Forchheim in Oberfranken. Bausumme
150 000 M. ; Anlehnung an die fränkische Bauweise ; Material
für die Architekturtheile heller Sandstein. 3 Preise von
300, 200 und 100 M. Preisrichter u. a.; Arch. 0. Lasne,
Prof. M. Littmann, Ob.-Baudir. von Maxon, Brth.
Rehlen, Prof. G. von Seidl und Ob.-Brth. Stempel. —
Ein internationales Preisausschreiben zur Erlangung
von Entwürfen für die Kathedrale St. Andree in Patras
(Griechenland) erlässt das bezgl. Comite zum 31. Januar
bezw. 30. Juni 1903. Es gelangen 3 Preise von 10000,
4000 und 2000 Frcs. zur Vertheilung. Unterlagen durch
das Griechische General-Consulat, Berlin NW., Unter den
Linden 71.
Wettbewerb Kollegienhaus Freiburg 1. Br. Dem uns
inzwischen zugegangenen Protokoll entnehmen wir, dass
von 123 Entwürfen zunächst 63 und weiterhin 35 Entwürfe
ausgeschieden wurden. Einer dritten Ausscheidung fielen
weitere 10, einer vierten Ausscheidung noch 8 Entwürfe
zum Opfer, sodass 7 Entwürfe auf die engste Wahl kamen.
Da das Preisgericht einstimmig der Ansicht war, dass kein
Entwurf der engsten Wahl den Anforderungen des Pro-
grammes in allen Theilen entsprach, auch kein Entwurf
dem anderen in Grundriss und Aufbau so überlegen war,
dass er mit dem I. Preise ausgezeichnet werden konnte,
so wurde einstimmig beschlossen, die Summe des I. Preises
in 3 IV. Preise von je 1500 M. zu theilen und den Rest
zu Ankäufen zu verwenden. Die Preis vertheilung war
dann die bereits mitgetheüte. Von dem an erster Stelle
ausgezeichneten Entwurf „Ovum“ von Prof. Friedr. Ratzel
sagt das Gutachten, er gelange durch Verlegung des Schwer-
punktes der architektonischen Entwicklung an die Ecke
der Beifort- und Werderstrasse „bei glücklicher Vermeidung
der diagonalen Grundriss-Anordnung zu einem charakte-
ristischen und kraftvollen Ausdruck der dominirenden
Innenräume. Die gewählte Anordnung ermöglicht eine
klareund übersichtliche Raumfolge und eine ausserordentlich
reizvolle äussere Gruppirung.“ An dem Entwurf „Floreat“
der Hrn. Meckel lobt es den „übersichtlich und einfach“
angeordneten Grundriss und die vortreffliche Ausbildung
des Aeusseren und des Hofes; „weniger zu rühmen ist
die Gliederung der Massen und die Ausbildung der Ecke
an der Werder- und Löwenstrasse“. An dem Entwurf
„Kelim“ der Hrn. Bonatz in Stuttgart tadelt das Gutachten
„Ungelöstheiten und Unvollkommenheiten in der Grund-
riss-Disposition“, meint aber, die „markante Behandlung
der Aula gebe dem Gebäude einen hervorstechenden
repräsentativen Charakter“. An dem Entwurf „Deutschem
Geiste eine Warte“ der Hrn. Schulz & Schlichting
lobt das Gutachten die sorgfältige Durcharbeitung, die klare
Raumvertheilung und die gute Beleuchtung der Räume,
glaubt aber, die architektonische Ausgestaltung entbehre
eines „grösseren künstlerischen Reizes“, das Gebäude sei
mehr ein Verwaltungs- Gebäude als das Kollegien-Gebäude
einer Universität. Der Entwurf „Schauinsland“ des Hrn.
Herrn. Distel in Freiburg findet den Beifall des Gutachtens
durch seine „geschickte Grundrissanlage“, die sehr gute
Beleuchtungs-Verhältnisse ergebe. Die Beurtheilung des
zweiten preisgekrönten Entwurfes von Prof. Ratzel mit
dem Kennwort „Altmodisch“ ist eine zurückhaltende. Ueber
die zum Ankauf empfohlenen Entwürfe schweigt das Gut-
achten; aber gerade über den einen oder anderen Entwurf
dieser Gruppe hätte man gerne etwas Näheres erfahren. —
In einem Wettbewerb des Münchener Architekten- und
Ingenieur-Vereins betr. Entwürfe für eine Glasfachsohule in
Zwiesel mit einer Bausumme von 70—75 000 M. liefen
16 Arbeiten ein. Es erhielt den I. Preis Hr. Arch. Schulz,
den II. Preis Hr. Arch. Knöpfle und den IIL Preis Hr.
Arch. Steffan, sämmtllch in München. —
Chronik.
Neue katholische Kirchen in Schlesien. Zwei neue kath.
Kirchen, u. zw. eine in Kochlowitz O.-Schl, ganz in Sandstein, eine
dreischiffige, zweithürmige basiiikale Anlage, romanisch, für etwa
2500 Kirchenbesucher, bei 1450 qm bebauter Grundfläche mit einem
Kostenaufwande von rd. 350000 M. einschl. der reichen inneren
Einrichtung, sowie eine am Zentralbahnhofe Kosel-Kandrczin be-
legene einfache dreischiffige gothische HalJenkirche in Backstein-
bau, für etwa 1200 Besucher und 850 qm bebauter Grundfläche,
mit einem Kostenaufwande von rd. 90000 M., beide nach Entwürfen
und unter Leitung des Architekten Ludwig Schneider in Oppeln
erbaut, wurden am 17. u. 19. Okt. dem Gottesdienste übergeben. —
Die neue Bernharduskirche ln Karlsruhe, ein nach den
Entwürfen des Hrn. Baudir. M. Meckel in Freiburg i. Br. errichteter
spätgothischer Bau aus rothem Sandstein, wurde am 26. Okt. feier-
lich geweiht. —
567
I. November 1902.
Die Einweihung der neuen” Bethanienkirche in Neu-
Weissensee bei Berlin ist am 26. Okt vollzogen worden. Das
neue Gotteshaus ist nach den Entwürfen des Hrn. Reg.-Bmstr. a. D.
Leibnitz im Stile der märkischen Backsteingothik mit Putzflächen
errichtet, — ■
Das neue pharmazeutische Institut der Universität Berlin
in Dahlem wurde am 27. Oktober seiner Bestimmung übergeben.
Das Gebäude, als Ziegelfugenbau mit Putzflächen gestaltet, trägt
im wesentlichen den Charakter des lediglich aus dem Bedürfniss
heraus errichteten Nutzbaues. Es ist das erste Glied der in Dahlem
zu errichtenden Reihe von Universitätsbauten. —
Elektrische Schwebebahn Brüssel-Antwerpen. DieSociete
Cockerill unterbreitete der belgischen Regierung ein Konzessions-
gesuch für eine elektrische Schwebebahn nach dem System der
Nürnberger kontinentalen Gesellschaft für die Strecke Brüssel-
Antwerpen, Streckenlänge 43 km, Fahrzeit 20 Minuten, Kosten
26 Mill. Frcs. —
Kunstausstellung in Dresden 1904. In einer Sitzung von
Vertretern der Regierung, des Rathes und der Künstlerschaft wurde
beschlossen, im Jahre 1904 eine grosse Kunstausstellung mit
nationaler Grundlage und in Verbindung mit einer retrospektiven
Ausstellung in Dresden abzuhalten. —
Die Eröffnung eines Tunnels durch den Quirioal ln Rom,
der unter dem königlichen Schloss hinzieht und die hochgelegene
Via Nazionale mit den tiefer gelegenen Stadttheilen verbindet, hat
am 22. Okt. d. J. stattgefunden. —
per Bau eines Wasserwerkes in Heide in Holstein ist in
Angriff genommen worden. Die vorgeoomraenen Bohrungen haben
in einer Entfernung von 3500 m von der Stadt gutes Trinkwasser
in genügender Menge ergeben. Die Kosten sind auf 380000 M. veran-
schlagt. Die Ausführung ist der Firma Windschild & Langelott
in Cossebaude bei Dresden in Generalunternehmung übertragen
worden. —
Die Einweihung des grossen Donau- Winterhafens Wien.
Der neue grosse Donau- Winterhafen nächst der Freudenau ist nun-
mehr vollendet. Die feierliche Einweihung und Eröffnung dieser
Hafenanlage ist am 28. Okt. durch ICaiser Franz Josef vollzogen
worden. —
Neues Waisenhaus ln Hunfeld. Am 15. Okt. ist das nach
den Entwürfen des Architekten Reg.-Bmstr. A. Menken in Berlin
als Ziegelfugenbau mit Putzflächen errichtete neue Waisenhaus ein-
geweiht worden. Bausumme 160000 M. —
Das Brahms-Denkmal in Wien ist nunmehr endgültig be-
schlossen worden. Es wird nach den Entwürfen von Prof. Rud.
Weyr am_ Karlsplatz, vor der evangelischen Schule, aufgestellt.
Sein Material ist Laaser und Sterzinger Marmor. —
Bismapksäule bei Eisenach. Am Abend des 19. Okt. hat die
feierliche Einweihung der nach den Entwürfen des Arch. Wilhelm
Kreis in Dresden auf dem Wartenberg errichteten Bismarcksäule
stattgefunden. —
Ein tiroler Künstlerhaus in Innsbruck ist geplant. In dem-
selben sollen jährliche grosse Kunstausstellungen abgehalten werden.
Möchte es gelingen, für dasselbe einen Bauplan zu gewinnen, welcher
dem wunderbaren Städtebild nicht den Eintrag thut, wie ihn der
bisher in Oesterreich noch in überwiegendem Maasse herrschende
unschöne Kasernenstil anderen alten Städten that. —
Das neue evangelische Krankenhaus in Köln a. Rh.,
erbaut nach den Entwürfen des Hrn. Alfr. Ludwig in Leipzig, ist
am 21. Okt. d. J. eingeweiht worden. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Die Mar.-Bfhr. Stach und Raabe sind
zu Mar.-Masch.-Bmstrn. ernannt.
Baden. Dem Bahnbauinsp. Ob.-Ing. H e r g t in Offenburg
ist der Tit. Brth. verliehen.
Bayern. Der Ob.-Bauinsp. Grossmann in Rosenheim ist
nach Eisenstein versetzt. Der Dir.-Ass. Hasslauer in München
ist z. Ob.-Bauinsp. bei der Eisenb.-Betr.-Dir. das. und der Dir.-Ass.
Dr. Gleich mann zum Ob.-Masch.-Insp. bei d. Gen.-Dir. befördert.
Der Eisenb.-Ass. Maier in München ist zur Betr.-Werkstätte
Regensburg und der Dir.-Ass. Dr. Heubach in Würzburg zur
Gen.-Dir. versetzt. Der Bauamtsass. Heilmann in Landshut ist
z. Dir.-Ass. bei der Eisenb.-Betr.-Dir. Kempten berufen.
Der Reg.- u. Kr.-Bauass. N i s s 1 in Bayreuth ist s. Bitte entspr.
auf die Dauer i Jahres in den Ruhestand versetzt; der Bauarotsass.
Bruch in Augsburg ist z. Reg.- u. Kr.-Bauass. für das Landbfch.
l3ei der Reg. von Oberfranken befördert; der Staatsbauassist. Eg er e r
ist z. Ass. beim Landbauamte Augsburg ernannt.
Preussen. Dem Dir. der städt. Gas-, Wasser- und Elektri-
zitätswerke Grohraann in Düsseldorf, den Reg.- und Brthn.
Zachariae und Stampfer in Elberfeld, dem Eisenb.-Bau- und
Betr.-Insp. Schmalem Düsseldorf, dem Wasser-Bauinsp. Beyer-
haus in Koblenz, dem Landbauinsp. Hertel in Berlin und dem
Prof. Kleesattel in Düsseldorf ist der Rothe Adler-Orden
W. KL, dem Kr.-Bauinsp. Metzing in Charlottenburg die Rothe
Kreuz-Medaille III. Kl. verliehen.
Dem Reg.- u. Brth. Uber ist die Annahme und Anlegung des
ihm verlieh. Ritterkreuzes I. Kl. des kgl. sächs. Albrechts-Ordeiis
gestattet.
Dem Reg.-Bmstr. a. D. G a u s e in Berlin ist der Char. als
Brth. verliehen.
Der Reg.-Bfhr. Rud. Gölitzer aus Neustadt a. O. ist zum
Reg.-Bmstr. f. d. Hochbfch. einaunt.
Dem Reg.-Bmstr. Leop. S a I i n g r e in Halle a. S. ist die
nachges. Entlass, aus dem Dienst der allgemeinen Bauverwaltg.
ertheilt.
Der Geh. Brth. Wilh. Böckmann in Berlin ist gestorben.
Sachsen. Dem Stadtbrlh., kgl. preuss. Brth. Scharenberg
tn Leipzig ist das Ritterkreuz I. Kl. vom Albrechts-Orden verliehen.
568
Briet- und Fragekasten.
Hrn, Arch. M, N. in Duisburg. Die BaupoHzeiordnung für
Duisburg liegt nicht vor. Muthmaasslich wird dieselbe jedoch die
allgemein übliche Bestimmung enthalteu, welche gesetzlich zulässig
ist, dass im Wege_ des Dispenses Ausnahmen von der Regel zu-
lässig sind. In diesem Falle hat die zuständige Behörde nach
pflichtschuldigem Ermessen darüber zu befinden, ob sie unter den
gebotenen Verhältnissen (z. B. Beschaffenheit der Baustelle, Be-
stimmung des Bauwerkes und ähnlichem mehr) eine Abweichung
gestatten darf und will. Gelangt sie zur Bejahung dieser Frage, so ist
ihr Dispens rechtswirksam und es haben andere kein Recht, eine ge-
naue Einhaltung der PoiizeiverordnuDg zu fordern. Ueberdies fehlt
es an einem Verfahren, welches Sie zu dem beregten Ziele führen
könnte. Dies vorausgeschickt, beantworten sich Ihre Fragen dahin:
a) Eine Bahnverwaltung kann von der Einhaltung der baupolizeilichen
Vorschrift, dass hinter der Baulinie aufzuführende Bauwerke parallel
zur Strassenflucht zu stehen kommen sollen, durch Dispens befreit
werden, wenn die Bauordnung einen Dispens überhaupt zulässt und
wenn die Beschaffenheit der Baustelle bei dem Verwendungszwecke
des Bauwerkes als Stationsgebäude solches aus öffentlich-rechtlichen
Erwägungen zweckmässig erscheinen lässt, b) Unter der gleichen
Voraussetzungkann fürBeamten-Wohnhäuservon dcrAusschmückung
der Giebelwände, die einer Strassenfront zugewendet sind, umso-
mehr abgesehen werden, wenn die betreffende Strasse zwar im Be-
bauungspläne vorgesehen, aber noch nicht angelegt sein sollte.
Bei diesem Anlass machen wir darauf aufmerksam, dass
Fragen, welche eine Berücksichtigung des örtlichen
Baupolizeirechtes nöthig machen, nur dann zuverlässig
beantwortet werden können, wenn der Fragesteller
einen Abdruck der Baupolizeiordnung beilegt, da in
Berlin nirgends eine vollständige Sammlung aller Ortspolizei-Ver-
ordnungen besteht. Selbst die Bibliothek der Technischen Hoch-
schule hat keine solche Sammlung. — K. H-e.
Hrn. St. M. in Köln a. Rh. Ueber die Einrichtung von
Postschalterräumen usw. finden Sie ausführliche Angaben in dem
im Februar neuen Jahres in dem Verlage der Deutschen Bauzeitung,
G, m. b. _H., erscheinenden Bd. II., 6 der Gebäudekunde. Eine bis-
her erschienene Litteratur darüber ist uns nicht bekannt, doch haben
die Postbauärater hierfür Normalien, die Ihnen vielleicht zugänglich
gemacht werden würden. —
Fr ag e b e an t w o r t u n gen aus dem Leserkreise.
Hrn. Arch. H. R. in Köln a. Rh. Die in No. 80 vom 4. Okt.
gestellte Anfrage No. i, „ob für eine nicht unterwölbte Kirche
Mosaikplatten-Belag weniger fusskalt sei als Marmorbelag“, dürfte,
da es sich in beiden Fällen um massive, die Erdkälte gut leitende
Fussbödeo handelt, kaum zugunsten des einen oder anderen Mate-
riales sich beantworten lassen. Die Zweckmässigkeit des für beide
Arten bei solider Ausführung nothwendigen Unterbodens ist viel-
mehr entscheidend für die Abgabe der Erd-
kälte durch den Bodenbelag nach oben.
hes Pflaster oder Zementbeton ge-
nügt erfahnrngsmässig nicht, dagegen ist
in ähnlichen Fällen, z. B. bei nichtunter-
kellerten Krankensälen, schon seit geraumer
Zeit mit gutem Erfolge als Unterboden ein
SRummsj^^mTsemw sogen. RosJpflasterzurAusführung gebracht
wordeu. Dieses besteht aus drei überein-
ander lieg enden flachen Ziegelscbichten, von
denen die mittlere inforni eines Rostes her-
gestellt wird. Es bildet sich dadurch eine
ruhende Luftschicht, die der aufsteigenden
Erdkälte ein wirksames Hinderniss ent-
gegensetzt. Die Ausführung der mittleren
Schicht ist in nebenstehender Skizze im
Grundriss dargestellt; die Stossfugen blei-
ben offen, damit ein einziger zusammen-
hängender Luftraum zustande kommt. Auf
die Ausführung der obersten, in der Skizze
gestrichelt angedeuteten Decklage ist die
allergrössteLSorgfalt zu verwenden. Jedem Stein muss an einer
Längs- und einer Stossfuge Mörtel angestrichen und der Stein mit
der Hand kräftig au den vorher verlegten angestossen werden.
Sollte das Emporsteigen von Erdfeuchtigkeit in den durch das Rost-
pflaster sich bildenden kleinen Pfeilerchen befürchtet werden, so
können die Steine der Mittelschicht mit der Sohlfläche vorher in
Goudron getaucht werden. Diese Maassnahme hat sich aber nach
den gemachten Erfahrungen bei inneren Räumen als unnöthig er-
wiesen. Empfehlenswerth wäre weiterhin die Anordnung einer
Schicht des ziemlich porösen Torgament-Estrichs unter dem eigent-
lichen Fussbodenbelag. —
Paul Weidner, Architekt in Charlottenburg.
Bei nicht unterkellertem Fussboden wird der Fusbodenbelag
(ob Marmor oder Thonplättchen) der Temperatur des Untergrundes
folgen, wenn nicht ein schlechter Wärmeleiter eingeschaltet wird.
Wir haben diese Aufgabe stets mit Erfolg durch Verwendung un-
seres Korksteins gelöst, z. B. im Jahre 1895/96 und s. f. bei dem
Bau der hiesigen Pavillon- Schulanlage.
Grünzweig & Hartmann, G. m. b. H.,
Korksteinfabrik, Ludwigshafen a. R.
Inhalt: Die Neubauten der köuiglichen akademischen Hochschule
für die bildenden Künste und für Musik iu Charlottenburg. — Städtische
Schnellverkehrs-Pläne in Berlin. — Verschiebbares Oberlicht über dem
Hauptkassenhofe des Banksebäudes der Diskonto-Gesellschaft in Berlin. —
Zollhaus bei der Talferbrtlcke in Bozen. — Mittheilungen aus Vereinen. —
Vermischtes. — Preisbewerbuogen. — Chronik. — Personal-Nachrichten.
— Brief- und Fragekasten. —
Hierzu eine Bildbeilage: Die Neubauten der kgl. akadem.
Hochschulen für die bildenden Künste und für Musik.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
w-
m-j-i
No. 88.
IE NEUBAUTEN DER KÖNIGLICHEN
AKADEMISCHEN HOCHSCHULEN FÜR
DIE BILDENDEN KÜNSTE UND FÜR
MUSIK IN CHARLOTTENBURG * ^
ARCH.; KAYSER & VON GROSZHEIM,
KÖNIGE. BAUKÄTHE IN BERLIN # ’t'
AUFNAHMEN VON H. LICHTE, BERLIN
= DEUTSCHE BAUZEITUNG XXXVI. JAHRG. - N?; 88 =
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 89. Berlin, den 5. November 1902.
Die königl. akadem. Hochschule für Musik in Charlottenburg. Arch.: Kayser & v. Groszheim, kgl. Brthe. in Berlin.
(Photogr. Aufaahmcn von H. Lichte ia Berlin SW.)
Ein neues Schwebebahn-Projekt für Berlin.
vsa ast gleichzeitig mit dem von uns in No. 88 der
Bztg. in seinen Hauptzügen skizzirten Plane
der Stadtgeraeinde Berlin, eine dem städtischen
Schnellverkehr dienende Unterpflasterbahn in südnörd-
licher Richtung von Schöneberg beginnend und an der
Weichbildgrenze bei Reinickend^orf endigend, zu bauen,
ist auch ein neuer Plan der „Continentalen Gesell-
schaft für elektrische Unternehmungen in Nürn-
berg", den Bau einer ebenfalls nord-südlich verlaufenden
S ch w e b eb ahn nach demLangen’schen System betreffend,
in die Oeffentlichkeit gelangt und von der Gesellschaft den
betheiligten Behörden vorgelegt worden. Es ist bekannt,
dass schon vor einer Reihe von Jahren (vgl. unsere Mit-
iheilungen im Jahrg. 1895 S. 62 ff.) Schwebebahnpläne
für Benin aufgestellt und den Behörden zur Prüfung vor-
gelegt worden sind, die dann aber trotz des grossen Inter-
esses, das man ihnen entgegenbrachte, sich zerschlugen,
hauptsächlich wohl, weil man für dieses neue, damals noch
nicht erprobte System eine Stadt wie Berlin doch wohl
nicht als das geeignete Versuchsfeld ansehen mochte. In-
zwischen ist die nach gleichem System ausgeführte
Schwebebahn Elberfeld-Vohwinkel fertig gestellt wor-
den und hat in mehr als it/ojährigem Betriebe sich be-
währen können, sodass die 'öeselTschaft es nunmehr an
der Zeit glaubte, ihre Pläne für Berlin, wenn auch in ge-
änderter Gestalt, wieder aufnehmen zu dürfen.
Der neue Plan verfolgt denselben Zweck, wie das
städtische Unternehmen, eine dem Schnellverkehr dienende
Nord-Südlinie herzustellen und für den Verkehr in dieser
Richtung das zu leisten, was Stadtbahn und Siemens'sche
Hochbahn für die Verbindung in west- östlicher Richtung
für die Stadt bedeuten. Während aber die städtische Linie
von Schöneberg ausgehend vom Belle-Alliance-Platz an
die Stadt parallel zu dem grossen Verkehrszage der
Friedrich- und Chausseestrasse durchqueren soll, ist die
Schwebebahnlinie als Verbindung von Rixdorf über den
Alexanderplatz zum Gesundbrunnen gedacht, sodass beiden
Linien ihre gesonderten Verkehrsgebiete zufallen, diese
sich also wie man glaubt, nicht gegenseitig Konkurrenz
machen würden. Die Linien würden im Norden und Süden
den Uebergang auf die Ringbahn und die dort anschliessen-
den Fernbahnen, am Alexanderplatz auf die Stadtbahn
und die von dieser abzweigenden Fernbahnen und schliess-
lich an der Kreuzung mit der Siemens'schen Hochbahn
am Kottbuser Thor auch den Uebergang auf diese letztere
ermöglichen.
Die Bahn würde von Milte zu Mitte der Endbahnhöfe
ebenfalls rd. ii Länge erhalten mit 14 Zwischen-Bahn-
höfen, sodass sich eine Entfernung der letzteren von 0,7 km
ergiebt. Die Steigungen sollen auf freier Strecke nicht grösser
als 1:40, die Krümmungs-Halbmesser nicht kleiner als 50“
sein. Der Verlauf im Einzelnen ist so gedacht, dass die Bahn
über dem tief liegenden Bahnhofe Gesundbrunnen beginnend
der Brunnenstrasse bis zum Rosenthaler Thor, der Loth-
ringer Strasse bis zum Schönhauser Thor, sodann dem
neuen Strassenzuge durch das Scheunenviertel sowie der
Kaiser Wilhelmstrasse bis zur Stadtbahn folgen soll. Vom
Kreuzungspunkle aus ist eine Mitbenutzung des Stadtbahn-
Viaduktes gedacht, der mit i)ortalartigen Stützen zu über-
bauen wäre, bis zur Jannowitzbrücke. Dann soll sich die
Schwebebahn neben die Stadtbahn legen bis zur Michael-
kirch-Brücke, wo sie die Spree kreuzt, in die gleichnamige
Strasse einbiegt und diese bis zum Michaelkirch- Platze
durchzieht. Unter Benutzung des Luisenufers, theilweise
auch des Kanales, wird der Oranienplatz erreicht; weiter-
hin werden die Dresdener und Kottbuserstr., der Kottbuser
Damm bis zum Hermann-Platz in Rixdorf, schliesslich die
Berliner-, Berg- und Kirchhofstr. verfolgt bis der Anschluss
am Südring bei der Station Ilermannslrasse erreicht ist.
Die Bahn würde also wichtige Geschäfts -Gegenden
durchziehen und die vorwiegend von der Arbeiter-Be-
völkerung bewohnten Aussenstadttheile mit einander ver-
binden. Die Bahn ist zweigleisig mit Rückkehrschleifen an
beiden Enden gedacht, um den Verkehrsansprüchen an
Dichte der Zugfolge und Betriebssicherheit zu entsprechen.
Die Bahn würde nach demselben Prinzip wie m Elber-
feld, also als einschienige Schwebebahn mit leichtem
eisernem Viadukt ausgestaitet werden. Die Konstruktion
der Wagen würde ebenfalls den dortigen entsprechen.
Es sollen nur Motorwagen in Betrieb kommen.
569
Der Betrieb soll so eingerichtet sein, dass ein 2—3 Die Erhöhung der Kosten für eine einigermaassen
Minuten-Verkehr m jeder Richtung möglich ist mit Zügen ästhetisch befriedigende Lösung der Gesummt Erscheinung
aus anfangs 3, später 6 Wagen, die je 50 Plätze fassen, des Schwebebahn-Viaduktes wird man allerdings nicht zu
Die grösste Geschwindigkeit ist zu 50k» in der Stunde gering anschlagen dürfen, da sich in Elberfeld die Be-
angenommen,also die mittlereReisegeschwindigkeiteinschl. Strebungen nach dieser Richtung auf einige schwache Ver-
des Aufenthaltes auf den Stationen zu 30*^®. suche beschränken und da die Leistungen auf der west-
Bezüglich der Kosten der Anlage nimmt der Entwurf liehen Strecke der Hochbahn von Siemens & Halske jeden-
an, dass dieselben mit Rücksicht auf die mehr nach ästhe- falls die Wirkung haben dürften, dass man die Ansprüche
tischen Rücksichten auszugestaltende Konstruktion, die jetzt wohl höher stellen wird, als man das früher vielleicht
grösseren Kosten der Umänderungen an den Strassen und zu thun geneigt war, selbst in Stadtgegenden unterord-
die reichlicher zu beschaffenden Betriebsmittel die Bau- neter Bedeutung.
kosten der Anlage in Elberfeld, die sich auf rd. i Mül. M. Die Frage einer weiteren durchgreifenden Verbesse-
für gestellt haben, allerdings überschreiten, ,aber rung unseres grosstädtischen Verkehres steht also wieder-
wesentlich unter den Kosten einer anderen, einen be- um im Vordergründe des öffentlichen Interesses. Möge
pnderen Bahnkörper besitzenden und gleich leistungs- sie in einer der Allgemeinheit nützlichen Weise gelöst
fähigen Schnellbahn bleiben“ würden. werden. —
Hauptfassade an der Alster. Nebenfassade an der Ferdinand-Strasse.
Neubau Dr. Albrecht in Hamburg, Alsterdamm. Architekt: Reg.-Bmstr. A. Erbe in Hamburg.
Mittheilungen aus Vereiaen.
Arch.» und Ing.-Vereln zu Hamburg. Ausserordentliche
Vers, am II. Juli 1902. Vors. Hr. Zimmermann, anwes.
20 Personen.
Der Vorsitzende gedenkt zunächst des Hinscheidens
zweier Vereins-Mitglieder, des Buchhändlers Otto Meissner
am 4. Juni und unseres Ehrenmitgliedes, des Bauinsp. a. D.
L. C. Bargum am 3. Juli. Bei des letzteren Beisetzung in
Kiel (vergl. Nachruf in No. 60 d. Dtschn. Bztg. v. 26. Juli)
war der Verein durch seinen 2. Vorsitzenden, Hrn. Bauinsp.
Classen, vertreten, welcher einen Kranz auf den Sarg
unseres durch seine langbewährte Vereinstreue hochge-
schätzten Ehrenmitgliedes niederlegte.
Unter den geschäftlichen Mittheilungen ist hervorzu-
heben, dass der Hamburger Kunstverein mit der im näch-
sten Frühjahre bevorstehenden alljährlichen Kunstaus-
stellung eine Architektur- Ausstellung zu verbinden wünscht
und den Arch.- u. Ing.- Verein ersudit hat, die Einrichtung
dieser Ausstellung in die Hand zu nehmen. Dieser Schritt
ist in doppeltem Sinne zu begrüssen, einmal wegen der
auch in anderen Städten hervorgetretenen wachsenden
Werthschätzung der Architektur als Bestandtheil von Aus-
stellungen der bildenden Künste, und zweitens wegen der
Heranziehung des Arch.- u. Ing. -Vereins als der geeigneten
Instanz von Sachverständigen, um diesen Theil einer solchen
Ausstellung in die Wege zu leiten.
Sodann wird in die eigentliche Tagesordnung der
ausserordentlichen Sitzung eingetreten: Die Entscheidung
in dem Vereins-Wettbewerbe zu Fassaden-Ent-
würfen für Hrn. Dr. M. Albrecht. Es ist als ein er-
freuliches Zeichen der Anerkennung unseres Vereines in
der Oeffentlichkeit anzusehen, dass sich in wiederholten
Fällen ein Bauherr zur Erlangung von Entwürfen an den
Verein mit dem Ersuchen gewandt hat, unter seinen Mit-
gliedern einen Wettbewerb zu veranstalten. Das letzte
Mal war dies im vorigen Jahre für eine Villa des Hrn.
Siemers an der Elbe geschehen (vgl. No. 73 d, Dtschn.
No. 89,
570
Bzig. V. II. Sept. 1901). Itn vorliegenden Falle handelte
es sich abermals um eine reizvolle Aufgabe, den Entwurf
der Hauptfassade für ein grösseres Geschäftshaus
in hervorragender Lage an der Alster nebst einer Neben-
fassade an der Rückseite des bis zur Ferdinand-Strasse
durchlaufenden Grundstückes. Die Anziehungskraft der
Aufgabe war noch erhöht durch die für Preise zur Ver-
fügung gestellte ansehnliche Summe von 5000 M.
Hr. Viol erstattete den Bericht des Preisgerichtes an
Hand eines schriftlichen Gutachtens und gab dabei zu-
nächst seiner Freude Ausdruck über die ausserordentlich
reichhaltigen schönen Leistungen, welche in den einge-
laufenen, im Saale ausgestellten 29 Entwürfen zur Be-
urtheilung Vorgelegen hatten. Bemerkenswerth war in-
dessen, dass etwa die Hälfte der Entwürfe den baupoli-
zeilichen An-
forderungen
nicht entspro-
chenhatten.—
Der Wettbe-
werbhattefol-
gendes Ergeh-
niss. Es er-
hielten; den I.
Preis von 1500
M. Hr. Reg.-
Bmstr. Erbe
(Kennzeichen
„Schwarzes
Wappen"); je
einen II. Preis
von 1000 M.
Hr. Walt. Mar-
tens (Kenn-
wort ,Soblau‘)
und Hr. H.
Wurzbach
(Kennw. „Ba-
ku"); je einen
III. Preis von
.Soo M. Hr.
E. Rentsch
(Kennwort
„Barock“), die
Hrn. Raabe
&Wöhlecke
(Kennw. „Gut
Deutsch“), und
Hr.GeorgRa-
del (Kennw.
„Gera"). Der
Vorsitzende)
spricht] den
Siegern die
Glückwünsche
des Vereins
aus, besonders
Hrn. Erbe,
welcher sich
als das jüngst
aufgenomme-
neMitgliedmit
einemsoscbö-
nenErfolgeim
Verein einge-
führt habe, und
dankt dem
Wettbewerbs-
Ausschüsse
unddemPreis-
gerichtfürihre
Bemühungen.
Mo.
Die königl. akadem. Hochschule für Musik in Charlottenburg.
Architekten: Kayser & v. Groszheim, kgl. Brthe. in Berlin. (Photogr. Aula, von H. Uchte, Berlin.)
Todtenschau.
Eugen Muentz t- In Paris ist am 30. Okt. der Kunst-
historiker und Professor an der Ecole des Beaux-Arts Eugen
Muentz, ein Elsässer, im Alter von 57 Jahren gestorben. Der
Verstorbene hatte als Lebensaufgabe die Geschichtsschrei-
bung der Kunst der Renaissance gewählt und stand unter
den Kunsthistorikern in Frankreich mit an erster Stelle,
sodass sein Heimgang als ein empfindlicher Verlust für
die französische Kunstwissenschaft betrachtet werden muss.
Er schrieb ein 1881 erschienenes preisgekröntes Werk über
Raphael, welchem er als ein Bändchen der Biblioth^que
internationale de l'art“, eine Studie „Les historiens et les
critiques de Raphaöl“, folgen liess. Seine erste grössere Ver-
öffentlichung über die Zeit der Renaissance war das drei-
bändige Werk „Les arts ä la cour des Papes pendant le XV.
et le XVI, siöcle“. Ihm folgten „La Renaissance en Italie et
en France ä l’öpoque de Charles VIII ", „Histoire de l’artpen-
dantlaRenaissance“und„Lesprecurseursde laRenaissance".
Von den übrigen Büchern Muentz’ seien noch genannt:
„Histoire genörale de la lapisserie", „Etudes sur l’histoire
des arts ä Rome pendant le moyen-äge; Boniface VIII.
et Giotto“, „La biSliothöque du Vatican au XV. sifecle"
und „Les antiquitös de la ville de Rome au XIV., XV. et
XVI. sifecles.“ Wie man sieht, war der Verstorbene ziem-
lich fruchtbar; seine Arbeiten, auf der Höhe des französi-
schen Buchwesens stehend, haben sich auch über die Gren-
zen Frankreichs hinaus zahlreiche Freunde erworben.
Preisbewerbungen.
Der Internationale Wettbewerb betr. Entwürfe für die
Kathedrale des Apostels Andreas In Patras in Griechenland
ist einer grös-
seren Aufga-
be gewidmet,
denn es han-
delt sich um
ein Gottes-
haus , in wel-
chem^oooPer-
sonen dem
Gottesdienste
anwohnen
können, nicht
gerechnet die
Besucher, wel-
cheimFranen-
raum oder in
anderen Thei-
len der Kirche
dem Kultus
anzuwohnen
wünschen.Der
Bauplatz liegt
unmittelbar
am Meere, was
die Aufgabe
besonders an-
ziehendmacht.
DerStil ist frei-
gegeben; das
Programm for-
dert für die
Ausbildung
lediglich einen
guten Ge-
schmack. Die
Bausumme
darf den Be-
trag vonaMill.
Drachmen (i
Drachme ~
0,81 M.) nicht
überschreiten.
Der Wettbe-
werb ist ein
doppelter; für
den ersten
Gangjdenman
als Skizzen-
Wetibewerb
bezeichnen
könnte , sind
die Zeichnun-
gen in be-
schränktem
Umfange und
in 1 : 200 ver-
langt; dem
zweiten Wettbewerb unter den Auserwählten des ersten
ist eine umfangreichere Arbeitsleistung zugedacht, da nicht
nur alle Ansichten, Schnitte usw. i : 100 verlangt werden
sondern selbst Theüansichten i : 10, Angabe der Heizung
und Lüftung usw. vorgeschrieben sind. Und das alles, d. h.
beide Wettbewerbe, für 3 Preise von nur 10000, 4000 und
2000 Frcs. und ohne irgend eine Angabe über die Aus-
führung. Die Arbeiten des zweiten Wettbewerbes sind
5 Monate nach Entscheidung des ersten Wettbewerbes
einzuliefem. Die des ersten Wettbewerbes werden von
einem Preisgerichte (international?) beurtheüt, welches
nach dem Einsendungstermin gewählt wird, während die
Arbeiten des zweiten Wettbewerbes in eine nicht genannte
europäische Hauptstadt gesendet werden, um hier durch
die Akademie der Künste dieser Hauptstadt beurtheüt zu
werden. Man hat es nach alledem bei diesem Wettbewerb
offenbar mit dem besten Willen zu thun ; die Bedingungen
5. November 1902.
571
aber weichen so sehr von dem ab, was in westeuropäischen
Ländern (Deutschland, Frankreich, Oesterreich) sich als
feststehender Brauch herausgebildet hat, dass wir dem
Wunsche Ausdruck geben, es möge Jemand die Kom-
mission für die Errichtung der Kirche in Patras, an ihrer
Spitze Erzbischof Jerotheos, über die abweichenden Um-
stände aufklären. Denn die Aufgabe an sich verdient
durchaus die Beachtung der Fachgenossen. —
Einen Wettbewerb betr. Entwürfe für die Umgestaltung
des Inneren der Annenkirche in Dresden, auf Architekten
der Kreishauptmannschaft Dresden beschränkt, erlässt der
Kirchengemeinderath zum 31. März 1903. Es gelangen 3
Preise von 2000, 1000 und 600 M. zur Vertheüung; ein An-
kauf nicht preisgekrönter Entwürfe für je 400 M. ist Vorbe-
halten. Im Preisgerichte bilden die Architekten die Mehr-
zahl; ihm gehören an die Hrn. Hofbrth. Frölich, Post-
brth. Zopff, Arch. Wohlfarth und Arch. Hauschild. — ■
Wettbewerb betr. Fassaden der Landesversicherungs-
anstalt für Westpreussen in Danzig. Den I. Preis erhielt
Hr. W. Hempel in Gr. Zschocher bei Leipzig, den II. Preis
Hr. Max Anders in Bielefeld, den III. Preis Hr. Fritz
Kritzler in Friedenau. Die Entwürfe der Hrn. Druxes
in Danzig und Blaue in Karlsruhe wurden zum Ankauf
empfohlen. —
Bücüerschau.
Leitfaden der Hygieine für Techniker, Verwaltungs-Beamte
und Studirende dieser Fächer von H. Chr. Nuss-
baum. München und Berlin 1902. R. Oldenbourg.
601 S, in Oktav mit no Abb. Preis 16 M. geb,
Das Buch behandelt in den ersten 9 Abschnitten (128 S.)
gewissermaassen einleitend die Luft in ihrer Beschaffen-
heit und in ihren für die Gesundheit nothwendigen Eigen-
schaften bezüglich ihrer Zusammensetzung, ihres Gas- und
Staubgehaltes und ihrer Temperatur; die daraus abzu-
leitenden Grundsätze für rationelle Vorkehrungen zur
Lufterneuerung, zur Heizung und Kleidung. Ferner das
Licht, auftretend in Tages- und künstlicher Beleuchtung;
den Boden und das Verhalten der Luft und der Feuchtig-
keit sowie die Zersetzungs-Vorgänge in demselben.
Der X. Abschnitt (103 S.) ist dem Städtebau, die Ab-
schnitte XI bis XV (128 S.) sind dem Wohnhause, der
Schule, dem Krankenhause, der Kaserne und dem Ge-
fängnisse gewidmet, der XVI. Abschnitt befasst sich mit
dem Wasser und der Wasserversorgung, der XVII. mit
der Beseitigung der Abwässer und Abfallstoffe, der XVIII.
mit der Leichenbestattung, der XIX. mit der Gewerbe-
Thätigkeit (Unfallverhütung, Sorge für die weiblichen und
jugendlichen Arbeiter, Belästigungen durch Gewerbe-Be-
triebe, Wohlfahrts-Einrichtungen usw.). Der XX. Abschnitt
gewährt einen kurzen Einblick in die Bakteriologie, und
derXXI.giebt kurze Lehren über zweckmässige Ernährung.
Es handelt sich nicht um ein Lehrbuch mit Anleitung
zu wissenschaftlichen Untersuchungen für Fach- Hygieiniker,
sondern vorwiegend um eine Darlegung der besonders für
die Bautechnik wichtigen Errungenschaften der noch jungen
mit der Gesundheitspflege sich beschäftigendenWissenschaft.
Als besonderes Verdienst der Arbeit, die in allen
Theilen das Gepräge einer selbständigen Durchdringung
des Stoffes an sich trägt, mag hervorgehoben werden, dass
der Verfasser die Rücksichten auf die Volkswirthschaft als
unzertrennlich von denen auf die Gesundheit behandelt,
und dass er durch zahlreiche Illustrationen auch die An-
wendung der Lehren anschaulich gemacht hat. Demgegen-
über lässt das Buch eine reichhaltigere Litteratur-Angabe
vermissen, ein Mangel, der besonders von den Lesern
empfunden werden dürfte, denen es um die wissenschaft-
liche Vertiefung auf dem einen oder anderen Gebiete zu
thun sein sollte.
Das Interesse für die Gesundheitslehre und Gesund-
heitspflege ist in der Neuzeit allgemein so lebendig ge-
worden und hat, namentlich im Grosstadtleben, soviel
Nahrung gefunden und der Industrie soviel Nahrung ge-
geben, dass ihre meisten wichtigen Erkenntnisse bereits zum
Gemeingut geworden sind. Ein tieferer Blick in das Leben
und eine ernste Prüfung der technischen Ausführungen alles
dessen, was in unserer Umgebung auf die Gesundheit und
das Wohlbefinden von Einfluss ist, belehrt jedoch darüber,
dass die im Publikum verbreiteten hygieinischen Kennt-
nisse noch recht oberflächlich sind und sich noch gar
wenig in die Praxis übersetzt haben. Umso verdienst-
licher erscheint das Nussbaum’sche Werk, als es zum
ersten Male in übersichtlicher Weise zusammenfasst, was
Jedermann, und namentlich dem Bautechniker auf diesem
Gebiete zu wissen noththut.
Es ist eine grosse Lücke in der technischen Fach-
litteratur, die der Verfasser mit seinem Werke auszufüllen
unternommen hat, und es ist ihm, als zugleich technischem
Fachmann, dies in vortrefflicher Weise gelungen, wenn
auch über einzelne Punkte die wissenschaftliche Forschung
noch nicht zu abschliessenden Ergebnissen gelangt ist.
Sehr viele werthvolle, auch neue Darlegungen und
Anregungen enthalten die Kapitel über den Städtebau und
das Wohnhaus, welche mit besonderer Liebe und Aus-
führlichkeit behandelt sind, und es setzt den Werth des
Ganzen nicht herab, wenn auch einzelne Vorschläge darin
enthalten sind, deren Stichhaltigkeit erst erprobt werden
will. Der Gedanke z. B., schmale Vorgärten in beschei-
denen Wohnbezirken zu offenen Parkstreifen zu machen
und in die Strasse und die öffentliche Pflege niit einzu-
beziehen, wird sich wohl nur selten als ausführbar er-
weisen. Dagegen dürfen die für die Gestaltung der Bau-
blöcke und die sonstigen in Rücksicht auf die Ausnutzungs-
möglichkeit der Grundstücke und auf das wirthschaftliche
Können der Bevölkerungsgruppen, ferner die bezüglich
der offenen und geschlossenen Bauweise aufgestellten
Grundsätze als grundlegend bezeichnet werden.
Bei aller gesonderten Rücksichtnahme auf die Quali-
täten der Liegenschaften, auf die verschiedenen Wohn-
weisen und Benutzungsarten, die durch abgestufte Bau-
ordnungen zur Geltung gebracht werden sollen, warnt
Verfasser mit Recht doch vor jedem Schematismus und
vor Festlegungen, die für eine naturgemässe Entwicklung
der Städte hemmend werden könnten, und legt den
grössten Werth darauf, dass schon allein die Bebauungs-
pläne so behandelt werden, dass die zu erstrebende zweck-
mässige Art der Bebauung durch sie eingeleitet und ge-
wissermaassen naturnothwendig wird. Dies gilt nament-
lich von der Bemessung derStrassenbreiten und Baublock-
tiefen und der gesetzlichen Beschränkung der Gebäude-
höhen, wobei — unter weitgehender Rücksichtnahme auf
die klimatischen Verhältnisse — die zu ziehenden Gren-
zen nicht durch absolute 'Maasszahlen, sondern durch zu
einander in Beziehung gebrachte Maassverhältnisse ge-
regelt werden sollen.
Als besonders lehrreich mögen noch die Abhandlungen
über Wärmewirthschaft, über die Konstruktion der Wände
und Decken zum Schutz gegen Feuchtigkeit und Schall-
durchlässigkeit, sowie auch viele vomVerfasser empfohlene
Maassnahmen, die dem Behagen und der Schonung des
Nervensystems dienen sollen, hervorgehoben werden.
So verdient das Werk als zuverlässiger Führer em-
pfohlen zu werden. Die klare und leicht fassliche Aus-
drucksweise, die übersichlliche Gliederung des Stoffes und
die würdige Ausstattung erleichtern das Studium des Buches
und machen es auch zum Nachschlagen vortrefflich ge-,
eignet. — K. Henrici.
Personal-Nachrichten.
Bayern. Dem Gen.-Dir. der Staatseisenb. v. Ebermayer
ist die Erlaubniss zur Annahme und zum Tragen des ihm verlieh.
Grossoffizierkreuzes des belg. Leopold-Ordens ertheilt.
Braunschweig. Die Strassen- und Wasser-Bauinsp. Seesen
ist nach Gandersheim verlegt. Der tit. Kr.-Bauinsp, Kunz ist z.
Kr.-Bauinsp., anstelle des verstorbenen Brth. Müller, in Gandersheim
ernannt. — Der Reg.-Bmstr. Gl eye in Wolfenbüttel ist nach
Braunschweig versetzt und dem techn. Sekret, des Reg.- u. Brth.
Brinckmann zugetheilt; der Reg.-Bmstr. Nagel in Seesen ist
nach Wolfenbüttel versetzt.
Preussen. Dem Wasser-Bauinsp. Brth. R o e d e r in Diez a. L.,
den Wasser-Bauinsp. B e r g i u s und H a g e n in Berlin, dem Landes-
bauinsp. Brth. Wohlfarth in Hanau, dem Reg.-Bmstr. T o d s e n
in Berlin, dem grossherz. hess. Brth. und Beigeordneten Ku h n in
Mainz und dem Dir. Muchall in Wiesbaden ist der Rothe Adler-
Orden IV. Kl. ; dem Reg.- u. Geh. Brth. Prof. Krüger in Potsdam
und dem Arch. Hofrath Frühling in Hannover ist der kgl.
Kronen-Orden III. IQ. verliehen.
Die Erlaubniss zur Anlegung der ihnen verlieh, fremdländ.
Orden ist ertheilt und zwar; dem Hofbrth. Heim in Berlin des
Offizierkreuzes des kgl. Italien. St. Mauritius- und Lazarus-Ordens^
dem Arch. Grosser in Breslau des kais. russ. St. Stanislaus-
Ordens III. Kl., dem Arch. Möhring in Berlin des Ritterkreuzes
des franz. Ordens der Ehrenlegion u. dem Holbauinsp. V olkweiii
in Sigmaringen des Ordens der rumän. Krone.
Versetzt sind : Der Reg.- u. Brth. Traeger in Wittenberge als
Mitgl. (auftrw.) an die kgl. Eisenb.-Dir. in Posen, der Eisenb.-Dir.
Uhlmann in Berlin nach Breslau als Vorst, einer Werkst.- Insp.
bei der Hauptwerkst, i das., die Eisenb.-Bauinsp. Wüst n ei
in Posen nach Wittenberge als Vorst, einer Werkstätten-Insp.
Schittke in Salbke als Vorst einer Werkst.-Insp. nach Posen,
Oppermann in Magdeburg, als Vorst, (auftrw.) der Werkst.-
Insp. nach Salbke und Schramke in Mainz nach Berlin als V oi'St.
(auftrw.) einer Werkst.-Insp. bei der Hauptwerkst. 2 das., der
ELsenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Rob. Müller in Elberfeld zur kgl.
Eisenb.-Dir. in Stettin.
Inhalt: Die Neubauten der königlichen akademischen Hochschulen
für die bildenden Künste und für Musik in Charlottenburg. — Ein neues
Schwebebahn-Projekt für Berlin. — Mittheilungen aus Vereinen. Todten-
schau. — PreisbewerbuDgea. — Bücherschau. — Personal-Nachrichten.
Verlag' der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
veraatwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. .Greve, Berlin.
No. ,89.
572
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
HcBERLIN ^
srs:«st5!«r9rs!s:sts:
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AUZEITUNG.
GANG. ♦ * N2: go. *
DEN 8. NOV. 1902. *
Die Aula der kgl. akadeni. Hochscisule für die bildenden Künste.
Die Neubauten der königlichen akademischen Hochschulen für die bildenden
Künste und für Musik in Charlottenburg. Architekten: Kayser & von Groszheim in Berlin.
(Schlags.) Hierzu die Abbildungen ln No. 89 und 91.
as Gebäude für die akademische Hochschule
für die bildenden Künste gliedert sich
nach den Grundrissen S. 576 und 577 in
mehrere Raumgruppen, deren Lage durch
die für sie bedingten Lichtverhältnisse ge-
geben war. Der nach Süden, an der Hardenberg-
Strasse, gelegene Gebäudetheil enthält im Unterge-
schoss, beinahe zu ebener Erde, rechts und links
von der Eintrittshalle Diener-, Kastellan-, Pförtner-
und Inspektor-Wohnungen; zur Linken, in einem be-
sonderen Flügel einen Erfrischungsraum, im ent-
sprechenden Flügel rechts den Abend -Aktsaal mit
Nebenräumen, und in einer hinteren Raumflucht mit
davor gelegenen schmalen Höfen geräumige Kostüm-
kammern, Packräume, eine Werkstatt und eine Kleider-
ablage mit Fahrradraum. Zwei weitere Dienerwoh-
nungen sind an passenden Stellen in diesem Theile
des Gebäudes angelegt. Die Eintrittshalle und die
grosse Wandelhalle liegen auf der Höhe des Unter-
oder Sockel-Geschosses. Nördlich und südlich der
grossen Halle führen einarmige Treppenläufe zur
Höhe des Erdgeschosses, welches zur Rechten an
der Hardenberg-Strasse die Wohnung des Inspektors
und die Kasse, an einem inneren Hofe die Direktorial-
räume, fernerhin einen weiteren Aktsaal mit Neben-
räumen , auf der entsprechenden Stelle der linken
Seite einen Hörsaal für Kunstgeschichte und Kostüm-
kunde, im übrigen die bis ins Untergeschoss reichende
Bücherei mit Lesezimmer für Lehrer und Schüler ent-
hält. Die nördliche Flucht dieses Gebäudetheiles ist
den Ateliers für die Meisterschüler, einem Atelier für
denDirektorial-Assistenten und Räumen für dieZeichen-
klasse eingeräumt. Die Abmessung dieser Räume ist
eine sehr stattliche, sie beträgt rd. 9 auf 10™. Die
Nordwand der Räume ist völlig in Fensterflächen
aufgelöst. Im Zuge der Hauptaxe liegt, gegen das
Untergeschoss noch um einige Stufen vertieft, im übri-
gen aber in das Erdgeschoss reichend, der Antiken-
saal mit den stattlichen Abmessungen von 15:30“.
Er ist frei in den nahezu quadratischen grossen Garten-
hof hineingebaut, welcher rd. 76:77“ misst und um
welchen sich, in dem östlichen-und westlichen Flügel
zweigeschossig, im Querflügel dreigeschossig, die
Atelier- und Unterrichtsräume reihen. Im Hofe be-
findet sich ein gläsernes Freilicht-Atelier für Thier-
malerei. Die Grösse des Hofes nach beiden Richtun-
gen ist so bemessen, dass störende Reflexerscheinungen
für die Ateliers eine Wirkung nicht ausüben können.
Da nun von der nördlich gelegenen Hofwand, welche
volles Südlicht erhält und dreigeschossig ist, Reflex-
licht für die gegenüberliegenden Ateliers immerhin be-
fürchtet werden konnte, so ist hier das Auskunftsmittel
gebraucht worden, die verbindenden Korridore ein-
mal auf Bögen mit sehr tiefen Laibungen zu setzen,
zum anderen sie im obersten Geschoss als Holzarchi-
tektur durchzubilden. Dadurch hat dieser Theil des
Hofes, den wir in der Abb. S. 577 darstellen, ein eigen-
artiges und malerisch wirkendes, an dieHöfevon Schloss-
bauten der deutschenVergangenheiterinnerndes Moment
erhalten, das zu voller Geltung kommen wird, wenn ein-
mal die Gartenanlagen des Hofes im Wachsthum weiter
vorgeschritten sein werden. In dem denHof umziehenden
westlichen Flügel liegen die Klassen für anatomisches
Zeichnen und fürThiermalerei, im östlichen Flügel Lehr-
räume für die Technik der Malerei und die Ornament-
klasse. Die Lichtverhältnisse dieser Räume stehen nicht
in dem Maasse unter dem unbedingten Zwange des Nord-
lichtes, wie die der Meister- und Mcisterschüler-Ateliers.
573
Längsschnitt.
In dem nördlich gelegenen Quer-
flügel haben im Erdgeschoss die,
Bildhauer ihre Arbeitsstätte ge-
funden. Hier sind Schüler- und
einige Meister- Ateliers, sowie ein
Hörsaal für Chemie mit Labora-
torium untergebracht. In einer Ent-
fernung von 17“ erhebt sich ein
parallel 'laufender; einstöckiger Bau,
welcher weitere Bildhauer -Ateliers
für Meister und Modellirklassen für
Schüler enthält. Er ist vom Haupt-
bau durch einen mittleren Durch-
gang.mit überdecktem Verbindungs-
gang zugänglich. In die nordwest-
liche Ecke der Gebäudegruppe ist
das Kesselhaus mit Maschinen-,
Kohlen- und Akkumulatoren-Raum
für die Heizung und Lüftung der
gewaltigen Anlage, sowie für ihre
künstliche Beleuchtung, die durch-
weg die elektrische ist, verlegt.
Das ersteObergeschoss des süd-
lichen Gebäudetheües ist durch zwei
zweiarmige, an den inneren Höfen
liegende Treppenpaare zugänglich.
In der Hauptaxe, beleuchtet von
den Höfen, liegt die Aula; sie ist
mit Abmessungen von etwa 13:22“
nicht übermässig gross, dürfte aber
für die gewöhnlichen festlichen An-
lässe der Hochschule genügen. Um
sie reiht sich, mit den Fassaden an
der Hardenberg-Strasse, eine Flucht
stattlicher Räume, bestehend aus
einem Berathungssaale und 6 Aus-
stellungsräumen, von welchen 2,
mit doppelseitiger Beleuchtung, den
mehr quadratischen Grundriss der
Eckräume, die übrigen eine lang-
gezogene Grundrissfläche erhalten
haben. Der nach Norden gelegene
Flügel -dieses Gebäudetheiles .ist
ganz in Lehrerateliers aufgetheilt,
in der Axe liegt als geräumigstes
Atelier das des Direktors. Ein-
armige Treppenläufe führen in die-
sem Querflügel zu dem zweiten
Obergeschoss , (die doppelläufigen
Treppenpaare bleiben liegen), wel-
ches mit Ausnahme der Gallerie der
Aula durchaus Malzwecken dient: im
südöstlichen Theile liegt die Raum-
grupp.e für Landschafts-Malerei mit
Freilicht-Atelier, im südwestlichen
Theile die Raumgruppe für Still-
leben-Malerei gleichfalls mit Frei-
licht-Atelier. Der Quertrakt enthält
in diesem Geschoss in der Haupt-
axe ein Atelier zum Malen sehr
grosser Bilder, z. B. für Frescotech-
nik, welches je nach Bedarf ver-
geben wird, im übrigen Schüler-
Ateliers mit Malklassen, sowie ein
Lehrer- Atelier für Kupferstich. Die
Obergeschosse der westlichen und
östlichen Verbindungsflügel enthal-
ten die Architektur- Schule, sowie
weitere Atelierräume. Im zweiten
Obergeschoss gegen die Harden-
berg-Strasse sowie in den Dach-
räumen haben eine Reihe von Ein-
richtungen Platz gefunden, welche
den Zweck haben, für die Schüler
das Malen nach der Natur bis zu
einem gewissen Grade zu ersetzen.
Hier finden sich Nachahmungen
alten Gemäuers und alten Fach-
werkes, hier sind alte Erkeraus-
No. 90
bauten ausgekragt, es sind ferner eine Reihe von
Bauernstuben eingebaut, es sind eine Bauernküche und
eine Kapelle mit altem Altar errichtet, es finden sich
aber auch salonartige Räume zum Zwecke des Studiums
8. November 1902.
des Innenraumes und seiner Licht-, Formen- und
Farben-Verhältnisse. Natürlich ist das nicht die eigent-
liche Natur, aber
immerhin ein für
den Anfang und
die ersten Versu-
che brauchbares
Abbild derselben.
Fehlt auch der
Duft des Milieus,
so fehlt doch nicht
ganz der Stim-
mungs-Charakter.
Soviel über die
R aum vertheil un g
derHochschulefür
diebildendenKün-
ste. In der Hoch-
schule für Musik
liegen die Räume
enger bei einan-
der. Hier wurden
an den Scharfsinn
und die glückliche
Dispositionsgabe
der Architekten
besonders hohe
Anforderungen
gestellt; in diesem
langgestreckten,in
nur geringem Ab-
stande von der
Hochschule für die
bildenden Künste
sich erhebenden
Gebäude tritt der
Kampf mit den
spärlich bemesse-
nen Mitteln recht
eindringlich zu-
tage. Und doch
ist es gelungen,
ein Gebäude zu
schaffen, welches
nicht nur den an
dasselbe gestellten
praktischenBedin-
gungen in vollem
Maasse genügt,
sondern bei wel-
chem auch die als
Selbstzweck auf-
tretendeSchönheit
der architektoni-
schen Gestaltung
zu ihrem Rechte
gekommenist. Das
Gebäude zerfällt
in drei ihrer Be-
stimmung nach
völlig verschie-
dene Raumgrup-
pen und lässt diese
Dreitheiligkeit im
Aeusseren auch
deutlich erkennen.
Von der Harden-
berg-Strasse aus
durchschreitet der
Besucher zunächst
ein geräumiges
Vestibül als Vor-
raum zu dem gros-
sen Konzertsaal
welcher den sym-
phonischen Schü-
ler - Aufführungen
dient, aber auch vermiethet werden kann. Er fasst
1000 Besucher und 600 Musiker. Geräumige Garderoben
Arch.: Kay;
Hofansiclit.
Sockelgeschoss
der Akademie für
die bildenden
Rflnste.
1. Eintrittshalle.
а. Grosse Halle.
3. Abend-Aktsaal,
4. Höfe.
5. Er^iscbungs-Rauoi.
б. KoBtflm-Rammen).
7. Kleider-Ablage und
Fahrrad-Rau tn.
8. Werkstatt.
9. Packrfiume.
la Diener- Wohnungen.
II. Bflcherei.
la. Kastelian-Wobnung.
13. Pförtner-Wohnung.
14. Inspektor-Wohnung.
Die kgl. Hochschule für die bildenden Künste.
Hochschule
fflr Musik.
I. VestibQl u. Vorraum.
а. Grosser Konzertsaal.
3. Theater-SaaL
4. Höfe.
5. Vestibül zumTbeater-
Saal und den oberen
Geschossen.
б. VorraumznmTheater-
SaaL
Obergeschoss.
Erdgeschoss.
Die könlgl. akademischen Hochschulen tür die bildenden Künste und für Musik ln Charlottenburg.
Architekten: Kayser & v. Groszheim, kgl. Brthe. in Berlin.
8. November 190a.
577
schliessen sich an das Vestibül an. Von der Fasanen-
Strasse aus ist ein Zugang mit besonderer Treppe für
den kaiserlichen Hof geschaffen, der zu der an der Kurz-
seite gegenüber dem Orchester im Obergeschoss gelege-
nen Logenreihe führt, in welcher die mittlere Loge dem
Kaiserpaare Vorbehalten ist, während die beiden seit-
lichen Logen dem Gefolge eingeräumt wurden. An dem
entgegengesetzten Ende des Gebäudes liegt die Bühne
mit Theatersaal für etwa 800 Besucher und 100 Musiker,
dazu bestimmt, den jungen Orchester-Mitgliedern wie den
angehenden Sängern und Sängerinnen die allmähliche
Gewöhnung an die wirklichen Theater-Verhältnisse zu
ermöglichen. In den Obergeschossen des Mittelbaues
befinden sich, mit besonderem Treppenhause von der
Fasanen-Strasse aus zugänglich, dieBibliothek mit Lese-
zimmer, die Lehrerzimmer und die Lehr- und Uebungs-
räume. Der Mittelbau ist dreigeschossig, während der
Konzertsaal und der Theaterflügel zweigeschossig sind.
Mit besonderer Sorgfalt sind die akustischen Verhält-
nisse behandelt; der Konzertsaal bildet in der Haupt-
sache eine innere, mitschwingende, als Resonnanz-
boden wirkende Haut in massiver Umgebung; ähnliche
Verhältnisse sind beim Theatersaal zu beobachten.
Sind hier den Ton verstärkende und charakterisirende
Mittel angewendet, so sind bei den Uebungsräumen
Vorkehrungen getroffen, welche dazu bestimmt sind,
den Ton in weitgehendem Maasse zu dämpfen und
ihn möglichst wenig auf dieNachbarschaft übergehen zu
lassen. Wir hoffen, auf die Schilderung der im Einzel-
nen getroffenen Vorkehrungen, die gerade hier beson-
ders interessant sind, gelegentlich noch zurückkommen
zu können. Erwähnt sei einstweilen nur, dass bei
den Einweihungs-Feierlichkeiten die Akustik vorzüglich
befunden wurde und dass sich die hier berührten Vor-
kehrungen auf das glänzendste bewährt haben. Be:
den vielen Möglichkeiten des Zufalles, mit welchen
die Baukunst bei der Gestaltung akustischer Verhält-
nisse immer noch rechnen muss, waren die hier unter-
nommenen konstruktiven Anordnungen immerhin ein
Wagniss, aber ein Wagniss, welches von dem vollen
Erfolge begleitet wurde.
Was den Aufbau der Gebäudegruppe anbelangt,
so war für denselben die Lage der Baugruppe an zwei
vornehmen Strassen, sodann aber auch der Gesichts-
punkt maassgebend, die Atelierbauten, die in der Aus-
stattung lediglich den Charakter von Nutzbauten er-
halten konnten und somit in der architektonischen
Gestaltung in den bescheidensten Grenzen gehalten
werden mussten, j a welchen nicht einmal durch V or- oder
Rücksprünge eine gewisse Gruppirung gegeben werden
konnte, da jeder grössere Vorsprung eine schädliche
Reflexwirkung veranlasst hätte, nach Möglichkeit zu
verdecken. Das wurde erreicht einerseits bei der
Akademie für die bildenden Künste durch die Vor-
legung eines Gebäudetheiles, welcher durch die An-
lage von grossen Sälen in den Obergeschossen Ge-
legenheit zu einer über das einfache Bedürfniss hin-
ausgehenden architektonischen Entfaltung bot, anderer-
seits durch die Anlage der Hochschule für Musik inform
eines langen schmalenStreifens und dessen Vorlagerung
vor die Atelierbauten. Auf diesem Wege ist für die
gewaltige Gebäudegruppe bis zu einem weitgehenden
Maasse eine monumentale Wirkung erreicht worden
— nicht durchaus, denn die Sparsamkeit blickt hier
und da noch durch den reichen Mantel monumentaler
Steinarchitektur durch. Diese konnte nahezu für die
ganzen Fronten der beiden Hochschulen in der
Hardenberg- und in der Fasanen-Strasse verwendet
werden und dass es geschehen konnte, ist das Ver-
dienst des Hrn. kgl. Brth. Adams, des umsichtigen
geschäftlichen und technischen Leiters der Akademie-
bauten, dessen Scharfsinn es gelang, eine Deckenkon-
struktion für weitgespannte Räume zu erfinden, durch
welche eine Ersparniss von rd. 120000 M. gemacht
werden konnte, die innerhalb der knapp bemessenen
Bausumme nunmehr zur würdigeren Ausstattung des
Aeusseren verwendet wurde. Die Stilfassung des
Aeusseren, soweit dasselbe zur Repräsentation be-
stimmt ist, ist ein strengeres Louis XVI., mit Elemen-
ten der Hochrenaissance vermischt, Die Detaillirung
des schönen Steinmaterials ist eine edle und vornehme.
Bei den Atelierbauten herrscht der Putzbau vor; in
der Stilfassung spielen hier romanische Einflüsse mit
und es ist versucht worden, der Anlage dieser Bauten
durch zinnenartige Aufbauten eine gewisse malerische
Lebhaftigkeit zu verleihen; die Wirkung aber ist nicht
von dem gleichen Glück begleitet, wie bei den übrigen
Theilen der Bauten. An hervorragenden Stellen sind
diese mit reicherem plastischem Schmucke bedacht.
Die Hochschule für die bildenden Künste hat ein figür-
liches Giebelbild mit der. Darstellung der Künste unter
dem Schutz des Friedens von Prof. Ludw. Manzel,
sowie zwei monumentale Wandbrunnen, das Prome-
theus-Motiv von Prof. E. Hundrieser, sowie das
Orpheus-Motiv von Prof. E. Herter darstellend, er-
halten. Die Hochschule für Musik wird am Kopfbau
an der Hardenbergstrasse durch ein Giebelrelief mit
der Darstellung der weltlichen Musik von Prof. E.
Breuer, am Mittelbau in der Fasanenstrasse durch
ein Giebelrelief mit einer Darstellung von Engeln und
Hirten von Prof. Gerh. Janensch geziert.
Eine feine künstlerische Stimmung zeigt die deko-
rative Ausschmückung des Inneren der Gebäude, soweit
dasselbe repräsentativen Charakter hat. Hier geht der
Stil aus dem Louis seize vielfach in das Empire über
und beobachtet eine sehr glückliche vornehme Zurück-
haltung. Die Gesammthaltung ist durchweg licht, das
farbige und das plastische Ornament sind auf das
Nothwendigste beschränkt und vielleicht ist es ge-
rade dieser Beschränkung zuzuschreiben, dass die
Wirkung eine so edle und feingestimmte ist. Ein Bei-
spiel für die Ausschmückung des Inneren möge die
Ansicht der Aula, die leider diesem schönen Raume
nicht ganz gerecht wird, amKopfe dieserNummer geben.
In dem Gesammturtheil über die gewaltige Bau-
anlage spricht naturgemäss die knappe Bausumme leb-
haft mit und man wird das, was die Architekten
Kayser & v. Groszheim, die in der Errichtung des
Baues, wenn wir so sagen dürfen, ein Jugendideal
verwirklicht sehen — denn sie haben sich seit früher
Zeit mehrfach mit der Planung eines neuen Aka-
demiegebäudes für Berlin beschäftigt — im Verein
mit der hervorragenden Kraft für die Konstruktion
und die Verwaltung, die ihnen in Firn. Brth. Adams
als Mitwirkendem gegeben war, geleistet haben, erst
voll würdigen, wenn man erfährt, dass der kubische
Einheitspreis für das Gebäude bei einer Gesammt-
summe von 5 300 000 M., die sich auf etwa % auf die
Kunstakademie und V3 auf die Musikhochschule ver-
theilt, nur 17 M. betragen hat. Trotz dieser geringen
Summe haben die bildende Kunst und die Musik in
Preussen in den Berliner Hochschulen zwei Lehrstätten
erhalten, welche in Anlage und Ausstattung für lange
Zeit vorbildlich bleiben dürften. — — H. —
Neuregelung des kulturtechnischen Dienstes in Bayern,
er kulturtechnische Dienst war bisher Sache der
Kreise und in einigen derselben bezüglich des Hilfs-
personales (Wiesenbaumeister, Vorarbeiter u. dergl.)
Sache der landwirthschaftlichen Kreisausschüsse. Dieser
Organisation hafteten wesentliche Mängel an; eine grosse
Ungleichheit der Verhältnisse der Kulturingenieure der
einzelnen Kreise inbezug auf Gehalt, Pension, dienstliche
Stellung und anderes, wodurch namentlich der Zugang
junger, befähigter Kulturingenieure ungünstig beeinflusst
wurde, eine nicht genügend einheitliche Regelung ihrer
578
Aufgaben, der Mangel einer technischen Kontrolle und
Revision der Arbeit der Kulturingenieure, eine zu geringe
Anzahl derselben und infolge dessen eine grosse Arbeits-
überlastung der kulturtechnischen Bureaus, sowie schliess-
lich eine nicht ganz entsprechende Vorbildung der Kultur-
ingenieure, namentlich in praktischer Hinsicht.
Zur Beseitigung dieser Mängel wurde eine Neuregelung
des kulturtechnischen Dienstes angebahnt. Nach dieser
Neuregelung bleibt zwar der äussere Dienst Sache der
Kreise, welche ihn nach einheitlichen Grundsätzen aus-
N;o. 90.
zubauen haben, der Staat leistet aber hierzu erhebliche
Zuschüsse. Für die Besorgung des kulturtechnischen
Dienstes werden zur Verfügung stehen: im k. Staats-
ministerium des Inneren iLandes-Kulturingenieur, bei jeder
k. Regierung, Kammer des Inneren, i Kreis-Kulturingenieur,
und die entsprechende Anzahl von Bezirks-Kulturinge-
nieuren und Assistenten (zurzeit 19).
Der Landes - Kulturingenieur, sowie die Kreis- und
Bezirks - Kulturingenieure werden mit den Rechten der
Staatsdiener ernannt. Die Assistenten werden vom k.
Staatsministerium des Inneren als nichtpragmatische Staats-
beamte angestellt. Der Landes-Kulturingenieur erhält den
Gehalt und Rang eines Regierungsrathes, die Kreis-Kultur-
ingenieure denjenigen der Regierungs-Assessoren und die
Bezirks-Kulturingenieure den der Bezirksamts-Assessoren.
Die Assistenten werden den Bauassistenten gleichgestellt.
Die Bezüge des Landes-Kulturingenieurs werden aus der
Staatskasse, die der Kreis- und ßezirks-Kulturingenieure
sowie der Assistenten aus Kreisfonds geschöpft.
Der Landes-Kulturingenieur ist dem k. Staats-
ministerium des Inneren unterstellt. Dem Landes-Kultur-
ingenieur obliegen: die Oberaufsicht über die Thätigkelt
des gesummten kulturtechnischen Personals in technischer
Beziehung, die Abgabe von Gutachten in kulturtechnischen
Fragen und die Mitwirkung in einschlägigen Angelegen-
heiten bei der k. Landeskulturrenten-Kommission, der k.
Flurbereinigungs-Kommission, der k. Moorkulturanstalt und
der Moorkuliur-Kommission. Die Zutheilung weiterer Auf-
gaben, an den Landes-Kulturingenieur ist dem k. Staats-
ministerium des Inneren anheimgegeben.
Die Kreiskultur-Ingenieure sind technische Or-
gane der Kreisregierungen und werden den Kammern
des Inneren zugetheilt. Es gelten für sie die für die Mit-
glieder der Regierungen bestehenden allgemeinen Vor-
schriften. Die Bezirkskultur-Ingenieure und Assistenten
sind den Regierungen, Kammern des Inneren, unterstellt.
Den Kreis- und Bezirkskultur ■ Ingenieuren,
sowie den Assistenten obliegt die Förderung des land-
wirthschaftlichen Meliorationswesens, insbesondere die An-
regung, Ausarbeitung und Durchführung von Kulturpro-
jekten und die Üeberwachung der Instandhaltung ausge-
Vermischtes.
Eröffnung des neuen Winterhafens in der Freudenau
bei Wien. Die in den letzten 6 Jahren im wesentlichen
durchgeführte Umwandlung des Donau-Kanales in Wien
in einen Handels- und Winterhafen ist durch die am
28. V. M. erfolgte Eröffnung des grossen Winterhafens in
der Freudenau, d. h. an der unteren Einmündung des
Kanales in die Donau, ihrer Vollendung um ein bedeuten-
des Stück näher gebracht. Bietet auch der oberhalb des
Kanales in der Donau angelegte Kuchelauer Hafen, der
den von oben kommenden Schiffen als Liege- und Warte-
platz vor der Einfahrt in den Kanal dient, für einige Schiffe
im Winter Zuflucht und ist auch der Donau-Kanal selbst
zu diesem Zwecke mit heranzuziehen, so reichen diese
Anlagen für den Bedarf der 187 langen niederöster-
reichischen Stromstrecke, die ausserdem nur noch einen
kleinen Hafen in Klosterneuburg und eine längere als
Liegeplatz dienende Uferstrecke bei Fischamend bei der
Einmündung der Fischa in die Donau besass, nicht für
das vorhandene Bedürfniss aus.
Der neue Hafen umfasst eine Fläche von 140,8 da-
von 43,5 i’a Wasserfläche, die nach Ausführung von Stich-
becken auf öoi'ä gebracht werden kann, ist also ein sehr
bedeutender Binnenhafen. (Als Vergleich sei angeführt,
dass der Duisburger Hafen 42,511a der Ruhrorter z. Zt.
51,3 lia Wasserfläche besitzt, ohne die Erweiterung, vergl.
S. 236 dieses Jahrganges.
Der Kanal wird durch die Donauländebahn, welche
ihn überschreitet, in zwei ungleiche Theile zerlegt, den
kleineren äusseren Vorhafen, der auch als Wendeplatz
dient, und den inneren eigentlichen Winterhafen, der be-
quem 300 grossen Frachtschiffen und 80 Dampfern Platz
zum Ueberwintern gewährt. Der Hafen hat eine Längen-
ausdehnung von etwa 4 eine Breite bis zu 280 r» und
besitzt eine benutzbare Uferlänge von rd. Ein 10“
breiter Damm schützt ihn gegen das Donau-Hochwasser.
Der Hafen steht durch die Donauländebahn mit dem Franz-
joseph-Bahnhof und mit den Bahnhöfen der Staatsbahn,
Südbahn und Westbahn in Verbindung, ausserdem mit
der Stadt durch eine breite Zufahrtsstrasse. Um auch
bei verschiedenen Wasserständen einen Güterumschlag zu
ermöglichen, sind doppelte Kaianlagen in verschiedener
Höhe, durch Rampen mit einander verbunden, hergestellt.
Die für Wohngebäude, Speicher, Werkstättenanlagen be-
stimmten Hafenflächen liegen über höchstem Hochwasser.
Die Baggerarbeiten waren verhältnissmässig nicht so
8. November 1902.
führter Kultur-Unternehmen, die Mitwirkung bei der tech-
nischen Üeberwachung der Privatflüsse und Bäche, die
Abgabe von Gutachten in Meliorationsfragen an Dienst-
stellen und Behörden, dann an Organe des landwirthschaft-
lichen Vereins, die Mitwirkung bei der Aufstellung von
Plänen für Fiusskorrektionen, für Anlagen zum Uferschutz
und zum Schulz gegen Ueberschwemmungen, sowie bei
anderen einschlägigen Angelegenheiten.
Die Dienstverhältnisse und die Thätigkeit der ge-
nannten Kultur-Ingenieure im Einzelnen werden durch
eine Dienstvorschrift geregelt. Die Thätigkeit der Kultur-
Ingenieure ist in der Regel eine unentgeltliche.
Für die Anstellung im kulturtechnischen Dienste sind
künftighin erforderlich; der Erwerb des Diploms eines
Kultur-Ingenieurs an der kgl. Technischen Hochschule zu
München oder an einer anderen als gleichwerthig aner-
kannten deutschen technischen Hochschule und die Voll-
endung eines zweijährigen Vorbereitungsdienstes, sowie
das erfolgreiche Bestehen der staatlichen praktischen Prü-
fung. Vom Vorbereitungsdienste sind in ununterbrochener
Dauer 18 Monate bei einem Kreiskultur-Ingenieur oder
mit Genehmigung der betr. kgl. Regierung, Kammer des
Inneren, bei einem Bezirkskultur-Ingenieur mit eigenem
Bezirke und 6 Monate bei einem kgl. Strassen- und Fluss-
bauamte oder bei einer Sektion für Wildbachverbauungen
unter Beschäftigung bei Wasserbauten zu verbringen.
Die Prüfung ist schriftlich und umfasst: die allgemeine
Meliorationslehre, soweit sie sich auf die klimatologischen,
hydrologischen, Boden- und Vegetationsverhältnisse des
Königreiches Bayern bezieht, die besondere Meliorations-
lehre (eigentliche Kulturtechnik) und die administrative
Behandlung des kulturtechnischen Dienstes.
Diejenigen Kultur-Ingenieurpraktikanten, welchen das
Zeugniss der bestandenen staatlichen praktischen Prüfung
zuerkannt worden ist, werden in die Liste der geprüften
Kultur- Ingenieurpraktikanten eingetragen und auf Ansuchen
im kulturtechnischen Dienste verwendet.
Geprüfte Kultur-Ingenieurpraktikanten von besonderer
Befähigung und von hervorragendem Fleisse erhalten nach
Maassgabe der verfügbaren Mittel staatliche Stipendien
für kulturtechnische Studienreisen. —
bedeutend. Es waren nur rd. 2 Mül. zu baggern, eine
Arbeit, die aber in sehr kurzer Zeit geleistet wurde. Die
Kosten des Hafens haben einschl. Wasserversorgung, Gleis-
anlage, Strassen usw. rd. 3,4 Mül. M. betragen. Die Ar-
beiten wurden im Jahre 1899 in Angriff genommen unter
der Oberleitung des Hafenbau-Direktors Ob.-Brth. Sigmund
Taussig durch Ob.-Ing.Rudolf Halter ausgeführt. —
Sojähriges Bestehen der Firma Büsscher & Hoffraann
in Eberswalde. Am 18. Okt. beging die Firma Büsscher
& Hoffmann in Eberswalde die Feier ihres 50jährigen
Bestehens. 1852 durch den als Schöpfer und Förderer
der Ziegel-Ringöfen bekannten Brth. Fr. Hoffmann und
den Bmstr. F. W. Büsscher begründet, führte sie die Her-
stellung der Dachpappe und der Pappbedachungen in
Deutschland zuerst ein. 2 Jahre darauf, 1854, folgte die
Erfindung der elastischen Asphalt-Isolirplatten, welche für
die Wasserabdichtung gewölbter Bauten hohe Bedeutung
gewannen, ferner die Aufstellung der „Technischen Bedin-
gungen für die Herstellung der Pappdächer nebst eingehen-
der Begründung“, welche die bis dahin auf diesem Gebiete
herrschende Unsicherheit beseitigten, sofern sie von fast
sämmtlichen staatlichen und kommunalen Baubehörden
Deutschlands als maassgebliche Unterlagen benutzt wurden.
Das Verdienst der Firma erstreckt sich ferner auf die
Einführung der Kiespappdächer im Gegensatz zu den
Papierdächern, auf eine neue Methode der Grund- und
Druckwasser- Isolirungen mittels ihrer kombinirten Asphalt-
platten, auf die Herausgabe der Sammlung typischer, von
den Verwaltungen angewendeter Methoden für die wichtige
nachträgliche Abdeckung von Eisenbahn-Brücken während
des Betriebes, auf welchem Sondergebiete die Firma sich
einen Ruf geschaffen hat. —
Auszeichnungen an Künstler. Der Architekt und Prof,
an der Techn. Hochschule in München Karl Hocheder
wurde zum Ehrenmitgliede der kgl. bayer. Akademie
der bildenden Künste ernannt. — Auf der deutsch-natio-
nalen Kunstausstellung in Düsseldorf erhielt Hr. Arch. Prof.
Jos. Kleesattel die kleine goldene Medaille für Kunst. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Hallenschwimmbad Pforzheim. Wie wir
S. 496 mittheilten, hat das Preisgericht denEntwurf „In balneis
salus“ der Hrn. Reg.-Bmstr. F. Kritzler in Friedenau und
Arch. G.Emmingmann in Berlin zum Ankauf empfohlen,
thatsächlich aber hat der Stadtrath von Pforzheim den Ent-
579
Wurf der Hrn. Böklen & Feil in Stuttgart, der zwar in. der
engsten Wahl, aber nicht zum Ankauf empfohlen war, an-
gekauft (S. 535). Nun enthalten zwar die Bedingungen des
Preisausschreibens lediglich die Bestimmung: „Der Ankauf
weiterer Entwürfe zu je 400 M. bleibt Vorbehalten“. Es ist
aber bisher noch bei allen Wettbewerben der Brauch geübt
worden, dass in erster Linie die Entwürfe zum Ankauf ge-
langten, welche hierzu empfohlen wurden. Sollte sich, wie
im vorliegenden Falle, ein anderer Brauch, der hier formell
nicht anzugreifen ist, einzubürgern beginnen, so würde das,
abgesehen von dem, nicht , erwünschten Uebersehen des
Spruches der Preisrichter, immerhin, eine Verstimmung
im Wettbewerbswesen zurfolge haben können. Um dieser
vorzubeugen, , empfehlen , wir daher der Stadtverwaltung
von, Pforzheim, den erstgenannten Entwurf noch nach-
träglich , für. 400. M. anzukaufen. —
Zur Handhabung der Wettbewerbe. Wir werden zur
Erörterung einer nicht uninteressanten Frage angeregt. Auf
den begleitenden Briefumschlägen haben Verfasser erklärt,
nur insofern bedingungsweise in einem Wettbewerbe .mit-
konkurriren zu wollen, als ihren Entwürfen ein I. oder.
II. Preis :.zuertheilt würde. Man .ersucht uns zu einer
Stellungnahme zu. diesem Vorbehalte: .’ Wir stehen nicht
an, unserer.Meinung. dahin' Ausdruck zu geben, dass man
. sich durch Kenninissnahme der Unterlagen und durch
Einsendung der geforderten Arbeit bedingungslos den
Bedingungen des: Preisausschreibens unterwirft. . Wird
aber eine Arbeit dennoch mit dem erwähnten zugleich
einem unzulässigen Versuch der Beeinflussung der Preis-
richter gleichkommenden Vorbehalte eingesendet, so giebt
es unseres Erachtens nur zwei Möglichkeiten: Entweder,
das Preisgericht nimmt keine Kenntniss von dem Vorbe-
halte und beurtheilt den Entwurf in der Reihe der übrigen
nach bestem Wissen und Gewissen, oder aber, das Preis-
gericht beschliesst, die betr. Arbeit ausser .Wettbewerb zu
stellen, da sie den Bedingungen des Preisausschreibens,
welche eine vorbehaltlose Einsendung voraussetzen, nicht
entspricht. Wir würden der letzteren Möglichkeit den Vor-
zug geben. —
Bücherschau.
Deutscher Baukalender 1903, herausgegeben von den Heraus-
gebern der „Deutschen Bauzeitung". 36. Jahrgang.
2 Theile; .Theil I gebunden, Theil II broschirt. Preis
beider Theile, Theil I in dunkel Lederband, 3,50 M.,
Theil I in roth Lederband mit Neusilberschloss als
Brieftasche 4M. — Verlag der „Deutschen Bauzeitung,
G. m. b. H.“, Berlin SW. ii.
Auch der soeben erschienene XXXVI. Jahrgang des
„Deutschen Baukalenders“ enthält wieder vielfache Ver-
besserungen, den Fortschritten in der Entwicklung des
Bauwesens entsprechend. Im Taschenbuche selbst sind
allerdings nur einige Nachträge undBerichtigungen, nament-
lich die Preisangaben und die Berechnung der Sterapel-
kosten betreffende, erforderlich gewesen. In der Beigabe
jedoch haben erheblichere Veränderungen Platz
gegriffen, und zwar ist zunächst die Pegeltabelle ver-
suchsweise mit dem Vorbehalte fortgelassen worden, sie
nöthigenfalls mit den langsam sich ansammelnden Er-
gänzungen erst in längeren Zeiträumen wieder zum Ab-
druck zu bringen. Dann sind unter den „Mauerarbeiien“ die
neuen Bestimmungen über Dampfschornsteine
aufgenommen und die Angaben über die massiven
Deckenkonstruktionen umgearbeitet und erwei-
tert worden. Die Abschnitte über elektrische Beleuch-
tung, Haustelephon- und Blitzableitungs- Anlagen endlich
sind gänzlich neu bearbeitet.
Auch in der neuen, auf das sorgfältigste durch-
gearbeiteten Form sei der Kalender als ein bei den
Arbeiten auf Büreau und Baustelle unentbehrliches
Hilfsmittel wärmstens empfohlen. —
Chronik.
Neue kathol. Kirche in Camen. Am 28. Okt. wurde in
Camen in Westfalen die neue Kirche eingeweiht, eine frübgothische,
3-schiffige Basilika mit Querschiff und Thurm in der Axe. Innere
Höhe 21 m, Mittelschiffbreite 14 m. Die Kirche enthält 1000 Sitz-
und 1200 Stehplätze. Kosten 330000 M. Werksteinbau mit Putz-
flächen. Architekt Hr. Reg.-Baumeister A. Menken in Berlin. —
Der Lehrstuhl für mittelalterlichen Backsteinbau an der
Technischen Hochschule in Charlottenburg wurde vertretungs-
weise dem Privatdozenten Stadtbauinsp. O. Stiehl übertragen. —
Zum Konservator für Rothenburg o. T. ist Hr. Prof. Theod.
Fischer in Stuttgart bestellt worden. —
Die Betheiltgung Deutschlands an der 'Weltausstellung
ln St. Louis ist beschlossen und Geh. Ob.-Reg.-Rath Lewald zum
Reichsk-oromissar ernannt worden. Als Architekt der deutschen
Abtheilung wurde Hr. Bruno Möhring io Berlin erwählt. —
Das Geschäftshaus der Landwirthschaftskammer für die
Provinz Sachsen in Halle a. S., ein Werk des Architekten
580
FritzFahro in Halle, wurde am ai.Nov. in feierlicher Weise der
Benutzung übergeben. Das umfangreiche Gebäude ist in einer
maassvollen deutschen Renaissance errichtet. —
Die feierliche Eröffnung des neuen westlichen Friedhofes
in München, eines Werkes des Hrn. städt. Baurath Hans Grässel
in München, hat am i. Nov. stattgefunden. —
Ein 'Wohlfahrtshaus des Trinitatis - Wohlthätigkeits-
Vereins in Cbarlottenburg, Schülerstr. 4s, ist mit einem Auf-
wande von 750000 M. durch den Architekten Schrobsdorf er-
richtet worden. Das Haus enthält ein Kinderheim, eine Diakonissen-
station, Räume zu Versammlungszwecken usw. —
Ein neues Gebäude der Handels- und Gewerbekammer
in Prag ist mit einer Bausumme von 1050 000 Fk zu errichten
beschlossen worden. —
Das neue Schauspielhaus in Frankfurt a. M., ein be-
deutendes Werk des Arch. Brth. Heinrich Seelihg in Berlin,
wurde am r. Nov. unter grossem Gepränge eröffnet. ' —
Die Anlage einer elektrischen Schwebebahn nach dem
System Langen ist' durch eine englische Gesellschaft in Aussicht
genommen. Es handelt sich um eine Versüchsstrecke von 10 engl-
Meilen mit einer Bausumme von rd. s Mill. Pfd. St. —
Die Eröffnung des neuen fürstlichen Theaters in Gera
mit Konzertsaal, errichtet nach den Entwürfen . des Hrn. Baurath
, H. Seeling in Berlin, hat am 18. Okt. in feierlicher Weise stalt-
gefunden. Das Theater hat 1100, der Koozertsaal 1700 Plätze. —
Ein Ausbau des Klosters Ettal in Oberbayern findet durch
Anlage eines 98 m langen Seitenflügels mit etwa loo Zimmern und
Lehrsälen statt und soll 1904 beendet sein. —
Die St. Rupertuskirehe in München (Arch.: Prof. Gabriel •
von Seidl) ist im Rohbau volleudet. Die im Grundriss im Vier-
pass angelegte Kirche zeichnet sich dadurch aus, dass sie 3000 Per-
sonen fassen und nur 380000 M. kosten wird. Ihrer Vollendung
sieht man zum Oktober 1903 entgegen. —
Ein Künstlerheim in Nürnberg, welches von der dortigen
Künstlerschaft schon lange angestrebt wird, kann nunmehr infolge
der Stiftung einer Summe von 150000 M. verwirklicht werden, , Das
Heim, welches auch die städtische Gemäldesammlung aufnehmen
und Räume für den Albrecht-Dürer-Verein enthalten soll, wird auf
dem Salzstadel errichtet und soll noch vor der Ausstellung des
Jahres 1906 vollendet werden. —
Eine Wiederherstellung der Kirche St. Stefan in Würz-
burg, eines auf das Ende des ersten Jahrtausend zurückgehenden .
Gotteshauses, welches bei der Säkularisation den Protestanten über-
wiesen wurde, ist beschlossen worden. Die frühromanische Anlage
wurde Ende des XVII. Jahrh. durch Abt Eucharius auf das reichste
ausgeschmückt und erhielt am Ende des XVIII. Jahrhunderts die
grossen Deckenfresken, das reiche Chorgestühl usw.; Die Wieder-
herstellung geht von dem Gedanken aus, die verschiedenen Bau-
perioden der Kirche in, ihrem vollen Rechte zu erhalten und nicht
zu „reinigen“. — ■ . ,
Personal-Nachrichten.
Preussen. Den kgl. Brthn. H. Kayser und v. Groszheim
in Berlin ist der kgl Kronen-Orden III. Kl. und dem Bauinsp. Brth.
Adams in Berlin der Rothe Adler-Orden IV. Kl. verliehen.
Der Gew .-Rath Pirsch in Düsseldorf ist z. i. Jan. 1903 nach
Münster versetzt und mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines
Reg.- u. Gew.-Rathes bei der dort. Reg. beauftragt. Dem Gew.-
Rath Simon io Düsseldorf ist vom i. Jan. 1903 ab die, Stelle
eines gewerbetechn. Hilfsarb. bei der dort. Reg. verliehen.
Die Reg.-Bfhr. Friedr. Balfanz aus Kolberg, Emil Schütz
aus Brombach und Ad. Wollenberg aus Breslau (Hochbfch ),
— Karl Holtvogt aus Vechte (Wasser- u. Strassenbfch.), —
Hugo Schmidt aus Sprenge, Karl Verlohr aus Winkhausen,
Otto H a m p k e aus Brandenburg und Heinr. .Schluckebier
aus Adorf (Eisenbfch.), — Emil Koch aus Halle a. S. und Haus
Sommer aus Kreuzburg (Masch.-Bfch.) sind zu Reg.-Bmstrn.
ernannt.
Den Reg.-Bmstrn. Vict. Mansfeld in Gartz a. O., Jobs.
Bousset in Berlin, Bruno Schulz in Charlottenburg, Ludw.
Aschoff in Bochum, Rheinh. Bitzer und Karl Felsch in
Königsberg ist die nachges. Enlass. aus dem Staatsdienst ertheiit.
Württemberg. Dem Prof. Halmhuber an der Baugewerk-
schule in Stuttgart ist die goldene Medaille für Kunst und Wissen-
schaft atu Bande des Ordens der Württemberg. Krone verliehen.
Brief- und Fragekasten.
Anfragen an den Leserkreis.
Ein Schornstein einer Kirchenheizung (8 Luftheizungsöfen mit
tiefgeführten Rauchrohren) will nicht ziehen. Die Kirche liegt hoch,
der Schornstein neben dem hohen Chordach auf der Nordseite.
Er ist über der 6m hohen Heizkammer noch i6m hoch (zumeist
angelehnt) aus Ziegeln Stein stark in Zement gemauert, aussen
mit Goudron gestrichen und mit Zement verputzt. In Höhe der
Heizkammer hat er 3 Rohre 20 . 30 cm, die i m höher, wo die Zunge
aufhört und der erweiterte Querschnitt 30,55 cm beträgt, auf i,7.m
Höhe '\ ein Rohr 30.30 cm zusammengezogen sind. Auf dem
Schorf-Stein sitzt ein 3,5 m hohes, in den runden Querschnitt 30 cm
Durchm. übergeführtes Eisenrohr, dessen obere Mündung (25.5 m
über Heizkammerfussboden) auch bei ungünstigem Winde (SW.)
frei bestrichen wird. Aufgesetzte Sauger haben nichts geholfen. —
Welches sind die Ursachen für den mangelhaften Zug? —
H. in M.
Inhalt; Die Neubauten der königlichen akademischen Hochschulen
für die bildenden Künste und für Musik in Charlottenburg. (Schluss.) —
Neuregelung des kulturtechnischen Dienstes in Bayern. — Vermischtes. —
Preisbewerbungen. — Bücherschau, — Chronik. — Personal-Nachrichten.
— Brief- und Fragekasten. ^
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!, Albert Hof mann, Berlin. Druck von “Wilh. Greve, Berlin.
No. 90.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 91. Berlin, den 12. November 1902.
Dle könlgl. akademische Hochschule tür die bildenden Künste ln Charlottenburg. SeiteopavUlon und Brunnen mit dem
Orpheusmotiv von Prof. E. Herter in Berlin. — Architekten: Kayaer & v. Groszheim, kgl. Brthe. in Berlin.
Bestimmung von Flächeninhalten, Schwerpunkten, statischen, Zentrifugal- und Trägheits-Momenten
mittels des Projektirbogens.
Hbwohl das Wort Projektirbogen kein deutsches ist,
so habe ich es dennoch gebraucht, weil diese im
Handel vorkommenden Bogen unter diesem Namen
am besten bekannt sind.
Dass Netze von Quadraten zum Bestimmen von
Flächeninhalten benutzbar sind, ist jedenfalls nicht neu;
soweit bekannt, sind sie aber noch nicht zu den übrigen
in der Ueberschrift angegebenen Zwecken benutzt. Smlte
eine solche Benutzung dennoch bereits geschehen und
veröffentlicht sein, so ist sie jedenfalls nicht allgemein
bekannt und verdient ihrer Zweckmässigkeit wegen aus
dem Dunkel hervorgezogen zu werden.
Denkt man sich in AbbUdg. i eine beliebige Fläche,
deren statisches Moment und Trägheitsmoment mit Bezug
auf eine beliebige Axe 00 ermittelt werden so\\, so ist
für jeden Streifen von der Höhe h über oder unter 0 0
und von der unendlich kleinen Breite d l das statische
Moment gleich— das Trägheitsmoment gleich — d /,
welche Werthe man nach einem beliebigen Maasstabe
in der Richtung von h auftragen kann.
Das jedesmalige Messen der Ordinaten, Berechnen
Ä®
ihrer Werthe — und — ist nebst dem Aufträgen der-
23
selben sehr umständlich. Man kann diese Berechnung
aber ein für alle Mal ausführen, in den Projektirbogen
eintragen und diesen nun für jede be-
liebige Figur benutzen. Den Maasstab
derselben muss man aber so bemessen,
dass die Momentenfläche noch auf dem
Projektirbogen Platz findet. Ueber die
Maasstäbe ist am Schluss einiges be-
merkt. Zur Ermittelung der Momente
, werden in dem Projektirbogen nicht
neue Theillinien eingezeichnet, sondern
in die vorhandenen Theillinien die zu-
gehörigen Werthe eingeschrieben, f *
So sind z. B. in Abbildg. 2 die
Werthe für V2 und Vio*^ eingetragen
und die Flächen einer Eisenbahnschiene
für ihr statisches Moment und ihr Träg-
heitsmoment gezeichnet, deren Inhaltsgrössen mit 2 bezw.
mit 10 zu multipliziren sind. Es ist indessen nicht zu über-
sehen, dass, wenn man den statischen Momentenflächen
über O 0 ein positives Vorzeichen giebt, die unter 0 0 ein
negatives erhalten müssen und dass di< Differenz beider
inbetracht kommt. Um den Projektirbogen für Querschnitte
benutzen zu können, welche keine Symrretrieaxe haben,
legt man, wie in Abbildg.3 angedeutet, den Nullpunkt in die
>
' \
1/ f
'// %
1 i
ILcT'"
Abbildg. 1.
581
\
Mitte des Bogens und trägt von diesem die berechneten
Zahlen nach oben, unten, links und rechts ein. Ferner legt
man die Pause des Querschnittes am besten so auf, dass
die Hauptaxen möglichst vielen geraden Querschnittslinien
parallel sind und der Nullpunkt in der Mitte der Figur
liegt; Letzteres um nicht zu grosse und Iß zu erhalten.
Nunmehr kann man die Flächen für 8 und J nach zwei
Richtungen hin für die durch Null gehenden Axen er-
mitteln. Die Schwerpunkts-Abstände e und e' von diesen
sind gleich und von den Trägheitsmomenten hat man
Fe^ abzuziehen, wenn man die beiden Axen parallel mit
sich so verschoben denkt, dass sie sich im Schwerpunkte
schneiden, und wenn F’ den Flächeninhalt des Querschnittes
bedeutet. Die so erhaltenen Trägheitsmomente mögen
mit und bezeichnet werden.
Um die Hauptaxen und die dazu gehörigen Trägheits-
momente zu erhalten, benutzt man (siehe u. a. Beigabe
zum Dtschn. Baukalender) die Formel:
I. J=J^. cos cß J^. sin cß — . sin 2 a,
a ist in dem Sinne -f zu nehmen wie in Abbildg. 3.
Dreht man die Pause um 45O und lässt den Schwer-
punkt des Querschnittes mit Null zusammenfallen, so findet
man nach obigem und hat = ~ -\- J,^ ~ Den
2 J
Winkel « für die Hauptaxe findet man aus tg 2 a = — —
Setzt man « in Gleichung I ein, so erhält man ein Träg-
heitsmoment für eine Hauptaxe und zieht man dieses
von + Jy ab, so erhält man das für die andere Haupt-
axe. Man kann auch das Zentrifugalmoment für eine ge-
gebene Axe unmittelbar ermitteln. Hat man nämlich.
Abbildg. 4, die Fläche Fj als .S' Fläche für den Querschnitt
F mit Bezug auf die cc-Axe ermittelt, und ermittelt in der-
selben Weise die Fläche Fjx als 8 Fläche für Fj, mit Bezug
auf die t/-Axe, so giebt die F’jj- Fläche das Zentrifugal-
moment für die Querschnittsfläche F.
Ist für die Fj- und F’^j-Flächenermiitelung der Maass-
stab i: n angewendet, so muss F^j mit multiplizirt werden.
Zu beachten ist, dass, wenn der Querschnitt in 4 durch
dieHauptaxen getheilten Quadranten liegt, die Flächen rechts
oben und links unten positiv, die beiden anderen negativ
sind und dass sich das Zentrifugalmoment aus der Summe
dieser vier ergiebt. Zieht man von dieser Summe F.e .e'
ab, so erhält man bekanntlich das Zentrifugalmoment für die
oben erwähnte Verschiebung der Axen in den Schwerpunkt.
m Empfehlenswerth ist es aber, anstatt des Zentrifugal-
momentes J4. zu ermitteln, da die in Fj gemachten Un-
genauigkeiten sich in vergrössern können. Die im
1 Querschnitt mit den Hauptaxen pa-
i rallelen oder zu ihnen senkrechten ge-
" raden Linien, bleiben auch in den
i Momentenflächen gerade Linien; die
■- dazu schrägen ergeben Kurven. Zur
Ermittelung der Momentenfläche ist
es aber nur, nöthig die 8- und J-
Höhen für die Endpunkte und den
Mittelpunkt der geraden schrägen
Linie zu ermitteln. Denkt man sich
nämlich in Abbildg. 5 eine gerade
Linie ab und darüber eine zu der-
selben gehörige 8- oder F-Kurve a'b'
mit den betreffenden Höhen kj hu und Am, so ist der
Momentenflächen-Inhalt = + Am^ oder wenn
Aj -p Ajjj
man m = , sowie dessen Differenz d gegen A^
aus der Zeichnung entnimmt, jener Flächeninhalt auch
= (m — ~ ferner im Querschnitt das in Abb. 6
angegebene Trapez enthalten und darüber die krummlinig
begrenzte Momentenfläche ermittelt, so ist deren Inhalt
ebenfalls = -^ 4- 4 & -}- c^.
Dieses Gesetz gilt für alle Flächen, deren obere und
untere Begrenzungslinien sich ausdrücken lassen durch
y =A-{- Bx -p Gx^ -f- Dx^\ dagegen nicht, wenn noch x*
vorkommt; Letzteres komrrit in diesen Fällen aber nicht
vor, weil die F-Höhe nur und die S-Höhe nur enthalten.
Inbetreff der Maasstäbe findet sich noch zu bemerken,
dass die Projektirbogen gewöhnlich eine 45 breiite und
60 cm hohe mit Liniirung versehene Fläche enthalten. Giebt
man die S-Höhen in halber und die F-Höhen in Vu, Grösse
an und bezieht sie auf cm in der Zeichnung, so wie es in
Abbildg. 3 geschehen, wobei der Nullpunkt in der Mitte
der grössten Höhen- und der grössten Längen-Abmessung
liegt, so darf das gezeichnete Objekt nicht mehr als 17,5
Breite und 19,3 c® Höhe erhalten, weil sonst die F-Höhen
nicht. mehr Platz finden. Sind die Profile in pVi natür-
licher Grösse aufgetragen, so sind die in der Zeichnung
enthaltenen Längen mit n, die Profitquerschnitte mit tß,
die statischen Momente 8 mit vß und die Trägheitsmo-
mente mit tß zu multipliziren, damit sie der Wirklichkeit
entsprechen. — Hacker, Baurath.
Betoneisea-Piahlrost vom Neubau des Amtsgenchtes-Weddmg in Berlin.
ie umfangreichen Gründungsarbeiten, welche das
vorgenannte Gebäude erfordern, haben für Berlin
erstmalig zu ausgedehnter Anwendung des Beton-
eisen-Pfahlrostes Veranlassung gegeben. Der auf grös-
sere Tiefe unsichere, aus moorigen undSchliefsandschichten
unter den oberen Auffüllungen bestehende Untergrund
machte eine tiefere Gründung erforderlich, für welche
man auf Holzpfahlrost verzichten musste, da der z. Zt.
etwa 2 m unter Gelände-Oberfläche liegende Gruudwasser-
stand dem Anschein nach sich in sinkender Bewegung
befindet, sodass ein Holzpfahlrost in späterer Zeit ge-
fährdet erschien. Infrage kam daher die Gründung auf
durchgehender Betonplatte bezw. auf Kasten, oder eine
Gründung auf Betoneisen-Pfählen, die nur eine der Sohl-
breite der Mauern entsprechende Betonplatte tragen. Letz-
terer Gründungsweise wurde durch den die Bauausführung
leitenden Architekten, Hrn. Landbauinspektor Hertel, der
Vorzug gegeben und von der Behörde auch erfreulicher
Weise die Genehmigung zu dieser immerhin noch neuen
Gründungsweise ertheih. Erschwerend war dabei, dass
582
man, um keinesfalls die Möglichkeit einer Verringerung der
Tragfähigkeit herbeizuführen, das sonst bei Betonpfählen
übliche Spülen vollständig untersagte, also eineEinrammung
der 5 bezw. 6,5 und stellenweise sogar 8 “ langen Pfähle
auf ihre ganze Länge vorschrieb. Trotzdem hat sich diese
Gründungsweise durchaus bewährt und zwar in einem
keineswegs durchweg leichten Boden; denn auch die von
Sand durchsetzten Moorschichten zeigten eine gewisse
Festigkeit, während der Schliefsand ja bekanntlich für
Rammarbeiten zu den schweren Bodenarten zu rechnen ist.
Für die zweckmässigste Querschnitts- Gestaltung der
Pfähle und der Eiseneinlagen wurden mehrfache Ver-
suche gemacht. Man entschied sich auf Veranlassung der
Bauleitung für einen dreieckigen Querschnitt von je 50 «n
Seitenlange mit etwas abgestumpften Kanten. In diesen
Querschnitt sind nur 3 Rundeisen nahe den Ecken von je
26 Durchmesser eingebettet, die in je 25 c*“ Abstand von
parallel zu den Seiten geführten Schlingen von 5 ““ starkem
Rundeisen umfasst werden. In der Mitte zwischen diesen
Verbindungen, also ebenfalls in 25 Abstand, sind S-förmig
No. 91.
gebogene dünnere Drähte von den Rundstangen ausgehend, unten zu einer stumpfen Spitze zusammengeführt und
nach aussen und innen gerichtet, eingelegt, die also sowohl auf etwa 15 cm Länge mit einander verschweisst. Ein
die äussere Rinde, wie den inneren Kern zur Aufnahme
der Scheerspannungen befähigen. Die 3 Langeisen sind
12. November 1902.
weiterer Schutz der Spitze ist nicht erfolgt. Der Pfahl
ist am oberen Ende etwas stärker an den Kanten gebrochen,
583
behufs bequemerer Umlegung des Rammringes, sonst glatt
abgeschnitten und an den Querschnitts Kanten abgefast.
Die Seitenflächen der Pfähle sind eben gehalten, nicht
ausgehöhlt, wie dies bei belgischen und holländischen Aus-
führungen z. Th. geschehen ist, in der Absicht, eine Ver-
ringerung der Reibung beim Einrammen zu erzielen. Als
Material für die Pfähle diente sandiger Flusskies, dem
Zement im Mischungsverhältniss i : 3 beigegeben wurde.
Die Pfähle sind durchweg stehend hergestellt.
Es kamen imganzen 1800 Pfähle zur Verwendung. Da
der Unternehmung eine tägliche Leistung von 40 Pfählen
vorgeschrieben war und diese 10 Tage in der Form blieben,
so waren 400 Formen erforderlich, die von dem Unter-
nehmer Th. Möbus in Berlin, in geschickter Weise so an-
geordnet sind, dass sie bei bequemer Zugänglichkeit beim
Einstampfen möglichst wenig Material beanspruchen. Es
wurden in 3 Reihen zwischen Gerüsten zickzackförmige
senkrechte Bohlwände aufgestellt, welche die innere Be-
grenzung der Form bildeten, während die äussere durch
Anschraubung wagrechter Bretter entsprechend dem Fort-
schritt des Einstampfens gebildet wurde. An jeder der-
artigen Wand waren also 2 Formenreihen vorhanden. In
diese Formen wurde das zusammengeschweisste und
durch die übergeschobenen Schlingen versteifte Eisen-
gerippe eingesetzt und durch ein oberes Abschlussbrett
in richtiger Lage festgehalten. Dann erfolgte das Ein-
stampfen des ziemlich trocken eingebrachten Betons, der
durch eine unmittelbarneben denFormen aufgestellteDampf-
Mischmaschine hergestellt wurde, mittels kurzer Eisen-
stampfen in Schichthöhen entsprechend den wagrechten
Brettstärken unter regelmässiger Einlage der Schlingen
und gebogenen Drähte in den vorschriftsmässigen Abständen
von je 25 cm. Mit dem Fortschritt des Einstampfens wur-
den die Arbeitsbühnen entsprechend gehoben. Nach zehn-
tägiger Erhärtung in der Form, wobei die Pfähle dauernd
befeuchtet wurden, konnte die Form geöffnet und der
fertige Pfahl zunächst mittels Laufkrahn etwas bei Seite
gesetzt werden. Nach weiteren 10 Tagen wurde er ganz
aus der Arbeitsstelle durch Auslegerkrahn herausge-
schwenkt und auf den Lagerplatz verbracht.
Um die Pfähle beim Rammen gegen Beschädigung
durch den Schlag des 35—50 Ztr. schweren Bären zu
schützen, wird zunächst ein etwa 50 cm hoher, starker
Eisenring umgelegt, der durch 3 Kreissegmente in Holz
Vermischtes.
Abendbesuch im kgl. Kunstgewerbe-Museum zu Berlin.
Bei der mit grosser Anerkennung zu begrüssenden Neuerung
im kgl. Kunstgewe^be-Museum, die Ausstellungen für Abend-
besuch einzurichten, ist die Beleuchtung in das Glasdach
des grossen Lichthofes verlegt, welches zu diesem Zwecke
völlig umgestaltet werden musste. Die Arbeiten sind von
Siemens & Halske ausgeführt worden.
Bei der Auswahl der Stücke für die Abend-Ausstellungen
wird das Museum davon ausgehen, dass man in den knappen
Abendstunden keine grossen Massen vorführt, sondern er-
lesene Stücke, welche der Besucher am Tage nur mit einer
bereits geschulten Kennerschaft herausfindet.
Die jetzt angeordnete Ausstellung der Renaissance hält
sich nicht an das technische System, nach welchem die
Säle des Museums zumeist geordnet sind. Es gilt viel-
mehr, den Gesammtcharakter der Renaissance - Periode
darzustellen und hierzu haben sämmtliche Abtheilungen
hervorragende Stücke hergegeben. Im Vordergründe steht
die Renaissancekunst von Italien, aber auch Deutschland,
Frankreich und die Niederlande sind vertreten. Den eigent-
lichen Rahmen bilden die Möbel, vornehmlich die Truhen,
welche sich von Wänden abheben, die mit alten Leder-
tapeten bespannt sind; die im 16. Jahrhundert allgemein
in Europa gebrauchten orientalischen Teppiche sind zwi-
schen den Säulenreihen aufgehängt. Auf den Truhen sind
grössere Gruppen von Metallarbeiten, Gold- und Silber-
geräth, Bronzen und Terrakotten aufgebaut; in den Glas-
schränken finden sich erlesene Stücke von Glas, Majolika,
Edelmetall, Email, feinste wissenschaftliche Instrumente,
Kästchen und Schmuckgeräth jeder Art. Die eine Schmal-
wand enthält Prachtstoffe und Stickereien, die Eingangsseite
auf sechs Wänden die vorzüglichsten Blätter der Bibliothek
und Ornamentstich-Sammlung, sowie der Frhr. v. Lipper-
heide’schen Kostüm-Bibliothek. Die Prachtstoffe und die
Kunstblätter werden in kürzeren Pausen mit verwandtem
Material ausgewechselt werden, an welchem das Museum
ganz ausserordentlich reich ist.
Um das Gesammtbild zu vervollständigen, ist auch
die Plastik, herangezogen; die Abtheilung der kgl. Museen
für Plastik der christlichen Epoche hat Reheftafeln und
Figuren hergegeben. Aus der Privatsammlung von James
Simon sind 6 Bronzefiguren und Gruppen von grosser
584
der Dreieckform des Pfahlquerschnittes entsprechend, aus-
gefüttert und dann durch Schrauben fest an das obere
Pfählende gepresst wird. In diesen Ring ist zunächst
eine 25“” starke Bleiplatte auf den Pfahlköpf aufgelegt,
darauf eine 5*=“ starke Holzscheibe, die bis etwas über
den Ring reicht und auf diese Holzplatte schliesslich eine
starke Eisenplatte, die zunächst den Schlag des Bären
aufzunehmen und diesen durch Vermittelung des elasti-
schen Holzes und der Bleiplatte auf den Pfahlkopf ;zu
übertragen hat. Durch diese elastische Zwischenlage
geht natürlich ein Theil des Effektes verloren, ausserdem
erzeugen die rauhen Pfahibetonfiächen eine starke Rei-
bung (die aber später der Tragfähigkeit zugute kommt),
so dass' das hohe Bärgewicht erklärlich wird. Es sei
hier erwähnt, dass Hennebique bei seinen Betonpfählen
eiserne Hauben aufsetzt, die innen mit Holz ausgefüttert
sind, oder auch nur mit Sand aufgefüllt werden. In letz-
terem Falle bildet dieser die elastische Zwischenlage.
Die getroffenen Maassregeln haben die Pfähle voll-
kommen vor Beschädigungen beim Rammen geschützt.
Auch die Spitzen haben sich, wie ausgezogene Pfähle be-
weisen, als ausreichend stark erwiesen, sodass also die
Anwendung von Pfahlschuhen ebenso wie bei Holz-
pfählen nur in grobem Boden erforderlich erscheint.
Wichtig für die Haltbarkeit der Pfähle ist eine sorgfältige
Aufrauhung jeder eingestampften Schicht Trotzdem die
Herstellung der Schichten sich so unmittelbar folgt, dass
der Beton noch keine Zeit zum Abbinden hat, zeigten
sich beim Rammen Querrisse, sobald diese VorsLchts-
maassregel unterlassen wurde. Im übrigen Hessen sich
auch Pfähle mit diesen feinen Rissen sicher einrammen,
naturgemäss sind diese aber nicht mehr entsprechend
knicksicher und ausserdem wird die Eiseneinlage der ein-
dringenden Feuchtigkeit zugänglich. '
Die Kosten der Herstellung einschl. Material stellten
sich auf etwa 10 M. für das. lauf. Meter Pfahl, die Gesamrht-
kosten etwa doppelt so theuer, als bei Holzpfahlrost.' ,
Mit dieser Ausführung dürfte die bisher in Berlin bei
den Behörden herrschende Scheu vor Anwendung von
Betoneisen-Konstruktionen (die bisher fast nur zu Decken
angewendet werden durften) überwunden sein, sodps
eine weitere Anwendung dieser überaus vielseitigen Aus-
führungsweise erwartet werden darf. —
Bedeutung beigesteuert. —.Die Ausstellung beginnt jam
II. Nov., Abends 7V2Uhr, und wird Dienstag bis Sonnäb^nd
jeder Woche geöffnet sein. — j
Die Ausstellung des Vereins für deutsches Kunstgewejrbe
in Berlin zur Feier seines 25jährigen Bestandes in den
Räumen der kgl. Akademie der Künste, Unter den Lin-
den 38, wird am 14. Nov. eröffnet; sie wird zum ersten
Male hervorragende Leistungen desBerliner Kunstgewerbes
aus allen seinen Zweigen in künstlerischem Rahmen z\x-
saramenfassen. Das Portal, die Vorhalle und das Treppen-
haus, die bisherigen Ausstellungsräume der kgl. Akademie
und eine zweite, gleich grosse Zahl von Sälen, die seit
dem Umzuge der Hochschule freistehen, sind von den
Bildhauern, Malern, Mosaikkünstlern, Tischlern und Deko-
rateuren unter Leitung des Arch. Prof. A. Grenander
zu über 30 künstlerisch einheitlichen Räumen vollständig
neu umgestaltet. —
Preisbewerbungen.
Der Bebauungsplan für Santa-Cruz auf Teneriffa, für
die etwa 25000 Einwohner zählende Hauptstadt der kana-
rischen Inseln, wird , von der Stadtverwaltung zum Gegen-
stände eines öffentlichen Wettbewerbes gemacht. Es ge-
langt eine Preissumme von 15000 Pesetas (zu 0,81 M.) zur
Vertheilung. Frist 3. Juni 1903. Unterlagen durch das
Mus6e comraercial in Brüssel. —
Ein internationales Preisausschreiben zur Erlangung
von Entwürfen für ein neues Rathhaus in Durban in der
britischen südafrikanischen Kolonie Natal erlässt der Ge-
meinderath unter Verheissung von 6 Preisen in Beträgen
von 12 500 bis 2500 Frcs. Die Bausumme ist auf 4500000 M.
festgesetzt. Frist ist der 18. Dez. d. J. Dem Verfasser
des besten Entwurfes soll die Ausführung übertragen
werden. Näheres durch das „Office national du commerce
extörieur" in Paris. —
Inhalt: Die Neubauten der königlichen akademischen Hochschulen
für die bildenden Künste und für Musik in Charlottenburg. — Bestimmung
von Flächeninhalten, Schwerpunkten, statischen, Zentrifugal- und Tiägheits-
Momenten mittels des Projektirbogens. — Betoneisen-Pfahhost vom Neu-
bau desÄ.mtsgerichtes- Wedding in Berlin.— Vermischtes.— Preisbewerbungen.
Verlag der Deutschen Banzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort). Albert Hofmann, Berlin. Druck von WUh. Greve, Berlin.
No. 91.
EUTSCHE
XXXVI JAHR-
*BERLIN Hs
«Ä:s:s:2t«:s!s!«rs:s:
AUZEITUNG.
GANG. Hs Hs N2: Q2. Hs
DEN 15. NOV. igo2. *
isrÄStftssÄsrsrarÄsrststsr
Das neue Stadttheater in Köln.
Architekt: Regierungs-Baumeister Karl Moritz in Köln a. Rh.
^Hierza eine Bildbeilage und die Abbildungen Seite 588 und 589.)
er Entwurf des kürzlich eröffneten zweiten
Theaters der Stadt Köln ist hervorgegan-
gen aus einem öffentlichen und einem be-
schränkten Wettbewerb. Bei dem erste-
ren wurden preisgekrönt die Arbeiten von
Moritz, Seeling, Pflaume und Alfred Müller; an der
engeren Bewerbung betheiligten sich die Hrn. Moritz,
Pflaume und Alfred Müller. Dem Sieger, Hrn. Reg.-
Bmstr. Karl Moritz, wurden Leitung und Ausführung
in Verbindung mit der Baufirma Ferdinand Schmitz in
Köln übertragen. Das nunmehr vollendete, am mittleren
Theile der Ringstrasse sich erhebende Gebäude ist ein
Werk von so eigenartiger Kraft und Schönheit, dass
es die Aufmerksamkeit der Fachgenossen und aller
Kunstverständigen in hohem Grade fesselt.
Ungewöhnlich sind zunächst der gewählte Bau-
platz und das Bauprograram. Ersterer besteht aus
zwei durch eine Strasse getrennten Blöcken von vier-
seitiger und von dreiseitiger Gestalt, die ursprünglich
zur Bebauung mit Wohnhäusern bestimmt waren. Das
Programm verlangte ausser dem eigentlichen, für Oper
und Schauspiel zu benutzenden Theater eine Garten-
wirthschaft an der Ringstrasse und ein geräumiges De-
korationsmagazin. Der Lageplan S. 588 zeigt die allge-
meine Anordnung. Theater und Gartenwirthschaft sind
durch eine bei Schluss derVorstellung zumAbholen von
Besuchern bestimmte Durchfahrt, Theater und Magazin-
gebäude durch die Engelbertstrasse von einander ge-
schieden. Die Durchfahrt ist überbrückt mittels der
Zugänge zum Restaurationssaale, die Ueberbrückung
der Engelbertstrasse besteht aus der Hinterbühne, einer
Probebühne und einem Chorprobesaale. Für die Rich-
tungslinie des an den Habsburger Ring anstossenden
HohenzoUemringes bildet der Theaterbau einen monu-
mentalen Abschluss. Die verschiedenen Bestandtheüe
des Gebäudes treten als solche deutlich in die äussere
Erscheinung; auch die Bautheile des Theaters selbst
kennzeichnen sich nach aussen. Die se^mentförmige
Rückwand des Zuschauerraumes setzt sich im Foyer
bis zur Hauptfront fort, deren geschwungene Form
durch die Eckthürme aufgenommen wird. Diese ent-
halten die bis ins oberste Geschoss emporreichenden
Gallerietreppen. Zu jedem Range führen je zwei be-
sondere Treppen hinauf, die ebenfalls in der Aussen-
architektur sich ausprägen.
Sieben Bogenöffnungen vermitteln durch eine 9 “
breite offene Vorhalle den Haupteingang in das Haus,
die beiden äussersten zum 3. Rang und zur Gallerie, die
5 mittleren zum Vestibül und von dort zum Parkett
sowie zum Balkon und zum i. und 2. Rang, ln allen
Stockwerken münden dieTreppen auf helle, mitToiletten
ausgestattete Garderoberäume von 12 zu 16,5® Grösse,
also von bedeutenden Abmessungen, verbunden durch
breite Wandelgänge um das Rund des Zuschauer-
raumes. Die zum Balkongeschoss cmporleitenden
Treppenhäuser sind besonders reizvoll ausgebildet,
noch vornehmer ist das diesem Geschoss vorgelagerte
Foyer. Der Wandelgang des ersten Ranges gewährt
585
einen Einblick ins Foyef, der Wandelgang des zweiten
Ranges enthält zwei seitliche Büffeträume, die Gallerie
endlich besitzt einen Erholungssaal von Breite und
33“^ Länge, dessen Zugänge in den beiden hochragen-
den Thurmbauten gelegen sind. Das oberste Geschoss
beherbergt überdies die Vorrichtungen für die Er-
wärmung und Kühlung des Hauses. Zu diesem Zwecke
sind die seitlichen Aufbauten ihrer Höhe nach in drei
Abtheilungen zerlegt, in welche die frische Luft je nach
ihrer Bestimmung durch Oeffnungen in der Gallerie-
stirnwand eingesogen wird. Der unterste Raumtheil
enthält die Kaltwasser- und Salzwasser-Gefässe, über
welche die Luft streicht, um in abgekühltem Zustande
das Haus zu erreichen; der mittlere, durch Rabitzdecke
und Korkisolirung abgetrennte Theil, nimmt die von
unten mit Dampf gespeisten Rippenheizkörper auf,
welche die frische, vorher durch Filter gereinigte Luft
erwärmen und in einen dritten, zu oberst angeordneten
Kanal einströmen lassen, wo verstellbare Klappen ihren
Eintritt in das Zuschauerhaus an dessen Decke regeln.
Durch die gleichen Oeffnungen kann ebenso der
Eintritt gemischter wie kalter Luft bewirkt wer-
den. Der Abzug der verdorbenen Luft erfolgt
unter den Parkett- und Lögensitzen nach einer
an der Engelbertstrasse gelegenen Esse hin, vor
welcher ein grosser Exhaustor eingebaut ist.
Der Zuschauerraum misst 21 zu 25“ und
besitzt ausser dem Parkett {und Parterre) die
Parkettlogen, den Balkon, den i. und den 2. Rang
mit anschliessender Gallerie. Die 1806 Sitzplätze
vertheilen sich wie folgt: Parkett und Parterre
518, Parkettlogen 72, Balkon 126, Balkonlogen
106, I. Rang 272, Logen am i. Rang 42, 2. Rang
315, Gallerie 355. Auch für die seitlichen Sitze
sind dadurch, dass die Rangbrüstungen nicht
wagrecht laufen, sondern nach der Bühne hin
fallen, und dass die hinteren Sitzreihen stark
überhöht sind, gute Sehlinien geschaffen. Die
Decke ruht auf 8 Stützpunkten, zwischen welchen
4 grössere und 4 kleinere Stichkappen den Ueber-
gang zu den Umfassungswänden vermitteln. Das
zusammenhängende grosse Deckenbild, Prome-
theus den göttlichen Funken der Kunst zur ver-
langenden Menschheit hinabbringend (von Maler
Seuffert aus Düsseldorf), wird durch keineMittel-
krone gestört. Als Haupt-Beleuchtungskörper
dienen Wandarme an den 8 Deckenstützen, die ein ge-
mischtes Bogen- und Glühlicht ausstrahlen. Die für
Theatersäle übliche Farbengebung von Gold, Rothund
Weiss ist zur feineren Abstimmung mit grauen und
tiefblauen Tönen durchsetzt. Die Akustik hat sich als
ganz ausgezeichnet erwiesen.
Die Bühne wird mit ihrer Breite von 33“ und
ihrer Tiefe von 20 nur von wenigen der grossen
Hoftheater in den Abmessungen übertroffen; ihre Aus-
nutzungsfähigkeit wird gesteigert durch eine 12 breite,
19“ tiefe Hinterbühne. Die Bühnenöffnung hat die-
selbe Weite, wie beim Festspielhause in Bayreuth und
beim Hofburgtlieater in Wien, nämlich 12,75”. Die
Bühne selbst ist beiderseitig von Fluren umgeben, die
auf die Stockwerke vertheilt und durch zwei besondere
Treppenhäuser verbunden sind. An diesen Fluren
liegen die Ankleidezimmer für Solodamen und Solo-
herren, Chor- und Knaben -Anldeideraum, Statisten-
saal, ein Raum für Extrachor und eine Rüstkammer;
ferner Kleiderkammern, Schneiderei, die Probesäle
Zur Vollendung der Usambarabahn in Deutsch-
Ostafrika.
Von Gustav Seil, Ingenieur.
m 15. März d. J. hat die Betriebs - Eröffnung der
Usambara-Eisenbahn von Tanga bis Korogwe statt-
gefunden, ohne dass die baulichen Anlagen im letzten
Theile der Theilstrecke „Muheza-Korogwe“ völlig vollendet
waren. Nunmehr sind auch diese Restarbeiten vollendet
und es lohnt sich, einen kurzen Ueberblick über die Ent-
wicklung der Usambarabahn im allgemeinen und über den
seitens derkaiseriiehenRegierungbethätigtenBau derTheil-
strecke „Muheza-Korogwe" zu werfen.
Als im April 1891 die Verwaltung von Deutsch-Ost-
afrika seitens der Regierung übernommen worden war,
hatte auch bereits eine Privat-Gesellschaft den Bau einer
Eisenbahn von Tanga aus nach den Usambara-Bergen zu
in Aussicht genommen und im Laufe der Jahre den Plan
insofern theilweise verwirklicht, als von ihr der Bau der
ersten Theilstrecke „Tanga-Muheza" bewerkstelligt wurde.
Für die Erschliessung des Hinterlandes von Tanga,
insbesondere aber für den Anschluss der in Usambara
entstandenen Kaffeepflanzungen an die Küste, hätte der
Ausbau der Strecke „Tanga-Muheza“ allein nicht genügt.
Es musste daher der Weiterbau über Muheza hinaus bis
mindestens nach Korogwe ins Auge gefasst werden, der
auch in der Zeit von Juni 1899 bis Juni 1902 vor sich
ging, nachdem der Reichstag die Mittel für diesen Weiter-
bau in Höhe von etwa 3,2 Mül. M. bewilligt hatte und
durch Kauf die erste Theilstrecke , „Tanga-Muheza“ von
der Usambara-Eisenbahn-Geseilschaft am 7. April 1899 an
den Reichsfiskus übergegangen war.
Die Längenentwiddung der nunmehrigen Gesammt-
strecke beträgt 83,8 km. Davon entfallen auf die Strecke
„Tanga-Muheza“ 39,6 km und auf die innerhalb der letzten
drei Jahre erbaute Strecke „Muheza-Korogwe“ 44,2 km.
586
Der Bahnhof Tanga liegt auf etwa ii™ ü. N. N ; der
von Muheza auf 204 “ und Korogwe auf 292 m ü. N. N. Es
waren also auf der ersten Strecke etwa 193 m Steigung
auf 39,6km^ und bei der letzten 88“ auf 44, zu über-
winden. Dabei war die Gradientenführung nicht eine
gleichmässig ansteigende, sondern es mussten wiederholt
durch Anwendung von Steigungen bis i ; 40 Höhenrücken
überwunden werden.
Die genauen Vorarbeiten der seitens des Reiches er-
bauten Strecke begannen im Frühjahr 1899 und waren
Anfangs 1900 so weit vorgeschritten, dass mit den Erd-
arbeiten im Zuge der ganzen Linienführung begonnen
werden konnte. Die Vorarbeiten, welche ebenso wie den
Bau die kais. Eisenbahn-Verwaltung in Tanga leitete, boten
insbesondere bei der Bearbeitung der Linie im Felde
mancherlei Schwierigkeiten, die durch die klimatischen
Verhältnisse noch erhöht wurden. Für die Trassirung
wurde als grösste zulässige Steigung i : 40 und als kleinster
Halbmesser 200“ zugrunde gelegt. Bei der verhältniss-
mässig untergeordneten Bedeutung der Usambarabahn und
der Spurweite derselben von i “ erscheinen diese Grenzen
als sehr eng gezogen und es Hessen sich daher bei dem
wellenförmigen Gelände verhältnissmässig grosse Erdarbei-
ten nicht vermeiden. Dieselben betrugen für die Baulänge
von 44,2 km etwa Saocoocbm^ ausschliesslich der zu lösen-
den Gesteinsmassen von etwa 20 000 cbm. Die grössten
Schwierigkeiten boten der Durchstich des Bombuera-Sattels
bei km 50 der Strecke durch einen rd. 300 “ langen und
13™ tiefen Einschnitt mit bedeutender Felslösung und die
Durchquerung des Luengerathales auf einem 7 km langen
Damm, der noch innerhalb des Ueberschwemmungs-Ge-
bietes des Luengeraflusses liegt und daher mit zahlreichen
Fluihöffnungen versehen werden musste. Der Boden be-
steht in der Hauptsache aus Latent, der ein gutes Material
für die Dammschüttungen liefert. Nur in dem schon ge-
nannten Luengerathal war gutes Schüttungsmaterial nicht
No. 92.
für Chor und Ballet und eine vollständige PVobehühile.
— Der Bühnenraum hat von der Sohle der Unter-
Maschinerie bis zum Dachfirst 43“ Höhe. Die frei-
tragenden eisernen Dachbinder tragen die feste Ober-
Maschinerie, Schnür- und Rollenboden, seitliche Ar-
beitsgallerien, Verbindungs-Brücken und Treppen. Die
Dekorationszüge sind in 6 Gassen vereinigt; eine be-
sondere Einrichtung ist der Rundhorizont, ein als Luft
gemalter Vorhang, der bei grossen freien Fernsichten
den Hintergrund auch seitlich unbegrenzt erscheinen
lässt. Die feste Unter-Maschinerie trägt den Bühnen-
Fussboden und die beiden Unterbühnen und dient gleich-
zeitig zur Führung von 6 Versenkungen. Die Bewe-
gungen geschehen mit Presswasser, die Druckpumpen-
Anlage wird elektrisch betrieben. Auf die elektrische
Bühnen-Beleuchtung, die Regen-Einrichtung, den eiser-
nen Vorhang, die Flugwerke, Läutewerke und andere
Sonderanlagen können wir hier nicht näher eingehen.
Entworfen und ausgeführt wurde die ganze Bühnen-
Einrichtuhg durch den auf diesem Gebiete wohlbe-
wanderten Ober-Maschinenmstr. Rosenberg in Köln,
Jenseits der Engelbertstrasse, durch die Hinter-
bühne mit dem Bühnenhaus verbanden, liegt das
Magazingebäude, welches neben den Aufbewahrungs-
räumen für Theater - Requisiten aller Art einen
grossen Malersaal, Schlosserei, Schreinerei, Schmiede
und Stall für 6 Pferde enthält. Die Verbindung eines
solchen Nutzbaues mit dem Theatergebäude ruft stets
ästhetische Schwierigkeiten hervor; auch hier steht
das einfache und ungegliederte Magazinhaus mit dem
eigentlichen Monumentalbau nicht recht im Einklänge,
Die bebaute Grundfläche der ganzen Baugruppe
beträgt 5348 1“, ohne Magazin 4462 Im Vergleich
mit der letzteren Zahl haben die Theater zu Wies-
baden 3350, Bayreuth 3462, München (Prinzregenten-
Theater) rd. 3720, Frankfurt (Oper) 3767, Dresden 5003,
Wien (Burgtheater) 5057 bebauter Grundfläche. —
(Schluss folgt.)
Zur Pensioninmg
ie wiederholten Erörterungen der „Deutschen Bau-
zeitung"'^) über die Frage, ob den älteren Baubeamten
bei der Pensionirung die bei Privat-, Kommunal-
bauten usw. zugebrachte Zeit als „Dienstzeit“ angerechnet
werden muss, haben dazu geführt, völlige Klärung die-
ser für die Banbearaten hochwichtigen Frage
in der Rechtsprechung herbeizuführen. Denn eine
Reihe von Baubeamten haben sich durch unsere Ausfüh-
rungen veranlasst gesehen, ihre -wohlerworbenen An-
sprüche gegen den Fiskus geltend zu machen. Soweit
wegen Nichtablaufes der gesetzlichen Frist von 6 Monaten
der Rechtsweg beschritten werden konnte, sind die Be-
amten, soweit uns bekannt geworden ist, in sämmtlichen
Gerichtsinstanzen durchgedrungen. Der Fiskus, der die
Tragweite der höchstrichterlichen Entscheidung für die
gesammte Staatsverwaltung (nicht nur die Bauverwaltung)
sehr wohl einsah, beruhigte sich aber nicht bei den zuerst
ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen, sondern
ergriff auch in späteren Fällen die Gelegenheit, von neuem
Entscheidungen des Reichsgerichtes herbeizuführen. Es
liegen zurzeit vier Reichsgerichts-Entscheidungen *"‘') vor,
die sich über die bezeichnete Frage aussprechen. Die
Frage ist jetzt von zwei Senaten des obersten Gerichts-
*> Vgl' Jahrgang 1897 S. 135, 1898 S. 287, 399, 617, 1902 S. 81.
**) Vom 12. 5. 1898 Entsch. in Zivilsachen Bd. 4t S. iio, vom 21. 3.
1899 Bd. 43 S. 129, vom II. IO. igoo Bd. 47 S. 283 und vom 6. 5. 1901 uodi
nicht abgedruckt.
der Baubeamten.
hofes sowohl für die Reichsbeamten, als auch für die
preussischen Staatsbeamten im Sinne der Beamten
entschieden. Namentlich die letzte Entscheidung ver-
breitet sich ausführlich über alle Rechtsausführungen des
Fiskus, sie widerlegend, so dass jetzt wohl die Rechte der
Beamten als feststehend angesehen werden können.
Wenn die Baubeamten für eine Zeit, während deren
sie Privatbeschäftigung gehabt und aus der Staatskasse
keine Besoldung empfangen haben, späterhin Pension for-
dern, so kann das zunächst befremdend klingen. Die eigen-
thümlichen Verhältnisse, die früher im Staatsbaufache
herrschten, brachten es aber mit sich, dass solche Privat-
beschäftigungen bei den meisten Bauführern und Bau-
meistern nothwendig waren, und es entspricht — wenn
man von der Rechtsfrage absieht — auch der Billigkeit,
dass den Beamten die fragliche Zeit unverkürzt ange-
rechnet wird. Die letzte Entscheidung des Reichs-
gerichtes hat eine Reihe wichtiger staatsrechtlicher Fra-
gen erörtert, von denen in dieser Zeitung hauptsächlich
folgende von Interesse sind.:
a) Der Kläger war erst im Jahre 1867 vereidigt wor-
den, nachdem er schon 1863 die Bauführerprüfung be-
standen hatte und in verschiedenen Staatsstellen beschäftigt
worden war. Nach dem Ausspruche des Reichsgerichtes
stand dem Kläger der Beweis offen, dass er schon vor
der Vereidigung in den Staatsdienst getreten war, und
diesen Beweis sieht das Reichsgericht als geführt an.
vorhanden und musste zumtheil viele Kilometer weit her-
angeschafft werden.
Die elementare Gewalt der Tropenregen verursachte
während der Bauausführung mehrfach erhebliche Be-
schädigungen des Bahnkörpers, wodurch wesentliche Ver-
zögerungen des Baufortschrittes entstanden.
Besonderes Augenmerk musste der Lage und den
Abmessungen der Bauwerke geschenkt werden. Vor
allen Dingen war ein eingehendes Studium der Hoch-
wasser-Verhältnisse und der Zuflussgebiete zu den ein-
zelnen Brückenöffnungen nothwendig: eine nicht leichte
und langwierige, aber ausserordentlich wichtige Aufgabe
für den Erbauer von Tropenbahnen, die in geschickter
Weise gelöst wurde. Es sind imganzen 135 Bauwerke,
einschliesslich der Rohrdurchlässe, zur Ausführung ge-
kommen. Die grösste Spannweite der gewölbten Durch-
lässe beträgt lo die Stützweite der bedeutendsten eiser-
nen Ueberbauten 18“ (in 42,3, Uebergang über den
Mnyuzi- und Luengerafluss). Diese Ueberbauten bestehen
aus Parallelträgern mit zwischenliegender Fahrbahn und
sind derartig ausgebildet, dass sie in wenigen Tagen und
ohne Nietung auf der Baustelle zusammengesetzt werden
konnten. Der grösste Theil der Ueberbauten wurde aus
Deutschland bezogen; nur wenige sind in der Eisenbahn-
Werkstätte in Tanga hergestellt worden.
Die Gründungen der Bauwerke waren meist einfache.
Nur im Luengerathal wurden theils tiefe Betonfundamente,
theils Pfahlroste (Luengerabrücke) nothwendig. Das Mauer-
werk besteht fast ausnahmslos aus Gneis von vorzüglicher
Beschaffenheit, der sich überall unweit der Baustellen vor-
fand. Aus diesem Gneis wurde auch ein treffliches Schotter-
material von grosser Härte gewonnen.
Bei den Rohrdurchlässen machte man auch einen
Versuch mit Zementrohren, die an Ort und Stelle fertig
zum Verlegen hergestellt wurden. Leider haben sich
diese Rohre nicht bewährt; sie vermochten nicht ein-
mal dem aufruhenden Erddruck zu widerstehen*). — Die
Stations- Anlagen sind den Verhältnissen entsprechend
einfach. Für die europäischen Sireckenaufseher sind
alle 5 km massive Wärterhäuser vorgesehen, die je 2 ge-
räumige Zimmer enthalten. Dabei ist auf möglichst ge-
sunde Lage der Wärterhäuser Bedacht genommen worden,
einige der Häuser dienen zugleich als Stationsgebäude. In
Muheza sind ausserdem ein Beamtenwohnhaus und ein Loko-
motivschuppen mit 2 Ständen errichtet worden, während
in Tanga der Bau eines grösseren Lokomotivschuppens
und eines Haupl-Magazingebäudes bewerkstelligt wurde.
Für den Oberbau sind Eisenschwellen zur Verwen-
dung gekommen, da sich Holzschwellen aus besten Hölzern,
selbst bei vorzüglicher Imprägnirung, nicht bewährt haben.
Mit dem Verlegen des Oberbaues wurde Anfang igor be-
gonnen, nachdem die Erdarbeiten in der Hauptsache voll-
endet waren und die Brückenbauten ihrer Vollendung ent-
gegengingen. Es wurden nach einander eröffnet die
Strecken Muheza-Bombuera (i. Juli 1901), Muheza-Kihuhwi
(26. August 1901), Muheza-Mnyuzi (5. November 1901) und
am 15. März 1902 wurde die gesammte Strecke Muheza-
Korogwe dem Betriebe übergeben. Damit war die so noth-
wendige Verbindung der Küste mit Usambara hergestellt.
Die Gesammtkosten der 44,2 langen'.Strecke Muheza-
Korogwe belaufen sich auf etwa 3,8 Mül. M., woraus sich
die Kostensumme von rd. 86000 M. für i ergiebt.
Das Unternehmerthum setzte sich fast ausschliess-
lich aus Griechen und Italienern zusammen, die im all-
gemeinen zur Zufriedenheit gearbeitet haben, ohne dass
ein grosser Theil derselben wirkliche Fachkenntnisse besass.
Deutsche fachmännisch gebildete Unternehmer haben sich,
mit einer Ausnahme, bedauerlicherweise nichtum grössere
Arbeiten beworben, bei deren Ausführung ein schöner
Verdienst zu erwarten war. —
*) Anmerkung der Redaktion. Dieser Misserfolg dürfte wohl
den ungeübten Arbeitskräften zuzuschreiben sein.
15. November 1902. 587
Richard WagQCT-Strasse.
b) DerFiskus'hatte bestritten, dass den Kläger durch leistungen angenommene Personal nur in einem gewöhn*
die Vereidigung Beamteneigenschaft erlangt
habe. Das Reichsgericht hat dies zunächst durch Hin-
weis auf die in allen Staatsdienstzweigen einlreten-
den Folgen der Vereidigung zurückgewiesen, indem es
liehen bürgerlich - rechtlichen Arbeitsverhältnisse zum
Staate steht und die Vereidigung ausgesprochener*
maassen nur zu dem Zwecke erfolgt, für bestimmte, nur
ausnahmsweise eintretende Fälle dem Arbeiter die Eigen-
gegeben und dass die dieser nach Maassgabe des gelten- „Es trifft demnach nicht zu, wenn in der von dem
den Staatsrechtes zustehende Befugniss zur Verfügung Beklagten mitgetheilten Denkschrift betreffend die Dienst-
über die Arbeitskraft der Beamten grundsätzlich anerkannt und Rangverhältnisse der bautechnischen Beamten vom
war. Es heisst weiter in dem Urtheile: Jahre 1874 S. 3 ausgeführt wird, einer Disziplin oder Kontrole
15. November 1902,
589
seitens der Staatsbehörden seien die Bauführer und Bau-
meister bis zu ihrer Anstellung als Land-, Wasser- oder
Kreisbaumeister weiter nicht unterworfen worden. Ob
die Ueberwächüng der Beschäftigung der Bauführer und
Baumeister, soweit sie nicht im Staatsdienste selbst statt-
fand, durch den Minister für Handel, Gewerbe und öffentl.
Arbeiten eine mehr oder minder strenge war oder, wie
die Revision behauptet, thatsächlich rein formell gehandhabt
wurde, kann , auf die Rechtslage, wie sie durch, die in den
mitgetheilten Vorschritteii den Bauführern und Baumeistern
unter Androhung der Zurückweisung von der Baumeister-
Prüfung und der Nichtberücksichtigung bei der Besetzung
der Staafsbeamtenstelieh- äuferlegten Verpflichtungen ge-
schaffen war, keinen Einfluss ausüben/' .... „Die Be-
schäftigung der Bauführer bei. nicht staatlichen Bauaus-
führungen war immer ein Tlieil des staatlich vorge-
schriebenen Vorbereitungsdienstes für die Bau-
meister-Prüfung, die den Zugang zu den festen Staats-
Baubearhtenstellen .eröffnete. Ebenso war die Freigabe
der Thätigkeit der Baürheister bis zu ihrer festen
Anstellung nur eine Folge der thatsächlich bestehenden
Unmöglichkeit, sie säm'mtlich bis , dahin . bei staatlichen
Bauten zu beschäftigen; aber die oben dargestellten Ver-
pflichtungen, denen sie trotzdem der staatlichen Aufsichts-
Behörde gegenüber unterworfen blieben-, prägten dieser
Beschäftigung doch stets den Charakter einer vorüber-
gehenden-, das Staatsdienst- Verhältniss nicht aufhebenden
Thätigkeit auf, die es dein Baumeister eben nur ermög-
lichen sollte, sich für seine Anstellung in einem festen
Staatsamte überhaupt zu erhalten und ihm die nöthige
fortdauernde Uebung in seinem Berufe zu gewährleisten.“
d) Das Reichsgericht hält ferner an den älteren Ent-
scheidungen insofern fest, als es die gesammte Laufbahn
eines höheren Staatsbeamten vom Zeitpunkte seines
Diensteintrittes an als ein fortdauerndes Dienst-
. verhältniss ansieht, ohne Unterschied, inwieweit sie sich
aus der Wahrnehmung eines bestimmten etatsraässigeri
oder nicht etatsmässigen Staatsamtes oder zunächst aus
bloss vorbereitender Beschäftigung für die Erlangung der
Fähigkeit zu einem solchen zusammensetzt, sofern sie nur
nicht durch wirkliches Ausscheiden aus dem unmittelbaren
Staatsdienste beendigt wird. Von diesem Gesichtspunkte
aus hat das Reichsgericht dem Kläger die im Dienste
der Stadt Berlin und der provinzialständischen
Zentralverwaltung der Rheinprovinz zugebrachte
Zeit als „Dienstzeit“ angerechnet.
e) Schliesslich ist ausgesprochen, dass die vor der
Vereidigung erfolgte Beschäftigung des Klägers bei dem
nicht mit Staatsmitteln, sondern für Rechnung des
west rheinischen Bezirks -Strassenfonds ausge-
führten Strassenbau von Boppard nach Simmern, dennoch
eine staatliche Beschäftigung gewesen sei, weil der Bau
unter Leitung des Staates stattgefunden habe und der
Staat den Kläger als seinen Beamten zu diesem Bau ab-
geordnet habe. —
Wir hoffen, dass es nach dieser Entscheidung die
.Baubeamten nicht mehr nöthig haben werden, ihr Recht
in schwierigen und langwierigen Prozessen zu erkämpfen.
Wenn auch der Ausgang der .Prozesse ziemlich zweifellos
war und der Sieg in keiner Instanz ausgeblieben ist, so
haben die Prozesse doch stets die Ungewissheit lange auf-
recht erhalten und die Kläger wegen der mit der Prozess-
führung verbundenen grossen. Kosten in bange Sorge
versetzt. Wir glauben, die Akten über diese Streitfrage,
die seit sieben Jahren die Baubeamtenschaft erregt, jetzt
schliessen zu können.
"Dem Unterzeichneten sei es nur noch gestattet, der
„Dtschn. Bauztg.“ seinen Dank dafür auszusprechen, dass
sie ihm stets bereitwilligst ihre Spalten geöffnet und da-
durch den Bau-Beamten einen Vortheil verschafft hat, der
auf andere Weise kaum zu erreichen war. —
Landrichter Dr. Boethke in Berlin.
Zur Prüfung von Portland-Zement nach den „Normen für einheitliche Lieferung und Prüfung von
Portland-Zement/*')
ie bekannt, hatten sich die kgl. mechanisch- tech-
nische Versuchsanstalt zu Charlottenburg und
der Verein deutscher Portland-Zerhent-Fa-
brikanten zu gemeinsamer Arbeit vereinigt, um eine
Neuregelung der vom preuss. Minister der öffentl. Arbeiten
mittels Erlass vom lo. Nov. 1878 anerkannten und einge-
führten, später durchgesehenen und mittels Runderlass
vom 28. Juni 1887 von neuem genehmigten preuss. „Nor-
men für einheitliche Lieferung und Prüfung von
Portiänd-Zement“ durchzüführen, da sich die Noth-
wendigkeit herausgestellt hatte, diese Vorschriften dem
mit der zunehmenden Verbesserung der Zementfabrikation
sich ändernden Wesen der Erzeugnisse besser anzupassen
und namentlich einzelne wichtige Bestimmungen der „Nor-
men“, die eine verschiedenartige Auslegung zulässen, ge-
nauer festzulegen.
Insbesondere war es ausser der Bestimmung des
WasserzüsatZeS zum Normen-Mörtel die Frage des Misch-
verfahrens, welche dringend einheitlicher Regelung be-
durfte, da es. wegen 'der bisherigen unklaren Vorschriften
fast unmöglich geworden war, an verschiedenen Versuchs-
stellen zu vergleichbaren, geschweige denn übereinstimmen-
den Ergebnissen bei Prüfung ein und desselben Zementes
trotz anscheinend genauer Beobachtung der Ausführungs-
Bestimrrfüngen zu gelangen. Dazu kam die Frage der Be-
schaffung eines gleichartigen Normal • Sandes, sodass die
Verhältnisse schliesslich ' schleunige Abhilfe erforderten.
Nachdem die Frage der Gewinnung von durchaus
zuverlässigem Normal-Sand, eine befriedigende Lösung
gefunden hatte’), galt es, auch für das Mischverfahren bei
der Prüfung mit Normal-Sand und für die Bemessung des
Wasserzusatzes zum Normen-Mörtel— welche beide Fragen
nicht von einander zu trennen waren — geeignete und
einheitliche Vorschriften aufzustellen.
Bekanntlich schreiben die preuss. Normen hinsichtlich
der Herstellung des Normen-Mörtels'2) nur vor, dass die
Mischung von Zement und, Normalsand in einer Schüssel
zunächst trocken und nach Zusätz von 10 % Wasser feucht
gemischt und zwar 5 Minuten lang tüchtig durchgearbeitet
werden soll.
War man schon -im.,- Laufe der Zeit infolge Mangels
genauer Bestimmungen über die zu benutzenden Geräthe
dazu übergegangen, 'an den verschiedenen Stellen mit
verschiedenen Geräthen verschiedenartig zu mischen, so
*) Anrtierknh| der Redaktion. Die vorstehendea Mittkeiluügen
kommeQ infolge Raummangels erst verspätet zum, Abdruck.
Protokoll der Verhandlungen des Vereins deutscher Portland-
Gement-Fabrikanten. 1901.
2) I Gewichtstheil Zement -j~ 3 Ge-wichtstheile Normal-Sand.
wurde die Einführung einer einheitlichen Vereinbarung
für die Herstellung des Normen-Mörtels um so dringender,
als man selbst an den maassgebenden Versuchsstellen von
der Einhaltung des nach den Normen für alle Zemente
vorgeschriebenen Wasserzusatzes von lo % bereits abwich,
weil die Erfahrung gelehrt hatte, dass dieser Zusatz für
Portland-Zemente, wie sie nach Aufstellung der „Normen“
in Deutschland erzeugt wurden, nur in den seltensten
Fällen passten, vielmehr den Mörtel (i Gewthl. Zement -J-
3 Gewthle. Normal-Sand) fast stets zu feucht und somit
zum Einschlagen in die Formen ungeeignet machten. So
verstand es sich von selbst, dass der Wasseranspruch der
Eigenart der Zemente angepasst werden musste, weil be-
kanntlich die Festigkeit des Mörtels durch die Höhe des
Wasserzusatzes ausserordentlich beeinflusst wird.
Von der vorgenannten Versuchsanstalt und den Mit-
gliedern des bestehenden Ausschusses zur Fesstellung der
Geräthe für die Prüfung von Portland-Zement wurden
umfangreiche Versuche behufs Erprobung verschiedener
Mischverfahren und zur Ermittelung des Einflusses der
Art des Mischens und der Mischarbeit auf die Festigkeit
des Normenmörtels ausgeführt. Das Ergebniss führte zu
dem Beschluss, anstelle des bis dahin üblichen Mischens
von Hand das maschinelle Mischverfahren einzuführen,
um den Einfluss der Handarbeit, die viel Willkürlichkeiten
gestattete, auszuschliessen, besonders nachdem sich heraus-
gestelit hatte, dass der wahrscheinliche Fehler der mit
der Maschine gemischten Proben kleiner wird, als der
wahrscheinliche Fehler bei der Handmischung an ver-
schiedenen Orten’’).
Als Mischapparat wurde der von Dir. Steinbrück in
Karlstadt a. M. ersonnene und von der Masch.-Fabrik
A. Schmelzer in Magdeburg gebaute Apparat gewählt.
Nachdem dieser noch einige Verbesserungen erfahren
hatte, einigten sich im Februar 1901 die Versuchsanstalten
zu Stuttgart und Charlottenburg mit dem Verein deutscher
Portland-Zement-Fabrikanten zu einem festen Beschlüsse
hinsichtlich des Mischverfahrens und gleichzeitig eines
Verfahrens für die Bestimmung des Wasserzusatzes, der
dem preussischen Minister mit der Bitte um sinngemässe
Anerkennung als Zusatz zu den preussischen Normen vor-
gelegt wurde. Diesem Gesuch ist mittels Zirkularerlasses
des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom ig. Februar
d. J. entsprochen worden. Wegen der allgemeinen Be-
deutung dieses Erlasses für das Baugewerbe im allge-
meinen und die Baubehörden im besondern, sei dieser
8) Prolokoll der Verhaadlungen des Vereias deutscher Portland-Ze-
ment-Fabrikanten 1901.
590
No. 92.
nachstehend im Wordaut wiedergegeben. „Die im Ab-
satz VI. der Normen für die einheitliche Lieferung und
Prüfung von Portland-Zement vom 28. Juli 1887 gegebe-
nen Vorschriften zur Anfertigung der Zement-Sandproben
(Zugproben und Druckproben) werden durch folgende
Bestimmungen ersetzt:
Herstellung des Normen-Mörtels (1:3) und der
Probekörper für die Festigkeits-Versuche,
a) Mischen des Mörtels.
Das Mischen des Mörtels aus i Gew.-Thl. Zement und
3 Gew.-Thl. Normal-Sand soll mit der Mörtel-Mischmaschine
Bauart Steinbrück-Schmelzer^), Abb. i, wie folgt geschehen;
SoofZement und 1500 g Normalsand werden zunächst trocken
mit einem LöffeH) in einer Schüssel Vs Minute lang ge-
mischt. Dem trockenen Gemisch wird die vorher zu be-
stimmende Wassermenge zugesetzt. Die feuchte Masse
wird abermals V2 Minute lang gemischt, dann in dem
Mörtelmischer gleichmässig vertheilt und durch 20 Schalen-
umdrehungen bearbeitet.
b) Bestimmung des Wasserzusatzes.
Die Ermittelung des Wasserzusatzes zum Normen-
Mörtel erfolgt unter Benutzung von Würfelformen in fol-
Abbildg. 1 a— c. Mörtelmischer Bauart Steinbr ück-Schm elzer.
gender Weise ; Trockene Mörtel-
gemische in oben angegebener
Menge werden beim ersten Ver-
such mit 160 g (8Vo) und, wenn
nöthig, beim zweiten Versuch
mit 200 g (10 0/0) Wasser ange-
macht und im Mörtelmischer,
wie vorgeschrieben, gemischt.
860 g des fertig gemischten
Mörtels werden in die Druck-
form, deren Aufsatzkasten am
unteren Rande mit zwei Nufhen
nach Abbildung 2 versehen
ist, gefüllt und im Hammer-
Apparat von Böhme (mit Fest-
haltung nach Martens) mit 150
Schlägen eingeschiagen.
Nach dem Verhalten des
Mörtels beim Einschlagen ist zu
beurtheilen, welcher Grenze der
richtige Wasserzusatz am näch-
sten liegt; danach sind die Ver-
suche mit verändertem Wasser-
zusatz fortzusetzen.
Der Wasserzusatz ist richtig
gewählt, wenn zwischen dem
90. und 110 Schlage aus einer
der beiden Nuthen Zementbrei
auszufliessen beginnt.
Das Mittel aus 3 Versuchs-
körpern mit gleichem Wasser-
zusatz ist maassgebend und gilt
sowohl für Anfertigung der Zug-,
als auch der Druckproben.
Der Austritt des Wassers
erfolgt bei noch trockenen Aufsatzkästen langsamer, als
bei schon einmal benutzten; deshalb ist der Versuch bei
erstmaliger Benutzung des Aufsatzkastens unsicher.
Die Beurtheiiung des Wasseranspruchs nach dem
Schlammaustritt bei Zugproben ist unzuverlässig,
c) Herstellung der Probekörper.
Die Anfertigung der Probekörper aus Normen-Mörtel
für die Zug- und Druckversuche'soll wie folgt geschehen;
*) Die Apparate können durch das chemische Laboratorium für Thon-
industrie, Berlin N.W. 5, bezogen werden.
15. November 1902.
180 S des vorschriftsmässig gemischten Mörtels werden
in die Normal Zugforraen und 860 g Mörtel in die Normal-
Würfelformen gebracht und im Hammerapparat (Bauart
Böhme) mit Festhaltung (Bauart Martens) unter Anwendung
von 150 Schlägen eingeschlagen.
Die aus 500 g Zement und 1500 g Normal-Sand ange-
machte Mörtelmenge reicht zur Anfertigung von 2 Zug-
proben und 2 Druckproben aus.
Die Körper werden mit der Form auf nicht absaugender
Unterlage in feucht gehaltene bedeckte Kästen gebracht
und die Zugproben nach etwa 1/2 Stunde, die Druckproben
nach etwa 20 Stunden entformt, 24 Stunden nach erfolgter
Herstellung kommen die Körper aus den Kästen unter
Wasser von 15— i8°C, aus dem sie erst unmittelbar vor
der Prüfung entnommen werden dürfen." —
Im Anschlüsse hieran sei die Beschreibung des im
Vorstehenden genannten Mörtelmischers, der in seiner
Konstruktion dem Leserkreise d. Ztg. wenig bekannt sein
dürfte, an Hand der Abbildg. la— c beigefügt.
Der in der Abbildung dargestellte Apparat, besteht
aus einer Mischschale s, in welcher der Mörtel unter dem
Gewicht der in gleicher Richtung wie die Schale, aber
mit anderer Geschwindigkeit laufenden Walze to nieder-
gedrückt und ausgestrichen wird, um darauf an den beiden
Abstreichern m und n wieder aufgelockert und gewendet
zu werden. Die Abstreicher können mit dem Hebel h zu-
sammen zurückgeschlagen werden und auch die Achse der
Walzern kann ausgehoben und zurückgelegt werden; als-
dann lässt sich der Apparat bequem entleeren und von
anhaftendem Mörtel reinigen.
Der Antrieb der Schale s und der Walze w erfolgt,
wie aus der Abbildung ersichtlich ist, durch Zahnräder,
die ihrerseits von Hand mittels einer Kurbel oder mit
Riemen oder Riemenscheiben mechanisch bewegt werden.
Im letzteren Falle wird der Riemen an die Riemenscheibe
durch eine Spannrolle angedrückt, die mittels eines Hebels
leicht ausgerückt werden kann, so dass der Apparat nach
der vorgeschriebenen Umdrehungszahl augenblicklich zum
Stillstand kommt. Die Umdrehungs-Geschwindigkeit der
Misch-Schüssel ist so zu bemessen, dass diese im Vollgange
8 Umdrehungen in i Minute macht. ,
Der V2 Minute lang in der Misch-Schüssel feucht ge-
mischte Mörtel wird in der Misch-Schale gleichmässig ver-
theilt, und zwar soll jedesmal die Masse von 500 S Zement^)
Grössere Mengen vermag die Schale nicht zu fassen. Im übrigen
würde auch bei Verwendung verschiedener Mörtelmengen der Mörtel ver-
schieden stark bearbeitet und infolge dessen seine spätere Festigkeit be-
einflusst werden.
591
und 1500 i Normal-Sand nebst dem dazu gehörigen Wasser
zum Mischen in die Schale gebracht werden.
Nach 20 Umdrehungen, also nach 2V2 Minuten, wird
der Arm h mit den beiden Abstreichern m und n und der
Hebel, welcher die Walze iv trägt, aufgeklappt und die
Misch-Schale mit einer eigens hierfür konstruirten Schippe
geleert. Zu beachten ist, dass beim Mischen der unter
der Walze vorkommende Mörtel zuerst den Abstreicher m
und dann erst den Abstreicher n passirt.
Um zu übereinstimmenden Ergebnissen bei Prüfung
eines Zementes an verschiedenen Orten zu gelangen,
müssen natürlich die benutzten Apparate in ihren wesent-
Vermischtes.
Ein Volksheim in Jena. Als eine grossartige Schöpfung
der Carl Zeiss-Stiftung ist in Jena nach den Plänen des
Hrn. Brth. Dr. A. Rossbach in Leipzig eine Anlage be-
gonnen und vor kurzem in ihrem ersten Theile vollendet
worden, welche auf ein Interesse in weiten Kreisen wird
rechnen können. Es ist ein Volksheim, welches als eine
grössere Gebäudegruppe errichtet wird, die einen Saalbau
mit Bühne für etwa 1400 Plätze für politische, gesellschaft-
liche, musikalische und theatralische Veranstaltungen, Aus-
stellungsräume für künstlerische und industrielle Zwecke,
Hörsäle für wissenschaftliche und volksthümliche Vorträge,
sowie eine Lesehalle mit Volksbibliothek umschliesst. Letz-
tere ist als erster Theil der Anlage kürzlich vollendet wor-
den. Dem Stadtcharakter entsprechend w^lte der Architekt
für sie bei gruppirter Anlage die Formen der deutschen
Renaissance unter sparsamer Verwendung des malerischen
Fachwerkes. —
Das Atelier für Glasmalerei des Prof. A. Linnemann In
Frankfurt a. M. wird von den Söhnen des Verstorbenen,
den Hrn. Rudolph und Otto Linnemann, beide Schüler
ihres Vaters, die ihm lange Jahre als Mitarbeiter zur Seite
gestanden haben, in unveränderter Weise fortgeführt wer-
den. Die Künstler versichern, dem Beispiele ihres Vaters
wenigstens insoweit folgen zu wollen, „als uns nur die Liebe
zu unserer Kunst und die Freude an den uns gestellten
Aufgaben, nie aber andere Interessen leiten werden“. —
Prei-sbewerbungen.
Die architektonische Ausgestaltung des Brigittaplatzes
In Wien war zum Gegenstände eines Wettbewerbes ge-
macht, der sich auf die Entwürfe für ein neues Amtshaus
und für zwei dasselbe flankirende städt. Zinshäuser bezog.
Es liefen 19 Entwürfe ein. Dem Preisgerichte gehörten
an: Brth. Deininger, Ob.-Brth. Berger, Arch. Jelinek,
Prof. König, Arch, Urban und Ob.-Brth. Otto Wagner.
Das Preisgericht verlieh die 3 ausgeschriebenen Preise
den Entwürfen der Hrn. K. Badstiebner, Arth. Streit
und M. Mossbäck; die Entwürfe der Hrn. R. Tropsch,
R. H. Krausz und R. Bernt wurden zum Ankauf em-
pfohlen. Eine aus den Hrn. Brth. Deininger, Ob.-Brth.
Wagner und Arch. Urban bestehende Minorität des
Preisgerichtes wollte die Preise an die Hrn. Badstiebner,
Tropsch und H. Mayer in Gemeinschaft mit E. Hoppe
vertneilen. —
Chronik.
Zu der evangelischen Stephanskirche in Berlin, die sich
aa der Ecke der boldinerstrasse und der Prinzen-Allee erheben
■wird, ist kürzlich der Grundstein gelegt worden. Der Entwurf
stammt von Hrn. Brth. Bürckner; die Kirche wird rsoo Sitzplätze
enthalten und rd. 500000 M. kosten. —
Zur Anlage eines Zentralfriedhofes Südwest von Berlin
ist bei Stahnsdorf ein Gelände von etwa 600 preuss. Morgen er-
worben v/orden. —
Das neue Oberpostdirektions- Gebäude zu Königsberg
i. Pr., ein mit einem Anfwande von 950000 M. errichteter statt-
licher Monumentalbau, ist kürzlich in Benutzung genommen worden.
Das Gebäude ist im Stile der mittelalterlichen Backsteinbaukunst
der norddeutschen Tiefebene errichtet. —
Eine Wiederherstellung des Schlosses Tirol bei Meran,
welches sich im Staatsbesitz befindet, wird durch den Architekten Alois
Gstrein von Brixen geleitet. Wie es scheint, sind neben der eigent-
lichen Wiederherstellung umfangreicheErgänzungsarbeiten geplant. —
Für die Errichtung eines königlichen Residenzschlosses
in Posen sind die Verhandlungen eingeleitet. —
Ein vaterländisches Museum in Braunschweig. Durch
die Verbindung des Chores der in ihren übrigen Bautheilen bau-
fälligen Paulinerkirche , die niedergelcgt werden soll, mit dem
Aegidienkioster wird in Braunschweig eine Museums-Anlage ge-
schaffen, welche in ihren Grundzügen auf das System des Ger-
manischen National-Museums in Nürnberg zurückgeht. —
Eine neue Filiale der bayerischen Bank in Passau ist
nach den Entwürfen des Architekten Dir. Kempf in Passau er-
richtet worden. —
Zur Aufstellung eines Mozartdenkmales in Dresden soll ein
Wettbewerb unter sächsischen Künstlern ausgeschrieben werden. —
592
liehen Theilen unter einander und namentlich mit den in
der Versuchsanstalt zu Charlottenburg verwendeten über-
einstimmen. Die Sollmaasse und Gewichte für den Mörtel-
mischer sind in folgender Tabelle zusammengestellt;
Gewicht j Dicke ,
1 Durch- !
Abstand x
der Mischwalze 1
j der Walze
1 punkt der
1 Schale bis
i Mitte Walze
mit Achse j ohne Achse j
■ 1
1 Schale
kg 1 kg i
: cm
21,5-22,0 j 19,1-19,4 8,08
20,25-20,35
1 0,50—0,60
! 19,7—19)8
Btz.
Der Plan einer elektrischen Schnellbahn Brüssel-Ant-
werpen als Schwebebahn System Langen geht von der Societe
Cockerill in Seraing aus und wird in Gemeinschaft mit der „Kon-
tinentalen Gesellschaft für elektrische Unternehmungen'' in Nürn-
berg verfolgt. —
Die neue Bethanienkirche ln Neu-Weissensee bei Berlin
(s. Chronik S. 568) ist nach dem Entwürfe des Hrn. Geh. Reg.-Rath
V. Tiedemann unter der Leitung des Hrn. Reg -Bmstr. Leibnitz,
dem auch die Ausarbeitung des Entwurfes und die Anfertigung der
Zeichnungen für den inneren Ausbau übertragen waren, errichtet
worden. —
Brand des Theaters in Reval (Esthland). Am 8. Nov. ist
das Stadttheater von Reval vollständig niedergebrannt. Dasselbe
ist schon einmal abgebrannt, und zwar im Jahre 1855. Dieses Ge-
bäude war i8o2 erbaut worden. Der Neubau wurde 1860 vollendet
und eröffnet und erst im vorigen Jahre wieder umgebaut und mit
einer neuen Beleuchtungsanlage versehen. —
Der Neubau der Seehandlung am Gensdarmen-Markt in
Berlin, der nach Plänen errichtet wird, die im preuss. Ministerium
der öffentl. Arbeiten unter der Leitung der Hrn. Geh. Brth.Kieschke
und Bauinsp. Kern entworfen wurden und von Hrn. Landbauinsp.
Bürde geleitet wird, dürfte in der zweiten Hälfte des nächsten
Jahres seiner Bestimmung übergeben werden. —
Die Errichtung eines Museums am Friedrichsplatze in
Mannheim, gegenüber der neuen Festhalte des Architekten Prof.
Bruno Schmitz in Berlin, wird durch eine Stiftung des General-
konsuls Reiss ermöglicht. —
Brand der Genofeva-Burg bei Mayen, Reg.-Bez. Koblenz.
Das alte Wahrzeichen der Stadt Mayen, der hohe Thurm derGeno-
feva-Burg nebst den anstossenden alten Burggebäuden ist gestern
abgebrannt. —
Personal-Nachrichten.
Preussen. Dem Reg.- u. Brth. Herr in Berlin und dem
Stadtbmstr. Thoma in Freiburg i. B. ist der Rothe Adler-Orden
IV. Kl. und dem Reg.-Bfhr. Hugo Schneiders in Schroda ist
die Rettungs-Medaille am Bande verliehen.
Versetzt sind: die Wasser-Bauinsp. V i s a r i u s von Düssel-
dorf nach Osnabrück und Volk von Glückstadt nach Geestemünde
und der Kr. -Bauinsp. Krücken von Lauenburg nach Weilburg.
Dem Eisenb.-Dir. Schumacher in Potsdam ist der Char.
als Geh. Brth. verliehen.
Der Arch. Hruby und der Reg.-Bmstr. Teutschbein an der
Baugewerkschule in Nienburg a W. sind zu kgl. Ob.-Lehrern ernannt.
Die Reg.-Bfhr. Wilh. Rettig aus Kassel und Edw. Klee-
mann aus Berlin (Hochbfeh.), — Jul. J a c 0 b y aus Nauen (Wasser-
u. Strassenbfeh.), — Karl Andre aus Wolfenbüttel, Alfr. B a um-
g a r t e n aus Euskirchen, Heinr. Voigt aus Berlin u. Erich G i e s e
aus Küstrin (Eisenbfeh.), — Rieh. Bartholomäus aus Erfurt
(Masch.-Bfeh.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Dem Reg.-Bmstr. Gg. Benthien in Berlin ist die nachges.
Entlass, aus dem Staatsdienste ertheilt.
Sachsen-Weimar. Der Brth. Hässner in Neustadt a. d. Orla
ist gestorben.
Württemberg. Der Reg.-Bmstr. Fell in Niederstetten ist
zum Abth.-Ing. bei der Eisenb.-Bausekt. Mühlacker befördert.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. C. in Stassfurt. Wir nehmen an, dass Ihre nicht
genau gefasste Anfrage dahin zu verstehen ist,' dass der Betreffende
den Entwurf der Villa aufgestellt, die Ausführungs-Zeichnungen ge-
fertigt und dann die Oberleitung beim Bau ausgeübt hat. In diesem
Falle kommen ihm rd. 5”o der Bausumme zu und zwar der that-
sächlichen Kosten, da diese auf Veranlassung des Bauherrn sich
entsprechend erhöht haben. Ist lediglich die Bauleitung (auch ohne
Anfertigung der Bauzeichnungen) ausgeübt worden, so sind nur
20 “/o obigen Honorars zu verrechnen. Bestimmungen, bei welcher
Entfernung vom Wohnort der Weg besonders zu vergüten ist, ent-
hält die Gebührenordnung nicht. Bei staatlichen Dienstreisen ist
eine Mindestentfernung von 2 km erforderlich, die in Ihrem Falle Ja
wesentlich überschritten ist. Der Diätensatz ist niedrig bemessen. —
Anfragen an den Leserkreis.
Giebt es einen Submissions-Anzeiger für Kirchenbauten oder
eine Zeitschrift, die sich nur mit solchen Bauten beschäftigt? —
V. d. B. in M.
Inhalt: Das neue Stadttheater in Köln. — Zur Vollendung der Usambara-
batm in Deulsch-Ostafrika. — Zur Peasionirurg der Baubeamten. — Zur
Prüfung von Poriland-Zement nach den Normen für einheitliche Lieferung
und Prüfung von Portland-Zement. — Vermischtes. — Preisbewerbungen.
— Chronik- — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasteo.
Hierzu eine Bildbeilage: Das neue Stadttheater in Köln.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wüh. Greve, Berlin.
No. 92.
JAHRGANG 1902 - NO- 92 *
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 93. Berlin, den 19. November 1902.
KaisersaaPder deutschen Abtheilung. Architekt: Herrn. Billiag in Karlsruhe i. B.
I. Internationale Ausstellung für moderne dekorative Kunst ln Turin im Jahre 1902.
Die elektrische Stadtbahn von Paris.
(Nach einem Vortrage, gehalten itn Hamburger Arch.-
ährend die englischen Grosstädte schon lange zur
Bewältigung des örtlichen Verkehrs Stadtbahnen
mit Voll- oder Kleinbahn-Charakter besitzen, ist man
in Paris erst in jüngster Zeit zur Anlage von Stadtbahnen
geschritten*). Der Stadtverkehr war bis zum Jahre 1900
auf Omnibus, Pferdebahnen undStrassenbahnen mit Dampf-,
Druckluft- bezw. elektrischem Betrieb angewiesen. Nicht
weniger als 13 verschiedene Systeme sind in Anwendung.
Alle diese Betriebsmittel wirthschaften ungewöhnlich
theuer. Da in Paris sehr viele Leute nahe bei ihrer
Arbeitsstätte wohnen, so ist der werktägliche Verkehr
zwischen letzteren und den Wohnstätten weniger aus-
geprägt, als in manchen anderen Grosstädten. Dagegen
stellt der Feiertagsverkehr überaus hohe Ansprüche an die
Verkehrsmittel. Die vorhandene Gürtelringbahn leistet
für den eigentlichen Stadtverkehr verhältnissmässig wenig.
Das Bedürfniss einer Stadtbahn ist daher schon alt. Eine
Reihe von Entwürfen — theils als unterirdische Voll-
bahnen, theils als Hochbahnen und theils als Röhren-
bahnen nach Londoner Muster gedacht — sind ohne Er-
folg geblieben. Während der Staat grossen Werth auf
den Anschluss der Fernbahnen an die Pariser Stadtbahnen
legte, wünschte die Stadt ein binnenstädtisches Kleinbahn-
netz unter Ausschluss jeder Anschlussmöglichkeit an die
Fernbahnen. Im Jahre 1895 fand im Hmblidc auf die
Weltausstellung von 1900 eine Verständigung zwischen
Staat und Stadt über ein ausschliesslich Pariserisches
Kleinbahnnetz statt. i8g8 wurden sechs Linien gesetzlich
genehmigt und gleichzeitig schloss die Stadt Paris einen
Bau- und Betriebsvertrag mit der neugegründeten „Com-
pagnie du chemin de fer mötropolitain de Paris“ ab, nach
welchem die Stadt den eigentlichen Bahnkörper, die Ge-
sellschaft dagegen die Eingänge zu den Haltestellen, den
Oberbau und alle Betriebs - Einrichtungen herzustellen
*) Vergl. die Mittheilungen im Jahrg. 1900 S. 191 und 403.
und Ing.-Verein von Hrn. Reg.-Bmstr. a. D. Stein.)
hatten. Die weitgehende Trennung von Bau und Betrieb
erscheint ziemlich wenig nachahmenswerth, weil die Be-
triebsrücksichten dabei nicht genügend znr Geltung kom-
men. Es wurde der Bau von 8 Linien von zusammen
78,5 km Länge vorgesehen, von denen 3 bis 1906, 3 bis
1911 und weitere 2 bis 1916 fertig gestellt sein sollten.
Die Zusammensetzung der Linien erwies sich jedoch als
für den Betrieb durchaus ungeeignet, sodass eine ander-
weitige Zusammensetzung nach 8 von einander unab-
hängigen Strecken erfolgen musste. Die Verbindung die-
ser Strecken mit einander beschränkt sich — abgesehen
von Hilfsgleisen — auf den Umsteigeverkehr und ist da-
her sehr vielseitig, aber nicht bequem. Nach den ander-
wärts gemachten Erfahrungen dürfte das Publikum im
Wohnverkehr das Umsteigen möglichst vermeiden und
daher die Durchmesserlinien bevorzugen, die Quer- und
Ringlinien dagegen vernachlässigen. Im Feiertagsverkehr
aber, bei welchem schon jetzt häufig nur vollbesetzte
Züge von den Endstationen abfahren, dürfte der Umsteige-
verkehr leicht zu einer gefährlichen Verstopfung der Um-
steigestationen führen.
Auf der Linie Porte Vincennes-Porte Maillot sind in
den ersten 7 Monaten d. J. durchschnittlich je 5150780
Fahrgäste befördert, entsprechend einem Jahresverkehr
von rd. 6r Mill. Personen und einem kilometrischen Jahres-
verkehr von rd. 5900000 Personen. Der kilometrische
Jahresverkehr beträgt auf den Nebenlinien Porte Dauphine-
Stern und Trocad^ro-Stern gegenwänig 1,65 und MiÜ.
Personen. Die Einnahmen werden in diesem Jahre min-
destens 7900000 M. betragen, bei einem Durchschnitts-
erlös von etwas über 12 Pf. für jede Fahrt. Die Stadt
erhält fast genau Vs der Brutto-Einnahme und erfreut sich
einer sehr guten Verzinsung ihres Anlagekapitals. Sie
würde schon bei einem kilometrischen Jahresverkehr von
rd. 2 Mill. Personen annähernd auf ihre Kosten kommen.
Die Lage der Betriebsgesellschaft ist wesentlich ungünstiger.
593
Die ersten 6 Linien bestehen zu 70,1 % aus Tunneln,
zu 16.3% aus Viadukten und zu 13,6 % aus offenen Ein-
schnitten. Die Wagenb reite des Pariser Profils (2,40“)
hat sich als zu knapp erwiesen. Die grösste Lichtweite
des Tunnels stellt sich auf 7,10“, die Durchfahrtshöhe
auf 3,50 die Gesammthöhe des gewölbten zweigleisigen
Tunnelkörpers auf 6,25
Der Pariser Untergrund besteht aus einem weichen
Kalkstein (Marne) und ist überlagert von mergeligen Sand-
schichten. Er eignet sich wegen des tiefen Grundwasser-
standes ungewöhnlich gut für Tunnelar beiten. Infolgedessen
ist in Paris mit geringen Ausnahmen ein gewölbtes Tunnel-
profil angewendet und nur bei geringer Konstruktionshöhe
sind eiserne Decken ausgeführt worden, welche wegen
des Fehlens von Zwischenstützen wesentlich theurer als
Gewölbe geworden sind. Anfänglich wurde an ii Stellen
mit dem Chagnaud'schen Brustschilde gearbeitet, dieser
Vortrieb hat sich aber nicht sonderlich bewährt und ist
durch bergmännische Zimmerung ersetzt worden. Meistens
wurde nach belgischer Bauweise — Herstellung des Ge-
wölbes in Firststollen und nachträgliche Ausführung der
Widerlager — gearbeitet, z.Th. auch in umgekehrter Reihen-
folge oder in offener Aufgrabung unter Benutzung des Erd-
bodens als Lehrbogen. In der Rivolistrasse wurde in offener
Baugrube bei Sperrung des Fahrvencehres gearbeitet.
Das Mauerwerk besteht theils aus Beton, theils aus
einem rohen Bruchsteinmauerwerk mit Zementmörtel-
Hinterspriizung und innerem Zementputz. Die gewölbten
Haltestellen sind mit weissen Porzellansteinen verkleidet.
Die Eingänge zur Untergrundbahn sind in der Regel für
beide Bahnsteige gemeinschaftlich, die zu diesem Zwecke
oberhalb der Gleise durch Quergänge mit einander ver-
bunden sind. Die Treppenhöhe beträgt infolgedessen meist
nicht unter 6 “i. Die Eingangstreppen sind in den Aussen-
bezirken durch Treppenhäuschen überdeckt, in der inneren
Stadt dagegen unbedeckt und nur mit einem Geländer um-
geben. Diese Maassnahrae und die Anordnung der Ein-
gänge im Einzelnen sind ebenso zweckmässig, wie die
Formen der Treppenhäuschen und Einfassungen eigenartig
und reizvoll. Weder das Strassenbild noch der Verkehr
haben irgend welche Beeinträchtigung erfahren.
Die einzelnen Linien endigen in Schleifen von meist
nur 30 “ Halbmesser. Zahlreiche Verbindungs- und Rück-
stelJgleise sind vorgesehen. Auf dem Bastillenplatz musste
die Bahn der mangelnden Konstruktionshöhe wegen offen
über das Arsenalbecken geführt werden, sehr zum Nach-
theil der Linienführung. Drei Krümmungen von 50“ Halb-
messer folgen aufeinander.
Die im Bau befindliche Linie No. 2 (Nordring) ist
nach den gleichen Grundsätzen entworfen worden, wie
die ersten Linien, enthält aber eine Viaduktstrecke von
fast 2 km Länge zur Ueberbrückung der Nord- und Ost-
bahn und des Kanales St. Martin, Diese Viaduktstrecke
ist infolge grosser Spannweiten (3 Oeffnungen von 73 m)
und ihrer Bauart als eine fortlaufende Reihe von Brücken
mit seitlich liegenden Halbparabelträgern theurer gewor-
den, als die anschliessenden Tunnelstrecken. Sie kostet
für I Ifd. “ rd. 2400 M. Die Ausführung der Fahrbahn aus
Ziegelsteingewölbe zwischen eisernen Querträgern und
Beton- und Zementabdeckung erscheint wegen des grossen
Eigengewichtes unvortheilhaft, Das Aeussere des Viaduktes
steht dank der unruhigen Wirkung der durchweg ungleichen
Parabelträger hinter Viadukten mit geraden Trägern zu-
rück. Die grossartigen Tunnelarbeiten am Place de la
Nation und an der Avenue de Villiers (nachträgliche Unter-
führung der Linie 3) verdienen besondere Erwähnung.
Die Betriebsmittel sind durchweg zweiachsig und
nicht über 9™ lang. Das Wagengewicht (Anhängewagen
leer 8600 kg) wird infolgedessen gering, die Abnutzung in
den Gleisbögen wegen des Radstandes von 3—3,75“ da-
gegen gross. Die Motorwagen, welche je 3 Anhängewagen
schleppen, wiegen leer 18 ' und sind mit 2 Motoren von
je 100 P. S. ausgerüstet. Die Reisegeschwindigkeit beträgt
auf Linie i bei 610“ durchschnittlicher Haltestellen- Ent-
fernung nur etwa 18 km in i St., trotz der sehr kurzen Auf-
enthalte. Sie wird auf Linie 2, deren mittlere Haltesteilen-
Entfernung nur 490 “ ist, noch geringer werden. Mit Rück-
sicht auf die zu erwartende erhebliche Abnutzung durch
den starken Verkehr ist ein besonders schweres Schienen-
profil (52 kg/m) gewählt worden.
Als Signalsystem ist das selbstthätige Hall’sche in An-
wendung. Da jeder Zug durch 2 Blockstrecken gedeckt
sein muss, so liess sich eine raschere Zugfolge als durch-
schnittlich 3 Minuten bisher nicht erreichen. Die Strom-
erzeugung und die Stromzuführung erfolgt nach dem Dreh-
strom Gleichstrom -System von dem Kraftwerke in Bercy
aus. Eine unterirdische Unterstation am Stern speist den
westlichen Theil der Strecke.
Die im Bau befindliche Vollbahnstrecke der Westbahn
von Versailles nach Paris (Invalidenbahnhof) wird gleich-
falls für elektrischen Betrieb ausgerüstet. Auch die Ver-
längerung der Orleansbahn vom Valhubert-Platz nach dem
Orsaykai wird elektrisch betrieben. Da für die Zukunft
eine Gleisverbindung dieser beiden Bahnen geplant ist, so
dürfte sich später eine zweite elektrische Stadtbahn am
südlichen Seineufer herausbilden, in welche auch noch die
Vorortlinie Limours-Sceaux-Paris einmünden soll. Diese
wurde 1893 in eine Bahn gewöhnlicher Bauart umge-
baut, nachdem sie seit dem Jahre 1846 mit 1,75“ Spur,
Krümmungs- Halbmessern bis zu 25“ herab und eigen-
artigen Betriebsmitteln ein Eisenbahn-Kuriosum gebüdet
hatte (vergl. Zeitschrift für Bauwesen 1899 S. 58t). Sie
endet vorläufig noch als Darapfbahn in einer vorzüglich ge-
lüfteten Tunnelstrecke am Luxemburggarten. — Hm.
Die I. internationale Ausstellung für moderne
dekorative Kunst in Turin 1902. (Schluss.)
IV. (Hierzu die Abbildun|;en auf Seite 593, 50, 597 und 599-)
0ir sind jetzt fast in historischer Ferne von der Turiner
Ausstellung, und da sind an uns denn die Thatsachen
mehr in den Raum der Objektivität gestellt, als vor
einem halben Jahre, da uns die Dinge und die Menschen
durch ihre lebendige Nähe den Blick nach aussen sperrten.
Und doch ist das Wesentliche des allgemeinen Urtheils
unverrückt: „dass die deutsche Abtheilung als die gehalt-
vollste sich in der Reihe der übrigen Nationen präsentirte
und dass sie, mehr als jede frühere Ausstellung, ein Spiegel-
bild des heutigen Kunstschaffens in der raumschmücken-
den Kunst gab".
In diesem Sinne löst sich die Beobachtung, dass wir
es heute mit zwei verschiedenen Richtungen in der Innen-
gestaltung des Raumes zu thun haben. Der einen, die den
Raum als Ganzes packt und ihn von Grund aus gestaltend,
in einen einheitlichen formal strengen Gedanken zwingt,
der anderen, die den Raum als etwas Gegebenes ansieht
und ihn, respektvoll schonend, durch ihre Schöpfungen
ergänzt. Dort entsteht der Raum als architektonische Noth-
wendigkeit füglich in der Seele des Schaffenden, an dem
nicht mehr ohne Gefahr für seine künstlerische Einheit zu
rütteln ist; hier ist der Raum Hintergrund, der aus vier
umschliessenden Wänden, der Decke und dem Fussboden
besteht, in unseren Zimmern also ausnahmslos aus ebenen
Flächen besteht, auf welchem sich zwanglos Raumgruppen
abheben.
Das eine ist architektonisch, das letztere malerisch
erfasst. Wir haben zwei bemerkenswerthe Beispiele für
diese Scbaffensart in dem Raum von Br. Möhring und dem
von C. Stöving. Im ersteren die bestimmende Raumkom-
position, die, in sich unlösbar, den Blick des unbefangenen
künstlerischen Beschauers sofort auf die architektonische
Ausstattung weist, im letzteren die willkommene Freiheit im
Schauenden, nirgends ein formaler Zwang, an jedem Winkel
abgetönte Harmonie, in dieman hineintaucht, wie in ein philo-
sophisches Maxim, das uns von den Zufälligkeiten des engen
Heute befreit und uns hinausführt in die himmelweite
Ruhe des ewig Bleibenden. Der Stöving’sche Raum ist
der Raum eines Malers, der da dekorirt, feinsinnig deko-
rirt, damit auch jedem Stück das Recht auf Wirkung
unbeschnitten bleibe und keines den Stimmungskreis des
anderen störe. Hier weckt die Nietzsche-Büste in ihrer
mächtigen Energie zu tiefem Nachsinnen, dort strömt das
Glasfenster eine ansprechende Traulichkeit durch die for-
male Komposition aus; über dem architektonisch geglieder-
ten Saalburger Marmorkamin den verschwimmenden Reiz
der Farbe im Gemälde der „Ton", kurz das Ganze eine Reihe
in sich geschlossener Stimmungen, ein Stimmungsring,
ohne ausgesprochene Bewegungsrichtung in der Kompo-
sition; bei Möhring, um im Bilde zu bleiben, aber ein
Stimmungspolygon, dessen Seiten als Komponenten eine
ganz besiimmte resnltirende Bewegungsrichtung, die nach
dem Gewölbe aufsteigende, in uns erzwingen.
Diese beiden Schaffensarten und Probleme in der
Ausgestaltung von Wohnräumen verdienen eine ernste Be-
achtung, denn es handelt sich in letzter Linie darum, ent-
weder einen Raum zu erfinden oder ihn zu schmücken.
Die erstere Aufgabe bleibt dem Architekten, die letztere
jedem bildenden Künstler Vorbehalten.
< In diese beiden Richtungen, von denen die eine auf
eine Raumwirkung, die andere auf eine Bildwirkung aus-
geht, schiebt sich versöhnend die Farbe ein. Architekten
und Maler, beide bedienen sich derselben. Beide haben
ihre entscheidende Wirkung auf die Raumstimmung er-
fasst; ja, Hermann Biliiiig in Karlsruhe ist von derselben
so durchdrungen, dass er den äusserst interessanten Ver-
such gewagt hat, die Raumstimmung seines Repräsen-
No. 93.
594
Mittheilungen aus Vereinen.
Archltekten-Verein zu Berlin. Die Berichterstattung
über die Thätigkeit des Vereins schloss mit der letzten
ordentlichen Hauptversammlung am 12. Mai d. J., vergl,
S. 272. Es folgte derselben noch eine ausserordentliche
Hauptversammlung am 26. Mai d. J., vorwiegend zur Er-
ledigung geschäftlicher Angelegenheiten, namentlich behufs
Genehmigung des Kassenabschlusses für igoijigoz und
des Voranschlages für 1903/1903, ausserdem zur Beschluss-
fassung über die Betheiligung des Vereins beim Empfang
der Gäste aus dem österreichischen Ingenieur- und Archi-
tekten-Verein, die bekanntlich vom 2. bis 5. Juni d. J. in
Berlin weilten. Wir haben über diesen Empfang und die
gemeinsamen Besichtigungen bereits früher berichtet,
vergl. S. 298 und 303.
Während des Sommers wurden dann interessante
Bauten, wenn auch in diesem Jahre in verhältnissmässig
beschränkter Anzahl besichtigt. Man besuchte zunächst
im Juni die Erweiterungsbauten der städtischen Gas-
anstalt in der Danzigerstrasse, dann das Institut für
Infektionskranke in der Föhrstrasse und im Anschluss
daran die von Hrn. Reg.-Bmstr. Siebold erbaute Kaper-
naumkirche in der Seestrasse. —
Im Juli wurden 3 grosse Schulbauten besucht, und
zwar das Bismarck-Gymnasium in der Pfalzburger-
strasse in Wilmersdorf, sowie die Kaiser Friedrich-
Schule, ein Reform- Gymnasium nebst anschliessender
Gemeinde-Doppeischule in Charlottenburg. Das Gym-
nasium ist mit einem Kostenaufwande von 570000 M. nach
den Plänen des Hrn. Gemeinde-Brth. Herrnring auf einem
Grundstück von 6455 q™ Grundfläche mit 65*“ Strassen-
front errichtet. Es fasst in 26 Klassen 1150 Schüler. Die
Decken sind durchweg in Monierkonstruktion, die Fuss-
böden aus Gipsestrich mit Linoleumbelag erstellt. Das
Gebäude wird mit Dampfniederdruck-Heizung mit Körting’-
schen Schüttkesseln versorgt. Die lange Strassenfassade
hat eine reiche Gliederung und Ausschmückung erhalten.
Die Kaiser Friedrich-Schule und die anschliessende
Doppel-Gemeindeschule liegen auf einem Grundstück von
9937 ‘i“ Grundfläche, von grosser Tiefe und verhältniss-
mässig geringer Strassenfront an der Knesebeckstrasse.
Letztere ist zur Errichtung eines Wohnhauses ausgenutzt,
das im Erdgeschoss eine Direktor-Wohnung, darüber Mieths-
wphnungen enthält. Dahinter liegt die Schule von U-för-
migem Grundriss, enthaltend 24 Klassenzimmer und die
nöthigen Nebenräume. Die Schule fasst 1020 Schüler.
Daran schliesst sich die Gemeinde-Doppelschule mit je
18 Klassen, die zusammen 2053 Schüler und Schülerinnen
fassen. Die Schulen sind von Hrn. Stadibrth. Bratring
1899—1901 erbaut. Die Kosten stellten sich auf 560000 M.
(18,9 M. für I cbm) für das Gymnasium, 510 000 M. (17,5 M.
taüons-Saales nur auf der Wirkung der Farbe aufzubauen.
Die Folgerung ist ebenso überraschend wie die Wirkung.
Bilüng, der durch seine stimmungsvollen, feinen Karls-
ruher Bauten an die erste Stelle unter den deutschen
Architekten gerückt ist, und der gerade durch seine ein-
fache farbige Behandlung der Aussenarchitektur hinreissend
poetische Wirkungen erzielt, ist wohl durch diese Wirkung
bestimmt worden, dieses Problem auch in der Innenarchi-
tektur anzuwenden.
Der Gedanke ist verlockend, mit einem Schlage alle
unnöthigen Gesimse und Profile von den Innenflächen
wegzurasiren, und folgerichtig, da die Architektur-Formen
auf ihrem Wege von aussen nach innen in der Renaissance
ihren geistigen Inhalt verloren haben. Diese entgeisiigten
Formen, die uns kein lebensfrisches Empfinden übermitteln
können, sind entbehrlich. Ja, sie stören jede flüssige,
lebendige Formengebung durch ihre starre Unerbittlich-
keit, durch ihre Verknöcherung. Die Folgerichtigkeit lässt
uns den wagemuthigen Künstler umso höher schätzen, je
mehr der Gefahren sind, denen er sich bei Fassung solcher
künstlerischen Probleme aussetzt.
Der Raum ist fast quadratisch und wird bis zu den
grossen Seitenöffnungen von einer goldigen Mosaikfläche
zusamraengehalten ; die Grenzlinie zwischen der schweren
dunkelen Goldfläche und der darüber gespannten lichten
Wölbfläche bildet zugleich die Kämpferlinie und so wird
die Funktion des Tragenden und Getragenen durch die
Farbenwerthe gekennzeichnet.
Im Spiegel des Gewölbes ist ein mächtiges buntes
Oberlicht eingesetzt. Wenn die Sonne durch die farbigen
Gläser auf den grauen Wandbrunnen durch den weiten
hohen Raum fällt, so scheint es, als ob an manchen Stellen
in der Luft farbige Flecke hängen blieben; diese farben-
sprüheiiden Helligkeiten vertheiJen sich im Raume, lockern
die architektonisdie Strenge in der Farbe und geben ihrem
schweren Ernst die heitere Verklärung.
19. November 1902.
für I für die Gemeindeschule und 177 000 M. (22,3 M.
für I cbm) für das Wohnhaus. Die ganze Gebäudegruppe
wird von einer Stelle aus durch eine Warmwasser-
Heizung erwärmt. —
Im August fanden nur ein Besuch des von den Hrn.
Architekten Solf & Wichards erbauten Landhauses
Nölle in der Villenkolonie Grunewald und der übliche
Sommerausflug mit Damen statt, der sich nach Wannsee
richtete, während im September die Besichtigungen voll-
ständig ausfielen. Im Oktober wurde das von Hrn. Reg.-
Bmstr. Walther mit grosser Pracht ausgestattefeD e u t s ch e
Kolonialhaus zum Roland in der Potsdamerstrasse be-
sucht, während eine geplante Besichtigung der Hoch-
schulen für die bildenden Künste und für Musik
verschoben werden musste. Die Besichtigungen schlossen
im November ab mit dem Besuche der Baustelle des Amts-
gerichtes Berlin- Wedding mit seiner bemerkens-
werthen Gründung auf Betoneisen - Pfählen, über
welche wir schon S. 582 berichtet haben, sowie schliess-
lich am 15. Nov. mit einem Ausfluge nach dem westlichen
Theile des Teltow-Kanales. —
Die Wintersitzungen des Vereins wurden am
13, Okt. d. J. wieder aufgenommen. Der Vorsitzende,
Hr. Beer, begrüsste die Erschienenen und gedachte so-
dann in warmen Worten der Mitglieder, die der Verein
im Laufe des Sommers durch den Tod verloren hat, ins-
besondere des Ehrenmitgliedes des Vereins, des Geh. Brths.
Dr. J. Hobrecht. Die Versammlung ehrte das Andenken
derselben durch Erheben von den Sitzen.
Nach geschäftlichen Mittheilungen, die sich auf die
Vorträge im Winter und die Wahl neuer Schinkelaufgaben
bezogen, erstattete Hr. Solf Bericht über die Abgeord-
neten-Versammlung des Verbandes in Augsburg (vergl.
den Sitzungsbericht S. 459). Daran schloss sich, durch
Firn. Walle eingeleitet, eine längere Besprechung über die
Zulassung der Reg.-Bauführer und der staatlich geprüften
Bauführer zur Doktor-Promotion, welche zu dem Beschlüsse
führte, den Vereins-Vorstand zu einer erneuten Eingabe an
den Hrn. Minister zu ermächtigen. Der Wortlaut dieser
Eingabe wird dem Vorstande überlassen.
Hr. Walle sprach sodann über „Die gegenwärtige
Lage des Denkmalschutzes und die Erhaltung der
vaterländischen Baudenkmäler“. Die interessanten
Ausführungen wurden unterstützt durch die Ausstellung
einer Sammlung von Werken aus älterer Zeit, der bisher
veröffentlichten Bände der Denkmal-Inventarisation in
Deutschland und durch Aufnahmen der kgl Messbildanstalt.
Nach der Sitzung wurden Proben einer neuen Decken-
und Wandbekleidung der Holzmanufaktur Vrbovsko, ver-
treten durch Hrn. M. Proskauer in Berlin, besichtigt. Sie
bestehen aus dreifach unter hohem hydraulischem Druck
mit einem wasserdichten Kitt quer geleimten Fournieren,
An solchen Experimenten sehen wir am besten die
Bedeutung der Ausstellungen: denn es ist vollkommen
ausgeschlossen, dass ein offizieller Repräsentationsraum
bei den heutigen Anschauungen in den leitenden Kreisen
in dieser architektonisch malerischen Konzeption hätte
ausgestaltet werden dürfen.
Gerade die künstlerische Energie, init welcher hier in
Turin erreicht worden ist, etwas fruchtbrmgendes Neues
zu schaffen, unbekümmert um das Philisterium unten und
oben, giebt der Ausstellung für uns Deutsche diese rich-
tige Stellung; es mag nicht alles so gelungen sein, es
mögen manche Leistungen angreifbar sein, es wird aber
niemand leugnen können, dass in den Arbeiten ein tiefer
Ernst steckt und dass mit vielem aufopfernden Idealismus
ein jeder Einzelne an die Sache gegangen ist;
Wir können nicht, wo wir kaum gesäet haben, auch
die Früchte ernten wollen, es genügt zunächst,, wenn wir
sehen, dass die Saat gedeiht.
Nehmen, wir den Möhring’scheii Vorsaal. Hier ist
kein Tappen mehr, sondern ein sicheres Handeln, obwohl
es sich um den Versuch handelt, in Holz und Farbe
monumentale Wirkungen zu erzielen. Das Weiterführen
der Sophalehnen ins Gewölbe hinauf als farbige Grat-
linien zeigt am deutlichsten das grosszügige Erfassen der
Aufgabe, zeigt die Konzentration in der schöpferischen
Stimmung, während die massige Detaillirung die Sicher-
heit des Künstlers im feinen Abwägen der Profilwirkung
absolut bekundet.
Nur wenn wir uns erinnern, wie schwer gewölbte
Räume von ihrem formalen .Kleide zu trennen sind, und
wie kläglich zumeist diese Versuche scheitern, erhalten
wir einen. Maasstab für die Möhring’sche Leistung. Der
Vorsaal hat, aus dem Billing’schen Raume gesehen, einen
herben grünen Duft, der wie schimmernder Frühlingsreif
über dem Laub lagert. — Leo Nacht.
595
die durch hintere Blendlcisten zusammengchalten werden.
Durch diese Zusammensetzung und Herstellungsart soll
jedes Verbiegen, Werfen und Reissen ausgeschlossen sein.
Ausserdem stellt sich das in jeder Form herzustellende
Material bei grosser Leichtigkeit billig. Auf i q™ in ver-
schiedenartiger Holzzusammensetzung und Bearbeitung,
fertig angebracht, entfallen etwa 15—20 M. —
Sitzung vom 27. Okt. Vors. Hr. Haack, später Hr.
Plathner, an-
wesend 47 Mit-
glieder, 4 Gäste.
Der Hr. Vor-
sitzende musste
die Sitzung wie
derum mit der
Mittheilung von
einem schmerz-
lichen Verluste,
dem Tode des
Geh. Brths. W.
Boeckmann,
eröffnen, den
der Verein noch
in diesem Früh-
jahre anlässlich
seines 70. Ge-
burtstagesdurch
die Ernennung
zum Ehrenmit-
gliede ausge-
zeichnet hatte.
Redner gedach-
te seiner beson-
derenVerdienste
als Mensch, Bau-
meister und Mit-
glied des Archi-
tekten -Vereins,
dessen Vorstand
er viele Jahre in
früherer Zeit an-
gehört hat. An Weiahaus am See. Architekt
anheimgestellt wird, überhaupt die würdigerc^Ausgestal-
tung dieses Raumes im Auge zu behalten.
Sodann sprach Hr. Karl Meier über „die Rechenbild-
kunde (Nomographie) d’Oeagnes und ihre Bedeu-
tung für den Bauingenieur“. Die interessanten und
klaren Ausführungen des Redners über diese von Frank-
reich ausgehende und dort in hohem Grade ausgebildete
Wissenschaft, als'deren Hauptvertreter der Professor ander
Brücken- und
Wegebau-Schu-
le in Paris, Mo-
ritz d’Oeagne
anzusehen ist,
wurden mit
grossem Beifall
aufgenommen.
Diese „Rech-
enbildkunde“,
wie der Redner
das den Kern
der Sache eig-
entlich garnicht
treffende Wort
„Nomographie“
verdeutschte,
liefert die Mög-
lichkeit, mithilfe
einfacherzeich-
nerischer Dar-
stellung die Be-
ziehungen von
einander abhän-
giger Grössen,
Funktionen, für
die verschie-
densten Werthe
rasch und leicht
zu ermitteln.
Redner belegt
seine allgemei-
nen theoreti-
D’Aronco in Konstantinopel. sehen Ausfüh-
PavLUon fQr künstlerische Photographie. Architekt: D'Aronco in Konstantinopel.
I. internationale Ausstellung tür moderne dekorative Kunst ln Turin im Jahre 1902.
geschäftlichen Angelegenheiten war nur die Beschluss-
fassung Über die Verwendung der aus der Springer-
Stiftung fälligen Zinsen zu erledigen. Dem Anträge des
Vorstandes entsprechend wird der Betrag zur Beschaffung
eines schönen Beleuchtungskörpers für die Rotunde des
Architekten-Hauses bestimmt, wobei demVorstande zugleich
596
ruugen durch Beispiele aus der Praxis der Kanalisation (wie
die Beziehungen zwischen Gefälle, Wassermenge und Quer-
schnitt eines Kanales), die sich, nachdem einmal das Bild
des allgemeinen Funktionsausdruckes ermittelt und ge-
zeichnet ist, für die verschiedensten Werthe der Funktionen
in rascher und sicherer Weise auflösen lassen, ohne jede
No. 93.
weitere langwierige Rechnung. Es kann also selbst für
verwickelte Beziehungen verschiedener Grössen die für
die bestimmte Aufgabe günstigste aus einer grossen Zahl
verschiedener Annahmen ermitteltjwerden, eine^ufgabe.
Bei der Berliner Kanalisation ist das Verfahren durch
den Redner für die Berechnungen bei den Rohrleitungen
mit grossem Vortheil zur Einführung gebracht worden. —
Fr. E.
Repräsentationssaal. Architekt; Bruno Möhring in Berlin
Raumfolge der „Vereinigten Werkstätten-. Architekt: Paul Pankok in München.
I. internationale Ausstellung für moderne dekorative Kunst in Turin Im Jahre 190a.
von der die umständliche und geisttödtende Rechenarbeit
bisher vielfach abschreckte. Die Rechenbildkunde ist
also für die verschiedensten Aufgaben des Ingenieurs von
hervorragend praktischem Werth.
19. November 1902.
Vereinigung Berliner Architekten. In der ord. Haupt-
versammlung vom 23. Okt. 190a unter Vorsitz des IR-n.
von der Hude und unter Theilnahme von 34 Mitgl. und
2 Gästen ehrte die Versammlung das Andenken ihres
597
verstorbenen Mitgliedes Geh. Brth. Wilh. Böckmann. Neben
ihm hat die Vereinigung noch, wie der Vorsitzende in
Erstattung des Jahresberichtes mittheilte, im Laufe des
Berichtsjahres die Mitglieder Jacobsthal, Kraft, Heyden,
Hase, Krone und Schilling verloren. Der Mitgliederstand
ist I Ehrenmitglied, i66 einheimische und 23 auswärtige
Mitglieder. Die Kasse zeigt einenUeberschussvon 2090, 05M.
der Mitgliederbeitrag wird auf 25 M. festgesetzt. Bei Be-
rührung der Ausstellungen, an welchen die „Vereinigung“
betheiligt war, wird die schlechte Lage des Ausstellungs-
raumes in Düsseldorf für die auswärtigen Architekten ge-
rügt. Eine Kommission der Vereinigung wird auch im
Jahre 1903 wieder eine Architektur-Abüieilung auf der
Grossen Berliner Kunstausstellung hervorrufen. Um das
Werk „Der Kirchenbau des Protestantismus“ weiteren
Kreisen zugänglich zu machen, wird sein Verkaufspreis
von 30 auf 15 M. herabgesetzt. Hr. Ebhardt berichtete
über den III Tag für Denkmalpflege in Düsseldorf und
betonte das völlige Fehlen der Privatarchitekten auf dem-
selben. Die Vorstandswahlen ergaben die Wiederwahl
der bisherigen Vorstands-Mitglieder und die Neuwahl des
Hrn. Alb. Gessner. Ueber den mit grossem Beifall auf-
genommenen Vortrag des Hrn. Herrn. Werle über die
von ihm ausgestellten Entwürfe für eine „Landesanstalt
für Leibeserziehung“ behalten wir uns vor, in gesonderter
Form zurückzukommen.
An der geselligen Zusammenkünft vom 6. Növ.
unter dem Vorsitz des Hrn. Wolf fenstein nahmen 33 Mit-
glieder theil. Es sprach Hr. Albert Hofmann über die
moderne Bewegung zur Gestaltung von Konzert-
sälen; derselbe nahm insbesondere Bezug auf einen ent-
sprechenden Aufsatz im ersten Hefte des II. Jahrganges
der „Musik“ von Paul Marsop und bot die hier aus dem
Lager der Musiker kommende Kritik und die daran ge-
knüpften Vorschläge der Versammlung als Grundlage für
eine Besprechung dar. An dieser sehr lebhaften Be-
sprechung betheüigten sich die Hrn. Kays er, Gold-
schmidt, Reimer usw. — Es folgten im weiteren Ver-
laufe des Abends an der Hand flotter Zeichnungen kurze
Mittheilungen des Hrn. Herrn. Krause über ein von ihm
in Stettin eingerichtetes Automaten-Restaurant. Bei der
Vorlage neuer Verlagswerke gab Hr. Alb. Hof mann einen
kurzen Bericht über die I. internationale Ausstellung für
moderne dekorative Kunst 1902 in Turin. —
Arch.- u. Tng.'Vereia zu. Hamburg. Vers. ;am 3. OkL
1902. Vors. Hr. Hennrcke, anwes. sr Personen.
Hr. Hennicke begrüsst die Versammlung zum Be-
ginn des Winterhalbj'ahres mit dem Wunsche,'^ dass das-
selbe dem Vereinsleben ein fruchtbringendes werden möge,
und richtet die Aufforderung an alle Mitglieder des Vereins,
durch recht zahlreiche Beiheiligung an den zwanglosen
Mittheilungen aus der Baupraxis die Tagesordnungen mög-
hchst abwechslungsreich zu gestalten. Der eingegangene
19. Bericht des Heidelberger Schlossvereins wird unter
den Anwesenden in Umlauf gesetzt. Endlich theilt der
Hr. Vorsitzende mit, dass der Vorstand dem langjährigen
verdiestvollen Vereinsmitgl. Hrn. B. Otto Roosen zum
70. Geburtstage die Glückwünsche des Vereins brieflich
ausgesprochen habe.
Darauf erhält das Wort Hr. Haase zu einem Vorträge
über die neue Schiffahrts-Schleuse bei Tiefstack.
Redner schildert, unter Hinweis auf ein sehr reichhaltiges
ausgestelltes Anschauungsmaterial an Lageplänen und Bau-
zeichnungen, zunächst die Verhältnisse der Hamburger
Marsch zwischen Eibe und Bille. Er erinnert an die schon
von Ing. Lindley ausgeführte Anlage von Strassen und
Kanälen im inneren Hammerbrook, bei welcher sich die
gewählte Höhe der Strassen später als nicht genügend
herausgestellt hat, und bei welcher auch der Wasserstand
in den Kanälen höher ausgefallen ist, als dies bei der
Planung der Anlagen angenommen war. Diese Uebel-
stände wurden durch nachträgliche Erhöhung der Strassen
auf -j- 6,90 “ bei einem normalen Wasserstand in den
Kanälen von -j- 3,85 “ nach Möglichkeit beseitigt. Das
Sielsystem dieses Stadtiheiles bestand aus wagrechten
Sielen, welche anfänglich durch diePumpstation beiBrands-
hof in die Elbe, später durch die Pumpstation beim Arkel-
mannsplatz in das Geeststammsiel entwässert wurden.
- Bei dem weiteren Vordringen der städtischen Be-
bauung entstand die Aufgabe, auch die Marsch zwischen
Bille und Elbe, den sogenannten Billwärder-Ausschlag, für
diese Bebauung vorzubereiten, Nach den bei Aufhöhung
des Hammeibrookes gemachten Erfahrungen hat man sich
entschlossen, das Gelände auf 9,20“ aufzuhöhen, bei
welcher Höhe noch eine Sielentwässerung mit natürlichem
Gefälle bis zur Pumpstation möglich ist.
Diese Aufhöhung sollte durch das ßaggermaterial aus
der Elbe bewirkt werden uQter unmittelbarer Einführung
598
der Baggerschuten mittels eines Kanalsystemes bis an die
aufzuhöhenden Geländeflächen. Zu diesem Zwecke ist
von der Billwärder-Konkave im alten Laufe der Eibe bei
Tiefstack ein Querkanal bis zur Bille ausgegraben und,
von diesem abzweigend, ein Längskanal durch den ganzen
Billwärder-Ausschlag, welcher bei der Bullenhuser Schleuse
ebenfalls in die Bille einmündet. Da der Querkanal (Elbe-
Bille-Kanal) bei Tiefstack den Elbdeich durchschneidet,
so ergab sich die Nothwendigkeit, dort eine für die Durch-
führung der Baggerschuten geeignete Schleuse zu erbauen.
Die Schleuse enthält zwischen Ober- und Unterhaupt eine
grosse Kammer von 70 zu 70“ zur Aufnahme der Schlepp-
züffe mit doppelten Schleusen-Durchfahrten von je 10 m
I. W. in beiden Häuptern. Im Unterhaupt sind je 2 Fluth-
und je 2 Ebbethorpaare, im Oberhaupt nur je i Fluth- und
Ebbethorpaar angeordnet. Diese Einrichtung ermöglicht
es, die Durchfahrten im Unterhaupt allein, oder falls eine
grosse Zahl von Fahrzeugen gleichzeitig durchgeschleust
werden soll, die grosse Kammer als eigentliche Schleusen-
kammer zu benutzen. Ausserdem ist das Unterhaupt in
jeder Durchfahrt noch mit einem Slurmthorpaar ausge-
rüstet. Die Drempel sind im Unterhaupt auf -pi®, im
Oberhaupt auf 1,15 entsprechend der Sohle der Kanäle
und der Bille angelegt. Zwischen den Durchfahrten sind
oeide Häupter noch durch einen Freilaulkanal von 2“1. W.
und 2 ™ Höhe durchbrochen. Die Bewegnngs- Vorrichtungen
für die Schleusenihore und die Schosse der Freilaufkanäle
sind für Handbetrieb eingerichtet.
Bezüglich der Bauausführung sei nur erwähnt, dass
diese durchschlechten Untergrund und durch Verlegung
des die Baustelle durchschneidenden alten Querdeiches
zwischen der Marsch des Billwärder-Ausscfilages und
derjenigen, der Landschaft Billwärder, vielfachen Er-
schwerungen unterworfen war. Die Lage der Schleusen-
Baustelle ermöglichte eine Ausführung des Bauwerkes im
Schutze des Elbdeiches, also ohne Herstellung von Fange-
dämmen. An weiteren grösseren Bauwerken waren im
Zusammenhänge mit den beschriebenen Anlagen auszu-
führen; eine Strassenbrücke über den Kanal am Durchstich
des Elbdeiches, eine Eisenbahnbrücke über den Elbe-Bille-
Kanal und eine Brücke im Zuge der Lübecker Güterbahn
über den Längskanal.
Die Arbeiten wurden im Frühjahr 1897 in Angriff ge-
nommen und gehen z. Zt. ihrer Vollendung entgegen.
Zum Schluss seines" vxin der Versammlung mit leb-
haftem Beifall entgegengenommenen . Vortrages , lud
Redner die Vereinsmitglieder zu einer Besichtigung der
B-austellen und der fertigen Kanal- und Schleusenbauten
ein, worauf der Hr. Vorsitzende demselben für seine
interessanten Mittheilungen dankte. — Hm.
Vers, am 10. Okt. 1902. Vors. Hr. Zimmermann,
anwes, 52 Pers.
Dem Andenken des entschlafenen Vereinsmitgliedes
J. H. G. Rockstrohen erweist die Versammlung die
übliche Ehrung.
Nach einer Reihe geschäftlicher Mittheiiungen wird
dann der Abend durch mündliche Berichte über die Ab-
geordneten- und die Wanderversammlung des
Verbandes zu Augsburg, sowie über die Tagung
des Bauernhaus-Ausschusses zu Salzburg ausge-
füllt. Den ersten, Bericht erstattet Hr. Zimmermann,
welcher mit den Hrn. Gleim und H. Olshausen als Ver-
treter unseres Vereins der Abgeordneten-Versammlung
am 30, Aug. d. J. beigewohnt hatte. Bezüglich des sach-
lichen Inhalts mag hier auf die bereits in No. 72 der
Dtsch. Bztg. vom 6. Sept. erschienene Veröffentlichung des
Sitzungsberichtes Bezug genommen werden, und bliebe
nur hervöfzuheben, mit welch’ warmer Anerkennung der
Vortragende der ausgezeichneten geschäftlichen Leitung
der Verhandlungen durch Hrn. Geh. Brth, Waldow ge-
denkt, über welche alle Theilnehmer des Lobes voll waren,
ebenso wie über die rasche und gewandte Aufstellung des
Protokolles durch den Hrn. Verbands - Geschäftsführer
Reg.-Bmstr. Eiselen. -
Auch von dem am folgenden Tage anschliessenden
Ausfluge nach dem interessanten alten Städtchen Lands-
berg a. Lech hat Redner die angenehmsten Eindrücke
erhalten, bei deren Schilderung er besonders des künst-
lerischen Abglanzes gedenkt, den der berühmte englische
Maler Hubert Herkomer auf seine Vaterstadt Landsberg
geworfen. Er besucht dieselbe alljährlich und wohnt da-
bei in dem von ihm zum Andenken an seine Mutter er-
bauten sogen. „Muiterthurme", der zu Atelier und Woh-
nung eingerichtet ist. Ferner wird rühmend erwähnt, wie
die kleine Stadt von nur 5000 Einwohnern es fertig ge-
bracht habe, ihren Rathhaussaal mit 4 grossen Gemälden
von Piloty zu schmücken, wozu Herkomer noch zwei
weitere schöne Gemälde geschenkt habe, Sitzungen des
Magistrates und des Stadtkollegiums darstellend.
No. 93.
Den zweiten Bericht erstattet Hr. Walter Martens
Über den Verlauf der Wanderversammlung in Augs-
burg. Auch hier erübrigt sich mit Rücksicht auf die be-
reits erschienenen Beschreibungen ein Eingehen auf Ein-
zelheiten. Als [den Glanzpunkt der Veranstaltungen be-
zeichnet Redner den Ausflug nach Hohenschwangau, und
hat als Beleg dafür eine reichhaltige Sammlung grosser
schöner Photographien der^Burg^Neuschwanstein im
Saale ausgestellt.
Der dritte Redner, Hr. Faulwasser, giebt einen Be-
richt über die diesjährige 8. Jahresversammlung des
Gesammt- Ausschusses für das Werk über das
Bauernhaus in Deutschland, Oesterreich-Ungarn
und der Schweiz. Diese Versammlung hat am 30. Aug.
zu Salzburg im Marmorsaale des Mirabellenschlosses un-
ter Vorsitz des
Hrn. Ob.-Brth.
v.Wielemans
getagt. Red-
ner berührt zu-
nächst die Lei-
stungen unse-
res Hamburger
Lokal -Aus-
schusses für das
von ihm bear-
beitete Gebiet,
dessen Aufnah-
men im Früh-
jahr d. J. mit
einigen 80 Blatt
Original-Zeich-
nungen zum
Abschlüsse ge-
bracht seien,
auch ist der be-
gleitende Text
ausgearbeitet.
Von den zahl-
reichen Auf-
nahmen hat in
dem Werke na-
turgemäss nur
eine beschränk-
te Auswahl Auf-
nahme finden
können. Der
Stand der Ver-
öffentlichung
ist folgender :
für Deutsch-
land 7 Liefe-
rungen mit 8|
Blättern er-
schienen, für
die nächste 8.
Lieferung ist
der Stoff vor-
handen, die
dann folgenden
24 Blatt fehlen
noch. Für die
Schweiz sind
die Zeichnun-
gen mit 5 Lie-
ferungen voll-
ständigerschie-
nen. FürOes-
terreich sind
3 Lieferungen
erschienen, 15
Tafeln fehlen
noch. Bezügl.
des Textes be-
merkt Redner,
Herrenzimmer. Architekt: Anton Huber in Berlin.
Restaurationsgebäude mit elektrischen Lichtwiikungen. Architekt: D’Aronco in Konstanlinope)
LHnternatlonale Ausstellung für moderne dekorative Kunst in Turin 1902.
dass die Einleitung für Deutschland vonProf.Dietr. Schäfer
in Heidelberg geschrieben wird und die noch fehlenden
Texte binnen JÄresfrist fertig gestellt werden sollen. Die
Text- Beiträge aus Hamburg sollen einige Abbildungen
enthalten, von denen Redner Probedrucke ausgestellt hat.
Für Oesterreich wird die Einleitung von Dr. Haberlandt,
der Text selbst von Brth, Koch geschrieben. Hieran an-
knüpfend entspann sich ein Streit über die Betheiligung
der Ungarn, welche sich gegen die Bezeichnung Oester-
reich-Ungarn wehrten und den Text nur in ungarischer —
allenfalls in ungarischer und französischer — keinesfalls
aber in deutscher Sprache beigeben wollten.
Bezüglich des zweiten Wettbewerbes für ein Titelblatt
wird auf die bereits in No. 73 d. Ztg., S. 471, gebrachte
Mittheilung verwiesen. Redner bemerkt noch, dass in
Sachsen weit ausgedehntere Aufnahmen gemacht wor-
den seien, als in dem Werke Raum finden konnten, so-
dass man eine Sonderausgabe derselben plane, und er-
wähnt auch der hieran anknüpfenden Bestrebungen des
dortigen landwirthschaftlichen Ministeriums zur Verbesse-
rung der ländlichen Bauweise durch gute Vorbilder.
Die angeregte Frage, dem Werke eine Uebersichts-
karte von Deutschland beizugeben, blieb im Hinblick auf
den Kostenpunkt noch unentschieden. Verbraucht sind
bis jetzt von den 30000 M. Beihilfe des Deutschen Reiches
16413 M., :der Anschlag für den Rest beträgt 12850 M.,
bleiben für'’ Unvorhergesehenes noch 737 M.
Ein hübsch verlaufenes Essen im Hötel Pitter auf Einla-
dung des österreichischen Vereines, dessen Gastfreundschaft
rühmend her-
I vorgehoben 4
wird, beschloss
die Versamm-
lung. ~ Zum
Schlüsse regte
Redner eine
öffentlicheAns-
stellung der
HamburgerOri-
ginal • Aufnah-
men an. Der
Vorsitzende
knüpft an seine
Dankesworte
für den inter-
essanten,durch
Ausstellung ei-
ner stattlichen
Auswahl aus
den bislang er-
schienenen
Blättern beleb-
ten Bericht be-
züglichdesletz-
ten Punktes die
Bemerkung an,
dass es eine
Ehrenpflicht
unseres Ver-
eines sei, sich
gegenüber Se-
nat und Bür-
gerschaft über
die Verwen-
dung der frei-
gebigen Beihil-
fe auszuweisen,
und dass der
Vorstand dem-
gemäss über
eine angemes-
sene Form der
Ausstellung der
Original - Auf-
nahmen Vor-
Schläge machen
werde. — Mo.
Vers, am 17.
Okt. 1902. Vors.
Hr. Zimmer-
mann, anw.78
Pers. Der Vor-
sitzende for-
dert zur Be-
sichtigung der
von Hrn. B.
Harrass im
Hamburger
Hof veranstal-
teten Ausstellung von Koptoxyl (ein echtes Holz in vcrvoll-
koramneter Holztechnik znr Bekleidung von Innenräumen)
auf, und ertheilt darauf das Wort Hrn. Stein zu dem
Vortrage über ,Die elektrischen Stadtbahnen von
Paris“. Ueber diesen Vortrag wird an erster Stelle die-
ser Nummer besonders berichtet. — Hm.
Vermischtes.
Oie feierliche Eröffnung der Ausstellung des „Vereins
für Deutsches Kunstgewerbe“ ln Berlin, veranstaltet zur
Feier des 25jährigen Bestandes desselben, hat am 14. Nov.
in den Räumen der Akademie stattgefunden. Die unter
der Oberleitung und zumtheil nach den Entwürfen des
19 November 1902.
599
Arch. Prof. Alfred Grenander und unter Mitwirkung der
Hrn. Arch. Schneckenberg und Schmidt angeordnete
Ausstellung macht einen vorzüglichen Eindruck und ist
geeignet, dem Berliner Kunstgewerbe wieder die Rang-
stellung in der künstlerischen Kultur Deutschlands zu
geben, die es einstmals besessen, aber, in den letzten
Lustren zweifellos eingebüsst hatte. Die zahlreichen Fest-
gäste wurden von den beiden Vorsitzenden, Geh. Brth.
P. Kieschke und Dir. Dr. P. Jessen, empfangen. In
einer sachlichen und würdigen, vielbemerkten Ansprache
gab der erstere unter dem Beifall der Versammlung u. a.
den Wunsch des Vereins kund, nicht nur Ausstellungen
dieser Art in passenden Zwischenräumen zu wiederholen,
sondern auch dafür wirken zu wollen, dass das Kunst-
gewerbe mehr als bisher an den alljährlichen grossen
Kunstausstellungen theilnehme. Der in einem ansprechen-
den Gewände gegebene, von Dir. Dr. Jessen verfasste
vorläufige Katalog, welcher pünktlich , zur, Eröffnung vor-
lag, verzeichnet die stattliche Anzahl von 35 Räumen, die
sich mit nur wenigen Ausnahmen in fesselnder Weise
darbieten. Möge diese Ausstellung der glückliche Anfang
einer Reihe gleich werthvoller Veranstaltungen des leben-
digen Vereins sein. —
Die Errichtung eines bayerischen Verkehrs-Ministeriums
scheint nunmehr beschlossene Sache zu sein. Nach Ueber-
gang der pfälzischen Bahnen an den Staat wird der Ge-
halt für einen Verkehrsminister ab i. Jan. 1905 im Etat
gefordert werden und nach Genehmigung des Landtages
das Ministerium von diesem Zeitpunkte ab in seine Wirk-
samkeit treten. Es werden dem neuen Ministerium unter-
stellt die bayerischen Eisenbahnen, die bayerischen Posten
und Telegraphen, die Verwaltungen der Ketten-Schlepp-
schiffahrt auf dem Main und der Dampfschiffahrt auf dem
Bodensee, die Binnenschiffahrt, sowie eine Reihe kleinerer
Verkehrs-Einrichtungen. Eine Hauptaufgabe des neuen
Ministeriums dürfte auch die Förderung der Kanalbauten
in Bayern sein. Jedenfalls ist vom Standpunkte des Ver-
kehrs die Neueinrichtung mit grösstem Beifall zu _ be-
grüssen. Möchte es gelingen, für die so wichtige leitende
Stelle dieser neuen Körperschaft eine Persönlichkeit zu
gewinnen, welche frei von formalistischen und büreau-
kratischen Neigungen in der Lage ist, die gewaltigen An-
forderungen des modernen Verkehrs unbefangen zu be-
urtheilen und mit entschlossener Händ zu befriedigen. —
Preisbewerbungen.
Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein
Weltpostvereins-Denkmal ln Bern. Dieser von uns in No. 27
Seite 172 schon angekündigte Wettbewerb ist nunmehr
durch den schweizerischen Bundesrath zum 15. September
1903 erlassen worden. Das Denkmal, mit welchem eine
Brunnenanlage verbunden werden kann, über dessen Ge-
staltung aber im übrigen Vorschriften nicht gemacht sind,
ausser der einen, dass es seine Bestimmung zu klarem
Ausdruck bringen soll, wird auf dem Steinhauerplatz in
Bern, zwischen der Bundesgasse und den Anlagen der
kleinen Schanze errichtet werden. Die Kosten sollen
170000 Frcs. nicht überschreiten. Dem Preisgerichte
stehen zur beliebigen Vertheilung 15000 Frcs. zur Ver-
fügung. Die Ausführung ist dem Künstler zuge-
sichert, welcher durch das Preisgericht hierzu
bestimmt wird. Empfiehlt sich keiner der eingereichten
Entwürfe zur Ausführung, so findet ein zweiter, engererWett-
bewerb gegen eine noch festzustellende Entschädigung statt.
Verlangt werden ein Modell i : lö, ein Lageplan i : 200,
eine Perspektive und die üblichen Berichte. Dem Preis-
gerichte gehören an die Hrn. Geh. Ob.-Postrath Hake in
Berlin; Bildhauer Prof. E. Helmer in Wien; Bildhauer
Graf de Lalaing in Brüssel; Prof. F. Meldahl in Kopen-
hagen; Architekt H. Velada in Madrid; Bildhauer H.
Bartholomö in Paris; Bildhauer H. Armstead in Lon-
don; Bildhauer A. Strobl in Budapest; Bildhauer Prof.
E. Ximenes in Rom; Architekt Prof. Fr. Bluntschli in
Zürich und Dir. E. Ruffy in Bern. Unterlagen kosten-
frei durch das „Schweizerische Post- und Eisenbahn-De-
partement" oder vom „Internationalen Btireau des Welt-
postvereins“ in Bern.
Der Wettbewerb ist ein eigenartiger und verdient
nach unserer Meinung aus nationalen, künstlerischen und
praktischen Gründen die ernsteste Beachtung der Fach-
genossen. —
Einen Wettbewerb zu einer Ueberdachung der Treppen-
Auf- und Abgänge für elektrische Untergrundbahnen schreibt
der Architekten-Verein zu Berlin unter seinen Mit-
gliedern mit Frist zum ii. Februar 1903 aus. Von der
Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen
in Berlin ist der Betrag von 300 M. zu 2 Preisen für die
besten Lösungen der Aufgabe zur Verfügung gestellt.
Das Preisgericht ist der Beurtheilungs-Ausschuss des Ver-
eins auf dem Gebiete der Architektur. Unterlagen zu be-
ziehen durch das Vereins-Sekretariat. —
Zu einem engeren Wettbewerb betr. Entwürfe für eine
Lazareth-Anlage in Kiel waren die Hrn. Brth. E. Schwartz-
kopff und Schmieden & Boethke in Berlin, sowie Hr.
Prof. H. Hartung in Dresden durch das Reichs-Marine-
amt eingeladen. Die Bausumme für die Anlage war mit
1600 000 M. angegeben. Jeder Bewerber erhielt ein Hono-
rar von 5000 M. und es gelangten ausserdem zwei Preise
von 5000 und 3000 M. zur Vertheilung. Diese Preise fielen
an Hrn. Brth. E. Schwartzkopff (I. Pr.) und an die Hrn.
Schmieden & Boethke (II. Pr.) —
Ghronik.
Ein Entwurf zur Kanalisirung des Main, aufgestellt von
Hrn. kgl. Bauamtmann B 0 e s h e n s s in Aschaffenburg, ist derKana-
lisirung der. .Strecke zwischen Offenbach und Hanau sowie Um-
schläganlagen bei Aschaffenburg gewidmet. Die erstere umfasst
4 Staustufen und soll in den gleichen Abmessungen zur Ausführung
gelangen, wie die Kanalisirung . unterhalb von Offenbach, sodass die
grossen Rheinschiffe bis Aschaffenburg verkehren können. Die
Kosten für die rd. 50 km lange Strecke Hanau-Aschaffenburg sind
mit etwa 9,5 Mill. M. veranschlagt. Die Kosten für die Umschlag-
Anlagen bei Aschaffenburg sind mit 12 Miü. M. berechnet. —
Die Betriebseröffnung der Isergebirgsbahn, welche das
nordböhmische Industriegebiet mit dem preussischfiu Schlesien ver-
bindet, hat am i. bezw. 20. Okt. stattgefunden. Die interessante
Gebirgsbahn ist eine Verlängerung der Strecke Reichenberg-Gablonz-
Tannwald; auf östeiTeichischem Gebiete liegt die Strecke Tannwald-
Grünthal, auf preussischem die Strecke Grünthal-Petersdorf mit der
Fortsetzung nach Hirschberg. —
Der Brand des Schlosses von Eu an der Niederseine hat
uns eines der hervorragendsten Denkmäler der französischen Re-
naissance beraubt^ Das Schloss wurde 1651 durch den Herzog von
Guise begonnen und durch Madame de Montpensier vollendet. . 182 t
wurde es durch Louis Philipp wieder hergestellt. Es gehörte. der
Familie Orleans. , Unter dem Titel „Le chäteau d'Eu“ hat Vatout
im Jahre 1839 in Paris eine Monographie über das Schloss her-
ausgegeben. —
Die Oberlausitzer Ruhmeshalle und das Kaiser Friedrich-
Museum in Görlitz, nach dem Entwürfe des Architekten Ober-
lehrer.Hugo Behr in Görlitz errichtet, werden am 28. November
eingeweiht. —
, Saalbau in Nürnberg. Der Industrie- und Kulturverein
in Nürnberg beschloss die Errichtung eines Saalbaues nach den
Plänen des Hrn. Oberbäurathes v. Kramer. Die Bausumme ist auf
850.000 IVI. veranschlagt. —
Die Errichtung einer neuen Isarbrücke bei Thalkirchen
bei München ist, wie wir mit Genugthuung bemerken, in erster
Linie deshalb als fünfbogiger Betonbau durch die Firma Säger &
Wörner in Aussicht genommen, weil eine Betonbogenbrücke sich
besser in das Landschaftsbild einfüge, wie eine Eisenbrücke. Die
Bausumme dürfte rd. 1400000 M. betragen. —
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Mar.-Schiffbmstr. Brotzki ist z-
kals. Reg. 'Rath und Mitgl. des Pat.-Amtes ernannt.
Baden. Der Bauing. Hausmann bei der Wasser- und
Strassen-Bauinsp. in Donaueschingen ist gestorben.
Bayern. Der Telegr.-Oberiug., Ob.-Postinsp. Heelein in
Regensburg ist in den Ruhestand getreten.
Preussen. Dem Geh. Brth. Rathenau, Gen.-Dir. der
Allgem. Elektricitäts-Ges. in Berlin, ist der kgl. Kroneu-Orden III. Kl.
verliehen.
Die Reg.-Bfhr. Gust. Lodemann aus Stellichte, Kurt Marder
aus Arys, Gast. Sauermilch aus Steinbach und Wilh. Hoehne
aus Bunzlau ^Eisenbfch.), — Karl Eloesser aus Insterburg, Paul
Mirauer aus Berlin und Hans Martens aus Prenzlau (Masch.-
Bfch.) sind, zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Württemberg. Dem Reg.-Bmstr. Kühn ist die Stelle eines
hochbautechn. Ass. bei der Domähen-Dir. übertragen; dem Reg.-
Bmstr. Heess bei derselb. ist der Titel und Rang eines Bauinsp.
verliehen.
Brief- und Fragekasten.
Anfragen an den Leserkreis,
r. Zu einem Villenbäu im Flachland, wo Brunnenbau nötbig ist,
möchte ich das Wasser den 3 Stockwerken möglichst bequem,
ähnlich einer Wasserleitung, zuführen. Welche Anordnungen bezw.
Systeme haben sich hierfür bewährt? G. in Kempten.
■ 2. Welche Firma fertigt Lorbeerbäume, welche als Fassaden-
schmuck dienen sollen, in Metall an? F. V. in Kölii a. Rh.
3. In einer alten gothischen Hallenkirche, in welcher eine Gas-
beleuchtung besteht, soll Gasheizung eingerichtet werden. Welches
System von Gasöfen hat sich bis jetzt bei Kirchenheizungen be-
währt und wo sind solche eingeführt? — G. Homburg.
Inhalt: Die elektrische Stadtbahn von Paris. — Die I. internationale
Ausstellung für moderne dekorative Kunst in Turin 1902. IV. (Schluss).
Mittheilungen aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Chronik.
— Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Banzeitung, G. m, b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!., Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 93.
600
AUZEITUNG.
GANG. * * N2: 94- sis
DEN 22. NOV. IQ02.
ÄS!9rsr9:3tars:s:s!S!Srat«r
Foyer.
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN Hc
statsr?s«rs!s!r«3t2ts:
Das neue Stadttheater in Köln.
Architekt: Regierungs-Baumeister Karl Moritz in Köln a. Rh.
(Schluss.) Hierzu die
|as nun die architektonische Ausgestaltung
j des neuen Theaters betrifft, so zeigt die
W; Stilgeb ung eine freie moderne Weiterbil-
dung der Formen des deutschen Barocks
unter Ausschluss einer willkürlichen und
„naturalistischen“ Ornamentik. Sowohl in der Massen-
gliederung des Aeusseren als in der Raumgestaltung
und Farbengebung des Inneren, sowohl im Grossen
wie im Kleinen, bekundet das Werk überall ein persön-
liches Empfinden, frei von Schulzwang und Schablone.
Entzückend schön wirken namentlich die schon er-
wähnten Haupttreppen zum Balkongeschoss und noch
mehr das in hohem Grade stimmungsvolle Foyer. Es
ist vielleicht die künstlerisch am höchsten stehende
Wandelhalle aller neuen Theater. Die durch die Kon-
struktion des Hauses bedingten grossen Mauerkörper
sind in kraftvoll durchgebildete Bogenstellungen auf-
gelöst. Die Segmentform des Grundrisses hatte eine
Axentheilung zurfolge, nach welcher den drei Bogen-
öffnungen auf der Innenseite deren sieben auf der
Aussenseite gegenüberstehen, Die letzteren sind durch
einen 3 tiefen Seitengang erweitert, der an der
Hauptfront liegt und aus sieben gewölbten Nischen
besteht, zwischen welchen kleine Kabinette zu behag-
lichen Sitz- und Plauderplätzen einladen. Aus der
edel gegliederten Bogenarchitektur wächst das Tonnen-
gewölbe der Decke unmittelbar hervor. Den Boden
bedeckt ein rother Teppich, der seine abendlichen
Reflexe auf einen grossen 7'heil der Wand- und
Deckenflächen einwirken lässt. Das Getäfel und die
Bogenzwischenwände der eingebauten Ruheplätze sind
aus schwarzgebeiztem Eichenholz gefertigt, in welches
Abbildungen Seite 605.
ein grüngold behandeltes, zierliches Ornament sich
einfügt; die Polster sind wiederum roth mit silber-
grauen. goldverzierten Behängen. Ueber diesem dun-
keln Unterbau setzt die Wandarchitektur durchweg
in graugrünem Tone ein mit hellgrünen Pilaster-
füllungen, mit Kapitalen, Giebelaufsätzen und sonsti-
gen skulptirten Theilen in grüngoldener Färbung, die
glücklich abgestimmt ist zum Blau des Deckengewölbes.
Die koloristische Wirkung wird ergänzt durch den
eigenartigen, von Sascha Schneider in Dresden ge-
schaffenen malerischen Schmuck: acht lebensgrosse
Figuren auf den Pfeilerflächen, die Weltlitteratur ver-
sinnbildend, und ein grosszügiger Fries von Ideal-
gestalten, die Geschichte des Menschengeschlechtes an-
deutend und frei überleitend von der Wandarchitektur
zur Deckenfläche. Diese Malwerke sind von herber
Kritik nicht verschont geblieben, und ihr vielleicht zu
tiefsinniger Ernst ladet dazu in der That ein. Aber
ihre vortreffliche Eingliederung in die Architektur, ihr
innerer Werth, ihre künstlerische Höhe, ihre monu-
mentale Wirkung kann von Niemand verkannt werden.
Von sonstigen Künstlern, die den Architekten
unterstützten, sind ausser dem bereits erwähnten Maler
des grossen Deckenbildes im Zuschauerraum zu nennen
Karl Rickelt als Maler zweier Ideallandschaften auf
den Wandflächen oberhalb des zweiten Ranges, Karl
Hemming als Schöpfer der kleineren dekorativen und
ornamentalen Ausmalungen des Zwischenraumes, Maler
Mauss als Ausschmücker der Restauration, die Bildh.
Haller, F austner, Altmann, Meisen und Schrei-
ner in Köln, sowie Meissner und Hofmann in Berlin
als Schöpfer der inneren und äusseren Skulpturen.
6oi
Die künstlerische That des Architekten Karl Moritz
ist nicht bloss eine Glanzleistung, sondern nach ihrem
Werthe ein vorbildliches Meisterwerk in der neueren
Baugeschichte Kölns und weit über die Grenzen der
Stadt. Bei der Einweihung des neuen Kunsttempels
wurde der glückliche und geniale Erbauer mit Recht
gepriesen und gefeiert. Wie er selbst über sein Werk
denkt, möge der Leser den nachfolgenden Worten
entnehmen, welche Moritz in seiner Dankrede beim
Einweihungsfeste äusserte:
„Wenn ich anstrebte, in modernem Geiste zu
schaffen, so bewegte ich mich auf gefährlichem Boden.
Breite Kreise auch des gebildeten und kunstverständigen
Publikums sind gegen die moderne Bewegung stark
voreingenommen und, leider oft mit Recht, da unter
der angemaassten Flagge einer neuen Kunst arg viel
Nichtkönnen einher segelt. In dem Wogen und Gähren
der neuen Strömungen hat man vielfach noch keinen
festen Standpunkt für sein Urtheil gefunden und be-
hilft sich mit der Nomenklatur der glücklich über-
wundenen archäologischen Periode des Kunstbetriebes.
Man spricht von den historischen Stilen und konstruirt
einen neuen aus lauter nebensächlichen Formen, die
den Kern des baukünstlerischen Schaffens nicht treffen.
Dieser aber ist in der Architektur der gleiche, wie in
der Malerei und Plastik. Soll man überhaupt von
einer Baukunst reden, so muss der Architekt die in
seiner Aufgabe enthaltenen Stimmungswerthe heraus-
empfinden und diese derart mit den Mitteln seiner
Kunst zum Ausdruck bringen, dass die gleiche von
ihm vorempfundene und gewollte Stimmungsreihe in
dem Beschauer ausgelöst wird. Nur darin liegt künst-
lerisches Schaffen, nur auf diesem Wege kann ein
persönlicher, nationaler, wmhrer Stil unserer Zeit ent-
stehen. Alles sonst, Nachahmen der alten und Aus-
gebähren neuer Formen, ohne diesen Wesensinhalt
ist Handwerk oder Spielerei, aber niemals Kunst.
Fühle ich mich auch weit vom Ziele und bin ich mir
vollbewusst, dass eine neue Kunst nur durch das
gleichklingendeZusammenwirkenVielcrunterseelischer
Betheiligung des ganzen Volkes Zustandekommen kann,
so danke ich Ihnen doch aufrichtig, dass Sie mir Ge-
legenheit geboten haben, bei diesem Bau mein künst-
lerisches Glaubensbekenntniss abzulegen.“
Die Kosten des Baues sind nicht unbedeutend
gewesen; sie haben betragen:
für Zuschauer- und Bühnenhaus einschl.
Heiz- und Kühlanlage 1800000 M.,
„ die Bühnen-Maschinerie .... 540 000 „
„ Mobiliar 210000 „
„ das Restaurations - Gebäude nebst
seiner Einrichtung 431 000 „
„ dieGartenanlagenu.ihreBdeuchtung 46000 „
„ Dekorationen und Kostüme . . . 580 000 „
„ das Magazin-Gebäude . . . ' . . 300 000 „
„ Strassen-Anlagen 31 000 „
zusammen 3 938 000 M.
Rechnet man den auf reichlich i Million M. zu
schätzenden Werth des Bauplatzes hinzu, so ergiebt
sich eine Kostensumme von rd. 5 Mill. ,M. —
J. Stübben.
Einiges über Saugebagger und Schwemmapparate.
ig^ln dem letzten Jahrzehnt sind die Grösse und der Tief-
[Pl gang der grossen Handelsdampfer ganz wesentlich
gesteigert worden, da in den Schiffahrt treibenden
Kreisen Werth auf möglichste Steigerung des Fassungs-
vermögens der Seeschilfe zur Verringerung der Trans-
portkosten gelegt werden musste. Dieses Bestreben konnte
nicht ohne Einiluss auf die Einrichtungen der Seehäfen
und deren Zufahrten bleiben. Die Ingenieure sahen sich
dadurch vor die Aufgabe gestellt, die Strommündungen
und Hafenzufahrten, welche bisher meist durch die natür-,
liehe Strömung auf einer gewissen bestimmten Tiefe ge-
halten wurden, künstlich zu vertiefen, um das Aus- und
Einfahren der grossen Ozean-Dampfer zu gestatten, ohne
dass dieselben vorher einen Theil ihrer Ladung an Leichter-
fahrzeuge abzugeben brauchten. Für die Durchführung
dieser Arbeiten konnten zumeist nur umfangreiche Bagge-
rungen inbetracht kommen. Die Vornahme von Bagge-
rungen für derartige Zwecke war aber oft deshalb ein
ausserordentliches Unternehmen, als die Arbeiten an dem
Seegang ausgesetzten Stellen vorzunehmen waren und die
Abiagerungsplätze für die gehobenen Baggermassen oft
weit draussen in der offenen See gesucht werden mussten.
Dazu waren aber die bis dahin vornehmlich bei Bagge-
rungen in Stromläufen und auch in deren Mündungsgebiet
verwendeten Bagger und Trausport-Einrichtungen wenig
geeignet. Es musste ein neuer Baggertypus geschaffen
werden, dessen Einrichtungen den Anforderungen der
veränderteu Arbeitsgelegenheit besser entsprechen, als die
bisher üblichen. Diese Anforderungen bestehen in dei
Hauptsache darin, dass die Bagger seetüchtig sind, sich
selbst mit hinreichender Geschwindigkeit fortzubewegen
vermögen, sowie selbst Räume zur Aufnahme des ge-
baggerten Bodens besitzen. Ausserdem muss das Lösen
und Heben des Bodens, für welches in anderen Fällen
die Eimerleiter vorzügliche Dienste leistete, auf andere
Weise erfolgen. Ferner hat das Entleeren der Material-
räume des Baggers, sei es durch einfaches Verklappen
des Materials mittels der Bodenklappen oder mittels
schwimmender oder schwebender Transport-Rohrleitung
durch die Schwemmkraft des Wassers durch den Bagger
selbst zu geschehen. Zweckmässig, wenn auch nicht für
jede Arbeit erforderlich, erscheint es, die Einrichtung des
Baggers auch so zu treffen, dass derselbe nicht nur seine
eigenen Materialschächte zu füllen und zu entleeren ver-
mag, sondern ein Gleiches auch mit Baggerschuten zu
verrichten im Stande ist.t.
Diese Bedingungen werden, mehr oder weniger voll-
kommen erfüllt von den sogenannten Saugebaggern
mit Materialschäcliten, die sich im Laufe der Jahre zu
einem bestimmten Baggertyp herausgebildet haben. An
Stelle der Eimerleiter ist die Saugwirkung einer Kreisei-
602
pumpe getreten , durch welche , mittels eines beweg-
lichen, in den Grund herabgelassenen Saugrohres ein Ge-
misch von Boden und Wasser angesaugt wird und in die
Materialschächte des Baggers oder der Schuten oder durch
eine schwimmende oder schwebendeTransport-Rohrleitung
unmittelbar zur Ablagerungsslelle gedrückt wird. Gute
Ergebnisse werden mit dieser Baggerart erzielt, sobald es
sich um sandigen Boden oder auch solchen mit Beimischung
von Thon und Schlick handelt; geringe Wirkung erzielt der
Saugebagger jedoch bei festem Thonboden und auch bei
leichtem Schlick, sobald die Materialschächte des Baggers
oder der Schuten gefüllt werden sollen, da die Schlick-
theilchen in den Schächten nicht so schnell wie z. B. die
schwereren Sandkörner zu Boden fallen und infolge dessen
von dem überschüssigen Wasser, welches über die Ränder
der Schächte läuft, zumtheil wieder mitgerissen werden.
Handelt es sich um Baggerung von Schlickboden, und wird
das angesaugte Gemisch von Schlick und Wasser unmittelbar
in eine bis zur Ablagerungsstelle reichende Transport-
Rohrleitung gedrückt, so ist die "Wirkung gleichfalls eine
günstige. Ueber die Versuche, diese Mängel des Sauge-
baggers zu beseitigen, ist schon auf S. 545 ff. der Dtschn.
Bztg. Jahrg. 1901 berichtet worden; es braucht hier nur auf
die.se Mittheilungen hingewiesen zu werden.
Dass ein Saugebagger auch als „Schwemmapparat
oder Schutensauger“ zur Förderung von Baggergut mittels
schwimmender oder schwebender Transport-Rohrleitung
verwendet werden kann, ist im Vorhergehenden schon
verschiedentlich erwähnt. Es liegt darin ein grosser Vor-
zug des Saugebaggers, da dieser Art des Transportes von
Baggergut bis zur Ablagerungsstelle neuerdings wegen
seiner Wohlfeilheit.mit Recht grosse Beachtung zugewandt
wird. Es sei als Beispiel erwähnt, dass die bei den grossen
Erweiterungen des Seeschiffhafens bei Bremen-Stadt mittels
Eimerkettenbagger gewonnenen erhebllchenBaggermassen
zur Aufhühung des Hafengeländes verwendet wmrden und
dass diese Aufhöhung durch stationäre „Schutensauger oder
Schwemmapparate“, denen Baggerschuten den Boden zu-
führen, bewirkt wird.
Die maschinellen Einrichtungen, welche ein Sauge-
bagger, der auch als Schwemmapparat oder Schutensauger
wirken soll, erhalten muss, um den vielseitigen Anforde-
rungen zu genügen, bestehen in der Hauptsache aus der
oder den Kreiselpumpen für die Baggerung und den dazu-
gehörigen Antriebmaschinen und ferner in einer Kreisel-
pumpe nebst Antriebmaschine zur. Förderung von Wasser
in die Materialschächte des Baggers oder der Schuten, um
das in diesen Schächten lagernde Baggermaterial gehörig
mit Wasser zu vermischen, damit die Baggerpumpe das
Gemisch ansaugen und durch die Transportleitung nach
der Ablagerungsstelie drücken kann. Die Vorhaltung einer
No. 94.
besonderenKreiselpumpe
für die Wasserförderung,
sobald der Bagger als
Schwemm- Apparat oder
Schutensauger thätig sein
soll, hat zurfolge, dass
der von dieser Maschi-
nenanlage eingenommene
Raum des Baggerrumpfes
unausgenutzt bleibt, so-
bald der Bagger vorwie-
gend als Bagger Verwen-
dung findet. Es sind aber
wohl sehr oft Fälle denk-
bar, wo der Besitz eines
solchen Universal -Appa-
rates, der bald als Bagger
und Schwemm - Apparat
oder als Schutensauger
benutzbar ist, ohne dass
während der Dauer der
weniger vielseitigen Ver-
wendung eine nutzlose
Last milzuführen ist, für
eine Bauverwaltung oder
einen Unternehmer von
grösstem Vortheil sein
wird. Seit einer Reihe,
von Jahren baut die be-
kannte holländische Firma
L. Smit & Zoon in Kin-
derdij k Saugebagger, wel-
che nur mit zwei Bagger-
pumpen und den dazu ge-
hörigen, gleichzeitig auch
für die Fortbewegung des
Baggers bestimmten Ma-
schinen und Kesselanla-
gen versehen sind und
keineWasserpumpe nebst
Antriebmaschine besitzen
und trotzdem sowohl
als Saugebagger und
Schwemm- Apparat, als
auch als Schutensauger
und Schwemm - Apparat
Verwendung finden kön-
nen. Der grosse Vortheil,
welchen dieseBagger hin-
sichtlich der Einfachheit
der Bedienung und der
Anpassung an die jewei-
ligen Arbeitsbedingungen
bieten, haben diesen Bag-
gertypus in den einschlä-
gigen Kreisen rasch be-
hebt gemacht. Wir geben
im Nachstehenden unter
Beifügung des Längs- und
Querschnittes (Abbildg. i
und 2, S. 606) eine Be-
schreibung eines solchen
Baggers, der für deutsche
Rechnung gebaut worden
ist, und zwar sowohl hin-
sichtlich der allgemeinen
Einrichtung desselben, so-
weit das hier gerade noth-
wendig erscheint, als
auch besonders derjeni-
gen Einrichtungen, welche
getroffen worden sind,
um die Wasserpumpe
nebst Maschinen -Anlage
entbehrlich zu machen.
Es ist das der Sauge-
bagger „Gelderland“ der
genannten Firma; ein an-
derer Bagger dieses Ty-
pus „Hotm“ ist in Dan-
zig verwendet worden.
Im Aeusseren ähnelt der
Rumpf des Baggers dem
eines kräftigen Seedampf-
ers. Der vorderste Theil
desRurapfeswirdvon den
Schlafräumen der Bagger-
Mannschaft und von einem
Dienstraum für den bau-
leitenden Ingenieur eingenommen. Das Mittelschiff ist zu
einem einzigen grossen Schacht zur Material-Aufnahme
ausgebildet, dann folgen die Baggerpumpen, die Ma-
schinen- und Kesselräume, sowie die Schlafräume für die
Maschinisten. Auf Deck befinden sich ausser den für die
Steuerung, den Schiffs-Maschinenbetrieb, die. Signalsetzung
usw. erforderlichen Aufbauten und Einrichtungen, die
Rohrleitungen für die Vertheilung des Baggergutes in dem
Materialschacht, die beweglichen, seitlich auskragenden
Rohrstücke zur Füllung von Baggerschuten, der Ansatz-
stutzen für die schwebende Transport-Rohrleitung, sobald
der Bagger als Schwemmapparat seinen eigenen Material-
schacht oder Baggerschuten leersaugen soll, ferner die
Winden und Flaschenzüge zur Bedienung der Boden-
klappen des Materialschachtes, sowie der beweglichen
Schutensaugrohre und des grossen Saugrohres des Baggers.
Das an seinem oberen Ende im Scharnier hängende und
an das feste Saugrohr der Pumpen durch bewegliches
Verbindungsstück angeschlossene Saugrohr des Baggers
hängt in Flaschenzügen am Steuerbord des Baggerrumpfes
(vergl. auch Abbildg. 5).
Die maschinelle Ausrüstung des Baggers besteht in
2 Maschinen- und Kesselanlagen, von denen jede 350 P. S.
indizirt. Die Kessel sind einfache zylindrische Schiffs-
kessel. Die Maschinen sind senkrecht stehende Dreifach-
Expansions-Dreizylinder-Maschinen mit Oberflächen-Kon-
densation. Jede der Maschinen treibt eine der beiden
vorhandenen Schiffsschrauben und kann ferner mit einer
der beiden Kreiselpumpen zusaramengekuppelt werden.
Die Bestimmung und die Wirkungsweise der einzel-
nen Rohre usw. ist am leichtesten zu übersehen durch
eine Besprechung der verschiedenartigen Thäiigkeit des
Baggers selbst (vergl. Abbildg. i und 2).
Ist der_ Bagger durch eigene Kraft und mittels seiner
beiden Schiffsschrauben an die Arbeitsstelle gelangt, so
werden die Buganker ausgelegt, und es wird das frei be-
wegliche Ende des Baggersaugrohres auf den Grund herab-
gelassen. Die vorher mit den Schiffsschrauben gekuppelten
Maschinen werden nunmehr mit den beiden Bagger-
Kreiselpumpen gekuppelt und letztere darauf in Be-
wegung gesetzt. Während nun ein Gemisch von Boden
und Wasser durch das Saugrohr aufgesaugt und den
Pumpen zugeführt wird, werden die Ankerketten durch
eine Dampfankerwinde langsam aufgenommen, so.dass, ,4,er
Bagger sich allmählich vorwärts bewegt und so auf -der
Sohle eine Rinne ausbaggert. Die von den Kreiselpumpen
geförderte Masse wird in einen gemeinsamen Stützen ge-
drückt und kann von hier aus einmal zur Füllung des
Materialschachtes des Baggers in die auf Deck liegenden
Vertheilungs-Rohrleitungen und durch deren Oeff-
nungen in den Baggerschacht gelangen. Ist der Schacht
gefüllt und sollen ausserdem noch Baggerschuten gefüllt
werden, so kann dies unter Benutzung des sich über Deck
nach beiden Schilfsseiten verzweigenden Schutenlüll-
rohres geschehen. Dieses Rohr besitzt an beiden Schiffs-
seiten T-lörmige, in lothrechter Ebene drehbare Enden,
welche in den Schutenraum hinabgelassen werden können.
Um eine gleichmässige Vertheilung des Baggermaterials
in dem Schutenraum beim Ausströmen zu erreichen, be-
steht die Ausmündung des Zuleitungsrohres nicht in einer
einzigen Oeffnung, sondern das wagrechte Rohr der
T-förmigen Zuleitung hat an der unteren Rohrfiäche zahl-
reiche Löcher erhalten.
Soll dagegen der Bagger an der Baggerstelle unmittel-
bar als Schwemmapparat arbeiten und soll das Baggergut
durch eine schwimmende Transport-Rohrleitung nach der
Ablagerungsstelle gedrückt werden, so wird die von den
Pumpen nach dem Heck des Baggers führende Sch wemmr
Leitung mit der schwimmenden Rohrleitung verbunden.
Die Entleerung des Materialschachtes des Baggers an
der Ablagerungsstelle kann, sobald an letzterer genügende
Fahrtiefe für den Bagger vorhanden ist, durch einfaches
Verklappen (Oeffnen der Bodenklappen) geschehen. Um.
den Materialschacht des Baggers aber auch trotz der
fehlenden Wasserpumpe auch nach dem: Lande hm enh
leeren zu können, um also in solchem Falle den Bagger
ebenfalls als Schwemm apparat zu gebrauchen, ist folgende
Einrichtung getroffen worden: Unter dem Materialscnacht
in ganzer Länge desselben beiderseits der Kiellinie ziehen
sich zwei Kanäle hin, deren obere Wände den Boden
des Materialschachtes abgeben. Diese Wände sind je von
13 Oeffnungen ^durchbrochen, welche die Verbindung
zwischen Materialschacht und den Kanälen herstellen.
Diese Oeffnungen können durch Holzklappen geschlossen
werden. An den Klappen sind Zugketten, welche äh
Deck mit Schraubenspmdeln verbunden sind. Befestigt
durch Handräder können diese Spindeln einzeln gehoben
oder gesenkt werden und so die Verbindung zwischen
Materialschacht und den Kanälen abgeschnitten bezw. her-
603
22. November 1902.
Abbildg. 3. Saugebagger »Gelderland“. — Abbildg. 4 und 5. Saugebagger aHolm“.
Erbaut von L. Smit & Zoon in Kinderdijk, Holland.
604
No. 94.
gestellt werden fvergl. Querschnitt Abbildg. 2X Iti den bare Oeffnungen. Die [Schliessketten für diese äusseren
gegenüberliegenden, vom Schiffsboden gebildeten Kanal- Klappen gehen seitlich von den Kanälen in die Höhe und
Wandungen befinden sich entsprechende, mit einfachen, laufen oben an Deck über Rollen nach einer gemeinsamen
aussen mit Stahlblech armirten Holzklappen verschliess- Dampfwinde. Die Klappen werden für gewöhnlich in
22. November 1902. äq-
neue Stadttheater in Köln a. Rhein. Architekt: Reg.-Baumeister Karl Moritz in Köln.
der Schlusslage durch eine über Deck angeordnete Keil- Die beiden Kanäle stehen hinten durch ein Schoss in
Vorrichtung (siehe Querschnitt) gehalten. Um den Inhalt Verbindung mit den Saugrohren der beiden Baggerkreisel-
des Materialschachtes zu „verklappen“, werden die inneren pumpen, vorn münden sie in je einen, in olfener Ver-
Klappen der Reihe nach durch Herabdrehen der Spindeln bindung mit dem Aussenwasser stehenden Tank. Kanäle
von Hand geöffnet, sodann werden die Keile mittels, und Tank können getrennt werden durch Schosse, welche
eines Hammers herausgeschlagen, sodass die äusseren vom Deck aus bedient werden. Soll nun der Bagger
Klappen sich ebenfalls öffnen und das Baggergut durch als Schwemmapparat dienen, seinen eigenen Materiai-
die entstandenen Oeffnungen in die Tiefe gleitet. Nach schacht leersaugen und das Baggergut durch schwebende
beendigter Entleerung werden die äusseren Klappen durch Transport-Rohrleitung an das Land spülen, so werden
die Dampfwinden gleichzeitig angehoben und durch Ein- die Kanäle durch Ziehen der letztgenannten Schosse mit
treiben der Keile festgelegi, sodann werden auch die dem Aussenwasser in Verbindung gesetzt. Die Schosse
oberen Klappen durch Anziehen der Spindeln wieder lassen eine beliebige Regelung des Wasserzuflusses zu.
geschlossen. Darauf werden die die Oeffnungen zwischen Material-
Die Baupacht- und Grundrenten-Verhältnisse
in England.
le eigenthümlichen Pacht- und Rentenverhältnisse des
englischen Bodens und die in ihrem Gefolge auf-
treienden Einflüsse auf den englischen Hausbau haben
seit langem schon die Aufmerksamkeit der Sozialhistoriker
auf sich gezogen und sind auch bei dem in Deutschland
in letzter Zeit viel erörterten System der Erbpacht Gegen-
stand des Studiums gewesen. Es bietet deshalb vielleicht
einiges Interesse, einmal einen flüchtigen Blick auf diese
Verhältnisse zu werfen, die in ihren Anfängen bis auf
Wilhelm den Eroberer zurückgehen, der am 29. Sept. 1066
den englischen Boden , betrat und in der Schlacht bei
Hastings am 14. Okt. loCö den von den Grossen des Lan-
des zum Nachfolger Eduards des Bekenners (1042—1066)
erwählten König Harald besiegte und tödtete, sich als Be-
herrscher des Landes einsetzte und nach wiederholten
Aufständen der Angelsachsen den gesaramten Landbesitz
an sich riss, um ihn zum königlichen Besitz zu erklären.
Diese tiefgreifende Umwandlung der Besitzverhältnisse
wurde durch Wilhelm in einem etwa um das Jahr 1085
verfassten Reichsgrundbuch, Domesday-Book, urkundlich
festgelegt. Dieses Buch umfasst den Besitzstand von 34
GraTschaften und giebt ein ausführliches Verzeichniss des
Grundbesitzes in diesen Bezirken. 1783 erschien in London
eine Druck-Ausgabe des Buches, während die . Original-
handschrift in der englischen Schatzkammer aufbewahrt
wird. Während nun Wilhelm die alte Eintheilung des
Landes in Grafschaften beibehielt, schuf er für den Besitz
selbst ganz neue Verhältnisse, die bis zum heutigen Tage
fortwirken. Der durch ihn aufgestellte, noch heute in der
Theorie gültige Grundsatz des englischen Rechtes besteht
darin, dass der König alleiniger und ausschliesslicher Eigen-
thümer des ganzen von ihm eroberten Landes ist, und dass
Niemand Land besitzen kann, dem es nicht • durch den
606
König in irgend einer Form verliehen ist. So kommt es,
dass beinahe alles Land im Besitze einiger weniger Lehns-
herren ist. Ira Jahre 188g waren 85% des. urbaren Lan-
des überhaupt Pachtland.
Es besteht in England bis heute- noch ein Lehnsver-
hältniss derart dass die Lehen zwar erblich waren, jedoch
beim Aussterben eines Geschlechtes oder bei schlechter
Führung des Lehnsinhabers an den König znrückfallen
konnten. Auf wie wenige Inhaber sich der Grundbesitz
vertheilt, wird ersichtlich, wenn man erfährt, dass es in
England nur etwa 600 persönliche oder körperschaftliche
Lehnsinhaber giebt, die, „chief tenants" oder „tenentes in
capite“- genannt, das Lehen unmittelbar von der Krone
empfingen. Daneben gab es dann etwa gegen 8000 After-
lehnsleute. Es kann nicht überraschen, dass unter diesen
Umständen eine Art Latifundienwesen einen weiten Um-
fang angenommen hat, namentlich wenn man erfährt, dass
348 Eigenihümer fast den 4. Theil der gesammten nutzbaren
Grundfläche des vereinigtenKönigreichesbesitzen. i2Eigen-
thümer besitzen zusammen 18000 davon einer allein
5500 qkm. Aus diesen Verhältnissen heraus sind Erschei-
nungen gezeitigt worden, welche eine Abänderung dieser
Zustände immer dringender erscheinen Hessen. l3er Ruf
nach dem Freihandel mit Land wurde lauter und lauter,
doch es gelang bis heute nicht, die fast tausendjährige Ge-
wöhnung mit allen ihren merkwürdigen Begleiterschei-
nungen zu beseitigen. Das einzige, was bisher erreicht
werden konnte, das war die Settied Land Act des Jahres
3882, durch welche die lebenslänglichen Nutzhiesser des
durch Errichtung eines Fideikommisses gebundenen Grund-
besitzes ermächtigt wurden, das Land zu verkaufen, zu
vertauschen oder mit Hypotheken zu belasten, das erstere
jedoch nur gegen Vollwerthigkeit des Kaufes. Durch die
letztere Beschränkung wurde aber kaum eine Besserung
der Verhältnisse erzielt. Was hatten diese nun für einen
Einfluss auf den englischen Hausbau? Darüber entnehmen
No. 94.
schacht und den Kanälen schliessenden Klappen geöffnet,
die Baggerpumpen werden in Bewegung gesetzt und
saugen das Wasser der Kanäle an. Das Baggergut im
Materialschacht stürzt durch die Oeffnungen in die Kanäle,
mischt sich mit dem Wasser und wird von den Pumpen
gleichfalls mit angesaugt, welche es durch den loihrechten
Stutzen drücken. Dieser Stutzen trägt an seinem oberen
Ende ein Kugelgelenk, an welches die schwebende Trans-
portleitung, sobald der Bagger an der Löschstelle ange-
langt ist, ohne Schwierigkeiten angeschraubt werden kann.
Soll der Bagger als „Schutensauger'* arbeiten und
handelt es sich dabei um die Entleerung von „Patent-
schuten“, d. h. solchen Schuten, welche zur Mischung
ihres Inhaltes mit dem nöthigen Wasser eine gleiche Ein-
richtung erhalten haben, wie eben für den Bagger be-
schrieben worden ist, so ist vorher das Baggersaugrohr
durch einen kurzen Saugschlauch zu ersetzen, der an die
Saugkanäle der zu entleerenden Schute angeschlossen
wird. Abbildg. 4 und 5 zeigen den schon erwähnten Bagger
„Holm“ mit dem Schuten Saugschlauch an Backbord etwas
vor dem Führerhäuschen.
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- und Ing.-Verein zu Düsseldorf. Am 27. März
1902 fand unter Führung, des bauleitenden Architekten
I-I. Wöhler eine Besichtigung des von der Firma Kayser
& V. Groszheira erbauten „Parkhötels" am Cornelius-
Platz statt. Dasselbe, inmitten der Stadt und doch in
landschaftlich hervorragender Umgebung gelegen, bildet
mit seinen imposanten Abmessungen und sandsteinernen
Barockschauseiten nicht nur einen prächtigen Abschluss
des genannten Platzes, sondern bietet auch in 4 Stock-
werken bei rd. 180 Betten und vollendetster Einrichtung
eine allen Ansprüchen genügende Unterkunft, sodass am
Niederrhein ein vorzüglicheres Haus für den Fremden-
verkehr z. Zt. kaum zu finden sein dürfte.
ln der Versammlung am i. April 1902 wurden in die
Jury der Düsseldorfer Kunstausstellung 1902 die Hrn.
Radke, Peiffho ven und vom Endt gewählt; am 30. Mai
wurde Hr. Brth. Radke zur Vertretung des Vereins in der
AbgeordnetemVersamralung in Augsburg bevollmächtigt
und das Fürstenbergbräu zum Schwarz waldhaus zum Stand-
quartier der Verbands-Vereine in der Ausstellung bestimmt.
Aufgen. in den Verein wurde Hr. Arch, Mühlenkamp.
Am 13. Sept. 19Ö2 fand ein Ausllug' .mit Damen unter
zahlreicher Betheiligung der Kölner und Aachener Kollegen-
schaft in die Ausstellung statt. Nach einer Reihe instruktiver
Besichtigungen und experimenteller Vorführungen ver-
sammelten sich die Theilnehmergruppen im Restaurant
„Zur schönen Aussicht“, um den an Darbietungen reichen
Tag in echt rheinischer Fröhlichkeit zu beschliessen.
Es ist aber auch möglich, gewöhnliche Schuten durch
den als Schutensauger arbeitenden Bagger zu entleeren
und es ist dann die Anordnung des Schuten-Saugrohres eine
andere als bei den Patentschuten, und zwar gleicht die-
selbe dann der bei gewöhnlichen Schutensaugern üblichen.
Die Zuführung des nöthigen Mischwassers in den Schnten-
raum erfolgt dann mittels der einen Baggerpumpe, welche
als Wasserpumpe arbeitet, während dann die andere Pumpe
allein die Entleerung der Schute und das Fortschwemmen
des Baggergutes zu bewirken hat. Abbildg. 5 zeigt den
Bagger „Holm", wie er eine gewöhnliche Baggerschute
entleert unter Zuführung von Mischwasser durch die eine
Pumpe. Das Saugrohr ist im Bilde etwas angehoben, um
zeigen zu können, wie die Saugrohrmündung und die
Wasserzuführungs-Rohre gegeneinander angeordnet sind.
Abbildg. 3 zeigt den Bagger „Gelderland", wie das
grosse Baggersaugrohr eingebaut wird, Das T-förmige
Rohrstück zum Füllen der Schuten ist in seine höchste
Lage gezogen und ist gut zu erkennen, ebenso wie das
eine Vertheilungsrohr an Deck über dem Materialschacht
des Baggers. — Günther.
In der Versammlung am 14. Okt. 1902 wurde Hr. Reg.-
Bmstr. Dormann aufgenommen. Hr. Korn berichtete über
die Abgeordneten- und Wander-Versammlung in Augsburg
unter Vorlegung der Festschriften.
Am 28. Okt. 1902 gelangte Hr. Ingen. Boerner zur
Aufnahme, worauf in Vorberathungen betr. die Abgeord-
neten- und Wander-Versammlung 1904 in Düsseldorf ein-
getreten wurde. Eine interessante Unterhaltung knüpfte
sich schliesslich an die Frage der Erhaltung des Aus-
stellungs-Bauwerkes der vereinigten Beton-Vereine. Die
für- und widersprechenden Ansichten innerhalb der Fach-
genossen und des Laienpublikums sind vorläufig Anlass
dazu gewesen, dass die Stadt als Grundeigenthümerin be-
schlossen hat, das künstlerisch und technisch hervorragende,
mit sehr grossem Aufwande (300 000 M.) errichtete Bau-
werk gegen Sicherstellung der Abbruchskosten wider-
ruflich bestehen zu lassen.
Am 8. Nov. 1902 fand zur feierlichen Ueberreichung
des inform einer bronzenen Bildtafel künstlerisch ausge-
statteten Diploms an sein Ehrenmitglied, Geh. Brth. D r e I i n g ,
eine Festversammlung des Vereins in der Tonhalle statt. —
Zum 70. Geburtstag von Heinrich Gerber. Den 70. Ge-
burtstag feierte am 18. d. Mts. Ob.- Brth. Heinrich Gerber
in München, dessen Name mit der Entwicklung des moder-
nen Eisenbrückenbaues untrennbar verknüpft ist. Nament-
lich in der Stellung als Leiter einer unserer bedeutendsten
Brückenbau- Anstalten (der Nürnberger Maschinen-Fabrik),
wir Mittheilungen des Hrn. kgl Landbauinspektors Dr.
H. Muthesius in London Folgendes;
Der Bau yon Häusern auf gepachtetes Land ist in
England ziemlich allgemein gebräuchlich, in London sogar
die Regel. Der Grund und Boden von London gehört
im Wesentlichen einer beschränkten Anzahl, von Gross-
grundbesitzern, von denen die bedeutendsten der Herzog
von Westminster, der Herzog von Bedförd und der Viscount
Portman sind. Alle drei Geschlechter sind verhältniss-
mässig neuen Ursprunges, sind aber jetzt durch den Um-
stand, dass sich das Häusermeer der Weltstadt über ihre
Besitzungen gewälzt hat, die reichsten Geschlechter der
Welt geworden und stellen in dieser Beziehung noch
immer die amerikanischen Milliardäre in den Schatten.
Der Baupacht von London wie in anderen Theilen Englands
ist ganz einfach dadurch entstanden, dass die Besitzer des
baureif gewordenen Landes, der Anschauung des englischen
Grossgrund-Eigenthümers folgend, unter keiner Bedingung
willens waren, ihr Gebiet zu verkaufen. Es blieb dann
nichts anderes übrig, als ein Pachtverhältniss für die Bau-
lustigen. Man theilte das Land in kleine Blöcke und ver-
pachtete es als Bauland auf längere Dauer, wobei man
die Bedingung, stellte, dass nach Ablauf der Pachtzeit das
Land einschliesslich des darauf stehenden Gebäudes an
das Geschlecht zurückfiel. Die grossen, den drei genannten
Familien gehörenden Gebiete von London wurden auf
solche Weise vor etwa 100 Jahren bebaut. Sie sind in
den letzten 10 — 15 Jahren allmählich an die Familien zu-
rückgefallen und haben diesen dabei ungeahnte Reich-
thümer in den Schooss geworfen. Der Baupacht wurde
zurzeit der Bebauung dieser Distrikte auf 99 Jahre be-
messen. Diese Zahl ergab sich in Anpassung an ein für
kirchliches Land bestehendes Gesetz, wonach dieses, unter
Ausschluss des Verkaufes, auf nicht mehr als 99 Jahre
verpachtet werden konnte. Die daraus zunächst zur Ge-
wohnheit gewordene 99jährige Baupachtdauer ist bei Ge-
22. November 1902.
legenheit der Neubebauung von Geländen in und um London
ständig verringert worden, man hat auf 80, 60, zuletzt so-
gar auf 40 Jahre unter denselben Bedingungen verpachtet.
Ausserhalb Londons ist die Grenze von 99 Jahren bis jetzt
nicht so häufig unterschritten worden als in der Haupt-
stadt, es hat sich im Gegentheil an vielen Orten ein leb-
hafter Widerstand selbst gegen diese Zeitdauer geltend
gemacht, und man hat den Landbesitzern vielfach eine
Zeitbemessung von 999 Jahren abgerungen, die dann dem
Pacht unmittelbar den Charakter eines Eigenthums-Be-
sitzes verleiht.
Landbesitzer verpachten das Bauland gegen eine in
der Höhe ungemein wechselnde, aber im allgemeinen nie
unter 5*^/0 des Verkaufswerthes betragende jährliche Ab-
gabe. Dabei legen sie dem Pächter gewisse Bedingungen
über die zu errichtenden Bauten auf. Sie schreiben z. B.
vor, dass nur Häuser von einer gewissen Grösse errichtet
werden dürfen, dass nur gute Materialien gewählt und
gute Ausführung eingehalten werden sollen. Grössere
Grundbesitzer haben immer einen Architekten in ihrem
Dienste, der sich ganz diesen Angelegenheiten widmet.
So sind auf einigen vor etwa 15 Jahren neubebauten Ge-
bieten südlich vom South-Kensington-Museum sogar archi-
tektonisch sehr bedeutende Wohnviertel entstanden, weil
der Grundbesitzer die Bedindung gesetzt hatte, dass nur
gewisse gute Architekten für den Bau der Häuser herange-
zogen werdensollten. In anderen Fällenaber werden irgend-
welche schwerwie^nden Bedingungen nicht gestellt, ganz
besonders in dem Falle, dass, wie es zumeist geschieht,
ein Unternehmer einen ganzen Bezirk auf Spekulation
bebaut. Der Landeig.enthümer sucht dann gerade durch
die Milde seiner Bedingungen den Pachtbetrag in die Höhe
zu schrauben. Der Unternehmer baut rasch in die Höhe
und verkauft die Häuser so schnell wie möglich (einschl.
der auf dem Grund und Boden liegenden Abgabe-Bedin-
gungen). In diesem oft geübten. Falle fällt jeder günstige
607
die er längere Jahre bekleidete, hat er eine fruchtbrin-
gende Thätigkeit ausgeübt, die für das Ansehen des deut-
schen Brückenbaues von wesentlichem Einflüsse gewesen
ist. In weitesten Kreisen bekannt geworden ist er durch
die nach ihm benannteKonstruktion des„Gerberträgers“,
d. h. des durchlaufenden Trägers mit freischwebenden
Stützpunkten, der für Eisenbrücken sehr grosser Spannun-
gen fast zum vorherrschenden System geworden ist und
auf anderen Gebieten der Technik eine ausgedehnte An-
wendung gefunden hat.
Die Technische Hochschule in München hat ihm, als
„dem bahnbrechenden Ingenieur, dessen wissenschaftliche
Behandlung der Konstruktions-Einzelheiten vorbildlich ge-
worden, dem Schöpfer der Auslegerbrücken, dem Alt-
meister deutscher Eisenbaukunst" auf einstimmigen Antrag
der Bauingenieur- Abtheilung die Würde eines Ehren-
Doktors der technischen Wissenschaften verliehen.
Möge ihm noch manches Jahr desSchaffensvergönnt sein. —
Schwarz-Weiss-Ausstellung Amelang in Charlottenburg.
In der Reihe der privaten Berliner Kunstausstellungen ist
die vorstehende, Kantstr. 164 in Charlottenburg, die jüngste.
Sie widmet sich ausschliesslich der Schwarz-Weiss-Kunst
und dem Aquarell und dementsprechend ist auch die
Stimmung der Ausstellungsräume gehalten. Nach dem
Entwürfe von Wilhelm Kimbel zeigen sie eine einheit-
liche, strenge Architektur in Eichenholz, welches, soweit
es nicht Schaukästen bildet, grünbespannte Wandflächen
umrahmt, auf welchen die Schwarz-Weiss-Blätter wieder
in Eichenholzrahmen hängen. Die lichte, in einem ge-
brochenen Weiss gehaltene Decke ist ohne allen Schmuck
geblieben, damit sie in der Lage ist, das elektrische Licht,
welches nicht in den Raum, sondern zuerst gegen die
Decke strahlt und von dieser zurückgeworfen wird, sodass
in den Ausstellungsräumen ein gleichmässiges, diffuses Licht
herrscht, zurückzuwerfen. Die Ausstattung der Räume
hatten Kimbel & Friderichsen in Berlin übernommen.
Ersatz der staatlichen Bauführerprüfung in Preussen
durch das Diplomexamen und Uebergangsbestimmungen für
die Zulassung zur Doktor-Promotion. Von dem Hrn. Rektor
der Techn. Hochschule in Charlottenburg geht uns folgende
Mittheilung zu:
Zwischen den Hrn. Ministern '’des Kultus und der
öffentl. Arbeiten ist vereinbart worden, die staatliche Bau-
führerprüfung durch die Diplom-Prüfung zu ersetzen derart,
dass der Eintritt in den höheren technischen Staatsdienst
künftig die Ablegung der Diplom- Prüfung an einer tech-
nischen Hochschule zur Voraussetzung hat. Die neue
Einrichtung tritt am i. April 1903 in Kraft.
Während einer Uebergangszeit von etwa einem Jahre
kann die staatliche Vorprüfung und i. Hauptprüfung noch
bei den technischen Prüfungsämtern in Berlin, Hannover
Einfluss des Baupachtverhältnisses auf die Bauart fort und
es herrscht genau derselbe Zustand wie bei dem Bau der
Spekulations-Miethkasernen in kontinentalen Städten. Die
Bauart ist die leichtfertigste, so schlecht, wie sie eben noch
durchgehen kann. Der spätere Hausbesitzer aber ladet
durch den Erwerb eines solchen Hauses geradezu einen
Fluch auf sich. Denn auf einem auf Baupachtland stehen-
den Hause lastet stets die Bedingung, dass es nach Ablauf
der Frist des Pachtes in gut bewohnbarem Zustande
an den Grundeigenthümer zurückgegeben werden muss.
Liegt dieser Zeitpunkt vielleicht auch weit ausserhalb der
Lebensdauer des derzeitigen Besitzers, so äussert sich die
Bedingung jedoch ganz fühlbar in der vorzeitigen' Ent-
werthung des Hauses, besonders im Falle ein Besitzwechsel
eintritt. Ein ganz schlecht gebautes Haus erlebt vielleicht
gar nicht die 50 oder 60 Jahre Baupachtdauer. Trotzdem
muss der letzte Besitzer es einmal „gut bewohnbar" zu-
rückgeben, er muss also dafür sorgen, dass er ein gutes
Haus weiter giebt, weil der letzte Besitzer ein solches ab-
liefern muss. Die Ablieferung gleicht für den unglück-
lichen letzten Besitzer oft einem jüngsten Gericht. Durch
besonders dafür vorhandene Taxatoren werden die durch
den Gebrauch eingetretenen Schäden und Mängel fdila-
pidations) festgesetzt. Die auf Baupachtland stehenden
Häuser verlieren demensprechend, auch wenn sie gut ge-
baut und wohl erhalten sind, um so mehr an Werth, je
mehr der Rückfalltermin heranrückt, bis ihr Verkaufs-
werth zuletzt auf Null herabsinkt. Es giebt besondere
Rechentafeln, die den Werth eines Hauses in jedem Sta-
dium der Baupachtzeit feststelien. Bei Häusern in sich
rasch entwickelnden, vielleicht in Mode kommenden Ge-
genden tritt dem ständig sinkenden Hauswerthe natürlich
ein steigender Marktwerth entgegen und der wirkliche
Verkaufswerth ist dann die Resultante beider Kräfte.
Ist die Zeit des Baupachtes zu Ende, so ist der Grund-
eigenthümer nicht mehr nur Besitzer des Grund und Bodens,
608
und Aachen abgelegt werden. Die bis zum Ablauf der
Uebergangszeit bei diesen und den ihnen gleichgestellten
Prüfungsämtern in Braunschweig und Darmstadt abge-
legten Vorprüfungen ersetzten die in den Diplomprüfungs-
Ordnungen vorgesehene akademische Vorprüfung, ebenso
ersetzt die von den Studirenden des Maschinenbaufachs
bis dahin nach den Vorschriften des Hrn. Ministers der
öffentl. Arbeiten zurückgelegte praktische Eleven-Ausbil-
dung die in der Diplomprüfungs-Ordnung vorgesehene
einjährige praktische Thätigkeit.
Nach der Neuregelung des Prüfungswesens können
sich die Diplom-Ingenieure, welche in den Staatsdienst
eintreten wollen, hierzu melden. Nach Ablauf der Ueber-
gangszeit werden die Reg.-Bauführer nur aus den Diplom-
ingenieuren entnommen werden, jedoch vorbehaltlich der
in den Vereinbarungen mit Braunschweig und Hessen ge-
troffenen Bestimmungen.
Staatlich geprüfte Baumeister sind ohne Weiteres be-
rechtigt, sich zur Promotion zum Doktor-Ingenieur zu
melden. Von staatlich geprüften Bauführern, die den
Grad eines Diplom-Ingenieurs erwerben wollen, wird
während einer Uebergangszeit von 3 Jahren nur eine in
einer Frist von 6 Wochen abzuliefernde Diplomarbeit
verlangt, von einer mündlichen Prüfung wird abgesehen.
DieBestimmungen des letzten Absatzes treten sofort inKraft.
Preisbewerbungen.
Ein Preisausschreiben zur Erlangung von Entwürfen
für eine höhere Töchterschule mit Lehrerlnnen-Seminar in
Emden erlässt der Magistrat zum i. April 1903 für im
Deutschen Reiche ansässige deutsche Architekten. Dem
Preisgerichte gehören u. a. an die Hrn. Reg - und Brth.
Behrndt in Aurich; Brth. Ehrhardt in Berlin; Geh.
Brth. Stübben in Köln a. Rh. und Stadtbrth. Dr. C. Wolff
in Hannover. Unterlagen gegen 2,50 M. durch das Sladt-
sekretariat in Emden. —
Wettbewerb Kollegiengebäude der Universität Freiburg
i. Br. Als Verfasser des Entwurfes „alma mater" nennt
sich uns Hr. Stadtarch.EmilVollstädt in Kattowitz in Ober-
schlesien. Wir verbinden mit dieser Nennung die wieder-
holt schon früher geäusserte Bitte, uns Namensnennun-
gen bei Wettbewerben möglichst umgehend zu-
gehen lassen zu wollen, damit ein mehrmaliges Zu-
rückkommen auf den gleichen Wettbewerb vermieden
werden kann. —
Inhalt! Das neue Stadttheater in Köln iSchluss). — Einiges über Sauge-
bagger und Schwemmapparate. — Die Baupacht- und^Grundrenten-Ver-
hältnisse in England. — Mitlheilungen aus Vereinen. — Vermischtes. —
Preisbewerbungen. —
Verlag der Deutschen Bauzeitnng, G. m. b. I-L, Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
sondern auch des Hauses. Die meisten bisherigen Be-
wohner werden in ihrem Hause zu bleiben wünschen.
Der Grundherr schliesst also mit ihnen einen Vertrag ab,
der ihr Weiterwohnen ermöglicht. Bei einem vor kurzem
heimgefallenen Londoner Häuserviertel bestand er im
Folgenden; Es sei der bestimmte Fall eines Hauses von
einem Miethwerth von 4000 M. angenommen. Der Grund-
herr überlässt es dem bisherigen Bewohner für 40 weitere
Jahre gegen eine einmalige Baarzahlung (premium) von
28 000 M., eine jährliche Miethsentschädigung von 1600 M.
und die Verpflichtung, ein neues Stockwerk aufzusetzen,
sowie das Haus von Grund auf zu „modernisiren", was
dahin näher festgesetzt wird, dass er die Be- und Ent-
wässerung vollkommen neu anzulegen, neue Fenster ein-
zusetzen und die ganze Innendekoration neu zu gestalten
hat, eine Ausgabe, die sich in London kaum auf weniger
als 30—35000 M. , sagen wir auf rd. 33000 M., belaufen
wird. Er hat also eine baare Auslage von 60 000 M., die
mit 4 o/o Verzinsung 2400 M. Jahreszins ausmacht. Dies
in Verbindung mit der Jahresmiethe von 1600 M. beläuft
sich gerade auf die 4000 M. Miethe, die das Haus werth
ist. Soweit wäre die geschäftliche Seite für den Haus-
besitzer nicht weiter ungünstig. Er besitzt jedoch nach
40 Jahren kein Haus mehr, sondern hat es wieder „in gut
bewohnbarem Zustande" an den Grundeigenthümer ab-
zugeben.
Uebrigens sind die Verträge, die der Grundeigenthümer
mit den verschiedenen Hausbewohnern macht, ganz ver-
schieden. Liegt einem Miether ganz besonders daran, in
seinem Hause zu bleiben, etwa weil er dort ein von der
örtlichen Kundschaft abhängiges Geschäft ausübt, so wer-
den ihm schärfere Bedingungen gesetzt. In dieser Beziehung
werden grosse Härten der Grundeigenthümer berichtet. Man
sollte jedoch bedenken, dass es nur natürlich ist, dass jede
Parthei bei dem Geschäft die grösstmöglichsten Vortheile
für sich zu gewinnen sucht. — (Schluss folgt.)
No. 94.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 95. Berlin, den 26. November 1902.
Landhaus Curry-Reute in Riederau bei Diessen am Ammersee.
Architekt: Prof. Martin DOlfer io München.
as Landhaus Curry-Reute am Ammersee, ein eigen-
artiges, vor etwa 2 Jahren entstandenes Werk von
Martin Dülfer, geht in seinem Aufbau, einem Wun-
sche des amerikanischen Bauherrn entsprechend, auf ameri-
kanische Vorbilder zurück, macht sich jedoch in seinen
Einzelheiten die werthvollen künstlerischen Eigenschaften
des deutschen Bauernhauses, namentlich die frische Farben-
gebung und die natürliche Materialwirkung zunutze. Das
Haus entwickelt sich in breiter Lagerung unter dem Schutze
eines weit ausladenden, die Witterung abhaltenden und
im Erdgeschoss einen Umgang bildenden Daches. Das Erd-
geschoss enthält, von einer Veranda zugänglich und auf
eine Terrasse mündend, die Diele mit Kleiderablage usw.
Links liegen Empfangs- und Gesellschaftszimmer, rechts
Speisezimmer mit Küche, Anrichte, Speisekammer und
Nebentreppe. Von der Diele aus führt eine in maass-
vollen Abmessungen gehaltene Haupttreppe zu dem in das
Dach eingebauten Obergeschoss, welches ein Maleratelier,
beziehung so angeordnet, wie der ungehinderte Ausblick
auf die reizvolle Landschaft des Ammersees sowie auf
die prächtige Alpenkette sie erfordern. Der Keller ent-
hält Waschküche und Vorrathsräume, über der Kehlbalken-
lage befinden sich die Magdkammern. Die Raumaus-
nutzung des Hauses geht so bis aufs Aeusserste.
Die Ausstattung des Inneren ist eine ländlich schlichte,
jedoch durchaus vornehme. Ein Kamin von Hausleitner
in München heizt die geräumige Diele, die den Mittelpunkt
des Hauses bildet. In allen Theilen ist der Landhaus-
Charakter mit strenger Enthaltsamkeit durchgeführt. Far-
benfreudigkeit athmen das Innere wie das Aeussere. Ara
letzteren sind es vorzugsweise ungebrochene Töne, wel-
chen Wind und Wetter eine mildernde Patina zu geben
berufen sind. Das Dach ist mit Bieberschwänzen in der
lichten rothen Farbe gedeckt; das Holzwerk sowie die
Verschindelung des Obergeschosses sind braun gestrichen,
die Fenster und Thüren sind blau gehalten. Die Ver-
die Schlaf- und Fremdenräume mit dem üblichen Zube-
hör enthält. Es verdient bemerkt zu^ werden, dass die
Veranden des Erdgeschosses so angelegt sind, dass sie
die hinter ihnen liegenden Räume nicht verdunkeln; die
Lichtquellen dieser Räume liegen unmittelbar am Freien.
Die Fenster sind unbekümmert um Symmetrie und Axen-
Schalung des Dachüberstandes ist aus geöltem Kiefernholz
hergestellt. An bezeichnenden Stellen sind blau gestrichene
und theilweise vergoldete Eisengitter eingefögt. Die Bau-
kosten haben rd. 45000 M. oder 19,5 M. für das «bm um-
bauten Raumes, gemessen von Erdgleiche bis zur Kehl-
balkenhöhe, betragen. —
andhaaS Lyiirn
’'ryJ^eute, --^iederau^^^ieJJen
^yßnmerJee^..
Kanalisation und Wasserversorgung der Stadt Burg bei Magdeburg.
m 21. Nov. d. J. wurde in Burg, einer Industriestadt
von 23000 Einwohnern, das Wasser- und Kanali-
sationswerk dem Betriebe übergeben. Das Wasser
wird aus 5 Bohrbrunnen von 300 ra® 1. w. und 35 “Tiefe
gewonnen, die, ohne Zwischenbecken, durch eine rd,
500 “ lange Saugeleitung unmittelbar mit den Pumpen ver-
bunden sind; es enthält, wie fast alle Untergrundwasser
in Norddeutschland, Eisen und zwar etwa 3 “>/&, als Oxydul,
in 1 1, dessen Fällung und Ausscheidung nach dem München-
Gladbacher System in geschlossenen Apparaten, die in die
Druckrohrleilung eingeschaltet sind, erfolgt.
Bei der Kanalisation ist das Trennungs-System streng
durchgeführt: die Meteorwasser werden z. Th. unterirdisch,
z. Th. offen dem die Stadt in ihrer Längsrichtung durch-
fliesser.den Ihleflusse zugeführt. Die Schmutzwasser wer-
den in 2 Sammelbecken durch Rechen von den groben
Sink- und Schwebestoffen befreit und dann durch Sauge-
und Druckpumpen unterhalb Blumenthal in die 6 von
Burg entfernte Elbe geleitet, die an dieser Stelle bei Mittel-
wasser 500 Sek., cbm Wasser führt. Bei dem höchst selten,
bisweilen in vielen Jahren nicht vorkommenden niedrig-
sten N. W. führt der Strom dort noch über 100, und bei
H. W. mehr als 5000 Sek./cb®. Es ist durch geeignete Vor-
richtungen dafür gesorgt, dass das Abwasser gebotenen
Falles jederzeit wirksam desinfizirt werden kann.
Die Wasserversorgungs- und Abwasserpumpen be-
finden sich in ein und demselben Gebäude; die Maschinen-
stuben sind durch die gemeinschaftliche Dampfkesselan-
lage getrennt.
Die beiden wasserdicht hergestellten Sammelbecken
der Kanalisation haben je 8™ 1. Durchmesser; sie siud aut
eisernen Kränzen im Ganzen g ® tief, davon 7 ® in wasser-
führendem Sand, in das Erdreich gesenkt worden. Die
Kanäle von einer Weite bis 550®® Durchm., bestehen aus
Steinzeugröhren, deren Muffen mit Asphaltkitt gedichtet
sind; der grösste Kanal von 650 ®® 1. W. ist, weil er sehr
tief liegt, aus starkwandigen gusseisernen Muffenröhren
hergestellt. Die Gesammtlänge d^es Rohrnetzes der Wasser-
leitung und Kanalisation, einschliesslich der Hausanschluss-
rohre und der Druckrohrleitung nach der Elbe beträgt
über 70 davon liegen rd. 7 Kanal und die ganze
Druckrohrleilung nach der Elbe im Grundwasser, zum-
theil im Triebsand bei 3® Wasserslandhöhe.
Die Herstellung der Arbeitsgräben ist, unter Anwen-
dung von eisernen Spundwänden, zum grössten Theil
mit Absenkung des Wasserstandes durch Abessynier-
Brunnen erfolgt. Letztere Methode ist auch beim Bau
der oben erwähnten Sammelbecken angewendet worden;
hierdurch ist es — trotz des Wasserdruckes von 7®
Höhe — ermöglicht worden, deren Betonsohlen trocken
einzubringen und erhärten zu lassen. Bemerkenswerth ist,
dass nicht weniger als 14 Unterführungen des Ihleflusses
mit natürlichem Gefälle, die Unterdückerung des Ihle-
kanales durch das Druckrohr, in seinen für die künftige
Vertiefung und Verbreiterung des Kanales erforderlichen gelegt hatte, sind von der Firma Börner & Herzberg
Abmessungen, die Ueberführung des Druckrohres über in Berlin entworfen und in der sehr kurzen Zeit von
den Elbdeich und dessen Einbettung bis über die Buhnen- 15 Monaten in General-Unternehmung, mit allen Hoch-
köpfe hinaus in die Stromelbe erforderlich wurden. bauten, ausgeführt worden. Die Baukosten, mit den Haus-
Die beiden Werke, deren obere Bauleitung der Ma- anschlüssen, betragen etwa 1600000 M. —
gistrat in die Hände des Hrn. kgl. Brihs. B e e r in Magdeburg
Vermischtes.
Zu Ehren der kgl. Bauräthe Kayser & v. Groszheim, der
Erbauer der neuen Hochschulen für die bildenden Künste
und für Musik, fand am Donnerstag, den ao. d. M , eine
festliche Vereinigung des Vereins Berliner Künstler,
dessen Vorsitz Hr. Brth. Kayser z. Zt. führt, und der
Vereinigung Berliner Architekten statt, an welcher
auch Vorstandsmitglieder des Berliner Architekteu-
Vereins theilnahmen. Etwa 250 Personen füllten den
Festsaal des Künstlerhauses in der Bellevuestrasse bis auf
den letzten Platz, sodass den Damen nur in beschränkter
Anzahl auf der Gallerie Raum hatte gewä,hrt werden können.
Unter den Erschienenen bemerkten wir von Künstlern
den Direktor der Akademie der bildenden Künste Ant.
V. Werner, die Professoren Siemering, Schaper,
Knaus, unter den Architekten Ob.-Baudir. Hinckel-
deyn, den Präsidenten der Akademie der Künste Geh.
Reg.-Rath Ende, Stadtbrth. L. Hoffmann, Prof. K E. 0.
Fritsch und andere. Die Hochschule für Musik war nicht
vertreten, jedoch lief ein Brief von Direktor Joachim
ein, den Hr. v. d. Hude später verlas, der in den wärm-
sten Ausdrücken den beiden Architekten zu ihrem vor-
trefflich gelungenen Werke Glück wünschte und namentlich
den grossen Musiksaal als eine Leistung inbezug auf treff-
liche Akustik pries, die Schule machen werde.
Die Reihe der Ansprachen eröffnete Hr. Geh. Brth.
V. d. Hude, Vorsitzender der V.B. A. Seine Worte galten den
beiden Gefeierten und ihren Werken. Wenn ihnen jetzt von
allenSeiten Anerkennung zutheil werde, so träfe aber auch das
Wort „benemerenti“ in vollem Umlange zu. Leider habe die
Architektenschaft keine Medaillen zu vergeben, als „ideale
Medaille“ mögen jedoch die wärmsten Glückwünsche
und die aufrichtigste Anerkennung der Fachgenossen
gelten. In ein Hoch auf die beiden vereinigten Künstler
klang die Rede aus, an welche sich die Verlesung des
erwähnten Joachim’schen Briefes knüpfte, der mit stür-
mischem Beifall aufgenommen wurde.
In warmen und zugleich humorvollen Worten antwortete
Hr. Brth. v. Groszheim. Er wolle nicht prüfen, ob das
Wort „bene merenti“ wirklich in diesem Falle zutreffe,
aber jedenfalls sei es damit auch nicht allein gethan. Nicht
jedem Verdienste werde seine Krone, es gehöre dazu
auch Glück, viel Glück, und das hätten sie beide, wie
schon oft im Leben, bei diesem Werke ganz besonders
gehabt. Glück sei es zunächst gewesen, dass die Staats-
bauverwaltung den Wettbewerb ausgeschrieben und ihnen
so Gelegenheit gegeben habe, den Auftrag zur Ausführung
des Werkes zu gewinnen. Glück, dass statt des ursprüng-
Die Baupacht- und Qrundrenten-Verhältnisse
in England. (Schluss.)
Dan könnte nun mit Recht einwenden, dass der Grund-
eigenthümer für seinen Besitz sehr lange Zeit den vor
99 Jahren festgesetztenZinswerthbezogen halte, seine
Einnahmen also, nachdem sich die Gegend inzwischen
ungeheuer verbessert hatte, Jahrzehnte lang unter dem
Werthe blieben und er mit Recht sich bei Gelegenheit
des Heimfalles schadlos halten muss. Die erste Voraus-
setzung trifft sicherlich zu. Sie hat unter anderem ganz
hauptsächlich dazu geführt, die Pachtzeiten neuerdings zu
verringern, um den Grundbesitzern die Vortheile der
SteigerungdesMarktwerthesmehrzuerschliessen. Anderer-
seits aber ist keineswegs gesagt, dass sich die künstliche
Zurückhaltung des fortschreitenden Bodenwerthes zum
Vortheile der Bevölkerung vollzöge. Die werthvollen
lease-hold (Pacht)-Grundstücke im Inneren der Stadt wer-
den genau so in den Kreis der marktmässigen Werth-
steigerung gezogen, als wären sie Freehold-Grundstücke,
d. h. Grundstücke im freien, bedingungslosen Genuss.
Der Besitzer des Hauses kann sein Haus zusammen mit
der darauf liegenden Verpflichtung gegen die Grundeigen-
thümer jeden Tag verkaufen und dafür den Preis erzielen,
den der Markt diktirt. Dieser Preis wird allerdings immer
unter dem Einflüsse des eigenthümlichen lease-hold- Ver-
hältnisses stehen insofern, als es sich immer nur um einen
Kauf für den Rest der Baupachtzeit handeln kann. In
sehr entwickelten Stadtgegenden, namentlich in Geschäfts-
strassen, macht das aber nicht viel aus; ein gutgehendes,
weil an der rechten Stelle befindliches Geschäft, kann in
6 IO
liehen Bauplatzes neben der Stadtbahn der so viel bessere
nachträglich gewählt sei, Glück, dass sie bei der Ausführung
ein solches Entgegenkommen an den maassgebenden Stellen
gefunden hätten und Glück vor allem, dass ihnen in Hrn.
Brth. Adams ein solcher Mitarbeiter an die Seite gestellt
worden sei, der es verstanden habe, das schwierige „Re-
chenexempei“ dieses Baues so vortrefflich zu lösen. Das
höchste Glück, das geeignet sei, auf das ganze spätere Leben
einen verklärenden Schein zu werfen, genössen sie aber
heute, wo sie gleichsam den Mittelpunkt eines solchen
Künstlerkreises bildeten und dessen Anerkennung erhiel-
ten. Der anwesenden Künstlerschaft weihe er sein Glas.
Auf Brth. Kayser als den i. Vorsitzenden des Ver-
eins Berliner Künstler, der die beiden Familien der Künst-
lerschaft mit einander vereine, toastete Hr. Maler Wend-
ling, der 2, Vorsitzende des Vereins. In launiger Rede
lenkte Hr. Kayser die Ehrung auf die übrigen Mitglieder
des Vorstandes ab, die ihre Thäiigkeit gleich ihm in den
Dienst des Vereins stellten. Die Familienfreundschaft
zwischen den bildenden Künsten und der Architektur sei
aber noch nicht so ganz sicher, die ersteren wollten letz-
tere oft noch nicht recht anerkennen. Sein Streben als
Vorsitzender des Vereins gehe dahin, die beiden Gruppen
sich immer mehr zu nähern, sie zu voller gegenseitiger
Anerkennung zu bringen und zu gemeinsamem Zusammen-
halten und Eintreten für die Sache der gesamraten Künst-
lerschaft. Dass dies in vollem Maasse gelingen möge, sei
sein Wunsch.
Die Reihe der Toaste beschloss Hr. Prof. Breitbach,
welcher der Damen, die leider an diesem Abend nicht
mit im Kreise hätten sitzen können, in scherzhafter Rede
gedachte.
Mit jubelndem Beifalle wurde die Erklärung der
Festkarte durch Marinemaler Prof. Hans Bohrdt auf-
genommen. Platte der Künstler, Maler F. Jüttner, es
verstanden, in wenigen kraftvollen Strichen Erscheinung
und Wesen der beiden gefeierten Künstler m humorvoller
Weise zu charakterisieren, so trat ihm der Erklärer eben-
bürtig zur Seite, ' dessen witzige Anspielungen wahre
Lachstürme entfesselten.
Mit einem zwanglosen, gemüthlichen Zusammensein in
der Künstlerkneipe beim Glase Bier schloss das in jeder Be-
ziehung harmonisch verlaufene Fest, ein schönes Zeugniss
von der Einigkeit der Berliner Künstlerschaft. — Fr. E.
Drahtkiesleiste für Holzzement-Dächer von G. A. Nebe-
ling & Co. in Remscheid. Von der genannten Firma wird
eine durch Gebrauchsmuster geschützte neue Kiesleiste in
den Handel gebracht, die den Uebelstand der bisherigen
der kürzesten Zeit eine grosse Anlagesumme durch ent-
sprechende Einkünfte aufwiegen. Deshalb wagt man diese
Anlagesumme, obgleich es sich nur um einen Zeitbesitz
handelt. Die zwei sich widerstreitenden Kräfte in der
Preisbildung, die ständige Entwerthung des Hauses in-
folge der immer näher heranrückenden Rückfalizeit, und
die ständige Steigerung des Bodenwerthes infolge der
Entwicklung der Stadtgegend äussern sich in diesem Falle
in der Weise, dass die erstere im Vergleich zur zweiten
unendlich klein wird, ja in denGeschäftsstrassen der inneren
Stadt fast ganz aus der Rechnung verschwindet. Und so
bleibt als Ergebniss des Baupachtes hier nur die Hemmung
der freien Verfügung übrig, die es mit sich bringt, dass
kein Hausbesitzer baulich etwas Grösseres unternimmt,
weil es nicht lohnt, ein dauerndes Gebäude für beschränkte
Zeit zu errichten. In Wohnvierteln äussert sich die Ent-
wicklung der Gegend entsprechend als Gegengewicht
gegen die Entwerthung des Hauses durch dessen Heim-
fall, allerdings bei weitem nicht in dem Maasse, wie in
Geschäftsgegenden. Immerhin verleiht sie auch hier, be-
sonders wenn es sich um eine vornehm gewordene Ge-
gend handelt, dem Hause einen von der Zeit abhän-
genden Marktwerth. In beiden Fällen tritt demnach auch
hier der Spekulant zwischen den Hausbesitzer und den
Kauflustigen, allerdings ohne den Grundbesitzer zu be-
rühren, und macht sich die Schwankungen des Marktes
zu Nutze, treibt die Preise in die Höhe nsw. Kenner der
Verhältnisse behaupten, dass nicht davon die Rede sein
könne, dass der gebundene, in Baupacht gegebene Grund
und Boden in aufstrebenden Gegenden die Spekulation
unterbinde. Die Spekulation tritt hier ebenso ein, als
wenn keine Baupacht vorhanden wäre, allerdings hat sie
No. 95.
Formen vermeiden soll, dass bei plötzlichen, heftigen Regen-
güssen das Wasser aus den Oeffnungen der Leiste nicht
rasch genug abfliessen kann, namentlich wenn diese sich
verstopfen, und dass demzufolge eine Ueberschwemmung
der Dachfläche eintritt. Die neue Kiesschutzleiste ist da-
her in verzinktem Drahtgeflecht mit Rand- und Eckein-
fassung aus verzinktem Eisenblech hergestellt, ist also fast
in ihrer ganzen Ausdehnung wasserdurchlässig, während
sie gleichzeitig ein Abtreiben des Holzzementes verhindert.
Die Abbildung zeigt die Form der Leiste, die eine Zu-
sammensetzung auf dem Dache ohne Löthung gestattet.
Sie wird in i “ Längen fertig montirt geliefert und alle
0,50“ mit den Haltern befestigt. Für die Dachecken sind
besondere Eckhalier vorgesehen.
Der Preis stellt sich (ohne die 0,33 breite, auf Wunsch
mitgelieferte Vorbedeckung) auf 1,25 M. für 1 “ Kiesleiste,
0,15 M für das Stück der Halter und 0,50 M. für Eck- und
Winkelstücke, alles in verzinktem Eisen hergestellt. —
Ziegel- oder Schlackenbeton-Steinen, in deren Fugen Eisen
eingelegt sind, die mit ihren umgebogenen Enden oben her-
ausragen, sodass sie noch in eine obere Staraplbetonschicht
eingreifen, welche das Ganze deckt. Bei kleineren Spann-
weiten bis unter 4“ genügt imWohnhausbau die Ziegelschicht
mit einer Zementabgleichung allein, während für schwereBe-
lastungen, also 2. B. bei Anwendungen im Ingenieurwesen
die gesammte Deckenstärke einheitlich in Stampfbeton her-
gestellt wird. Die Eisen erhalten dann unter Umständen statt
der Umbiegung an den Enden Ankerplaiten, um ein sicheres
Uebertragen der Kräfte vom Eisen auf den Beton zu er-
möglichen. Von den Eisen, die nicht in ganzer Länge
durchgehen, liegen mehrere in einer Fuge, sodass eine
grössere Zahl aufgebogener Enden, namentlich nach den
Auflagern zu, wo die Scheerkräfte grösser werden, in den
Beton eingreifen. Die Decke erfordert nur geringe Kon-
struktionshöhen. So besitzt die dargestellte 10 “ weit ge-
spannte Decke nur 235 c“! Ges.-Stärke, etwa 9 cm für die
obere Betonschicht, die 3“ weit gespannte nur 9 cm bei
X500 kg/qm Belastung. Die Decken sind leicht, lassen sich
auf der rauhen Unterseite der leichten Steine gut ver-
putzen und dürften sich als weniger schalldurchlässig er-
weisen als reine Betondecken. Die Decke ist zum Patent
angemeldet. —
Neues Stadttheater in Köln a. Rh. Auf Wunsch der
Architekten und mit Bezug auf die entsprechenden Aus-
führungen S. 585 tragen wir nach, dass nicht Hr. Alfred
Müller allein zu den zu dem engeren Wettbewerb ein-
geladenen Architekten gehörte, sondern die Firma Müller
& Grah in Köln a. Rh. —
Die Eggert-Decke, eine neue fugenlose, ebene Massiv-
decke haben wir bereits in No. 70 bei Besprechung der
Düsseldorfer Betonausstellung erwähnt. Es ist dies die
Eggertdecke, von Hrn. Geh. Ob.-Brth. Eggert in Berlin
erfunden und für das Rathhaus zu Hannover von dem-
selben erstmalig angewendet. Die tlerstellung erfolgt durch
die Firma Dyckerhoff & Widmann in Biebrich a. Rh.
Wir geben io der Abbildung die Probeausführung von der
Düsseldorfer Ausstellung wieder, welche die Konstruktion
Todtenschau.
Friedrich Krupp f- Am 22. d. M. starb unerwartet
an einem Gehirnschlage auf seiner Villa Hügel bei Essen
Friedrich Alfred Krupp im Alter von noch nicht ganz
49 Jahren. Vor 15 Jahren übernahm er nach dem Tode
seines Vaters Alfred Krupp die Essener Gusstahl-
werke, deren Weltruf er nicht nur zu erhalten, sondern
noch zu erhöhen und durch geschickte Angliederung an-
derer bestehender Werke, wie des Gru-
sonwcrkes" in Buckau bei Magdeburg,
I (U, _ _ ^ F d der Schiffs- und Masch.-Bau A.-G. „Ger-
,oJ^. . _______ ^-0 rp [“ mania“, Berlin und Kiel, weiter zu be-
r‘i-1 ;■ hnnnnnim rj festigen wusste. Liegt auch die Bedeu-
Ifj I I tung der Firma, in der sie mindestens
i'tH i : I von keiner anderen Firma der Welt über-
troffen, wenn überhaupt erreicht wird,
W.V ; i.; .1: vorwiegend auf dem Sondergebiete der
|-a:i Aufsicht. ^ Geschützgiesscrei und Panzerplatten-Her-
§uer^^hn,H Stellung, SO ist damit doch keineswegs
ihre Bedeutung in der technischen Welt er-
schöpft. Namentlich in dem, was die Firma
Krupp in der Gusstahlfabrikation überhaupt
bei einer Stützweite von rd. 10 bezw. 3 m zeigt. Die geleistet hat, ist sie vorbildlich geworden und hat sich ganz
Decke besteht in ihrer Grundform bei grösseren Spann- hervorragende Verdienste um die Hebung dieses Industrie-
weiten aus einer unteren gemauerten Schicht von leichten zweiges erworben. Dass sie ausserdem noch auf mannig-
mit verwickelteren Bedingungen zu thun, die namentlich
gegen das Ende der Baupachtzeit sehr schwierig werden.
Schon aus den bisher angeführten Einzelheiten wird
hervorgehen, dass die englischen Baupachtverhältnisse, so
wie sie sich gestaltet haben, keineswegs eine ideale Ein-
richtung sind. Es ist wahr, dass sie den Vortheil ge-
währen, Vielen den Besitz eines Hauses zu ermöglichen,
die, wenn sie die hohen Bauplatzpreise mit bezahlen
müssten, nicht in der Lage sein würden, ein Haus zu er-
werben. Auch muss zugegeben werden, dass die Speku-
lation in baureifem Bauland in weitgehendem Maasse unter-
bunden ist. Ferner trifft es zu, dass ein uneigennütziger
und edeldenkender Grundherr viel Gutes stiften kann, in-
dem er auf die Errichtung nur guter und gesunder Häuser
hält. Damit aber dürften die guten Seiten der Sache
erschöpft sein.
Das Bedenkliche dieser Verhältnisse liegt darin, dass der
Hausbesitzer eigentlich reichlich alle Kosten inform von Ab-
gaben an den Grundeigenthümer aufbringen muss, die ihn
die Verzinsung des Anlagekapitales für Haus und Grundstück
kosten würde, dass er dafür niemals völlig über sein Haus
verfügen kann, da er inbezug auf Umbauten, Benutzungsart
usw. von der Genehmigung des Grundherrn abhängig ist,
und dass er bei Ablauf des Pachttermines trotz allem ein
gut bewohnbares Haus zurückgeben muss. Daraus folgt,
dass er, auch wenn er selbst baut, leichter und schlechter,
kurz, mit geringerem Interesse bauen wird, als wenn er
auf eigenes Land baute. Der altmodische, ungeordnete
Eindruck, den London macht, hängt wesentlich mit den
hier herrschenden Baupachtverhältnissen zusammen. Der
englische Baupacht ist nicht im Interesse der bauenden
Bevölkerung erfunden, sondern im Interesse der Gross-
26. November 1902.
grundbesitzer. Es handelt sich um nichts weiter als um
ein Monopol auf den Grund und Boden, das immer einer
Bedrückung der freien Entwicklung gleichkommt. Es ist
daher in den letzten Jahrzehnten auch viel davon die Rede
gewesen, eine Art gesetzlicher Ablösung der Bodenrechte
in bebauten Gegenden herbeizuführen. Bei dem Ueber-
gewicht der plutokratischen Elemente im englischen Par-
lament wird man aber vorläufig kaum auf irgend welche
Aenderungen rechnen können. Die Einrichtung ist in der
Form, in der sie jetzt besteht, nur aus einer Anzahl
spezifisch englischer National- Eigenthümlichkeiten zu er-
klären : dem F estkleben am Ueberkommenen, der Abneigung
der breiteren Volksschichten, auf weitere Zeiträume hin-
aus zu denken oder gar Vorsorge zu treffen.
Uebrigens wird der Gedanke des Baupachtes an sich
durch die geschilderten englischen Verhältnisse keineswegs
verurtheilt. Eine andere Handhabung desselben mit ge-
ringerer Betonung der Vortheile des Grundbesitzers und
stärkerer Berücksichtigung der Rechte des Hausbesitzers
könnte nach der Ansicht von Muthesius der bauenden
Bevölkerung nur zum Wohle gereichen. Vor allem müssten
die Heimfallsverhälinisse grundsätzlich anders geregelt
werden, damit sie der derzeitige Besitzer weniger ver-
hängnissvoll empfindet. Denkt man sich an die Steile des
Einzelgrundbesitzers ein Gemeinwesen gesetzt, etwa eine
Ortsgemeinde, die vorzugsweise die Interessen der Alige-
meinheit und nicht ausschliesslich die des Grundbesitzers
vertreten will, so ist nicht zu verkennen, dass in dem
Baupacht ein gutes Mittel gegeben ist, breiteren Schichten
in ihrem Bestreben entgegen zu kommen, sich selbst in
den Besitz eines Hauses zu setzen. —
611
fachen anderen Gebieten mit Erfolg thätig war, hat der
Inhalt des Pavillons Krupp auf der diesjährigen Industrie-
und Gewerbe-Ausstellung in Düsseldorf wieder zur Genüge
bewiesen.
Aber auch hinsichtlich der Wohlfahrts-Einrichtungen
für ihre Beamten und Arbeiter marschirte die Firma Krupp
an der Spitze der Industrie. Welch reiches Arbeitsgebiet
hier zu pflegen war, ergiebt schon die Zahl der auf den
Krupp’schen Werken beschäftigten Beamten und Arbeiter,
die sich auf rd. 44000 im Jahre 1899 belief. Mustergiltig
sind die Einrichtungen der Arbeiter- Wohnhäuser und
sonstiger Wohlfahrts- Einrichtungen, die von dem Besitzer
mit freigiebiger Hand geschaffen wurden. Auch hierin
bot die Düsseldorfer Ausstellung ein reiches Studien-
Material, das Zeugniss davon ablegte, dass der Besitzer
dieses Riesenbetriebes sich auch der ungeheuren Verant-
wortung bewusst war, die dieser Besitz ihm auferlegte.
An äusseren Ehren hat es Krupp nicht gefehlt. Er
war Mitglied des Staatsrathes, des Herrenhauses, zeit-
weilig auch des Reichstages und wurde vor wenigen
Jahren zum Wirklichen Geheimen Rath ernannt, eine Aus-
zeichnung, die ausser ihm keinem Industriellen bisher zu-
theil geworden ist. Mit ihm ist der unmittelbare Mannes-
stamm des Begründers des Werkes, das nun in 3 Gene-
rationen zu seiner jetzigen beherrschenden Stellung empor-
.gestiegen ist, erloschen. —
Preisbewerbungen.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein
neues Ratbhaus in Eberswalde ist dahin entschieden worden,
dass der I. Preis von 3000 M. dem Entwurf der Hrn.
Cremer & Wolffenstein in Berlin; der II. Preis von
2000 M. dem der Hrn. Köhler & Kranz in Charlotten-
burg; der III. Preis von 1500 M. dem Entwurf des Hrn.
Karl Roeraert in Berlin zuerkannt wurde. Zum An-
kauf wurden empfohlen die Entwürfe mit den Kenn-
worten: „Seehund“, „Reviso“, „Bunte Kuh“ und „Massig“ .
Engerer Wettbewerb betr. Entwürfe für eine Lazareth-
Anlage in Kiel, Wir erhalten die Mittheilung, dass nicht
Hr. Prof. H. Hartung in Dresden, sondern Hr. Architekt
Ad.Hartung in Berlin an dem Wettbewerb betheiiigtwar. —
In dem Wettbewerb der Ehrlich -Stiftung in Dresden
betr. Entwürfe zu einer Kapelle, der auf Dresdener Archi-
tekten beschränkt war, erhielten den I. Preis von 1000 M.
die Hrn. Arch. Wilh. Kreis und Prof. 0. Gussmann;
den II. Preis von 500 M. Hr. Arch. Wilh. Opfermann,
den III. Preis von gleichfalls 500 M. Hr. Arch. Ufer. Drei
Entwürfe wurden für je 300 M. angekauft und zwar die
Arbeiten der Hrn. Mas Hans Kühne, K. E. Scherz und
Hugo Grothe. —
In einem Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen
für Bucheinbände, welcher von der Leipziger Buchbinderei-
Aktiengesellschaft in Leipzig ausgeschrieben worden war
und an welchem sicher eine grössere Anzahl auf dem
Gebiete der Kleinkunst arbeitender Architekten betheiligt
waren, wurden von 428 Künstlern 1622 Entwürfe einge-
liefert, ein leider sehr betrübendes Zeichen der Zeit. —
Chronik.
Die neue kathol. Kirche in Böckingen bei Heilbronn, a. N.
wurde den 14. Ok.t. eingeweiht, eine romanische dreischiffige Säulen-
basilika mit Thurm neben dem Chor. Lichte Länge und Breite
37m und 14,2m. Aussenflächen sichtbarer Backstein; Gliederungen,
sowie Säulen und Arkadenbögen von Heilbronner Werkstein. 500
Sitzplätze und 600 Stehplätze zu ebener Erde. Robbaukosten nur
80000 M. Architekt: R. Raisch in Stuttgart. —
Die IX. internationale Kunstausstellung in München wird
im Jahre 1905 im GLaspalast abgehalten werden. —
Zur Errichtung einer Kunsthalle ln Essen vermachte Land-
gerichtsdir. Cappel in Berlin der Stadt eine Summe von 150 000 M.
und eine grössere Gruppe von Gemälden und Broncen. —
Die Wiederherstellung der Alexanderkirche in Zwei-
brüoken, einer Grabkirche der Zweibrücker Wittelsbacher, düifte
nunmehr beschlossen werden, da sich die kgl. Regierung gegen
den Plan einer Niederlegung und eines Wiederaufbaues der Kirche
nach den vorhandenen Plänen erklärte. Es kommen nunmehr die
Wiederherstellung des Langhauses, so-wie der Neubau des abzu-
tragenden Thurmes inbetracht. Die Wiederherstellungs-Entwürfe
rühren von Hrn. Arch. Carl Doflein in Berlin her. —
Die Vollendung einer Kreis - Irrenanstalt Eglfing bei
München, an der Strecke München-Rosenheim, erfolgt 1905. Es
handelt sich um eine Anstalt für 1000 Irre, für die das Pavillon-
system gewählt wurde. Auf einem Gelände von 780 Tagwerk (zu
34 a} werden sich 64 Gebäude erheben. —
Die Eröffnung der Kaiser Wilhelm-Bibliothek in Posen,
nach den Entwürfen des Hrn. Ob.-Baudir. Hinckeldeyn durch
die Hrn. Reg.- und Brth. E. Weber und Landbauinsp. G. Zeidler
in Posen errichtet, hat am 14. Nov. stattgefundeo. —
Zentral-Arbeitsnachweis-Gebäude in Berlin. Das von
der Landesversicherungs-Anstait Berlin neu erbaute Zentral-Ar-
beitsnachweis-Gebäude in der Gormannstrasse, Architekt Stadt-
612
bauinspektor G. Matzdorff in Berlin wurde am 16. Novbr. er-
öffnet. Das Gebäude, welches ausschl. des Grunderwerbel 650000 M.
gekostet hat, umfasst zwei Gebäude, deren Fassaden in' Backstein
mit einfachen Sandsteingliederungen ausgeführt sind. .Nach der
Gormannstrasse zu liegt der Nachweis für ungelernte Arbeiter mit
dem 900 qm grossen Oberlichtsaal, der Sitzplätze für i40(£ Personen
hat, und einem zweiten Saale für 420 Jugendliche; nach der Rücker-
strasse zu liegt das für 2000 Personen eingerichtete Gebäude, in
dem sich der Nachweis für weibliche Personen und für Facharbeiter
befindet. Ein Brausebad mit 15 Zellen, Werkstätten zur Instand-
setzung von Kleidern und Schuhwerk, eine Sanitätsstube, eine
Bücherei mit Lesematerial für die Arbeitsuchenden und eine Kantine
.vervollständigen die in jeder Beziehung luustergiltige Einrichtung. —
Auf dem Westgiebel des Domes zu Münster i. W. wurde
am 30. Okt. die höchste Kreuzblume wieder aufgesetzt. Hiermit
ist die Arbeit für dieses Jahr — die Erneuerung des oberen Thelles
des Giebels — beendet. Als Material ist Teutoburgerwald -Sand-
stein aus den Brüchen bei Horn io Lippe verwendet. Die Ober-
leitung hat der Reg.-Bmstr. H. Hertel zu Münster i. W. —
Die feierliche Einweihung des neuen kath. Kranken-
hauses zu Beckum i. W. fand am 13. Nov. statt. Das Kranken-
haus, welchem eine grosse gothische Kapelle angebaut Ut, bietet
Platz für ICO Betten und ist nach den Plänen und unter Ober-
leitung des Reg.-Bmstrs. H. Hertel zu Münster i. W. mit einem
Kostenaufwande von rd. 225 000 M. errichtet. —
Eine grosse internationale Kunstausstellung 1904 in
Düsseldorf ist durch die dortige Künstlerschaft beschlossen wor-
den. Mit der Ausstellung soll eine kunsthislorische Abtheilung für
Werke der bildenden Kunst aus Privatbesitz verbunden werden. —
Der elektrische Betrieb auf den österreichischen Alpen-
bahnen ist durch österreichische Abgeordnete unter Hinweis auf
die Verwendung von Wasserkräften zum elektrischen Betriebe von
Eisenbahnen in Italien, der Schweiz, Schweden und Norwegen beim
österreichischen Eisenbahnminister angeregt worden. —
Ein neues Gerichtsgebäude München-Au wird auf einem
etwa 17 000 qm grossen Gelände zwischen der Ohlmüller-Strasse
und dem Mariahilf-Platz errichtet. Das Gebäude erhält 4 Geschosse
und eine Länge der Hauptfront von 60 m. Die Entwürfe zu dem
als Putzbau gedachten Gebäude wurden unter der Oberleitung des
kgl. Brths. Adelung im kgl. Landbauamte io München gefertigt, —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. Arch. J. W. in Berlin. Die Einräumung einer Siche-
rungs-Hypothek dürfen Sie wegen Ihres Honorars nicht bean-
spruchen. Das Recht auf eine solche steht nach dem klaren,
unzweideutigen Wortlaute des B. G.-B. § 648 nur dem „Unternehmer
eines Bauwerkes oder eines einzelnen Theiles eines Bauweikes für
seine Forderungen aus dem Vertrage" zu. Ihr Anspruch ist kein
solcher aus der Werkverdingung, sondern ein solcher aus der
Dienstmielhc. Ihre Leistungen mögen bei Ausführung des Baues
benutzt und verwertliet sein, sind jedoch keineswegs in das Bau-
werk verwendet. Hierauf kommt es jedoch hauptsächlich an, deun
der jetzige § 648 ist erst bei der zweiten Lesung in das Gesetz-
buch aufgenommen worden, während eine gleichartige Bestimmung
im ersten Entwürfe gefehlt hatte. Seine Aufnahme erfolgte auf
Betreiben der Bauhandwerker und ausschliesslich zu deren Schutz,
wegen Ansprüchen aus bauhandwerksmässigeu Leistungen, die dem
Bauwerke zugute gekommen waren. Während ■ der verschiedenen
Berathungen wurde wiederholt ausgesprochen, dass der Begriff
Bauforderung eng auszulegen und auf das Entgelt für Entwürfe und
Bauleitung nicht anwendbar sei. — H. H-e.
Hrn. Amtsbmstr. Ue. in Herten. Zu i. Holen Sie die Mei-
nung einer auf dem Gebiete des Schornsteinbaues erfahrenen Firma
ein, die Sie aus unserem Anzeigentheil erfahren. 2. Ueber Modeli-
hölzer und Bausteinchen werden Sie gute Auskunft erhalten durch
die Firmen Karl Schröter, PoJytechn. Arbeitsinstitut in Darmstadt;
Leipziger Lehrmittelanstalt Dr. Osk. Schneider in Leipzig, Schul-
strasse 12. 3. Die Fassade wird zunächst mit einem reinen Oel-
anstrich versehen. 4. und 6. Ueber Volks- und Schul-ßadeaustalten
finden Sie Ausführliches in dem Kapitel „Badeanstalten" des zweiten
Bandes, dritter Theil der „Baukunde des Architekten“, Verlag der
Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H-, Berlin, Bernburgerstrasse 31.
5. Ueber ,, Turnhallen*' finden Sie Material im Kapitel 10 der , .All-
gemeinen Schulanstalten“ des vierten Theiles des zweiten Bandes
unserer ,, Baukunde des Architekten“, gleicher Verlag wie vor. —
Hrn. Arch. H. W. in Cannstatt. Es ist uns nicht bekannt,
wie sich der Mayer’sche „Fundamentprüfer" (vergl. Dtsche. Bztg.
1900, S. 214) in der Praxis bewährt hat. Vielleicht erhalten wir
aus dem Leserkreis eine Auskunft? Zu beziehen ist der Apparat
jedenfalls durch Vermittlung des Erfinders. —
Hrn. C. M. in Schwetzingen. Fragen Sie bei der Verlags-
buchhandlung von Ernst & Sohn, Berlin W. 66, an; dort erhalten
Sie die beste Auskunft über alle im Druck erschienenen staatlichen
Vorschriften im Baufache. —
Hrn. Arch. P. B. in Rheydt. Wir wissen Ihnen zunächst
nur das eine Mittel anzugeben, den rissigen Verputz abzuschlagen,
die Fugen tief auszukratzen, die ausgekratzten Fugen wieder sorg-
fältig zu verstreichen und endlich das Mauerwerk mit einem 1—2 cm
starten Zementüberzug zu versehen, der jedoch nur langsam ab-
trocknen darf. —
Hrn. Arch. E. D. in Karlsruhe. So gerne wir gefällig sind,
so erlaubt es unsere Zeit doch nicht, Honorar-Berechnungen zu
begutachten. —
Inhalt; Landhaus Curry-Rfute in Riederau bei Diessen am Ammer-
see. — Kanalisation und Wasserversorgung der Stadt Burg bei Magde-
burg. — Vermischtes. — Die Haupacht- und Grundreaten-Verhältnisse in
England (Schluss). — Todtenschau. — Preisbewerbungen. — Chronik. —
Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berliu. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
No. 95
AUZEITUNG.
GANG. * * N2; 96. *
DEN 29. NOV. 1902.
stsrsjsjararsrstsrststsrsrsf
Ansicht von ausserhalb der Umwährungsmauer.
Schloss Schwaneck im Isarthal bei München.
Begonnen von Ludwig von Schwanthaler; Architekt der Erweiterungsbauten: Osk. Delisle in München,
(Hierzu eine Bildbeilage, sowie die Abbildungen 5. 617 und in No 97.)
Südlich von München liegt auf dem
linken hohen Steilhang der aus dem Kar-
1 wendel-Gebirge kommenden, hier in enger
Thalschlucht wild daher rauschenden Isar
Schloss Schwaneck als gegen München vor-
geschobener Posten des kleinen Oertchens Pullach.
Wenn Meister Ludwig von Schwanthaler sich von den
überreichen Aufträgen, die auf ihn eindrangen, erholen
und in freier Natur zu neuen Thaten seines kunst-
reichen und Gestalten formenden Holzes frische Kräfte
sammeln wollte, dann wanderte er gen Süden, nach
jener Richtung, in welcher die wunderbare Gotteswelt
der Alpenländer einen bezaubernden Vorboten bis tief
in das Herz von Isar-Athen hinein gesendet hat: ins
Isarthal. Hier überkam ihn die Sehnsucht nach dauern-
dem Verweilen in einer an Romantik und Naturschön-
heit reichen Landschaft; an seinem Lebensabend von
hier aus der aufgehenden Sonne entgegenharren und
dem untergehenden Lichte die letzten Grüsse des Tages
in den rothen Abendhimmel nachsenden zu können,
war die Schwärmerei seiner letzten Lebensjahre. Und
so entschloss er sich denn, beeinflusst durch die
deutsche Ritterromanlik jener Tage, bei Pullach ein
Schlösschen zu errichten, welches den Kern der heuti-
gen umfangreicheren Anlage bildet. Es ist jener Tiieil
in der Mitte der Baugruppe, welcher aus einem grossen
quadratischen Thurm, einer daran schliessenden Wen-
deltreppe, einem weiterhin folgenden Gemach mit halb-
kreisförmiger Abside und einem länglichen Raum mit
rundem Thurmanbau besteht — ritterlich romantisch
in der Erscheinung, wie in der Unmöglichkeit behag-
licher Wohnlichkeit. Aber das letztere war vielleicht
auch nicht einmal der Wunsch des Meisters, dem es
wohl mehr darum zu thun war, hier ein hingebendes
Zusammenleben mit der Natur zu finden. Nicht lange
durfte sich der Meister seines Besitzes erfreuen; er
wurde in eine andere Welt abberufen und fand einen
Nachfolger in einem Hrn. Mayer von Mayerfels, dem
es in noch höherem Maasse wie Schwanthaler die
Ritlerromantik der Mitte des Jahrhunderts angethan
hatte. Von den Zinnen des Thurmdaches herunter
begrüsste er mit dem Sprachrohre die vorbeifahrenden
Flösser und frug sie, gleich dem mittelalterlichen Thür-
mer, von wannen sie kämen und wohin sie gingen.
Mit Eifer trug er an alten Kunstschätzen zusammen, was
er finden konnte, um seine Burg damit auszuschmücken.
Aber auch er sah das Ende seiner Tage und das
Besitzthum gelangte nun an eine reiche englische
Malerin, Mrs. Dumbar, die nicht minder wie die beiden
Vorbesitzer in der kleinen Burg ihre romantischen
Neigungen zu befriedigen suchte. Sie setzte mit ihren
reichen Mitteln die Ausschmückung des Schlösschens
mit alten Kunstwerken fort, rundete das Besitzthum
durch Ankauf einer grossen Wiese ab und verschönerte
es durch gärtnerische Anlagen. Und als auch sie sich
eines Tages hinlegte und starb, da erwarb das schöne
Anwesen der heutige Besitzer, Hr. Kommerzienrath
Jakob Heilmann.
6i3
Nicht ohne Bangen und vielleicht im Hinblick auf der Erweiterungsbauten Hrn. Arch. Oskar Delisle,
die grossen wirthschaftlichen Unternehmungen des welcher, unterstützt durch die freigebige Hand des
Besitzers, bei welchen mehr Wirklichkeits- als roman- Bauherrn, die schöne Anlage schuf, welche wir den
tischer Sinn zum Ausdruck kam, sahen die Freunde Lesern in den angeführten Abbildungen im Bilde dar-
des Isarthaies der Zukunft des Schlösschens entgegen, bieten können.
Aber der hochverdiente Mann, welchem München und Zunächst galt es, die Bedürfnisse eines reich ge-
das Isarthal so Grosses für ihre Entwicklung und segneten Familienlebens zu befriedigen. Diesen An-
Schönheit verdanken, machte diese Befürchtungen forderungen wurde durch die Anlage der östlich ge-
durch den Beschluss zu Schanden, Schloss Schwaneck legenen Baugruppe entsprochen. Sie schliesst sich an
zu einem vornehmen Farailiensitze auszubauen. Er diealten, von halbhundertjährigemEpheu umsponnenen
betraute mit den Entwurfsarbeiten und mit der Leitung Burgtheile glücklich und in malerischem Zuge an. Die
Gurlitts neue Kunstgeschichte.*) |
ll^'^lbsicht dieser Zeilen ist nicht, Gurlitts zweibändiges^'
^*1 kritisiren; dazu fehlt es hier durchaus anl
IK^ai f^aum. Aber da das Werk eine Fülle neuer Ge-'
sichtspunkte bringt und da es das Werk eines Architekten
ist, sejen hier kurz die wichtigsten Absätze herausgehoben,
in denen Gurlitt von der bisher gütigen Auffassung der
Kunstgeschichte abweicht.
Zunächst macht sich eine selbständige Stellung in der
Anordnung geltend. Gurlitt geht weniger, als dies bisher
geschah, von der formalen Seite der Baukunst aus, als da-
von, dass er gewissermaassen das Bauprogramm als das
entscheidende Merkmal hinstellt. Dieses findet er durch
kulturgeschichtliche Untersuchungen, die oft zu ganz neuen
Ergebnissen führen. Auch auf dieses Gebiet — so inter-
essant es ist — können wir ihm hier nicht folgen.
Schon in der Gruppirung der Geschichte der antiken
Baukunst zeigt Gurlitts Darstellung mancherlei Abweichun-
gen. Nach seiner Schilderung entwickelt sich vor dem
I. Jahrtausend vorchristlicher Zeit schon eine „Mittelrneer-
kunst“, die ihren Grund in einer tiefgreifenden Völker-
mischung hat. Die festen Anknüpfungspunkte liegen in
der Frühzeit Mesopotamiens und Aegyptens. Aber schon
die Kunst des Reiches von Theben erscheint als nicht frei
von fremden Einflüssen. Die vermittelnde Thätigkeit der
Semiten und das von ihnen angebahnte Streben, gross-
*) Corcelius Gurlitt, Geschichte der Kunst, s Bände. Stuttgart,
1902. Arnold Bei^strä>.ser. Mit 5 bunteu und 25 eiufarbigen Bildertafeln.
Preis geheftet 44 M., in zwei Leinenbände gebunden 48 M, —
614
Steinige Denkmale zu errichten, führt zu einer relativen
Gemeinschaft der entferntesten Völker.
Das erste vorchristliche Jahrtausend bringt die er-
neuten Ansätze bildungskräftigen Volksthumes. In der
Darstellung dieser Bildungen steht Gurlitt etwa auf dem
Standpunkte, den gleichzeitig Chamberlain inseinen „Grund-
lagen des 39. Jahrhunderts'* einnahm. Gobineau’s „Essay
sur rinögalitö des races humaines“ hat sichtlich Einfluss
auf ihn gehabt. Die Perser gewinnen hierbei eine wesent-
lich höhere Bedeutung, als man ihnen bisher zuwies, da-
gegen drängt sich die national reinere hellenische Ent-
wicklung eng zusammen auf die drei Jahrhunderte vor
Alexander.
„Die griechische Kunst im Osten'* nennt sich dann der
Abschnitt, der wohl das meiste Neue für die antike Kunst-
geschichte bietet. Gurlitt trägt zusammen, was man über
die Kunst der Diadochenstaaten weiss und legt in sehr
überzeugender Weise klar, dass das, was wir römische
Bauweise zu nennen uns gewöhnt haben, thatsächlich zu-
meist in Syrien unter hellenischem Einfluss entstand; d. h.
hier trat die wachsende Verrohung der Einzelform ira
Gegensätze zu der Steigerung der Maassverhältnisse und
der Wirkung- hervor, die dem Barock des 17. nachchrist-
lichen Jahrhunderts entspricht. Dieses antike Barock
steigert sich mit dem Vorwiegen aramäischer Elemente
unter den Völkern, es erlangt seine höchste Entwicklung
in dem entlegensten syrischen Staate, in Petra. Es stellt
also die vorchristliche Zeit vom 5. Jahrh. an eine steigende
Invasion hellenischen Wesens nach Asien dar, die Gurlitt
bis nach China und Japan verfolgt, deren Spuren bei den
No. 96.
Eintheüun^ zeigt die Grundzüge des gross angelegten
mittleren Einfamilienhauses. Die Wirthschaftsgelasse,
Ställe usw. sind in einen besonderen Flügel- verwiesen,
von welchem aus eine Umwährungsraauer den Burghof
einschliesst. Eine an die alte Anlage westlich angereihte
neue Baugruppe ist dem Vergnügen gewidmet; sie be-
steht in einem stattlichen Bankett-Saal und einer an-
schliessenden Kegelbahn. Diese und ein von ihr aus-
gehender anderer Theil der Umwährungsmauer um-
schliessenden architektonisch geordneten französischen
Hausgarten. "Wiesenflächen und Parkanlagen umgeben
den Besitz ausserhalb der Burgmauer. Während die
alten Theile durch Schwanthaler in Ziegelmauerwerk
aufgeführt wurden, bestehen die neuen Theile im
Sockel aus Beton und in den aufgehenden Geschoss-
mauern aus Bruchsteinmauerwerk aus Enzenauer Mar-
mor. Die oberen Theile der Umfassungsmauern sind
mit rauhem Kalkputz versehen.
Die hauptsächlich durch Pössenbacher in Mün-
chen nach den Entwürfen Delisle’s gearbeitete Aus-
stattung des Inneren ist eine würdige, an manchen
Stellen zu maassvoll zurückhaltender Pracht gesteigerte
und entspricht der Bedeutung des vornehmen Herren-
sitzes. Das Arbeitszimmer im Erdgeschoss hat
eine Vertäfelung und Wandschränke aus Zirbelholz
mit bemalten Fiachschnitt- Füllungen erhalten. Der
Kamin mantel besteht aus Veroneser Marmor. Im
Speisezimmer breitet sich ein grüner Teppich zwi-
schen Marmorwandfliesen aus „blanc clair“ aus; die
Thürumrahmungen sind aus Marmor „Vert des alpes“
geschnitten. Von dem als Wandstoff gewählten dunkel-
violetten Sammet heben sich Thüren und Möbel in
Mahagoniholz mit Goldeinlagcn ab. Die etwas ge-
schwungene Rabitzdecke ist im Elfenbeinton gestrichen,
w’ährend die Antragearbeiten an Wänden und Decke
vergoldet wurden. Die Rosetten für die elektrische
Beleuchtung sind in Bronze getrieben. In diesem
Speisesaal sowie in dem benachbarten rothen Salon
und im Boudoir erreicht die feine Pracht der Aus-
stattung ihren Höhenpunkt. Der rothe Salon musste
den vorhandenen Ausstattungsstücken angepasst wer-
den. Die Wände sind mit einem hellrothen Stoff be-
kleidet; die Stuckdecke ist durch weisse Rahmen ge-
theilt und zeigt in der Mitte ein Gemälde. Die Be-
leuchtungskörper sind Wandarme an den Thürpfosten
und gleichfalls in Bronze getrieben. Das Boudoir
zeigt eine Wandverkleidung, deren Gliederung aus
blau gebeizten Erlenholzrahmen mit Kränzen und
Pfeifen aus getriebener Bronze besteht, während ein
hellgrauer Stoff mit Seidenstickerei die Flächen be-
deckt. Die gewölbte Decke ist mit einem angetragenen,
zart vergoldeten Blumenfries geschmückt. Die Diele
besteht in Treppe und unteren Wandtheilen aus Eichen-
holz; ein Wandstoff aus grünem Kochelleinen schliesst
sich dem grünen Thonofenmantel an und steht in
einem wirkungsvollen Gegensätze zu der weissen Ra-
bitzdecke. Das Wohnzimmer, dessen Decke bemalt
ist, hat eine Eichenholzvertäfelung mit Verwendung
von geschnitzten Füllungen aus einer alten englischen
Wandvertäfelung erhalten. Die im Obergeschoss ge-
legenen Wohn- und Schlafräume haben eine ent-
sprechend abgestufte einfachere Ausstattung erhalten.
Von ansprechender Wirkung ist der grosse Bankett-
saal mit seinem offenen Dachstuhl; mit den einfach-
sten Mitteln ist hier eine glückliche malerische Wirkung
erzielt worden.
Viel Sorgfalt ist auf die Umgebung des Besitzes
verwendet worden. Wer aus dem alten Burghof durch
die schwere eisenbeschlagene Pforte das Schloss ver-
lässt, überschreitet zunächst den Burggraben und wan-
delt dann eine gute Strecke durch wohlgepflegte Garten-
anlagen, bis ihn ein kleines Portierhäuschen an die
innere Grenze des weiterhin von Waldanlagen um-
gebenen Schlossbezirkes erinnert. Gegenüber dem
Haupteingang liegt eine ausgedehnte Erdbeerplantage.
Auf der Flusseite leitet die französische Gartenanlage
mit ihren Pergolen und Pavillons zu den Steilhängen
der Isar über.
Das Besitzthum hat elektrische Beleuchtung aus
den benachbarten Isarwerken, einer der Thatkraft des
Schlossherrn entsprungenen bedeutenden Anlage.
Wen diese dürftige Beschreibung zu einem Be-
suche des schönen Herrensitzes veranlasst, der findet
stets eine offene Pforte und ein gastliches Haus und
wird doppelt gelohnt durch erlesenen Kunst- und durch
Naturgenuss. — H.
Unser neuer Band. „Aufbau der Gebäude“, aus „Baukunde des Architekten“.*)
Hls die Herausgeber der „Deutschen Bauzeilung'* vor ein Lehrbuch, als vielmehr ein für den unmittelbaren
nunmehr fast 23 Jahren erstmalig mit der „Bau- praktischen Gebrauch geeignetes Werk zu schaffen, das
künde des Architekten" (Deutsches Bauhandbuch) in gedrängter Kürze alles Wissenswerthe des betreffenden
hervortraten, hatten sie sich als Ziel gesetzt, nicht sowohl Fachgebietes umfassen und sich dabei hinsichtlich des
Haukunde des Architekten (Deutsches Bauhandbuehk I. Bd. i. Th. Der Aufbau der Gebäude. Unter Mitwirkung; von Fachmännem
der verschiedenen Eiuüelgebiete hcrausgeeebeo von den Hei'aussebern der Deutschen Bauzeitung und des Deutschen Baukalenders- Mit über 2000 Ab-
bildungen im Text. V. wesentlich umsearb. und vermehrte Auflage. Berlin
hinterindischen Khmer ebenso wie im zentralasiatischen
Tarimbecken gesucht werden.
Von einschneidender Wichtigkeit ist dann die Art, wie
Gurlitt den Einfluss Roms darstellt. Er nimmt ihn als
durchaus bescheiden an und findet dort nach dem Nieder-
gange der Etrusker eine völlige künstlerische Leere. Die
Zeilen der letzten Republik und der ersten Kaiser haben
versucht, das klassische Athen, also die damals seit drei
Jahrhunderten todte Griechenkunst neu zu beleben. Sie
haben aber das Gewölbe als raumbildenden Faktor des
Schönbaues nicht gekannt, sondern es nur, wie alle
Völker des Alterthums, zu technischen Zwecken ver-
wendet. Rom hat sich dann mehr und mehr, zumeist unter
den flavischen Kaisern, nach Zerstörung von Jerusalem,
der minder klassischen aber formal vielseitigeren helle-
nistischen Kunst des Orient angeschlossen. Campanien,
das südliche Gallien, vor allem aber Antiochia und
Alexandria, seien in jener Zeit Rom in der künstlerischen
Entwicklung weit voraus gewesen, auch das römisctie
Afrika, Kleinasien, Oberitalien hätten sich selbständig ent-
wickelt. In Rom aber hätten die Kaiser, von ihren sieg-
reichen F eldzügen heimkehrend, durch die herbeigeschlepp-
ten Besiegten Proben der Bauweise aufstellen lassen, die
man im eroberten Lande antraf: sie machten Rom zu
einem Riesen-Museum der in den Provinzen geschaffenen
Kunst. Das Pantheon, das Forum und das Septizonium
waren also von den Kaisern mit Hilfe Fremder errichtete
Beispiele in Rom fremder Kunstweise.
Das Entscheidende sei die Frage: wo wurde, zuerst
der Wölbbau künstlerisch verwendet, wo vollzog sich
29;. November 1902.
1903. Verlag Deutsche Bauzeitiing, G. m. b. H. Preis geh. 14 M., geb. 16 M.
der Umschwung von der vorwiegend plastischen, d. h.
das Aeussere berücksichtigenden hellenischen Bauweise
zu der Raumkunst der letzten antiken Zeit? Gurlitt nimmt
an, dass diese Entwicklung parallel mit der religiösen sich
vollzog. Er sucht die Anfänge in Indien, die eigentliche
Schöpfungskunst in den beiden persischen Reichen, indem
er auf die bisher nicht sicher datirten Bauten von Firuz
Abad, Warka, Hatra usw. hinweist, und verfolgt nun das
Vordringen des Wölbbaues von Osten her zugleich mit
dem Vordringen der orientalischen Religionen, des Mithras-
dienstes, des Osirisdienstes, des Gnosticismus und des
Christenthums, indem er immer wieder darauf hinweist,
dass die sogenannte spätrömische und die altchristliche Bau-
kunst nur als verschiedene Aeusserungen derselben künstle-
rischen Zeit zu betrachten sind. Der Sieg fällt vollständig
dem Orient zu, Rom wird bald wieder ganz aus der eigent-
lichen Kunstentwicklung ausgeschaliet. In Spalato, Verona,
Trier usw. sieht Gurlitt vorzugsweise orientalische Kunst.
Rom selbst vermag trotz der Riesengrösse des dort Er-
richteten Selbständiges nicht zu bieten; dagegen ward neben
Syrien Byzanz der Ort, an dem sich die Kunst des Ostens
aufs glänzendste entwickelt und von wo aus sie auf alter
Entwicklungsstrasse weiter tortschreitet. Von hier aus
erhält die altchristliche Kunst die belebenden Anregungen,
die sie auf selbständige Wege führen.
Gurlitt hält daran fest, dass der Orient bis tief ins
Mittelalter hinein die eigentliche Führung in der Kunst
gehabt habe. Die Zeit der Völkerwanderung sammelt
nach seiner Darlegung im Norden Persiens ihre auf den
(Fortsetzui^ auf S. 618.)
615
Preises in Grenzen'‘balten sollte, die eine Verbreitung in
weiterem Kreise ermöglichen könnten.
Wenn aus der Verbreitung, die das Werk in seinen
bisherigen Auflagen thatsächlich gefunden hat, ein Schluss
angemessener Weise berücksichtigen zu können, sind seit
seinem erstmaligen Erscheinen 3 neue Auflagen heraus-
gegeben worden, die jedesmal eine wesentliche Umgestal-
tung bedeuteten und stets eine entsprechende Vermehrung
gezogen werden kann, so dürfen wir uns der Hoffnung
hingeben, dass es wenigstens in gewissem Maasse gelungen
ist, dem gesteckten Ziele näher zu kommen.
Um in dem Werke die Fortschritte der Technik in
39. November 1902.
des Inhaltes mit sich brachten, sodass bei der 4. Auflage
im Jahre 1895 eine Trennung des I. Bandes in Thed i
„Aufbau" und Theil 3 „Ausbau“ stattfinden musste.
In den nächsten Tagen erscheint nun die 4. Um-
617
arbeitung, also die 5. Auflage des l. Bandes Theil i: „Der
Aufbau der Gebäude“.
Diese neue Auflage unterscheidet sich nun schon rein
äusserlich von ihren Vorgängern durch ein etwas grösseres
Format (der Baukunde des Ingenieurs aus unserem Ver-
lage entsprechend), welches aus Zweckmässigkeitsgründen
gewählt wurde, namentlich auch, um im Maasstabe der
Abbildungen weniger beschränkt zu sein. Trotz dieser
nicht unwesentlichen Vergrösserung der Seitenflächen ist
der Umfang wieder um rd. drei Druckbogen gewachsen.
(Unter Berücksichtigung der vergrösserten Seitenflächen
um rd. 10 Bogen.)
Eine weitere äusserliche Aenderung ist die durch-
laufende Nummerirung der Figuren, wobei grundsätzlich
zusammengehörige Figuren nur noch mit einer Nummer
bezeichnet sind. Auch die sogenannten Tafeln der früheren
Auflagen sind jetzt in die Nummerirung eingereiht. Es
wurden dadurch die Textbezugnahraen auf frühere oder
spätere Abbildungen erleichtert. Der Bänd enthält nun-
mehr 1900 Figurengruppen mit weit über 2000 Einzel-
figuren, sodass sicn eine erhebliche Vermehrung
des Abbildungsmaterials ergeben hat. Ganz besonders
aber ist auf klare Darstellung und ausreichende Grösse
der Abbildungen, sowie auf grössere Einheitlichkeit der
Maasstäbe Wert gelegt. Es ist zu diesem Zwecke daher
ein erheblicher Teil der alten Abbildungen ausgeschieden
worden. Es gilt dies besonders von Abschnitt V, Meiall-
konstruktionen des Aufbaues, der in seinen, die eigentlichen
Konstruktionen betreffenden Kapiteln fast durchweg neue
Abbildungen und Beispiele erhalten hat, Beispiele vergl.
S. 616. Ebenso sind in Abschnitt IV, Rücksichten auf
Feuersgefahr usw., im Kapitel der neuen Deckenkonstruk-
tionen neue Abbildungen in grösserer Zahl hinzugetreten.
Die Gesammtanordnung des Stolfes ist im wesentlichen
dieselbe geblieben, nur wurde das Kapitel über Blitzab-
leiter, das ganz neu bearbeitet ist, dem Abschnitt IV,
Rücksichten auf Feuersicherheit usw., angegliedert. Im
übrigen wurden sämmtliche Abschnitte durchgesehen, er-
gänzt und zumtheil beträchtlich erweitert unter Berück-
sichtigung der neuesten Erfahrungen und Veröffentlichungen
auf den einschlägigen Fachgebieten, zumtheil unter Hin-
zuziehung neuer Autoren.
Im Einzelnen ist Folgendes zu bemerken:
Im Abschnitt I, Maurerarbeiten, wurden Tabellen über
Eigengewichte, Belastungsannahme und zulässige Bean-
spruchungen unter Zugrundelegung der beim preussischen
Ministerium der öffentl. Arbeiten und dem Berliner Polizei-
Präsidium geltenden Vorschriften aufgenommen, welche
voraussichtlich in absehbarer Zeit allerdings einige Ab-
änderungen und Ergänzungen erfahren werden, die augen-
blicklich in der preussischen Akademie des Bauwesens zur
Berathung stehen. Den Mörtelmaterialien ist ein beson-
derer Unterabschnitt gewidmet und namentlich ist das
Kapitel XI der Grundmauern und Gründungen angemessen
ergänzt worden. Etwas breiter sind die gemauerten Flach-
decken mit Eiseneinlage behandelt, die ßetoneisendecken
dagegen ganz dem Hauptabschnitt IV zugewiesen worden.
Geringere Veränderungen weisen ■ die Abschnitte II
und III auf, aber auch hier sind alle wesentlichen Neuerungen
berücksichtigt.
Der Hauptabschnitt IV, Rücksichten, auf Feuersgefahr
und Verkehrssicherheit in Gebäuden, ist in seinem allge-
meinen Theil den neuesten Erlassen entsprechend durch-
gesehen, im Abschnitt über Theater durch eine Anzahl
neuer Beispiele ergänzt und in seinem Konstruktionstheile
sehr wesentlich umgearbeitet und erweitert worden. Ins-
besondere sind die Betoneisen-Konstruktionen sowohl für
Decken, wie für Wände und Stützen eingehender be-
sprochen und durch Zeichnungen erläutert.
Die weitgehendste Umgestaltung und Erweiterung hat
aber der Hauptabschnitt V, Metallkonstruktionen des Auf-
baues, und in diesem wieder der Konstruktionstheil und
namentlich das Kapitel der eisernen Dächer erfahren.
Letzteres ist in systematischer Weise fast vollständig neu
bearbeitet worden.
Auch der Abschnitt VI, Baumaterialien usw. nach
ihren gesundheitlichen Eigenschaften, ist fast vollkommen
umgearbeitet, da gerade auf diesem Gebiete eine Reihe
neuer Erfahrungen gemacht worden sind. —
Wir übergeben die in so umfangreicher Weise neu-
gestaltete neue Auflage der Oeffentlichkeit in der Hoffnung,
. damit unserem Ziele wiederum .einen Schritt näher ge-
kommen zu sein und mit dem Wunsche, dass sie sich gleich
ihren VorgängernzahlreicheneueFreunde erwerbenmöge.—
Mittheilungen aus Vereinen.
Mittelfränk. Krelsgesellschaft des bayer. Arch.- u. Ing.-
Vereins zu Nürnberg. Vers, vom 31. Okt. 1902. Es er-
hält das Wort Hr. Arch. Küfner zur Einleitung einer all-
gemeinen Besprechung der Düsseldorfer Ausstellung 1902.
Nach kurzem Verweilen bei der Ausstellungsstadt behan-
delt Redner die Vorgeschichte der Ausstellung, gedenkt
der bedeutenden Aufwendungen von Siadt und Staat für
die Bereitstellung des Ausstellungs-Geländes und dessen
Anschluss an die Verkehrswege, und betrachtet schliess-
lich die Gesammtanlage der Ausstellung und die einzelnen
Gebäude derselben etwas eingehender. Mit Rücksicht auf
Weg nach dem Westen mitgenommenen Motive, die Skan-
dinaviens erhält sie über Russland. Die Araber, selbst
kunstlos, schleppen sie auf ihren Kriegszügen mit fort.
Gurlitt macht als erster den Versuch einer geschichtlichen
Betrachtung der muhamedauischen Baukunst, indem er
nachweist, dass die älteren Bauten —die vor dem Mongolen-
sturme entstandenen — sich als Nachbildungen der je-
weilig heimischen Kunst darstellen,, also von den Ortsge-
borenen für die Araber, nicht aber von den Arabern selbst
geschaffen seien. Die Kopten in Ae-gypten und die helle-
nischen Reste in Asien, das Völkergemisch Spaniens und
Afrikas sind der Stützpunkt für die muhamedanische Kunst
der ersten Jahrhunderte. Aber auch für den christlichen
Westen bleiben die Handelsstädte , des Orients die Quellen
verfeinerten Schaffens, an die zurückzukehren ihm immer
wieder zur Nothwendigkeit wird, zumal seit im Reiche
der Kalifen die Kunst Persiens abermals eine Verjüngung
erfuhr, Persien sich also wieder als den gefeierten Mittel-
punkt asiatischer Kunstentwicklung darsteilte. Die Kreuz-
züge sind Züge der Sehnsucht nach dem verfeinerten
Dasein des Ostens.
Die Baugeschichte des frühen europäischen Mittel-
alters vollzog sich in bekannter Weise. Hier stellt Gurlitt
an die Spitze die Darlegung, dass Rom, obgleich Haupt
der Kirche, ohne fördersamen Einfluss auf die Kunst
bleibt. Er führt folgenden Gedanken durch: Rom vertritt
die an sich kunstfeindliche Askese, die Völker Europas
vertreten den künstlerischen Bethäügungsdrang, den frei-
lich die Kirche durch die Lehre von den guten Werken
mächtig fördert. Die Bestrebungen der grossen Kirchen-
lehrer und namentlich der Reformatoren des Mönchsthums
die im Jahre 1906 geplante Jubilaums-Ausstellung in Nürn-
berg interessirte ein Grössenvergleich der Düsseldorfer
Ausstellung mit der 1896 in Nürnberg staitgehabten II. Bayr.
Landesausstellung. (Die Ziffern für Nürnberg 1896 sind
nachstehend in Klammern beigesetzt.) Die erstere um-
fasst ein Gelände von 530 000 q® (162 400), wovon mit Ge-
bäuden 129 000 q® (50000) bedeckt waren. Hiervon ent-
fielen auf das Hauptgebäude mit den beiden Erweiterungs-
hallen 35000 q® (31 400), auf die Maschinenhalle mit Kessel-
haus 16 000 q® (10250) und auf die Kunsthalle 8000 q®
(2100). Auffallend ist, dass das Nürnberger Hauptgebäude
hinsichtlich der Grösse nur wenig hinter dem Düsseldorfer
zurückstand. • Es erklärt sich dies dadurch, dass in Düssei-
wiesen stets auf die grösste Schlichtheit und zwar aus
Furcht vor . der Weltlichkeit der Kunst. Die einzelnen
Mönchsorden, Benediktiner, Clunyacienser, Prämonstra-
tenser, Zisterzienser, später E'ominikaner, Franziskaner,
Augustiner und auch Jesuiten setzten stets mit dem hefti-
gen Bestreben ein, den Reichthum im Kirchenbau zu
bekämpfen, konnten sich aber der ihren Regeln wider-
sprechenden Kunstliebe . Opferlustiger nicht erwehren.
Die Bischofs- und Pfarrkirchen leisteten diesen Wider-
. stand gegen die Kunst nicht, denn sie sahen in ihr ein
: Mittel, auf den ungebildeten Laien einzuwirken. Von
einer Pflege der Kunst um der Kunst willen, also des
„Kunstsinnes“, könne aber bei der Kirche nicht die Rede
sein. Dagegen spreche namentlich das Verhalten der
■ Päpste in Rom und Avignon, die keineswegs ihre Auf-
- gäbe darin sahen, mit den Bischöfen im Bauwesen auch
■: nur zu wetteifern, es sei denn im Bau von Festungswerken
und Schlössern. Unter dem Gesichtspunkte nun, die Bau-
kunst weniger aus den Formen, als aus dem ihr zugrunde
liegenden Bauprogramm zu erklären, das heisst die letzte,
innerste Absicht des Schaffenden zu ermitteln und das
, Bauwerk als Ausdruck dieser zu erklären, kommt Gurlitt
, zu einer wesentlich neuen Gliederung des ganzen Gebietes.
Er theilt nicht nach Ländern, d. h. beispielsweise nicht in
, eine deutsche und französische Kunst. Er weist vielmehr
nach, dass die Grenzen von heute und selbst die Sprach-
und Reichsgrenzen jener Zeiten ohne Einfluss auf die
Entwicklungsgrenze waren, dass es vielmehr vorzugsweise
die Handelswege sind, auf denen die Kunst sich fortbe-
wegt und dass auf diesen sich auch die religiösen Be-
wegungen vollziehen, die die Glaubensformen und mit
No. 96.
618
dorf die meisten Grossbetriebe eigene Gebäude für ihre
Ausstellungen errichteten (Krupp, Bochuraer Verein, Hör-
der Bergwerksverein usw.), während in Nürnberg mit ge-
ringfügigen Ausnahmen von der Ausstellungs-Leitung er-
richtete Bauten vorhanden waren. Dieser Umstand brachte
für das Düsseldorfer Ausstellungs-Unternehmen eine nicht
zu unterschätzende Erleichterung hinsichtlich der für die
Bauten aufzuwendenden Mittel, war aber von weniger
günstigem Einfluss auf die künstlerische Gesammtwirkung.
Vorzüglich waren die Verkehrs-Einrichtungen zur und
in der Ausstellung, tadellos die Fürsorge für das leibliche
Wohl der Ausstellungs Besucher, und unvergesslich wird
jedem Besucher das einzig schöne Bild bleiben, welches
sich Nachts vom Rhein aus bot, wenn Tausende von
Lichtern die Gebäude bis in die äussersten Spitzen er-
hellten und das Fest der Arbeit verherrlichten.
Nachdem der Vorsitzende, Hr. Ob.-Brth. C. Weber,
für die trefflichen Ausführungen des Redners gedankt,
folgt die weitere Besprechung der Ausstellung unter zahl-
reicher Betheiligung der Vereinsmitglieder. Es wird unter
anderem geschildert die Kunsthalle mit ihrer historischen
Abtheilung, Verschiedenes aus der Maschinenhalle, die
grossartige Ausstellung Krupps, diejenige des Vereins
deutscher Portland-Cement-Fabrikanten, der Bergwerks-
vereine, der Firma Villeroy & Boch usw. Ueber die Aus-
stellung für Verkehrswesen verspricht Hr. Direktionsass.
Dr. Zinssmeister einen besonderen Vortrag für eine spätere
Versammlung. — K.
Vermischtes.
Der Verein für Volkskunst und Volkskunde ln München,
der kürzlich begründet wurde, findet in Bayern und über
dessen Grenzen hinaus vielseitigen Anklang und verdient
die wärmste Unterstützung. Er hat sich zur Aufgabe ge-
macht, die Ueberlieferungen zu sammeln, welche in der
Dorfkirche, im Hausbau und im Hausgeräthe des Volkes
noch erhalten sind. Der Verein betheiligt sich aber auch
an der Mundarten-Forschung und an der Aufzeichnung
der Sitten und Gebräuche, sowie der geschichtlichen Er-
innerungen, welche in Sagen und Orts- und Familiennamen
fortleben. „Wir wollen unseren Nachkommen ein Bild
von dem früheren Leben unseres Volkes erhallen und die
Ueberreste aus denkwürdigen Zeiten sammeln, ehe sie
vor unseren Augen in der Alles gleich machenden Gegen-
wart untergehen.“ Um die Begründung des Vereins, in
den einzutreten auch die in Norddeutschland lebenden
Freunde der Alpenwelt eingeladen werden, hat sich Hr.
Arch. Franz Zell in München, welchem wir schon eine
Reihe schöner Veröffentlichungen der Heimathkunst ver-
danken, ein grosses Verdienst erworben. —
Bauliche Sonderausstellung auf der XVII. Wander-
ausstellung der Deutschen Landwirthschafts-Gesellschaft in
Hannover vom 17. — 23. Juni 1903.' Eine Sonderausstellung
für landwirthschaftliches Bauwesen soll mit der Wander
ausstellung in grösstem Umfange verbunden werden; sie
ist mit in erster Linie für den ländlichen Handwerker be-
diesen die gottesdienstlichen Formen ändern. Bis endlich
in der Umgebung von Paris die vollkommene Form der
nationalen Bischofs -Kirche gefunden wird und diese als
Gothik ihren raschen Siegeszug durch den Occident an-
tritt. Zu gleicher Zeit hatte in Kairo, in Kleinasien, bei
den persischen und indischen Muhamedanern die orien-
talische Kunst ihren Höhepunkt erreicht: dieser widmet
Gurlitt wieder eine sehr eingehende Besprechung, indem
er auf Wechselbeziehungen zwischen Osten und Westen
hinweist, die viel stärker sind, als man bisher anzunehmen
geneigt war. Erst mit dem Ende der Kreuzzüge und mit
dem Vordringen der Türken schliessen diese Beziehungen
ab und zwar auf Andrängen Roms, das erkannt halte,
wie sehr der Orient die Umgestaltung der Seelen beein-
flusste. Es war nicht gelungen, die Muhamedaner aus
Syrien zu verdrängen, man hatte vielmehr vollauf zu
thun, die persisch-gnostischen Lehren in Europa zu be-
kämpfen. Es beginnt nun die Zeit der Einflussnahme des
Sektenwesens auf das Kirchenbauwesen zunächst dadurch,
dass Kampforden gegen dieses nöthig wurden und diese
die Predigt zum Kampfmittel wählten. Die dadurch sich
ergebenden Wandlungen im Kirchenbau zu verfolgen, ist
von hervorragendem Interesse.
Gurlilt legt den grossen Einschnitt der künstlerischen
Entwicklung des Mittelalters in das 14-, statt wie es bisher
geschah, in das 15. Jahrhundert. De*“ Verfall des Kaiser-
thums, des französischen Königthums und des Papstihums,
d. h. der Zusammenbruch der alten Mächte, erfolgte seit
dem Ende des 13. Jahrhunderts. Das 14. erweist sich
thatsächlich als das mindest ergiebige, wenn man absieht
von den Bestrebungen der Hansa und der Deutschherren
29. November 1902.
stimmt, der in den meisten Fällen der Berather des Land-
wirthes ist. Neben einem Aufbau von Musteranlagen
sollen zur Ausstellung gelangen: Baumaterialien aller Art,
Steine, Dachdeckungs-Materialien, Thüren, Fenster, innere
Einrichtungs-Gegenstände, überhaupt alles, was in tech-
nischer Beziehung auf die Landwirthschaft Bezug hat, also
namentlich auch Stalleinrichtungen. —
PreisbewerbUQgea.
Das Stipendium der an der Technischen Hochschule zu
Berlin bestehenden Louis Boissonnet-Stiftung für Architekten
und Bau-Ingenieure für das Jahr 1902 ist an den T)r. Sng.
Hans Reissner in Berlin verliehen worden. Als fach-
wissenschaftliche Aufgabe für die mit dem Stipendium
.auszuführende Studienreise wurde das Studium der bis-
her wenig bekannten Eisenhochbau- Konstruktionen neuerer
Stadtbahnen, moderner industrieller Anlagen und hoher
Wohngebäude Nordamerikas festgesetzt. —
Bei dem Wettbewerb um Vorentwürfe für eine höhere
Mädchenschule (Viktoriaschule) in Frankfurt a. M., der
unter Frankfurter Architekten ausgeschrieben war, erhielt
den I. Preis im Betrage von 2000 M. der Enlwuif des
Stadtbauinsp. Karl Wilde und den II. Preis von 1000 M.
ein Entwurf des Arch. Herrn. Schädel. Zwei weitere
Arbeiten wurden für je 500 M. argekauft. Als Verfasser
ergaben sich die Arch. Poppe & Hartraann, sowie Arch.
H. Schädel, Dem Preisgericht gehörten als Fachleute
an die Hrn.; Stadtrath Behnke, Arch. Neher in Frank-,
furt und Prof. Pützer in Darmstadt. —
Wettbewerb Rathhaus Eberswalde. Unter den 87 ein-
gelaufenen Arbeiten wurden nach den preisgekrönten
4 zum Ankauf empfohlen und zwar die Entwürfe „Bunte
Buche“, (Verf,: Ernst Rang & A. Silbersdorf in Schöne-
berg), „Massig“ (Verfasser Henry Gross in Berlin),
„Seehund“ (Verf.: A. Schneegans in Berlin) und „Tre-
viso“ (Verf.: Eugen Kühn in Berlin). Die öffentliche Aus-
stellung der Enttwürfe findet bis 7. Dez. in der Aula der
Bürgerschule II. in der Düppelstrasse in Eberswalde statt. —
Wettbewerb höhere Töchterschule Essen. Unter 288 (!)
Arbeiten wurde keine des I. Preises für würdig erachtet.
Den. II. Preis errangen die Hrn. K. Poppe & A. Hart-
mann in Frankfurt a. M.; die drei IIL Preise die Hrn.
K. Winter & A. Stahl in Strassburg i. E., F. Paulsen
in Stuttgart, sowie K. Heidenreich, H. Knothe & E.
Döring in Charlottenburg. —
In dem Wettbewerb um Skizzen für den Erweiterungs-
und Umbau des Ständehauses in Kassel (s. S. 368) sind
auf einstimmigen Beschluss des Preisgerichtes unter den
19 rechtzeitig eingegangenen Entwürfen die Preise wie
folgt vertheilt; der I. Pr. von 2000 M. dem Entwürfe des
Hrn. Arch. Herrn. Gerhardt, der II. Pr. von 1200 M. dem
Entwürfe der Hrn. Arch. Aüg. Ernecke und Karl Rothe
und der III. Pr. von 800 M. dem Entwürfe der Hrn. Arch.
Jul. Eubell und Karl Riecke, sämratlich in Kassel. Die
Entwürfe sind bis zum 3. Dez. einschl, im Ständehause
ausgestellt. —
von Ostdeutschland, von jenen Karls IV. in Böhmen und
von dem oberitalienischen und toskanischen, durch die
Franziskaner angeregten Schaffen. Das sind örtliche Vor-
gänge, denen gegenüber steht das bürgerliche Leben des
15. Jahrh. in seiner breiten Entwicklung. Wieder scheidet
hier Gurlitt nicht nach den Kunstformen, sondern nach dem
Geistesinhalt. Und dieser erscheintihm als das bewusste oder
unbewusste Streben, aus der mittelalterlichen Form heraus-
zukommen, das er in der Spätgothik des Nordens ebenso-
sehr. nachweist, wie in den Renaissance-Bestrebungen des
Südens. Das Entscheidende ist für Gurlitt, dass die Kunst
nun einen neuen Besteller findet, und zwar infolge des
Wandels der sozialen Verhältnisse und der grösseren Be-
weglichkeit der Vermögen ist dieser eine Besteller das
Geld im Gegensatz zur vorhergehenden Zeit, wo es der
unbewegliche Grundbesitz war. Das Geld aber wird vom
Kaufmann verwaltet und dieser bildet daher die maass-
gebende Macht. Der Kaufmann Medici wird Fürst, alle
staatlichen und kirchlichen Mächte richten sich nach
den Anforderungen der beweglichen Vermögen ein, das
schmückende Kunstwerk wird beweglich geschaffen, die
Gewerbe blühen auf. In der Auffassung z. B. der Re-
naissance-Bewegung erweist sich Gurlitt unter anderem als
ein entschiedener Gegner Burckhardts, der in der Wieder-
kehr klassischer Formen einen Triumph verfeinerten Geistes
erblickt, während Gurlitt die eigentlich tiefere Auffassung
in der Spätgothik findet, die einen selbständigen Weg aus
dem Ueberkommenen heraus zu originaler Ausdrucksform
suchte. Es hängt das wieder mit Gurliits Tendenz zu-
sammen, nicht in der Vollendung selbst die höchste Kunst-
leistung zu erkennen, sondern in dem Streben auf Voh-
619
Personal-Nachrichten.
Preussen. Dem Beg.-Bmstr. a. D. Ju!. Busch in Neuss ist
der Rothe Adler-Orden IV. Kl. und dem Arch. Sam. Marx in
Essen ist der Char. als Brth. verliehen.
Der Wasser-Bauinsp. Schultz in Tönning ist nach Harburg a. E.
und der Gew.-Insp. Westmeyer in Siegen nach Düsseldorf versetzt.
Dem Reg.-Bmstr. Alb Zimmerraannin Berlin ist die nach-
ges. Entlass, aus dem Dienste der allgem. Bauverwaltg. und dem
Reg.-Brastr. Jobs. Verbeek in Berlin die Entlass, aus dem Staats-
dienste ertheUt.
Der Reg.-Bfhr. Thiesing in Hannöver ist gestorben.
Brief- und Pragekasten.
F r a g e b e antw o rt un g aus dem Leserkreise.
Zu der Anfrage in No. 90 gehen uns in dankenswerther Weise
eine Reihe von Antworten zu, denen wir das Nachstehende ent-
nehmen:
I. Es verengt sich der Querschnitt des Schornsteines nach seiner
Ausmündung bedeutend, dies ist unzulässig und wohl die Haupt-
ursacbe, dass der Schornstein nicht zieht. Auch die Anordnung
von 2 Rauchröhren am Anfänge des Schornsteines ist fehlerhaft.
Der Schornstein hat eine Lichtweite; am Anfang 2 Rohre mit
(20 . 30). 2 = 1200 qcm, dann 30. 55 = 1650 qcro.weiter 30. 30 = 900 qcm,
und zuletzt ein Eisenrohr mit Kreisquerschnitt von 15.15.3,14 =
706 qcm, es ist also eine Verengerung des Querschnittes von 500 qcm
vorhanden. Durch diese fehlerhafte Ausführung werden die Rauch-
gase stark gepresst und dadurch die Reibung an den Schornstein-
wänden vergrössert. Und da die Rauchgase nach dem Ausgange
zu immer mehr erkalten und dadurch schwerer werden, so können
sie nicht weiter steigen und abfliessen. Soll der Schornstein ziehen,
so entfernen Sie zuerst das überflüssige aufgesetzte Eisenrohr und
die beiden Züge am Anfänge des Schornsteines. Sodann bringen
Sie die Lichtweite des Schornsteines auf den oberen Querschnitt
von 30 zu 30 cm in seiner ganzen Höhe, dann wird das Feuer
brennen. — W. Kfm. in W.
IT. Der Schornstein wird sich an seinen Wandungen, zumal er
noch in ein Eisenrohr von 3,5 m Höhe ausmündet, zu sehr abkühlen.
Ein am Ein- und Austritt der Rauchgase eingeführtes Thermometer
wird dies bestätigen. Abhilfe kann geschaffen werden durch nach-
trägliche Anbringung von schlechten Wärmeleitern,' hierzu eignen
sich unsere wetterfesten Korksteine, Marke Reform. Voraussetzung
ist selbstverständlich, dass die Querschnitts - Abmessungen des
Schornsteines richtig gewählt sind. —
Grünzweig & Hartmann, G.m.b.H. io Ludwigshafen.
III. Es ist möglich; i. dass die Sauger unwirksam sind, 2. dass
viel Nebenluft vorhanden ist, dadurch, dass die Sauger nicht
schliessen, oder dass der Anschluss des eisernen Rohres auf
dem Schornstein, bezw. den Reinigungstbüren und Fugen undicht
sind; 3. dass Rauchwege verstopft sind, 4. dass das Ver-
hältniss zwischen Rostfläche und Querschnitt des Schornsteines
ungünstig ist. Nur recht peinliche örtliche Untersuchung durch
einen erfahrenen Sachverständigen kann ergeben, welche von diesen
Annahmen zutrifft. Der Schornstein ist vielleicht noch nicht
trocken und es befindet sich in demselben feuchte schwere Luft,
die den Zug hindert. Der Goudronanstrich und der Zementputz
auf der Aussenfläche des Schornsteines lassen nicht zu, dass die
im Zementmörtel des Mauerwerkes und in den bei der Ausführung
nach den Handwerksregeln stark angefeuchtelen Ziegeln vorhandene
Nässe nach aussen entweicht. Mao muss darauf gefasst sein, dass
der Schornstein viel mehr Zeit braucht zum trocknen, als wenn
der Goudronanstrich und der Zementputz fehlen würden. — Ferner:
Die nur Va Stein starke Schornsteinwange, mehr noch das aufge-
endung: das Werk des inneren Kampfes, des kühnen Rin-
gens stellt er über das Werk, in dem das Errungene mühe-
los verwerthet ist. Um ein Beispiel herauszugreifen, gehen
wir auf Gurlitts Darstellung der Kunstverhältnisse Roms im
15. und 16. Jahrh, ein. Der Kampf stellt sich ihm so dar,
dass das eigentlich kirchliche Element in Rom dauernd
kunstfeindlich blieb. Der Papst als Haupt der Kirche ist
Gegner der kunstbegeisterten Renaissance. Aber der Papst
als Nachfolger der römischen Imperatoren sammelt Kunst
in Rom, wie jene es gethan hatten. Rom selbst ist aus
innerster Feindseligkeit gegen die Kunst unproduktiv —
ausser Giulio Romano ward kein Künstler von Namen in
Rom geboren — die Renaissance-Päpste mussten daher
fremde Künstler heranziehen und zwingen sie zu der Rom
eigenen Grossförmigkeit und Gesetzmässigkeit. Die Kunst
wird zu ihrem Ruin in Rom regelrichtig, normal. Nach
Rom verpflanzte Kunst ist nicht fortbildungsfähig, Rom
erweist sich stets als Ende einer Kunstentwicklung, nie als
Anfang. Als zweites Beispiel heben wir Gurlitts Darstellung
der französischen Kunst des 18. Jahrh. heraus. Er macht sich
vor allemfreivondemin Deutschland grassirenden Unwesen,
die französische Baukunst nach den Ornamentstichen be-
urtheilen zu wollen. Seine Kenntnis der Bauten Frank-
reichs befähigt ihn dazu; denn jenes ergiebt natürlich
ein ganz falsches Bild. Dagegen stellt er fest, dass die
Kunst Ludwig XIV. fast ganz eine Kunst der Niederländer,
Burgunder und Lothringer in Paris ist, dass nämlich das
Grenzgebiet zwischen Frankreich und Deutschland in
jener Zeit absolut der gebende und Frankreich der neh-
mende Theil ist. In der Baukunst stellt sich Gurlitt auf
den Standpunkt, dass das deutsche und italienische Barock
dem französischen unbedingt überlegen seien, dass wir
620
setzte eiserne Rohr, veranlassen baldige Abkühlung der Luft im
Schornsteine. Hat sich nun in demselben eine Luftschicht abge-
kühlt, _ so hat dieselbe das Bestreben zu sinken und hindert das
Aufsteigen der Verbrennunpgase. Diese Annahme wird gestützt
durch Erfahrungen bei Fabrikschornsteinen. Häufig versagte deren
Zug am Möntag, wenn die zugehörige Feuerung am Sonnabend
gelöscht war. Sie zogen aber tadellos, nachdem Vorkehrungen ge-
soffen waren, durch die eine Abkühlung der Luft im Schornsteine
während der Pause vermieden wurde. — — t
IV. Die Ursache der mangelhaften Funktion eines Kamines ist
ausschliesslich auf den Grund zurückzuführen, dass die sichtbaren
Umfassungen des angebauten Kamines nur Vs St. stark ausgeführt
sind. _ Erhärtet wird diese Annahme nicht nur durch zahllose
Beispiele der angewandten Praxis und durch einscbl. Vorschriften
verschiedener Bauordnungen, welche in solchen Fällen i St. starke
Karainumfassungen vorschreiben, sondern hauptsächlich durch den
Text der Anfrage, welche u. .a, auch anfohrt, dass die V2 St. starke
Kaminumfassung aussen mit Goudron gestrichen ist.
Der Zug eines Kamines, bezw. die Energie der aufstrebenden
Rauchgase kann erst dann unbehindert wirken, wenn die in ent-
gegengesetzter Richtung wirkenden Kräfte paralysirt sind, oder
vielmehr, wenn die kalte Luftsäule im Inneren des Kaminesund die
kalten Umfassungen desselben auf die annähernde Temperatur der
Rauchgase gebracht werden. Der unverletzte äussere Goudron-
anstrich spricht nur zu deutlich dafür, dass die Temperatur der
V2 St. starken Kaminumfassung zufolge rascher Abkühlung eine
wesentlich geringere ist, als die der Rauchgase, sonst wäre der
Goudron unter dem Zementverputze hervorgetropft. Die Abkühlung
der freiliegenden Vs St. starken Kaminumfassuog geht so rasch und
intensiv vor sich, dass die Wärme oder, die auftreibende Energie
der Rauchgase zum grossen Theile zu diesem Ausgleiche absorbirt
und im Inneren des Kamines reduzirt wird, wodurch die Gase an
Volumen verlieren und an Gewicht zunehmen, dessen Wirkung sich
in der nach abwärts gerichteten Bewegung, bezw. Einfall der Rauch-
gase unangenehm bemerkbar macht.
Der Misstand kann entweder dadurch beseitigt werden, dass
unmittelbar über dem Kaminfusse eine entsprechende starke Gas-
flamme eingebracht wird, welche stets vor Beginn des Heizbetriebes
anzuzünden ist, um den Auftrieb der Luftsäule 'zu beschleunigen,
oder aber durch Ummanteln der äusseren Kaminwäode mit 7 — 10 cm
starkem Rabitzbewurf, welcher durch eine Luft- und Bimsschicht
von der Kaminumfassung zu sondern ist.
Erstere Ausführung erfordert geringeren Kostenaufwand, selbst
bei Anlagen von 2 örtlich getrennten Gasflammen, wirkt aber
nicht in jedem Falle, während letztere Ausführung-sicheren Erfolg
verbürgt. — B. Haas, Architekt in München.
V. Die Ursache des mangelhaften Zuges im Schornstein der
Kirchenheizung ist wahrscheinlich die zu starke Abkühlung in dessen
Inneren, hervorgerufen durch die nördliche Lage des Schornsteins,
die schwache, blos ‘/s Stein starke Wandung und die möglicher-
weise nur in Zwischenräumen von mehreren Tagen erfolgende
Beheizung. Ohne genauere Kenntniss der Oertlichkeit kann man
schwer einen Rath wegen Abhilfe des Uebelstandes geben. Ist etwa die
Anordnung eines Gaslockfeuers in gewisser Höhe über dem Heiz-
raum möglich? — • . E. Kays er.
Inhalt; Schloss Schwaneck im Isarthal bei München. — Gurlitts neue
Kunstgeschichte. — Unser neuer Baud „Aufbau der Gebäude“ aus „Bail-
kuude des Architekten" — Mittheilungen aus Vereinen. — Vermischtes. —
PreisbewerbuDgen. — Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Schloss Schwaneck bei München.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H-, Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von- WUh. Greve, Berlin.
noch heute vom Glanze Ludwigs XIV. geblendet, nicht
erkennen, wie wenig von diesem aus romanischem oder
gar keltischem Volksthum stammt und wie es vorzugs-
weise germanischen Ursprunges ist.
Ganz andere Wege wandelt Gurlitt in der Besprechung
des 19. Jahrhunderts, indem er vorzugsweise England eine
leitende Stellung zuweist: Die romantischen wie die klassi-
zistischen Bestrebungen Deutschlands werden von dort
angeregt und wirken nach ihrem Erblühen mächtig auf
England zurück. Namentlich die kirchliche Romantik ist
eine vorzugsweise deutsche. Dagegen wird die Renais-
sance-Bewegung in erster Linie auf französisch-romanische
Anregungen zurückgeführt. Gurlitt erblickt in der Zeit
Napoleons III. jene, in der Frankreich das grösste Ueber-
gewicht in künstlerischer Beziehung auf Europa hatte, und
sieht in den modernen Bestrebungen das Zeugniss des
wieder erwachenden germanischen Geistes, der sich die
Welt erobern will. Die Ueberwindung der Vergangenheit
ist ihm das Ziel der Gegenwart.
Gurlitt vermied in seinem Buch jede Polemik. Er
stellt die Dinge dar, so wie er sie für richtig hält. Er
giebt auch sein unverkennbar sehr reiches Quellenmaterial
nicht an. Erhielt doch trotz dieser Beschränkung sein
Buch einen Umfang von 1400 Seiten engen Druckes. Es
wird aber über die einzelnen Fragen gewiss noch man-
cherlei gesagt und geschrieben werden, was für und wider
die Gurliti’schen Anschauungen spricht. Mit einfacher
Berufung auf ältere Autoritäten wird man sie nicht be-
kämpfen können. Denn unverkennbar sagtGurlitt in seinem
Buche nur das, was ihm zur Klarlegung seiner Ansichten
unbedingt nöthig erschien; sein Material erschöpfend aus-
zubreiten, verbot ihm der Umfang des Stoffes. —
No. 96.
CHLOSS SCHWANECK IM ISARTHAL *
ERWEITERT NACH DEN ENTWÜRFEN
DES HERRN ARCHIT. O. DELISLE IN
MÜNCHEN * ANSICHT EINES WOHN-
ZIMMERS UND DES SPEISESAALES *
= DEUTSCHE BAUZEITUNG
- XXXVI. JAHRGANG 1902 - N°- 96
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 97. Berlin, den 3. Dezember 1902.
Sohloss Schwäneck im Isarthale bei München. Ansicht des französischen Hausgartens.
Begonnen durch Ludwig von Schwanthaler; Architekt der Erweiterungsbauten: Osk. Delisle in München.
Die neue 228 Millionen-Anleihe der Stadt Berlin zu baulichen Zwecken.
21. November d. J. ist vom Magistrat der Stadt
Berlin der Stadtverordneten-Versammlung eine Vor-
* _ läge zugep;angen, welche die Aufnahme einer An-
Icüte von 228 Mill. M. zur Erweiterung der städtischen Be-
triebsanlagen und zu sonstigen baulichen Zwecken inner-
halb der nächsten 6 Jahre, d. h. bis Ende März 1908 vor-
schlägt. Am 27. November hat die Stadtverordneten-Ver-
sammlung nach kurzer Debatte die Vorlage des Magistrats
genehmigt, vorbehaltlich einer Prüfung der einzelnen Aus-
gaben bei Vorlage der bezügl. Baupläne, soweit nach
dieser Richtung hin nicht schon Beschlüsse der Versamm-
lung vorliegen.
Begründet wird die Anleihe mit dem ausserordent-
lichen baulichen Bedürfnisse der Stadt innerhalb des
nächsten kurzen Zeitabschnittes, dessen Befriedigung aus
A. Die städtischen Werke;
t. für Neu- und Erweiterungsbauten der städti-
schen Gaswerke 52609974,60 M.
2. iür Fortsetzung der Erweiterungsbauten der
städtischen Wasserwerke 12456752,38 „
3. für die Fortführung der Kanalisation . . . 30593765,89 „
4. für Erweiterung des Zentral-Viehmarktes und
des Schlachthofes 3833J791O7 »
5. für Fortsetzung des Baues von Markthallen 15073972,00 „
6. Anlegung des Hafens am Urban 852383,20 „
7. Rückzahlung des von der jetzigen städtischen
Sparkasse hergegebeneo Darlehns zum An-
käufe von 5 834 000 M. Noroinalwerth Aktien
der Aktien-Gesellscbaft , Berliner elektrischer
Strassenbahnen“ 9 743 3/2 75
8. Erhöhung des Betriebs-Fonds für die Haupt-
kasse der städtischen Werke 5000000,00 „
Summe~Ä 130 163 399,89 M.
B. Für Käm m er eiz w ec k e:
9. für die Erbauung von Brücken 6490029,67 „
«5. für die Umgestaltung des Mühlendammes und
Kanalisirung der Unterspree 162515,92 „
11. Strassenregulirungen infolge der Stadtbahn-
«nlage 88a 209, co „
12. Strassendurcfalegungen und -Verbreiterungen 36301000,00 „
13. Bau einer IV. Irren-Anstalt 10640000,00 „
laufenden Mitteln nicht mehr möglich ist, umso weniger,
als in dieser Zeit ausserdem noch 41,8 Mül. M. aus laufen-
den Einnahmen für bauliche Zwecke aufgewendet wer-
den müssen.
Von der Anleihe sollen 128 Mill. M. sofort nach der
staatlichen Genehmigung begeben werden, der Rest von
100 Mill. M. dagegen voraussichtlich erst bis Ende 1908.
Die Tilgung des ersten Theiles soll mit 2% und mit der
durch die Tilgung ersparten Zinsensumme vom i. April
1908 ab beeinnen, die des zweiten Theiles unter den
gleichen Bedingungen vom i. Januar 1910 ab. Die ganze
Anleihe soll mit 3’/a% verzinst werden.
Aus der nachstehenden Zusammenstellung der ein-
zelnen, in die Anleihe anfzunebmenden Unternehmungen
geht hervor, dass deren Gesammtbetrag sich auf rd.
14. Bau einer Idioten-Austalt 6340000,00 M.
15. Bau einer neuen Siecben-Anstalt .... 6000000,00 „
16. Bau eines neuen Krankenhauses .... to 000 000,00 „
17. Verlegung von drei höheren Lehranstalten,
des Friedrich Werderschen Gymnasiums, des
Friedrichs- und Andreas-Realgymnasiums , 3700000,00 „
18. Neubau einerTechnischen Mittelschule (höhere
Maschinenbauschule) 750 000,00 „
19. Herstellung des Nordparkes von Berlin . . 2500000,00 „
20. für den Bau d. Rudolf VircboW'Krankenhauses 8556200,00 ,
21. für den Neubau der III. Irren-Anstalt zu Buch 7225000,00 „
22. für den Neubau des Märkischen Provinzial-
Museums 741 500,00 „
23. für den Neubau des Verwaltungsgebäudes in
der Jüdenstrasse 5945000,00 ,
24. für den Bau von zwei höheren Mädchenschulen
im Norden und Südwesten der Stadt . . . 2000000,00 „
25. für den Bau eines neuen Kinderkrankenhauses
in Treptow oder in der Nähe des Plänterwaldes
auf städtischem Terrain 1600000,00 »
Summe B 110033454,59 M.
hierzu Summe A 130163399,89 ,
imganzen 240 19685448 M.
abzüglich der aus der Anleihe von iSgÖ noch
zur Deckung kommenden 11606062,25 ,
bleiben 228 590 792,23 M.
621
240,2 Mill. M. stellt, dass jedoch rd. ii,6 Mill. M. davon
schon gedeckt sind durch einen Restbetrag der Anleihen
von 1892 in Höhe von 70 Mül. M. und derjenigen von
1898 in Höhe von 60 Mill. M,, sodass also 228 Mill. M.
neu aufzunehmen sind.
Von der Gesammtausgabe in Höhe von 240,2 Mill. M.
entfällt der grösste Antheil von 130,2 Mill. M. auf die
städtischen Werke, d. h. die Betriebsanlagen der Stadt,
die derselben auch wiederum Einnahmen zuführen.
Von dieser Summe entfallen auf Verkehrsanlagen
nur rd. 9,74 Mill. M., die zur Rückzahlung eines Darlehens
dienen sollen, mit Hilfe dessen seiner Zeit die Aktien der
„A. G. Berliner elektrischen Strassenbahnen“ (die
von Siemens & Halske erbauten Linien „Behrenstrasse-
Treptow" und „Mittelstrasse-Pankow“) von der Stadt an-
gekauft wurden, um so den ersten Schritt zur Erwerbung
und Anlage eines eigenen Strassenbahnnetzes zu machen.
Die weiteren Pläne der Stadt nach dieser Richtung, von
denen ein Theil in nicht zu ferner Zeit zur Ausführung
kommen dürfte, sind in die Anleihe nicht aufg'enommen.
Insbesondere haben die ja noch nicht spruchreifen Pläne
der Ausführung städtischer Untergrundbahnen hiermit
nichts zu thun.
Von den städtischen Werken beanspruchen die Neu-
und Erweiterungsbauten der städtischen Gas-Werke den
Löwenantheil mit rd. 52,6 Mill. M. Die Gesammtsumme,
welche bis Ende März 1908 für diese Zwecke zu verausgaben
ist, stellt sich sogar auf 67,3 Mill. M., doch ist ein Theil
anderweitig gedeckt. Hierunter erscheint der Neubau eines
Gaswerkes von zunächst 260000 cbm Leistungsfähigkeit auf
dem in Tegel und Dalldorf gelegenen Gelände (erstes
Drittel) mit 24 Mill. M., desgl. eine Gasanstalt von 208000 cbm
Leistungsfähigkeit im Gutsbezirk Köpenicker Forst an der
Oberspree mit 18,7 Mill. M., Erweiterung des Röhrensystems
usw. mit 10,7, Mill. M. Die Deputation der städtischen Gas-
werke giebt dazu die Erläuterung, dass sich der grösste
Tagesverbrauch von Gas schätzungsweise wie folgt stellen
wifd^ 1902 ... . iir’' . 880000 cbm^
1 1904 . . , . 1070000 „
I - 1907 . . - . . . 1348000 „
I Die vorhandenen 5 Gasanstalten leisten z. Zt. zusammen
880000 cbm.. Von dem also fehlenden Theile übernimmt das
zunächst zu erbauende, erste Drittel der Tegeler Anstalt
aöpooocbtn.^ der Rest entfällt dann auf die später zu er-
richtende Anstalt an der Oberspree. Trotzdem es natürlich
billigep-sein-würde-, die T-egeler Anstalt weiter auszubauen,
erscheint die Ausführung einer ganz neuen Anlage im
Süden mit -Rücksicht auf den starken Antheil der süd-
lichen Stadttheile an dem Mehrverbrauch an Gas und mit
Rücksicht auf die Druckverhältnisse im Leitungsnetz als
zweckmässiger.
‘‘ Den Gaswerken folgt nach der Höhe der geforderten
Beträge Mie städt. Kanalisation mit 30,5 Mill. M. Hierin
liegen 8,3 Mill. M. für die bis Ende 1902 noch auszuführen-
den Arbeiten. Mit dieser letztgenannten Summe würden
für die Zwecke der Kanalisation an Baukosten für die
Radialsysteme I— XII einschl. Pumpstationen und Druck-
rohren rd. 70,9 Mill. M, an reinen Baukosten, rd. 27,2 Mill. M.
füt den Ankauf des Geländes für die Anlage von Riesel-
feldern, rd. r8,6 Mill. M. für die Aptirungs- und Drainirungs-
kösten der Rieselfelder, rd. 2,9 Mill. M. für die Errichtung
von Baulichkeiten auf den Rieselgütern und 12,3 Mil!. M.
für Zinsen und -Kursverluste der Anleihen, insgesammt
also rd; 132 Mill. M. verausgabt sein.
An den neu zu bewilligenden Mitteln nimmt nament-
lich das Radialsystem XI besonderen Antheil. Ausserdem
handelt es .sich , um Neuerwerbung von Land für Riesel-
zwecke im 'Umfange von 1000 ba^ sowie um Aptirung zur
Berieselung- von weiteren 3150 ba.
Die städtischen Wasserwerkefordern 12,5 Mill. M.,
davon 9,6 Mül. M. für die Zeit nach Abschluss des Etats-
jahres I9ö2f. Seit, 1890 sin.d 44 Mill. M. für die Neuanlagen
der Wasserwerke in Tegel und am Müggelsee einschl. der
Vertheüurigsstation in Licitenberg, des Ausbaues des Wer-
kes in der, Belforterstrasse und der Druckrohr-Verbindun-
gen ausgegeben. An den Neuausgaben nimmt namentlich
das Wasserwerk am Müggelsee mit 6,75 Mül. M-. (Anschlag
7 Mill. M.) theil, . dessen letztes Viertel mit Rücksicht auf
die.zuuehraende Verunreinigung der Oberspree laut Be-
schlÜss’ vöiti 7. Sept. 1900 mit 'Gruhdwasser-Versorgung
.eingerichtet- werden,, und nicht wie die bisherige Anlage
ihr Wasser aus dem. offenen See entnehmen soll. Aus
den gleichen Gründen ist das Tegeler Wasserwerk in ein
Brutinen-Wasserwerk nmzuwandeln , für welchen Zweck
1,5. Miil.,M. -( Anschlag 1,75 Mill. M.) gefordert werden.
Die Markt.halien-Verwaltung fordert zur Fort-
setzung des Baues von Markthallen 15,1 Mül. M. Es handelt
sich dabei um die voUständige Verlegung des gesammten
Grossmarktes. nach einem Gelände in der Nähe des Zentral-
Schlachthofes, zwischen der Landsberger Allee und dem
Verlorenen Weg, da die Räumlichkeiten der jetzigen Zentral-
Markthalle am Alexanderplatz in keiner Weise mehr aus-
reichen, dabei kaum erweiterungsfähig sind, da ferner der
öffentliche Verkehr in jener Gegend durch den Markthallen-
Betrieb hierfür erheblich geschädigt wird und da schliesslich
selbst kostspielige Erweiterungen der Gleisanlagen und Zu-
führungsgleise der Markthalle auf die Dauer dem Verkehrs-
Bedürfnisse nicht entsprechen können. Die Kosten ver-
theüen sich wie folgt : Grunderwerb rd. 105 460 ä“ (gleich
3,1 Mill. M-), zunächst zu errichtende Hallenanlagen einschl.
Unterkellerung, Kühlräumen, Strassenanlagen 9,6 Mill. M.,
Eisenbahnanschlüssen, Ladebühnen, Fahrstühle i Mül. M.,
Verzinsung usw. 1,35 MiU. M.
Diese Anlage schliesst sich unmittelbar an die Er-
weiterung des Zentral - Viehmarktes und des
Schlachthofes an, für welche 3,8 MiU. M. neu gefordert
werden, nachdem bereits seit 1890 verausgabt sind 8,2 Mill. M.
In den dazu zu bewilligenden Mitteln spielt der Grund-
erwerb für die Erweiterung des Viehmarktes mit 2,2 Mül. M.
die Hauptrolle. Für bauliche Zwecke sind 1,9 Mül. M.
auszugeben (2. Th. schon gedeckt).
Handelt es sich bei den vorstehenden Angaben um
Zwecke, die z. Th. eine sehr erhebliche Einnahmequelle
für die Stadtgemeinde bilden, so wird die Stadt durch die
Ausgaben für „Kämmereizwecke“ lediglich belastet.
Hierzu gehören die Strassenanlagen und Brückenbauten,
die Schulbauten, Krankenhäuser und Verwaltungsgebäude.
Hierfür sollen insgesammt in der genannten Zeit rd.
110 Mül. M. verausgabt werden, wovon auf Strassendurch-
legungen und Verbindungen aüein 36,3 Mill. M. entfallen.
Es werden jedoch auf diese Ausgabe später aus dem Ver-
kauf der Strassenparzellen rd. 22 Mül. M. als Einnahme
zurückerwartet. An erster. Stelle unter diesen Unterneh-
mungen steht die Verlängerung der Kaiser Wühelmstrasse
von der Hirtenstrasse bis Schönhauser- undPrenzlauer- Allee,
also die Umgestaltung des sogen Scheunenviertels, über wel-
che wir früher schon wiederholt an anderer Stelle berichtet
haben, mit einem Aufwand von 13,3 Mül. M. Einem dringen-
den Verkehrsbedürfnisse entspricht die Verbreiterung der
Landsbergerstrasse zwischen Alexander- und Kleine Frank-
furterstrasse; Kostenaufwand 9,9 Mül. M. Von Wichtig-
keit für den Südosten der Stadt ist ferner die Durchfüh-
rung der Manteuffelstrasse bis zur Spree, sodass dieser
Strassenzug durch eine Spreebrücke an die Fruchtstrasse
angeschlossen werden kann. Es entsteht so eine günstige
Verbindung mit dem Güterbahnhof des Schlesischen
Bahnhofes; Kosten 4,3 Mül. M. Auch für die seit lange
schwebende Regulirung der Ufer der Spree oberhalb
des Mühlendammes unter Beseitigung des alten Insel-
speichers am linken Ufer und Herstellung einer Ufer-
strasse am rechten Ufer bis zur Waisenbrücke sind Mittel
in einer Gesammthöhe von rd. 6,2 Mill. M. eingesetzt.
Bemerkt sei, dass die Durchführung der Kaiser Wühelm-
strasse von der Stadt selbst nur dann in die Hand- ge-
nommen werden soU, wenn sich kein geeigneter Unter-
nehmer dafür finden sollte.
Für Brückenbauten sind seit 1890 aus Anleihen ge-
deckt bezw. verausgabt rd, 11,4 Mill. M. Neu gefordert
werden 6,5 Mill. M. An neuen Spreebrücken sind in Aus-
sicht genommen die schon erwähnte Brücke im Zuge der
zu verlängernden Manteuffelstrasse und die Brücke an den
neuen Museen vom Kupfergraben nach der Oranienburger-
strasse. Im Umbau begriffen ist bereits die Lessingbrücke
und zum Umbau vorgesehen wird die hölzerne Gotzkowski-
brücke. Baulich verdient die bereits in Angriff genom-
mene Brücke an den Museen insofern besonderes Interesse,
als der eine Landpfeiler wegen des sehr tiefliegenden
schlechtenBaugrundes mit Luftdruck zu gründen ist. Ausser-
ordentlich schlechter Baugrund findet sich ferner am
Schleusenkanal an der sogenannten Eisernen Brücke,
deren Umbau in Betoneisen-Konstruktion geplant ! ist,
um eine geringere Belastung des Baugrundes zu erzielen.
Für die Herstellung eines Stadtparkes sind zunächst
2,5 Mül. M. für den Grunderwerb von etwa 40'^^^ Fläche
ausgeworfen.
Für Schulbauten sollen aus der Anleihe 6,45 Mill. M.
entnommen werden. Es handelt sich dabei um die Ver-
legung von 3 höheren Lehranstalten, nämlich des Friedfich-
Werderschen Gymnasiums, des Friedrichs- und Andreas-
Realgymnasiums, um den Bau von 2 höheren Töchter-
schulen im Norden und Südwesten der Stadt und um die
'Anlage einer technischen Mittelschule (höhere Maschinen-
bauschule). Letztere Anstalt wird von der Industrie drin-
gend gefordert 'und namentlich ist der Verein deutscher
Ingenieure für die Schaffung einer solchen auf das Wärihste
eingetreten. Die Stadt erwartet Beiträge aus den Inter-
essenten-Kreisen sowohl hinsichtlich der . er;sten Anlage
wie. der Erhaltung der Schule. .
622
No. 97.
Einen erheblichen Betrag erfordert das zweite
Rathhaus der Stadt in der Jüdenstrasse. Die Baukosten
dieses bereits in Angriff genommenen Baues, der, trotz-
dem er vorwiegend reinen Verwaltungszwecken dient,
doch auch eine monumentale Ausgestaltung erfahren soll,
sind auf 6945000 M. veranschlagt. Davon soll i Mill. M.
aus laufenden Einnahmen, der Rest aus der Anleihe be-
stritten werden. Auch das Märkische Provinzial-
Museum, für dessen Ausführung der Betrag von
I 591 500 M. ausgeworfen ist, muss z. Th. aus der Anleihe
bezahlt werden. Es sind hierfür 741 500 M. angesetzt.
Ganz aussergewöhnliche Summen werden für die
Kranken- und Siechenpflege gefordert mit einem
Gesamratbetrage von 50,5 Mill. M. Hier nimmt das in etwa
3 Jahren zu eröffnende Rudolf Virchow- Kranken-
haus im Norden der Stadt, dessen Baukosten auf 15,5
Mill. M. veranschlagt werden, mit rd. 8,6 Mill. M. theil.
Durch dieses Krankenhaus werden 1650 neue Betten ge-
währt. Vielleicht tritt aber bis dahin andererseits auch
ein Verlust von 500 Betten ein, da es fraglich erscheint,
ob die bisherigen Provisorien in der Gitschinerstrasse mit
150 Betten und im ehemaligen Erziehungshause am Urban
mit 120 Betten bestehen bleiben können, während der
Ersatz der Baracken in Moabit durch massive Gebäude,
wobei loo Betten verloren würden, in einigen Jahren
nothwendig erscheint.
Es ist ausserdem festgestellt, dass bei einer Zunahme
der Bevölkerung in den letzten 10 Jahren um 10% die
Aufnahme in den Krankenhäusern im gleichen Zeitraum
um 81,6%, die durchschnittliche tägliche Krankenziffer
um 2i,8^^/o gestiegen ist. Hiernach muss trotz der Eröff-
nung des Virchow-Krankenhauses daran gedacht werden,
weitere Betten rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Es
wird deshalb ein Betrag von 10 Mill. M. zum Bau eines
neuen Krankenhauses gefordert, wobei die Frage noch
offen gelassen ist, ob dieses neue Krankenhaus im Süden
oder Südwesten der Stadt zu errichten ist, oder ob
etwa durch den Bau von Krankenhäusern für chronische
Kranke die bestehenden Krankenhäuser zu entlasten wären.
Ausser diesem Krankenhause sollen 300 Betten in einem
neuen Kinder - Krankenhause in Treptow in der
Nähe des Piänterwaldes auf städtischem Gelände bereit
gestellt werden, zu welchem Zwecke 1,6 Mill. M. er-
forderlich sind. Dabei ist zu erwähnen, dass in dem in
Stadt. Verwaltung übergegangenen Kaiser Friedrich-Kinder-
Krankenhaus zurzeit eine Erweiterung ausgeführt wird,
dass das Virchow-Krankenhaus eine entsprechende Er-
weiterung erfährt und dass ausserdem ein Genesungsheim
für Kinder auf einem Rieselgut geplant ist. Es soll also
mit einem Male auf diesem Gebiete energisch vorgegangen
werden.
Auch derirrenpf lege solldie Anleihe zugute kommen.
7 225 000 M. sollen für die Fertigstellung der IIl. Irren-
anstalt in Buch (Anschlag 10,525 Mill. M.) daraus bestritten,
10,84 Mill. M. für den Bau einer neuen IV. Anstalt für
1500 Köpfe, 6,34 Mill. M. für die Herstellung einer Idioten-
anstalt für 600 Köpfe (erweiterungsfähig auf 800 Köpfe)
daraus entnommen werden.
Schliesslich ist der Neubau einer Siechenanstalt für
1500 Köpfe erforderlich, für welchen 6 Mill, M. bereit ge-
stellt werden. Es ist dabei in Aussicht genommen, die
neue Anstalt nicht als eine Erweiterung der schon be-
stehenden in der Fröbelstrasse auszuführen, sondern nach
ausserhalb, nach dem Rittergute Buch zu verlegen, um
so einerseits den Pfleglingen günstigere Lebensbedingun-
gen zu gewähren, andererseits aber auch die Anlage über-
mässig ausgedehnter, der Entwicklung des betreffenden
Stadttheiles hinderlicher öffentlicher Anlagen innerhalb
des Weichbildes zu vermeiden. —
Mag auch von diesem gross angelegten Programm
durch die Aufsichtsbehörde und durch die Stadtverordneten-
versammlung Manches noch gestrichen werden, so wird
doch genug bleiben, um den städtischen Bauverwaltungen
neben ihren stetig fortlaufenden Arbeiten eine ganze
Reihe bedeutender, interessanter Aufgaben für das nächste
Jahrzehnt zu stellen. —
Mittheilungen aus Vereinen.
Arch.- u. Ing.-Verein zu Hamburg. Vers, am 24. Okt.
igo2. Vors. Hr. ßaudir. Zimmermann, anwes. 53 Pers.,
aufgen. a. Mitgl. Hr. Ing. Halfdan Pedersen.
H'r. Kaidir. Winter -Hamburg hält einen Vortrag über
•den diesjährigen internationalen Schiffahrts-Kon-
gress in Düsseldorf*) und leitet denselben mit dem Hin-
weise ein, dass dieser zweite Kongress in Deutschland
mindestens ein ebenso gutes Andenken hinterlassen wird,
als der erste im Jahre 1889 zu Frankfurt a. M. abgehaltene.
In kurzer Zusammenfassung sind folgende Beschlüsse
bemerk enswerth ;
1. Für die Ueberwindung grosser Höhen gilt
bei Kanälen noch jetzt die Schleusentreppe als das beste
Mittel, falls nicht etwa Wassermangel in der Scheitelstrecke
herrscht. In diesem Falle, sowie bei sonst günstigen
örtlichen Verhältnissen tritt das Hebewerk erfolgreich mit
ihr in Wettbewerb, ebenso unt. Umst. die geneigte Ebene.
Ob bei letzterer die Fortbewegung des Schiffstroges in
Längs- oder in Quer-Richtung vorzuziehen sei, ist noch
unentschieden.
2. Bei der Frage über Abgaben auf Binnen-
Schiffahrtsstrassen kam man zu besserer Einigung
und hielt massige Abgaben zur Deckung der Betriebs-
kosten ziemlich allgemein für gerechtfertigt, verwarf da-
gegen solche, die auf gleichzeitige Amortisation des An-
lage-Kapitales gerichtet waren.
3. Bei den Verhandlungen über Werthverminde-
rung der'Kohlen und Kokes im Umschlagver-
kehre, welche sich nach den ausserordentlich hohen,
von. den Berichterstattern festgestellten Verlustzahlen als
sehr wichtig erwiesen, zeigten sich die bisher verwende-
ten Lösch- und Ladeeinrichtungen zum Schutze der Kohle
als ungenügend; Man kam überein, die Maschinen-Fabriken
zu einem Versuche besserer Lösungen aufzufordern.
4. Die Abtheilung „Seeschiffahrt" beschäftigte sich
zunächst mit Schleusenthoren, bei denen in jüngster
Zeit eine Reaktion zugunsten der Holzthore bemerkbar
war. Der Grund liegt in theilweise guten Erfahrungen
mit Greenheart. Der Kongress sprach sich indessen bei
Holzthoren für Innehaltung einer oberen Grenze von
12— 13t“ Lichtweite aus und verwarf auch den Vorschlag
auf Verbundthore, die unter Niedrig-Wasser aus Holz und
darüber aus Eisen ausgeführt werden soUten. Bei Be-
sprechung der Thorweiten erregte die Mittheilung, Auf-
sehen,, dass bei Erweiterungsbauten in Bremerhaven 35 m
Li'chtweite vorgesehen werden sollen und. zwar aufgrund
*-);Vers-l. auch Seiten 343, 358 und 363.
3. Dezember 1902.
von Untersuchungen, die von der schiffbautechnischen
Versuchsstation des Norddeutschen Lloyd daselbst über
die muthmaassliche Entwicklung des Schiffskörpers bei
modernen Riesendampfern angestellt worden sind.
5. Bei der Frage der See-Schleppschiffahrt und
deren Aufschwung wurde die Wichtigkeit dieses Verkehrs-
mittels anerkannt; die Bestrebungen, es durch Sondex-
tarife zu hemmen, wurden zurückgewieseri. Auch ist zu-
gestanden worden, dass zugunsten der Seeschlepper die
in Seeschiffahrtsstrassen mündenden Kanäle zweckmässig
3 “ Tiefe erhielten.
6, Bei Besprechung der Docks entschied sich der
Kongress dafür, dass überall, wo sie als Zubehör zu einem
Hafen ausgeführt werden sollten, das Trockendock
den Vorzug verdiene, während die Privatindustrie., insbeson-
dere auch die Schiffswerften vortheilhafter Schwimm-
docks bauen würden. Ob letztere aus Eisen allein oder
aus eisernen Gerüsten mit Holzhaut auszuführen seien,
blieb unentschieden. —
Besonders glänzend und reichhaltig waren die Fest-
veranstaltungen und Ausflüge des Kongresses, . unter letz-
teren die nach den Flusshafen-Anlagen mit den für sie
geplanten Erweiterungen, die den Verkehrs-Aufschwung
am Rhein schlagend erläutern. Köln hat bis jetzt, über
rd. 20 Mill. M., Düsseldorf 14^/2 ^tll. M., Duisburg 12 Mill. M.
und Ruhrort 13 Mill. M. für Häfen ausgegeben. Die letz-
teren beiden Städte haben schon Erweiterungs-Entwürfe
festgestellt, deren Ausführung noch 20 und 13 Mül. M.
Kosten verursachen werden. Mit einigen zeichnerischen
Darstellungen weist der Vortragende nach, dass der Ge-
sammtverkehr der vorgenannten vier Rheinhäfen sich mit
dem Gesammt-See verkehr Hamburgs deckt, während der
Ober-Elbverkehr Hamburgs noch um etwas durch den
Verkehr Ruhrorts übertroffen wird.
Hervorzuheben ist noch der Ausflug nach dem Dort-
mund-Ems-Kanal mit Besichtigung des Hebewerkes, bei
Henrichenburg und des Hafens von Dortmund, sowie der
nach den 3 Hansestädten und dem Kaiser Wilhelms-Kanal,
welch letztere die Besichtigung der Hafenanlagen in Bremen
und Bremerhaven brachten, sowie eine schöne Fahrt mit
dem Lloyd-Dampfer „Rhein“ durch die Nordsee bis Bruns-
büttel. Von Rendsburg bis Holtenau wurde der Kanal
befahren und in Kiel eine Besichtigung der grossen Werf-
ten vorgenommen. Schliesslich endete der Ausflug in
Hamburg mit einer Dampferfahrt durch den Hafen und
nach Blankenese, sowie mit einem Schlussfest auf dem
Schnelldampfer „Blücher“ der Hamburg-Amerika-Linie.
Reicher Dank, der Versammlung belohnte den ausser-
ordentlich fesselnden Vortta-g- — • ' ' Gbl
623
Vermischtes.
Die festliche Weihe des Motivhauses ia Charlottenburg
hat am 30. Nov. d. J. in Anwesenheit einer zahlreichen
und illustren Versammlung, in welcher sich auch die
beiden preussischen Staatsminister , der Kultusminister
Dr. Studt und der Minister der öffentlichen Arbeiten
Budde, befanden, stattgefunden. In einer trefflichen und
würdigen Ansprache gab der Vorsitzende der Aktien-
Gesellschaft „Motiv", Hr. Geh. Brth. F. Nitschmann,
eine historische Darstellung der Entwicklung des Motiv-
Gedankens zur Erlangung eines eigenen Heims von seinem
ersten Auftauchen bis zur nunmehrigen Vollendung des
Hauses, wobei er namentlich auch der thatkräftigen Mit-
wirkung des kürzlich verstorbenen Mitgliedes, des „Real-
politikers“ Wilh. Böckmänn, dessen entscheidendem Ein-
greifen die Verwirklichung des Gedankens in erster Linie zu-
zuschreiben ist, inwarmerAnerkennunggedachte. Auf dessen
hervorragende Verdienste um das Motivhaus kamen noch
mehrere Redner des Weiheaktes zurück. Mit nicht min-
der warmer Anerkennung gedachte der Redner auch des
Verdienstes der Erbauer des Hauses, der Hrn. Arch.
Reimer & Körte in Berlin, welche ein schwieriges Werk
unter nicht gewöhnlichen Verhältnissen mit gutem Gelin-
gen zu rühmlichem Ende führten. Die Ansprache Sr. Exc.
des Hrn. Kultusministers Dr. Studt wandte sich haupt-
sächlich an die im neuen Hause verkehrende akademische
Jugend und verglich sie in anerkennender Weise mit der
akademischen Jugend des Auslandes. Es folgten An-
sprachen Sr. Magnificenz des Hrn. Rektors der Tech-
nischen Hochschule in Berlin, Prof. Kämmerer, des Hrn.
Oberbürgermeisters von Charlottenburg Schustehrus,
von Vertretern des Ausschusses der Studierenden an der
technischen Hochschule, der beiden befreundeten akade-
misehenVereine „Hütte“ und „Berg- und Hüttenmännischen
Verein“, des Hrn. Geh. Admiralitätsrathes Vogeler, des
Vorsitzenden des Architektenvereins zu Berlin, Brth. Beer,
des Präsidenten der Eisenbahn-Direktion Altona Jung-
nickel, des Vertreters des „Vereins deutscher Ingenieure“
von Borries, des Hrn. Ob. -Brth. zur Nieden und
zuletzt in geschickter Form die dankende Erwiderung
des Liedervaters für alle dem Motiv an diesem Weihetage
des Hauses gewidmeten Wünsche und Gaben, unter wel-
chen letzteren sich als die hervorragendste die Marmorbüste
des Begründers des Motives, Wilhelm Stier’s befindet. —
Belnhauer’sches Verfahren zur Herstellung von Muffen-
rohrdichtungen ohne Verwendung von Theerstiicken. In
Ergänzung unserer Notiz in No. 79 theilt uns die Geiger’-
sche Fabrik für Strassen- und Hausentwässerungs-Artikel
in Karlsruhe i. B., welche die Fabrikation -und den Vertrieb
der zur Anwendung des Verfahrens erforderlichen paten-
tirten Apparate übernommen hat und diese für alle gang-
baren Licht weiten von Muffenröhren hersteüt, mit, dass
auch bei unrunder Form der Röhren nach den von der
Firma gemachtenVersuchen ein durchaus dichter Abschluss
des Rohrinneren durch den Schwellkörper erreicht würde,
und dass ein Eindringen von Dichtungsmaterial in das
Innere der Rohrleitung ausgeschlossen erscheine. Mit
d^m Apparat lassen sich ferner nicht nur Asphaltkitt-,
sondern auch Bleidichtungen hersteilen, so dass man
das Beinhauer’sche Verfahren ebenso gut bei Steinzeug-
wie bei Gussröhren-Leitungen für Kanalisations-, Wasser-
und Gasleitungen anwenden kann. Neben dem vom Ver-
fasser der Notiz anerkannten Vorzüge grösserer Genauigkeit,
welche durch das Beinhauer’sche Verfahren an der Zu-
sammentrittssteÜe der Rohrenden erreicht wird, hebt die
Firma als den. wichtigsten Fortschritt gegenüber dem bis-
herigen Verfahren hervor, dass das Dichtungsmaterial
nicht nur die Muffe, sondern auch die Stossfuge
zwischen den Rohrenden ganz ausfüllt, dass sich
also innen glatte, fugenlose Rohrleitungen hersteilen
lassen, was bei der Verwendung von Theerstricken un-
möglich ist. Das Verfahren besitze also nicht nur tech-
nische, sondern auch hygienische Vorzüge gegenüber dem
bisherigen, DiePreiseder Apparate, welche einen inneren
Druck von 2—3 Atm. aushalten und der Einwirkung des
heisseii Asphaltes und Bleies dauernd widerstehen müssten,
seien der soliden Ausführung wegen angemessen. —
Zur Versendung der „Deutschen Bauzeitung“. Aus dem
.^nehmerkreise der „Deutschen Bauzeitung“ gehen uns
zahlreiche Beschwerden über Beschädigungen zu, mit
welchen die Kreuzbandsendungen der Zeitung in die
Hände der Abonnenten gelangen. So sehr wir die Be-
rechtigung dieser Beschwerden anerkennen müssen, so
sind wir doch leider ausser Stande, auf eine Verhinderung
derselben hinzuwirken, wenn der Bezugsweg der Kreuz-
bandsendung der Versendung durch das Postzeitungsamt
vorgezögen wird. Es ist bei der üblichen Art der Be-
förderung der postalischen Kreuzbandsendungen im Brief-
€24
beutel nicht zu vermeiden, dass die Zeitung in etwas zer-
knittertem Zustande den Abnehmern überreicht wird. Auch
pflegen die Briefträger bisweilen um die sortirten Post-
sendungen Bindfaden zu schnüren, was häufig ein Ein-
reissen der grösseren Formate zurfolge hat. Alle diese
Uebelstände können umgangen werden durchBestellung
der „Deutschen Bauzeitung" nach der Post-
zeitungsliste unmittelbar bei dem zuständigen
Postamte des Wohnortes des Empfängers. Die
Zeitung wird dann im Zeitungsballen befördert, leidet hier-
durch weniger, kommt zur gleichen Zeit an und es
tritt für den Empfänger noch eine kleine Ersparniss durch
den Fortfall des Betrages für die Postanweisung ein. Um
eine Unterbrechung in der Zusendung zu vermeiden,
empfiehlt es sich, die Bestellung spätestens 14 Tage
vor Schluss des Kalender-Vierteljahres zu ver-
anlassen. —
Auszeichnungen an Techniker. Der kgl. Brth. A. Herz-
berg, in Firma Börner & Herzberg in Berlin, wurde zum
Ehrenmitgliede des „Vereins deutscher Ingenieure“
ernannt. —
Preisbewerbungen.
In dem Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
eine Bugenhagen- Kirche in Stettin liefen 86 Arbeiten ein.
Es erhielten den I. Preis Hr. Jürgen Kröger ip Wilmers-
dorf; den II. Preis die Hrn. Vollmer & Jassoy in Berlin
und Stuttgart; den III. Preis Hr. Gerh. Müller in Koblenz.
Ein weiterer Entwurf des Hrn. J. Kröger sowie ein Ent-
wurf des Hrn. Fr. Strobelberger in Schartau bei Lübeck
wurden zum Ankauf empfohlen. Sämmtliche Entwürfe sind
bis zum 14. Dez. in der Aula der Arndtschule in Stettin
(Barnim- Str. 5) öffentlich von 11— lYs Uhr ausgestellt. —
In dem Preisausschreiben der Slnzlger Thonwaaren»
Fabrik A.-G. erhielten die beiden I. Preise von je 200 M.
die Hrn. Martin Mayr in Stuttgart und L. Pfaffendorf
in Köln; die beiden II. Preise von je 150 M. die Hrn. Karl
Prahl in Hamburg und Carl Albermann in Aachen;
die beiden III. Preise von je 100 M. die Hrn. Carlo Z immer
in Darmstadt und K. S. Knoch in Oybiri bei Zittau. —
Personal-Nachricbten.
Preussen. Dem Kr.-Bamnsp. Huber in Halle ä.,S., dem
Landbauiosp. Tesenwitz in Berlin, dem Reg.-Bmstr.'Ki c kt 0 o
in Potsdam und dem Dir., Reg.-Bmstr. a. D. C a s t n e r in Schöne-
berg ist der Rothe Adler-Orden IV. KL, dem Geh. Reg.-Rath Prof.
Dr. Reuleaux in Berlin der Stern zum kgi. Kronen-Orden
II. Kl. verliehen.
Die Reg.-Bfhr. Ernst M a s c k e aus Königsberg, Benno Kühn
aus Rogehnen , Herrn. Fromm aus Berlin , Gg. : S c h u 1 z aus
Schwiebus, Karl Stoffels aus Schalke, Erich ß i e n t z aus Magde-
burg, Oskar G 0 1 1 k e aus Danzig und Max Schindowski aus
Berlin (Hochbfch), — Friedr. Fresow aus Kl.-Tessin {Wasser-
Bfch.), — Ernst Reissmüller aus Berlin und Otto Hoffmann
aus Königsberg i. Pr. (Wasser- und Strassenbfch.), — Paul Slevo gt
aus Sondersbausen, Job. Süss aus Morbach, Frz. Knipping
aus Essen und Alfr. M a s u r aus Rawitsch (Eisenbfch.), — Beruh.
Rutkowski aus Cembalowa, Friedr. Gaedke aus Pyritz und
Karl M ö r c h e n aus Strossberg (Masch -Bfch.) sind zu Reg.-Bmstrn.
ernannt.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. H. K. in Erle. Es dürfte nicht leicht, vielleicht nicht
einmal möglich sein, über einer Holzbalkendecke einen wasser-
dichten Fussboden herzustellen. Die meiste Gewähr gegen Durch-
dringen der Nässe dürfte noch die Verwendung eines fugenlosen
Fussbodens ausTorgament oder einer ähnlichen Masse, die zudem
auf eine geringe Höhe an den Wänden emporgeführt wird, bieten.
Hrn. J. H. in Stuttgart und Th. Bl. in Stettin. Wir müssen
Sie wegen der Saalbauten für rooo — 2500 Besucher auf die Litte-
ratur verweisen. Sie finden in dem Kapitel IV. „Saalbauten", der
„Baukunde des Architekten", II. Bd. 3. Th .(Verlag der Deutschen Bau-
zeitung, G. m. b. H-), sowie in dem folgenden Kapitel V. , /Vereins-
häuser", ausführliche Angaben über Säle der gedachten Art. —
Hrn. Stadtbmstr. W. H. in Trautenau. Wir empfehlen
Ihnen zum Studium für den Bau von Stadtbädern das Kapitel VI.
„Oeffentliche Badeanstalten“ in „Baukunde des Architekten", II Bd.',
dritter Theil. Verlag der Deutschen Bauzeitung, Berlin S.W. ii,
Bernburgerstr. 31. —
Hrn. Gebr. Z. in Oberlössnitz. Der Auftraggeber hat nur
das Recht, eine Pause des Entwurfes zu verlangen. Alle Arbeits-
zeichnungen sind oder bleiben Eigenthum des Archit^ten. Für
die übrigen Fragen verweisen wir Sie auf die Lehrbücher, insbe-
sondere „Baukunde des Architekten“, I. Band, r. Tfaeil. Aufbau
der Gebäude. Berlin 1903. Verlag der Deutschen Bäuzeitung,
G. m. b. H., Bernburgerstr. 31. —
Inhalt s Schloss Schwaneck im Isarthal bei München. — Die neue
aaS Millionen-Anleihe der Stade Berlin zu baulichen Zwecken. — Mitthei-
lungen aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Personal-
Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Bauzeitnng, G. m. b. H.; Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Grevci Berlin.
No. 97.
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
*BERLIN Hs
«ra:s;sr«:!gts:a:s:a:ss:
GANG. Hs Hs NO. g8.
i DEN 6. DEZ. igo2. Hs
is:s:9:srs:«!sjss:s5;s;a;jj.g;5.
ijcijiiuci i\euDauien.
No. io6. Geschäftshaus
der Hrn. Gebr. Simon,
Klosterstrasse 80/81.
Architekten:
Cremer & Wolffenstein
in Berlin.
(Hierzu die Abbildung S. 639.)
as Geschäfts -
haus der Hm.
Gebrüd. Simon
in der Kloster-
Strasse 80/81
wurde in seinem ältesten
Theile von Schwatlo als
Hinterhaus der Grund-
stücke Klosterstr. 8o 8i
mit geschlossener Front
an der alten Königsmauer
errichtet. Im Jahre 1885
erfolgte nach Fortfall der
Königsmauer und Ver-
breiterung der NeuenFrie-
drichstrasse die erste Er-
weiterung durch Neubau
an dieser Strasse, und im
Jahre 1900/01 die jetzige
zweite Erw’eiterung durch
einen Neubau anstelle der
alten Wohnhäuser an der
Klosterstr. 80/81 durch
die Architekten Cremer
& Wolffenstein in Ber-
lin. Der Neubau (S. 626)
stellt sich als ein 18“ tiefes
Vordergebäude und ein
jQ™breites Mittelgebäude,
anschliessend an den älte-
sten und den später er-
richteten Theil des Ge-
schäftshauses Neue Frie-
drichstrasse dar. Die bei-
den grossen Höfe zwi-
schen Mittelgebäude und
Vordergebäude , welche
theilweise mit Glas über-
deckt und im Erdgeschoss
zum Geschäftshause hin-
zugezogen sind, dienen
zum Geschäftsbetriebe
(der für die auswärtige
und die Stadtexpedition
verkauften Waaren) und
sind durch Durchfahrten
von der Klosterstrasse zu-
gänglich.
Im Geschäftshause Si-
mon werden die Waaren
nur stückweise verkauft,
deshalb war bei der
Grundriss - Anordnung
hauptsächlich Rücksicht
auf die Stellung der gut-
beleuchteten Regale zur
Aufnahme der Waaren
und der zwischen ihnen
stehenden Auslagetische
zu nehmen, auch Sorge
625
zu tragen, dass die Waaren durchHand-
wagen in den Geschossen selbst und
durch Aufzüge leicht und bequem ohne
Störung hin und her beiördert werden
konnten. Das erforderliche Maass von
Mitte Regal zu Regal von rd. 5 ergab
die Axe der Fenstertheilung. die Tiefe
der Regale von 1,6“ die Breite der
Fensterpfeiler. DasGebäude hat ausser
dem 1,6“* über Gelände aufsteigenden
Kellergeschoss von 3*^ Höhe noch
drei Geschosse von 4,4“ Höhe. Das
Dachgeschoss dient als Lagerraum.
Die angerollten Waaren werden in
einem Kellerabtheil an der Neuen
Friedrichstrasse abgeladen, dort aus-
gepackt, eingetragen usw. und von
diesem Raume im Keller, der auch als
Waarenlager dient, durch die Hand-
wagen nach den 5 Fahrstühlen und
von diesen zu den verschiedenen Ge-
schossen gebracht und in die Regale
vertheüt. Die verkauften Waaren
der verschiedenen Geschosse werden in
gleicher Weise, jedoch nur zum Erd-
geschoss , befördert und hier in Stapeln
für die Kunden aufgestellt, um durch
die Stadtexpedition unmittelbar den
Stadtkunden, oder durch die auswärtige
Expedition nach der Packkammer und
von hier den auswärtigen Kunden ge-
bracht zu werden.
Das Erdgeschoss enthält deshalb
hauptsächlich die für die Aufstapelung
der zur Stadt und auswärtigen Expedi-
tion bestimmten Waaren gehörigen
Büreaus und Packräume, also Zentral-
büreau, Kasse, Musterzimmer, Zimmer,
der Chefs, Wartezimmer usw., während
die Stockwerke nebst Dachgeschoss nur
zur Auslage und zum Verkauf von
iJtect
Waaren benutzt werden.
Zur Verbindung der Geschosse
unter einander sind 2 Haupttreppen I 5 I
und 5 Nebentreppen, 5 Waaren- und '] t ^
1 Personen-Fahrstuhl angeordnet Eine i
dieser Haupttreppen ist vom Flaupt-
eingange und von dem durch alle Ge- il
schosse gehenden mit Glas überdeckten 1;
Hofe, in welchem die ankomraenden
Kunden im Erdgeschoss einen Ver- IF
käufer zuertheilt erhalten, zugänglich, li
Der Packraum für die auswärtige Expe- |
dition liegt unter dem glasüberdeckten il)
Hoftheile zu ebener Erde, während die
Stadtexpedition mit dem Erdgeschoss I
auf gleicher Höhe gelegen ist.
Im Kellergeschoss sind an der
Klosterstrasse ausreichende Garde-
roben und Toiletten für die Ange-
stellten und Hausdiener, und im Dach- l_
geschoss als 5. Stockwerk eine Kamine
nebst Küche für die Beamten des Kauf-
hauses eingerichtetet worden.
Der Neubau hat an der Kloster-
strasse eine Werksteinfassade aus
Nesselberger Sandstein erhalten, be-
sitzt in allen Stockwerken massive
Decken mit Eichenstabfussboden und
einen eisernen Dachstuhl. Ausser dem
Eingangs-Vestibül und der Halle, den
Zimmern der Chefs, die eine reichere
architektonische Ausgestaltung er-
fuhren, ist das Gebäude zweckent-
sprechend, aber in einfachster Weise
durchgebildet; das Gleiche ist von der
inneren Ausstattung zu sagen.
Das Gebäude wird durch eine
Niederdruck - Dampfheizung erwärmt.
626
No. 98.
Die Anlage liegt im rechten Hofkeller und besteht aus
4 Kesseln und i Reserve-Kessel. Die Geschäftsräume
werden durch Bogenlampen, die Büreaus durch elek-
trische Glühlampen beleuchtet
Den Neubau leitete in umsichtiger Weise Hr. Bau-
führer Topp. Folgende Firmen waren an demselben
thätig; Für die Maurer- und Zimmerarbeiten Held &
Francke, für die Steinmetzarbeiten O. Ploeger, für
die Bildhauerarbeiten Ernst Westpfahl, für die Tisch-
lerarbeiten A. Klempau undH.Bilecki, für die Maler-
arbeiten Waller & Senftleben, für die Schlosser-
arbeiten Ernst Francke. für die Aufzüge Carl Flohr,
für die Fussbödcn E. Wolff & Sohn, für die Dach-
ziegel Burg Hennigsdorf, Akt-Ges., für die Glaser-
arbeiten J. Schmidt, für die Zentralheizung Janeck
& Vetter, für die elektrische Beleuchtung Aligem.
Elektricitäts-Gesellschaft, für die Be- und Ent-
wässerung L. Moses und für die Telephon-Anlage
und Klingeln Mix & Genest in Berlin. —
Ueber eine Neuerung an Zugschranken des Systems Röckl.*)
enn auch das Streben der Eisenbahn-Verwaltungen
allgemein dahin geht, behufs Hintanhaltung der mit
Zugschranken verbundenen Betriebsgefahren die an
Hauptbahnen befindlichen schienengleichen Ueberfahrten
thunlichst durch Wege-Unterführungen oder Bahn-Ueber-
brückungen zu ersetzen oder an diesen Ueberfahrten selbst
Schrankenwärter aufzustellen, so wird doch voraussichtlich
noch auf lange Zeit hinaus eine grosse Zahl von Bahn-
übergängen mit Zugschranken versehen bleiben, da sich
den erwähnten Abhilfen häufig allzu grosse Schwierig-
keiten finanzieller oder technischer Natur enteegenstellen.
Das ist aber umso bedenklicher, als mit dem Fortschreiten
des zweigleisigen Ausbaues der Hauptbahnen und mit der
zunehmenden Anzahl und Geschwindigkeit der Züge die
mit den schienengleichen Ueberfahrten verknüpfte Ge-
fährdung des Bahn- und Strassenverkehres sich immer
drohender gestaltet.
Unter solchen Verhältnissen wird es unerlässlich sein,
die vorhandenen Zugschranken wenigstens in entsprechen-
der "Wirksamkeit zu erhalten. Hierzu gehört unter anderem
auch die Erfüllung der Bedingung, dass an der Ueber-
gangsstelle vor dem Niedergehen der Schlagbäume ge-
nügend lange eine Warnungsglocke ertönt, so zwar, dass
Fuhrwerke, welche beim Beginne des Läutens gerade an
die Ueberfahrt gelangt sind, noch vor dem Schranken-
schlusse über die Gleise hinwegkommen können. Um
dies zu erleichtern, bezw. die Möglichkeit des Einschliessens
der Fuhrwerke zwischen den beiderseitigen Schlagbäumen
zu verringern, setzt man ja wohl die Schranken thunlichst
nahe an die Gleise heran. Man wird aber selbst bei senk-
rechten Uebergängen und kleinstem Gleisabstande noch
mit einer Entfernung der Schranken von 8 ^ zu rechnen
haben. Andererseits will man doch die Gespanne bei
geschlossener Schranke nicht bis hart an die Schlagbäume
Vorfahren lassen und setzt deshalb in einigem Abstande vor
den Schranken Tafeln mit der sinnreichen Aufschrift: „Halt,
wenn die Schranke geschlossen ist", bis zu welchen nach der
Betriebsordnung die Fuhrwerke auch dann nur vorrücken
dürfen, wenn die Glocke ertönt. Geht man mit diesen
Tafeln bis zu 5™ an die Schranken heran und nimmt man
die Länge eines Fuhrwerkes mit Gespann auch zu 5 “i an,
was beides sehr gering bemessen sein wird, so hat man,
da die Fuhrwerke doch nicht sogleich beim ersten Giocken-
schlag anhalten können, sondern sich selbst bei raschestem
Eingreifen des Lenkers leicht noch einige Meter fonbe-
wegen können, mit einer Länge des zwischen dem Be-
gitine des Vorläutens und dem Niedergehen der Schlag
bäume zurückzulegenden Weges von mindestens 20“ zu
rechnen. Da hier ferner die Fuhrwerks-Geschwindigkeit
kaum höher als zu 0,8 in i Sek. angesetzt werden darf,
so muss die Vorläutedauer mindestens 25 Sek. betragen.
Diese Bedingung wird wohl bei zahlreichen Zugschranken
nicht strenge erfüllt sein.
Bei den Zugschranken Röckl’schen Systems wird nun
das Vorlauten dadurch bewirkt, dass beim Andrehen der
Schrankenkurbel zunächst die Trommel, welche den zur
"Warnungsglocke gehenden Drahtzug aufwickelt und hier-
durch das Anschlägen des Glockenhammers veranlasst,
seitlich auf einer Schraubenspindel gleitet. Erst nach
etwa J2 Umdrehungen der Kurbel schlägt die Trommel
an ein mit der Spindel fest verbundenes Eisenst-uck, wo-
durch dann das Mitdrehen der Spindel bewirkt wird,
infolge dessen nach einigen weiteren Kurbeldrehungen
unter fortwährendem Läuten die Schranke sich schliesst.
Die Vorläutedauer ist also hier ausser von der Anzahl
der Gewinde, welche die Trommel vom Andrehen bis
zum Anschläge zurücklegt, noch wesentlich von der Ge-
schwindigkeit abhängig, mit welcher die Kurbel gedreht
wird, und kann, da bei rascher Bewegung der leicht-
gehenden und kurzen Kurbel eine Umdrehung derselben
kaum mehr als eine halbe Sekunde erfordeit, bis zum
vierten Theile der oben begründeten geringsten Dauer
*) An einigen bayerischen Bahnen ausgefClhrt
heruntergehen, was jedenfalls sehr bedenklich ist, da der
Schrankenwärter gerade dann, wenn er sich etwas ver-
spätet hat und daher die Bahn wahrscheinlich minder sorg-
fältig im Auge halten wird, wohl trachten muss die Schranke
möglichst schnell zu schliessen. Aber selbst dann, wenn
der Wärter rechtzeitig herangeht, wird die Vorläutedauer
kaum mehr als 18 Sekunden betragen, er müsste denn
ganz langsam arbeiten.
Der Giockenzugdraht ist nun bei der Röckl’schen
Schranke durch ein Gegengewicht in Spannung gehalten,
Ansicht.
welches am^sogenannten
Läutepfosten auf- und ab-
gleitet und bei einem Um-
fange der Trommel von
etwa 25 c“ und etwa i6
zum vollständigen Schran-
kenschlusse nöthigen Um-
drehungen derselben bei»
läufig 4 “ Weg zurücklegt.
Man hat also schon ziemlich hohe Läutepfosten aufzustellen
und wird Bedacht darauf zu nehmen haben, deren Höhe
bei einer Verlängerung der Vorläutedauer nicht noch zu
vergrössern. Das Gegengewicht soll ferner so schwer
sein, dass nicht nur der Glockendraht in genügender
Spannung bleibt, sondern auch die Glockenzugtrommel
rückwärts bewegt würde, wenn dies der Wärter nach
vollzogenem Schrankenschlusse nicht sogleich selbst vor-
schriftsmässig besorgen sollte. Durch diese Anordnung
soll nämlich — von der Anwendung unerlaubter Mittel zur
Feststellung der Kurbel abgesehen — verhindert werden,
dass der Schrankenwärter das Vorlauten und Schranken-
schliessen zeitlich trennt, wozu derselbe wohl versucht
sein könnte.
Es lässt sich nun bei den Röckl’schen Schranken eine
Verlängerung der Vorläutedauer mit massigen Ko-ten da-
durch erzielen, dass die Glockenzugtrommel (s, die Skizzen)
auf einer zweiten Schraubenspindel festgekeilt und ihre
Bewegung durch eine Zahnradübersetzung verlangsamt
wird. Dem Uebersetzungs-Verhältniss ent>prechend muss
dabei die Steigung der zweiten Spindel so beme>sen sein,
dass die beiden Zahnräder bei den Kurbeldrehungen sich
gleichmässig nach der Seite foribewegen. Das kleinere
Zahnrad, welches mit der etwas zu kröpfenden Kurbel
festverbunden ist, erhält ein Muttergewinde, so dass es
auf der Spindel sich zwischen den beiderseitigen An-
schlagstücken hin und her bewegen kann. Das grössere
Zahnrad wird mit der Trommel fest verbunden und be-
6. Dezember 1903.
627
wirkt bei erfolgender Umdrehung auch die Drehung der
zweiten Spindel, welche in zwei am Triebpfosien ange-
brachten, mit Muttergewinde versehenen Gehäusen ge-
lagert ist und sich daher seitlich so weit fortbewegt, dass
der Drehung der Kurbel kein Hinderniss im Wege steht.
Sobald aber das kleinere Zahnrad anschlägt, bewegt sich
dasselbe nicht mehr seitlich, während das grössere noch
verschoben wird. Damit hierbei stets genügender Zahn-
eingriff vorhanden ist, wird zweckmässig das kleinere Zahn-
rad doppelt so breit gemacht, als das grössere, wodurch
es auch ruhiger aufsitzt. Seine Breite fällt dabei doch
um so viel geringer aus, als jene der Glockenzug-Trommel,
Entwurf
zu einem Landhause.
Architekt: Prof. J. M.
Olbrich in Darmstadt.
Grundrisse
des Hauses Peter Behrens
in Darmstadt.
Vom Künstler selbst.
PAR-^^TÄDTeR ^RIELe-ISol
RAtf/nCP.'C'WPRlSS Ft/R PlE ARBEIT.
Hauses
J. M. Olbrich
in Darmstadt.
■4I6RWPR15S ruD PlE 6ÄSTE WP PIE>JER5C,HAFT,
RAVrtSRVUPRISS ri/R PiE WIRTH5C1AFT.
1*1&RVWPR1SS F\;?R PAS WOHWEW.
Die vorstehenden beiden Grund-
risse aus: Alexander Koch,
Die Ausstellung der Künstler-
Kolonie in Darmstadt.
dass mindestens 6 Gewinde
mehr für das Vorläuten ge-
wonnen werden. Bei der
nun nöthigen Zahl von Um-
drehungen zum Vorlauten
wird die Umdrehungs- Ge-
schwindigkeit an und für sich
schon etwas geringer aus-
fallen. Eine weitere Ver-
minderung derselben erreicht
manaber sicher dadurch, dass
man die Kurbel von etwa
35 cm gewöhnlicher Länge auf
55—60 cm verlängert. Hier-
mit wird dann eine Vor-
läutedauer von 25 Sek. ge-
währleistet sein. Wählt man
das Uebersetzungs- Verhält-
niss 1:2, so ist keine Ver-
längerung der Läutepfosten
nöthig.
Die längere Vorläutedauer
hat nun auch ihre Schatten-
seite. Ganz abgesehen davon,
dass sie von den Schranken-
wärtern unangenehm em-
pfundenwerden wird, so kann
sie im Falle einer unbefugten
Oeffnung der geschlossenen
62S
Schranke, auf welche der Wärter durch ein Rückläute-
werk aufmerksam gemacht wird, bedenklich werden, da
der erneute Schrankenschluss erst nach wiederholtem Vor-
läuten, also mit einer halben Minute Zeitverlust bethätigt
werden kann, während vielleicht der fällige Zug schon ganz
nahe an der Schranke ist. Nun ist wohl bei einer Zug-
schranke mit genügend langer Vorläutedauer die Gefahr
des Einschliessens von Fuhrwerken ohne Verschulden
getrennt zu jedem Schlagbaume gehenden Drahtzügen.
Es wird daher ' hier keinem Anstande unterliegen, wenn
man die Schrankenkurbel in einer solchen Siellung^gegen
weitere Rückwärtsbewegung sichert, dass dabei die Schlag*
bäume mindestens zum Theil gesenkt sein müssen oder
aber, wenn sie wagrecht liegen, ohne besondere Mühe
um die Hälfte ihres Ausschlages von Hand gehoben wer-
den können.
des Fuhrmannes an sich gering. Es wird aber in einem
solchen Falle auch genügen, wenn die Schranke ohne ge-
waltsame Anstrengung etwa zur Hälfte an Ort und Stelle
geöffnet werden kann, worauf dann nicht gerade beson-
ders hohe Fuhrwerke passiren können. Bei der Röckl’schen
Schranke ist die theilweise Oeffnung eines Schlagbaumes
ohne Anschlag der Rückläuieglocke ohnedies schon mög-
lich, theüs wegen der Durchhänge des Zugdrahtes, theiJs
wegen dessen eigenartiger Verkuppelung mit den beiden
6. Dezember 190a.
Eine derartige Einrichtung lässt sich unter Verwen-
dung.'der seitiicheniBewegung, welche die Glockenzug-
trommel noch macht, nachdem die Schrankenkurbel wegen
des Anschlages des kleineren Zahnrades nicht mehr zur
Seite rückt, dadurch treffen, dass die innere Scheibe der
Trommel gezahnt wird. Am Getriebpfosten aber wird
ein in zwei Endstellungen festzuhaltender Hebel befestigt,
der vom Schrankenwärter zum Eingriff in die Trommel-
zahnung gebracht werden kann, wenn derselbe nach voll-
629
zogenem Schrankenschlusse die Kurbel zweimal zurück-
gedreht hat. während ihm die hierdurch bewirkte Hem-
mung des Rücklaufes der Trommel nicht möglich wäre,
wenn er die Kurbel etwa nur bis zum Anschläge des
kleineren Zahnrades drehen sollte. Er müsste vielmehr
noch etwa zwei Umdrehungen der Kurbel vornehmen,
wodurch sich die Schlagbäume theilweise senken würden,
woran die unrichtige Handhabung des Schranken-Trieb-
werkes leicht bemerkt werden könnte. — Es wird daher
bei dieser Anordnung der Schrankenwärter sich eher hüten,
sogleich nach Oeffnung der Schranke wieder vorzuläuten,
und er wird auch den Vortheil nicht unterschätzen, dass
er im Falle unbefugter Oeffnung der Schranke dieselbe,
wenn nöthig, rasch wieder schliessen kann. — jj.
Vermischtes.
Zur Reorganisation des staatlichen Hochbauwesens in
Baden bringt die „Karlsruher Ztg.“ die Nachricht, dass der,
Grossherzog unterm 27. Nov. d. J. den Vorstand der Bau-
direktion Oberbaudir. Prof. Dr. Josef Durm infolge der
Aufhebung dieser Behörde unter Anerkennung seiner lang-
jährigen treuen und erspriesslichen Dienste und unter Er-
nennung zum Geheimrath II. Klasse, sowie unter Belassung
in der nebenamtlichen Stellung an der Technischen Hoch-
schule auf Schluss des Jahres in den einstweiligen Ruhe-
stand versetzt und die beiden ausserord. Mitglieder der
Baudirektion, Ob.-Brth. Prof. Dr. Otto Warth au der
Technischen Hochschule und Ob.-Brth. Dir. Phil. Kircher
an der Baugewerkschule in KarRruhe, auf den gleichen
Zeitpunkt ihrer nebenamtlichen Thätigkeit enthoben habe.
Die genannte Zeitung erläutert die Vorgänge wie folgt:
„Seit 1898 ist dem Finanzministerium ein technischer
Referent für das Hochbauwesen beigegeben, der bis zum
laufenden Jahr auch für das Ministerium des Inneren thätig
war. Die Dienstaufgabe dieses Beamten erstreckte sich
auf die schriftliche und mündliche Berathung des Mini-
steriums und der Zentralmittelstellen in Bauangelegenheiten,
auf die technische Begutachtung der Bauehtwürfe und
Kostenvoranschläge, die KontrolUrung der im Gang be-
findlichen Bauarbeiten, die Abnahme der Neubauten und
die Beaufsichtigung der technischen Thätigkeit der Bezirks-
Bauinspektioneriv Nach den seitherigen Erfahrungen hat
sich die Einrichtung wohl bewährt. Die Wahrnehmung
der Arbeiten bei den bauleitenden Behörden ist hierdurch
auf eine sichere technische.Basis gestellt und eine Menge
zeitraubenden Schriftwechsels erspart worden^ indem den
Bezirksstellen- vom Beginn der Projekdrungsarbeiten bis
zur Vollendung der Bauten eine fortgesetzte, über die Ab-
sichten der bauleitenden Behörde unterrichtete Anleitung,
die auch nach der ■ finanziellen Seite' einzuwirken in der
Lage ist, zur Verlugung steht. Nachdem im Vollzug des
Budgets für 1902/03 bei dem Ministerium des Inneren wie
bei dem Ministerium der Justiz, des Kulms und Unter-
richtes ebenfalls technische Referenten in Thätigkeit ge-
treten sind, so, dass,, abgesehen von dem Ressort der Eisen-
Das künstlerische Ergebniss des Darmstädter
,, Dokumentes“. "Von Albert Hofmann..
(Fortsetzung aus No. 48.) Hierzu die Abbildgn. S. 628 und eine Bildbeilage.
ir würden uns nun aber des Vorwurfes einer ein-
seitigen Darstellung zeihen lassen müssen,- wenn
J wir neben den Vorzügen der Olbrich’schen Muse
nicht auch ihre grossen Schwächen in den Kreis unserer
Betrachtung zögen. Wir meinen, damit nicht das olym-
pische Uebersehen der einfachsten technischen Vorkehrun-
gen, der schlichtesten praktischen Maassnahmen der Bau-
lechnik. Soweit in dieser Beziefmng gefehlt wurde, werden
die Zeit und die Stürme der Witterung schon seinerzeit als
Mahner auftreten. Aber als- ein empfindlicher Mangel
muss es erscheinen, wenn die Darstellung eines Wohn-
hauses zum obersten Ziele einer künstlerischen Handlung
gemacht wird, eines Hauses, .in welchem die Herstellung
einer Einheit zwischen Kunst und Leben versucht wird,
welches das Herau^wachsen eines erhöhten bereicherten
Lebens aus der Kunst darstellen soll, und-wenn der Grund-
riss eines solchen Hauses unter den Einschränkungen der
Kümmerlichkeit zu leiden hat, wie sie der Grundriss des
eigenen Hauses des Künstlers zeigt.,. Der Grundriss des
Wiener Wohnhauses hat nie die Anlage gehabt, die zu einer
behaglichen Wohnlichkeit nöihig ist. In gleichem Maasse,
wie sich Deutschland dem Grundrisse des alten Wohn-
hauses der norddeutschen Tiefebene und des englischen
Hauses zuwandte und hier die Anregungen zur wohn-
lichen Anlage des Einfamilienhauses suchte, in gleicnem
Maasse erscheint Wien vom Süden beeinflusst. Und wie
die Unbill der Witterung des Nordens den Menschen zwingt,
in den vier Pfählen seines Heimwesens sich die Lebens-
behaglichkeit zu suchen, welche die Natur ihm für einen
grossen Theil des Jahres versagt, so scheint trotz des ge-
ringen Unterschiedes in den Breitegraden der Wiener
Hausgrundriss mehr südlichen Einflüssen zu unterliegen
und das Unheil zu verdienen, welches die Gebrüder Gon-
court in ihrer anziehenden Studie „La maison d’un artiste'*
über das landläufige Pariser Wohnhaus fällen, welchem
630
.bahnyerwaltung, für welches besondere Vorschriften be-
stehen, allen mit Bauangelegenheilen befassten Verwal-
tungs-Behörden eine technische Berathung auf kürzestem
Wege zugänglich ist, ist die Aufgabe und der Wirkungs-
kreis der Baudirektion als besonderer zentraler Begut-
achtungs- uiid technischer Auf^icht^•behö^de in aus^e^-
ordemlichem Maasse eingeengt worden, indem sich deren
Inanspruchnahme im wesentlichen nur noch auf die Er-
stattung von Obergutachten in besonders wichtigen Fragen
beschränkt! Für die Lösung dieser allerdings wichtigen,
aber einen besonderen Behörden-Apparat nicht mehr er-
heischenden Aufgabe soll in Zukunft in anderer Weise
Vorsorge getroffen werden und es lag daher für die Re-
gierung kein Grund vor, für das Fortbestehen einer ober-
sten technischen, im Vergleich zu den Einrichtungen in
. den übrigen deutschen Staaten vereinzelt dastehenden Be-
hörde länger einzutreten. Zufolge landesherrlicher Ent-
, Schliessung vom 27. d. M. wird deshalb die Baudirektion
auf Schluss des Jahres aufgehoben werden und an deren
Stelle eine nach Bedürfniss einzuberufende und im Ehren-
amt wirkende Ministerial- Kommission für das Hoch-
bauwesen treten und dem Finanzministerium beigegeben
werden. Es ist die Annahme berechtigt, dass diese aus
der Zahl der bewähr-testen Architekten des Landes zu bil-
dende und gegen das=Koliegiurn der Baudirekcion um etwa
das Dreifache verstärkte Kommission „ den an sie heran-
tretenden Aufgaben auf bautechnischem und künstlerischem
Gebiet in hervorragendem Maasse gerecht werden wird.“ —
Bücherschau.
,Des^ Ingenieurs Taschenbuch. Herausgegeben vom Verein
„Hütte“. 18. neu bearbeitete Auflage. 2 Bände.
Berlin 1902. Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn.
Preis in eleg. Ledereinband 16 M.
Wennman die vorliegende i8.Aufl.des jedemlugenieur
unentbehrlichen Taschenbuches mit ihrer vor kaum vier
Jahren ers.chienenen Vorgängerin „vergleicht, ,50 lä?st scho.n
der äussere Umstand, dass das Werk wiederum um 19 Bogen
angewachsen ist, eine Bereicherung seines Inhaltes er-
kennen, während die nähere Betrachtung bald ergiebt,
ähnliche Einflüsse wie in Wien die-Gestalt verleihen. Viel-
leicht mag hier wie dort die Nachwirkung der übermächti-
gen Barockzeit neue Einflüsse zurückhalten: das eine ist
unbestreitbar, dass das germanische Wohnhaus eine viel
weitergehende Entwicklung zeigt, wie das romanische oder
das von romanischen Einflüssen beherrschte Haus, also
das Wiener. Im Norden ist so recht eingetreten, was ein-
mal Fichte als das Ziel und Streben eines modernen Volkes
hinstelite; alle seine Verhältnisse in Freiheit nach der Ver-
nunft einzurichien. Ein Vergleich des Grundrisses des
Olbrich’schen Hauses mit dem des Hauses von Behrens
lässt den grundsätzlichen Unterschied deutlich erkennen.
Und damit haben wir den zweiten Künstler der Darm-
städter Kolonie berührt, welcher bei diesem merkwürdi-
gen Uniernehmen eine führende Rolle übernommen haue.
Peter Behrens begann, wie uns sein Schilderer,
Prof. Dr. Kurt Breysig in Berlin, in dem Koch’schen
Werke über die Kolonie erzählt, seine Laufbahn als
Naturalist. „Aber er hat diesem Banner sehr früh abge-
schworen und ist, ohne von irgend einem Meister sicht-
bar beeinflusst zu sein, auf die Suche nach der neuen
Kunstweise ausgegangen. Er hat, wie alle die stärksten
unter.den Jüngern dieser Richtung, das grosse innere Er-
lebniss im Sinnbild dargestellt, er hat den Traum und die
Offenbarung des Schaffens selbst verkörpern wollen.“ Und
etwas von diesem in sich gekehrten Seelenleben haftet
auch seinem Hause an, welches in seinem Aeusseren
wenig anzieht, im Inneren aber den Besucher mit einer
eigenen Stimmung umgiebt. Es ist „ganz beherrscht von
der Vorstellung eines Lebens, von neuer Geschmücktheit
und neuer Getragenheit. Der Bauzweck isi“, nach Breysig,
„ganz und gar auf reiche Entfaltung des häuslichen Seins,
aber zugleich auf ein ausschliesslich nach innen gekehrtes,
fest umgrenztes Leben 'gerichtet. Das Innere überwiegt
durchaus in Absicht auf Reichthum und künstlerischen
Aufwand der Formen, es hat nur, wie sein Urheber nach-
drücklich betont hat, nicht die lässige Bequemlichkeit der
Zimmer-Vertheilung auf die Anordnung des Aeusseren
emwirken lassen.“ Wäre es der Fall gewesen, das Aeussere
No. 98 .
dass die Vermehrting des Inhaltes auch mit einer weiteren
Verbesserung, einer weiteren Anpassung an neuere wissen-
schaftliche und praktische Erfahrungen Hand in Hand ge-
gangen ist. Den Bauingenieur wird es besonders inter-
essiren. dass seinem Gebiete im 2. Bande, der demgemäss
um reichlich ti Bogen gewachsen ist, eine wesentlich
weiter gehende Berücksichtigung zutheil geworden ist, als
das bisher der Fall war, indem besondere Abschnitte über
Wasserversorgung,Entwässerung,StrassenbauundBrücken-
ban neu aufgenoramen sind. Der Abschnitt über Entwässe-
rung ist allerdings so knapp gehalten, dass darin kaum die
wiciuigsten Angaben dieses grossen Gebietes Platz gefunden
haben und den Ausführungen des Abschnittes Strassenbau
möchten wir hinsichtlich der Angaben über die Pflasterung
städtischer Strassen nicht in allen Punkten zustimmen,
trotzdem aber ist diese Erweiterung des Stoffes als eine
zweckmässige zu bezeichnen und wird mit Freuden begrüsst
werden. Wesentlich umgestaltet und erweitert, insbe-
sondere nach der Richtung der praktischen Anwendung
der Instrumente durch eingehendere Behandlung der
Fehler derselben und der Mittel zu ihrer Beseitigung
bezw. Ausschaltung, ist der Abschnitt über Vermessungs-
kunde, der auf das Doppelte seines früheren Umfanges
angeschwollen ist. Auch das Kapitel über Statik hat
manche Abänderung erfahren. Namentlich ist die Ein-
führung der Elastizitäts-Theorie für die Untersuchung der
Gewölbe neu, während den Ausführungen über räumliche
Fachwerke durch Untersuchungen über Thurm- und Kuppel-
dächer usw. Neues hinzugefügt ist.
Durchgreifende Umgestaltung, zumtheil völlige Neu-
bearbeitung haben auch einige Abschnitte des Maschinen-
und Schiffbaues erfahren und in den theoretischen Ka-
piteln des Theiles I. ist vom Abschnitt „Wärme einschl.
der Mechanik der Gase und Dämpfe" dasselbe zu bemerken.
Auch die neue Auflage entspricht also der alten Tra-
dition des Werkes. —
Leitfaden für das Entwerfen und die Berechnung gewölbter
Brücken. Von G. Tolkmitt, kgl. Brth. 2. Auf!.
Durchgearbeitet und erweitert von A.Laskus, Reg.-
Bmstr. Berlin 1902. Verlag von Wilhelm Ernst &
Sohn. Pr. 5 M. —
Die I. Auflage dieses Werkchens, die wir Jahrg. 1896
5. 147 besprochen haben, hat sich, wie wir damals annahmen,
mit ihren, auf gesunder Grundlage aufgebauten Unter-
suchungen und'hhren dem praktischen Bedürfnisse ent-
gegenkommenden Anleitungen zur Bestimmung der zweck-
massigsten Gewölbeform bei gegebener Belastung in weite-
ren Kreisen Freunde erworben, sodass eine Neuauflage
nothwendig wurde, deren Bearbeitung infolge des 1900
wäre unzweifelhaft anziehender geworden. Ueberall im
Inneren aber hat man den Eindruck, „dass hier nicht ein
Künstler sich mit seinem Werke müht, das seinem Ich
fremd ist, sondern dass ein runder Mensch, eine starke,
ganz in sich gefestete Persönlichkeit mühelos den künst-
lerischen Ausdruck seines eigenen Wesens gefördert hat.“
Fallen Abends in dem Prunkgemach des Hauses die
blauen Vorhänge nieder und schimmern von der Decke
die brennenden Kerzen, „so bemächtigt sich des Gastes
langsam der schöne Wahn, als sei er in ein Märchen-
Schloss versetzt und in das Land der Ferne und des Glücks.“
Es sind noch nicht die überschwänglichsten Aeusserun-
gen dieser Art, die Breysig seinem Künstler widmet.
Man höre, was er über die Hauptthüre des Hauses, „den
grossen feierlichen Orgelklang in dem sonst nur voi be-
reitenden Andante dieses Präludiums“ sagt: „Sie verräth
allein, was des Eintretenden innen wartet, ohne doch un-
treu zu plaudern. Denn die Linien des goldgelben Meiall-
Ornamentes auf dem violett getönten Grau der Thüre sind
so wundersam fremd und heilig zugleich, dass sie dem
Tempel irgend eines längst verschollenen Götterdienstes
den Eingang schmücken dürften. Sie wirken wie eine
weite priesterlich segnende Gebärde, allein sie heischen
auch Ehrfurcht und wecken hieratische Schauer, die fast
zu niederdrückend sind für den heiteren weltlichen Zweck
dieses Hauses. . . . Tritt Nachts ein Besucher, dem der
Herr des Hauses hold ist, aus dieser Thüre, so flammt ob
seinem Haupte ein Licht auf. Es strahlt aus einem kry-
siallenen Glase, das geformt ist wie ein edler Stein der
Berge, und das den köstlichen Abschluss des reichen
Linien-Aufbaues dieser einzigen Thür bildet. Wer dürfte
sagen, er hätte ihresgleichen schon gesehen?“ Es ist eine
merkwürdige, weliflüchtige Gesellschaft, die hier zu Thaten
und Worten kommt. • Wir finden eine ähnliche Verneinung
des realen Lebens, eine fast an das Pathologische grenzende
Uebersinnlichkeit auch bei der bedeutenden Berliner Künst-
lergruppe, die sich um Melchior Lechter geschaart hat.
„Jede Form bedeutet Zwang, sie lenkt uns von den breiten
und ebenen Pfaden ab, sie heischt von uns Entsagung
6. Dezember 1902.
erfolgten vorzeitigen Todes des verdienstvollen ersten Ver-
fassers einem anderen Autor übertragen werden musste.
Die neue Auflage schliesst sich der ursprünglichen
Bearbeitung auf das Engste an, deren bisheriger S:off
durchweg erhalten ist, wobei hauptsächlich der stellen-
weise etwas sprunghafte Gang in den Entwicklungen durch
Einschaltung von Zwischengliedern leichter verfolgbar ge-
macht, das in der Darstellungsweise zumtheil nicht ganz
glückliche Figurenmaterial durch klareres ersetzt und ausser-
dem Einiges an kleinen Irrthümern ansgeraerzt wurde.
In den Abschnitten über Belastungsannahmen und Be-
lastungsgleichwerthen ist neues Material hinzugefügt, auch
sind die Betrachtungen über die Standfestigkeit der Wider-
lager und Zwischenpfeiler etwas erweitert.
Ganz neu ist ein längerer Abschnitt über dieAnwendung
der Tolkmiti’schen Entwicklungen auf Brückengewölbe mit
3 Gelenken, deren Formbestimmung durchaus auf den-
selben Grundlagen erfolgen kann. Die Gründe, welche
für und wider die Zweckmässigkeit der Einlegung von
Gelenken sprechen, werden dabei kurz gewürdigt. (Bei
der Anführung von Beispielen weitgespannter Gelcnk-
brücken ist übrigens ein Irrthum hinsichtlich der Verfasser
des Entwurfes zu einer 113“ weit gespannten Steinbrücke
über den Neckar in Mannheim untergelaufen. Dieser Ent-
wurf rührt nicht von der angegebenen Firma, sondern von
Grün & Bilfinger in Mannheim her. Vergl. Jhrg. 1901 No. 45 )
Die Tolkmitt’sche ßerechnungsmethode besitzt für die
weitaus meisten Fälle der praktischen Anwendung eine aus-
reichende Genauigkeit und wird sich daher neben der theo-
retisch schärferen Untersuchung nach der Elastizitätstheorie
wohl behaupten können. Die neue Auflage dürfte daher
die gleiche Anerkennung finden, wie ihre Vorgängerin. —
Fr. E.
Bel der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten:
Bock, Otto, Ziegelei-Ingenieur. Der Ziegelofen, Konstruktion
und Bauausführung von Brennöfen, Ofengebäuden und Schorn-
steinen für Ziegeleien. 2. Aufl. Bearbeitet von A. E c k. h a r t.
Leipzig 1902. Karl Scholtze (W. Junghans). Pr. 1,50 M.
Dr. Dämmer, Otto. Handbuch der Arbeiterwohlfahrt.
Lfrg. 2, 3, 4 und 5, Stuttgart 1902, Ferd. Enke. Pr. der
Lfrg. 2 — 4 je 4 M., Lfrg. 5: 6 M.
Ehe, Gustav, Architekt. Architektonische Raumlehre.
Entwicklung der Typen des Innenbaues. Bd. II. Renaissance,
■ ' ^ Barock und Neuklassik. Dresden 1901. Gerhard Kühtmann.
Pr, 15 M., geb. 18 M.
Ehlerding. W. E) e-r— m o d e r n e Schlosser. II. 50 Thüren
"untf—Fh^re, Ravensburg 1902. Otto Maier. Pr. 4 M.
Fieser, Ö'CfoV grossherz.' BäuräthT" Lehrbuch für die deut-
schen Schifferschulen am Rhein, zum Schul-
unterricht und für den Selbstgebrauch der Schiffer. Karls-
ruhe_i902. G. Braun’sche Hofbuchdruckerei. Pr. 4 M.
vielen Lässigkeiten und Behaglichkeiten gegenüber. Eine
Kunst, die dem Alltag nur ein Spiegelbild seiner eigenen
breit und dümmlich lächelnden Züge vorhält, ist ein be-
quemer Gast, und wer ihn vertreiben will, darf nicht darauf
rechnen, laut willkommengeheissenzu werden.“ In gleicher
Weise aber, wie diesen Aeusserungen wird man auch
der Ansicht Breysigs zustimnien können, Lebenskunst sei
ein Kulturschaffen, an dem theilzunehmen nicht Vorrecht
eines Berufes sei. Sie ist die Aufgabe des Einzelnen, „der
sich als Starken, als Auserwählten empfindet.“ Diese
Empfindung ist in besonders hohem Grade bei unserem
Künstler ausgeprägt. Die moderne Philosophie der sou-
veränen Individualität ist ihm in Fleisch und Bim über-
gegangen. Er steigert die Ansprüche für seine Kunst bis
zu dem einsamen Rechte des Scirner’schen „einzigen Ich“.
Wird man bei dieser Lebensanschauung, bei diesem Em-
porschweben über die Lebensumstände der Wirklichkeit
auch über Manches lächeln müssen, so ringt uns die in
sich geschlossene Persönlichkeit des Künstlers doch in
hohem Grade Achtung vor seinem idealen Wollen ab. Er
ist trotz seiner nordischen Herkunft kein Künstler im
Sinne Kants, der vom Künstler die praktische Philosophie
forderte, von dem was geschehen soll, Gesetze anzugeben,
obgleich es niemals geschieht; sondern er ist ein Künstler
in der freieren Schopenhauer’schen Auffassung, Mit diesem
Philosophen fragt auch, der Künstler: „Wer sagt euch,
dass es Gesetze giebt, denen unser Handeln sich unter-
werfen soll? Wer sagt euch, dass geschehen soll, was nie
geschieht?“ Loslösung vom Ueberlieferten, innere künst-
lerische Heiligung des Lebens, Vergeist gung der Kunst bis
zur Ekstase, das ungefähr sind die Grundzüge der Kunst
von Peter Behrens von seinen Werken der Darmstädter
Kolonie an bis heute. Ist die Kunst Olbrichs von dem
dionysischen Hauch der ungebrochenen Lebensfreude und
Prachtliebe umflossen, so hat die Kunst von Peter Behrens
bei allerPrachi einen starken Einschlag askeiisch-hieratiscber
Stimmung mit einem Schimmer mystischen Glanzes. Mit
diesen Gegensäizen stehen sich die beiden F ührer der Darm-
städter Bewegung im Kampfe gegenüber. — (Schluss folgt.)
631
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Die Garn.-Bauinsp. P aepke ia Saarbarg
und Steinebach in Metz I sind gegenseitig versetzt. Der Garn.-
Bauinsp. Knoch in Metz ist in den Ruhestand getreten.
Baden. Dem Prof. Geiges in Freiburg i. Br. ist die Er-
laubniss zur Annahme und zum Tragen des ihm verlieh, kgl. preuss.
Kronen-Ordens IIL Kl. ertheilt.
Der Reg.-Bmstr. Kitiratschky in Freiburg ist zur Rhein-
bauinsp. Mannheim und der Reg.-Bmstr. Schätzle in Offenburg
zur Kulturinsp. Freiburg versetzt.
Der Ob.-Bauinsp. Wiese in Mosbach ist gestorben.
Preussen. Dem Hafen-Bauinsp. Brth. Mu sse t in Memel ist
die Annahme und Anlegung des ihm verlieh, grossherz, mecklenburg.
Greifen-Ordens III. Kl, gestattet.
Der Arrh. Heese an der Baugewerkschule in Buxtehude ist
zum kgl. Ob.-Lehrer, — die Reg.-Bfhr. Alfr. Salinger, Karl
Weber u. Alfr. Gottheiner aus Berlin und Ad. Ledschbos
aus Steele (Hochbfch), — Willi. Schmidt aus Zweifall (Wasser-
u. Strassenbfch.), — Klem. Siebeis aus Kempen, Hans Gohlke
aus Koblenz, Thadd. v. Brauneck aus Zielniki, Val. Herwig
aus Niederaula (Eisenbfch.), — Jul. Cohen aus Dortmund und
Alfr. Freund aus Breslau (Masch.-Bfch.) sind zu Reg.-Bmstrn.
ernannt.
Dem Reg.-Bmstr. Jak. J an z in Frankfurt a. O. ist die nachges.
Enlassff. aus dem Dienste der allgem. Bauverwaltung ertheilt
Württemberg. Der Prof. Fischer an der Techn. Hoch-
schule in Stuttgart ist zum Mitgl. der Sachverständigen-Komm. zur
Berathung des Konservators der vaterländ. Kunst- u. Alterthums-
Denkmale, hauptsächl. in Restaurationssachen, ernannt.
Der Brth. T h e u r e r , Dir. der Maschinen-Fabrik Esslingen
ist gestorben.
Brief- und Fragekasten.
Hm. J. L. in Essenberg a. Rh. Ein grundsätzliches Verbot,
guss- oder scbmiedeiserne Säulen auch zu anderen Zwecken mit-
zubenutzen, dürfte in den meisten Baupolizei-Verordnungen kaum
bestehen, da es zahlreiche Ausführungen giebt, bei welchen die
Säulen zu Zwecken der Lüftung und der Wasserabführung mit
verwendet werden. Die Verwendung von Säulen, namentlich von
schmiedeisernen, zur Abführung von Feuergasen müssen wir aller-
dings für bedenklich halten, da letztere in vielen Fällen eine solche
Zusammensetzung zeigen werden, dass Eisen, und namentlich
Schraiedeisen , dadurch erheblich angegriffen werden kann. Dem
Verbot der betr. Baupolizei-Behörde ist also, falls sie aus diesem
Grunde erfolgt, die Berechtigung nicht abzusprechen. —
Fragebeantwortungen aus dem Leserkreise.
Zu der Anfrage in No. 93 betr. Wasserzuführung zu
einer Villa: Ich habe mehrfach in alleinstehenden Villen Gas-
apparate von Inderau-Dresden aufgestellt, welche nicht zu kost-
spielig in der Anlage und sehr billig im Betriebe sind. Das erzeugte
Gas dient nicht nur zur Beleuchtung, sondern auch zum Betriebe
einer kleinen Kraftmaschine, welche ein Wasserreservoir auf dem
Boden speist und auf diese Weise eine bequeme und praktische
Wasserleitung ermöglicht.
Reg.-Bmstr. Wechselmann in Stettin.
In gleichen Fällen habe ich die Wasserleitungsanlage
derart ausgeführt, dass an das Brunnenrohr eine Flügelpurape (in
einem Hause für eine Familie) oder bei grösserem Bedarf ein
kleiner Motor angeschlossen wurde. Derselbe oder die Flügel-
pumpe pumpt das Wasser in ein im Dachboden befindliches Becken,
welches je nach Bedarf einen bis mehrere cbm fasst. An dieses
Becken habe ich die Wasserleitung mit Zapfstellen in Küchen,
Waschküchen, Klosets (Wasserklosets) , auch im. Garten (Spring-
brunnen), angeschlossen, so dass überall bequem Wasser mit aus-
reichendem Druck vorhanden ist. Zu ausführlicher Beschreibung
und Bekanntgabe meiner dabei gemachten Erfahrungen bin ich gern
bereit. — Grosse, Stadtbmstr. in Varel in Oldenburg.
Inhalt: Berliner Neubauten. No. 106. Geschäftshaus der Hrn. Gebr.
Simon, Klosterstrasse 80/81. — Ueber eine Neuerung an Zugschranken des
Systems Röckl. — Vermischtes. — Das kOnstlerische Ergebniss des Darm-
städter „Dokumentes“. (Fortsetzung.) — Bücherschau. — Personal-Nachrich-
ten. — Brief- und Fragekasten. — Verband deutscher Arch.- u. Ing.-Vereine.
Hierzu eine Bildbeilage: Villa in Rosen in Darmstadt.
Verlag der Deutschen Banzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wüh. Grevc, Berlin,
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine.
Nachstehend bringen wir unter Hinweis auf die in No. 84 veröffentlichten erneuten Eingaben des
Verbandes in Sachen der Zulassung der staatlich geprüften Architekten und Ingenieure zur Doktor-Promotion
die Antwort des preuss. Hrn. Kultusministers über die Regelung dieser Frage zur Kenntniss der Einzelvereine.
Dresden-Berlin, den i. Dezember 1902.
Der Verbands- Vorstand: Waldow, Vorsitzender. Eiselen, Geschäftsführer.
Berlin, den 22. November 1902.
Der Minister der geistlichen,
Unterrichts- und Medizinal*
Angelegenheiten.
U. I. No. 24479.
Auf das Schreiben vom i. Oktober d. J. benachrichtige
ich den Vorstand ergebenst, dass mit dem Herrn Minister
der öffentlichen Arbeiten soeben eine Vereinbarung ge-
troffen worden istj wonach die erste Staatsprüfung tür
den höheren technischen Staatsdienst (Bauführerprüfung)
durch die Diplomprüfung an den Technischen Hochschulen
ersetzt werden soll. Die Neueinrichtung soll zum i. April
k. J. inkraft treten. Gleichzeitig hat eine Verständigung
über die Zulassung der staatlich geprüften Bauführer zu
den Diplomprüfungen und der staatlich geprüften Bau-
meister zu den Doktor-Ingenieur Prüfungen stattgefunden.
Ueber beide Angelegenheiten sind die in einem Abdruck
beigefügten Grundsätze vereinbart worden. Hiernach sind
den staatlich geprüften Bauführern und Baumeistern hin-
sichtlich der Erwerbung desGrades eines Diplom- Ingenieurs
und eines Doktor -Ingenieurs erhebliche Erleichterungen
gewährt worden.
gez. Studt.
Grundsätze über die Ersetzung der ersten Haupt-
prüfung für den Staatsdienst im Baufache durch
die Diplomprüfung und die Zulassung der staat-
lich geprüften Bauführer und Baumeister zur
Diplom- bezw. Dokior-Ingenieur-Prüf ung.
1. Der Diplomprüfung bleibt der Charakter einer
akademischen Prüfung gewahrt. Zur Theilnahme an den
Prüfungen — Vor- und Hauptprüfungen — werden für
jede Abtheilung ein oder nach Bedarf mehrere ständige
Kommissare des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten
bestellt, welche befugt sind, von allen Prüfungsvorgängen
Kenntniss zu nehmen. Eine unmittelbare Einwirkung auf
das Prüfungsgeschäft steht den Kommissaren nicht zu.
Gegebenenfalls haben sie über ihre Wahrnehmungen und
daran zu knüpfende Anregungen ihrem Ressortchef Vor-
trag zu halten, welchem es überlassen bleibt, wegen des
Weiteren mit dem Herrn Minister der geistlichen, Unter-
richts- und Medizinal- Angelegenheiten sich zu benehmen.
2. Bei der Hauptprüfung tritt eine Mitwirkung von
Baubeamten ein. Zu diesem Zwecke werden Baubeamte
auf Vorschlag der Abtheilungen der technischen Hoch-
632
schulen durch den Herrn Minister der geistlichen, Unter-
richts- und Medizinal-Angelegenheiten nach voreängigem
Einvernehmen mit dem Herrn Minister der öffentlichen
Arbeiten zu Mitgliedern der Prüfungs-Ausschüsse berufen.
Die Zahl der Baubeamten soll in keinem Prüfungs-Aus-
schusse mehr als ein Drittel der Gesammtzahl der Mit-
glieder betragen.
3. Während einer Uebergangszeit von etwa einem
Jahre kann noch die staatliche Vorprüfung und I. Haupt-
prüfung bei den technischen Prüfungsämtern in Berlin,
Hannover und Aachen abgehalten werden. Die bis zum
Ablauf der Uebergangszeit bei diesen und den ihnen
gleichgestellten Prüfungsämtern in Braunschweig und Darm-
stadt abgelegten Vorprüfungen ersetzen die in den Diplom-
prüfungs-Ordnungen vorgesehene akademische Vorprüfung,
ebenso ersetzt die von den Studirenden des Maschinen-
baufaches bis dahin nach den Vorschriften des Herrn
Ministers der öffentlichen Arbeiten zurückgelegte praktische
Eleven- Ausbildung die in der Diplomprufungs- Ordnung
vorgesehene einjährige praktische Thätigkeit.
4. Nach der Neuregelung des Prüfungswesens können
sich die Diplom -Ingenieure, welche in den Staatsdienst
eintreten wollen, hierzu melden. Nach Ablauf der unter 3
vorgesehenen einjährigen praktischen Prüfungszeit wer-
den die Regierungs-Bauführer nur aus den Diplom inge-
nieuren entnommen werden, jedoch vorbehaltlich der in
den Vereinbarungen mit Braunschweig und Hessen ge-
troffenen Bestimmungen.
5. Sobald über die Neuregelung des Prüfungswesens
grundsätzliches Einvernehmen erzielt ist, sind staatlich
geprüfte Baumeister ohne Weiteres berechtigt, sich zur
Promotion zu melden. Von staatlich geprüften Bauführern,
die den Grad eines Diplom-Ingenieurs erwerben wollen,
•wird während einer Uebergangszeit von 3 Jahren nur
eine in einer Frist von 6 Wochen abzuliefernde Diplom-
arbeit verlangt. Von einer mündlichen Prüfung wird ab-
gesehen.
6. Den Anforderungen, welche au die in den Staats-
dienst tretenden Baubetiissenen zu stellen sind, wird durch
die Ablegung der Diplomprüfungen nach den Ordnungen
von 1902 entsprochen.
Es wird hierbei vorausgesetzt, dass die Diplomprüfungs-
Ordnungen der technischen H(öchschulen in Hannover und
Aachen in ihren wesentlichen Bestimmungen mit denen der
Berliner technischen Hochschule übereinstimmen werden.—
No. 98,
ARCHITEKT:
PROF. JOS. M.
OLBRICH IN
DARM STADT
DEKORATIVE
AUSSCHMÜCKUNG:
H. CHRISTIANSEN
STELLU NG
DER KÜNSTLER-KO-
LONIE DARMSTADT
DEÜTSCHE BAUZEITUNG. XXXVI. JAHRG. NO
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. 99. Berlin, den 10. Dezember 1902.
Stromerzeugung für elektrische Hausbeleuchtung.
Klür die elektrischen Hausbelenchtungs-Anlagen kleine-
I ren und mittleren Umfanges ist im allgemeinen der
^ Anschluss an eine grössere Blockstation oder an ein
öffentliches Elektrizitätswerk die billigste und auch die be-
quemste Betriebsquelle. Ist ein derartiger Anschluss für
alleinstehende Gebäude, wie Villen, Gutshöfe, Hölels in
Kurorten u. dergl., nicht möglich oder doch zu kostspielig,
so benutzt man als Betriebsmittel für die Stromerzeugungs-
Anlage in der Regel einen feststehenden Gas-, Benzin-
Q Schalldämpfer
Abbildg.
oder Petroleum-Motor, welcher in Grösse von 3—10 P.S.
250 —300 Umdrehungen in 1 Minute macht, und die Dynamo-
Maschine mittels Riemen vom Schwangrade aus antreibt.
Die übliche Gebrauchsspannung beträgt rd. 65 Volt oder
110 Volt, eine mitbenutzte Akkumulatoren-Batterie hat
hierfür 36 oder 60 Elemente, und die Glühlampen be-
nöthigen einen Energieverbrauch von etwa 3—3,5 Watt
für die Normalkerze, bezw. 50—60 Watt für die lökerz.
Glühlampe. Wegen der Riemenverbindung zwischen An-
triebmotor und Dynamo und der Elementenzahl bean-
sprucht eine derartige Maschinenanlage einen ziemlich
beträchtlichen Raum.
Abweichend von diesen bisher üblichen Ausführungen
hat die Firma Elektrizitäts-A.-G. vorm. Schuckert
Ä Co. in Nürnberg im Laufe des letzten Jahres eine neue
Stromerzeugungs-Anlage durchgebildet, dieselbe in ihren
Werkstätten sowie an einigen Hausbeleuchtungen erprobt
und auch bei Gelegenheit der Düsseldorfer Ausstellung
in ihrem Sonderpavillon im Betriebe vorgeführt. Die
wesentlichen Punkte dieser Einrichtung sind folgende:
Die Dynamomaschine ist mit einem Automobil-Benzin-
Motor Schwanemeyer’scher Ausführungsweise mit etwa
1100—1200 Umdrehungen in der Minute unmittelbar ge-
kuppelt. Auf gemeinsamer Grundplatte vollständig ver-
sandtferlig und betriebsbereit montirt, bildet iese Ma-
schinen-Einrichtung ein für sich abgeschlossenes Ganzes
als Benzindynamo, wie dieselbe
in Abbildg. i in der Ansicht dar-
gestellt ist. DiebeweglichenTheile
sind fast vollständig von dem Mo-
torgehäuse eingeschlossen; doch
ist die Anordnung derart, dass nach
Lösen weniger Schrauben- Verbin-
dungen das Innere des Motors zu-
gänglich ist. Die Dynamomaschine
hat hufeisenförmiges Magnet-Sy-
stem. Das ganze Maschinenaggre-
gat wird, sobald ein entsprechen-
des Bedürfniss dafür vorliegt, mit
leichtem schalldichtem Gehäuse
geliefert. Der Deckel desselben
kann für sich allein abgehoben
werden, so dass man die Maschine
jederzeit ohne besondere Um-
stände nachsehen kann. Von der
Wirkung dieses Gehäuses hatte
man in der Ausstellung Gelegen-
heit, sich zu Überzeugen.
Dem Umstande Rechnung tra-
gend, dass dieGlühlampenbei nied-
riger Spannung weit wirthschaft-
licher arbeiten, als bei höherer
Spannung, und dass die Leitungs-
verluste in den hier infrage kom-
menden kurzen Leitungen gering
sind, ist die Betriebsspannung auf
25 Volt festgesetzt. Bei dieser
Spannung braucht eine ebenso
dauerhafte Glühlampe wie die 65
oder iio völligen nur 2 Walt für
die Normalkerze, anstatt 3—3,5
Watt. Anstelle von 36 oder 60
Zellen sind nur 14 Zellen in der
Akkumulatoren - Batterie nöihig.
Diese Verhältnisse bedeuten also
eine wesentlich höhere und so-
mit wirthschaftlich vortheilhaftere
Ausnutzung der Maschinen- und
Batterie-Einrichtung, und deshalb
eine Ersparniss für Anlage- und
BetriebsKosten.
Bei der gedrungenen Form ist
der Raumbedarf äusserst gering.
Die Raumskizze in Abbildg. 2
giebt die Maasse für eine Anlage
mit3P.S.-Benzindynamomaschine
an, welche im Stande ist, von der
Batterie aus etwa 55 gleichzeitig
brennende Glühlampen 3 Stun-
den lang, oder eine kleinere An-
zahl entsprechend länger, mit
Strom zu versorgen. Für die Wasserkühlung wird ent-
weder ein Anschluss an eine vorhandene Wasserleitung
vorgesehen oder ein Wasserumlauf mit einem etwa 750*
fassenden Kühlwasserbehälter eingerichtet.
Die Dynamomaschine arbeitet stets nur auf die Batterie,
und diese erst wieder auf das Leitungsnetz; ein Parallelbe-
trieb von Batterie und Dynamo ist nicht vorgesehen, weil bei
einem derartig kleinen Benzinmotor die Anordnung einer
genauen ökonomischen Regulirung für die Konstanthaltung
der Umlaufzahl bei wechselnder Belastung nicht zuver-
lässig genug arbeiten, und ein Parallelbetrieb ausserdem
die Bedienung und Betriebssicherheit bei der in der Re-
gel ungeschulten Bedienung beeinträchtigen würde.
Die Bedienung beschränkt sich allein auf das Nach-
sehen der Schmierungen und des Kollektors vor dem An-
lassen, welches von der Batterie aus mit Hilfe eines mit
der Schautafel verbundenen Anlasshebels bewirkt wird.
633
Während des Maschinen-Betriebes ist eine Bedienung nicht
nöthig, da alle Regulirungen von Hand vermieden sind.
Die Konstanthaltung der Batteriespannung während der
Stromlieferung für die Beleuchtung wird durch gelegent-
lichesNachsteilen eines dreistufigenEntladeschalters besorgt.
Die Feuergefährlichkeit ist ebenso wie bei jedem ande-
ren Explosionsmotor ausgeschlossen. Das Aufstellen des
Benzinmotors ist in bewohnten Gebäuden zulässig; doch
müssen grössereBenzinvorräthe in einem besonderen Raum
ausserhalb des Gebäudes untergebracht werden. Nach der
Abbildg. 2 ist in dem Raum tür das Benzin-Vorrathsfass
Mittheilungen ;aus "^Vereinen.
Arch.- u. Ing.-Verein zu Hamburg. Vers, am 31. Okt.
1902. Vors. Hr. Classen, anwes. 92 Personen.
Aufgen. als Mitgl. dieHrn.: Obering. Richard Peter-
sen, Ing. Luigi Vianello und Dipl.-Ing. Richard Hansa.
Der Abend wurde ausgefüllt durch einen Vortrag des
Hrn. C. Merckel über die Versenkung von Siel-
dükern für das Stammsiel Kuhmühle-Hafenthor
in Hamburg. Nachdem Redner kurz die allgemeine Sach-
lage betreffend die seit längerer Zeit in Ausführung be-
griffenen neuen Stammsiele in Hamburg erörtert hat, schil-
dert er an Hand eines reichen Materials von Zeichnungen
und Photographien die Schwierigkeiten, welche dem Bau
des obengenannten Stammsieles dadurch erwachsen, dass
dasselbe in seinem Laufe vor der Einmündung in die
Elbe drei grössere Wasserbecken zu kreuzen hat, und
zwar den Oberhafen beim Deichthor, den Brookthorhafen
beim Brookthor und den Zollhafen bei der Niederbaum-
brücke. An diesen 3 Stellen mussten Düker vorgesehen
werden, die als Zwillingsdüker zur Verlegung kommen.
Die Versenkung dieser mächtigen eisernen Rohre von 2^
Durchmesser und 150—200“ Länge in die dafür in der
Sohle der Hafenbecken ausgebaggerte Rinne, die Her-
stellung der Anschlüsse an die Ufer, die Konstruktion
der Versenkgeruste und Hebezeuge, bei deren Anordnung
auf die Aufrechthaltung des Schiffsverkehres Rücksicht
zu nehmen war, bilden einen eigenartigen schwierigen
Bauvorgang, dessen Beschreibung von der Versammlung
mit dem lebhaftesten Interesse verfolgt wird. Von einem
Eingehen auf die Einzelheiten wird hier abgesehen, da
Redner sich eine ausführlichere Veröffentlichung seines
Vortrages Vorbehalten hat. — Mo.
! Verein für Elsenbahnkunde ln Berlin. In der unter
Vorsitz des Hrn. Ministerialdir. Schroeder am ii. Nov.
abgehaltenen Sitzung hielt Hr. Dr. Franke vom Hause
Siemens & Halske einen mit grossem Beifall aufgenomme-
nen Vortrag über drahtlose Telegraphie. Der Vortragende,
der- auch Vorstands-Mitglied der Gesellschaft für drahtlose
Telegraphie (SystemProf. Braun und Siemens & Halske)
ist, j gab an der Hand einer Reihe von experimentellen Vor-
führungen ein anschauliches Bild der wissenschaftlichen
Grundlagen und der bisherigen Entwicklungs- Geschichte
dieses neuen Zweiges der Elektrotechnik. An den im
Saale ausgespannten Drähten erläuterte er die Ausbreitung
der elektrischen Wellen und die Bedeutung des von Prof.
Brami' in :Strassburg erfundenen geschlossenen Schwin-
gungslcreises zur Erzeugung solcher Wellen, welcher für
die drahtlose Telegraphie von grösster Bedeutung gewor-
den ist 'und von allen Systemen verwendet wird. Er legte
ferner die; Wirkungsweise der von Prof. Slaby erfundenen
Multiplikatorspule, sowie die Transformationen elektrischer
Wellen dar und liess sich an der Hand von Schaltungs-
mustern über die Unterschiede der verschiedenen Systeme
aus. Unter den Lichtbildern, die eine Reihe der von der
Braun-Siemens-Gesellschaft ausgeführten Anlagen veran-
schaulichten, erregten besonderes Interesse die für die
kgl. Luftschiffer - Abtheilung gelieferten fahrbaren Tele-
graphen-Stationen, mit denen während der letzten Kaiser-
Manöver ausserordentlich günstige Ergebnisse erzielt sein
sollen. Hr. Dr. Franke hält den Werth des Wettstreites
um die grösste erreichbare Entfernung in der Ueber-
tragung von Nachrichten mittels der drahtlosen Telegraphie
für gering, da praktischen Nutzen nur solche Einrichtungen
bringen, welche nicht nur einmal bei einem Rekordver-
suche, sondern immer und dauernd in voller Betriebs-
sicherheit wirksam sind; letzteres müsste immer in die
erste Linie gestellt werden, während die Entfernung erst
in der zweiten Linie inbetracht kommt. Bezüglich der
Abstimmung äusserte sich der Redner dahin, dass die
Möglichkeit einer solchen innerhalb gewisser Grenzen
ausser Zweifel stände und bei den Versuchen auch be-
reits erreicht worden sei, dass indessen verbürgte Nach-
richten über die praktische Verwendung einer Mehrfach-
Telegraphie nach diesem Prinzip bisher von keiner Seite
vorliegen,
634
gleichzeitig auch das mit dem Motor durch eine schwache
Rohrleitung verbundene Benzingefäss für den Tages-
gebrauch untergebracht. Letzteres wird von dem Vor-
rathsfass aus mittels Handpumpe aufgefüllt.
Die Betriebskosten stellen sich für Benzin und Schmier-
verbrauch mit Einschluss der Verluste in der Batterie auf
etwa 3,3 Pf. für die Hektowattstunde oder auf etwai,i Pf.
für die 16 kerzige Glühlampe. Die Bedienung ist hierbei
nicht in Anrechnung gebracht, da dieselbe täglich nur
wenige Minuten in Anspruch nimmt und in der Regel von
den Hausbediensteten mitbesorgt werden kann. —
Sodann machte Hr. Reg.-Bmstr. Schaar eine ausführ-
liche Mittheilung über den Entwurf einer Nord-Süd-
bahn für das östliche Berlin nach dem Schwebe-
bahn-System. Bezüglich der allgemeinen Ausführungen
sei auf die Mittheilungen in No. 89 verwiesen.
Redner führt weiter aus, dass bei der Streitfrage, ob,
„Untergrundbahn" oder „Schwebebahn", bestechend
für das grossePublikumderGedankesei, Untergrundbahnen,
etwa nach dem Pariser Muster zu bauen; dem stände aber
das wirthschaftliche Bedenken entgegen, dass die ausser-
ordentlich hohen Anlagekosten den Untergrundbau für
Berlin nur in den seltensten Fällen rechtfertige, nämlich
da, wo ein ausnahmsweise, starker Verkehr die Renta-
bilität gewährleiste. Es läge aber umso weniger die Noth-
wendigkeit vor, nur Untergrundbahnen zu bauen, als sich
die Schwebebahn sehr wohl so konstruiren Hesse, dass
sie allen berechtigten Anforderungen an gefällige ästhe-
tische Wirkung gerecht werde. Man sollte aber auch
nicht vergessen, dass ' eine Schwebebahn für Berlin nur
1^/2 Mill. M. für I is“ kosten würde, während die Unter-
grundbahn mit mindestens 5 Mill. M. für i veranschlagt
sei. Für dasselbe Geld, das der Untergrundbau erfordert,
könnte man demnach ein dreimal so grosses Netz an.
Schwebebahnen schaffen und damit nicht nur einigen be-
vorzugten Stadttheilen, sondern der Gesammtbevölkerung
der Grosstadt dienen. —
Vermischtes.
Bedrohte Städtebilder. Zu dem Aufsatz mit diesem Titel
in unserer Nummer vom ii. Okt. d. J. erhalten wir von
Hrn. Dr. Emil Ekhoff von der kgl. Akademie der schönen'
Wissenschaften, der Geschichte und der Alterthumskunde
in Stockholm die folgenden Ausführungen inbetreff der
alten Wehrmauer der Stadt Wisby auf der Insel Gotland:
„Jede Gefahr, dass die Wisby-Mauer durch eine Unter-
minirung auf die in den Mittheilungen angedeutete Weise
dem Einsturz drohe, ist vollkommen ausgeschlossen, und
die betreffende Angabe nur einer mangelhaften Beachtung
des Thatbestandes oder etwa einer allzu regen Phantasie
zuzuschreiben. Selbstverständlich muss dieses ehrwürdige,
über 600 Jahre alte Bauwerk theilweise tiefe Spuren der
Einwirkung der Zeit aufweisen. Diese Schäden bestehen
aber nicht in Unterminirung, sondern allgemein gesagt, in
der Verwitterung der obersten Schichten der Mauer, sc(-
wie auch anderer hervorragender Theile, wodurch das
Mauerwerk grössere und kleinere Risse bekommen hat.
Obwohl diese Schäden keinen so schnellen Untergang,
wie eine Unterminirung in Aussicht stellen, werden sie
dennoch, wenn keine Anstalten dagegen getroffen wer-
den, mit eben derselben Sicherheit, wenn auch langsamer,
den schliessHchen Untergang des Bauwerkes herbeiführen.
Es ist demnach auf eine Abhilfe dieser Schäden durch
die erwähnten Erhaltungs-Arbeiten abgesehen.
Hinsichtlich der in den .Mittheilungen besonders er-
wähnten Mauerstrecke, die, beiläufig gesagt, sich im Westen
befindet, nicht im Norden, verhält sich' die Sache so, dass
man vor längerer Zeit, hauptsächlich wegen der Anlage
eines öffentlichen Gartens, innerhalb des grössten Theiles
der westlichen Mauer, d. h. der Seemauer, bedeutende
Aufschüttungen von Erde gemacht hatte, so dass der
Boden hier an der Innenseite der Mauer bedeutend höher
ist als ausserhalb derselben, wodurch selbstverständlich
ein Erddruck entstanden ist. Diesen ungünstigen Ver-
hältnissen zum Trotz hat doch die Mauer auf den grössten
Theil ihrer Länge auf eine ausserordentliche Weise ihre
senkrechte Stellung beibehalten. Auf einer sehr kurzen
Strecke hat jedoch der Erddruck die Entstehung einer
recht starken Neigung nach aussen herbeigeführt. Die
Mauer ist aber hier von sehr geringer Höhe und es hat
keine drohende Gefahr eines Einsturzes bisher Vorge-
legen. Nichtsdestoweniger wurde im vergangenen Sep-
tember sicherheitshalber gegen die schiefe Stelle ein
Strebepfeiler von Kalkstein errichtet, in welchem, um
seine Tragfähigkeit zu vermehren, Eisenbahnschienen in
Zement eingesetzt waren. Die erwähnten eisernen Stützen
No. 99.
sind mithin nicht provisorisch, sondern im Ge^entheil auf
die Dauer berechnet,' natürlich in den Strebepfeiler ein-
gebaut und nicht sichtbar. -Die bis jetzt ausgeführten Ar-
beiten haben eine Summe von ungefähr 20000 M. betragen,
die noch rückständigen sind auf etwa i.sooo M. berechnet.
Ich dächte, die stammverwandten Freunde jener Bau-
werke, vielleicht der bedeutendsten im Norden, könnten
an diesen Mittheilungen einiges Interesse finden." —
Fussbodenhelzung im kgl. Nationalmuseum in München.
Von dem Gedanken ausgehend, „dass in richtig geheizten
Räumen die Sammlungen sich besser erhalten als in un-
geheizten, da die Aendernng der Temperatur sowie die
Feuchtigkeit in viel engeren Grenzen erhalten werden",
hat man die Sammlungsräume des kgl. National-Museums
in München durchweg geheizt und zwar die Räume mit
Holzfussboden mit Niederdruck-Dampfheizung, die Räume
mit Steinpflaster aber in der Form der römischen Fuss-
bodenheizung. Diese Art der Heizung hatte der Architekt
des Gebäudes, Prof. Gabriel von Seidl in München, mit
Erfolg bereits in einem Sammlungssaale der Riedinger’-
schen Fabrik in Augsburg zur Anwendung gebracht. Die
Anordnung dieser Heiznngsart zeigen die beistehenden
Skizzen, die wir dem kürzlich erschienenen Prachtwerk:
„Der Neubau des bayerischen National Museums in Mün-
chen" (F. Bruckmann, A.-G.) entnommen haben. Die An-
ordnung besteht darin, dass sich die Heizrohren unter dem
Bodenbelag im Sande oder in offenen Kanälen in Ab-
ständen von 0,55 m rostartig hinziehen und so den Boden-
belag gleich einem Thonofen erwärmen und ihn zur Heiz-
quelle machen. In dieser Art sind drei Räume, die Em-
pfangshalle, der romanische Saal und die Waffenhalle er-
wärmt. „Diese Heizung hat sich“, wie in dem genannten
Werke ausgeführt wird, „trefflich bewährt; sie bietet
eine angenehme, staubfreie Wärme, die nicht nach der
Decke fliegt." Ohne Zweifel sind die Kosten für diese
Heizart nicht unerheblich höhere, als für die bisher ge-
bräuchlichen Arten; gleichwohl wird man bei Räumen,
in welchen kostbare Sammlungen untergebracht sind,
ihrer grossen Vorzüge wegen unbedenklich. zu^ihrer An-
wendung schreiten. —
Ueber Staukurven-Berechnung. In der bezgl.'Mittheilung
in No. 80 der Dtschn. Bztg. S. 514 ist angenommen, dass
ein Wasserlauf in einen See münde, dessen Spiegel so
weit iii den Wasserlauf zurückstaut, dass im ganzen Ge-
biete der Betrachtung das Profil konstant ist. Auch sei die
■■Querschnittsfläche des Wassers eine lineare Funktion der
Tiefe. Das Problem der Stauweite wird durch die einfache
Voraussetzung erledigt, dass der Stau über dem Punkte
seinen Anfang nehme, an welchem der Seespiegel die
JO. Dezember 1902.
Sohle des Wasserlaufes anschneidet. Diese Voraussetzung
ist natürlich ganz willkürlich und durch nichts begründet.
In der folgenden rechnerischen Behandlung der Sache
soll man sich unter denjenigen Theil der Geschwindigkeit
vorstellen, welcher sich aufgrund des Umstandes, dass ein
Widerstand angetroffen wird, in Stau umsetzt. Aber dieVor-
aussetzungen für die rechnerische Aufstellung sind falsch.
Es ist kein Wunder, wenn man mit diesen Voraus-
setzungen zu einem Knick im Wasserspiegel kommt.
Dieser Knick kehrt die Spitze nach oben, sobald •zv^ '>gh-
Für den Fallü^ = ^Ä wird der Wasserspiegel in A nach
aufwärts wagrecht und nach abwärts bekommt er das
Gefälle y. Die durch die Gleichung y = darge-
stellte Parabel hat eine wagrechte Tangente im Abstande
T> u • 9 ctg <p
Xq von B, wobei xq •
Wird nun v^>gh, so fällt diese wagrechte Tangente
in die Strecke HA und der Wasserspiegel steigt von dort
an bis A hin. Für v^'>zgh wird sogar der Wasserspiegel
in A höher, als in B. Diese Verhältnisse von v und h
sind praktisch nicht etwa unmöglich. Beispielsweise kann
für Ä, = 2™ und ctg = 200, wie am a. 0. angenommen
ist, die Geschwindigkeit v noch recht wohl 5 “/Sek. wer-
den. Die Stauweite würde sich gleich bleiben wie dort
(400“); aber schon bei 314“ von B aus hat der Wasser-
spiegel seinen Tiefpunkt erreicht und steigt in den fol-
genden 86“.
Es dürfte damit erwiesen sein, dass die a. a. 0. ab-
geleiteten Formeln nicht nur auf unhaltbaren Voraus?
Setzungen aufgebaut, sondern auch unrichtig sind. Wenn
man bedenkt, wie schwierig es ist, für einen sonst nicht
beobachteten Wasserlauf das grösste Hochwasser festzijT
stellen, und mit welch’ geringem Grade von Genauigkeit
man sich dabei gewöhnlich begnügen muss, so kann man
wohl sagen: im angenommenen Fall wäre ein Anlass zu
irgend einer Rechnung überhaupt nicht gegeben. —
Augsburg. ; K. Li.’
Eggert-Decke, Zu den Ausführungen in’ No. 95 S. 6ii
theilt uns das Betonbaugeschäft H. Schacht & Co. in
Hannover mit, dass die nach diesem System dort im Rath-
hausneubau hergestellten Decken von genannter Firma
selbst ausgeführt sind, nicht von Dyckerhoff & Wid-
mann in Biebrich a. Rh., welche ihrerseits die .Probe-
decke in Düsseldorf vorgeführt hatten. —
Zur Versendung der „Deutschen Bauzeitung“. Aus dem
Abnehmerkreise der „Deutschen Bauzeitung" gehen uns
zahlreiche Beschwerden über Beschädigungen zu, mit
welchen die Kreuzbandsendungen der Zeitung in die
Hände der Abonnenten gelangen. So sehr wir die Be-
rechtigung dieser Beschwerden anerkennen, müssen, so
sind wir doch leider ausser Stande, auf eine Verhinderung
derselben hinzuwirken, wenn der Bezugsweg der Kreuz-
bandsendung der Versendung durch das Postzeitungsarnt
vorgezogen wird. Es ist bei der üblichen Art der Be-
förderung der postalischen Kreuzbandsendungen, im Brief-
beutel nicht zu vermeiden, dass die Zeitung in, etwas zer-
knittertem Zustande den Abnehmern überreicht wird. Auch
pflegen die Briefträger bisweilen um die sortirten Post-
sendungen Bindfaden zu schnüren, was häufig ein Ein-
reissen der grösseren Formate der Postsendungen zurfolge
hat. Alle diese Uebelstände können umgangen werden
durch Bestellung der „Deutschen Bauzeitung"
nach der Postzeitungsliste unmittelbar bei dem
zuständigen Postamte des Wohnortes des Em-
pfängers. Die Zeitung wird dann im Zeitungsballen be-
fördert, leidet hierdurch weniger, kommt zur gleichen
Zeit an und es tritt für den Empfänger noch eine kleine
Ersparniss durch den Fortfall des Betrages für die Post-
anweisung ein. Um eine Unterbrechung in der ZuSendun,g
zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Bestellung
spätestens 14 Tage vor Schluss des Kalender-
Vierteljahres zu veranlassen. —
Preisbewerbungen.
Einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
ein neues Kunstbaus in Zürich erlässt die Züricher Kunst-
gesellschaft für schweizerische oder in der Schweiz nieder-
gelassene auswärtige Architekten zum i. Mai 1903. Zur
Vertheilung von nichtweniger als3Preisen stehen 85ooFrcs.
zur Verfügung; der erste Preis soll mindestens 2500 Frcs.
betragen. Dem Preisgerichte gehören als Architekten an
die Hrn. Prof. Theod. Fischer in Stuttgart, Karl Moser
in Karlsruhe, H. Pestalozzi in Zürich und Prof. Friedr.
von Thiersch in München. Es besteht die Absicht,
dem Verfasser des an erster Stelle ausgezeich-
neten Entwurfes die Ausführung zu Übertragen. —
635
Einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
einen Stadtpark ln Plauen 1. V. erlässt der dortige Stadt-
rath zum 28. Febr. 1903. Es gelangen 3 Preise von 700,
500 und 300 M. zur Verth eilung; ein Ankauf nicht preis-
gekrönter Entwürfe für je 100 M. ist Vorbehalten. Im
Preisgericht befindet sich neben einer Reihe von Garten-
künstlern als Techniker Hr, Stadtbrth. Fleck in Plauen.
Unterlagen gegen 2 M. durch die Stadtbauverwaltung; der
Betrag wird „an die Verfasser der nicht preisgekrönten
oder angekauften Entwürfe zurückgezahlt“. —
Wettbewerb Skatbrunnen Altenburg. Unter 37 Ent-
würfen erhielten 3 gleich hohe Preise, die der Hrn. Bildh.
E. Pfeifer in München, Bildh. O. Pech in München und
Bildh. O.Rassau & Arch. F. R. Voretzsch in Dresden. —
Bücherschau.
Bas „Adressbuch der Zementfabriken Deutschlands
nebst ihren Fabrikmarken“, 180 S., 8*^, Pr. in Leinenband
3 M., ist soeben ira Verlag der Thonindustrie-Zeitung, Ber-
lin N.W. 5, erschienen. Es enthält ein vollständiges Ver-
zeichniss der deutschen Zementfabriken. Hieran schliessen
sich alphabetische Verzeichnisse der aufgeführten Firmen,
Besitzer und Direktoren der Orte, in welchen sich Zement-
fabriken bezw. deren Büreaus befinden und ein alpha-
betisches Bezugsquellen-Verzeichniss, Als Anhang folgt
eine Darstellung der Zementprüfung mit Beschreibung und
Abbildung der zu diesem Zwecke erforderlichen Apparate
und Geräthe. Diese Zusammenstellung ist von besonderem
Werthe, da in ihr der Versuch gemacht ist, alle in der
Fachlitteratur bekannt gewordenen Geräthe und Apparate
einheitlich zusaramenzustellen. ~
Axchitektonische Rundschau. Monatlich i Heft. Verlag von
J. Engelhorn in Stuttgart. Preis des Jahrganges 20 M.
Seit einem Jahre erscheint diese bewährte Monats-
schrift in neuer Gestalt und erweitertem Inhalte und hat
sich hierdurch eine Reihe neuer Freund erworben. Nun-
mehr gehen auch die bisher im Verlage von Friedr.
Wolfrum & Co. in Wien erschienenen „Architektonischen
Monatshefte“ nach Abschluss des VIII. Jahrganges der-
selben in die „Architektonische Rundschau“ auf. Üm einen
Uebergang zu schaffen, werden die „Architektonischen
Monatshefte" zwar noch für Jahrgang. IX. diesen Titel
führen, sie werden jedoch zum grössten; Theile mit dem
Inhalt der „Architektonischen Rundschau“ erscheinen. —
Bei der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten:
Ehrhardt, W. Zeitgemässe Gasthäuser. Frankfurt a. M.
Reinhold Mahlau. Pr. 30 Pf.
Festschrift des Rheinischen Vereins zur Förderung des Ar-
beiter-Wohnungswesens aus Anlass des internat. Wohnungs-
Kongresses in Düsseldorf 1902. Pr. 1,50 M.
V. Grove, O., Dr.-Ing., Prof. Konstruktionslehre der ein-
fachen Maschinentheile, mit Atlas. Bd. I. Leipzig
1902. S. Hirzel. Pr. 10 M.
Dr. Grimshaw, Robert, Ing. Leitfaden für das isometri-
sche Skizziren, mit besonderem Bezug auf die isometri-
schen Skizzenblöcke,- mit 145 Text-Abbildungen. Hannover
- 1902. Gebr. Jänecke. Pr. i M.
Gros, Jacq., Architekt. Skizzen für Wohn- und Land-
häuser, Villen usw., hauptsächlich Holzarchitekturen.
II. Serie, Lfrg. 5, 6 und 7 (vollst. in 10 Lfrgn.). , Ravensburg
1902. Otto Maier. Pr. der Lfrg. 2 M.
Haase, F. H., Ingenieur. Der Ofenbau. Einrichtung und Aus-
führung der ZimraerÖfen, der Kaloriferen, der Küchenöfen und
der Badeöfen. I. Abth.: Die Kachelöfen. Berlin 1902. Zeit-
schrift für Lüftung und Heizung. Pr. 3 M.
Hauck, Karl, k. k. Gewerbe-Inspektor. Schutz der Staub-
ar b ei t e r. Wien 1902. Zeitschr. f. Gew.-Hygiene. Pr. 1,50 M.
Hundt, Robert, kgl. Berginspektor. Bergarbeiter-Woh-
nungen im Ruhrgebiet. Berlin 1902. Jul. Springer. Pr. 5 M.
Issel, Hans, kgl. Baugewerk-Schullehrer. Illustrirtes Hand-
lexikon der gebräuchlichen Baustoffe. Liefrg.
2, 3 u. 4. Leipzig 1902. Theod. Thomas. Pr. der Lfrg. i M.
— Hans , Architekt. Architektonische Hochbau-
Musterhefte. XI. Sammlung, i. Theil: Moderne Ein-
familienhäuser und Villen. 16 Tafeln mit Text. Leipzig 1902.
Carl Scholtze. Pr. 3,50 M.
Hübner’s Geographisch-statistische Tabellen aller
Länder der Erde. Herausgegeben von Hofrath, Prof. Fr.
von Juraschek. Frankfurt a. M. 1902. Heinrich Keller.
Kalender für Heizungs-, Lüftungs- und Bade-Tech-
niker. Herausgegeben von Ob.-Ing. J. H. Klinger. 8. Jahrg.
Halle a. S. 1903. Carl Marbold. Pr. 3 M., in Leder geb. 4 M.
Kalender für Maschinen-Ingenieure. Herausgegeben
von Ziv.-Ing. W. H. Uhland, in 2 Theilen. 29. Jahrg. 1903.
Stuttgart. Arnold Bergsträsser. Pr. 3 M.
Kalender für Strassen - & Wasserbau- und Kultur-
Ingenieure. Neubearbeitet von Reg.- u. Brth. R. Scheck.
30. Jahrg. 1903. Wiesbaden. J. F. Bergmann. Pr. 4 M.
P. Stühlen’s Ingenieur -Kalender für Maschinen- und
Hüttentechniker. Herausgegeben von Ziv.-Ing. C. Franzen
und Ing. K. Mathee, in 2 Theilen. 38. Jahrg. 1903. Essen.
G. D. Baedeker. Pr. 2,80 M., Lederband 3,50 M., als Brief-
tasche 4,50 M.
(536
Kürschner’s Jahrbuch. Herausgegeben von Herrn. Hillger.
Jahrgang 1903. Berlin. H. Hillger. Pr. i M.
König, Friedr., Ing. Die Pumpen. Eine Darstellung ihrer
Konstruktion und Wirkungsweise, für Ingenieure, Techniker,
Maschinenfabrikanten, Brunnenbauer und Landwirthe, mit 196
Illustrationen. Berlin 1902. Herrn. Costenoble. Pr. 10 M.
Konow, W., Ing. Fiernelsen af Stov og usund Luft
fra Fabriks-, Vaerksteds- og Arbeidslokaler,
Kopenhagen 1902. Vilhelm Priors Hof-Boghandel.
Personal-Nachrichten.
Deutsches Reich. Der Eisenb.-Betr.-Dir. Bennegger in
Strassburg i. E. ist gestorben.'
Bayern. Der Reg -Rath Lehn er bei der Eisenb.-Betr.-Dir.
Ingolstadt ist s. Ans. entspr. in den Ruhestand getreten.
Preussen. Dem Eisenb.-Dir. Glanz in Braunschweig ist der
kgl. Kronen-Orden IV. Kl. verliehen.
Die Erlaubniss zur Annahme und zum Tragen der ihnen ver-
liehenen fremdländ. Orden ist ertheilt und zw.: dem Ob.- und Geh.
Brth. Goepel in Berlin des Kommandeurkreuzes des Ordens der
Italien. Krone; den Reg.- u. Brthn. Schellenberg in Erfurt und
Matthes in Magdeburg des Offizierkreuzes des kgl. italien. St.
Mauritius- und Lazarus-Ordens; den Eisenb.-Dir. Martiny in
Meiningen und Meyer in Magdeburg 2 des Offizierkreuzes des
Ordens der italien. Krone.
Dem Eisenb.-Bauinsp. Brosius in Saarbrücken ist die Stelle
des Vorst, einer Werkst. -Insp. bei der Eisenb.-Hauptwerkst das.
verliehen.
Der Reg.-Bmstr. H u s h a m in Düsseldorf ist z. Eisenb.-Bau-
insp. ernannt.
Die Reg.-Bfhr. Herrn. Bock aus Brake, Ernst Neumann
aus Erxleben und Karl Bökemann aus St. Petersburg (Wasser-
u. Strassenbfch.), — Paul Krause aus Strassburg 1. E. (Hoch-
bfch.), — Christ. Ewig aus Hildesheim, Arth. Blau aus Berlin
und Erwin Sonne aus Harburg (Eisenbfch.), — Ernst Student
aus Albrechtshof und Kurt Stolzenburg aus Simötzel (Masch.-
Bfch.) sind zu Reg.-Bmstrn. ernannt.
Sachsen. Der Prof. Schumacher an der Techn. Hoch-
schule in Dresden ist zum ord. Prot, ernannt.
Briel- und Fragekasten.
Architekt R. in R. Eiserne Rohre sind gegen saure Wasser
nicht haltbar. Da nun die Druckhöhe, welche die Rohre auszu-
halten haben, nicht voll 6m beträgt, so können Sie mit glasirten
Thon rohren von besonderer Güte, wie sie z. B. von
der Deutschen Thonröhren- und Chamottefabrik in Münsterberg und
von der Deutschen Steinzeugröhren-Fabrik Fried-
richsfelde in Baden geliefert werden, noch recht gut auskommen.
Die Rohre beider Fabriken sind gegen Säure beständig, ebenso die
Muffendichtungen mit Asphaltkitt. Rohre und Dichtungen sind auch
dem Druck von 0,6 Atmosphären mehr als gewachsen. Sie können
sich darüberin Büsing: „Die Städtereinigung", S.393U.670. genau
unterrichten. Ummantelung mit Monierrohr verspricht keinen Nutzen,
ist auch unnöthig. An der tiefsten Stelle der Leitung kann eine Eirt-
richtung zum Entfernen von Ablagerungen nicht entbehrt werden. —
Architekt Fr. in Stassfurt. Die ausschreibende Stelle ist nicht
verpflichtet, Gründe für die Ablehnung Ihres Gesuches anzugeben, -r-
Hrn. J. B. in Nürnberg. Wenden Sie sich an die Kolonial-
Abtheilung des Auswärtigen Amtes in Berlin, Wilhelmstr. 75 u. 76.- —
Anfragen an den Leserkreis.
1. Sind hohe Monumentalbauten auf aufgeschüttetem Boden in
früheren Festungsgräben, woselbst der gute Baugrund nur mit ganz
ungeheuren Kosten zu erreichen ist, schon ausgeführt worden, ohne
dass man auf den guten Baugrund mit Pfeilern usw. herüjiter ging?
Welcher Art war hier die Gründung? Die fragliche Aufschüttung
ist etwa 5 Jahre alt. A. M. in Berlin.
2. Wie hat sich der feuerfeste Mörtel „Proklidin" bewahrt^
und welches ist seine Bezugsquelle? — Giebt es. für gereinigte
bezw. abgebeizte Trittstufen einer stark begangenen Eichenholz-
Treppe einen dauerhaften Anstrich, der die Naturfarbe des Holzes
erhält? H. Br. in D.
3. Ist einem unsererLesertlünnekes Verfahren zur Herstellung
künstlicher Bausteine, sowie etwas über Verarbeitung und Bewäh-
rung dieses Materials bekannt? H. in St.
Fr age b e an t w o.'rt un g au^s dem Le s e r kr ei;s e.
Zur Anfrage 2 in No. 80 betr. Geläute der Sacre-Coeur-
KircheinParis; Nähere Auskunft dürfte beiA. Guenee et Cie., soci6t6
de constructions electriques et mecaniques Paris-Belleville, Rue des
Bois 14 et 16, zu erhalten sein. Diese Gesellschaft hat ein Patent
auf Elektromagnete (Solenoide) mit konstanter Kraft (electro-aimants
ä efforts constants Systeme Guenee et Cie.). Die Elektromagnete
stellen an und für sich einen äusserst einfachen, gegen alle stören-
den Einflüsse unempfindlichen Bewegungs- Apparat dar, besitzen
aber wieder gewisse Nachtheile. Diese letzteren nun hat die Ge-
sellschaft durch eine besondere Anordnung des Kernes des Solenoids
theilweise behoben. Die Elektromagnete von Guenee lassen als
Bewegungs-Vorrichtungen alle möglichen Anwendungen zu (z. B.
die französische Westbahn verwendet sie zum Umstellen von
Weichen und Signalen) und dürften auch bei dem mir im übrigen
unbekannteu Geläute der Sacre-Coeur-Klrche verwendet sein. —
Heinrich Salier, k. Direkt-Ass. in Kempten.
Inhalt: Stromerzeugung für elektrische Hausbeleuchtung. — Mitthei-
lungen aus Vereinen. — Vermischtes. — Preisbewerbungen. — Bücberschau.
— Personal-Nachrichten. — Brief- und Fragekasten.
Verlag der Deutschen Banzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwort!. Albert Hoimann, Berlin. Druck von Wilb. Greve, Berlin.
No. 99.
Zur Frage des Um- oder Neubaues der Augustus-Brücke in Dresden.
jeit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt die
Frage des Umbaues der alten Augustus-
Brücke in Dresden nicht nur die dortige
Stadtverwaltung, sondern auch weitere
- Kreise, welche sich der Befürchtung nicht
entschlagen können, dass eine Umgestaltung oder gar
ein vollständiger Neubau des ehrwürdigen Bauwerkes,
das mit seiner wuchtigen Erscheinung sich so glück-
lich seiner Umgebung anpasst, einen Misston in die
Harmonie des unvergleichlich schönen, charakteristi-
schen Städtebildes bringen könnte.
Dass das jetzige Bauwerk den Ansprüchen des
Strassenverkehres nicht mehr in ausreichendem Maasse
entspricht, dass seine engen Durchfahrtsöffnungen und
unverhältnissmässig massigen Pfeiler die Schiffahrt in
unzulässigem Maasse behindern und durch Aufstau
bei Hochwasser die oberhalb gelegenen tieferen Stadt-
theile und Geländeflächen schädigen, dass demzufolge
eine Veränderung des jetzigen Zustandes eine Noth-
wendigkeit geworden ist und dass bei einer solchen
Umgestaltung den Anforderungen des modernen Ver-
kehres Konzessionen gemacht werden müssen, ist eine
Ein Prachtwerk über das Bayerische National-
Museum in München. (Hierzu eine Bildbeiiage u. die Abb. S. 641.^
or kurzem ist über das neue Bayerische National-
Museum in München eine gross angelegte Ver-
öffenllichung erschienen, welche zu den vornehm-
sten Erscheinungen der modernen Buchkunst gehört.*) Es
ist ein Prachtwerk mit 82 Tafeln herrlichster Lichtdrucke
und Lithographien, und mit 88 Seiten reich illustrirten
Textes; die trefflichen photographischen Aufnahmen stam-
men von Ilrn. Arch Otto Aufleger, die Lichtdrucke aus
der Kunstanstalt F. Bruckmann, der Buchdruck und die
Klischees von Alphons Bruckmann und die Lithographien
von Hubert Köhler, sämmtlich in München. Der Her-
ausgeber des Werke.5, Prof. Gabriel von Seidl, hatte
ursprünglich die Absicht, seine Gedanken über den Neu-
bau in seiner persönlichen Sprache auszusprechen, ein
Vorhaben, von welchem wir eine höchst interessante Dar-
stellung über die Kunstweise des seltenen Münchener
Meisters hätten erwarten können. Indessen, dringende
Berufsgeschäfte haben diese Ab-^icht zunächst verzögert
und dann ganz vereitelt, sodass Seidl gezwungen war, die
Hilfe des Hrn. Reicbsarchivsekretärs Dr. Jvo Striedijnger
in München in Anspruch zu nehmen.
Das Bayerische National- Museum ist eine Schöpfung
Maximilians II-, „meinem Volk zu Ehr' und Vorbild“. Nach
dem Willen des Gründers sollte es neben einer reichen
Sammlung von Aiterihümern alles dem bayerischen
Volke Eigenthümliche umfassen und alles sammeln, was
*1 Der Neuban des Ttayerlsrhen Nation al - Mu s ea m s in
München. Herans?ese'^en mit (>enehruienn|r des kgl, Siaatsministeriiims
des (nneren, fDr Kirchen- und bchulangelepenheiteo. MOnenen, Verlags-
austalt F. Bruckmano A.-G. 1903. Preis 70 M.
zur Charakterisirung der vergangenen Jahrhunderte, des
geistigen und materiellen Volkslebens, der herrschenden
Zeitrichtungen, insbesondere in Bezug auf Kunst und
Gewerbe dient, 1855 wurde es unter Aretins Leitung in
den Räumen der Herzog Max-Burg eröffnet. Hier blieb
es nicht lange, denn die Sammlungen wuchsen so schnell
an. dass am 12. Okt. 1867 ein neues Haus an der Maxi-
miliansstrasse eröffnet werden musste, welches indessen
trotz seines Umfanges für die nun von Hefner-Alteneck ge-
leiteten Sammlungen gleichfalls bald wieder zu klein wurde.
Zu den mehr und mehr sich wiederholenden Klagen über
Raummangel traten Bedenken wegen der Feuergefährlich-
keit und baulicher Mängel des Hauses, sodass die baye-
rische Kammer sich der Nothwendigkeit eines Neubaues
fernerhin nicht mehr verschliessen konnte. Eine Summe
von 1 100000 M. fand Aufnahme in das Finanzgesetz des
Jahres 1892 und zwei weitere Summen von 2500000 M.
und 1000000 M. wurden von den Landtagen 189394
1895/96 bewilligt. Als Bauplatz war zunächst der nörd-
liche Theil eines im Staatsbesitz befindlichen Geländes
in derPrinzregenten-Strasse bestimmt, ein unregelmässiges,
von der Bogenhauser-, der Himbsel- und der Alexander-
strasse begrenztes Viereck, welches indessen namentlich
mit Rücksicht auf eine spätere Erweiterungsfähigkeit des
Hauses für zu klein befunden und bis zur Lerchenfeld-
strasse, d h. bis zum Englischen Garten vergrössert wurde.
Zur Erlangung geeigneter Entwürfe wurde ein engerer
Wettbewerb unter den Architekten Prof. Georg v. Hau ber-
risser, Prof. Romeis und Prof. Gabriel Seidl veran-
staltet, oder vielmehr, es wurden diese Herren „veranlasst,
ihre Ideen konkurrirend zum Ausdruck zu bringen", wie
der Bericht sagt. Im September 1893 wurden die fertigen
Entwürfe zur Vorlage gebracht. — (Schluss foljt.)
637
Thatsache, welche Niemand, der die örtlichen Verhält-
nisse einigermaassen kennt, wird ableugnen können.
Um so nachdrücklicher wird man aber auch anderer-
seits die Forderung stellen dürfen, dass man bei dieser
Umgestaltung der äusseren Erscheinung des Bau
Werkes die weitgehendste Rücksicht zutheil werden
lässt, dass man pietätvoll erhält, was zu retten ist,
dass man, falls sich ein vollständiger Neubau als noth-
wendig erweist, diesen in eine Form kleidet, welche
der Bedeutung der historischen Stätte entspricht und
sich in die Umgebung würdig einfügt.
Nach einer Mittheilung des „Dresdner Anzeigers“
vom 4. Dez. d. J., die man nach der Stellung dieses
Blattes zur Stadtverwaltung im wesentlichen wohl aiszu-
treffend ansehen darf, hat zwischen dem Finanz-Mini-
sterium und dem Rathe bereits eine Einigung über einen
zur Ausführung bestimmten Plan eines Neubaues der
Brücke stattgefunden, der nur noch der Genehmigung
der Stadtverordneten -Versammlung bedarf. Dieser
vom städtischen Tiefbauamte aufgestellte Entwurf
sieht einen vollständigen Neubau an der alten Stelle
vor, da die vorhandene Brücke in allen Theilen
baufällig und auf längere Zeit nicht mehr zu erhalten
sei. Da mari als selbstverständlich voraussetzen darf,
dass dieses Urtheil auf eingehenden Untersuchungen
des alten Bauwerkes beruht, so wird man sich hier
mit also wohl abfinden müssen.
Nach der genannten Quelle soll die neue Brücke
zwischen den festgesetzten Normaluferlinien statt der
vorhandenen I40effnungen mit i3mächtigenZwischen-
pfeilern nur 10 Oeffnungen mit 9 schlanken Pfeilern
erhalten. Der Mittelöffnung soll eine Weite von 401«
gegeben werden, daran schliessen sich beiderseits zwei
Oeffnungen von je 36 an und die übrigen Wölbungen
gehen in entsprechender Abstufung bis auf 18 “ in
der lichten Weite herab. Der Schiffahrtsweg, der
jetzt für die Thal- und Bergfahrt getrennt durch die
beiden 17,2 bezw. 21 weiten Oeffnungen neben dem
3. Pfeiler, vom Altstädter Ufer gerechnet, hindurch ging,
würde dann nach der Mitte verlegt werden. Da die
alten Wölbungen eine sehr erhebliche Konstruktions-
höhe besitzen, wird der neue Brückenscheitel trotz
der vergrösserten Spannweiten nur rd. 0,90"^ höher
liegen, als der bisherige, dabei aber gleichzeitig um 20*"
seitwärts nach der Neustadt hinüberrücken.
Sehr erheblich würden die Ver^derungen sein,
welche infolge Vorschiebung der Ufer entstehen. Auf
der Neustädter Seite würde der Brückenanfang 45“
gegen den Strom vorgezogen, auf der Altstädter Seite
um 8“. Dort rückt aber das Ufer noch um weitere
24“ vor, sodass eine Verlängerung des Terrassen-
Ufers in 17 “Breite unter der Brücke hinweg bis vor
das Hötel Bellevue nach dem Theaterplatze hinauf ge-
führt werden kann mit einer Rampe von i : 40 Steh
gung. Dieser Uferstrasse würde das bekannte Helbig’-
sche Restaurant (italienisches Dörfchen) zum Opfer
fallen, für welches jedoch ein Ersatz hinter der Ufer-
strasse geschaffen werden soll. Auch die Altstädter
Hauptwache, die jetzt dem Zwinger vorgelagert ist,
soll nach dorthin verlegt werden. Ausserdem sind
weitere Umgestaltungen der Uferanschlüsse geplant.
Die Breite der Brücke, die jetzt nur etwas über
II “ zwischen den Geländern beträgt, wird gleich
derjenigen der Albertbrücke auf 18“ erhöht werden
(Carolabrücke 16“, Marienbrücke 17“). Den An-
sprüchen des Strassen- und Schiffahrtsverkehres, also
den Anforderungen der Zweckmässigkeit, würde durch
dieses neue Bauwerk wohl in vollem Maasse genügt
werden.
Was die architektonische Ausgestaltung betrifft,
so sagt darüber unsere Quelle, es habe das Tiefbau-
arat „nach Möglichkeit sein Streben darauf gerichtet,
dass dem Neubau thunlichst Charakter und Ansehen
der alten Brücke erhalten bleiben“. Zu dem Zwecke
ist für die neue Brücke selbstverständlich wieder Werk-
stein als Baumaterial vorgesehen; sie soll sich ferner
in den PfeUerformen, soweit möglich, dem Vorhan-
denen anpassen, die Gewölbe werden Korbbogenform
erhalten, die Bürgersteige, wie bisher stark vor den
Stirnen vorgekragt und mit einfachen, massigen Kon-
solen gestützt werden. Es soll ferner der aus den 5
grösseren Wölbungen bestehende Mitteltheil der Brücke
durch kräftigere Endpfeiler mit kleinen Aufbauten be-
sonders hervorgehoben werden.
Wie weit man mit diesen Mitteln dem erstrebten
Ziele nahe kommen kann, lässt sich ohne Kenntniss der
Entwürfe nicht beurtheilen. Das Ziel wird aber unseres
Erachtens nur erreicht werden können, wenn man dem
Architekten nicht nur bei der Formengebung im Einzel-
nen, sondern auch bei der Gesammtplanung einen weit-
Das künstlerische Ergebniss des Darmstädter
,, Dokumentes“. Von Albert Hofmann.
('Schluss.) Hierzu die Abbildungen auf Seite 640 und 643.
Her die Bedeutung der Darmstädler Künstler- Kolonie
als einer Erscheinung der künstlerischen Kultur unse-
rer Tage in ihrer Gesaramlheit würdigen will, darf
sie nicht von dem ihr vorangegangenen Jahrzehnt willkür-
lich abtrennen und sie als eine isolirte Erscheinung be-
trachten, sondern muss sie, wie alles, was unter uns wird,
in ihrem Zusammenhang mit dem Leben und Weben der
Zeit würdigen. Und wiederum ist sie auch, wie jedes
Kunstwerk, nicht zu lösen von den Individuen, von wel-
chen die treibenden Kräfte bei den Gestaltungen kamen.
Schon das Jahrzehnt, in welches das zu Ende gehende
Jahrhundert in Frankreich ausklang, in dem westlichen
Nachbarlande, welches in der geistigen Bewegung unserer
Zeit der deutschen Kultur stets um zwei Lustren voraus
war, reifte einen ausgesprochenen Gegensatz der neuen
Anschauungen gegen den Naturalismus, wie er von der
Litteratur aus durch Balzac, Zola, Tolstoi, Ibsen und andere
auch auf das Kunstleben übertragen wurde. Es vollzog
sich auch hier der alte ewige Kreislauf. Von Jean Jacques
Rousseau bis zu Leo Tolstoi hat in angemessenen Zwischen-
räumen immer wieder eine Rückkehr zur allein selig
machenden Natur, zur natürlichen Lebensweise und Lebens-
auffassung stattgefunden. Und immer wieder hat man
sich auch in der Kunst gefragt, was deren oberstes Gesetz
sei, und hat gefunden, dass es darin bestehen müsse, den
Menschen die Wahrheit zu geben, ihnen ohne Ornament
zu sagen, was man denke und fühle. In der That, immer
wieder, wenn die Kunst anfing, sich mit einer mystischen
Atmosphäre zu umgeben, sich in überfeine Unterscheidun-
gen zu verlieren, aus dem natürlichen Zustande in den
pathologischen überzugehen, immer wieder setzte dann
kraftvoll die Naturfaust ein, um den bösen Geist auszu-
treiben. Immer wieder fand sich die angeblich verfälschte
638
Kultur in einer unbegrenzlichen Sehnsucht zur unver-
fälschten Natur. Und wenn nun der unverfälschte Natur-
zustand wieder eine Weile bestanden hatte und in das
ausgeartet war, was man Armeleutekunst, Elendsmalerei,
rohe Konstruktion und Pessimismus nannte, dann hob
der Kreislauf von Neuem an und es entstand, wie in den
neunziger Jahren, ein Neuidealismus mit gesteigerter Sen-
sitivität, mit Ringen nach einem Ausdruck des Ueber-
sinnlichen, mit einem Hang zum Mystischen. Zahlreich
sind die Erörterungen z. B. über „les idöes morales du
temps prösent“ (1891 durch Eduar(i Rod), und es fehlt
nicht an Klagen über die Tugend der Bewunderung und
der Anerkennung, welche zu verschwinden drohe und
einem grauen Pessimismus und Skeptizismus Platz mache.
Um die Mitte des genannten Jahrzehntes findet Brunetiere,
der Leiter der „Revue des deux mondes“ den Muth, gegen
Marcel Prövost die Behauptung aufzustellen, „le roman
de demain sera sans doute idealiste“. Damit ist die Bahn
des „Neu idealismus" zunächst in der Litteratur, in der
Dichtkunst, welche die beweglichste der Künste ist, weil
sie am unmittelbarsten am Leben und an der Seele hängt,
betreten. Von hier aus geht sie auf die bildende Kunst
über und schafft hier jenen merkwürdigen Zustand einer
Seelengemeinschaft zwischen zwei technisch verschiedenen
Kunstgebieten, welche man früher nicht oder doch nicht in
diesem Umfang kannte, welche aber ein Hauptmerkmal der
modernen Kunstbewegung überhaupt ist. Die häufig geübte
Trennung und Zertheilung der Kunst in eine Kunst der Dich-
tung, eine Kunst der Malerei, eine Kunst der Bildnerei, eine
Kunst der Musik und in eine Kunst der Architektur, welche
seit Gotthold Ephraim Lessing üblich war, die dadurch
bedingte Umgrenzung der Kunstzweige, ihre Einschach-
telung in Systeme und vor allem ihre Loslösung vom Leben,
ihre Vertrocknung in einen starren Zustand der Abstraktion,
alles das hat der moderne Neu-Idealismus zu beseitigen
und an die Stelle der früheren Reflexion, der theoretischen
(Fortsetzung auf S. 64a.)
No. 100.
Abbildg. I.
Querschnitt.
Abbildg. 3. Ansicht eines Theiles der Brücke.
gehenden Einfluss gewährt, wenn man von vornherein
darauf verzichtet, einen Ingenieurbau nach der Rich-
tung des kleinsten Materialverbrauches zu schaffen.
An den überschlanken Pfeilern unserer modernen Stein-
brücken, an den auf ein Mindestmaass beschränkten
Konstruktionshöhen im Scheitel scheitert nur zu oft
die Kunst des Architekten. Die übermässige Strom-
breite, die ja nach dem Plane eine erhebliche Ein-
schränkung erfahren soll, die beträcht-
liche Längen-Entwicklung der Brücke
gestatten gerade hier nach den beiden
genannten Richtungen wohl eine freiere
Entwicklung, als das sonst der Fall zu
sein pflegt.
Ist nun das Schicksal der Augustus-
Brücke bereits entschieden? Bei aller
Werthschätzung der Tüchtigkeit der
Fachgenossen des Dresdener Tiefbau-
amtes möchten wir hoffen, dass das
nicht der Fall ist, dass die bisherigen
Entwürfe nur als Unterlagen, nur als
Vorentwürfe betrachtet werden möchten,
dass man sich entschliessen könnte, zur
Gewinnung der endgiltigen Pläne an
die gesammte deutsche Fachgenossen-
schaft zu appelliren. Vielleicht auf
keinem anderen Gebiete hat sich die
Veranstaltung öffentlicher Wettbewerbe
in den letzten Jahrzehnten so frucht-
bringend gezeigt, wie gerade auf dem
Gebiete des Brückenbaues; selten wird
einem solchen Wettbewerbe eine so
dankbare und zugleich künstlerisch
schwierige Aufgabe gestellt werden
können, wie gerade hier bei der
Augustus-Brücke, einem Bauwerk, das
so eng mit der Geschichte und der
Entwicklung Dresdens verknüpft ist.
Es liegt uns eine Broschüre vor:
„Die Geschichte der Dresdner
Augustus-Brücke"*), der Abdruck
eines vor kurzem in der Aula der
Technischen Hochschule zu Dresden
von dem dortigen Professor Max Förster
gehaltenen Vortrages, welche uns in
Wort und Bild die wechselreichen
Geschicke des interessanten Bauwerkes, die ver-
schiedenen Entwicklungsphasen desselben bis zu
seiner heutigen Gestalt, die nun nach Jahrhunderte
langem Bestehen vielleicht wiederum verschwinden soll,
in anschaulicher Weise vorführt.
*) Die Geschichte der Dresdner Augustus-Brücke von Prof.
Max Förster, mit 16 Abbildungen im Text und einer Tafel. Dresden
190a. Akademische Buchhandlung A. Dressei.
13. Dezember 190a.
639
Schon in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts ist
hier eine feste Holzbrücke errichtet worden, die. im
nächsten Jahrhundert in Jahrzehnte langer, mehrfach
unterbrochener Bauzeit in eine solche mit hölzernem
Ueberbau auf Steinpfeilern umgestaltet wurde. Im
13 Jahrh. wird dann ein besonderes „Brückenamt“
geschallen, das in eigenthümlicher wirthschafilicher
Gemeinschaft mit der Verwaltung des Besitzes der
Kreuzkirche steht, aus welchem ihm, z. Th. infolge
besonderer päpstlicher Ablassbriefe, zeitweilig reiche
Mittel zur Erhaltung der Brücke als eines Theiles der
den. Bis in das dritte Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts
hat diese Brücke so im wesentlichen unverändert
bestanden. Dann folgten mancherlei Veränderungen
aus fortifikatorischen Gründen, grössere Reparaturen,
Herstellung von später wieder beseitigten Aufbauten
usw.; der Kern der mittelalterlichen Anlage bestand
aber noch, als August der Starke die jetzt seinen
Namen tragende Brücke in den Jahren 1727 — 1731
mit einem Kostenaufwande von 57000 Thalern, die
er selbst zu diesem Zwecke hergab, durch den Ober-
Landbmstr. Pöppelmann, den Schöpfer des Zwin-
Wallfahrtstrasse zu genannter Kirche zutiiessen. Zeit-
weilig vom Landesherrn beeinflusst, später in seiner
Leitung ganz der Stadt zufallend, bestand dieses
Brückenamt als selbständige Behörde bis zur Ein-
führung der Städteordnung.
Mehrfach durch Hochiluthen beschädigt, erfährt
die Brücke nach dem in dieser Hinsicht besonders
schweren Jahre 1343 einen durchgreifenden Umbau,
indem zwischen den alten Pfeilern, soweit diese nicht
einer Erneuerung bedurften, Gewölbe cingespannt Wür-
gers, iierstellen Hess. Das alte Bauwerk wurde dabei
zwar benutzt, aber wesentlich umgestaltet namentlich
durch Höherlegung der Brückenbahn, Vorkragung be-
sonderer Bürgersteige auf kräftigen Konsolen, Hoch-
führung derPfeilervorköpfe bis zur Brückenbahn, sodass
breite Flächen zur Aufstellung von Ruhebänken auf den-
selben gewonnen wurden, durch Entfernung aller auf der
Brücke stehenden Baulichkeiten, schliesslich durch Ein-
wölbung der bisher aus Vertheidigungs-Rücksichten
eingeschalteten beweglichen Oeffnungen usw. Die
640
No. 100.
Brücke besass bei 402*" Länge 17 Gewölbe, deren
normale Spannung etwa 16,2™ beträgt, während die
Pfeiler 8,2 “^Stärke besitzen, also reichlich der halben
Spannweite der Gewölbe entsprechen. Bei nur 8,21 “
Breite zwischen den Stirnen war durch -Auskragung
der Bürgersteige eine Breite von 11,04“ zwischen den
Geländern erreicht.
Hochfluth und Eisgang machten mehrfache Er-
gänzungen dieser zurzeit ihrer Erbauung als eine her-
vorragende Leistung betrachteten Brücke nöthig. Eine
besonders schwere Schädigung brachte ihr aber die
nebst einem Theile ihres Zwischenpfeilers mussten
neu hergestellt werden. Seitdem hat das Bauwerk
den Angriffen der Hochfluthen und des Eisganges
getrotzt.
In den Abbildungen i — 3, die wir der Broschüre
entnehmen, ist der Querschnitt der Brücke, ausserdem
ein Längsschnitt und ein Theil der Ansicht derselben
wiedergegeben. Abbildg. 4 aus derselben Quelle zeigt
die einfache, aber durch ihre Wucht so wirkungsvolle
Architektur, die mächtigen Pfeiler, die fast V: der
ganzen Länge zwischen den Ufern in Anspruch neh-
Saal mit Bildwerken aus der Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern.
Aus: „Der Neubau des Bayerischen Natlonal-Museums in München“. (Verlagsanstalt F. Bruckmann, a.-G^ Moncheo.)
Kriegsnoth, als 1813 die Franzosen den 4. Pfeiler vom
Neustädter Ufer aus sprengten. Erst 1815 wurde der
Pfeiler nebst den beiden zum Einsturz gebrachten
Gewölben vollständig wieder hergestellt. Inzwischen
behalf man sich mit hölzernen Provisorien. Am
schlimmsten spielte das Hochwasser am 31. März 1845
der Brücke mit. Zwischen Ober- und Unterwasser
an der Brücke bildete sich ein Höhenunterschied von
0,85®. Die Kraft des Staues führte zu Senkungen
und zum Einsturz eines Pfeilerkopfes, zwei Gewölbe
13. Dezember 1902.
men, während unser Kopfbild die ganze Brücke im
Stadtbilde zeigt.
Dass der jetzige Zustand den Verkehrs-Ansprüchen
nicht genügen kann, lassen diese Abbildungen allein
schon erkennen. Das giebt auch der Verfasser am
Schlüsse seiner interessanten Broschüre i-ückhaltlos
zu. Seinem Wunsche, „wenigstens einen Theil
der alten Brücke als baugeschichtliches Denk-
mal der Nachwelt zu erhalten“, steht nach den
früheren Ausführungen vielleicht der allgemeine bau-
641
HcHe Zustand der Brücke entgegen. Gern stimmen wir
aber dem Schlussworte des Verfassers zu, welches wir
nachstehend zum Abdruck bringen und von dem wir
wünschen, dass es nicht ungehört verhallen möge.
„Einen Neubau anstelle der alten Brücke aufzu-
führen, welcher allen Anforderungen des Land- und
Wasserverkehres gerecht wird, die Stromregulirungs-
interessen sowie die statischen Erfordernisse befrie
digt, ist nicht allzuschwer; ein Bauwerk aber anstelle
des alten erstehen zu lassen, das in seinem Aeusseren
dessen vielhundertjährige Geschichte zu verkörpern
versteht, das sich harmonisch einfügt in das herrliche
Stadtbild iDresdens, das ist eine schwere, aber auch
dankbare Aufgabe, an der mitzuarbeiten die ersten
Kräfte deutscher Baukunst, Ingenieure und Architekten,
berufen sind. Sie heranzuziehen zu fruchtbringender
Arbeit, wird die vornehmste Pflicht der Männer sein,
denen dereinst die Aufgabe zufällt, einen Neubau zu
verwirklichen. Weit hinaus über die Grenzen unserer
Residenzstadt und über die weissgrünen Grenzpfäble
des Sachsenlandes gebt das Interesse an diesem Bau-
w'erk, und nicht ungehört wird der Aufruf zu einem
allgemeinen deutschen Wettbewerbe verhallen, wenn
es gilt, der altehrwürdigen Augustusbrücke eine eben-
bürtige Nachfolgerin zu geben.
Mag alsdann ein Neubau sich erheben, der aus
bestem und dauerhaftestem sächsischen Steine fest
gefügt, geziert mit ragendem Wartthurm, geschmückt
mit an seine Geschichte mahnendem Bildwerk, den
Ruhm der alten Brücke hinüberzutragen vermöge in
kommende Jahrhunderte“. —
Die Stadtgemeinde beabsichtigt dem Vernehmen
nach, die Pläne für die Umgestaltung des Ufers am
Schlossplätze nebst den daselbst zu errichtenden Bau-
ten auf dem Wege des Wettbewerbes zu gewinnen.
Sie dehne diese Absicht auf die Gesammtanlage
einschliesslich der Brücke aus und sie wird sich da-
durch den Dank weitester Kreise erwerben! Fr. E.
Vermischtes.
Der Untergang der Zecca fMünzgebäude) in Venedig
war bei dem weitverbreiteten Pessimismus, welcher sich
nach dem Einsturz des Kampaniie der Kunstwelt be-
mächtigte,: neben dem Untergang zahlreicher anderer Ge-
bäude des alten Venedig vorhergesagc worden. DieserPessi-
mismus aber ist durchaus ungerechtfertigt und doppelt
ungerechtf^ertigt, der Zecca gegenüber. Diese erfährt zur-
zeit unter der Leitung des Architekten Boni wohl bau-
liche Umgestaltungen, aber nicht, weil der Einsturz droht,
sondern weil der Münzpalast die Biblioteca Marciana auf-
nebmen soll, die bisher im Dogenpalast untergebracht war,
aber bei der Ueberlasmng desselben anderweitig aufge-
stellt werden muss. Um das Gewicht der mehr als 500000
Bände zu tragen, .bedarf es bei dem immerhin alten Ge-
bäude besonderer konstruktiver Maassnahmen, die nun-
mehr durchgeführt werden und zu welchen der Staat eine
Summe von, 175000 Frcs., und die Stadt Venedig gleich-
falls eine hohe Summe beigesteuert hat. Das sind Nach-
richten, welche, wohl geeignet sind, eine gewisse Beruhi-
gung eintreten zu lassen. —
Ehrenbezeugungen an Techniker. Hr. Geh. Reg.-Rath
Prof. A. Riedler an der Technischen Hochschule zu
Berlin wurde von der deutschen Technischen Hochschule
zu Prag zum Ehrendoktor der technischen Wissen-
schaften^ ernannt Prag besitzt nicht nur die älteste
deutsche Universität, sonderii auch die älteste technische
Hochschule, die schon im 18. Jahrhundert als Ingenieur- und
Kriegsschule gegründet wurde und ursprünglich den vor-
herigen Besuch derUniversität zurVoraussetzung machte. —
Preisbewerbungen.
In einem Wettbewerb des Arch.- und Ing.-Verelns ln
München betr. Entwürfe für ein Progymnasium ln Forch-
heim liefen 37 Arbeiten ein. Es erhielten den I. Preis
Hr. Fr. Walter in Fürth; den II, Preis Hr. Otto Schnarz
in München; den Ilf. Preis Hr. Otto Schachner in Mün-
cheö. ,'Zum Ankauf empfohlen wurde der Entwurf des
Hrn. Otto Schulz in München. Durch eine lobende Er-
wähnung ausgezeichnet wurden die Entwürfe der Hrn. C.
Jäger, J. X. Knöpfle, Langenberger & Ring, Gebr.
Rank, sämmtiieh in München, des Hrn. R. Senf in Lindau
und der Entwurf mit dem Kennzeichen „A. D. 1902.“ —
In dem Wettbewerb betr. Entwürfe zu einem Bismarck-
brunnen für Breslau errang der gemeinschaftliche Entwurf
der Hrn. Bildhauer Ernst Seger in Charlottenburg und
Architekt Bernhard Sehring daselbst den I. Preis von
3000 M. und voraussichtlich auch die Ausführung. —
Brief- und Fragekasten.
Hrn. L. V. in Mannheim. Mit dem i. Jan. igoo sind nicht
ohne Weiteres Forderungen der Handwerker aus älterer Zeit ver-
jährt. Vielmehr ist zu unterscheiden, ob die aus älterer Zeit her-
stammenden Forderungen bis zu dem Ablaufe der Verjährungsfrist
Scheidung, der „wissenschaftlichen“ Behandlung der Kunst
das rein Menschliche zu setzen versucht, welches freilich
in vielen jugendlichen Herzen zu einem bisweilen zu höch-
ster Extase gesteigerten Glücksgefühl, zum Eudämonismus,
wurde. Dieser Eudämonismus, dasEroporheben des Lebens
des Alltages zu einem der idealen Schönheit geweihten
Leben der Feierstunde, das ist das hervorstechendste Merk-
mal der Veranstaltung von Darmstadt. Sie war in dieser
Beziehung, so sehr der Becher auch überschäumte, ein be-
redter und begeisterter Protest gegen den Philister in der
Kunst; sie war ein mitreissender Hymnus auf jene Einheit
im Kunstjeben, welche das Haus Tizians erfüllte und
welche Albrecht Dürer so sehr nach der Sonne des Südens
lechzen libss. Dass die ideale Begeisterung, welche die
jugendlichen Gemüther zu ihren Thaten antrieb, zur Ueber-
schwänglichkeit und vereinzelt auch zum Zerrbilde wurde,
wer will es Künstlern verdenken, welche das zweite Jahr-
zehnt kaum überschritten und das dritte noch ni^it vollen-
det oder 4och noch nicht lange vollendet hatten'? Künst-
lern, welchen die Gunst des Hofes leuchtete und welche
in dieser erwärmenden und fördernden Sonne und in
dem wonnigen Gefühle arbeiten durften, von allen e.in-;
engenden Bedingungen des realen Lebens befreit zu sein?
Hans Christiansen wurde im Jahre 1866 zu Flensburg in
Schleswig- Holstein geboren; in Paris fand er die reiche
Quelle für seine berauschende Kunst. Zwei Jahre später,
1868, erblickte Peter Behrens in Hamburg das Licht
der Welt; in München reift er jener merkwürdigen
Vertiefung entgegen, die bei ihm in Mystizismus umzu-
schiagen drohte! 1871 folgt auf märkischem Sande, in
Perleberg, Rudolf Bosselt, 1873 in Darmstadt Ludwig
Habich. Das. Jahr 1878 gebiert die beiden Benjamine
der Darmstädter Gruppe, am 19. März den verstorbenen
Patriz Huber in Stuttgart und am 3, September Paul
Wilhelm Bürck in Strassburg. Und auch der architek-
tonische Leiter der Kolonie, Jos. M. Olbrich, hat die
Dreissig kaum erheblich überschritten. Kann es da
642
Wunder nehmen, wenn bei so viel Jugend der Becher
überlief , wenn das Gelübde an die Göttin Schönheit
übermenschlich wurde, wenn die Phantasie in Sphären
sich verlor, welche den Künstler zugleich mit Untergang
bedrohten? Die wächsernen Flügel der jugendlichen
Begeisterung haben Viele schon zu dem sehnenden
Ikarusfluge in das romantische Land idealer Kunstübung
getragen und manch einer ist mit zerschmetterten Glied-
maassen auf dem festen Boden der Wirklichkeit wieder
angelangt. Auch die -kleine Künstlerschaar in Darmstadt
hat bereits ihre Opfer gefunden. Möchte man aber des-
halb wünschen,, dass der romantische Flug überhaupt
unterblieben sei?
Mit der Romantik in der Kunst ist es eine so eigene
Sache- Die Romantik , von heute ist nicht mehr die Ro-
mantik von ehedem, in welcher der Künstler einem Sänger
gleicli seine Strasse durch, das Land zog, die Feder am
Hut, den Degen zur Seite, ant blauen Bande die Laute
um die Schulter geschlungen, das Gold der Lieder hinaus-
schmetternd über die Berge, durch die Thäler. Diese
Romantik, die Romantik des Selbstvertrauens und der Ein-
samkeit, die Romantik der Postkutsche und des Mond-
scheins, diese ist vorbei, leider, leider! Denn so sehr
auch vielleicht der Philister und der nüchterne Rechen-
meister über sie lächeln mögen, der Kunst in allen ihren
Zweigen brachte sie einen grossen Gewinn. Sie be-
reicherte sie mit Herz und Gemüth, sie gab ihr eine
menschliche Seele, eine natürliche Empfindung. Die
Kunst wurde unter ihrer Herrschaft mehr zum schönen
Lebensinhalte wie heute, der Künstler war harmonischer,
anspruchsloser und lebensfroher. Die Noth des Tages
stürmte noch nicht so hartnäckig auf ihn ein, wie jetzt;
er fand noch Zeit, sein Wirklichkeitsleben und sein Kunst-
leben in grösseren Einklang zu bringen. Und als sich in
Darmstadt eine Künstlerschaar zusammengefunden hatte,
welcher durch fürstliche Gunst die Noth des Lebens
(B'ortsetzung auf S. 644.)
No. 100.
de# Uteren Rechtes wenigstens noch s Jahre oder nur noch eine
kürzere Zeit zu laufen halten. Ersterenfalls verjährten sie mit dem
31. Dez. 1901, letzterenfalls bei Eintritt des früheren Verjährungs-
Ablaufes. Würde also nach dem badischen Landrechte (code civil)
eine Forderung am 15. Juli 1901 verjährt sein, so trat diese Ver-
jährung unter der Herrschaft des neuen Rechtes gleichfalls am
15. Jiili 1901 ein. Der Gläubiger hatte also kein Recht erworben,
mit Geltendmachung des Anspruches über den 15. Juli 1901 hinaus
zu warten. Fiel jedoch der Fristenablauf nach badischem Rechte
z. B. auf den 15. Juli 190s, so endete gleichwohl die Verjährung
am r. Jan. 1902, weil die Forderung vor dem 31. Dez. 1899 bestand
und innerhalb 2 Jahren geltend gemacht werden musste. Uebrigens
ist die angeregte Frage für Sie nebensächlich, da das heutige Recht
besucht und dort eine Schlussprflfung bestanden haben. Es ist
auch nicht zu erwarten, dass es zu einem solchen Urtheile kommen
wird. Ein solches könnte nur von einem Strafsenat gefällt wer-
den, da nicht recht ersichtlich ist, wie ein Zivilsenat in die Lage
versetzt sein könnte, sich mit dieser Frage zu befassen. Weit
leichter könnte sie der Rechtsprechung des Ober-Verwaltungs-
genchtes dadurch unterbreitet werden, dass jemanden durch orts-
pohzeiliche Verfügungen die Führung dieser Bezeichnung untersagt
wird und der Betroffene Klage auf Krafiloserklärung dieser Ver-
fügung erhebt. Indess enthalten die Sammlungen dieses Gerichts-
hofes gleichfalls noch keine Entscheidung der beregteu Streitfrage-
Ist Ihnen jedoch die Bezeichnung Baugewerksmeister so werth-
voll und wollen Sie Weiterungen vermeiden, so können Sie .sich
Zimmer der Tochter im Hause Glückert. Architekt; Patriz Huber f.
Aus: Alexander Koch, „Die Ausstellung der Darmstädter Künstler-Kolonie“.
bereits länger als 3 Jahre gilt, die zweijährige Verjährungsfrist s
mit für alle aus der Vorzeit des B. G.-B. entstandenen Forderung
abgelaufen ist. Sollten Ihre Leistungen jedoch dem Empfänger f
dessen Gewerbebetrieb gewährt sein, so würde die zweijähri:
Verjährung des B. G.-B. § 196 nicht zutreffen, sondern die reg«
massige 30jährige Verjährungsfrist noch jetzt gelten, die dann jedo«
Dicht vom I. Jan. 1900, sondern von dem Tage ab zu laufen begini
an welchem der Anspruch fällig war. K.. H e
Hm. Arcb. N. R. in Glogau. In den amtlichen Sammlung«
der Entscheidungen des Reichsgerichtes ist kein Urtheil zu finde
welches Personen das Recht zur Führung des Titels „öffentlich
Baugewerksmeister' zuspneht, nachdem sie eine ßaugewerkschu
13. Dezember 190a.
ja einer Prüfung vor der von der Handwerkerkammer eingesetzten
Prüfungskommission unterziehen. — K, H-e.
Inhalt: Z-tr Frage des Um- «jder Neubaues der Augustus-KrQeke tn
Dresden. — Ein Prachtwerk über das Bayerische National-Museum in
München. — Das kOnstlcrische Ergebniss des Darmslädter -Dokumentes".
(Schluss.) — Vermischtes. — Preisbewerbupgen. - Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Aus dem Bayerischen National-
Museum in München"
Verlag der Deutschen Banzeitung,
verantwortL Albert Hof mann, B
G. m. b. H., Berlin- Fflr die Redaktion
erlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
643
genommen und die Grundlage für ein sorgenloses Schaffen
gegeben war, darf man die Künstler da schelten, wenn
die Sorglosigkeit die Phantasie beflügelte, wenn die Sonne
fürstlicher Huld in den jungen Herzen ein Hochgefühl
künstlerischer Thatkraft auslöste? Nicht auf alle, aber
auf die meisten dieser Künstlergruppe lässt sich das
Schülersche Wort anwenden:
„Und in eigner Fülle schwellend,
Und aus Herzens Tiefe quellend,
Spottet er der Regeln Zwang!“
Vor mir liegt eine dichterische Eingebung mit der
stolzen Aufschrift: ,, Wiedergeburt“. Sie ist der Künstler-
kolonie gewidmet. Ihr Verfasser fühlt sich, das geht aus
seinen Worten hervor, eins mit dem Goethe’schen Harfner,
„dem die Musen den Psalter wohlgestimmt gereicht.“
Was er singt, ist ein glühender Hymnus auf die Kolonie.
Als der Dichter da lag, zu sterben, rührte eine Hand an
seiner Schulter. „Und da ich mich umwandte zu schauen,
stand ein Jüngling zu meinen Häupten von gewaltigem
Wuchs. Mild glänzte sein Antlitz und Flügel trug er an-
geheftet, die waren wie Saphir des Abendhimmels, mit
flammenden Rändern gleich der Gluth der sinkenden
Sonne.“ Der Jüngling trug ihn durch die Lüfte; er wurde
nicht gewahr, wohin er getragen wurde. „Nun ich aber
erwachte, siehe, da lag ich auf den Stufen einer Treppe.
Und nun ich mich umschaute, siehe, da standen Woh-
nungen in der Runde, menschliche Wohnungen, in
Maassen und über die Maassen .... Und es ist viel
Schmuck an ihnen und Zierrath, und sind doch keine
Wohnungen für Götter; und es sind Stätten in ihnen und
Stellen, wo der Mensch kniee und anbete, und sind doch
keine Wohnungen für Götter. Und ich ward gewahr,
dass ich auf dem Hügel lag, auf der Treppe, die war er-
richtet vor einem HeUigthume. Und in dem Heiligthume
wohnte die Schönheit. Auf dass sie ihre Stätte habe
zwischen den Wohnungen der Menschen Und
am Eingang des Heiligthums stand der Jüngling von
gewaltigem Wuchs hoch oben auf der obersten Stufe der
Treppe. Ausgebreitet schwankten die saphirnen Flügel
mit den flammenden Rändern ; eine Posaune wuchs
ihm am Munde, er hielt sie mit der nervigen Rechten.
Und es jauchzte die Stimme in meinem Herzen: „Kommet
herbei, die ihr mühselig und beladen seid; zu den Woh-
nungen, zu dem Heiligthume der Schönheit . . , Denn: . .
jetzt ist die Stunde, da der Tag erfüllet ward“.
Wer diese und ähnliche Hymnen als den Ausfluss einer
pathologisch gesteigerten Fieberthätigkeit auf sich ein-
wirken lässt, begreift wohl, dass man in der Künstler-
Kolonie den „Grundgedanken einer Werbung um das
praktische Wohlgefallen der Allgemeinheit“ vermisste; be-
greift ferner wohl, dass man den Hinweis nicht gelten
lassen wollte, die Kolonie sei eine Wohnstätte für Künst-
ler und nicht für Alltagsmenschen; begreift endlich wohl,
dass man „im Sinne der neuen Kunst“ die Forderung
stellte, ein Raum müsse sowohl für die Bequemlichkeit
der Giiedmaassen wie darüber hinaus für das Auge die
Stimmung des behaglichen, des „wohlbekömmlich freund-
lichen“ Aufenthaltes erzeugen, und dies im Sinne seines
besonderen Zweckes inbezug auf die Lebensweise der
Bewohner. „Die meisten Menschen sind keine Künstler,
also können sie Wohnungen nicht brauchen,, die auf die
Künsilergewöhnung zugeschnitten sind. Man ging aber
noch weiter und machte aus dem Begriff „Künstler“ et-
was auf eme Partei, auf eine Sekte der Künstlerschaft
Zugeschnittenes und gestaltete die Ausstellung zum Pro-
gramm einer weit über das einfachere Ziel einer Stil-Er-
neuerung hinausgehenden kunsfphilosophischen Lebens-
weise, man predigte eine neue Kunstreligion. Die be-
sondere Empfindung besonders gestimmter Persönlich-
keiten, die selbst in der bildenden Kunst nur einen be-
dingten Anspruch auf Anerkennung hat, wollte man einer
Nutzkunst für die Allgemeinheit aufzwingen Die noch
lange nicht ganz entschiedene Streitfrage des Verhältnisses
des Künstlers zum Kunstgeniessenden und hier noch be-
sonders zum Kunstgebrauchenden entschied man ganz ein-
seitig aus dem Gesichtspunkte des Künstlers und Hess sich
dabei von Leuten aufstacheln, die mit der Kunst nur Spott
treiben oder sie als Mittel ihrer persönlichen Aufdringlichkeit
betrachten.“ Es kann nicht überraschen, dass überschwäng-
liche Verhimmelungen, wie wir sie oben anführten, auf
der anderen Seite eine kritische Gegnerschaft heraufführen
mussten, die auch ihrerseits wieder die Grenze objektiver
Gerechtigkeit etwas zu überschreiten droht.
Betrachtet man aber das, was in Darmstadt geschehen
ist, von einem freieren Standpunkte, so erscheint die Darm-
städter That in einem anderen Lichte. Fast Alle dieser
kleinen Küntlerschaar sind abseits Gehende, die sich in
stillem Schaffen um ihre Sclbstentwicklung gemüht haben,
644
die ihren eigenen Weg verfolgt haben und noch verfolgen
und diesen Weg in der Auffindung einer vornehmen Schön-
heit suchen. Sie kommen zu dieser Schönheit — die sie
nach ihrer Meinung gefunden haben — weniger durch die
ernste Geschlossenheit einer gereiften Weltanschauung;
dazu fehlt ihnen die vielseitige Lebenserfahrung, dazu
stecken sie noch zu sehr in der Jugend mit ihrem gött-
lichen leichten Sinn und mit ihrem lustigen Hinüber-
schwingen über die Unebenheiten des Lebens. Bei ihnen
„ist das Wohlbehagen erblich,
Die Wange heitert wie der Mund;
Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich,
Sie sind zufrieden und gesund“.
Sie kommen zu ihr, indem sie sich ihrer noch schma-
len Lebenssphäre mit der breiten Behaglichkeit des un-
bekümmerten Jugendidealismus ergeben. Es hat nicht an
Versuchen gefehlt, sie deshalb zusammenzuwerfen mit den
Gruppen müder Dekadenten, die in den dunstigen At-
mosphären der Kaffehäuser den Besuch ihrer histerischen
Muse erwarten, mit den „Trägern unserer modernen künst-
lerischen Kultur“, über die ein Dichter einmal in die Worte
ausbricht:
„Ach, was giebts in deutschen Landen
Weiche Kerle, schlaffe Träumer,
Die nicht wissen, dass sie leben.
Die nicht wissen, dass ihr Herzblut
Heiss und treu am Volke bängt!"
Man darf sich wohl mit Recht gegen eine solche
Aechtung berechtigten Selbstgefühles in der Kunst wen-
den. Auch der Künstlergruppe in Darmstadt ist die Er-
fahrung nicht erspart geblieben, dass ihre goethische „Offen-
heit eines frischen Muthes“ verspottet und verhöhnt wurde;
auch sie ist der Drohung des krummen Fingers des Dach-
stubengelehrten verfallen, der vermeint über den Dingen
zu thronen und den kleinen Ausschnitt blauer Luft, den
er nur sieht, als die von ihm beherrschte Welt betrachtet.
Man hat auch dieser Bewegung gegenüber das Wort des
alten Spötters Georg Christoph Lichtenberg angeführt:
„Seht, von dem Rhein zur Spree ist nichts als Sturm und
Drang, Gedanken Zolle gross, in Wörtern Ruthen lang“.
Und was hat die Darmstädter Künstlergruppe gethan? Sie
hat den bis zu einem gewissen Grade geglückten Versuch
unternommen, ohne das Epigonenthum sklavischer und
seelenloser historischer Nachahmung zu einer neuen, vom
„Irdischen“ möglichst befreiten Auffassung des Kunst-
lebens vorzudringen. Aber freilich, es Hess schon in einer
Steile, dieEckermann inseinenGesprächenmiiGoethediesem
vortrug, wenn ihr eine neue Wahrheit bekannt macht, „so
werdet ihr von einer Unzahl von Leuten verfolgt, die von dem
entgegengesetzten Irrihum leben, indem sie versichern, dass
eben dieser Irrthum die Wahrheit, und alles, was dahin
geht ihn zu zerstören, der grösste Irrthum selber sei“.
Wer sich die deutsche Kunstentwicklung des letzten
Jahrzehntes noch einmal ins Gedächtniss zurückruft, der
muss sich derThatsache erinnern, dass bei der fortwähren-
den Inzucht, die mit der unpersönlichen Wiederver-
wendung des historischen Erbes getrieben wurde, zuletzt
eine reine Hunger- Agonie nach etwas Besserem, etwas
Anderem, etwas Vertiefterem ausgebrochen war, für deren
Befriedigung die Darmstädter Unternehmung eine von
vielen Erscheinungsformen war. Und wer sich auf der
anderen Seite klar darüber geworden ist, welchen lähmen-
den Einfluss bei rühmlichen Ausnahmen die deutsche
Kunstschule sowohl für Malerei und Bildnerei wie für Bau-
kunst auf das Vorwärtsschreiten und die Vertiefung der
Kunstübung gehabt hat, der kann sich nicht darüber
wandern, wenn er in den Arbeiten der Darmsiädter
Künstlerkolonie gleichfalls eines der Symptome jenes flam-
menden Protestes jugendlichen Künstlerfreimuthes gegen
die Engherzigkeit des deutschen Philisterlhumes, der Auf-
lehnung der jungen Künstlerkraft und des unbeirrten Selbst-
vertrauens gegen das beengende Gängelband des über-
üefertenKunststudiums erblickt, die sich allenthalben erhoben
haben. Nach allen Seiten hin merken wir schon heute die
wohlthätige Einwirkung des gährenden Fermentes, welches
auch hier vor zwei Jahren in die deutsche Kunstübung
gemischt wurde und wir wollen der kleinen Künstlerschaar
unter Nachsicht für alle Ausschreitungen dafür dankbar
sein, dass sie es mit dem ungebrochenen Wagemuih der
Jugend unternommen hat, gegen die Verflachung Sturm
zu laufen. „Was fallen will, das soll man auch noch
stossen“, sagte einmal Friedrich Nietzsche. Das geht natür-
lich nicht ohne heftige Gegenwehr und Angriffe. Ihnen
gegenüber aber wappnet sich der moderne Künstler mit
dem Wahrsprache des Wallenstein’schen Reiters:
„Niemand berauben und Niemand beerben,
„Und auf das Gehudel unter mir
„Leicht wegschauen von meinem Thier.“ —
No. 100.
DEUTSCHE BAUZEITUNG.
XXXVI. Jahrgang No. loi. Berlin, den 17. Dezember 1902.
Wehranlage (Grundablass) in Schweinfurt a. M.
Der Grundablass der Wehranlage in Schweinfurt a. M.
dem in diesem Jahre in Düsseldorf abgehaltenen
internationalen Schiffahrts*Kongress erregte eine von
— •• der Brückenbau-Anstalt Gustavsburg (Zweig-
anstalt der vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und
Maschinenbau-Gesellschaft Nürnberg A.-G.) in Modell und
Zeichnungen ausgestellte neue Wehrkonstrukiion wegen
ihrer Einfachheit und Zweckmässigkeit besondere Auf-
merksamkeit. Diese Konstruktion, ein „Walzenwehr“,
ist von genannter Firma erstmalig beim Bau des Grund-
ablasses des Mainwehres in Schweinfurt ausgeführt wor-
den und derselben auch paientirt.
An der Hand der von dem stellvertretenden Direktor
der Gesellschaft, Hrn. Carstanjen, dem Schiffahrts-Kon-
gress vorgelegten Mittheilung, der wir auch die beige-
gebenen Skizzen entnehmen, sei kurz das Wesen dieser
neuen Ausführungsweise zur Darstellung gebracht.
Der Staukörper ist eine nach Art eines Dampfkessels
■wasserdicht aus Eisenblechen zusammengenieteie Walze,
die in Schweinfurt eine Oeffnung von 18 “ Lichtweite ver-
schliesst. Diese Walze wird durch umgeschluugene Draht-
seile, welche die Enden umfassen, auf geneigten Ebenen,
die sich in Nischen der die Oeffnung abschliessenden
Seitenmauern des Wehres befinden, emporgerollt, wenn
das Wehr ausser Thätigkeit treten soll. Zur Gerad-
führung der Walze ist diese an den Enden mit Zahn-
kränzen versehen, die in Zahnstangen auf den geneigten
Ebenen eingreifen.
In Schweinfurt verschliesst das Walzenwehr einen
Seitenarm des Mains, der bei Hochwasser zur Entlastung
des Hauptarmes völlig geöffnet werden muss. Die Stau-
höhe beträgt bis zu 3,6 die Wassertiefe des Oberwassers
im Augenblick der Wehröffnung 4,14“. Diese grosse
Wassertiefe machte es nothwendig, auf eine Verminderung
des Auftriebes hinzuwirken, was durch die eigenthüm-
liehe birnenförmige Gestalt der freien Länge der Walze
erreicht ist, deren in das Wasser eintauchende Fläche ge-
ringer ist, als bei einem Kreiszylinder. (Die auf den ge-
neigten Ebenen rollenden Enden sind natürlich kreisrund.)
Die vordere Begrenzungsfläche ist ausserdem so gestaltet,
dass bei der Aufwärtsbewegung des Staukörpers sich alle
Theile nach dem Unterwasser zu verschieben und nicht
ins Oberwasser eindriugen, so dass also keine Wasser-
verdrängung stattfindet und keine Behinderung der Be-
wegung, vielmehr eher eine Unterstützung durch das nach-
dringende Wasser eintritt.
Die Walze enthält im Inneren ein an den Kopfenden
offenes Rohr, das sich also beim Eintauchen derselben
mit Wasser füllt und die Absenkung erleichtert. Mit dem
sinkenden Unterwasser entleert sich das Rohr. Die Fest-
stellung des Staukörpers, der sich mit einer mit einem
Eisenbalken armirten Schneide gegen den Wehrboden
stemmt und so die Dichtung bewirkt, erfolgt durch Sperr-
klinken, welche an beiden Ufern in die Zahnkränze ein-
greifen. Die Seitendichtung des Wehres wird durch Leder-
streifen bewirkt, die durch den Wasserüberdruck an die
Seitenwände gepresst werden.
Die Auf- und Abwärtsbewegung des Staukörpers er-
folgt durch ein gewöhnliches Windewerk mit selbstsperren-
der Schnecke. Die Drahtseile, welche die Bewegung ver-
mitteln, greifen an einem Punkte der Walze fest an und
sind mit ihren beiden Enden über 2 Seiltrommeln geführt,
die durch eine Einrichtung zur gegenseitigen Verschiebung
in einfacher Weise ein Nachspannen der Seile zulassen.
Im allgemeinen tritt nur ein Seilende in Thätigkeit, das
andere dient lediglich zum festen Anpressen des Stau-
körpers an die Wehrsohle.
Der gesammie Betriebsmechanismus liegt geschützt in
den Mauerwerksnischen und taucht auch hier nur zum-
theil in das Unterwasser ein. In Schweinfurt liegt dasselbe
durchweg über dem höchsten Unterwasserstande, bei wel-
chem noch Eisbildung zu befürchten ist. Die Schweinfurter
Anlage hat sich bisher durchaus bewährt, namentlich hat
645
der Bewegungs- Mechanismus bei dem höchsten Ober- die Konstruktion, Dichtung usw. sind nicht bekannt ge-
wasser durchaus sicher und rasch gearbeitet und zwar worden, auch nicht, ob dieser Plan Aussicht auf Verwirk-
trotz des ansehnlichen Gewichtes des Staukörpers von 72 lichung hat. —
In dieser höhe- i 1
renBeweglichkeit | □ j
und in der ein-
fachenAnordnung
des Getriebes und
dessen geschütz-
ter Lage liegt der
Haupivorzug der
neuen Konstruk-
tion, die es ge-
stattet, grosseOeff-
nungen einesWeh-
res rasch und si-
cher trotz hohen
Ueberdruckes des
Oberwassers in
voller Ausdeh-
nung frei zu legen
und ebenso rasch
auch wieder zu
schliessen. Weder
Eisgang noch Ge-
schiebebewegung
bieten dabei ein
Hinderniss.
Die neue Kon-
struktion wird da-
her überall da von
Vortheil sein, wo
Aufgaben dieser
Art zu erfüllen
sind. Es lassen
sich damit übri-
gens ebensowohl
Ueberfall - Wehre
mit beweglicher
Krone ausbilden,
wieGrundablässe.
Bei dieser Ge-
legenheit sei er-
wähnt, dass bei
einem Entwürfe
für die Nutzbar-
machung der
Wasserkraft
des Rheines
zwischen Niffer
und Ottmarsheim
bei Mülhausen,
das gemeinsam
aufgestellt ist von
den Hrn. Brthn.
Havestadt &
ContaginBerlin,
Zivil-Ingenieur R.
Koechiin in Pa-
ris und Ziviling.
L. Potterat in
Bern, ein Wehr
vorgesehen ist,
dessen 6 je 26,7“
weite Oeffnungen
über dem festen
Wehr - Rücken
durchje eine eiser-
ne Walze von 3
Durchmesser ge-
schlossen werden
sollen, die in senk-
rechten Schlitzen
der Pfeiler ge-
führt und durch
Drahtseile geho-
ben und gesenkt
werden. Die aus
15 ““ starkem
Eisenblech herzu-
stellendenWalzen
mit einem Ge-
wichte von etwa
45 sind an bei-
den Seiten offen,
sodass sie sich
mit Wasser füllen
können. Nähere
Einzelheiten über
646
No. loi.
Vermischtes.
Betoneisen-Pfahlrost bei Gründung des Neubaues des
Land- und Amtsgerichtes Berlin-Wedding. Zu dieser Mit-
theilung in No. 9£ S. 582 geht uns von dem Unternehmer
der Gründung, Hrn. kgl. Hofzimmerrastr. Th. Möbus in
Berlin, nachsiehende Klarstellung und Ergänzung zu; wir
geben gleichzeitig in den beistehenden Abbildungen die Ein-
zelheiten der bei obigem Bau verwendeten, als Gebrauchs-
muster geschützten Plahlform nebst Rammhaube wieder.
„Die in No. 91 der „Dtschn. Bauztg.“ gebrachten Mit-
theilungen enthalten die Bemerkung, dass sich der Beton-
eisen-Pfahlrost doppelt so theuer stelle, wie ein Holzpfahl-
rost. Diese Bemerkung trifft etwa zu, soweit die reinen
Kosten des Pfahlrostes inbetracht kommen, da die
Betoneisenpfähle natürlich entsprechend theurer sind als
Holzpfähle; sie könnte aber zu der irrthümlichen Annahme
Veranlassung geben, dass sich die Gründungskosten
doppelt so theuer gestellt hätten, als bei Holzpfahlrost.
Thatsächlich stellen sich die Gründungskosten aber keines-
wegs höher, als wenn ein Holzpfahlrost angewendet
worden wäre, da letzterer mit Rücksicht auf den tief-
liegenden und vermuthlich noch weiterer Senkung aus-
gesetzten Grundwasserstand ent^prechend tief hätte gelegt
werden müssen, während die Betoneisenpfähle mit ihren
Köpfen unmittelbar bis unter Kellersohle reichen können.
Es wird also in letzterem Falle die ganze Ausschachtung
zwischen Kellersohle und Grundwasserspiegel und die
Herstellung des Fundamentkörpers vom Grundwasser-
spiegel bis Kellersohle gespart. Der Betoneisen Pfahlrost
wird also mit dem Holzpfahlrost überall da. auch hinsicht-
lich der Kosten in Wettbewerb treten können, wo das
Grundwasser bei normaler Kellerhöhe (Berliner Verhält-
nisse) etwa 3 “ unter Kellersohle liegt. Er wird in diesem
Falle ausserdem jedenfalls billiger, als Gründung auf Senk-
kasten bezw. auf Beton zwischen Spundwänden.
Der Betoneisen-Pfahlrost bietet den letzteren Grün-
dungsweisen gegenüber bei Gründungen an der Nachbar-
grenze noch den Vorzug grösserer Sicherheit gegen Beschä-
digung der Nachbar-Fundamente, da die Pfähle ohne vor-
herige tiefe Abgrabung unter Umständen mit Zuhilfenahme
von Spülung eingerammt werden können, sodass Nach-
sackungen des Bodens vermieden werden. Die Beton-
eisenpfähle haben ferner den Vorzug, dass sie sich unschwer
aufpfropfen lassen, falls sich während desBaues nachträglich
eine grössere Gründungstiefe als nothwendig erweUt.
Die Ausführungen am Amtsgericht Berlin- Wedding
haben schliesslich erwiesen, dass auch starker Frost bei
den einigermaassen abgelagerten Pfählen keinerlei schäd-
liche Wirkung beim Einrammen gehabt hat. Die Ramm-
arbeiten wurden noch fortgeführt, nachdem 10*^ Kälte
schon längere Zeit auf die Pfähle eingewirkt hatte, ohne
dass die Pfahlköpfe unter dem Rammschlage gelitten hätten.
Diese verschiedenen guten Eigenschaften dürften den
Betoneisenpfählen ein weites Anwendungsgebiet auch im
Gedenkfeier für James Hobrecht und Wilhelm
Böckmann im Architekten-Verein zu Berlin.
|u einer ernsten Feier versammelten sich am 8. Dez.
d. J. die Mitglieder des Vereins in dem würdig ge-
' schmückten grossen Saale des Architektenhauses,
zu einer Feier, an welcher auch der kgl. preuss. Hr. Minister
der öffentl. Arbeiten Budde, Vertreter der Stadt Berlin und
befreundeter Vereine, sowie die Familien der Gefeierten
theilnahmen. Galt es doch, das Andenken zweier erst
kürzlich verstorbener, um die Entwicklung des Vereins
wohlverdienter Mitglieder zu ehren, Persönlichkeiten von
hervorragender Bedeutung auf fachlichem Gebiete, des
Geh. Brth, -Stadtbrth. a. D. Dr. James Hobrecht, des
Schöpfers der Berliner Kanalisation, und des Geh. Brth.
Wilhelm Böckmann, der in Gemeinschaft mit Hermann
Ende Jahrzehnte lang einen wesentlichen Antheil an der
baulichen Entwicklung Berlins und seiner Vororte ge-
nommen und sich in seinem letzten Werke, der Umge-
staltung des Berliner Zoologischen Gartens, ein dauerndes
Denkmal gesetzt hat.
Der Bedeutung der beiden Männer für den Verein,
der ihnen seine höchste Auszeichnung, die Ehrenmitglied-
schaft verlieh, galt zunächst die Ansprache des Vereins-
Vorsitzenden, Hrn. Bith Beer. Seit ihrem Eintritt haben
sich beide mit unermüdlichem Eifer dem Verein gewidmet,
ihre Kräfte in dessen Dienst gestellt. 19 mal hat Böck-
mann dem Vorstande angehört, 2 mal den Vorsitz geführt,
während Hobrecht 17 Jahre lang zu den Mitgliedern des
Vorstandes zählte und 13 mal den Vorsitz geführt hat. In
jener Zeit hat der Verein vielleicht seine höchste Blüthe
gesehen. Dem Unternehmungsgeiste Böckmanns und dem
Einflüsse Hobrechts, des damaligen Vorsitzenden, verdankt
der Verein auch den Besitz seines stattlichen Hauses. Der
Verein verdankt ihnen aber noch mehr, denn gerade
solche Männer, deren Verdienste nicht nur auf rein
technischem Gebiete liegen, die sich vielmehr auch ander-
wärts im Leben als tüchtig bewährten, haben sein
17. Dezember 1902.
Ansehen, seine geachtete Stellung begründet. Ihr Andenken
bleibt unvergessen.
Die eigentliche Gedenkrede auf Hobrecht hatte Hr.
Stadibauinsp. K. Meier übernommen, der unter seiner
Leitung an dem Lebenswerke Hobrechts, der Durchfüh-
rung der städtischen Kanalisation in Berlin, fast von An-
beginn raitgearbeitet hat, die Rede auf Böckmann, dessen
langjähriger Freund Brth. Kyllmann. Beiden Rednern
war die Aufgabe nicht leicht gemacht, gegenüber den
ehrenvollen Nachrufen, die den Hingegangenen in den
Fach- und Tagesblättern seiner Zeit gewidmet worden
sind und noch in frischer Erinnerung standen, ihremLebens-
bilde neue Züge abzugewinnen. Es gilt dies besonders
von Böckmann, der erst im Frühjahr dieses Jahres aus An-
lass seines 70. Geburtstages der Mittelpunkt besonderer
Ehrungen gewesen ist. Wir können in dieser Beziehung
auf die eingehenden Darstellungen verweisen, die wir an
anderer Stelle bereits gebracht haben, und müssen es uns
versagen, auf die beiden eindrucksvollen Reden, die
dem Wesen und den Leistungen der beiden Männer in
vollem Maasse gerecht wurden, näher einzugehen.
Nur aus dem Hobrecht’schen Leben möchten wir noch
einige charakteristische Züge nachtragen, die geeignet sind,
das von uns früher entworfene Bild dieser kraftvollen Per-
sönlichkeit in einigen Punkten zu ergänzen und zu ver-
tiefen. Interessant ist, dass der später hervorragende In-
genieur ursprünglich sich einem anderen Lebensberufe-
widmen wollte. Die Liebe zur Natur und zum Landleben,,
die ihm bis in sein spätes Alter treu geblieben ist, ver-
anlasste nicht nur den 16jährigen Jüngling, vorzeitig die
Schale zu verlassen, um Land »virth zu werden, sondern führte
den 27jährigen Mann zum zweitenmale dazu, sich diesem
Berufe zu widmen, nachdem er inzwischen nach Vollendung
seiner Schulbildung, sowie nach Ablegung des Feldmesser-
und Bauführer-Examens bereits mehrere Jahre in der
Praxis thätig gewesen war. Die Ungunst der Verhältnisse
zwang ihn aber, das übernommene Gut aufzugeben. AU
28jähriger und inzwischen verheiratheter Mann kehrte
647
Ineenieurwesen eröffnen, z. B. zu Brückengründungen,
zur Herstellung von Bohlwerken in Verbindung mit Be-
tonplatten, zu kleinen Brückenbauten anstelle massiver
Durchlässe, zu Brückenjochen, zur Herstellung dauerhafter
und billiger Gleisunterstutzung in Moorstrecken anstelle
der theuren, während langer Zeit immer wieder ver-
sackenden Dämme usw."
Berlin, im Dezember 1902. Th. Möbus.
Techniker als Bürgermeister. Wiederum hat eine
hessische Stadt, dem Beispiele von Giessen folgend, einen
Techniker zu ihrem Bürgermeister erwählt und zwar
Friedberg. Der Gewählte ist Hr. Brth. Stahl aus Giessen.—
Todtenschau.
Geheimer Ober-Baurath Max Spitta In den Früh-
stunden des 13. Dezember entschlief in Berlin der Ge-
heime Ober-Baurath und Vortragende Rath im kgl. preuss.
Kultusministerium Max Spitta, ein feinsinniger Architekt,
welchem das architektonische Gepräge der Reichshaupt-
stadt manchen tieferen Zug verdankt. Spitta wurde im
Jahre 1842 zu Lissa in der Provinz Posen geboren und
absolvirte das Gymnasium in Brandenburg a. H. Während
des Elevenjahres arbeitete er bei dem damaligen Hoibau-
rath Lohse in Berlin und bestand ira Frühjahr 1866 nach
zweijährigem Studium auf der Berliner Bauakademie die
Bauführerprüfung. Seine praktische fachliche Thätigkeit,
auf deren Höhepunkt die Gnadenkirche im Invalidenpark
in Berlin steht, begann der Verstorbene bei den Erweite-
rungsbauten des Kriegsministerial - Gebäudes in Berlin.
Zunächst nur diese kurze Nachricht; es wird sich noch
Gelegenheit finden, auf das Lebenswerk Spitta’s etwas
eingehender zurückzukommen. —
Preisbewerbungen.
Ein Wettbewerb betr. Entwürfe für den Neubau einer
Realschule mit Progymnasium ln Meissen wird vom dortigen
Stadtrath unter den im Königreich Sachsen wohnhaften
Architekten zum 28. Febr. 1903 erlassen. Es gelangen
3 Preise, von 2000, 1000 und 500 M. zur Vertheilung, ein
Ankauf nicht preisgekrönter Entwürfe für je 300 M. ist
Vorbehalten. Dem sgliedrigen Preisgerichte gehören als
Architekten an die Hrn. Brth. Krüger und Stadtbmstr.
Kaiser in Meissen, sowie Stadtbrth, Scharenberg in
Leipzig. Unterlagen gegen 2,50 M. durch den Stadtrath
in Meissen. —
Ein Preisausschreiben betr. Entwürfe für eia Plakat
erlässt der Verlag der „Modernen Reklame“ in Berlin für
unabhängige Künstler und vertheilt 3 Preise von 400, 200
er zur Bauakademie zurück, um sich nun nach Vollendung
seiner Studien und Ablegung des Examens als Land-
baumeister im Jahre )85Ö endgiltig dem Berufe zuzuwen-
den, auf dem er so Bedeutendes leisten sollte. Der Um-
weg zum Ziele hat seiner thatkräftigen Natur aber nicht
geschadet, während ihm die dabei erworbene Kenntniss
der Landwirthschaft später von grossem Nutzen gewesen ist.
Wenige Jahre nach Ablegung des damals erforder-
lichen zweiten Examens als Baumeister für den Wasser-,
Wege- und Eisenbahn-Bau sehen wir ihn als Stadtbaurath in
Stettin, wo er beim Bau des Wasserwerkes und bei Auf-
stellung des Kanalisations-Entwurfes ausreifte, um 1868 als
erfahrener Meister in einer Broschüre „Ueber öffentliche
Gesundheitspflege und die Bildung eines Centralamtes für
öffentliche Gesundheitspflege im Staat“, sein technisches
und wissenschaftliches Glaubensbekenntnis abzulegen.
Wie sich dann die Aufmerksamkeit der Stadt Berlin
auf ihn lenkte, wie er berufen wurde, das grosse Werk
der Kanalisation durchzuführen, wie er mit klarem Blick
die Schwächen der hierzu vorhandenen Pläne erkannte
und zum Segen Berlins auf ganz neuer Grundlage auf-
baute, wie er trotz aller Widersprüche mit der ihm eigenen
eisernen Energie und geschäftlichen Gewandtheit alle
Schwierigkeiten besiegte, die sich der von ihm für die
Berliner Verhältnisse als allein richtig erkannten Reinigung
der Abwässer durch Bodenberieselung enigegenstellten,
ist allgemein bekannt, aber vielleicht nicht genügend
gewürdigt. Wir sind nur zu leicht geneigt, über dem
Erreichten zu vergessen, wie und unter welchen Voraus-
setzungen es erreicht wurde. In welche Zustände wäre
Berlin gerathen, wenn die Durchführung seiner Kanalisation
nicht einem Manne anvertraut gewesen wäre, „der bei
gründlichem Wissen und Beherrschung des Stoffes auch
das eiserne Rückgrat besass, sich um keines Zolles Breite
von dem einmal als richtig erkannten Wege durch Kom-
promisse irgend welcher Art abdrängen zu lassen.“
Als 60-Jähriger übernahm er dann als Stadtbaurath
das gesammte Tiefbauwesen der Stadt Berlin, die ihm
648
und 100 M., sowie eine weitere Summe von 300 M. für
den Entwurf, welcher zur Ausführung gelangt. —
Ein Preisausschreiben zur Erlangung von Entwürfen zu
Plakaten erlässt auch die Bleistiftfabrik vorm. Johann Faber,
A.-G. in Nürnberg, zum 31. Jan. 1903. Es gelangen 3 Preise
von 1200, 800 und 500 M. zur Vertheilung; ein Ankauf nicht
preisgekrönter Entwürfe für je 100 M. ist Vorbehalten.
Unter den 5 Preisrichtern belinden sich folgende 3 Ver-
treter der bildenden Kunst: Prof. L. Herterich, Prof.
Emanuel Seidl und Kunstmaler Julius Diez, sämmtlich
in München. — |
Wettbewerb Progymnasium Forchheim. Bei diesem
auf sämmtliche bayerische Architekten- und Ingenieur-
Vereine erstreckten Wettbewerbe erhielt den III. Preis
nicht Hr. Otto Schachner-München, sondern Hr. kgl. Bau-
amtsassessor Richard Schachner in Freising. —
In einem engeren Wettbewerb betr, Entwürfe für ein
Provinzialmuseum in Münster zwischen den Hrn. Arch.
H. Schädder in Hannover und Reg.-Bmstr. K. Teichen
in Berlin wurde der Grundrissgedanke des letzteren als
der bessere erklärt. —
Wettbewerb Töchterschule Essen, Ein Preis von
1500 M, wurde dem Entwurf „Südwestklasse“, Preise von
je 1000 M.. den Entwürfen „Herbstzeitlose", „Concav“ und
„Den kleinen süssen Mädeln“ zuerkannt. Zum Ankauf
empfohlen wurden die Entwürfe: „Pallas", „Morgen-
sonne" {2), „Ehret die Frauen“, „Sonnenlicht“, „Jugend“
und „Nordwestlicht“. Leider nennt die Bekanntmachung
nicht auch die Verfasser der vorgenannten Entwürfe. —
Personal-Nachrichten,
Preussen. Den Reg.- u. Brthn. Sigle und Sommerfeldt
in Essen, dem Eisenb.-Bau- u. Betr.-Insp. Hentzen in Halle a. S.
ist der Rothe Adler-Orden IV. Kl. und dem Reg.-Bmstr. Hamm
in Essen der kgl. Kronen-Orden IV. Kl. verliehen.
Die Erlaubniss zur Annahme und zum Tragen der ihnen verlieh,
fremdl. Orden ist ertheilt und zw.: den Stadtbrtho. L. Hoffmann
und Krause in Berlin des Offizierkreuzes des Italien. St. Mauritius-
und Lazarus-Ordens; den Stadtbauinsp. Matzdorff und Szalla
in Berlin des Offizierkreuzes des Ordens der Italien. Krone.
Der Mel -Bauinsp. Quirll in Osnabrück ist z. etatm. Prof, an
der Techn. Hochschule in Aachen ernannt.
Dem Ob. -Lehrer B e h r an der kgl. Baugewerkschule in Görlitz
ist das Prädikat Prof, verliehen.
Inhalt: Der Grundablass der Wehranlage in Schweinfurt a. M. —
Vermischtes. — Gedenkfeier für James Ilobrecht und Wilhelm Böckmann
im Architekten-Vereia zu Berlin. — Todtenschau. — Preisbewerbungen.
— Personal-Nachrichten.
Verlag der Deutschen Bauzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
viel verdankt, nicht nur dem schaffenden Ingenieur, der
in der Umgestaltung der Strassen, Plätze und Brücken
Bedeutendes leistete, sondern auch dem bei aller Grad-
heit des Charakters gewandten Diplomaten, dem es gelang,
die oft scheinbar entgegengesetzten staatlichen und
städtischen Interessen zu einem gemeinsamen Ziele zu
führen. So ist das Zustandekommen der für Berlin so
segensreichen Durchführung der Spree-Regulirung zum
nicht geringen Theile sein Werk. Dass andererseits bei
einem Charakter wie Hobrecht das P'esthalten an einer
von ihm als richtig angesehenen Anschauung auch zur
Hartnäckigkeit führen konnte, beweist seine Stellung-
nahme zum Ausbau des Berliner Schnell- Verkehrs durch
Anlage von Hoch- und Untergrundbahnen.' „Hier lag bei
dem sonst so Gewaltigen die Achillesferse“.
Hatte Redner so ein treffendes Bild von der Bedeu-
tung Hobrecht’s in seiner amtlichen und ausseramtlichen
Berufsthätigkeit gegeben, so gilt das nicht minder von
der Würdigung seiner Persönlichkeit: „Seine universelle
Bildung, verbunden mit einer seltenen Gabe, seinen Ge-
danken und Empfindungen durch das Wort Ausdruck zu
verleihen, sowie seine kraftvolle hohe Gestalt machten ihn
zum Mittelpunkt jeder Gesellschaft, in die er trat und er-
klären seine Erfolge im öffentlichen Leben. — Er wareine
vornehme Natur, abhold jeder Lüge und jedem Schein,
offen und ohne Falschheit gegenjedermann. — Wie er selbst
gewissenhaft und pflichttreu im Amt und von schonungs-
loser Hingabe an die Arbeit im Beruf war, so forderte er
dieselben Eigenschaften auch von seinen Beamten“.
Eine tückische, schleichende Krankheit zehrte den star-
ken Mann langsam auf. „Wir aber, die wir ihn in der Voll-
kraft seines Schaffens kennen, lieben und bewundern ge-
lernt haben, werden ihm über das Grab hinaus ein treues
Andenken bewahren, ihm, dem Pfadsucher und Pfadfinder
auf dem Gebiete der Städtereinigung, dem Kanalisator von
Berlin, dem Verschönerer seiner Strassen, Brücken und
Plätze, der Leuchte unseres Faches und nicht zum ge-
ringsten ihm, dem Menschen!" — Fr. E.
No. loi.
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
BERLIN *
S:S!!S!«1RS!S!S!2!Sr2rS:S»S!
AUZEITUNG.
GANG. * * N9; 102. *
DEN 20. DEZ. igo2. *
No. 107. Das Palais Staudt, Regentenstrasse i
und Thiergartenstrasse 9.
Architekt: Professor Otto Rieth in Berlin.
(Hierzu eine Bildbeilage und die Abbildung S. 652.)
~ langem schon hat in Berlin ein
Bauwerk nicht mehr das Aufsehen
erregt, wie das Gebäude, welches in
den Jahren 1897 — 1899 an der Ecke
der Thiergarten- und der Regenten-
strasse im Aufträge des Hrn. Konsul
Wilhelm Staudt durch den Archi-
tekten Prof. Otto Rieth in Berlin er-
richtet wurde. Die lebhaften Erwartungen, mit welchen
sowohl die Fach- wie die Laienwelt zunächst die Kunde
von dem Bauauftrag überhaupt und sodann den Be-
ginn der Arbeiten des Gebäudes und ihre Fortschritte
begleiteten, batten einen doppelten Grund. Man wusste,
dass der Bauherr, welcher das Glück hatte, bei kauf-
männischenUnternehmungen inSüdamerika ein grosses
Vermögen zu erwerben, dem Architekten unbeschränkte
Mittel zur Verfügung stellen konnte, und man wusste
auch, dass er diese Mittel in der bewussten künstle-
rischen Absicht medicäischer Freigebigkeit, in dem
stolzen Gefühle des durch rastlose eigene Thätigkeit
erworbenen Besitzes zu verwenden und dass er der
Mitwelt zu zeigen gedachte, dass er wisse, was er als
Besitzer der reichen Mittel der Kunst schulde. Es
handelte sich also um einen sogenannten „idealen“
Auftrag, dessen künstlerische Bedeutung durch die
nicht ganz günstigen örtlichen Verhältnisse der Bau-
stelle kaum beeinträchtigt werden konnte.
Auf der anderen Seite fiel der Bauauftrag einem
Architekten zu, dessen Name schon ein Jahrzehnt in
der deutschen Baukunst der Gegenwart einen guten
Klang und eine hervorragende Bedeutung hatte. Die
Skizzen und Studien, die Otto Rieth in Zwischen-
räumen herausgab, hatten ihn als eine künstlerische
Individualität von besonderer Eigenart erkennen lassen.
Der überquellende Reichthum der Gedanken, die
Leichtigkeit in der zeichnerischen Wiedergabe der-
selben, die grosse Gewandtheit in der Verschmelzung
der schönen Formen des menschlichen Körpers mit
architektonischen Bildungen, die Grösse der Auffassung
da, wo es sich um rein baukünstlerische Gestaltungen
handelte, kurz, der Charakter einer in sich geschlosse-
nen künstlerischen Erscheinung, die in sicherer Weise
ihren Weg ging, musste die Erwartungen auf das
Höchste spannen und den berechtigten Wunsch aus-
lösen, zu sehen, wie sich ein Künstler, der, abgesehen
von einigen Aufträgen, die mehr in das dekorative
Gebiet gingen, bisher eigentlich nur zeichnerische
Grossthaten aufweisen konnte, einer ernsten, grossen
Bauaufgabe gegenüber verhalten würde. Denn was
der Bauherr von dem von ihm erwählten Künstler
erwartete, war wohl ein Wohnhaus für den eigenen
Bedarf, gleichwohl aber kein Wohnhaus gewöhnlicher
Art, wie es irgend ein vermögender Bauherr, der all-
gemeinen Sitte folgend, sich wohl errichten lässt, son-
dern der Bauherr wollte ein Wohnhaus, welches das
Errungene, seinen grossen Besitz in entschiedener
Weise in die Erscheinung treten Hess. Er gefiel sich
in dem behaglichen Gefühle, der Mitwelt zu zeigen,
was er mit den durch seinen Unternehmungsgeist
gewonnenen Mitteln zu leisten vermöge und wenn er,
um dieses Gefühl zum Ausdruck zu bringen, die Kunst
wählte, so wird dieser Umstand Manchen versöhnen, der
über die Erscheinungsformen eines solchen modernen
kaufmännischen Reichthums anderer Meinung ist.
Aus dem stolzen Ichgefühle heraus wurde zunächst
die Baustelle in der vornehmsten Lage der vornehm-
sten Berliner Wohngegend gewählt. Der Bauherr er-
warb die beiden Grundstücke Thiergartenstrasse 9 und
Regentenstrasse i und vereinigte sie zu einem lang-
gestreckten Grundstücke, welches der Grundrissent-
faltung des Hauses auf der einen Seite nicht geringe
Schwierigkeiten, auf der anderen Seite aber auch
einige Vortheile bot. Es handelte sich um ein palast-
artiges Wohnhaus reichsten Stiles und angelegt für
grossen gesellschaftlichen Verkehr. Den Forderungen
des Raumprogrammes versuchte der Architekt durch
Anlage von 3 Geschossen zu entsprechen. Der Haupt-
eingang zum Hause ist an der Thiergartenstrasse ange-
ordnet. Der Besucher betritt hier zunächst einen ovalen
Vorraum und von ihm aus eine geräumige Diele mit
Kleiderablage, an welche die zweiarmige stattliche
Treppenanlage angeschlossen ist, die vom Sockel- zum
hohen Erdgeschoss emporführt. In ersterem liegen
noch eine Pförtnerwohnung, sowie einige der Gesellig-
keit gewidmete Räume, wie Kegelbahn mit Kegelstube,
Billardzimmer usw. In der Regentenstrasse findet sich
ein zweiter Eingang mit geräumiger Eintrittshalle,
welcher im Anschluss an die von einem hier gelegenen
zweiten Vorraum aus zugängliche Stockwerkstreppe
dem alltäglichen Wohnverkehr gewidmet ist. Hier
liegt auch der Stallhof mit Kutscherwohnung, Pferde-
ställen und Wagenremise. Das hohe Erdgeschoss
enthält, um eine geräumige und reiche Diele gelagert,
eine seltene Flucht vornehmer Gesellschaftsräume, wie
649
OBER SESCHOSS.
sie nicht leicht ein pri-
vates Wohnhaus wieder
aufweisen wird. An der
Thiergartenstrasse liegt,
mit segmentförmiger Aus-
bauchung, der Tanzsaal;
an ihn reihen sich in
der Regentenstrasse ein
Empfangs - Zimmer, der
Musiksaal , ein Herren-
zimmer und der Speise-
saal mitWintergarten an,
lauter stolze Räume. Am
Hofe liegen im gleichen
Geschoss die Küchen-
räuine mit ihren Neben-
gelassen und ein Diener-
zimmer. Das Oberge-
schoss ist ausschliesslich
Wohngeschoss ; es ent-
hält die Wohn- und
Schlafzimmer der Eltern
und Kinder, ein Früh-
stückszimmer, sowie ge-
gen den Hof die Haus-
haltungsräume. So sind
die Raumgruppen ihrer
Benutzung nach streng
getrennt und doch zu ein-
ander, wie auch in sich,
zweckmässig angelegt.
Es ist unzweifelhaft eine
grosse Wirkung, die mit
der glänzenden Flucht
stattlicher Gesellschafts-
räume im hohen Erd-
geschoss des seltenen
Hauses erreicht worden
ist. — (Schluss folgt.)
Zur Vollendung des Nil-Staudammes bei Assuan.
iM^lm II. Dez. d. J. ist der grosse Staudamm von Assuan
^^^1 am ersten Nilkatarakt in feierlicher Weise seiner Be-
Stimmung übergeben und damit ein Kulmrwerk ersten
Ranges zum Abschluss gebracht worden, mit dem sich die
engli.'Che Verwaltung in Aegypten ein dauerndes Denkmal
gesetzt hat. Weite Landstriche, die bisher wegen mangeln-
der Bewässerung brach liegen mussten, können nunmehr
der Kultur erschlossen, in fruchtbares Ackerland verwan-
delt werden; andere, denen nunmehr Wasser in reicherem
Maasse und vor allem geregelter als früher zugeführt wird,
werden in ihrer Ertragfähigkeit erheblich gesteigert.
In Verbindung mit der im vorigen Frühjahr fertig ge-
stellten Stauanlage bei Assiut, 400 oberhalb Kairo und
etwa halbwegs zwischen dem Staudamm von Assuan und
den alten in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
durch französische Ingenieure dicht unterhalb Kairo er-
richteten Stauwehren, der Barrage, wird durch den Stau-
damm von Assuan die Bewässerung von Ober- und Mittel-
Aegypten und im Fajum geregelt, indem diese Stauanlage
zwar die eigentliche Nilschwelle mit ihrem befruchtenden
Schlamme ungehindert durchlässt, die darauf folgenden,
von Sinkstoffen freien Wassermassen aber in den Monaten
Dezember bis März zurückhält und in einem Sammelbecken
äufstaut, dessen höchster Wasserstand, + 106 *“ über mittle-
rem Meeresspiegel bei Alexandria, noch erheblich über
dem höchsten Nil-Hochwasser liegt. Dieses aufgestaute
Wasser wird in den Monaten des grössten Wasser-
mangels, im Mai bis Juli, nach und nach den Bewässe-
rungs-Kanälen zugeführt. Die Stauanlage bei Assiut
dient dabei hauptsächlich als Regler für die Wasserab-
führung.
Während also früher das Wohl und Wehe des Landes
von der Höhe der Nil schwelle ab hing, eine besonders
kräftige Anschwellung Fruchtbarkeit und Ueberfluss, eine
geringe Misswachs und Hungersnoth bedeutete, wird die
Bewässerung durch den Staudamm von Assuan, von den
Hochwasserständen unabhängiger, und während
früher nur eine einmalige, etwa 45 Tage dauernde, Ueber-
stauung der Ländereien bei Hochwasser im Juli -August
möglich war, der Ueberschuss an Wasser aber nutzlos
verloren ging, gestattet die Aufsammlung mächtigerWasser-
massen im Staubecken von Assuan nunmehr eine dauernde
Bewässerung während einer längeren Periode.
Auch die Verhältnisse in Unter-Aegypten haben durch
diese Stauanlage eine beachtenswerthe Verbesserung er-
fahren, indem die erzielte grössere Wasserführung des Nils
im Sommer ein um 1,5°' höheres Aufstauen des Sommer-
wassers durch die alte Barrage gestattet, als bisher. Es
werden ferner dem alten Ibrahiraieh-Kanal, der unmittelbar
unterhalb der Stauanlage von Assiut abzweigt, grössere
Wassermassen zugeführt, sodass er als Schiffahrtskanal
brauchbarer wird und gleichzeitig seine Aufgabe als Be-
wässerungskanal in höherem Maasse erfüllt. Nothwendig war
zu diesem Zwecke der Umbau seiner Einlass- und Schiff-
fahrischleuse, während der höhere Aufstau an der Barrage
eine entsprechende Verstärkung dieser Anlage erfordert.
Die Barrage sperrt mit 2 getrennten Wehranlagen
die beiden bei Rosette bezw. Damiette sich in das Meer
ergiessenden Hauptarme des Nils ab. Es sind Schützen-
wehre mit 6r bezw. 71 Oeffnungen von je 4,88 “ Weite
•zwischen 1,98® dicken Pfeilern. Der in Hohe der Fluss-
sohle abschliessende Wehrboden ist eine 45,70® breite,
3,35 ® dicke Mauerwerkplatte, an welche sich noch beider-
seits Sohlensicherungen anschliessen. Die Schütztafeln
(3 in jeder Oeffnung) werden von starken Laufkatzen ge-
hoben. Die Anlage, deren Sohle sich trotz des verhält-
nissmässig geringen Aufstaues als unsicher erwies, ist
1884 — 1886 von englischen Ingenieuren in Stand gesetzt
worden. Da man es aber doch nicht wagen durfte, sie
einem höheren Wasserdrücke auszusetzen, so sind mit
einem Kostenaufwande von etwa 10 Mill. M, hinter der
Barrage neue Staudämme zu ihrer Entlastung ausgeführt
worden, sodass nunmehr ein Anstauen des Sommerwasser-
standes um 5,5 ® imganzen möglich ist.
Nach den schlechten Erfahrungen, die man mit der
Gründang der alten Anlage gemacht hatte, ging man bei
dem Bau der neuen Wehre sehr vorsichtig vor. Sie sind,
mit Hilfe schwimmender Holz-Kaissons, als Dämme mit
einem massiven Mauerwerkskern von 7 ™ Tiefe bei 3 ®
Breite ausgeführt, an welchen sich beiderseits in 10 ® Breite,
1,80® Dicke ein Thonschlag anschliesst, der durch eine
2,45 ™ dicke Steindecke geschützt ist, die sich oberhalb in
15®, unterhalb in rd. 50® Breite erstreckt. Jeder Damm
enthält natürlich eine Schiffsschleuse.
In dem Nilarm von Damiette ist zur weiteren Ver-
besserung der Bewässerung von Unterägypten eine neue
650
No. 102.
Abbildg. I. Staudamm bei Assuan. Lageplan nebst Anordnung der Baustelle.
^1 Dieses Wehr'hat nur'den Zweck, das
.sl ^ »” Sommerwasser um »,5-3» aufzu-
— stauen, während bei H.W. nur eine
II if=ss7r'^t^nä t^j oefü/nem Hcbung vou 1 5 c™ Stattfindet.
Der eigentliche Wehrkörper ist
■In Ab/sss Schleusen P®! i daher verhältnissmässig leicht kon-
Willi lllllll PI II ||||||ll||iilllll!l -yd ^ ^ struirt, während dem mit Flnssohle
\ lilllllllllllpPlll^llll[lilllllllinll'l-'''^l^^^^ 'llliptl k. ? abschliessenden Boden wieder be-
M \ !''■ ■ ■: ■■.:■■■:. §|, 0;- ■ yti & "t sondere Aufmerksamkeit zugewen-
K 'S det werden musste, um so mehr, als
•■'■■ die Flussohle aus von vielen Quellen
M M.' 1 P • durchsetztem Sandboden besteht, der
K auch der Ausführung erhebliche
■ k^- Schwierigkeiten bereitete. Der Ober-
> ■'‘''‘"'m rs^c 2^ bau besteht aus Steinpfeilern von 2m
' ^ * ’ ' ' ' ' ■ ' ^ ■ ■' Dicke, die durch Gewölbe oben ver-
pRj,««. Abbildg. HtlheDpkn j Assrao. banden sind nnd eine 4, 5„“ breite
Abbildg. 3. Querschnitt ) oirasse tragen. Jeder 9- Pfeiler ist
Höchster p h-y/J’/yr^ I p auf 4 rt» verstärkt. Zwischen denselben
liegen nt Oeffnungen von je 5m
— = — — < Lichtweite, die je durch 2 Schützen geschlossen sind.
'd///////'\^\ ^ Die Höhe von Sohle bis Oberkante stellt sich auf 12,5“.
'J \ \ Die Sohle besteht aus einem die ganze Strombreite durch-
"r7 H. w. d'''''', querenden Mauerwerk-Fundament von 26.5 m Breite bei
3“ Dicke, das durch gusseiserne, 14 m unter Sohle herab-
— '"'/,/W reichende Spundwände ober- und unterhalb gegen Unter-
— . /P/ '^A.iV Spülung geschützt ist. Die Fugen dieser Spundwand sind
" kd ^ ^ noch durch Zement gedichtet. Gegen Auskolkung ist das
S Flussbett in 20 m Breite ober- und unterhalb durch Stein-
>= - I ■■ Packung geschützt, unter welche ira Oberwasser gegen
'-p ■ - ■ ■ - Yx-\— — — — Durchdrängen des Wassers ein starker Thonschlag unter-
1—..«... ir-'x \ gebracht ist, während umgekehrt ira Unterwasser ein Kies-
en ' ' ''t^ \ bett ein Micreissen des Sandes durch Quellen verhindern .
.1, ,, i'rOs Xsömyreriv Zahlreiche Quellen, die sich in der Sohle bei der
_ Herstellung zeigten, wurden durch Zementeinpressung
Ausführung dieses Dammes vollzog sich, wie
\X- ■■ y..y . /r ■ w '/AuMi' z~Y7'''%'\ ' schon hervorgehoben wurde, nicht ohne Schwierigkeit. Sie
,„.<y . t wurde Stückweise zwischcn Fangedämmen Unter Trocken-
-Wehranlage bei Zifta gebaut, die in ähnlicher Weise aus- legung der Baustelle vorgenommen. Diese Dämme wurden
gebildet ist, wie die Stauanlage von Assiut. Sie ermöglicht nach Verlauf einerHochfluthgebahtundvorEmtrittdernäch-
einen Aufstau von 3 m bei Hochwasser und von 4,75“ stenHochfluth wieder beseitigt. Die Sohle nebst den Pfeilern
•bei niedrigen Sommerwasserständen. musste also in einer Bauperiode zwischen November und
Eine sehr beraerkenswerthe Konstruktion ist dieWehr- -Juli bis über Niedrigwasser fertiggestellt sein. Mit der
anlage bei Assiut. die das Nilbett in voller Breite, d. h. in Arbeit wurde am i. Dez. 1898 begonnen. Sie wurde dann
einer Länge von 833 m durchquert. Wir geben in Abbildg. 8 nach Fertigstellung des ersten Theiles durch Bewegungen
S. 653 die Gesammt- Ansicht, in Abbildg. 4 den Querschnitt in der Flussohle, durch Bruch der Fangedämme im Sommer
(beide nach „The Builder“ vom 20. Sept. 1902) wieder. 1900 und durch die schon erwähnte Quellenbildung in der
20. Dezember 1902.
651
Sohle zeitweilig erschwert. Unbeqaem für die Ausführung
war ferner der Umstand, dass der Schiffahrtsweg vor
Fertigstellung der Schiffsschleuse mehrfach verlegt wer-
den musste. Trotz dieser Schwierigkeiten war die Arbeit,
bei welcher zeitweilig bis 13000 Arbeiter beschäftigt waren,
im Frühjahr 1902 beendet.
Den wichtigsten Theil der Neuanlagen nun bildet der
Staudamm bei Assuan, auf den wir etwas näher eingehen
wollen, wobei wir, wie auch bei den vorhergehenden Aus-
Sekretärs in Aegypten, William Garstin, der den da-
maligen General-Direktor der Bewäss.erungs-Anlagen Will-
cocks mitdemStudium derFrage betraute, wie durch Anlage
eines Staudamraes eine weitere Wasserzufuhr und eine
weitere Ausdehnung der Bewässerung möglich sei, da die
vorhandenen Wassermengen bereits bis zum Aeussersten
ausgenutzt waren. Willcocks schlug eine Stauung des Nils
bei Assuan vor, die dicht oberhalb des t. Kataraktes
durch einzelne, die verschiedenen Rinnen abschneidende
führungen und bei den Abbildungen, die schon erwähnte
englische Zeitschrift „The Builder" hauptsächlich benutzen.
Verwiesen sei bei dieser Gelegenheit auch auf die sehr
interessanten Miiiheilungen des Ingenieurs dieser Anlage,
Willcocks, im „Engineering“ vom 6. Sept. 190t, die sich,
ausser mit den Stauanlagen, ganz allgemein mit der Be-
wässerung im Nilthale und ihrer Zukunft beschäftigen.
Auch hieraus sind einige Angaben benutzt.
Die grossen, jetzt zur Durchtütirung gelangten Pläne
verdanken ihre Entstehung der Initiative des Unierstaats-
652
gekrümmte Dämme bewirkt werden sollte. Diese Dämme
sollten einen Aufstau bis -f 114“ über mittlerem Meeres-
spiegel hersteilen und 3700 Mill. Wasser aufslauen.
Der Plan wurde einem internationalen Ausschuss, be-
stehend aus den Ingenieuren Benjamin Baker, Giacomo
Torricelli und Auguste Boule vorgelegt, die sich dahin
entschieden, anstelle der getrennten Dämme (vergl. den
urspr. Plan Dt.sche. Bztg. Jhrg. 1895 S- 70) einen einzigen ge-
raden Damm dicht oberhalb der Katarakte zu errichten.
Sie machten gleichzeitig einen Vorbehalt bezüglich der
No. 102.
Palais Staudt In Berlin. Architekt: Prof. Otto Rieth in Berlin.
Abbildg. 5- Staudamm von Assuan. Gesammt-Ansicht von unterhalb.
Abbildg. 6. auudaaira zu Assuan, riicilausichi von uolcrtiaib.
Abbildg. 7. Staudamm zu Assuan mit Schiffahrtskanal.
Abbildg. 8. Stauanlage bei Assiut. (Abbildgn, 6-8 nach .The Bullder.')
30. Dezember 1902.
653
Insel Philae, die bei der zuerst geplanten Stauhöhe dauernd
unter dem Wasserspiegel des Sammelbeckens mit allen
ihren werthvollen Baudenkmalen würde begraben wor-
den sein.
Dem sich von allen Seiten erhebenden Entrüstungs-
sturm, (vergl. die schon angezogene Stelle Jahrg. 1895
S. 70) gab die Regierung nach und die Stauhöhe wurde
8^-iiefer auf -}- io6“ über mittleren Meeresspiegel verlegt,
sodass nur ein Theil der Insel bei den höchsten Wasserstän-
den überfluthet wird. Das Wasser erreicht dann den Fuss-
boden des Isistempels und bedeckt den Tempel der Haihor
und den Bogen Diokletians vollständig. Um die Tempel
gegen Unterspülung zu sichern, war es nothwendig, die
meist schlecht gegründeten Bauten entw^eder bis zum ge-
wachsenen Granit hinabzuführen, oder eiserne Unter-
stützungsträger einzulegen, eine Arbeit, die bei dem ver-
witterten Zustande des Gesteins nur mit grösster Vorsicht
durchgeführt werden konnte. Immerhin wird der Be-
stand der werth vollsten Bauten hoffentlich noch auf längere
Zeit gesichert sein.
Wird die engüscheVerwaltung aber auch späterhin dem
Audi ängen der Ingenieure widerstehen, wenn sich die
Bedürfnissfrage wieder geltend macht? Die Erhaltung der
Tefnpelruinen von Philae ist vom winhschaftüchen Stand-
punkt mit grossen Opfern erkauft. Der Damm in seiner
jetzigen Gestalt kann nur 1065 Mill cbm Wasser aufstauen,
also noch nicht I/3 der ursprünglich geplanten Fassung.
Willcocks schätzt diesen Verlust auf etwa 700 Milk M.
Wir geben in Abbildg. i S. 651 den Lageplan des nun-
mehr vollendeten Staudamraes wieder, sowie in Abbildg. 2
den Höhenplan, Abbildg. 3 den Querschnitt an der Stelle
einer Ausla^schleuse und m den Abbildgn 5—7, S. 653 Ge-
sammi- bezw. Theilansichten des Dammes.
Die Gesammtlänge des in einer Geraden das Nilthal
von Ufer zu Ufer durchquerenden Dammes stellt sich auf
etwa 2000 01. Dig grösste Stauhöhe bei einem niedrigsten
Unterwasser von + 86o> beträgt 201", die grösste Damm-
höhe von Unterkante Fundament bis Oberkante Damm-
krone 40 die Kopfbreite im massiven Theile 5 an den
Ablass-Schleusen 7 die grösste Sohlenbreite 2s™. Die
Granitsohle des Flusses erwies sich bei näherer Unter-
suchung als stark verwittert, sodass man gegenüber dem ur-
sprünglichen Plane, der noch nicht auf genauen Bohrungen
beruhte, erheblich tiefere Fundamente herstellen mus.ste,
wodurch bei dem starken Anlauf der Hinterseite der Mauer
natürlich eine erhebliche Vermehrung des Kubikinhaltes
derselben und demgemäss der Kosten bewirkt wurde.
Als Material ist an Ort und Stelle gewonnener Granit
verwendet. Den Kern bildet Bruchstein in Zementmörtel
1:4 (etwa 40ü.'q der Gesammtmasse), die Fundamentsohle
ist mit Mörtel 1:2 gemauert. In dem gleichen Mörtel
sind die Sürnveiblendungen in behauenen Steinen und
die Quader- Verblendungen der Ablass- Kanäle versetzt.
Auch der Fugenmörtel besteht aus i Theil engl. Poriland-
zement auf 2 Th. Sand. Die Stirnen der Ablass-Schleusen
sind theils mit Granitquadern, theils mit gusseisernen
Rahmen besäumt. — Der Damm hat eine doppelte
Aufgabe. Einerseits. SölF/er die gesammte eigentliche
Hochfluth des Niles^.mit. ihrem fruchtbaren Schlamme,
d. s. rd, 13440 cbm. in .r Sek. bei .grösstem H.W., ohne
wesentliche Verringerung der Geschwindigkeit glatt ab-
führen können, damit diese in alter WeUe zur Ueber-
stauung des Kulturlandes Verwendung findet, anderer-
seits die nachfolgenden höheren Wasserstände, die diese
Sinkstoffe nicht mehr enthalten, in den Monaten Dezem-
ber bis März soweit aufspeichern, dass dann die Stauhöhe
von + 106 m erreicht wird.
Zum Durchlässen der Nilschwelle und zum späteren
Ablassen des aufgespeicherten Wassers ist der Damm von
140 unteren Auslässen zu je 14401 Fläche bei 20» Licht-
weite und 40 oberen von je 7401 Fläche durchbrochen.
Die Auslässe sind mit Schützen in Stahlkonstruktion ge-
schlossen, von denen 130 als ausbalanzirte Rollschützen
ausgebildet sind, die sich bei 14 t Gewicht trotz eines
Wasserüberdruckes von 450 ‘ mit der Fland bewegen lassen
(System Stoney). Der Rest der Schützen ist nur auf
Gieitflächen geführt.
Bei Fluth sind alle Schützen geöffnet. Sie bieten dann
eine Gesararat-Durchflussfläche von 2240 401. Die Ge-
schwindigkeit des durchströmenden Wassers wird bei höch-
ster Fluth rd. 6 m, bei gewöhnlicher Fluth immer noch
etwa 5“ betragen. Nach Verlauf der Fluth werden die
Schützen allmählich geschlossen und es wird dann dasBecken
Anfangs März unter gewöhnlichen Verhältnissen gefüllt
sein. Dann werden die oberen Schützen so weit geöffnet,
dass der Wasserstand konstant auf -f 106 gehalten wird.
Von neuem werden die Schützen wieder nach und nach
geöffnet, sodass sie Ende Juli nach Entleerung des Beckens
wieder sämmtlich offen stehen, sodass das Spiel von vorn
beginnen kann.
_lm übrigen_ hat Willcocks die Staumauer derart aus-
gebildet, dass sie nach seiner Anschauung eine derartige
spätere Aufhöhung gestattet, da-^s sich eine Erhöhung des
Staues auf -f- 112 ermöglichen lässt. Der Inhalt des Stau-
beckens würde dadurch verdoppelt werden, während sich
die Aufhöhungskosten nach seiner Anbicht nicht viel über
25 Mül. M. stellen würden. Der Inhalt des Staubeckens
würde dann nur norh 1570 Mill. cbm hinter dem ursprüng-
lichen Plane Zurückbleiben, das Schicksal von Philae aber
besiegelt sein.
In Verbindung mit dem Staudamm ist ein die
Katarakte umgehender Schiffahrtskanal gebaut worden,
der eine Schleusentreppe von 4 je 70 m langen, 9,5 m
breiten Schleusen besitzt. Die 5 Schleusenthore, die
in Eisen in besonderer Weise ausgestaltet sind, erreichen
bis zu 18 m Höhe. Sie sind mit Rücksicht auf den unge-
heuren Wasserdruck, der dahinter steht, besonders stark
gebaut und mit besonderen Bewegungs-Einrichtungen aus-
gestattet. Jedes der beiden oberen Thore ist so stark ge-
macht, dass es den ganzen Wasserdruck allein aufnehmen
könnte. Die Schiffahrt auf dem Nii ist nunmehr bis
Wadi Haifa möglich.
Das deutsche Bauernhaus in Deutschland,
Oesterreich-Ungarn und der Schweiz.
wir das letzte Mal über die grosse Arbeit be-
richteten, welche auf Anregung der „Vereinigung
Berliner Architekten“ der „Verband deutscher Archi-
tekten- und Ingenieur-Vereine“ unternommen hat, über
die Arbeit, durch eine Darstellung und Entwicklungs-
Geschichte des deutschen Bauernhauses in seinen typi-
schen Formen neue Grundlagen für die „Erkenntniss über
das Wesen und die Entwicklungs-Geschichte der Volks-
baukunst“ zu gewinnen*), da lag ausser einem Berichte
über die Absichten für die Verfolgung des gross ange-
legten Unternehmens nur eine Lieferung des in 3 ge-
trennten und in sich geschlossenen Abtheilungen er-
scheinenden Werkes vor. Was in derselben geboten war,
Hess wohl ahnen, was das Unternehmen werden würde,
und regle zu hohen Erwartungen für die Zukunft an; es
darf aber, ohne der Gefahr eines Widerspruches zu be-
gegnen, gesagt werden, dass das, was bis heute erschienen
ist, jene hohen Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern
noch weit übertroffen hat. Es sind erschienen von „Das
Bauernhaus im Deutschen Reiche und seinen Grenzge-
bieten“ 7 Lieferungen von 10, von „Das Bauernhaus in
Oesterreich-Ungarn und seinen Grenzgebieten“ 3 Liefe-
rungen von 4, von „Das Bauernhaus in der Schweiz“
sämmtliche 5 Lieferungen. Für alle drei Abtheilungen
steht ausser den fehlenden Lieferungen noch der Text--
aus. Den Verlag lür sämmtliche Abtheiiungen hat Ger-
hardKühtmann in Dresden übernommen und wir wollen
*) Deutsche Bauzeitung 1901, S. 125 ff.
nicht verfehlen darauf hinzuweisen, dass die Mitglieder
der drei bei der Herausgabe betheiligten Vereine, die Mit-
glieder des „Verbandes deutscher Architekten- und In-
genieur-Vereine“, des „Oesterreichischen Ingenieur- und
Architekten-Vereins" und des „Schweizerischen Ingenieur-
und Architekten-Vereins“, für welche Vereine das
Werk ein hoher Ruhmestitel ist, bei seinem Bezüge
eine wesentliche Preisermässigung haben, die bei dem
„Bauernhaus im Deutschen Reiche“ 30 statt 80 M,, bei
dem „Bauernhaus in Oesterreich-Ungarn“ 16,50 statt 45 M.
und bei dem „Bauernhaus in der Schweiz“ 17 statt 51,25 M.
beträgt. Bei so geringen Beträgen, die in keinem Ver-
hältnisse zu dem Reichthum des Gebotenen stehen, sollte
eine so unerschöpfliche Fundgrube der köstlichsten Motive
wahrer Volkskunst, sollte eine Sammlung schönster Vor-
bilder, die wie keine andere zur Gesundung der Bau-
weise in den kleinen Städten, in den Vororten der grossen
Städte und auf dem Lande beitragen können, in der
Bücherei keines Mitgliedes der genannten Vereine fehlen.
Was der Einzelne m längjährigen Studienreisen in den
entlegensten Gegenden mühsam zusammensucht, das ist
durch die zusammenwirkende Thätigkeit einer grossen
Anzahl von Fachgenossen hier zum Studium und zur
Labung, zur Erholung von den Ausschreitungen der Gress-
städte, zur Sammlung in einer stillen Stunde weltabge-
wandien Versenkens in die Zeit der Vorfahren in herr-
lichen Blättern vereinigt.
Lieferung i von „Das Bauernhaus im Deutschen Reiche
und in seinen Grenzgebieten“ enthält auf 2 Blättern das
trauliche Bauernhaus aus Gutach.und Kirnbach im badi-
schen Schwarzwald, das Haus, welches gleich dem Bauern-
hause in der Schweiz und im bayerischen Hochlande in
No. 102.
654
Die Ausführung der Arbeiten am Staudamm in Assuan
bot aussergewöhnliche Schwierigkeiten, galt es doch das
Bauwerk durch die Stromschnellen mit ihren bedeutenden
Tiefen und erheblichen Geschwindigkeiten zu führen.
Man entschloss sich zur Ausführung von Fangedämmen und
Trockenlegung der Baugruben, namentlich auch mit Rück-
sicht auf die Beseitigung des verwitterten Felsbodens.
Diese Fangedämme, die auch dem Angriff der Nilfiuth
widerstehen mussten, waren in besonders starker Konstruk-
tion herzustellen. Man entschied sich, die stromabgelegenen,
zuerst auszuführenden in Stein auszuführen, die oberen
Dämme in Erde in ruhigem Wasser zu schütten. Man
ging mit Absperrung von 3 Stromrinnen gleichzeitig vor,
und verseuchte dies zunächst durch Hineinwerfen von ein-
zelnen Felsblöcken bis zu 4t Gewicht, dann als sich
diese noch nicht schwer genug erwiesen und von
der Strömung mitgerissen wurden, mit ganzen Stein-
haufen, die in Drahtnetze gepackt waren, schliesslich
liess man ganze Waggons, in denen die Steinladung mit
Drahtnetzen und Drahtseilen befestigt waren, 25 t schwer,
in den Strom laufen und bildete so einen festen Fuss,
gegen den man nur die Steinschüttung bringen konnte.
So gelang es schliesslich, der Strömung Herr zu werden.
Nachdem man im Sommer 1898 mit den vorbereitenden
Arbeiten, Legung von Transportgleisen, Bau von Arbeiter-
baracken, Betriebs-Werkstätten- und Krankenbaracken so-
wie Anlage einer Wasserleitung vorgegangen war, gelang
im Juni 1899 die Schliessung der ersten 3 Fangedämme
bis unter Fluthspiegel. Die Steindämme mit 7m Kronen-
breite besassen Böschungen i : i, die grösste Höhe war
i5<n. In derselben Zeit wurden die Ausschachtungs-
arbeiten in den höher gelegenen Theilen gefördert. Die
oberen Erddämme, die aus Sandsäcken gebildet wurden,
konnten nach Verlauf des Hochwassers, demgegenüber
sich die Fangedämme als standfest erwiesen haben, herge-
stellt werden. Sie erhielten eine Kronenbreite von 5“ und
Böschungen i : iV2- Die niedrige, rasch ablaufende Fluth
vom Jahre Z899 gestattete, gleichzeitig auch den Schluss
der mittleren Stromrinne durch Fangedämme vorzunehmen,
sodass der Strom sich nun ganz auf den westlichen Kanal
beschränkt sah. Die Dämme erwiesen sich dann als dicht
und liessen sich unschwer auspumpen. Die Gründungs-
und Mauerarbeiten wurden darauf so rasch gefördert, dass
im Juli vor Eintritt der Fluth die mittleren Fangedämme
durchstochen werden konnten, um die anderen za ent-
lasten. Das schlimmste Stück der Arbeit war damit ge-
Preisbewerbungen.
Ein Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein
Rathhaus in Ober-Schöneweide bei Berlin wird zum 7. April
1903 unter Verheissung dreier Preise von 2500, 1500 und
1000 M. ausgeschrieben. Ein Ankauf zweier nicht preis-
gekrönter Entwürfe für je 500 M. ist Vorbehalten. Dem
Preisgerichte gehören als in der Mehrzahl befindliche
Architekten an die Hrn. kgl. Brthe. Fr. Schwächten in
than und die übrigen Arbeiten vollzogen sich, zumtheil
dank den schwachen Anschwellungen des Nils so rasch,
dass das Werk wesentlich früher fertig gestellt worden
ist, als kontraktlich ausbedungen war.
Die gesammten Arbeiten einschl. des Assiutdammes
und der Schleusen am Ibrahimieh-Kanal wurde imganzen
an die schottische Unternehmer-Firma Aird & Co. über-
tragen, von welcher die Firma Ransomes & Rapier die
säramtlichen Eisenkonstruktionen der Thore und der Ab-
lasschleusen auch an den Schiffahrts-Kanälen übernahmen.
Der Vertrag wurde im April 1898 von der ägyptischen
Regierung abgeschlossen zum Gesammtbetrage von 41,5
Milk M., die in 60 Jahresraten (einschl. Zinsen) vom i. Juli
1903 an mit je i 63t 217 M. bezahlt werden sollten. Diese
Summe erhöhte sich infolge der schlechten Untergrund-
verhältni.sse, die man vorher nicht genügend festgestelit
hatte, auf 71,3 Mill. M. Der Fehlbetrag von 27 Milk M.
wurde durch die vorgestreckten Mittel aus der ägypti-
schen Staatsschulden-Verwaltung gedeckt.
Die Planung des Assuandammes sowie des Stau-
wehres von Assiut rührt, wie schon hervorgehoben
wurde, von Willcocks her, die Oberleitung der Aus-
führung haben seine Nachfolger im Amt, zunächst der
Generaldirektor der Bewässerungsanlagen in Aegypten,
Wilson, und nach dessen Tode Webb gehabt, Be-
rathender Ingenieur war Sir Benjamin Baker. Ing. John
Blue war der leitende Vertreter der Unternehmer in Assuan.
Um die Erhaltung der Baudenkmäler auf Philae durch
Verstärkung der Fundamente hat sich der deutsche
Finanzmann Sir Ernest Cassel in London durch Hergabe
der Mittel ganz besondere Verdienste erworben.
Mit der Schaffung dieser gewaltigen Stauanlagen ist
dem Bedürfnisse auf längere Zeit abgeholfen und vor
allem eine geregelte Bewässerung gesichert, aber schon
denkt man daran, auch die oberhalb gelegenen Theile
Aegyptens und den Sudan durch weitere Anlagen in.
fruchtbare Ländereien zu verwandeln. In den oberen
Seengebieten des Nils ist das Wasser und die Aufstauungs-
möghchkeit gegeben und so sieht AVilIcocks in seinen
Untersuchungen dieser Frage schon die Zeit voran«, in
welcher das Nielgebiet von Faschoda bis zum Mittelländi-
schen Meer in eine fruchtbare Ebene verwandelt sein wird.
Bis dahin wird noch mancher Tropfen den Nil hin-
unterfliessen, ein bedeutender Schritt hierzu ist aber durch
die Schaffung des Assuan-Dammes gemacht. —
. Fr. E.
Cbarlottenburg und Ludw. Hoffmann in Berlin, Geh. Ob.-
Postrth. Hake in Berlin, sowie Hr. Gem.-Brth. Reg.-Bmstr.
a. D. ivlcyer in Ober- Schöneweide. Unterlagen gegen
3 M., die zurückerstattet werden, durch das Gemeindeamt. —
Ein Wettbewerb betr. Entwürfe für ein Mc. Kinley-
Denkmal wird von Philadelphia aus auch für deutsche
Künstler erlassen. Für das Denkmal, welches in einer
architektonisch umrahmten Porträtstatue bestehen soll,
seiner äusseren Erscheinung die ausgesprochenste Eigen-
art zeigt. Es folgen Bauernhäuser aus dem Fürstenthum
Ratzeburg, aus der Lüneburger Haide, aus dem Alten
Lande, aus dem Oden- und dem Spreewald, aus dem
Kreise Lippstadt, aus Schlesien und Oldenburg, aus Ost-
preussen und aus Bremen-Land. — Lieferung 2 beginnt
wieder mit Baden und zeigt, wie die Eigenart der Häuser
des Schwarzwaldes abflaut mit dem Vorschreiten nach
Norden. Die Bauernhäuser aus dem Amte Sinsheim und
aus dem Kreise Mosbach, welche auf den beiden ersten
Tafeln dargestellt sind, erfreuen durch ihren natürlichen
Fachwerkstil, müssen aber zurücktreten, wenn sie neben
die Bauernhäuser des bayerischen Hochlandes gestellt
werden, welche auf den folgenden beiden Blättern dieser
Lieferung in Beispielen aus Benediktbeuren, Garmisch,
Oberaudorf usw. dargestellt sind. Eine Art für sich sind
dann wieder die Häuser des Spreewaldes, z. B. das Bauern-
haus aus Burg; es folgen ein Beispiel aus Klein Rappolt-
stein im Ob. Eisass, schöne Beispiele aus den Vierlanden,
darunter namentlich das prächtige Haus in Neuengarame
No. 216, Bauernhäuser von der Unterelbe, aus Mecklen-
burg-Schwerin und aus Schleswig-FIolstein. — Wiederum
in den Schwarzwald, nach Dauchingen, Einbach und Otten-
höfen führt uns Lieferung 3 und bringt uns einige recht
charakteristische Häuser, die uns darauf in gleicher Cha-
rakteristik aus Miesbach, Lenggries usw. in den bayerischen
Vorbergen vorgeführt werden. Auf 2 Tafeln mit schönen
Häusern aus dem Kreise Diepholz im Hannoverschen sind
auch eine Anzahl Bauernmöbel mit ihren schmucken
Formen und ihrer praktischen Gestaltung wiedergegeben.
Eine Lichidrucktafel dieser Lieferung bringt malerische
Naturansichten von Bauernhöfen in Sachsen und Sachsen-
Alienburg. Mit einem der schönsten Häuser des bayeri-
schen Vorlandes, dem des Bauern in der Au, ist Lief. 4
eröffnet, die auch den herrlichen Bauernhof in Kauerndorf
in Sachsen- Altenburg sowie Naturansichten von Bauern-
häusern aus der Oberlausiiz enthält. Die hervorstechend-
sten Beispiele der 5. Lieferung sind dann derBläsi-Christele-
Hof im Zinken Fischbach bei Freiburg i. Br., werthvolle
Fachwerkhäuser aus Herbolzheim und Allmannsweiler
im badischen Oberlande, ein bayerisches Haus aus dem
Bezirke Miesbach, reiche malerische Fachwerkhäuser aus
dem Odenwalde, aus Oberhessen, aus Sachsen-Altenburg
und eine Häuslerwohnung aus der südlichen Lausitz. Nicht
minder reichhaltig und namentlich werthvoll durch die
beigegebenen Einzelheiten sind die Lieferungen 6 und 7.
Flier sind es in erster Linie die Bauernhöfe zum Obern-
zauner bei Eggstetten und zum Stalleder in Reuth, beides
in Niederbayern, welche wohl auch die grosse Anlage der
oberbayerischen Höfe, in ihrer Gesammterscheinung aber
doch wesentliche Verschiedenheiten von ihnen zeigen. Aus
diesen Lieferungen seien ferner genannt ein malerisches
Haus aus dem Untereisass, Häuser aus demHannöver’schen,
Naturansichten aus dem Erzgebirge und dem Voigtlande,
eineTafel mit prächtigen Innenansichten aus Bauernhäusern.
Schleswig-Holsteins, Fachweikbauten aus dem wüittem-
bergischen Neckar- und dem Schwarzwaidkreis, aus dem
badischen Kraichgau und dem Rheinthal, aus dem badischen
Oberlande, aus Schwaben und Neuburg in Bayern, aus
dem Unterfränkischen, dem Obereisass, aus dem König-
reich Sachsen, aus der Ober- Lausitz, sowie aus dem
württembergischen Donau-, Jagst- und Neckarkreise. Eine
Fülle des schönsten und des werth vollsten Materiales allein
aus Deutschland. — (Schluss folgt.)
26. Dezember 1902.
655
Stehen 30000 Doll, zur Verfügung. Es gelangen 5 Preise
von je soo Doll, zur Verthdlung. Terrain ist der 2. März
1903. Näheres durch die amerikanischen Konsulate. —
Wettbewerb Realschule mit Progymnasium Meissen.
Bei diesem Wettbewerb, der, wie wir bereits erwähnten,
auf sächsische Architekten beschränkt ist und dessen
nähere Bedingungen von den für ähnliche Bauten üblichen
keine wesentlichen Verschiedenheiten aufweisen, sei doch
anerkennend hervorgehoben, dass, wie es scheint, in
Aussicht genommen ist, einem Theilnehmer des Wett-
bewerbes die Anfertigung der Ausführungs-Zeichnungen
zu übertragen. Durch den Umstand jedoch, dass die
Wahl unter den preisgekrönten und nicht preisge-
krönten Entwürfen Vorbehalten ist, werden die Vortheile
die das Konkurrenz-Verfahren bietet, nicht unwesentlich
beeinträchtigt. Es wäre vielleicht erwünscht gewesen,
die Grenzen für die Wahl des Ausführungs- Entwurles etwas
enger zu ziehen und sie nur auf die preisgekrönten und
die zum Ankauf empfohlenen Entwürfe zu erstrecken. —
Wettbewerb Landeshaus Wiesbaden. Den I. Preis von
3000 M. errangen die Architekten Paul Huber & Friedrich
Werz in Wiesbaden mit dem Entwurf „Central“; den
II. Preis von 2500 M. die Architekten Cremer &
Wolffenstein in Berlin mit dem Entwurf Zeitgeist“;
den III. Preis von 1000 M. die Architekten Ernst Rang
& Arnold Silbersdorf in Schöneberg bei Berlin mit dem
Entwurf ,.Jedem das Seine". Zum Ankauf empfohlen wurden
die Entwürfe „Concav“ der Hrn. Paul Bon atz & Friedr.
Paulsen in Stuttgart und „Bach" der Hrn. Paul Huber &
Friedr. W. Werz unter Mitwirkung des Hrn.Arch. Hinder-
mann in Wiesbaden. Es waren 51 Entwürfe eingelaufen.
Sämmtliche Entwürfe sind vom 18. bis 24. und 27. bis
30. Dez. d. J. täglich von 9—4 Uhr im Festsaale des
Raihhauses in Wiesbaden öffentlich ausgestellt. —
Chronik.
Zur Errichtung eines Monumental - Brunnens auf dem
Kostthorplatze in München stellte der Rentier A. Wolf dorten
15 000 M. zur Verfügung. Der Entwurf soll auf dem Wege eines Wett-
bewerbes uhter den jüngeren Künstlern Münchens gewonnen werden.
Der elektrische Betrieb der Wiener Stadtbahn erscheint
nach neueren Nachrichten in weitere Ferne gerückt, da bei einer
Zugstärke von 7 Wagen bei dem jetzigen Stande der Dinge eine
unfehlbare Verkehrssicherheit nicht gewährleistet werden kann.
Da die Stadtbahnziige jedoch 8 — 10 Wagen haben, so müssten die
Motoren so veivollkommnet werden, dass Züge mit dieser höheren
Anzahl Wagen mit voller Betriebssicherheit gefahren werden
könnten. Von anderer . Seite wird jedoch nicht dieser Umstand,
sondern der hohe Preis der elektrischen Energie als verzögernd
in der Einführung des elektrischen Betriebes angeführt. —
Das neue städt. Soolbad und Kurhaus in Bernburg
(^Anhalt), mit einem Kostenaufwande von rd. öooooo M. durch
die Hrn.Arch. B ö rn s t ein & Kopp in Friedenau errichtet, wurde
am 8- Nov. feierlich eingeweiht, nachdem die Volksbadeansfalt be-
reits im Frühjahr und das Soolbad einschl. der medizinischen Bäder
bereits im Sommer der öffentlichen Benutzung übergeben waren. —
Die Grundsteinlegung zum Neubau des krelshauses zu
Landeshut i. Schl., weiches nach den Entwürfen und unter der
Oberleiti.ng der Arch. Gaze & Böttcher in Breslau errichtet
wird, hat am 13. Nov. staitgefundcn. —
Ein neues Oberpostamts-Gebäude in Augsburg ist für ein
Gelände an der grossen Grotienau in Aussicht genommen. —
Die Errichtung eines Strauss-Lanner-Denkmales in Wien,
eines Walzerdenkmales, ist gesichert. Das Denkmal wird sich nach
dem Entwurf des Bildhauers Seifert im Rathhausparke erheben. —
Die V. internationale Kunstausstellung in Venedig 1903
wird vom 22. April bis 3 t. Oktober im Ausstellungs-Gebäude der
Giardini Publici abgehalten werden. —
Eine tirolische Landesausstellurrg in Innsbruck für 1904
ist durch die städtische Verkehrskomnussion in Innsbruck einge-
leitet worden. —
Die Einweihung der neuen kathol. Kirche in Ebenried
fMittelfranken) ist am 23. Novbr. vollzogen worden. Das neue
Gotieshaus ist nach den Entwürfen des Hrn. Arch. Franz Ruepp
in Nürnberg im romanischen Stile aus Quadersandstein mit Putz-
flächen errichtet. —
Elektrische Untergrundbahn In Charlottenburg. Am
13 Dez. 1902 ist die Haltestelle „Am Knie'* der elektrischen Hoch- und
Untergrundbahn dem Retiiebe übergeben und damit die weitere Fort-
setzung d- r Bahn auf Charlottenburger Gebiet eingeleitet worden. —
Der Neubau der Bayerischen Handelsbank in München,
Architekt Emil Schmidt, ist in seinem ersten, an der Winden-
macher- und Schäfflerstrasse gelegenen Theile der Benutzung über-
geben worden. Der zweite Theil an der Maffeistrasse wird sofort
ln Angriff genommen, um im Frühjahr 1904 fertig gestellt zu sein.
Um einen glasüberdeckten Kassenhof gruppiren sich die durch
einen Eingang von der Ecke der Maffei- und der Windenmacher-
strasse zugänglichen Geschäftsräume der kaufmännischen Abtheilung,
während die Geschäftsräume der Flypothekeu-Abtheilung nach der
Sctiälflerstrasse liegen und durch einen Eingang von der Ecite der
Schäffler- und der Windenmacherstrasse zugänglich sind. Das
Untergeschoss enthält umfangi eiche Tresoranlagen. —
Ein Roon-Denkmal in Berlin soll an der Nordseite des
Königsplatzes errichtet werden. Mit seiner Ausführung ist der
Bildhauer H. Magnussen betraut worden. —
656
Erforschung der Baukunst in der arabischen Wüste,
Prof. Dr., Musil .in Olmütz, der Erforscher des Khalifenschlosses
Amras, ist von einer zweimonatlichen Expedition nach Arabien
zurückgekehrt, die er im Aufträge der Wiener Akademie der
Wissenschaften unternommen und welche reiche Forschungsergeb-
nisse hatte. —
Zum Schutze der Kunstdenkmäler Tirols ist bei der Statt-
halterei in Innsbruck eine eigene Körperschaft errichtet worden,
mit deren Leitung Statthaltereirath Freih. von Giovanelli in
Innsbruck betraut wurde.“ —
Künstlerhelm Nürnberg. Für das in Nürnberg zu errichtende
Künstlerheim sind von 19 Personen bereits über 400 000 M. ge-
zeichnet worden. — •
Brief- und Fragekasten.
Hrn. R. Th. in Fr. Ueber das. schiedsrichterliche Verfahren
enthält die deutsche Zivii-Prozess-Ordnung im lo.' Buch die maass-
gebenden Bestimmungen. Insofern es dort nun heisst: „in Ermange-
lung einer Vereinbarung der Parteien über das Verfahren wird das-
selbe von den Schiedsrichtern nach freiem Ermessen bestimmt“,
ist dem freien Ermessen der Schiedsrichter ein weiter Spielraum
gelassen. Gemeinüblich pflegen dieselben jedoch ihr Verfahren
demjenigen anzupassen, welches den ordentlichen Gerichten vorge-
schrieben ist. Sache des Obmannes, ist es; auf- Beobachtung des
zwischen den Schiedsrichtern vereinbarten Verfahrens zu wachen
und eine solche Vereinbarung herbeizuführen, falls unter den Schieds-
richtern dieserhalb Meinungs-Verschiedenheit besteht. Letzteres
scheint in Ihrem Falle vorzuliegen. Sie würden also zunächst einen
Be.schluss herbeizuführen haben, in welcher Form sie verfahren
wollen. Ueber die Anträge der Parteien darf unbedingt nicht hin-
ausgegangen werden. Haben Sie sich durch Ausübung des Ihnen
als Obmann zustehenden Fragerechtes überzeugt, dass. die beiden
Schiedsrichter völlig unbefangen sind und nicht etwa von der Seite,
die sie vorgeschlagen haben, vorher beeinflusst sind? Nach der
Fragestellung und Ihrem Sachvertrage haben wir den Eindruck ge-
wonnen, als ob dies nicht der Fall sei. Auf die einzelnen Streit-
punkte einzugehen, müssen wir uns indess versagen, um nicht das
Schlussergebniss unsererseits zu beeinflussen. — - K. H-e.
Fragebeantwortungen aus dem Leserkreise.
Zur Anfrage i an den Leserkreis in No. 93. Im vorigen Jahre
habe ich mir eine Villa in einer Gegend gebaut, wo z. Zt. noch
keine Wasserleitung ist. Im Keller habe ich eine Rammpumpe mit
8 m Sauge- und Sammelrohr schlagen lassen. Das Rohr reicht
etwa 4 m in das normale Grundwasser. Unmittelbar auf dem Rohr
ist eine Saug- und Druckpumpe aufgestelh, mit welcher das Wasser
bis ins Dachgeschoss in ein Reservoir (Fass von 500 1 Inhalt) ge-
drückt wird. Das Reservoir liegt 11,7 m über Kellersohle. Die
Pumpe saugt also bei jedem Hub, bei niedrigem Wasserstande im
Rohr, 6m und drückt 11,7m. Jeder Hub bringt etwa 3I Wasser.
Von dem Reservoir aus werden im Erd- und I. Obergeschoss je
I Wasserklosett mit Reservoirkasten, im Untergeschoss, io welchem
Küche und Waschküche liegen, sowie im Eidgeschoss und i. Ober-
geschoss I Zapfhahn gespeist. Der Inhalt des Reservoirs reicht
ln der Regel 2 — 3 Tage aus. Am einfachsten finde ich es, wenn
jeden Tag der tägliche Bedarf gepumpt wird, da fällt es nicht so
schwer. Mir macht es Spass und bekommt mir sehr gut, wenn
ich jeden Morgen 60—70 Schläge pumpe. An das Reservoir ist
ausserdem ein Springbrunnen im Vorgarten angeschiossen Der-
selbe liegt etwa 1.7 m über Keliersoble und es geht der Strahl,
wenn der ganze Druck darauf ist, von dort rd. 5 m hoch, erreicht
also etwa der Höhe des Reservoirs. Im Sommer wurde das
Wasser im Dachgeschoss schnell warm, daher zum Trinken unge-
eignet. Das Pumpensteigerohr ist 40mm weit, desgl. das Ueber-
lauf- und SpOlsteinabflussrohr. Die Vertheilungsleitungen sind 20 mm
weit. Die Pumpe hat ein hiesiger Installateur gebaut. Im Keller
ist dieselbe aus Kupfer poliit und wird blank gehalten. Hier ist
auch ein Auslauf für den Wassergebrauch in der Küche; dieses Wasser
geht nicht erst in das Reservoir, sondern kommt unmittelbar aus
dem Pumpenrobr. Die Anlage ist so eingerichtet, dass sie, wenn
die öffemliche Wasserleitung in den Bezirk kommt, nur vor dem
Hause mit der Strassenleitung verbunden zu werden braucht. Die
Pumpe Hesse sich auch gut mit einem kleinen Motor aiitreiben. —
Rössler, Gemeinde-Bmstr in Oberkassel b. Düsseldorf.
Zu Frage r in No. 93 möchte ich mittheilen, das.s wenn keine
elektrische Antriebkraft einer Pumpe, welche das Wasser in ein
Becken auf dem Speicher pumpt, vorhanden ist, und das allläglicbe
Pumpen durch Menschenkraft an einer Druckpumpe mit Steigiohr
nicht angängig erscheinen sollte, noch immer die Anlage eines Wind-
motors, wie ihn die Firma Pieper in Moers am Niederrhein liefert,
am praktischsten ist und am billigsten.
A. Hotes, Architekt in Krefeld.
Zur Frage 3 „Gasheizung für Kirchen“ in No. 93: Die
Dreifaltigkeits-Kirche in Neusalz a. d. O. ist mit Gasheizung ausge-
stattet. Eingerichtet wurde die Anlage durch die Aktien-Gesellschaft
Schaffer & Walker in Berlin. Brannaschk, Stadtbaurath.
Anfragen an den Leserkreis.
Welche Materialien kommen zum Bau von Kühlräumen in Arir
Wendung, in denen bei einer Aussenteroperatur von 15— 20'‘Wärme,
15® Kälte im Inneren der Räume erzielt werden sollen? Es wäre
wünschenswerth , anstelle von Torf, Korkabfällen und Korkplatten
andere Materialien zu verwenden. S, M. L. in St. Petersburg.
Inhalt: Berliner Neubauten. No. 107. Das Palais Staudt, Regenteu-
strasse I und Triie-rganenstras-e 9 — Zur Vollendung des Ml Siaudammes
bei Assuan — Das deutsche Bauernhaus in Deutschland, Oesterreich-Ungarn
und der Schweiz. — Preisbewerbungen. — Chronik. — Brief- u Fragekasien.
Hierzu eine Bildbeilage: Diele ira Palais Staudt zu Berlin.
Verlag der Deutschen Banzeitung, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmann, Berlin. Druck von Wüb. Greve, Berlin.
No. 102.
ERLINER NEUBAUTEN 107: PALAIS
STAUDT, REGENTEN-STRASSE 1 UND
THIERGARTEN-STRASSE 9 * * * *
ARCHITEKT: PROF. OTTO RIETH IN
BERLIN ANSICHT DER DIELE *
^ DEUTSCHE BAUZEITUNG =
* XXXVI. JAHRGANG 1902 - N2. 102 *
EUTSCHE
XXXVI. JAHR-
* BERLIN Hc
srs;s:5rarsrsr«s!ss:
Berliner Neubauten.
No. 107. Das Palais Staudt, Regentenstrasse i
und Thiergartenstrasse 9.
Architekt: Professor Otto Rieth in Berlin.
(Schluss.) Hierzu eine Bildbeilage und die Abbildungen S. 660, 66i u. 665.
m Aufbau des Gebäudes prägen sich mit
gleicher Bestimmtheit wie im Grundriss die
Absicht des Bauherrn und der Charakter
der einzelnen Raumgruppen aus. Lieber
dem niederen Sockelgeschoss aus grauem
schlesischem Granit erhebt sich das stolze Hauptge-
schoss mit der selbst für das palastartige Wohnhaus
nicht gewöhnlichen Höhe von 5,7 “. Es beherrscht
in seiner architektonischen Gestaltung wie in seinem
bildnerischen Schmuck völlig den Charakter desHauses;
es steigert denselben im weitgehendsten Sinne über
das Repräsentative hinaus bis zu dem Eindrücke eines
Monumental-Gebäudes, etwa eines Museums. In der
architektonischenGIiederungwieimplastischenSchmuck
sind die stärksten Akkorde angeschlagen. Alles athmet
die unverkennbare Absicht, einen ungewöhnlichen Ein-
druck hervorzurufen und die vorOberschreitende Menge
zum Verweilen zu zwingen. Schön gegliederte Palast-
fenster mit starker Schattenwirkung gewähren dem
Lichte Zutritt. Am Rundbau in der Thiergartenstrasse
und am Risalit in der Regentenstrasse ist die Gliederung
über die einfache Fenslerumrahmung hinaus zur Drei-
viertel-Säulenstellung mit dem Versuche neuer Kapitäl-
bildungen und mit freien Gewandfiguren über dem
reich profilirten Gebälk gesteigert. Zwischen den
Fenstern in der Regentenstrasse zieht ein Relieffries
hin, dessen überlebensgrosse Figuren Beziehungen zum
Reichsgedanken und zur Friedenskultur des Reiches
darstellen. — Dieser rauschenden Symphonie vereinigten
architektonischen und plastischen Schmuckes gegen-
über tritt die Haltung des Wohngeschosses wesentlich
zurück. Freilich wird dasselbe noch durch die freien
allegorischen Figuren von Handel, Industrie, Land-
wirthschaft, Europa, Amerika usw. ausgezeichnet und
es treten am vorderen Rundbau wie am hinteren Ri-
salit dazu noch auf die Handelsbeziehungen des Bau-
herrn zwischen Europa und Amerika bezügliche Re-
lief-Darstellungen, sowie an der Front an der Regenten-
strasse Schriftenfriese mit den südamerikaniseben
Staatennamen Brasilien, Paraguay, Uruguay und Ar-
gentinien, den Ländern der kommerziellen Unterneh-
mungen des Bauherrn, aber die Haltung dieses Ge-
schosses ist trotz dieses Maasses an Schmuck, wel-
ches für einen normalen Bau schon ein weitgehendes
wäre, eine gegen das Hauptgeschoss völlig unterge-
ordnete. Ein schöner weisser Sandstein aus den
Brüchen von Cudova lässt die architektonischen Glie-
derungen wie den bildnerischen Schmuck zu edelster
Wirkung kommen. Die wiederum mit plastischem
Schmuck bedachte Attika enthält Lichtöffnungen für
die Räume des Dachgeschosses. Das Dach ist mit
Schiefer gedeckt und sein Kamm durch schönen First-
schmuck aus getriebenem Kupfer ausgezeichnet.
Die gleicheHochstimmung künstlerischen Schmuckes
wie das Aeussere durchzieht das Innere und es ver-
dient dem Bauherrn als rühmende Anerkennung
gesagt zu werden, dass er dem Architekten bis ins
Kleinste, bis auf das Schlüsselblech der Thüre, den
künstlerischen Einfluss gewahrt hat. So kommt es,
dass ein einheitlicher Adel das ganze Werk umgibt.
Ueber die Einzelausbildungen des Inneren geben
unsere Abbildungen in viel vollkommenerer Weise
Rechenschaft, als es die beredteste Feder vermöchte.
Leider lassen sie nicht auch den eigenartigen Farben-
reiz der herrlichen Raumstimmungen erkennen. Wie
an manchen Stellen des Aeusseren so zeigt aber «auch
das Innere an einigen Stellen, unter anderem im Speise-
saale, dass ein etwas zu lebhaftes Temperament den
Architekten zu überreichen Häufungen schmückenden
Bildwerkes hingerissen hat.
Obwohl der Architekt selbst Maler und Bild-
hauer ist, so liegt es auf der Hand, dass er bei der
verhältnissmässig kurzen Bauzeit von nur zwei Jahren
sich fremder künstlerischer Hülfe versichern musste.
Er fand dieselbe in hervorragender Weise bei den Bild-
hauern Prof. Ludwig Manzel, Prof. Aug. Vogel und
Prof. W. Widemann in Berlin für die figürliche Plas-
tik, und in den Bildhauern Hugo Schuchhardt und
Schmidt für das Ornamentale. In den Malern Prof.
Max Seliger, Carl Birkle und Ad. Thomer fand der
Architekt die Mitarbeiter für den gemalten Schmuck.
Die Leitung der technisch-konstruktiven Arbeiten war
Hrn, Reg.-Baumstr. W. C. Schmidt übertragen.
In werkthätiger Weise waren bei dem Bau die
folgenden Firmen beiheiligt: Held & Francke in
Berlin für die Maurer- und Zimmerarbeiten; Hof-
Steinmetzraeister C. Schilling in Berlin für die
tektonischen und dekorativen Steinarbeiten; Schulz
& Holdefleiss in Berlin für die Kunstschmiede-Ar-
beiten, sowie Klempnermeister Thom für die Kupfer-
treib- und Blechner-Arbeiten. Die reiche Zimmer-
Ausstattung war an die Tischlermeister F. Wirths
Söhne in Stuttgart und an Carl Müller in Berlin über-
tragen. Die Stückarbeiten lieferten Gebrüder Axerio,
657
die Glaserarbeiten dagegen Jessel. Die Allgemeine
Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin legte die
elektrische Beleuchtungsanlage an, für welche die
Firma . Spinn & Sohn in Berlin die Beleuchtungskörper
lieferte. ‘Die Erwärmung des Hauses erfolgt durch
eine Warmwasserheizung- der Firma E. Angrick in
Berlin. In straffer Zusammenarbeit dieser Künstler
und technischen Firmen entstand aus dem Selbst-
gefühl des erfolgreichen Kaufherrn heraus das vielbe-
sprochene Palais in der Thiergartenstrasse. —
Mit reichen, mit überreichen Mitteln zog Otto
Rieth in diesem Werke auf den von Richtungen und
Strömungen durchfurchten Kampfplatz der modernen
Baukunst; er betrat ihn mit dem ausgesprochenen
Willen, seiner starken Individualkunst in dem Konzert
der Künste volle Geltung zu verschaffen. Er machte
sich auf zum künstlerischen Tournier mit der festen
Absicht, modern im vollen Kampfsinne des Wortes zu
sein, modern, soweit es die Monumentalität der Aufgabe
zuliess. Diese Monumentalität aber wies ihn doch auch
auf dieUeberlieferung, ohne deren Einschlag bei ernsten
und grossen Vorwürfen nicht auszukommen ist. Das
unbeirrte Streben nach neuen Bildungen einerseits,
das Aufsetzen aber dieser neuen Bildungen auf ein
struktives Gerüst und Fundament, welches die Jahr-
hunderte geschaffen, darin beruht bei aller Freiheit
in den Einzelbildungen der technische Werth seiner
Kunst. Er setzte den reichen materiellen Mitteln seines
Bauherrn den überquellenden Formenreichtum seiner
lebendigen Phantasie entgegen und gab uns damit
eine Schöpfung, welche mit ihrem Aufwande an
architektonischen Ausdrucksmitteln wohl einzig da-
steht, jedoch in ihrer Ausnahmestellung auch die.
Frage auslöst, wie der Künstler wohl nach zehn
Jahren über dieses Werk denken dürfte. Diese
Frage veranlasst der ungewöhnliche Maasstab, mit
dem ein ungewöhnliches Werk gemessen werden
muss, —
Bergaufzug nach der Bastei in der Sächsischen Schweiz.
Von Regierungs-Baumeister a. D. Feldmann in Elberfeld.
Hach der Bastei in der Sächsischen Schweiz
wird von einer kleinen Gruppe Industrieller und
Bankiers als erste Ausführung ein Bergaufzug
nach einem vom Verfasser im In- und Auslande zum Patent
angemeldeten neuen Bergbahnsystem geplant, das, falls
die darauf gesetzten Hoffnungen sich bestätigen, wegen
seiner Bedeutung für Riesenaufzüge im Hochgebirge in
den . weitesten Kreisen Beachtung finden dürfte.
Bei dem geplanten Bergaufzug soll, ähnlich wie bei
den bestehenden Berg-Seilbahnen, an jedem Ende der
Zugseile ein Wagen hängen, sodass bei gleichzeitiger Be-
förderung eines Wagens zu Berg und zu Thal die Massen
zum grössten Theil ausgeglichen sind. Die Wagen sollen
jedoch nicht auf einem starren Gleise laufen, sondern ihre
Führung dadurch erhalten, dass sie an straff gespannten,
in ganzer Länge freischwebenden Seilen frei hängen. Ge-
spannt werden diese Führungsseile durch bewegliche
Gewichte an den unteren Seilenden. Bei Belastung ver-
gröäseri sich das Durchhängen der Führungsseile je nach
der Grösse der Last, wobei die Spanngewichte entspre-
chend gehoben werden. Die Seilspannung bleibt also
unabhängig von der Belastung durch Wagen und
unabhängig von Wärmewechsel und Ausdehnung
stets die gleiche. Wird hierdurch schon ein sehr hoher
Grad von Sicherheit erzielt, so geben auch alle übrigen
Einrichtungen eine so vollkommene Sicherheit, wie sie in
gleicher Grösse schwerlich bei einem der bisher be-
kannten S}^steme erreicht werden kann.
Die Führung durch straff gespannte, freischwebend
hängende Seile sichert ausserdem im Vergleich zu einem
Fahren auf starren Schienen, welche infolge der Stoss-
lücken und der unvermeidlichen Unebenheiten in der
Unterstützung stets nur eine unvollkommene Führung er-
möglichen, eine ungewöhnlich ruhige, angenehme und ge-
räuschlose Fahrt. Ferner können bei solchen Anlagen,
da die Anlage- und Betriebskosten sich im Vergleich zu
anderen Systemen sehr niedrig stellen, billige Fahrpreise
gewährt werden, und es ist endlich, da die Bahnen sehr
steil angelegt werden können, eine äusserst rasche Be-
förderung möglich.
Der Bastei-Aufzug soll unmittelbar an der Elbe, dicht
neben der Dampfer- Anlegestelle Niederrathen, beginnen
und unmittelbar bis an das östliche Ende der Basteibrücke:
führen, also an eine Stelle, welche sowieso von allen Be-
suchern der Bastei ohne Ausnahme aufgesucht wird. Auch
zu der EisenbahnstationOberrathen würde der Aufzug recht
Das deutsche Bauernhaus in Deutschland,
Oesterreich-Ungarn und der Schweiz.
(Schluss.)
Binen nicht geringeren Genuss wie das Betrachten der
deutschen Lieferungen gewährt das Durchblättern
‘ der Lieferungen über das Bauernhaus in Oesterreich-
Ungarn. Ein Gehöft aus Rossatz imViertel ober dem Wiener-
walde eröffnet die Lieferung i und zeigt den Typus des ge-
trauerten Bauernhauses des niederösterreichischen Flach-
landes, wie er sich nach Aufhören des Holzbaues vom
i6. Jahrhundert ab entwickelt hat. Wir haben hier schon
starke Anklänge an das kleinstädtische Wohnhaus zu ver-
zeichnen, während die Gehöfte aus Spitz und Weissenkirchen
an derDonau sichwiederraehr demTypusdes Bauernhauses
nähern. Wieder völlig den Bauernhauscharakter in Holz be-
sitzen die beiden geschlossenen Gehöfte aus den Bezirken
Schärding und Wels. Ein liebenswürdiges Blatt ist das
mit dem Wirthshause in St Agatha bei Goisern, einem
an einer sehr befahrenen Postsirasse belegenen Einkehr-
Gasthofe aus der Zeit vor Anlage der Eisenbahn. Das
Oberhaus in Seekirchen im Salzburgischen zeigt eine Ab-
art des Salzburger Fiachgau-Hauses der Dörfer und Märkte
mit der Eigenihümlichkeit, dass das I-Iaus mehrere mit
getrennten Eingängen versehene Wohnungen enthält. Ein
akademisches Beispiel für die stilistische Ausbildung
des Holzhauses des kärntnerischen Berglandes ist das
Haus aus Feistritz an der Donau im Bezirae Villach. Ein
Bauernhaus bei Kirchbichl im Bezirke Kufstein vertritt
dann wieder den Typus des sympathischeren tiroler bezw.
oberbayerischen Bauernhauses. Lieferung 2 beschenkt
uns zunächst mit einigen anziehenden Beispielen alpiner
Holzbaukunst aus Schärding in Oberösterreich und aus
dem Salzburgischen. Hier sind auch die schönen Sgraffiti
aus Steiermark wiedergegeben, die sich an Häusern in
Adriach bei Frohnleiten, aus der Gegend von Eisenerz, bei
Admont, Steinach-Irdning, aus dem oberen Ennsthale
usw. finden. Es ist eine gefällige Dekorationsweise,
welche auch an den verputzten bürgerlichen Steinbauten
der Steiermark im 16. und 17. Jahrhundert sehr häufig
nachzuweisen ist. Der schöne Steinputzbau ist es auch,
pvelcher uns in den Häusern aus dem Vintschgau,
aus Klausen, sowie in den Erkerbildungen aus Südiirol
entgegentritt. Mit dem Wegerhaus aus dem Lieserthal
betreten wir dann von Neuem das Gebiet der alpinen
Holzarchitektur. Die Erscheinung der Häuser dieser
Gegend hebt sich scharf von den oberbayerischen Bauern-
häusern schon durch das stärker geneigte Dach ab, dessen
Holzschindeln nun nicht mehr durch schwere Steine be-
lastet zu werden brauchen. Verwandt ist das Winkler-
haus aus Seeboden am Mülstätter-See. Einzelheiten länd-
licher Plolzbauten aus Kitzbichel und aus dem Valser-
thal, sowie vom Fischerhaus in Pertisau geben uns Kunde
von den maassvollen, ansprechenden Schmuckbestrebungen
der ländlichen Bauten in Tirol. Auch das reiche Fach-
werk tritt durch schöne Beispiele aus dem Egerlande,
besonders in dem reichen Hause aus Matzlbach bei Eger
auf. Die Schmiede zu Pfischowitz bei Turnau in Böhmen
dürfte auf der Grenze des deutschen’ und des slavischen
Bauernhauses stehen, während der schöne Bauernhof in
Hliney bei Leitmeritz der Typus des alten Mittelgebirgs-
hauses in Böhmen ist. Den steiermärkischen Holzbau
bietet uns Lieferung 3 in erlesenen Beispielen aus Breitenau
bei Mixnitz, aus Rothleiten bei Frohnleiten, aus Ramsau
bei Schladming, aus Kemetberg bei Köflach; den länd-
lichen Holzbau in Tirol vertreten 3 Blatt mit Einzelheiten
zum Theil aus spätgothischer Zeit mit Bemalung. —
Was die Schweiz zu dem schönen Werke beigetragen
hat, ist des höchsten Lobes würdig. Das Bauernhaus in
Watt bei Regensdorf im Kanton Zürich besitzt die Viel-
gestaltigkeit einer malerisch gruppirten Anlage. Das schöne
Bauernhaus inSumiswald belebt mit seinem überhängenden
Dache den sanft ansteigenden Wiesenboden, auf dem es steht,
das Wohnhaus aus Emmenthal bei Bern ist ein liebensr
würdiges Beispiel einer kleineren Häuslichkeit; während
die Häuser aus Erstfeld im Kanton Uri und aus Rothenthurm
im Kanton Schwyz weitere Beispiele grösser und reicher
angelegter Hauswesen sind. Völlig verschieden hiervon
658 No. 103/4.
günstig liegen, da er von hier aus in wenigen Minuten erreicht
werden kann, sodass also der Besuch der Bastei ausser-
ordenüich bequem und billig und in verhältnissmässig
kurzer Zeit ausgeführt werden kann. Wesentlich ist,
dass durch eine derartige Anlage die Naturschönheit
der Gegend in keiner Weise gestört wird.
Bei den durch bewegliche Gewichte gespannten
Führungsseilen ändert sich durch eine Aenderung der
Belastung lediglich das Durchhängen der Seile, wobei die
Spanngewichte entsprechend gehoben oder gesenkt wer-
den. Der Vorgang ist nebst den zugehörigen andeuten-
den Kräfteplänen in Abbildg. i in einfachen Linien darge-
stellt.' Im Ruhezustände nimmt das Führungsseil, vergl.
Abbildg. I, A die Lage abc und das Spanngewicht die
Lage'^i ein. Durch die Wagenlast (? wird das Seil in
die Lage aec und das Spanngewicht in die Lage Q ge-
bracht. Das Wagengewicht wird zum grössten Theile von
den Zugseilen getragen, auf die Führungsseile fällt nur ein
verhältnissmässig kleiner Theil. Wenn in dem Kräfte-,
plan B die Linie hi das Wagengewicht G- darstellt, so.
giebt hg die Grösse des Druck^es P auf die Führungsseile.
Der zweite Kräfteplan C
zeigt ohne Weiteres, in
welchemZusammenhange
der Winkel « mit der Seil-
spannung Sund der Kraft
P steht. Wenn bekannt ist,
welche Spannung in den
Führungsseilen durch-das
Spanngewicht Q erzeugt
wird, so lässt sich für
jedeLast leicht das Durch-
hängen der Führungsseile
feststellen, und umge-
kehrt, wenn das Durch-
hängen bei grösster Wa-
genlast ein bestimmtes
Maass nicht überschreiten
soll, lässt sich leicht be-
rechnen , wie gross die
Seilspannung, also auch,
wie gross das Spannge-
wicht sein muss.
Der Weg, den der Wa-
gen zurücklegt, ist durch
die Linie adefc ange-
deutet. Wenn man nähe-
rungsweise annimmt, dass
die straff gespannten, un-
Abbildg.
belasteten Führungsseile nicht eine Kettenlinie, sondern
eine gerade Linie bilden, und dass der Winkel o unver-
ändert bleibt, so würde der Weg des Wagens eine Kreis-
bogenlinie sein.
Für die Führungsseile sind „grobdrähtige Drahtseile '
verschlossener Konstruktion“ besonders gut geeignet, weil
sie eine glatte Oberfläche haben und deshalb besonders
ruhige Bewegungen der Räder sichern. Nach den bis-
herigen Erhebungen werden zweckmässig 2 Führungsseile
von 45 Durchm. angewendet. Die Bruchfestigkeit dieser
beiden Führungsseile beträgt 326 1. Da nun das gemein-
same Spanngewicht mit 27 t ausreicht, um dem Wagen
auch bei voller Besetzung genügend freien Durchfahrts-
raum zu sichern, so durfte eine grosse Sicherheit erzielt
werden. Das Spanngewicht soll für beide Seile, gemeinsam
seinundmitdenSeilen, wie in der die allgemeine Anordnung
zeigenden Abbildg. 3angedeutet und in Abbildg.sS. 662 näher
dargestellt ist, mittels eines Winkelhebels verbunden wer-
den. Durch die Stellung dieses Wiokelhebels ist es .sofort
erkennbar, wenn etwa eines der Führungsseile sich stärker
längen sollte wie das andere, oder falls aus irgend einem
nicht vorherzusehenden Grande die Spannung des einen
Seiles eine andere werden sollte, wie in dem anderen,
sodass also eine genaue Ueberwachung möglich ist.-
Ist somit nach menschlichem Ermessen das Eintreten
eines Bruches in einem der Führungsseile an sich so gut
wie ausgeschlossen, so soll gleichwohl zur Hebung des Ver-
trauens und zur Erzielung .eines sicheren Gefühles selbst
im Falle eines Seilbruches noch volle Sicherheit gewährt
sein. Aus diesem Grunde sind die beiden Führungsseile
senkrecht über dem Schwerpunkt des Wagens angeordnet
und jedes der beiden Führungsseile wird einzeln sowohl
von den Radgestell'en wie auch von dem Wagenkasten
selbst durch feste Konstruktionstheile fest umschlossen. Ein
Loslösen des Wagens von einem derFührungsseile erscheint
ganz ausgeschlossen und es wird der Wagen unter allen
Umständen, selbst beim Bruche eines Führungsseiles, in
unveränderter Weise sicher gestutzt. Die Verbindung der
Führungsseile mit dem Spanngewichte ist derart, dass bei
einem Bruche des einen Seiles das andere Seil nach und
nach und ohne Stoss das gesammteSpannge wicht übernimmt.
Auch die Zugseile hängen in gleicher Weise wie
die Führungsseile in ganzer Länge frei und bedürfen keiner-
lei Unterstützungs- und Führungsrollen. Es ist dies nicht
nur von günstigem Einflüsse auf die Anlage-, Unterhaltungs-
und Betriebskosten, sondern es wird dadurch auch die
Sicherheit sehr erhöht, weil bei den Zugseilen weder ein
Festklemmen stattfinden, noch-überhaupt:ein. unerwarteter
Reibungswiderstand auftreten kann. Wenn somit auch
ist das, was in den romanischen Gegenden der Schweiz
vom Bauernhause auf uns überkommen ist. Wo die
Gegend nach Italien hinübergeht, z. B. in Graubünden,
da macht sich namentlich beim Stein- und Putzbau, der
Einfluss der Schmuckformen der Hochrenaissance geltend.
Ein Beispiel dafür ist das Haus Luck aus dem Prättigau
in Graubünden, ein anderes Beispiel das Haus aus
Silz im Engadin. Hervorragend schöne Beispiele des
schweizerischen Landhauses werden uns in dem Bauern-
hause „Im Steg" bei Diemngen, in einem Bauernhaus in
Lungern, Kanton Unterwalden und vor allem in dem
herrlich'en Bauernhause in Fürth im Kanton St. Gallen
geboten, letzteres vielleicht eines der reichsten und edel-
sten Beispiele schweizerischer Holzarchitektur. Das
Gasthaus zur Krone in Grüsch in Graubünden bildet bereits
den Uebergang zum Stadthause. Wie wundervoll steht das
Bauernhaus zum „Fürsten“ in dem Schutze der dunklen
Koniferen und wie . sicher ruht es sich unter seinem
mächtigen Dache. Wie verlassen ist demgegenüber der
Eindruck der romanischen Gehöfte der Schweiz, z. B. des.
Hauses Grosjean in Plagne. Erst das Haus Lüthy in
Lützelflüeh im Emmenthal bei Bern vermag den Eindruck
der Schwermuth wieder zu verscheuchen. Lustig in seinem
reichen Schmuck steht das Haus in Spiezwyler am Tuner-
see. Das Fachwerk, wie es seine reiche Au-bildung im süd-
westlichen und nordwestlichen Deutschland gefunden hat.
scheint in der Schweiz nicht heimisch zu sein. Ein Beispiel
der edlen Holzarchitektur der Wohnräume schenkt uns das
Werk in der Täferparthie aus der unteren und der oberen
Stube eines Bauernhauses in Sils in Graubünden. Die
Räume sind durch vollendete Holzkunst in schlichter Vor-
nehmheit ausgezeichnet. Eine künstlerische Sonderstellung
nimmt das Telienhaus in Einen im Kanton Ober-Walhs
ein. Es trägt an seinem gemauerten und verputzten
Untergeschoss den gemalten Schmuck der Tellsage und
ist dadurch aus der Reihe der eigentlichen Bauernhäuser
herausgehoben. Ein schmuckes gemauertes Haus, dessen
Obergeschoss allein aus Holz besteht, ist, bei gedrängtem
Grundriss, das Haus Tonosi in Sierre im Kanton Wallis.
Es steht auf der Grenze zu dem Steinbau der roma-
nischen Schweiz. Dieses kommt mit Recht nur zur'gelegent-
lichen Darstellung, denn es entbehrt - des deutschen
Gemüthes. seine Erbauer und seine . Bewohner gehen
nicht in ihm auf. Der Romane betrachtet das Haus mehr
als seine Nothdurft. denn als ein Mittel zur Befriedigung
des Gefühles der Wohligkeit und der Behaglichkeit, eine
Regung, die am unmittelbarsten und unv.ermittelsten eben
im Bauernhause in die Erscheinung tritt. —
Aus der vorstehenden kurzen Uebersicht, die nicht
mehr sein kann und will als eine flüchtige Inhaltsangabe,
lässt sich der reiche Inhalt des Verbands Werkes aber wohl
ahnen. Es ist eine stolze Bereichung der deutschen
Kunstliteratur; es ist eines jener Werke, welche zu dem
eisernen Bestände der Fachliteratur gehören und immer
wieder hervorgeholt, werden durften, wenn es gilt, frische
Nahrung zu suchen, zu verjüngen. Es wird.sich uns, wenn
auch der Text der drei Abtheilungen vorliegt, noch ein-
mal Gelegenheit bieten, auf das abgeschlossene Werk
zurückzukommen, sodass wir es heute mit dem Wun-
sche verlassen können, dass es für jeden Architekten,
der das Gemüth höher schätzt, wie das Geschäft,
der. in der Volkskunst des Landes noch ergiebige Quel-
len für die Bereicherung des eigenen künstlerischen
Schaffens erblickt, ein Hausbuch im deutschesten Sinne
des Wortes werden möge. Es sei aber auch über
all den reichen Ergebnissen der Vater des Gedankens
nicht vergessen. Es war in der Sitzung der „Vereinigung
Berliner Architekten“ vom 15. Okt. 1891, dass Cornelius
Gurlitt, damals noch in Charlottenburg, den Gedanken au-
regte und vertrat, die Kunst des ländlichen Hausbaues,
die aus natürlichen Gründen mehr und mehr dem Unter-
gang entgegen geht, durch Aufnahme typischer Beispiele
der Nachwelt zu erhalten. Wenn die Fachgenossem
Schaft allen Mitarbeiteim am Werke, darunter auch dem
Geh. Baurath 0. Hossfeld in Berlin, der über seiner
äusseren Gestaltung wacht, heute aufrichtig dankt für ihre
Hingebung an das Werk, so beginnt sie mit der Abtragung
dieser Dankesschuld bei Cornelius Gurlitt. — ,H. —
25. Dezember 1902.
659
die Gefahr eines Seilbruches ausgeschlossen erscheint, kann
man gleichwohl ohne Schwierigkeit, wie bei den Führungs-
seilen. auch doppelte Zugseile vorsehen. Wie aus der
Abbildg. 3 S. 663 zu ersehen ist. sollen auch die beiden Zug*
seile mittels Winkelhebel mit dem Aufzugwagen derart ver-
bunden werden, dass bereits bei jeder ungleichen Spannung
und jeder ungleichen Dehnung der Seile zunächst Alarm-
schlossen werden, sodass sich also leicht vollkommen
sichere Fangvorrichtungen anbringen lassen. Die meisten
der bei senkrechten Förderschächten Üblichen Fangvor-
richtungen sind unmittelbar verwendbar. Eine der mög-
lichen Vorrichtungen ist in Abbildg. 3 näher dargestellt.
Die beiden Zugseile greifen hier nicht an einem ge-
meinsamen Winkelhebel an, sondern es sind zwei getrennte
Palais Staudt_ln Berlin. Herrenzimmer.
Signale und sodann Brems-, und zur weiteren Erhöhung
der Sicherheit noch besondere Fangvorrichtungen selbst-
thätig ausgelöst werden.
Da die Führungsseile in ihrer ganzen Länge frei hängen
und zwi'Chendurch nicht unterstützt sind, so können sie von
den Fangvorrichtungen von allen Seiten fest um-
— Architekt: Prof. Otto Ri.e.th in Berlin.
Winkelhebel und fl’g vorgesehen, welche jedoch durch
die Nasen Ni und JVg so mit einander verbunden sind,
dass sich die beiden Hebelarme nur gemeinsam bewegen
können. Bei einer ungleichen Dehnung der Seile müssen
sich die Hebel schief stellen, und durch Beihätigung der
Kontakte Ki und kann dieser Vorgang sicher in selbst-
No. 103/4.
660
thätieer Welse angezeigt werden. Mit denDrehaxen der bei-
den Winkelhebel und ffg sind dann fernerhin exzentrische
Scheiben Ei und E-i verbunden, welche ohne jedes
Zwischenglied unmittelbar die Fangvorrichtung bilden.
Reisst zum Bei-^piel das mit dem Hebelarm Hi verbun-
dene Zugseil, so schlägt der Hebelarm nach unten.
Es wird dieses in dreifacher Weise bewirkt. Einerseits
drückt die Nase’ Ng verstärkt gegen die Nase iV,, anderer-
Die Wirkung ist eine sichere und schnelle, und gleich-
zeitig tritt, selbst wenn sich die Fangvorrichtung ganz
plötzlich festsetzt, kein heftiger Stoss ein, weil die Füh-
rungsseile wegen ihrer Schwere durchhängen und bei
Bethätigung der Fangvorrichtung erst nach und nach straffer
angespannt werden. Es dürfte hierdurch bei den starken
Seilen und verhältnissmässig leichten Wagen eine sehr
gut wirkende Federung des Stosses eintreten, was als ein
seits wird das Herunterfallen des Helmes aber durch das
Gewicht Gi und schliesslich noch durch die Feder be-
wirkt. Das Herunterfallen des Hebelarmes Hi ist also
vollkommen gesichert und es findet damit unmittelbar ein
Festkicmmen des Radgestelles an dem Führungsseile statt.
Das Festklemmen wird dann durch das Gewicht des Wa-
gens noch weiter verstärkt.
Dezember 1902.
wesentlicher Vortheil gegenüber etwaigen festen Führun-
gen anzusehen ist.
Es ist angenommen, dass der Hebelarm Hj mit einer
Fangvorrichtung am oberen Führungsseile und der Hebel-
arm JTj mit einer Fangvorrichtung am unteren Führungs-
seile verbunden ist. Eine weitere Fangvorrichtung
greift an beiden Führungsseilen gleichzeitig an und kann
661
Prof. Otto Rieth iu Berlin.
in einfacher Weise von Hand bethätigt werden. Die Dreh- schliesslich auch das zweite Seil Mängel zeigen, oder so-
axe der Fangvorrichtung greift unmittelbar in den gar gleichfalls gebrochen sein, so würde ein Reserve-
Wagenkasten und kann hier entweder von dem Führer Zugseil von der oberen Haltestelle herabzulassen sein und
mit einfachem Hebelarm oder mit beliebiger Uebersetzung nach Befestigung dieses Hilfsseiles die Beförderung vor sich
bethätigt werden. Statt der Fang-
vorrichtungen mit exzentrischen '
Scheibenkönnenauchlangekeil- T-.
artige Bremsschuhe verwendet ^ r;- Abbildg. 2, Gesammtanlage.
werden, welche durch die Dre- '"ü'-:—
hung-der betreffenden Hebel-
drehaxe an das Seil angepresst
werden.
Die geschilderten Fangvor-
richtungen greifen von der Seite
an die FührungSseile, und da in
dieser Richtung die Seile eine
festeLage haben, kann derSpiel-
raum zwischen Fangvorrichtung
und Seil sehr knapp gewählt wer-
den. In senkrechter Richtung
wird die Stellung derFührungs-
seileje nach derGrösse der Belas-
tung etwas geändert, jedoch' ist
dieseAenderung, dadie Angriffs-
punkte der Fangvorrichtungen
sehr nahe an den Laufrädern
liegen, so gering, dass der Fang-
vorrichtungleicht ausreichender
seitlicher Spielraum gegeben
werden kann. Falls grössere
Aenderungen in der Stellung der
Seile vorzusehen sind, muss die
Fangvorrichtung entweder noch
näher an die Laufräder heran-
gerückt werden, oder es muss
einbesondererBremswagen ein-
gerichtet werden, welcher un-
mittelbar an dem Führungsseil
seine Führung erhält.
ln Abbildg. 4 ist ein derartiger
zweiter Vorschlag einer Fang-
vorrichtung dargestellt. Es ist
hier angenommen, dass die bei-
den Zugseile an einem gemein-
samen Winkelhebe] angreifen.
Mitder Axe dieses Winkelhebels
sind an beiden Enden 2 kleine
Hebel fest verkeilt. Bei gleich-
gespanntenZugseilen stehendie-
se Hebel genau in der Richtung
der Zugseile. Dehnt sich oder
reisst ein Seil, so dreht sich der
Winkelhebel und mitihm drehen
sich die kleinen Hebel. Diese
letzteren sind durch Zugstangen
mit den Fangkeilen in der Weise
verbunden, dass sie von einem
bestimmten Ausschlag ab die
Keile anziehenundvom Gewicht
des Wagens unterstützt so zusam-
menpressen, dass ein unbeding-
tes Anhalten eintreten muss.
Die Keile werden in schwalben-
schwanzartigen Führungen ge-
führt. Ihre Fangfiächensindsehr
lang gewählt, sodass eine Be-
schädigung der Tragseile, selbst
bei ganz plötzlichem Anhalten,
nicht zu erwarten ist. Die ganze
Vorrichtung ist an einem be-
sonderenWägelchen angebracht,
das an den Führungsseilen läuft
und mit dem eigentlichen Rad-
gestelL gelenkig verbunden ist.
Sollten die Wagen einmal in-
folge der Bethätigung einer der
Fangvorrichtungen unterwegs
zum Halten kommen, so werden
zunächst auch die Hand-Fang-
vorrichtungen angezogen. Es
wird sodann das übriggebliebene
Seil nebst allen zugehörigen
Konstruktionstheilen eingehend
untersucht. Bei gutem Befund
wird zunächst durch geringes
Nachlassen des Seiles die selbstthätige Fangvorrichtung gehen können. Wenn auch bei der Maschinenanlage, wiege-
-ausgelöst und festgelegt, und sodann, nachdem auch die schehen,fürausreichendeHi]fs-Konstruktionengesorgtwird,
Hand- Fangvorrichtung gelöst ist, der Wagen mittels des so ist'kein'Fall denkbar, dass ein langes Hängen-
übrig gebliebenen Zugseiles zur Haltestelle befördert. Sollte bleiben einesWagens unterwegs eintreten kann.
662 A . No. IP3_|4
Abbildg-, 5. Maschinenantage und Spanngewicht.
SpanngewichK
Oberer Grundriss.
Unterer Grundriss.
iV
m:
-
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J
— f
^ [
J
ßaägiesteH a. Fangvorrichtung^
■T! doppelten Msässstabe. ■ ■
Der freischwebend untei' den Führungsseilen hängende fachsten dadurch zu erreichen, dass ein am Wagenkasten'
Aufzugswagen soll aus einem dreirädrigenRadgestell mit angebrachtes Blech zwischen zwei federnd zusammen ge-
daran hängendem Wagenkasten bestehen. Es wird hier- drückten Flächen am Radgestell schleift. Die entstehende
durch erreicht, dass der Wagenkasten bei beliebigerNeigung Reibung beeinträchtigt nicht, dass der Wagen sich stets
des Seiles stets senkrecht hängt, was zur Annehmlichkeit senkrecht stellt, verhindert aber in einfacher und wirk-
der Fahrt wesentlich beitragen dürfte. Damit nun aber samer Weise ein Schaukeln um die Aufhängedrehaxe.
Ein seitliches Schwanken der Wagen steht
Abbildg. 3. Anordnung des Aufzugs -Wageus nebst Fangvorrichtung. nicht ZU befürchten. Eine.seitlichePendelbewe-
gung können die Wagen bei der gewählten Auf-
hängeart nur gemeinsam mit den Führ-ungsseilen
machen. Bei der grossen Länge der Seile können
aber nur ganz langsame Schwingungen entstehen.
Es wird deshalb, wie die Versuche und Erfah-
rungen bei den Langen’schenSchwebebahnwagen
auf das Ueberzeugendste gezeigt haben, mit Rück-
sicht auf den geringen Umfang der Wagen und
die grosse Spannung der Führungsseile selbst
der stärkste Sturm kein merkliches, geschweige
denn ein bedenkliches Schaukeln der Wagen ver-
ursachen können.
Die steile Lage der Führungsseile ermöglicht,
wie aus Abbildg. 3 zu ersehen ist, in sehr ein-
facher Weise, dass die Führungsseile einzeln
nicht nur von festen Konstruktionen des Radge-
stelles, sondern auch des Wagenkastens voll-
kommen umfasst werden. Es findet also der
Wagenkasten nicht nur bei einem Reissen eines
der Führungsseile, sondern selbst beim Loslösen
des Radgestelles vom Wagenkästen immer noch
eine sichere Stütze.
Es ist vorläufig vorgesehen, dass die Wagen-
kasten mit 6 Sitz- und lo Stehplätzen eingerich-
tet werden. Da die Fahrzeit eine sehr kurze
(3 Minuten) und die Wagenfolge also eine häufige
ist, dürfte iiiit diesen Wagenkasten schon eine ge-
nügende Leistungsfähigkeit erzielt werden. Das
Gewicht des vollbesetzienWagens wird höchstens
5000 betragen.
Auch die Maschinen-Anlage ist, wie es in
ähnlicher Weise bei allen anderen Vorkehrungen
geschehen ist, durchweg so eingerichtet, dass
beim Bruche eines wichtigen Konstruk-
tionstheiles oder beim Versagen der
Kraftquelle unter keinen Umständen ein
Unfall eintreten kann und mindestens die
Fahrt bis. zu der Haltestelle stets gesi-
chert ist.
Die Zugseile werden, nachdem sie durch
senkrecht stehende Seilscheiben abgelenkt sind,
mehrfach um 2 wagrecht liegende Seiltrommeln
gelegt. Der Antrieb erfolgt nach den vorläufigen
Festsetzungen durch Schnecken-Getriebe. Die
Schnecke wird aus Stahl geschnitten, gehärtet,
polirt und ist zur Aufnahme des axialen Druckes
gegen Stahlkugeln gelagert. Der Zahnkranz des
Rades besteht aus geschnittener Stahlphosphor-
Bronze. Der ganze Schneckentrieb ist einge-
kapselt und läuft beständig in einem Oelbade.
Ob es mit Rücksicht auf die grosse Sicherheit
dieser Anordnung genügt, nur eine der Seil-
trommeln anzmreiben, bleibt näherer
Erwägung Vorbehalten. Es ist natür-
^ lieh ohne Weiteres möglich, auch an
der zweiten Seiltrommel ein zweites
Triebwerk anzubringen, wie es in Ab-
bildg. 5 punktirt angedeutet ist.
Die Schneckenwelle soll durch einen
^ elektrischen Motor angetrieben werden.
Die Elektrizität wird durch einen Diesel-
\ Petroleummotor erzeugt, welcherin dem
i] unteren Theil des Maschinenhauses auf-
y gestellt ist. Eine zwischengeschaltete
Pufferbatterie dient dazu, eine stets
gleichbleibende Kraftleistung zu sichern,
zugleich aber auch, um bei einem Ver-
sagen des Diesel-Motors noch dieWeiter-
beförderung zu ermöglichen. Es wird
noch Sache weiterer Erwägungen sein,
ob der unmittelbare, billigere Antrieb
der Seiltrommel durch den Diesel-
Motor zulässig ist.
In beiden Fällen soll jedoch, um
von der gewöhnlichen Kraftquelle ganz
unabhängig zu sein, an dem Schneckenwerk noch ein
Handbetrieb vorgesehen werden. Es scheint dann unter
allen Umständen ausgeschlossen, dass jemals ein längeres
Häagenbleiben der Wagen unterwegs stattfinden kann.
An jeder der beiden Seiltrommeln ist eine Breras-
scheibe angebracht. Kräftige Doppeibacken-Bremsen wer-'
663
diese Annehmlichkeit nicht dadurch beeinträchtigt wird,
dass der Wagenkasten um seine Aufhängedrehaxe, also in
der Längsrichtung der Bahn, schaukeln kann, so muss Vor-
sorge getroffen werden, dass dieDrehbewegung des Wagen-
kastens nur langsam vor sich gehen kann, also auf irgend
eine Weise etwas gedämpft wird. Es ist dies am ein-
25. Dezember 1902.
den durcii gemeinsame Steuergestänge gleichzeitig be-
thätigt. Die Einwirkung auf die Bremsen wird von der
vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und der
Maschinenbaugesellschaft Nürnberg auf folgende
von einander unabhängige Arten vorgeschlagen:
I. Verzögerungsbremse. Ein Fusstritt gestattet
dem Führer, die Bremsen während der Fahrt zu bedienen ;
jedoch können durch eine Sperrung zwischen Fusstritt
Abbildg:. 6. Ansicht des Basteiaufzuges.
und Steuerhebel die Bremsen nur von einer bestimmten
Stellung des Steuerhebels ab angezogen werden, um deren
Einfallen bei kurzgeschalietem Motor zu vermeiden.
2. Halt- und Sicherheitsbremse. Sobald der
Anlasshebel in die Nullstellung gebracht wird, lässt ein
Magnet ein Bremsgewicht fallen, das die Maschine unver-
züglich zum Stillstand bringt. Um bei geringem Ueber-
gewicht des abwärts fahrenden Wagens ohne Strom fahren
zu können, wird durch den ersten Kontakt der Steuer-
walze nur der Bremsmagnet, durch den zweiten erst der
Motor eingeschaltet. Die Bremse wirkt auch sofort, falls
durch irgend einen Zufall der Strom während der Fahrt
unterbrochen werden sollte.
3. Zweite Sicherheitsbremse. Ein durch einen
Luftputfer gedämpftes Fallgewicht wird ausgelöst durch
einen gleichzeitig als Teufenzeiger dienenden Karlik’schen
Sicherheitsapparat, falls die Geschwindigkeit der Wagen
in der Nähe der Halte.'Jtellen nicht vor>chriftsmässig ab-
nimmt, oder falls die Wagen über die Endstellungen hin-
ausfahren. Ferner kann diese Bremse im Nothfalle vom
Führer durch einen einfachen Handgriff aasgeworfen wer-
den. Zum Heben des in Thätigkeit getretenen Gewichtes
dient eine kleine Handwinde, die mit dem Auslösegriff
zusammenmontirt links neben dem Führer steht.
Ueberschreitet die Fahrt die zulässige Höchst-Ge-
schwindigkeit, so ertönt von dem erwähnten Apparat aus
eine Glocke. Eine weitere zeigt die Annäherung der Wa-
gen an ihre Endstellung an. Legt auf dieses letzte Zeichen
hin der Führer den Anlasshebel nicht zurück, so wird
dieses durch einen Retardir -Apparat, der seinen Antrieb
von einer der vorderen Leitscheiben erhält, selbstthätig
in allmählicher Weise bewirkt. Hierdurch wird die Ma-
schine unbedingt zum Stillstand gebracut, da in der End-
stellung des Anlasshebels die Haltbremse einfällt.
Der Führer hat seinen Stand an der Vorderseite des
Hauses, sodass er durch ein grosses Fenster die Aufzug-
wagen stets überwachen kann. Rechts neben ihm be-
finden sich Anlasser, Fusstritt und Teufenzeiger, links
neben ihm Nothwinde mit Winde für das Sicherheits-Ge-
wicht, sowie ein Stativ mit Volt- und Ampferemeter.
Bei Ueberschreiten der Höchst-Geschwindigkeit auf
freier Fahrt könnte vom Karlik’schen Sicherheilsapparat
aus ein Magnet eingeschaltet werden, der, mit einer
Dämpfung versehen, den Anlasshebel langsam so weit
zurückführt, bis die zulässige Geschwindigkeit wieder
unterschritten ist. Es dürfte jedoch die Anbringung einer
Signalglocke für diesen Fall vollkommen ausreichend sein.
Die Zeitdauer der Fahrt beträgt etwa 3 Minuten, die
Geschwindigkeit 1,3 °»/Sek. Ist der zu hebende Wagen
mit etwa 1500 kg belastet, während der andere leer ist,
so muss der Motor etwa 46 P.S. bei nicht mehr als etwa
340 Umdrehungen in der Minute leisten. Sind beide Wa-
gen mit isookg belastet, so ist das erforderliche Motor-
drehmoment nur 1/3, sind beide Wagen leer, nur 2/0 so
gross. Der Bremsmagnet muss eine Hubarbeit von 2000 kg
leisten. Die sonstigen Einrichtungen des Masebinenhauses
sind aus den Abbildungen 2 und 5 zu ersehen. Abbildung 6
giebt eine Ansicht der Gesammtanlage in der Landschaft, bei
der jedoch die Seile, um sie deutlich zu zeigen, wesentlich
stärker dargestellt sind, als sie in Wirklichkeit erscheinen.
Das vorstehend beschriebene neue Bahnsystem bietet
bei aller Kühnheit so grosse Vorzüge und so bedeutende
Sicherheit, dass es, wieVerfasscr hofft, nach seiner erstmali-
gen Ausführung bei der Bastei für ähnliche Fälle, die sich im
In- und Auslande zahlreich bieten, vorbildlich sein wird. —
Mittheilungeo aus Vereinen.
Badischer Architekten- und Ingenieur - Verein. Die
34. Hauptversammlung vereinigte die Mitglieder der 4 Be-
zirksvereine des Landes am 29. Juni d. J. in Bruchsal
in den Räumen des grossh. Schlosses, der ehemaligen
Residenz der Fürstbischöfe des Bisihums Speyer. Die
Versammlung war aus allen Theilen Badens gut besucht;
es waren in den prächtigen Räumen, dem Fürsten- und
dem Marmorsaal, ungefähr 80 Mitglieder mit ihren Damen an-
wesend. Der Vorsitzende, Hr. Bischoff, begrüsste die
Erschienenen und gedachte der im verflossenen Vercins-
jahre durch den Tod entrissenen Mitglieder, seines Vor-
gängers Adolf Hanser und der Architekten Rauschert und
Hartmann in Pforzheim, Fessler in Heidelberg und Fabri-
kant Widmann in Karlsruhe. Die Versammelten erhoben
sich zum Zeichen des Gedenkens der Verstorbenen von
ihren Sitzen. Der geschäftliche Theil umfasste Verbands-
und badische Angelegenheiten, bei letzteren die Berichte
der Vorstände der 4 Bezirksvereine, Rechnungsablage,
Annahme neuer Satzungen zum Zwecke der Eintragung des
Vereins in das Vereinsregister, Wahl desnächstjährigen Ver-
sammlungsortes der Landesversammlung, wofür Ottenburg
erkoren wurde, und Vorstands wähl für 1903. Gewählt wurden
die Hrn. M. Hummel, I. Vorsiuender, Nestle, Billing,'
664
Wilh. Hummel, Weyer. Der fachwissenschaftliche Theil
wurde ausgefüllt durch einen wohl durchgearbeiteten, inter-
essanten Vortrag des Hrn. Oberbauinsp. Lang in Bruchsal
über die Baugeschichtedes Bruchsaler Schlosses,
demsichunterFührungdesRedners eine eingehende Besich-
tigung des Schlosses in allen seinen Theilen anschloss. Der
Vortragende ist seit Jahren imAuftrage derRegierungmitder
Wiederherstellung des Schlosses beschäftigt, welche mit Auf-
wendung ganz bedeutender Mittel zur Ausführung gelaugt.
Ein fröhliches Mahl in den fesilichenRäumen und ein Prome-
naden-Konzert im schönen Schlossgarienreihten sich dem ge-
schäftlichen Theile an, und erst spät des Abends entführten
die Züge die Erschienenen nach den verschiedenen Rich-
tungen des Landes mit dem angenehmen Bewusstsein, einen
schönen Tag unter Faebgenossen verlebt zu haben.
Vierzehn Tage später wurde eine Nachfeier gehalteu
durch einen gutbesuchten Ausflug nach dem Kloster
Maulbronn, woselbst Hr. Lang eine kurze Erklärung
des Klosters gab. Neben dem Kloster wurden die berühmten
Steinbrüche des Hrn. A. Burrer besichtigt. Eine anre-
gende gesellige Vereinigung in dem wunderbaren Kapitel-
saal des Klosters beschloss den schönen Somraertag.
Besichtigungen wurden ausser Bruchsal (Schloss, Bahn-
hof, Maschinenfabrik vorm. Schnabel & Henning) und
‘Maulbronn vom mitielrheinischcn Bezirksverein mit dem
Np. 103/4
Sitae in Karlsruhe noch zwei in diesem Herbst ausgeführt:
In Pforzheim wurde am 20. Sept. der Wettbewerb für ein
städtisches Hallenschwimmbad besichtigt; an der Er-
läuterung der Pläne betheiligte sich neben Hrn. Stadibmstr.
K ern aus Pforzheim einer der noch anwesenden Preisrichter,
Hr. Prof. Hocheder von München. Hieran schloss sich eine
Besichtigung des Neubaues des grossh. Bezirksamtes unter
Führung seines Erbauers Oberbauinsp. Lang. In Karls-
ruhe wurde am 29. Sept. das reich ausgestaltete Privat-
haus mit Klinik des Augenarztes Dr. Ellinger unter Füh-
rung des Erbauers, Arch. H. Billing, besichtigt.
Die ersteWinlersitzung des mittelrhein. Bezirksvereins
fand am 8. Okt. in Karlsruhe statt und wurde eingeleitet
durch einen Vortrag des Hrn. Ob.-BrtL Baumeister über
der Anfang gemacht wurde. Der Zweck dieses Labora-
toriums ist ein doppelter: einmal soll es als Lehrmittel
dienen für die Studirenden im Anschluss an die Vorträge
über Flussbau; sodann soll es dem Lehrer als Forschungs-
mitteldienen zur Beobachtung der Gesetze und der Wirkung
des fliessenden und des gestauten Wassers. Das neue Lehr-
mittel besteht aus einer j8“> langen, 2 “ breiten und 0,4 ««
tiefen eisernen Rinne, die in beliebiges Gefälle gestellt
werden kann. Hierein werden mit Sand Flussanlagen
eingebaut und durch eine elektrisch betriebene Pumpe
kann ein beliebig starker Wasserstrom, bis zu 65 1 in der
Sekunde, durch das Gerinne geleitet werden. Mittels
sinnreicher Zeichenvorrichtungen können selbst dje gering-
sten Aenderungen des Flussbettes selbstthätig aufgezeich-
Palals Staudt in Berlin. Hofansicht mit Stallgebäude. — Architekt: Prof. Otto Rieth in Berlin.
„Das Projekt zur Kanalisirung des Neckars von
Mannheim bis Esslingen von Bauamtm. Specht“.
Der Vortragende konnte bei aller Anerkennung der sach-
gemässen Aufstellung dem Plan keine aussichtsvolle Per-
spektive eröffnen, da die Rentabilität wegen der grossen
Kosten zu gering sein wird. Dem Vortrage schlossen sich
die Berichterstattung der zwei Delegirten des Gesammt-
Vereins, Prof. Nestle und Ob.-Bauinsp. Lang, an über
die Abgeordneten- und Wanderversammlung in Augsburg.
In der November- Versammlung führte Prof. R e h b o c k
das nach seinen Plänen in der technischen Hochschule
erbaute Flussbau- Laboratorium den zahlreich er-
schienenen Mitgliedern vor. Es ist dies die zweite Ein-
richtung in Deutschland, nachdem von Geh. Rath Engels
vor wenigen Jahren an der Dresdener Hochschule damit
25. Dezember 1902.
net werden. Die Kosten des Flussbau-Laboratoriums haben
etwa 18000 M. betragen. Die interessante Vorführung und
der damit verbundene Vortrag fanden bei der Versammlung
allgemeinen Beifall.
_ In derDezembcr-Versammlung zeigteHr.Hochbauinsp.
Stürzenacker in Karlsruhe die Pläne zu einem Krema-
torium, die er für einen Verein für Leichen-Verbrennung
aufgestellt hat. Das Gebäude erhält einen Hauptraum von
8 : IO ™ und soll etwa 66 000 M. kosten. Die Ausführung
wird einfach, aber in ernsten würdigen Formen gehalten
sein. Ferner führte der Vortragende die Pläne zu einer
städtischen Knaben- und Mädchenschule auf dem
Lutherplatze vor, die eben im Bau begriffen ist; das
Gebäude, an einer Strassenecke geplant, bekommt zwei
Fronten mit 97 und 30™; es besteht aus einem Turnsaal
665
an der schmäleren Seite, einem Schuldienerhause, welches
in origineller malerischer Eckansbildung gehalten ist, und
dem Hauptgebäude mit den Schulsälen. Die Kosten sind
auf 597000 M. veranschlagt oder 17,40 M. f. d. oder
14000 M. für den Schulsaal. Der Entwurf ist in den For-
men der deutschen Renaissance mit barocken Anklängen
gehalten. Der Vorsitzende dankte Namens des Vereines
dem Vortragenden für die Vorführung und sachgemässe
Erläuterung seiner beiden jüngsten Bauausführungen. —
Arch.- u. Ing.-Verein zu Hamburg. Vers, am 7. Nov.
1902. Vors. Hr. Zimmermann, anw. 73 Pers.
Vor Eintritt in die Verhandlungen theilt der Vorsitzende
mit, dass Hr. Arch. Ed Hoppmann, ein langjähriges treues
Mitglied des Vereines, am i. Nov. verstorben ist. Hr.
Faulwasser giebt zum Gedächtniss des Verstorbenen
eine Schilderung des Lebens und Wirkens desselben.
Hoppraann wurde am 19. Febr. 1849 in Eutin geboren
und besuchte das Gymnasium daselbst. Nachdem er seine
ursprüngliche Absicht, Kunstmaler zu werden, aufgegeben
hatte, widmete er sich dem Studium der Architektur und
besuchte die Bauschule in Dresden. Nach mehrjähriger
Thätigkeit in Dresden und Altona trat Hoppmann im Jahre
1877 Dienste der hamburger Baudeputation und
wurde bei dem Bau des Zentral-Gefängnisses in Fuhls-
büttel beschäftigt. Nach Vollendung dieser umfangreichen
Bauten schied Hoppmann aus dem Staatsdienste aus und
ist seitdem in selbständiger Ausübung seines Berufes als
Architekt thätig gewesen. .
Von Hoppmann’s Bauausführungen werden vom Red-
ner als die wichtigsten genannt: Die Glockengiesserei und
Metallwaaren-Fabnk von Lehntng an den Vorsetzen, die Ma-
schinenfabrik von Deseniss & Jacobi im Hammerbrook, die
Nähmaschinenfabrik von Neidlinger,desgl. diejenige von Guhl
& Harbeck, die Metallwaaren-Fabrik von HansHaller in Otten-
sen, die Meiallgiesserei von Fleck & Söhne, die Gebäude für
dieOelfabriken in Rothenburgsort, dieHarburger Leinöl- und
Firnis^sfabrik von Max Brinkmann, die Maschinenfabrik von
Alfr. Gnimann in Ottensen, die Margarine-Fabriken- von
A. L. Mohr in Bahrenfeld, die Eierspeicher von E. Tannen-
baum in Barmbeck, die Metallwaarenfabrik von Fr. Filler
in Eimsbüttel, die Harburger Gumraiwaaren-Fabrik von
Dr.Traun, die Wollweberei in Oldesloe, die Eisengiesserei
von Fehrraann in der Amsinckstrasse. Neben diesen und
anderen Fabrikgebäuden sind auch- eine Reihe von Wohn-
häusern z. B, an der Eilenau und am Graumannsweg, fer-
ner das Haus des Bürgermeisters C. H. Mewes, Stadthaus-
brücke 12—14, sowie die Villa Guhl in Gremsmühlen von
Hoppinann entworfen. Redner schliesst mit der Versiche-
rung, dass Hoppmanns Tod unter seinen Freunden eine
klaffende Lücke gerissen habe und dass ihm dieselben
ein treues Andenken bewahren.
Der Vorsitzende verliest sodann ein Schreiben des
Vorsitzenden^ der Aussteliungs - Kommission des Kunst-
verei'ris, in welchem die Veranstaltung einer Architektur-
Ausstellung in Verbindung mit der im Frühjahr 1903 statt-
Ein Prachtwerk über das Bayerische National-
Museum in München. (Schluss.)
ie Schilderung des Verlaufes des engeren Wettbe-
werbesfür die ersten Entwürfe eröffnet interessante
Einblicke in die Vorgeschichte des Museums. Zur Be-
urtheilung der 3 Entwürfe wurde eine grössere Kommission
gewählt, in welcher sich die 6 Architekten von Bezold,
Buehlmann, Rettig, AlbertSchmidt, Freih. v. Schmidt
und Friedrich Thiers ch befanden. Sie wurden durch das
Loos in zwei Gruppen getheilt und hatten die Aufgabe,
in einem schriftlichen Gutachten ihre Ansicht über die
Entwürfe kund zu geben. Das Gutachten der Hrn. v. Bezold,
Buehlmann und AlbertSchmidt gelangte zu dem Ergebnisse,
es möge den 3 konkurrirenden Künstlern zunächst noch
einmal Gelegenheit gegeben werden, ihre Entwürfe theil-
weise umzuarbeiten. Das Gutachten der Hrn. Rettig,
Freih. v. Schmidt und Thiersch jedoch erklärte sich sofort
für den Seidl’schen Plan und beantragte, den Auftrag zur
Ausführung an Gabriel Seidl zu übertragen. Auch der
Direktor des Nationalmuseums von Riehl schloss sich
ungeachtet einiger Bedenken gegenüber dem Seidl’schen
Entwürfe dem Vorschläge der zweiten Gruppe an. Als
einen Vorzug betrachtete er in dem Entwürfe Seidls die
Anlage von zwei Geschossen und die mit ihnen betonte
Doppelnatur der Sammlungen, der historisch-räumliche
und der wissenschaftliche Magazincharakter derselben.
Die Mannigfaltigkeit der von Seidl geschaffenen Räume
fand seinen Beifall nicht minder wie die stilistische
Haltung des Gebäudes, aus welcher er den Eindruck eines
„altbayerischen fürstlichen Herrenhauses, eines Landsitzes
inmitten gärtnerischer Anlagen aus der Zeit des 17. und 18.
findenden grossen Kunstausstellung anheimgegeben wird.
Es wird ein Ausschuss gewählt aus den Hrn Groothoff,
Grotjan, Löwengard, Wöhlecke und Wurzbach.
Zum dritten Gegenstand der Tagesordnung erhält das
Wort Hr. Faulwasser zur sehr beifäll g aufgenomraenen
Besprechung der im Saale ausgestellten Blätter des Werkes
„Das Bauernhaus in Oesterreich“ unter Vorführung
zahlreicher Lichtbilder (s. S. 658 f.).
Vermischtes.
Besuche deutscher technischer Hochschulen. Die Tech-
nische Hochschule in Dresden ist im laufenden W.-S.
von zusammen 1279 Hörern besucht, von welchen 155 auf
die Hochbau-Abtheilung, 296 auf die Ingenieur-Abihcilung,
425 auf die mechanische Abtheilung, 172 auf die chemische
und 48 auf die allgemeine Abtheilung kommen. Die übrigen
Hörer sind Hospitanten. — Die Technische Hochschule
in Braunschweig ist im gleichen W.-S. von 5a Hörern
besucht; von ihnen entfallen auf die Abtheilung für Archi-
tektur 45, auf die Abiheilung für Ingenieurwesen 82, auf
die Abiheilung für Maschinenbau, Elektrotechnik und Textil-
industrie 218, auf die Abtheilung für Chemie 75, für Phar-
macie 51 und für allgemein bildende Wissenschaften und
Künste 40 Hörer. — Der Besuch der Technischen Hochi-
schule in Stuttgart erreicht 1174 Hörer; davon kommen
auf die Abtheilungen für Architektur 217, für Bauingenieur-
wesen 219. für Maschineningenieurwesen 361, für Chemie
III, für Mathematik und Naturwissenschaften 28 und für-
allgemein bildende Fächer 12 Hörer. Hierzu treten 226
Hospitanten. — Die Technische Hochschule in München
wird ira angeführten Zeiträume von 2943 Hörern besucht,
darunter 436 der allg. Abtheilung, 730 Bauingenieure, 437
Architekten, iioi Maschineningenieure, 174 Chemiker und
65 Landwirihe, —
Hauptkatalog der Korksteinfabrik von Grunzwelg & Hart-
mann in Ludwlgshafena.Ru. Diese Firma hat vor kurzem
einen neuen illustrirten Hauptkaialog herausgegeben, der
nicht nur dieEigenschaften des bekannten und im Hochbau
bereits zu den mannigfachsten Zwecken verwendeten Mate-:
rials schildert und in zahlreichen Konstruktions-Zeichnun-
gen und Aufnahmen nach dem fertigen Bauobjekt die An-
wendung desselben erläutert, sondern auch auf ein-
gehenden Versuchen beruhende Vergleiche der Isolir-
fähigkeit dieses Baustoffes gegenüber anderen Materialien
und Konstruktionen giebt. Sind auch solche' Zahlen nach
ihren absoluten Werthen stets mit einiger Vorsicht auf-
zufassen, so ergeben sich aus ihnen doch manche schätzens-
werihe Aufschlüsse.
Die wesentlichen Eigenschaften der Korksteine: gute
Isolirung gegen Wärme, Kälte und Feuchtigkeit; Schall-
därapfung; Erhöhung der Feuersicherheit, weil selbst das
Feuer nicht übertragend; grosse Leichtigkeit usw. sind
bekannt. Wird derKorksiein dauerndmitFeuchtigkeitinBe-
rührung gebracht, z. B. in Eis- und Kühlkelleranlagen, so
Jahrhunderts“ gewann. Es wurden nunmehr der Gesammt-
kommission zwei Fragen vorgelegt, deren erste, ob die drei
Künstler zu einer erneuten Vorlage ihrer umgearbeiteten Enh
würfe aufgefordert werden sollten, mit ii gegen 6 Stimmen
verneint, und darauf die zweite Frage, ob nur ein Künstler
und zwar Seidl zur weiteren Bearbeitung der von ihm ein-
gereichten Entwürfe „unter der Voraussetzung der Vor-
nahme der in Bezug auf die Fassade und innere Ein-
richtung gebotenen Aenderungen zu empfehlen sei“, ein-
stimmig bejaht. Dieser Beschluss fand am 18. Oktober 1893
die Allerhöchste Genehmigung und bald darauf schlug
Seidl sein Atelier im Nationalmuseum auf, um die weiteren
Arbeiten in stetem Zusammenleben mit den Sammlungen
zu unternehmen. Die so entstandenen neuen Pläne fanden
im September 1894 die Genehmigung des Prinzregenten,
und es folgte im Oktober der Abschluss des formellen
Vertrages zwischen dem Architekten und der Staatsver-
waltung.
Ueber die Grundsätze bei der künstlerischen Gestal-
tung des Museums hat sich der Architekt einmal mit den
Worten ausgesprochen: „Wer den schönen Eindruck
kennt, den ein Schritt aus dem Stadtgewühle in Paris
durch die Klosterpforte des Musee de Cluny gewährt,
wo man von feieriicher Ruhe und dem schönen Zauber
mittelalterlicher Kunst empfangen wird, wer ähnlicher
Eindrücke beim Germanischen Museum in seiner früheren
Gestalt gedenkt, oder des Doinmuseums in Basel, des
Thermenmuseums in Rom, — für den kann es nicht
zweifelhaft sein, dass dasselbe Bauprinzip auch beim
Bayerischen Nationalmuseum am rechten Platze war.“
So kam er dazu, das Museum hinter die Baulinie zurück-
zustellen und es damit dem Geräusche des Alltages zu
' No. 103/4.
666
wird der asphaltirte Korkstein verwendet^ dessen
Oberfläche in der Fabrik einen Ueberzug aus Pech erhält.
Zu bestimmten Zwecken ist Wasser- und Wärme-
beständigkeit erforderlich. Diesen Zweck erfüllt ein
unter Druck mit heissflüssigem Pech imprägnirter Kork-
stein. der in verschiedener Dichte auch mit gehobelter
Oberfläche (z. B. als Unterbelag für Linoleum) hergestellt
wird und bei feuchter Wärme nicht aufquillt.
Ein neues Erzeugnis ist schliesslich armirter Kork-
stein, welcher es gestattet, dieses Material nunmehr auch
für selbständig tragende Konstruktionen zu verwenden, was
bei der verhältnissmässig geringen Festigkeit des Kork-
steins bisher nicht möglich war. Nach Versuchen der
Kgl. Mechan. Versuchsanstalt in Charlottenburg ist die Druck-
festigkeit etwa zu 17, die Bruchfestigkeit zu 7,35kgyqcm
für den gewöhnlichen Korkstein der Firma festgestellt
worden. Um die Tragfähigkeit zu erhöhen, werden die
(meist 6 starken) Korksteinplaiten je nach dem Ver-
wendungszwecke mit Holzleisten und Bandeisen armirt.
Die Platten werden 25 cm breit, 0,5—3 “ darüber
lang und mit Federn und Nuth versehen geliefert. Eine
solche Platte, unten geputzt, oben mit Asphalt- oder
Zementestrich versehen, soll bei 1,5—2 “ freier Spannweite
500—1000 kg/qm Tragfähigkeit bei nicht mehr als 10
Durchbiegung besitzen. Diese armirten Platten werden
sich daher zu Decken in Speichern und Ställen (in
letzteren vortheühaft wegen der Unempfindlichkeit gegen
Ammoniakdämpfe), zu llachen Fabrikdächern usw. em-
pfehlen. Das Anwendungsgebiet des Korksteins wird
hierdurch wesentlich erweitert werden können. Den Be-
schluss bildet eine Schilderung der Anwendbarkeit des
Korkes zu verschiedenen Zwecken in der Industrie. —
Ueber Staukurven-Berechnung.*) Die durch einen
praktischen Fall veranlassten und auf einfachen Annahmen
aufgebauten Ausführungen in No. 80 d. J. gehen von dem
Grundgedanken aus, den Stau bezw. deu vom Stau her-
vorgerufenen hydraulischen Druck in jedem Profil der
Forderung entsprechend anzunehmen, dass durch jeden
Querschnitt die Wassermenge vh durchfliesse. Dadurch
und nicht aufgrund einer ganz willkürlichen Voraussetzung
ergiebt sich von selbst der Stauanfang in B, der Stau-
höchstwerth in A usw. Der Einsender in No. 99 berührt
diesen Grundgedanken überhaupt nicht ; dagegen kämpft
er gegen die theoretische Feststellung eines Knickes im
Wasserspiegel an, und entdeckt an diesem Knick ver-
schiedene vermeintlich widersinnige Eigenschaften. Diese
Entdeckung nimmt er dann als vollgiliigen Bew^eis dafür
an, dass das Ganze unrichtig sei, auf unhaltbaren Voraus-
setzungen beruhe usw.
Die bezeichneten Eigenschaften waren mir bei Ab-
fassung des Artikels in No. 80 ebenfalls wohlbekannt,
schienen mir aber zu Zweifeln an der Richtigkeit der
Formelentwicklungen durchaus keinen Anlass zu geben.
*) Anmerkung der Redaktion. Wir schliessen hiesmit die Er-
örterungen über diesen Gegenstand ab.
Wenn die Formeln einmal von A aus nach aufwärts wag-
rechten, nach abwärts mit dem Gefälle q> geneigten Wasser-
spiegel ergeben, warum denn nicht? Bei den gegebenen
geringen Neigungsverhältnissen — es ist angenommen,
dass die zur Sohlenneigung senkrecht genommenen Quer-
profile von der Vertikalen nicht bedeutend abweichen —
wird die Knickung recht zahm ausfallen; übrigens wird
sich dieselbe ja in derNatur selbstverständlich entsprechend
abfeilen. Und warum sollte bei geeigneten Verhältnissen
unter den dynamischen Wirkungen der mit der Geschwin-
digkeit V ankommenden Wassermasse nicht sogar auch
einmal ein nachträgliches Steigen des Wasserspiegels in
A möglich sein? Praktische Beobachtungen dürften die-
ses Ergebniss der Stauformeln recht wohl rechtfertigen.
Die Schlussbelehrung, dass im angenommenen Falle
überhaupt besser nicht gerechnet würde, klingt sehr bequem.
Im allgemeinen ist es doch nie zu verwerfen, wenn das
Vorhandensein einfacher, genügend genaue Ergebnisse lie-
fernder Formeln eine Berechnungs-Möglichkeit bietet. Es
kommen Planungen vor, bei denen aus Gründen der
Sparsamkeit usw. strittige Ausmaasse nicht nach dem
Gefühl gut gegriffen werden, sondern nach Möglichkeit
theoretische Begründung finden sollen. Die Formelent-
wicklungen können auch da dienen, wo die beiden höch-
sten Hochwasser einzeln genügend bekannt sind und nur
über deren Zusammenwirken Aufklärung erwünscht ist. —
H. Sailer.
Bücherschau.
Inhalts-Verzeichniss der Jahrgänge 1891 bis elnschl. 1900 vom
Centralblatt der Bauverwaltung. Bearbeitet von R.
Hartmann. Berlin 1902. Wilhelm Ernst & Sohn.
98 Seiten gr. 4°. Preis 6 M.
Das übersichtliche Verzeichniss theilt sich in I. ein
Verzeichniss der amtlichen Mittheilungen und II. ein Ver-
fasser-, Orts- und Sachverzeichniss. Das neue Inhalts-
Verzeichniss ergänzt das erste, für einen gleichfalls 10-
jährigen Zeitraum von Gillsch bearbeitete Verzeichniss
aus dem Jahre ]89t. Beide Verzeichnisse umfassen somit
einen Zeitraum von 20 Jahren des Centralblattes. —
Hochbau - Lexikon. Bearbeitet und Herausgegeben von
den Architekten Dr. phil. Gustav Schönermark und
Wilhelm Stüber. Berlin 1902. Wilh. Ernst & Sohn.
In 20 Liefrgn. von je 2 M. oder in 5 Abtheilungen
von je 8 M.
Das Hochbau-Lexikon enthält, nach Schlagwörtern ge-
ordnet, kurz, aber umfassend alles Wissenswerthe aus dem
Gebiete des Hochbaues. Seine Vorzüge sind Uebersicht-
lichkeit und Anschaulichkeit. Die Ankündigung der Ver-
lagsbuchhandlung sagt in dieser Beziehung nicht zu viel.
Es ersetzt in trefflicher Weise das alte Lexikon vonMothes.
Durch eine reiche und vorzügliche Illustrirung erhalten
die kurzen Artikel eine grosse Klarheit und Anschaulich-
keit. Wo irgend möglich, ist anstelle einer Zeichnung eine
Naturaufnahme gewählt, welche den Vorgang oder Zu-
entziehen. Durch abwechslungsreich gestaltete Mauern
wurde die Absonderung des Besuchers von der Aussenwelt
vollzogen und ihm durch die Anlage mit Statuen geschmückter
Vorgärten die innere Sammlung zum Betreten des Gebäudes
geliehen. Die Losiösung des Gebäudes von derBauflucht er-
möglichte es dem Architekten auch, „den Grundriss unter fort-
währender Berücksichtigung der vorhandenenSammlungen,
der denkbar reichsten Lichtzufuhr und anderer Vortheile
mit grösstmögiichster Freiheit zu gestalten.“ Im übrigen:
„Je bewegter , der Grundriss, desto einfacher der Aufbau.“
Der Stil einer bestimmten Zeit ist mit Absicht nicht ver-
wend_et_worden, wohl aber hat das Werk einen bestimmten
einheitlichen Charakter, den der Bauweise der bayerischen
Lande, wie sie vor und nach dem dreissigjährigen Kriege in
Blüthestand und in der MünchenerResidenz ihren Höhepunkt
erreicht hat. Die Möglichkeit abwechslungsreicher Raum-
gestaltung kam einem besonderen Umstande zu statten.
Mit Recht wird in der Schilderung unseres Prachtwerkes
ausgeführt, es verlören gewisse Werke der Kunst nicht
selten bedeutend an Wirkung, indem sie unter dem Zwang
derUmständeinnach Grösse und Form nichtentsprechenden
Räumlichkeiten untergebracht werden. Das betrifft haupt-
sächlich Altäre, Gobelins und Möbel aller Art, namemhch
aber Raumbestandtheiie, wie Decken, Vertäfelungen
usw., welche an bestimmte Maasse gebunden sind. Im
neuen Museum wurden die Grundform und die Höhe
der meisten Säle nach den vorhandenen Werken gewählt
und dadurch die reichste Abwechslung erzielt. Diese
aber „ist bei einem so umfangreichen Museum das einzige
Mittel, um nicht allzurasch zu ermüden.“
Für die Wirkung der Räume sind verschiedene Maass-
nahmen beobachtet. Zunächst ist die farbige Gesammt-
25, Dezember 1902.
Wirkung eines jeden Saales in einen harmonischen
Gegensatz zu der Wirkung des benachbarten Saales
gebracht. Ferner ist darauf Bedacht genommen, dass der
in einen Saal eintretende Besucher nicht durch ein Fenster
geblendet wird, sondern dass er schon beim Eintritt in
den Saal ein ruhiges Bild seiner Gesammtwirkung erhält.
An das Museum als ein in sich geschlossener Bautheil
angeschlossen ist das Siudiengebäude mit Einrichtungen
für die Fruchtbarmachung der reichen Sammlungen, Die
Erweiterungsfähigkeit des Museums ist sorgfältig bedacht.
Sind alle Räume erschöpft und auch die Höfe und Gärten
soweit thunlich mit Baulichkeiten besetzt, so befinden
sich jenseits der Himbselstrasse eine Anzahl von Staats-
gebäuden, die jederzeit ohne Bedenken dem vornehmeren
Zwecke der Erweiterung des Nationalmuseums geopfert
werden- können.
Eine Frage von nicht nebensächlicher Bedeutung war
die der Umgestaltung der Strasse vor dem Nationalmuseum.
Das sogenannte Forum der Prinz-Regenten-Strasse,
welches sich vor dem Museum ausbreitet, war beim
Baubeginn ein regelmässiger Platz mit Rasen- und Baum-
pflanzungen, „das Musterbild einer Anlage, wie sie die
moderne Städtebaukunde mit Recht verwirft.“ Da Seidl
der Ueberzeugung war, dass das unregelmässige Museum
einen streng symmetrischen Platz nicht vertrage, so
arbeitete er mit dem damaligen Vorstand des Stadterwei-
terungsbüreaus inMünchen. Theodor Fischer, einen Ent-
wurf mit unregelmässigem Platz-jrundriss aus, bei welchem
wir einen Augenblick verweilen wollen, da die hier
angebahnten Gedanken von grösstem Einfluss auf die
spätere Wirkung des namentlich auch in seinen Be-
ziehungen zu dem auf dem jenseitigen Ufer der Isar ge-
667
Stand erläutert, Mit Recht sagen die Herausgeber: „Je
weniger sich Jemand auf der Baustelle umsehen konnte,
um so willkommener dürfte ihm ein derartiger Ersatz der
Wirklichkeit sein“. Das Arbeitsgebiet für das Lexikon
ist auf den Hochbau beschränkt; es werden dargestellt:
Baukonstruktion, Baumaterialien, Bautechnologie, Baufüh-
rung, Bauformen, Geschichte der Baukunst und Aesthetik.
Aus der Mathematik ist nur das für den Architekten Wich-
tigste aus Mechanik und Statik gegeben, dasselbe bezieht
sich auf Physik und Chemie, sowie auf die inbetracht
kommenden Zweige des Ingenieurwesens, der Elektro-
technik, der Bildhauerei und der Malerei. Wenn etwas
für das Bedürfniss eines derartigen Lexikons spricht, so
ist es die starke Inanspruchnahme unseres Briefkastens.
Wir hoffen, dass wenn die 5 in zweimonatlichen Zwischen-
räumen erscheinenden Abtheilungen vollständig vorliegen
werden, die Inanspruchnahme unseres Briefkastens eine
wesentliche Verminderung erfährt. —
Tabellen zur Berechnung hölzerner Träger mit besonderer
Berücksichtigung jener Querschnitte, deren Breite
zur Höhe sich wie 5 : 7 verhält. Von Bmsir. Emil
Stoy. 2. umgearbeitete Aufl. Wien 1902. Lehmann
& Wentzel (Paul Krebs). Pr. 1,20 M. —
Die kleine Schrift enthält Tabellen für die Fläche, das
Gewicht für i und das Widerstandsmoment von Balken-
querschnitten bis 40 zu 56 cm Seitenlange und zwar unter
besonderer Hervorhebung der günstigsten Querschnitte
durch fetten Druck. Durch Beigabe zweier Tabellen der
österreichischen und der deutschen Normalprofile für I-
Eisen wird das praktische Büchlein noch verwendbarer. —
Bei der Redaktion d. Bl. eingegangene litterar. Neuheiten:
Lenggenhager, E., Mootage-Ing. Erläuterungen zu den
Feuersicherh eits- Vorschriften für elektrische
Licht- und Kraftanlagen. Zürich 1902. Albert
Raustein, vorm. Meyer & Zellers Verlag. Pr. i M.
Liederbuch für Architekten und Ingenieure. Zu-
sammengestellt von der Ortsgruppe des Mittelrhein. Arch.-
und Ing.-Vereins Wiesbaden. Wiesbaden 1902. Rudolf
Bechtold & Co.
Lipinskl, Rieh. Das Recht im gewerblichen Arbeit s-
Verhältniss. Heft i (vollst. in 15 Heften). Leipzig 1902.
Rieh. Lipinski. Pr. des Werkes 2,25 M, geb. 3 M. •
Dr. Karsten, B., Oberlehrer und Kleiber, Joh., Reallehrer. Lehr-
buch der Physik. Zum besonderen Gebrauche für
Technische Lehranstalten, sowie zum^Selbststudiuni. München
1902. R. Oldenbourg. Pr. 4 M.
Dr. Lorenz, Hans, Prof. Lehrbuch der technischen
Physik. I. Bd.: Technische Mechanik starrer Systeme.
München 1902. R. Oldenbourg. Pr. 15 M.
Mattar, Stephan. Dachpappe und Holzzement. Prak-
tische Anleitung zur Herstellung der Dachpappen-, Holz-
zement- und Kiespapp-Dächer und deren Materialien. Wies-
baden 1902. P. Plaum. Pr. 75 Pf.
Preisbewerbungen.
Wettbewerb Rathhaus Ober-Schöncwelde bei Berlin.
Es handelt sich um ein mit einer Summe von 3500C0 M.
zu errichtendes Gebäude, für welches die Wahl der Form-
legenenSiegesdenkraal grossgedachten Strassenbildes sein
werden. Der Entwurf verbreiterte unmittelbar vor demhohen
Mittelbau des Museums den Platz um ein Bedeutendes und
gab ihm hier die Form eines mit seiner Schmalseite auf dem
Museum stehenden Rechtecks ; der Rest des Forums wurde
dafür etwas verengert. Den Hauptarm der Strasse führte
der Entwurf durch, sah aber vor dem Museum einen
schmalen zweiten Strassenarm vor. Auf der hierdurch ge-
bildeten Strasseninsel sollte eine monumentale Garten-
architektur angelegt werden mit einer vor dem Mittelbau
angelegten Vertiefung von i “und im Anschluss an sie mit
einer gegen die Strasse um i “ erhöhten mit Balustraden
und Treppen geschmückten Terrasse. Durch die Ver-
tiefung sollte der Mittelbau des Museums an Sockel und
Höhenwirkung gewinnen und es wurde der hochgelegene
Theil der Terrasse für ein künftiges Denkmal des Prinz-
regenten ins Auge gefasst. Adolf Hildebrand entwarf
als Abschluss der erhöhten Schmuck-Anlage einen kunst-
vollen offenen Pavillon mit einem Huberlusbrunnen, dessen
Wasser sich dereinst in ein langgestrecktes Becken er-
giessen soll. Man weiss, dass der Bildhauer Adolf Hildebrand
mit besonderem Glück Brunnenanlagen geschaffen und
bei ihnen die Aesthetik des Wassers gepflegt hat. Von
dem Geplanten ist heute, zumtheil durch die Freigiebig-
keit des Prinzregenten, das Grundlegende, die Terrasse
und die Schmuckanlage, ausgeführt. Das Denkmal und
der Brunnen werden noch folgen. Die Gesammtwirkung
dieserSchmuckanlageistabernicht minder gesichert, wie die
Gesammtwirkung der Platzanlage überhaupt, denn für die
Gestaltung der durch das Museum nicht eingenommenen
Platzwandangen erscheint der Einfluss Seidls gesichert.
668
UNIV. OF
gebung den Bewerbern überlassen ist, doch soll seine Er-
scheinung der Würde des iSpSgegründeten, schnellwachsen-
den und schon jetzt gegen 9000 Einwohner zählenden Vor-
ortes von Berlin entsprechen. Die Lage des neuen Ge-
bäudes ist eine bevorzugte an einem schönen Schmuck-
platze. Das Rauraprogramm für das auf Erweiterung zu
planende Gebäude ist das für ähnliche Bauten übliche.
Die zeichnerischen Anforderungen halten sich innerhalb
der bisher bei erfolgreichen Wettbewerben gezogenen
Grenzen. Mit Freude verzeichnen wir die Absicht der
Gemeinde, „den Sieger oder einen der Sieger zur
Bauausführung mit heranzuziehen“. Mit dieser
Aussicht wird es dem Wettbewerbe an einer starken Be-
theiligung nicht fehlen. —
Einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
ein Krematorium mit Kolumbarium in Prag erlässt die Ge-
sellschaft für Leichenverbrennung dorten zum 30. Aprili903.
Es gelangen 2 Preise von 400 und 300 Kr. zur Vertheilung.
Näheres durch dasPragerStadtphysikat, Kleiner Ring459, —
Brief- und Fragekasten.
M. u. Z. in Liegnitz. Ihre Frage, ob N. N. unter den von
Ihnen dargestellten Umständen befugt ist, den Titel Maurer- und
Zimmermeister zu führen, kann zuverlässig nicht beantwortet wer-
den, weil die Entscheidung überwiegend auf thatsächlichem Gebiete
liegt. Bei der vorherrschenden Neigung in der Rechtsprechung, ira
Zweifelsfalle freizusprechen, ist nicht wahrscheinlich, dass es zur
Anklage und Verurtheilung des Betreffenden wegen unbefugter
Führung des Meistertitels kommen wird. Denn da er eine grosse
Anzahl Häuser gebaut hat, kann ihm füglich die Befähigung zur
Ausführung von Bauwerken nicht abgesprochen werden. Ob die
Bauherrin seine Ehefrau oder ein Dritter war, ist gleichgfltig. Zur
Erfüllung des persönlich selbständigen Ausführens im Sinne G. v.
26. Juli 1897 Art. 8 genügt, dass man nicht als Gehilfe eines Anderen
(z. B. Polier) thätig war, sondern der Anleitende bezw. Verant-
wortliche für die Ausführung gewesen ist, weil selbständig nur im
Gegensätze zum Gehilfen, Gesellen gebraucht wurde. Dazu tritt,
dass Ihre Sachdarstellung nicht angiebt, wann N. N. zum ersten
Male sich Maurer- und Zimmermeister genannt hat, ob dies nament-
lich vor dem Inkrafttreten des § 133 in neuer Fassung erfolgt ist.
Legen Sie auf ein Urtheil im beregten Falle grossen Werth, so
können Sie dieses Ziel einfach und kostenlos durch Einreichung eines
Strafantrages erreichen. Wird ihm keine Folge gegeben, so haben
Sie noch Rechtsmittel, zu deren sachgemässen Begründung Sie
allerdings gut thun würden, einen Rechtskundigen zuzudehen. Zu
bemerken bleibt, dass weder das Leisten des Offeabarungseides
noch eine etwaige Bestrafung wegen Betruges den Verlust des
rechtswirksam erworbenen Meistertitels nach sich zieht, weshalb
diese Ereignisse auch nicht angethan sind, Erwerb und Annahme
des Titels zu verhindern. — K. H-e.
Inhalt: Berliner Neubauten. Das Palais Staudt. (Schluss). — Bergauf-
zug nach der Bastei in der Sächsischen ächweiz. — Das deutsche Bauern-
haus iu Deutschland, Oesterreich-Ungarn und der Schweiz (Schluss). —
MittheUungen aus Vereinen. — Vermisentes. — Preisbewerbungen. — Bücher-
schau. — Ein Prachtwerk über das Bayerische National-Museum in Mönchen
(Schluss). — Brief- und Fragekasten.
Hierzu eine Bildbeilage: Mu?iksaal im Palais Staudt
zu Berlin.
Verlag der Deutschen Banzeitnng, G. m. b. H., Berlin. Für die Redaktion
verantwortl. Albert Hofmaun, Berlin. Druck von Wilh. Greve, Berlin.
Wir müssen es uns versagen, auf die nunmehr in dem
Prachtwerke folgende Baugeschichte des Museums und die
während derselben gemachten Neuerwerbungen in ihren
Beziehungen zum Gebäude näher einzugehen. Am 15. Sep-
tember 1898 konnte mit dem Umzug in das neue Gebäude
begonnen werden und zu Beginn des Herbstes 1:900 hatte
Rudolf von Seitz die Riesenaufgabe der Neuaufstellung der
Sammlungen vollendet, sodass am 29. September 1900 die
feierliche Eröffnung des Museums stattfand. „Erst jetzt“,
führte der Kultusminister Dr. v. Landmann in seiner
Ansprache an den Prinzregenten aus, „tritt so recht augen-
scheinlich zu Tase, welchen unvergleichlichen Schatz
Bayern in seinem Nationalmuseum besitzt.“ Dieser Schatz
ist durch unser Prachtwerk weiteren Kreisen erschlossen
worden. Es ist eine der vornehmsten Veröffentlichungen,
die je die Druckerpresse verlassen hat. Das gedruckte
Wort ist in ihr auf die nothwendigsten Angaben beschränkt
und den zahlreichen schönen Abbildungen die Sprache ge-
lassen, die beredter und begeisternder kaum je vernommen
worden ist. „Meinem Volk zu Ehr und Vorbild,“ lautete
die Inschrift des königlichen Gründers, Maximilians II., die
er dem Museum widmete. Dem bayerischen Volke zu Ehr
und Vorbild gereicht auch die Veröffentlichung, die den
Ruhm des Museums kündet. Was wir aus derselben in
No. 100 wiedergeben konnten, giebt auch nicht entfernt
ein Bild von der Schönheit der Tafeln und der Abildungen
im Text.
Wer sich entschliesst , sich mit der Veröffentlichung
selbst zu beschäftigen oder sie gar als werthvollen Besitz
in seiner stillen Werkstatt zu hüten, wird bei dem Genüsse
dieses Schatzes seltene Standen reiner Freude erleben. —
No. 103/4,
APRI8 1913